1890 / 82 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 31 Mar 1890 18:00:01 GMT) scan diff

Menschen als Sinnenwesen unter der Wucht des unerbittlichen Schicksals binstellen, ohne gleichzeitig die befreiende Kraft des sittlichen Ideals zu zeigen. Diese Auflehnung gegen den pessimistischen Realismus kommt dem Dichter aus tiefster Seele: er ringt für sittliche Freiheit und Wahrheit und kämpft für aufrichtige Nächstenliebe, füͤr jene heitere und wahre Lebensanschauung, welche den natürlichen Inhalt und Ausfluß der Menschenseele bildet. 8 In die Mitte seines Schauspiels stellt Heiberg die Gestalt des Johannes Ramsetb, eines alternden Mannes, welcher den Wabhrheits⸗ durst und die Wabrheitsbegeisterung für eine ganze Nation in seinem Busen aufgespeichert zu haben glaubt; mit dem Fanatismus des Wahrheitsschwärmers spürt er den Schwächen der Menschen nach, legt sie bloß und knickt dadurch alle holden Blüthen des Lebens. Seiner Freundin Anna, einer liebenswürdigen jungen Wittvwe, welche in treuer Liebe ihrem verstorbenen Gatten in ihrem Herzen Altäre baut, zertrümmert er mit roher Hand ihre fromme Gesinnung. Sie war glücklich und sicher in ihrem Fühlen und Denken; ihr Mann hatte ihr kurz vor seinem Hinscheiden die liebende Versicherung gegeben, daß seine Gedanken und Thaten während ihrer Ehe ihr unverbrüchlich angehört hätten. Die Enthüllung und der deutliche Beweis vom Gegentheil verrücken das Gleichmaß ihrer Seele. Die Worte des sterbenden Gatten, welche ihr Stab und Stütze im Leben gewesen, werden nun ihr Verderben; sie sinnt und grübelt über das erlogene Glück, bis ihr Geist in die Nacht des Wahnsinns versinkt. 6 8 Heiberg wollte in seinem Schauspiel ein Prophet im ent⸗ gengesetzten Sinne Ibsen's sein; er predigt: Wendet euch dem freundlichen Lichte des Lebens zu, sucht nicht aus fanatischer Wahrheitsliebe jedes dunkle Fleckchen auf dem Lebenswege eures Nächsten auf, seid nachsichtig, liebevoll, richtet nicht! Er rückt aber diese Ermahnung dem Publikum in denselben grausigen, rücksichtslosen Bildern vor Augen, welche seine Gegner kennzeichnet; man kann den ersten Akt in dieser Beziehung ausnehmen; derselbe eröffnet mehr die Aussicht auf eine lustige Satire, als auf ein tragisches Schauspiel. In der Folge tritt eine vollständige Aenderung ein; es werden heikle Gegenstände derb und unverhüllt behandelt, das Gemälde verdüstert sich, bis alle Schrecken der Menschenseele grell und grausig hervortreten. Man erkennt da, daß der Verfasser doch auch vollständig unter dem Einfluß der naturalistischen Schule steht. Der Dialog zeigt, um möglichst wahr zu erscheinen, eine Menge abgerissener Sätze, unklarer Erläuterungen; ja die Handlung selbst bewegt sich oft sprungweise weiter, sodaß der Zuschauer sich selbst manches Mittel⸗ glied ergänzen muß. Die Charaktere sind kräftig angelegt, zeigen aber in der Durchführung manches Verworrene. Da ist zuerst Johannes Ramseth, der Avpostel der Wahrheit; im ersten und zweiten Akt hält man ihn für einen bewußten Heuchler; in den beiden letzten Aufzügen wird sein Wahrheitsdurst auch von seinen Feinden als unantastbar dargestellt, sodaß er zum Schluß der Tragödie sittlich viel höher steht als am Beginn der⸗ selben. Hierin liegt eine Unklarheit der Charakteristik, welche den einbeiklichen Eindruck stört. Wenn Ramseth wirklich ein Märtvrer der Wahrheit ist, gleichviel in welcher Form, so gebührte ihm Achtung

und Verehrung. Andererseits läßt uns der Dichter erkennen, daß nicht von Tschaikowsty und zwei beliebte Lieder Ehovin's bildeten den

die reine, keusche Wahrheit die Triebfeder seines Handelns ist, wie er sich selbst und seine Freunde glauben machen will. In der Seele des alternden Mannes erblüht ein Johannistrieb; er will die liebliche Anna für sich gewinnen und enthüllt ihr erst, als er die Gefahr in der Gestalt eines jugendlichen Verehrers nahen sieht, ihres verstorbenen Mannes Fehl; er deutet eine Wiederholung ihres Geschickes an, wenn sie sich dem jungen Freunde verbindet; an seine Brust, die Felsenburg der Wahrheit, soll sie sich flüchten. Sein Thun ist also unwahr, er handelt nicht aus reiner Wahrheitsliebe, sondern aus Eigennutz; sein Handeln ist unnatürlich, denn er möchte ein junges aufstrebendes Herz an eine im Niedergange befindliche Seele binden. Der Dichter mußte schärfer hervortreten lassen, daß er nicht die göttliche, reine Wahrheit, sondern den falschen Schein der Wahrheit verurtheilt. Wir lassen uns nicht widerstandslos einen großen sittlichen Gedanken verkümmern.

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in 0 Celsus 5⁰ C. = 4⁰ R.

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u. d. Meeressp. red. in Millim

Mullaghmore Aberdeen.. Christiansund Kopenhagen. Stockholm. St. Petersbrg Moskau... Cork, Queens⸗ town.. Cherbourg. elder..

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predigten.

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Donnerstag:

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60 NS Breslau 762 NW Fle dAix. . 762 ONO 4 wolkenlos Niza 762 ONO 3 Nebel Triest EZZII still wolkenlos Uebersicht der Witterung. Ein barometrisches Maximum von nahezu 770 mm

Carl Laufs. dritte Kopf.

ꝙ, 00 S

Anfang 7 Uhr.

4 8 Mittwoch: Opernhaus. 78. Vorstellung. Das korzens 3 Ubr. Käthchen von Heilbronn. Romantische Oper burg in 4 Akten von Carl Rheinthaler.

Berliner Theater. Dienstag: Gräfin Lea.

Mittwoch: Wittwe Scarron. Ein Liebes⸗ zeichen. Hexenfang. Kandel’s Gardinen⸗

Donnerstag: Zum 1. Male: Wallenstein’s Tod.

Tessing-Theater. Gebot. Volksstück in 4 Akten von L. Anzengruber. (Erstes Auftreten des Hrn. Adolph Klein nach seinem ASess

Adolph Ernst-Theater. Dresdenerstraße 72. Geedag; 8 S 1 esangsposse in ten von Eduard Jacobson und : Ei dar Ehre. Pchauspiel in 4 Akten Sesantgeesfe ieaers thelweise aon Puftah Görg ertereun Musik von Franz Roth. Anfang 7 ½ Uh

Mittwoch: Dieselbe Vorstellung.

Mittwoch: Iuliette. Schauspiel in 3 Akten von Octave Feulllet. Lustspiel in 1 Akt von Hans Hopfen.

von Hermann Sudermann.

Wallner-Theater. Dienstag: Zum 100. Male: Ein toller Einfall. Schwank in 4 Akten von Vorber: Zum 149. Male: Der Posse in 1 Akt.

2 4 8 L Mittwoch: Madame Bonivard. Schwank in liegt g. den Avrbo Trchzs vn. 3 Akten von Alexandre Bisson und ö inima lagern über dem Biscayischen Busen und (Diane: Frl. Auguste Brand, vom ndes⸗Theater in vieser Sa⸗ Nordwest⸗Rußland. In Central⸗Europa ist das in Graz, als Gang) Vorher: Die Schulreiterin. letzte Vorstellung in dieser Saison.

un die fanatische Verfolgung einer göttlichen

Idee auf schmerzliche Abwege führt, so ist nicht der klare Gottes⸗ gedanke varän Schuld, sondern das armselige menschliche Miß⸗ verstehen. Die Heldin des tragischen Konfl' kts, Anna, tritt uns An⸗ fangs als gesunde, starke Seele entgegen, mit naivem Empfinden; später mischt sich eine krankhafte Einbildung hinein, welche das gräßliche Ende herbeiführt. Ein ursprüngliches Gemüth würde zwar tiefen Schmerz und bitteres Weh empfinden, wenn sie nachträglich von dem ihr angethanen Leid erfährt; aber sie würde die Erschütterung über⸗ winden, wie sie den Tod des Gatten überwunden hatte und heiter und fröhlich in der Welt leben konnte.

. Die Darstellung gab einen neuen Beweis von der hohen Leistungs⸗ fähigkeit des Deutschen Theaters. Frl. Sorma als die junge Wittwe Anna wuchs mit ihrer Rolle empor; die heitere selbstbewußte Lebens⸗ freude, der plötzlich in ihr ahnungsloses Gemüth einschlagende Blitz des Zweifels, den wachsenden nervösen Aufruhr der Gefühle bis zum grauenhaften Ausbruch des Wahnsinns, schuf sie mit künstlerischer Vollendung. Hr. Pobhl gab den Johannes Ramseth besonders zu Anfang mit einem leichten Anflug von FJronie, welche den Schwulst seiner Reden erträglich machte; er arbeitete den Fanatiker in seiner unnahbaren Hoheit kräftig heraus, auch da, wo seine lodernden Sinne bervorzublitzen be⸗ ginnen. Den humoristisch angelegten Gerhard Hielm spielte Hr. Kadelburg mit liebenswürdiger Gewandtheit. Außer ihm ist noch Hr. Nissen in der Rolle des leidenschaftlichen Kai Dahl zu erwähnen.

„Das Publikum brach nach jedem Akte in mächtige und anhaltende Beifallsbezeugungen ars, in welche sich im weiteren Verlaufe des Abends energische Oprosition mischte. Hr. Direktor L'Arronge mußte nach jedem Aktschluß vor der Gardine erscheinen, um im Namen des Dichters zu danken.

Sing⸗Akademie.

Die Altistin Fr. Lillian Sanderson aus Amerika, deren Mitwirkung in dem Concert des Professor Stockhausen, ihres Lehrers, noch in gutem Andenken steht, gab am Sonnabend ein eigenes Concert, welches ungemein zahlreich besucht war. Ihre volle, wenn auch nicht umfangreiche Stimme, ist von großer Klangschönheit, die in allen Lagen ihre Gleichmäßigkeit behält und beim Hinabsteigen in die Töne der kleinen Oktave mitunter bezaubernd wirkt. Die Reinheit der Intonation und die Deutlichkeit der Aussprache sind gleichfalls sehr zu loben. Hierzu kommt ihre edle Art des Ausdrucks und die geistige Durchdringung des Inhalts der verschiedenen Gesänge. Die Arie aus Händel's „Messias“: „O du, der Wonne verkündet“, machte den nachhaltigsten Eindruck auf die Hörer. Nächst dem sehr charakteristisch vorgetragenen Liede „An die Stolze“ von Brahms, erweckte besonders Schumann's Ballade „Die rothe Hanne“ großes Interesse. Dies Werk (nach der Dichtung A. von Chamisso's), das die Sängerin bereits früher mit Klavierbegleitung allein zum Vor⸗ trag brachte, erschien diesmal in seiner ursprünglichen Fassung mit Betheiligung eines Chors, womit Frau S. einen mehrfach laut gewordenen Wunsch erfüllte. Die Ballade sowie die Arie „La captive“ von Berlioz, in der nur die Orchesterbegleitung eine zu bedevtende Rolle spielt, gelangen vortrefflich. Einige neue, recht bübsche Lieder

Schluß des Abends. Lauter, oft stürmischer Beifall folgte jedem ihrer Vorträge. Das Philharmonische Orchester begleitete unter Hrn. Kogel's Leitung die Arien sehr präzis und erfreute außerdem durch einige bekannte und beliebte Instrumentalstücke. Der tüchtige Pianist Hr. E. Wolff führte die Klavi begleitung mit großer Sorgfalt aus. 8

Concerthaus.

Kapellmeister Meyder veranstaltet zur Feier des 75. Geburts⸗

tages des Fürsten Bismarck unter freundlicher Mitwirkung des Männergesangvereins „Cäcilia Melodia“, unter Direktion des König⸗ lichen Musikdirektors Edwin Schulz, morgen im Concerthause ein Fest⸗Concert. Das Programm dieses Abends enthält u. a.: die „Jubel⸗Ouverture“ von Weber, „Königsgebet“ aus der Oper „Lohen⸗ grin“ von Wagner, „Zu Schutz und Trutz“, Hymne (neu) von Lechner,

„Der Kanzler“ von W. Tappert (dem Fürsten Bismarck gewidmet und von demselben angenommen).

b Mannigfaltiges.

Der unter dem Protektorat Ihrer Majestät der Kaiseri Friedrich stehende Verein „Victoriahaus für Kranken⸗ pflege“ bielt vorgestern unter Vorsitz des Staats⸗Ministers Del⸗ brück im großen Fraktionssaale des Reichstagsgebäudes die 4. Jahres⸗ versammlung ab Das Victoriahaus umfaßt nach dem Jabresbericht 3 3. 85 angestellte Schweslern und 19 Schülerinnen, zusammen also 104 Pflegerinnen, 17 mehr als im Jahre vorher. Aufgenommen wurden 48 gegen 30 im Vorjahre, ausgeschieden sind 17 an⸗ gestellte Schwestern, davon zwei durch Tod, und 14 Probepflegerinnen, zusammen 31 gegen 20 im Vorjahre. Dos letzte Jahr bot zum ersten Male die Möglichkeit, der Ausübung der häuslichen Krankenpflege planmäßig näher zu treten. Bis zum Jabresschluß sind insgesammt 789 Tage für Privatpflege verzeichnet, und zwar 676 Tage, an welchen die Schwestern in Thätigkeit waren, und 113 Ruhetage. Die Einnahmen stellten sich mit Einschluß des 17 207 betragenden Saldos auf 70 020 4532 gingen an Beiträgen, 6000 an Geschenken, 7373 an Zinsen ein; 31 169 brachten die für die Schwestern vereinnahmten Gehälter, 1983 die Privatpflege. Verausgabt wurden 51 721 und zwar 28 644 für Gehälter, 2553 für Kleidung, 2141 für das Haushaltungs⸗ conto, 1910 für. Miethe, 2507 für Weihnachtsgeschenke, 1780 für Altersversicherungszuschuß u s. w Der Pensions⸗ und Unterstützungsfonds ist von 35 000 auf 45 000 angewachsen, die Suppenkasse hatte bei 141 Bestand 100 Einnahme und 185 Ausgabe, die Erholunaskasse 770 Einnahme und 505 Ausgabe. Die Bilanz vom 31. Dezember 1889 schließt in Einnahme und Aus⸗ gabe mit 215 627 ab.

Torgau, 28. März. (Köln. Ztg.) Im Königlichen Haupt⸗ gestüt Graditz fand heute die große Frühjahrsversteige⸗ rung statt, bei welcher neun Vollblutpferde unter den Hammer gelangten. Sie wurden außerordentlich hoch bezahlt, und zwar insgesammt mit 33 860 ℳ, was einem Durchschnittspreise von 3762 entspricht.

Rom, 30. März. (W. T. B.) Ein gestern von hier nach dem Norden abgegangener Eisenbahnzug ist bei Chiusi entgleist, wobei 8 Personen verwundet wurden.

Nach Schluß der Redaktion eingegangene Depeschen.

Dortmund, 31. März. (W. T. B.) Wie die „Rheinisch⸗Westfälische Zeitung“ meldet, ist der Ober⸗ Präsident Studt am Sonnabend Abend nach Münster, und der Regierungs⸗Präsident Winzer am Sonntag früh nach Arnsberg zurückgekehrt. Die gestern Nachmittag abge⸗

altene Versammlung der Belegschaft der Zeche „Unser ritz“ beschloß, demselben Blatt zufolge, gegen den Strike Front zu machen und jede Betheiligung daran zu unter⸗ kassen. Auf den Zechen „Dahlbusch“ und „Zollverein“ arbeitet Alles. b

Wien, 31. März. (W. T. B.) Heute begann ein theil⸗ weiser Strike der Maurer⸗und Steinmetzgehülf n. Die Ansammlungen wurden von der Polizer zerstreut. Einige Verhaftungen sind vorgenommen worden.

(Fortsetzung des Nichtamtlichen in der Ersten Beilage.)

r. 1 82. Vorstellung. Natalie. Mitt Marqunise.

Aafang 7 Uhr. Velle-Alliance-Theater.

Hof⸗Opernsängers Hrn. Nicolaus Rothmühl, sowie

Residenz-Theater. Direktion: Sigmund Lauten⸗ 1 11I fpore Bienfttg Zum, 83. Meale- Merguse des Philharmon. Orchesters. Anfang 7 ½ Uhr. 86 . 1 tispiel in en von Victorien Sardou. Deu H. von Kleist's gleichnamigem Schauspiel von H. 8 7 Bulthaupt. Anfang 7 U von Robert Buchholz. Anfang 7 ¼ Ubr. Schauspielhaus. Schauspiel in 4 Aufzügen von Iwan Turgenjew. Nach dem Russischen für die deutsche Bühne bearbeitet von Eugen Zabel.

Karten 4, 3, 2 u. 5 (Loge) bei Bote und Bock.

Concert-Haus, Leipzigerstr. 48 (früher Bilse). Karl Meyder⸗Concert. Dienstag, 1. April: Fest⸗ Concert zum 75. Geburtstage Sr. Durchlaucht des Fürsten Bismarck unter Mitwirkung des Männer⸗ Gesangvereins „Cäcilia⸗Melodia“, Dirigent: Kgl.

—;— gänzlich neuer Ausstattung: Zum 31. Male: Der Musikdirektor Edwin Schulz.

und Tanz in 4

und A. Wicher. M. Volta. Anfang 7 ½ Uhr.

Central-Theater.

Dienstag: Das vierte Anfang 7 ¼ U

Vorher: Trudels Ball.

Verne von Carl Pander. Musik von E. Christiani Ballets und Gruppirungen von

Mittwoch u. folg. Tage: Dieselbe Vorstellung.

Direktion:

Dienstag: Zum 20. Male: Ein sideles Haus. Posse mit Gesang in 4 Akten nach einer vorhandenen Idee von W. Mannstädt. Musik von G. Steffens.

hr. Mittwoch: Zum 21. Male: Ein sideles Haus.

Arania, Invalidenstraße 57/62, geöffnet von Mit theilweiser 12 11 Uhr. Dienstag um 7 Uhr: Die Ge⸗ Benutzung einer englischen Idee von Franz Wallner. schichte der Urwelt.

Circus Renz, Karlstraße. Donnerstag, 10. April Dienstag, Abends 7 ½ Uhr: Auf vielseitiges Ver⸗

Di . K Nautilus. Großes Ausstattungsstück mit Gesang B F1 König Midas. nien und 13 Bildern nach Julks ————— Donnerstag: König Midas.

Familien⸗Nachrichten.

Verlobt: Frl. Margarethe Boenisch mit Hrn. Apotheker Leo Faerber (Karf b. Miechowitz Beuthen i. Oberschl.). Frl. Emilie Meining⸗ haus mit Hrn. Richard Kluth (Broich b. Mül⸗ heim a. d. Ruhr—Hamburg). Frl. Marie Gersch mit Hrn. Rittergutsbesitzer Hermann Möhring (Zschackwitz b. Döbeln— Schweta). Frl. Toni Martens mit Hrn. Hans Crusius (Han⸗ nover). Frl. Gertrud Schwarz mit Hrn. Hein⸗ rich Thol (Opladen Essen)

Verebelicht: Hr. Georg Jentzsch mit Frl. Antonie Wickmann (Leipzig— Plagwitz). Hr Karl Heine mit Frl. Klara Gräser (Leipzig). Hr. Dr. F Hermann Schultze mit Frl. Marianne Hoenerkopff (Köthen i. A. Dessau).

Sohn: Hrn. Hauptmann Hörder

(Thorn). Hrn. Dr. med. Reebs (Gnoyen).

r. Hrn. Georg Plenio (Lyck). Hrn. Albert Brünell

(Köln). Hrn. Gymnasiallehrer Dr. H. Glosl

(Wesel a. Rbein). Hrn. Georg Förster (Leipzig

Neusellerhausen). Hrn. Adolph Becker (Esch).

Hrn. Georg Stobbe (Lötzen). Hrn. Josef

Stiel (Düsseldorf). Eine Tochter: Hrn.

Staatsanwalt Mrozek (Memel). Hrn. Raths⸗

förster Schier (Chemnitz). Hrn. Dr. Alfred

Will (Königsberg). Hrn. Rechtsanwalt Emil

Schniewind (Köln). Hrn. Regierungs⸗Sekretär

W. Rühmann (Hannover). Hrn. Paul Brinck⸗

Hrn. Wilh. Ranek (Su⸗

ingen).

Emil Thomas.

Wetter kähler, im Norden bei mäßigen nordwest⸗ Lustspiel in 1. Akt von Emil Pohl. (Baronesse langen: Aschenbrödel. Großes phantast. Zauber, Gestorben: Hr. Füeee.Fegt⸗ Ernst Kelbel

lichen Winden trübe, im Süden bei meist schwachen von Nietocht: Frl. Aug. Brand, als Gast)

variablen Winden vielfach heiter. An der deutschen

Küste fanden stellenweise Regenfälle statt. In Finn⸗

land ist wieder leichter Frost eingetreten. Deutsche Seewarte.

Anfang 7 ½ Uhr. Theater⸗Anzeigen. nes599n

AKhnigliche Schauspiele. Dienstag: Opern⸗ haus. 77. Vorstellung. Tannhäuser und der Dienstag: tisce Oper in 3 Akten von Dirigent: Kapellmeister Sucher. Anfang 7 Uhr.

Schauspielhaus. 81. Vorstellung. König Lear. Trauerspiel in 5 Aufzügen von Shakespeare. In Scene gesetzt vom Direktor Dr. Otto Devrient. Anfang 7 Uhr.

Bictoria-Theater. Stauley in Afrika.

Mittwoch: Dieselbe Vorstellung.

Friedrich-Wilhelmstädtisches 8

8 1 b 76. Male: Der arme Jo⸗

Sängerkrieg auf der ve. Große roman⸗ „athau. 1. Sn . 3 Akten von Hugo Wittmann

Richard Wagner. und Jultus Bauer.é Musik von Carl Millöcker.

In Scene gesetzt von Julius Fritzsche.

Dr. Kavellmeister Federmann. Anfang 7 ½ Uhr. Mittwoch: Der arme Jonathan.

8E1ö“

1 Briatore. Mittwoch: Napoli.

Dirigent:

märchen mit Aufzügen und Gruppirungen, arrangirt vom Direktor E. Renz, mit dem gesammten Corps Dienstag: Zum 226. M.: de Ballet. Großes Hürdle⸗Rennen, Concert und

98:2 3— Bild Bal hippique von 8 arab. Schimmelhengsten von Zeitgemälde in 10 Bildern Hrn. Franz Renz (Original⸗Dressur). Auftreten von Alex. Moszkowski und Richard Nathanson. der vorzügl. Reitkünstlerinnen und Reitkünstler. Musik von C. A. Raida. Ballet von C. Severini. Schulpferd Coriolan, geritten von Hrn. Oscar Renz. 8 3 Athleten auf 2 Pferden von den 3 Gebr.

Concert⸗Anzeigen.

Philharmonie. zum Besten der „Ferien⸗Kolonien“, veranstaltet von .— Rüfer unter güt. Mitwirk. der Kgl. Hof⸗

pernsängerin Frl. Elisabeth Leisinger, des Kgl.

Dienstag, 1. April: Concert

(Neisse). Hr. Pfarrer Adolf Kieser (Gochsen a. Kocher). Hr. Landgerichts⸗Rath Edmund Heintzmann (Essen). Hr. Kaufmann Hugo Herrmann (Quedlinburg). Hr. Georg Jaeger (Rostock). Hr. Kantor emer. Ferdinand Krühn (Krakau). Hr. Fritz Rauch (Berlin). Frau Auguste Manger, geb. Bückling (Zebdenick).

Redacteur: Dr. H. Klee.

Verlag der Expedition (Scholz).

Druck der Norddeutschen Buchdruckerei und Verlags⸗ Anstalt, Berlin SW., Wilhelmstraße Nr. 32.

Acht Beilagen (einschließlich Börsen⸗Beilage)h. (539 ¼)

Berlin:

Berlin, Montag, den 31. März

III. (Schluß.)

Nur der Staat ist im Stande, die Mängel der bestehenden Gesellschaft zu beseitigen und die Gesellschaft durch Reformen gesund zu erhalten. Diese reformirende Thäligkeit ist eine Thätigkeit der ausgleichenden Gerechtigkeit, welche konform derjenigen ist, welche die Könige Preußens im 18. Jahr⸗ hundert zu Gunsten der damals wirthschaftlich schwächeren Klassen des Bauern⸗ und Bürgerthums ausgeübt haben. Wie damals hierdurch die Gesellschaft stark und gesund erhalten und der Friede bewahrt wurde, weil den Störungen durch reformirende Maßnahmen zu Gunsten der leidenden Klassen vorgebeugt wurde, so darf auch die von dem Thron aus⸗ gehende reformatorische Thätigkeit zu Gunsten der Arbeiter als im Interesse des Staats und der Gesellschaft ebenso noth⸗ wendig wie erfolgverheißend angesehen werden.

Die Kranken⸗, die Unfall⸗, die Invaliditäts⸗ und Alters⸗ versicherung, mit denen Deutschland allen Staaten bahn⸗ brechend voraufgegangen, werden wie auch die Stimmung der Arbeiter gegenwärtig sein mag sicher im Laufe der Zeit ihre Wirkung nicht verfehlen, weil sie sehr wesentliche

ängel, die sich auf dem Gebiete der bestehenden Wirth⸗ schafts⸗ und Gesellschaftsordnung herausgebildet haben, beseitigen. Freilich aber ist so führt von Scheelaus mit diesen Gesetzen noch kein Mittel gefunden, durch welches die Verständigung der Lohnarbeiter und Unternehmer auf dem Boden der heutigen Produktionsweise gesichert wird. „Diese Verständigung wird erschwert einerseits durch Forderungen der Arbeitnehmer, die über das zur Zeit wirthschaftlich Mögliche hinausgehen, andererseits dadurch, daß sich die Mehrzahl der (größeren) Arbeitgeber aller Berufszweige nicht an den Gedanken ge⸗ wöhnen kann, mit ihren Arbeitnehmern als Gleichberechtigten zu verhandeln.“

Angesichts der hier charakterisirten Lage erkannte es Se. Majestät der Kaiser und König für nothwendig, den weiteren Beschwerden der wirthschaftlich leidenden Klassen auf den Grund zu gehen und für die als berechtigt erscheinenden Forderungen, soweit sie bisher nicht genügend berücksichtigt waren, mit seiner Königlichen Macht einzutreten. Die Frauen⸗ und Kinderarbeit, die Nacht⸗ und Sonntagsarbeit bilden schon seit lange Stoff für sozialdemokratische Agitationen, die Regelung dieser Fragen ist nunmehr vom Staatsrath und von der internationalen Arbeiterschutz⸗Konferenz in Angriff genommen worden. Des Weiteren bleibt die Lohnfrage und die Frage der Arbeitsdauer zu regeln übrig. Nach beiden Richtungen wird vornehmlich von den Arbeitgebern selbst das Mögliche und Erforderliche geschehen können. Die Wege dazu werden durch den Einfluß der ganzen sozialreformatorischen Richtung unserer Politik geebnet werden, wie auch die zu schaffenden Organe, welche ein Fühlung⸗ nehmen zmischen Arbeitgebern und Arbeitern ermöglichen, be⸗ gründeten Beschwerden hoffentlich abzuhelfen geeignet sein werden.

Die Fürsorge des Kaisers und Königs für den sogenannten vierten Stand ist eine aus den Bedürfnissen der Zeit erwachsene. Es war von jeher der Beruf der Hohenzollern⸗Könige, an die Heilung der sozialen Schäden heranzutreten. Es mag sein, daß die wohlwollende Absicht von Manchen verkannt und die Begehrlichkeit gesteigert wird. Aber diese Möglichkeit lag ebenso in früheren Zeiten vor, und sie ist in Preußen⸗Deutschland doch ie zur Wirklichkeit geworden. Die Erwägung, daß die gute Saat auf unfruchtbaren Boden fallen könne, hat einen preußischen König noch nie davor zurückschrecken lassen, das zu thun, was ihm sein Gewissen und die Einsicht in die Welt der Dinge gebietet.

„Mit Schreckbildern, wie sie sich stets bei Reformen und bei Aenderungen des hergebrachten Zustandes eingestellt haben, kann die Aufgabe des Staats, der gegenwärtig leidenden Klasse zu helfen, nicht hintertrieben werden. Sie ist eine Noth⸗ wendigkeit, welche einen starken und mächtigen Staat erfordert. Der Kaiser und König erkennt die Nothwendigkeit gleich seinen erhabenen Vorfahren an. Die in seiner Hand ruhende Macht des Staats wird denen, welche für ihre ehrgeizigen und phan⸗ tastischen Ziele hierbei etwas zu gewinnen hoffen, ent⸗ gegenzutreten wissen. Aber die Lösung der Auf⸗ gabe erfordert die ganze Mitwirkung der Gesellschaft und aller ihrer bewährten Lebensformen, der Kirche und der Schule, namentlich aber auch der bestehenden, aus anderen Be⸗ dürfnissen hervorgegangenen politischen Parteien. Gegenüber dem Schrecken, mit welchem die Gesellschaft von dem Sozialis⸗ mus und den Ideen der Sozialdemokratie erfüllt wird, und gegenüber den Gefahren, welche aus einem dem Sozialismus gegenüber beobachteten Laissez faire erwachsen würden, müssen die Parteien sich festzusammenschließen, die Streitaxt begraben, die politischen Machtfragen ruhen lassen und sich um den Hüter aller Klassen der Gesellschaft, um den Träger der starken und mächtigen Krone schaaren.

Die Gesellschaft einer Waage in der Hand des Monarchen: er muß bald hier, bald dort ein Gewicht hinzu⸗ fügen oder entfernen, um die Schwankungen zu beseitigen und so die Harmonie, wenn sie einmal gestört ist, wiederherzu⸗ stellen. Nur das Königthum kann sich dieser Aufgabe unter⸗ ziehen. Die Aufgabe des Parlaments besteht hierbei vor⸗ nehmlich darin, daß es die Krone in ihrer Aufgabe, den Frieden der Gesellschaft zu fördern, unterstützt und sich uneigennützig als Mithelfer an dem Werk der ausgleichenden Gerechtigkeit und der Heilung der sozialen Schäden betheiligt. Geschieht dies, dann wird und muß die Sozialreform gelingen, dem Sozialismus aber der Boden unter den Füßen abgegraben

werden.

Statistik und Volkswirthschaft. 1 Zur Arbeiterbeweguna.

8 Westfälischen Kohlenrevier liegen über die e 8 g unter den Bergarbeitern folgende neuere Meldungen vor: Auf Schacht Hibernia der Bermwert nselscgaft Hibernia sind in der Frühschicht am Sonnabend, wie der „Rh.⸗Westf.

Ztg.“ aus Gelsenkirchen berichtet wird, 188 Mann, auf Zeche Wilhelmine⸗Viktoria derselben Gesellschaft sind auf Schacht I. 375 Mann, auf Schacht II. 157 Mann angefahren. Auf Schacht „Shamrock“ derselben Gesellschaft arbeitet die gesammte Beleg⸗ schaft in gewohnter Weise. Nachmittags sind dann auf Zeche „Hibernia’“ 11 Mann, auf Zeche „Wilhelmine Viktoria“ Schacht 1 129 Mann und Schacht II 48 Mann angefahren. Auf Zeche „Rheinelbe“ der Gelsenkirchener Bergwerksgesellschaft ist am Sonnabend Nachmittag nur ein Achtel der Belegschaft angefahren. Auf den drei Schächten der Bergwerksgesellschaft Kon⸗ solidation sind Sonnabend früh im Ganzen ca. 300 Mann angefahren. Einer Meldung des „Wolffschen Bureaus“ zufolge sind zur heutigen (Montag⸗) Morgenschicht angefahren: in Zeche „Rhein⸗ elbe“ 260 Bergleute, in Zeche „Konsolidation“ 270, in Zeche „Hibernia“ 171 und in Zeche „Wilhelmine Viktoria“ 497 Bergleute. Die angekündigten Versammlungen der Belegschaften der Zechen „Rheinelbe“, „Alma“ und „Bismarck⸗ haben nicht stattgefunden.

Aus Dortmund wird der „Rh.⸗Westf. Ztg.“ geschrieben, daß auf Zeche „Crone“ bei Dortmund seit vorgestern Morgen 360 Mann striken. Angefahren sind nur 86 Mann. Ueber Tage arbeiteten alle Leute. Von der Nachmittagsschicht fuhren nur 45 Mann an.

Der Vorstand des Vereins für die bergbaulichen Inter⸗ essen, hat, wie dasselbe Blatt aus Essen berichtet, beschlossen, gegen⸗ über den neuerdings auf einzelnen Zechen aufgetretenen Ausständen, den Zechen zu empfehlen, Bergarbeiter, welche die Arbeit auf anderen Zechen unter Kontraktbruch niedergelegt haben, nich: anzunehmen.

Gestern wurde, wie „W. T. B.“ aus Bochum meldet, in Herne eine von etwa 800 Bergleuten besuchte Versammlung auf⸗ gelöst und die Kasse polizeilich beschlagnahmt. Die Anwesenden ver⸗ ließen unter Aufforderung zum Strike das Lokal.

Wie der „Köln. Ztg.“ aus Saarbrücken geschrieben wird, ist das von Warken und Genossen wegen des im Dezember gegen sie wegen Beamtenbeleidigung ergangenen Urtheils an Se. Majestät den Kaiser gerichtete Gnadengesuch abschlägig beschieden worden.

Gestern wurde, wie „W. T. B“ meldet, in Bildstock (Saar⸗ revier) eine Vertrauensmänner⸗Versammlung von Bergarbeitern abgehalten, welche beschloß, den Arbeiter⸗ Kongreß in Brüssel nicht zu beschicken, da sie mit den herausfordernden Tendenzen der belgischen Arbeiter nicht einver⸗ standen sei. Bergmann Schelle wies außerdem auf die Erlasse Sr. Majestät des Kaisers und auf die Berliner Konferenz hin, die sich so eingehend mit dem Wohle der Arbeiter beschäftigten.

In Breslau haben, wie die „Köln. Ztg.“ berichtet, sämmtliche Tischler, nachdem der Centralvorstand die Absicht, in einen Aus⸗ stand einzutreten, gebibigt hat, beschlossen, zu kündigen; der Beitrag zur Ausstandskasse wurde auf 50 festgesetzt.

Aus Posen schreibt man der „Schles. Zts.“: Die Lohn⸗ bewegung der hiesigen Bauhandwerker hat einen ernsteren Charakter angenommen. Auf dem Fort VIIB. haben gestern und auf dem Fort VIII. heute zusammen etwa 200 Maurer die Arbeit nieder⸗ gelegt. Bereits Anfans März haben die Maurer den Arbeit⸗ gebern ihre Wünsche unterbreitet; sie verlangen Einführung der zehnstündigen Arbeitszeit und einen Stundenlohn von 40 für jeden Maurer ohne Unterschied der Leistungsfähigkeit. Bisher dauerte der Arbeitstag 11 Stunden und der durchschnittliche Tagelohn betrug 3 ℳ. Die Meister haben sich mit der 10 stündigen Arbeitszeit ein⸗ verstanden erllärt, den geforderten Stundenlohn dagegen abgelehnt. Am Donnerstag fand eine von etwa 400 Maurern besuchte Versamm⸗ lung statt, in welcver beschlossen wurde, an der 10 stündigen Arbeits⸗ zeit und dem Stundenlohn von 40 festzuhalten und die Arbeit am 1. April niederzulegen, falls diese Forderungen nicht bewilligt werden sollten. 3

In Stettin fand vorgestern, wie wir der „Ostsee⸗Ztg.“ ent⸗ nehmen, eine zahlreich besuchte Versammlung von Fabrikarbeitern statt wegen der Arbeitseinstellung in der Stettiner Kerzen⸗ und Seifenfabrik und in der Chamottefabrik. Was die erstgenannte Fabrik anbetrifft, so hatten die dort beschäftigten Arbeiter und Arbeiterinnen, etwa 150 an der Zahl, nach der Darstellung in der Versammlung Anfangs voriger Woche an die Direktion die Forderung gestellt, den Tagelohn durchschnittlich um 25 pro Tag zu erhöhen und die Arbeitszeit um eine Stunde zu verkürzen. Die Direktion hatte sich zu einer kleinen Erhöhung des Lohnes bereit er⸗ klärt, aber die Verkürzung der Arbeitszeit abgelehnt, was zur Folge hatte, daß die Arbeiter und Arbeiterinnen mit wenigen Ausnahmen am Mittwoch die Arbeit niederlegten. In der Chamottefabrik handelte es sich nicht um Lohn⸗ erhöhung; dort hatte eine aus etwa 25 Mann bestehende Kolonne von Ofenkarrern die Arbeit eingestellt, weil ihnen die von ihnen verlangte Verstärkung nicht gewährt worden war. Die Stimmung in der gestrigen Versammlung war eine augenscheinlich sehr gedrückte und für die Strikeführer wenig günstige; mit Bezug auf den Strike in der Chamottefabrik wurde offen anerkannt, daß derselbe aussichtslos sei, da die Strikenden bereits zum größten Theil durch Andere ersetzt seien und der Direktor sich schwerlich dazu ver⸗ stehen würde, die Strikenden überhaupt wieder einzustellen; es wurde denselben gerathen, sich anderweit um Arbeit zu bemühen.

Aus Kachen wird der „Köln. Ztg.“ telegraphirt: Die Arbeits⸗ einstellung in der Spier'schen Tuchfabrik ist beendet; es wird fomit in sämmtlichen Tuchfabriken und Webereien wieder gearbeitet.

Hannover findet, demselben Blatt zufolge, in den Tagen vom 8. bis 11. April d. J. ein Kon greß der deutschen Bau⸗ arbeiter und deren Berufsgenossen statt. In die sehr umfangreiche Tagesordnunzg ist auch die Besprechung über Einführung des acht⸗ stündigen Normalarbeitstages aufgenommen.

Die aus Anlaß der Lohnbewegung in der Webwaaren⸗ branche gegründete Vereinigung von Webwaarenfabrikanten in Chemnitz bat, wie wir dem „Ch. Tgabl.“ entnehmen, den Namen „Verein zur Wahrnehmung der gemeinsamen Interessen der Webwaaren⸗Fabrikanten von Chemnitz und Um⸗ gegend“ angenommen und nachstehende Bekanntmachung erlassen, welche in den Fabrikräumen angeschlagen worden ist: „Der Verein hat be⸗ schlossen: Bei seinen hiesigen Webereien für die Felge 60 Stunden effektive Arbeitszeit pro Woche einzuführen. Eine ( rweiterung dieser Arbeitszeit kann nur nach gegenseitigem Einverständniß zwischen Arbeit⸗ S nhxe egetes. Diese Bestimmung tritt mit Montag, en 31. Mäͤrz d. J. in Kraft.

Aus Berlin wird der „Köln. Ztg.“ unter dem 28. d. M. ge⸗ schrieben: Die Lohnbewegung unter den Textilarbeitern wird aller Voraussicht nach im Frühjahr großen Umfang annehmen. An den hauptsächlichsten Fabrikorten werden fast täglich Versamm⸗ lungen abgehalten, welche Forderungen aufstellen. Bemerkens⸗ werth ist, daß neuerdings sich ouch die Arbeiterinnen der all⸗ gemeinen Bewegung angeschlossen haben, was bei der großen Anzahl derselben in diesem Beschäftigungszweige von großer Bedeutung ist. Eine zahlreich besuchte Versammlung der im Wirkerfach beschäftigten Arbeiter und Arbeiterinnen beschloß dieser Tage bereits, daß „sich die Arbeiterinnen in der diesjährigen Lohnbewegung mit den Arbeitern solidarisch erklären und für gleiche Leistungen den gleichen Lohn zu beanspruchen hätten.“ Der in den ersten Tagen des April in Apolda stattfindende Textilarbeiter⸗Kongreß wird wahr⸗

scheinlich in Bezug auf die Frauenarbeit sehr weitgehende Beschlüsse

fassen und ebenso die Kinderarbeit behandeln. In Bezug auf die e wird in allen Versammlunzen der Neunstundentag ge⸗ fordert. Wie die Wiener „Presse“ aus Prag berichtet, übermittelte das Prager Buchdruckerei⸗Gremium sämmtlichen Offizinen zur Verständigung des Arbeiterpersonals folgende Kundgebung: „Die achtstündige Arbeitszeit in den Prager Buchdruckereien wenn dieselbe als Forderung erhoben wird, ist abzu lehnen, weil deren Einführung nur mit bedeutenden Opfern sowohl der Buchdruckereibesitzer als auch ihres Personals ver⸗ bunden wäre und der am 1. Mai willkürlich abzuhaltende Feiertag, an welchem nicht gearbeitet würde, als Vertragsbruch zu betrachten und auch als Vertragsbruch zu behandeln.“ 8 1 —Der Strike auf den Werkstätten der österreichischen Süd bahn, über welchen vorgestérn „nach Schluß der Redaction“ telegraphisch kurz berichtet wurde, kann, neuerer Meldung zufolge, als beigelegt betrachtet werden. 8 3 In London haben an 10 000 Schuharbeiter die Arbeit ein gestellt. Dieselben verlangen, wie „W. T. B.“ meldet, daß ihnen

künstig die Meister die Arbeitsstätte gewähren

Wie man der „Post“ telegraphirt, wächst der Ausstand in Bar celona rasch; gestern zählte man 43 000 Ausständige. Die Gährun unter der Arbeiterbevölkerung reicht bis Huesca, Saragoss und Tortosa; aus Cartagena und Valencia wird von leb hafter Agitation unter den Fabriikarbeitern berichtet. De Civil⸗Gouverneur von Barcelona forderte die Arbeitgeber auf möclichst schnell ein Einvernehmen berbeizuführen, da das allgemein ö ffentliche Interesse eine definitive Beilegung energisch erheische.

Aus Paris berichtet „W. T. B.“: In den Kohlengrube von Saint⸗Elloy (Puy de Dome) haben die Grubenarbeiter die Arbeit eingestellt.

Kunst und Wissenschaft.

Vorbildung und Lebensalter der Studirenden auf de preußischen Universitäten unter Einbeziehung der

Akademie zu Münster und des Lyceum Hosianum

zu Braunsberg.

Der Vorbildung nach befanden sich unter den Studirenden der preußischen Universitäten im Studienjahre 1886/87 nach der „Statistik der preußischen Landes⸗Universitäten“: unter den 11 529 Preußen 84,3 % Gymnasial⸗2 biturienten, 8,5 % Realgymnasial⸗Abiturienten und 7,2 % ohne Zeugniß der Reife; unter den 1359 anderen Deutschen 78,4 % Gymnasial⸗Abiturienten, 11,0 % Realgymnasial⸗Abiturienten und 10,6 % ohne Zeugniß der Reife; unter den 771 Reichsausländern 43,9 % Gymnasial⸗Abiturienten, 4,9 % Realgymnasial⸗Abiturienten und 51,2 % ohne Zeugniß der Reife; unter den 13 659 Studirende überhaupt 81,5 % Gymnasial⸗Abiturienten, 8,5 % Realgymnasial Abiturienten und 9,0 % ohne Zeugniß der Reife.

Die Gymnasialbildung wiegt unter den Studenten naturgemäß vor, mehr ber unter den Preußen als unter den übrigen Deutschen; daß sie mit einem verhältnißmäßig hohen Prozentsatze auch unter den Reichsausländern anzutreffen ist, hängt damit zusammen, daß viele reichsausländische Studirende bezw. deren Eltern ꝛc. ihren Wohnsitz in Preutzen oder sonst im Deutschen Reiche haben. Die abgeschlossene realgymnasiale Bildung ist etwa zehnmal schwächer vertreten als die gymnasiale. Den Abiturienten der Realgymnasien sind nach den in Preußen geltenden Bestimmungen eben die meisten Fakultätsstudien verschlossen; ihnen steht nur die philosophische Fakultät offen.

Von den 2712 bei der philosophischen Fakultät mit dem Zeugniß der Reife immatrikulirten Preußen waren 64,0 % Gymnasial⸗ und 36,0 % Realgymnasial⸗Abiturienten. Von den ersteren studirten 68,9 % Philosophie, Philologie und Geschichte, 25,9 % Mathematik und Naturwissenschaften, 2,3 % Landwirthschaft, Kameralia und Nationalökonomie, 0,6 % Pharmazie und Zahnheilkunde und 2,3 % andere Disziplinen; von den letzteren 37,0 % Philosophie, Philologie und Geschichte, 50,8 % Mathematik und Naturwissenschaften, 4,5 % Landwirthschaft, Kameralia und Nationalökonomie, 3,7 % Pharmazie und Zahnheilkunde und 4,0 % andere Disziplinen Die Gymnasial⸗ Abiturienten sind demnach überwiegend Philologen und Historiker, bis „Abiturienten Mathematiker und Naturwissen⸗

aftler.

Die Studenten ohne Zeugniß der Reife setzen sich neben den Ausländern vorzugsweise aus preußischen Studirenden der Pharmazie, Zahntechnik, Landwirthschaft, Naturwiss enschaften und solchen zusammen, welche eine allgemeine wissenschaftliche Bildung erstreben. 8

Eine Verbindung von Vorbildung und Lebensalter und die Be⸗ trachtung des letztern für sich hat vornehmlich für die mit dem Reife⸗ zeugniß immatrikulirten Reichsinländer (Preußen und andere Deutsche zusammen) Interesse. Unter diesen (11 913 Studenten) waren 90,5 % Gymnasial⸗ und 9,5 % Realgymnasial⸗Abiturienten. Von den ersteren bezw. letzteren standen im Alter von: unter bis 19 Jahren 3,9 bezw. 2,4 %, über 19 bis 23 Jahren 59,7 bezw. 50,3 %, über 23 bis 25 Jahren 23,7 bezw. 24,9 %, über 25 bis 28 Jahren 9,6 bezw. 17,5 %, üͤber 28 bis 30 Jahren 1,5 bezw. 2,6 %, über 30 Jahren 1,3 bezw. 2,0 %, unbekannt 0,3 bezw. 0,3 %. Diese Zusammenstellung läßt erkennen, daß die Gymnasiasten die Universität durchschnittlich in einem etwas früheren Lebensalter beziehen, als die Realgymnasiasten; wenigstens war dies bei dem Bestande des Studienjahres 1886/87 der Fall.

Außerdem geht aus den obigen Verhältnißzahlen hervor, daß die Studenten im Ganzen älter sind, als man erwarten sollte. Erfolgte nämlich der Eintritt in die Universität durchweg in dem normalen Alter zwischen 18 und 19 Jahren und der Abschluß der Universitäts- studien demgemäß durchschnittlich mit 22 bis 33 Jahren, so dürften nur die verhältnißmäßig wenigen Personen, die sich erst im spätern Lebens⸗ alter zum Studium entschließen, ältere als 23 jährige Studenten sein. Es stehen jedoch nur 62,6 % aller Studenten in einem angemessene 37,4 % in einem übernormalen Alter. Aus dieser Thatsache muß gefolgert werden, daß die Studenten entweder auf der Schule zu alt werden, oder daß ein zu großer Theil derselben sich weit über die erforderliche Zeitdauer auf der Universität aufhält. Beides ist that sächlich der Fall. b . v1I1nb

In den einzelnen Fakultäten liegen die Verhältnisse nicht überall so, wie eben geschildert; denn innerhalb derselben begegnet man den bemerkenswerthesten Gegensätzen. Dies ist schon daraus erklärlich, daß die vorschriftsmäßige oder uͤbliche Dauer der Studien nicht in allen Fakultaͤten die gleiche ist; in der philosophischen Fakultät insbe⸗ sondere finden verbältnißmäßig häufiger als in den anderen Auf⸗ nahmen solcher statt, welche sich erst im spätern Lebensalter zum Studiren entschließen oder noch einmal zur alma mater zurückkehren.

Der Altersklasse bis zum vollendeten 23. Lebensjahre, dem nor⸗ malen Alter, wie man es nennen könnte, gehören 77,2 % der Juristen und 57,5 % der Philosophen, 59,5 % der katholischen Theologen und 67,5 % der evangelischen Theologen an. Bei den Medizinern ist der⸗ selbe Antheil, berechtigterweise wegen des längern Stüdiums, noch kleiner; er beträgt 55,3 %. Die juristische Fakultät besitzt hiernach

die jugendlichste Studentenschaft; immerhin ist noch beinahe ein 89

Viertel derselben älter als 23 Jahre. Viel unvortheilhafter sieht es in den übrigen Fakultäten aus.

Der unter dem Protektorat Sr. Königlichen Hoheit des Prinz⸗Regenten Luitpold stehende Historische Verein von Oberbayern veröffentlicht soeben seinen 50./51. Jabresbericht für die Jahre 1887 und 1888, den im Auftrage des Vereinsaus⸗

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