1890 / 115 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 12 May 1890 18:00:01 GMT) scan diff

Nichtamtliches.

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Deutsches Reich.

Preußen. Berlin, 12. Mai.

Se. Majestät der Kaiser und König verließen gestern Mittag um 12 Uhr die Wildparkstation mit Sonderzug, um Sich, einer Einladung des Grafen Hochberg Folge leistend, nach Schlesien zu begeben, und trafen Abends bald nach 8 Uhr im besten Wohlsein in Schloß Wirschkowitz ein. 8

Heute früh unternahmen Se. Majestät eine Pürsche auf Rehböcke.

Ueber die Ankunft Sr. Majestät in Wirschkowitz meldet „W. T. B.“ von dort:

Se. Majestät der Kaiser traf, begleitet von dem Haus⸗ marschall von Lyncker und dem General à la suite Grafen Wedel, hier ein. Zum Empfang war der General⸗Intendant Graf Hochberg am? ahnbof anwesend; er geleitete Se. Majestät nach dem Schlosse, woselbst Prinz Georg von Schönaich⸗ Carolath, der Hofjägermeister Graf Dohna⸗Schlobitten, Graf von der Recke⸗Volmerstein und der Landrath von Heydebrand und der Lasa Se. Majestät begrüßten. Der Ort ist festlich geschmückt und erleuchtet. Das Wetter ist vortrefflich.

Ihre Majestät die Kaiserin und Königin begab Sich am Sonnabend mit Ihrer Königlichen Hoheit der Prinzessin Heinrich von Potsdam nach Charlottenburg zum Besuch des Mausoleums. Hierauf verweilte Ihre Majestät mit Ihrer Königlichen Hoheit einige Zeit in der Kaiserin Augusta⸗Stiftung und nahm später das Frühstück bei den Erbprinzlich scahers zweteg Herrschaften ein.

Am Nachmittage begab Sich Ihre Majestät in das Augusta⸗Hospital, besuchte hierauf die zum Besten des Frauen⸗ Vereins für Krankenpflege in den Kolonien in der Kriegs⸗ Akademie veranstaltete ethnographische Ausstellung und sodann das Amalienhaus in der Motzstraße.

Abends 6 ½ Uhr empfing Ihre Majestät das Präsidium des Reichstags und erschien hierauf mit Sr. Majestät dem Kaiser und König beim Diner in der österreichisch⸗ ungarischen Botschaft. 1 1“ 3

Bevollmächtigten zum Bundesrath, Königlich bayerische Staats⸗Minister Freiherr von Crailsheim und Freiherr von Feilitzsch und Königlich württembergischer Staats⸗Minister Dr. Freiherr von Mittnacht sind hier ein⸗ getroffen.

Der General⸗Lieutenant von Teichman und Lo⸗ gischen, Inspecteur der 1. Fuß⸗Artillerie⸗Inspektion, hat mit Urlaub Berlin verlassen, und der General⸗Lieutenant von Kleist, Inspecteur der 1. Kavallerie⸗Inspektion, eine Dienst⸗ reise angetreten.

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S. M. Schiffsjungenschulschiff „Ariadne“, Kommandant Kapitän zur See Claussen von Finck, ist am 8. Mai d. J. in Norfolk eingetroffen.

S. M. Kanonenboot „Iltis“, Kommandant Korvetten⸗ Kapitän Ascher, ist am 9. Mai d. J. in Kelung an⸗ gekommen und beabsichtigt, am 12. dess. Mts. nach Yokohama in See zu gehen.

In der Ersten Beilage zur heutigen Nummer des „Reichs⸗ und Srnass Aüice ecr wird eine Nachweisung der Einnahme an Wechselstempelsteuer im Deutschen Reich im Monat April 1890 veröffentlicht.

Ebendort veröffentlichen wir Mittheilungen über Ver⸗ besserungen und Ergänzungen des Sommer⸗ e der preußischen Staatseisenbahnen neue Schnellzüge).

Bayern.

München, 10. Mai. Der Prinz⸗Regent begeebt sich, der „Allg. Ztg.“ zufolge, am 16. d. M. von hier nach Wien zum Besuch seiner Schwester, der Erzherzogin Adelgunde, Herzogin von Modena. Se. Königliche Hoheit dürfte acht bis zehn Tage in Wien verweilen.

Am nächsten Montag findet eine Staatsraths⸗Sitzung unter dem Vorsitz Sr. Königlichen Hoheit des Prinz⸗ Regenten statt, in welcher der neue Kriegs⸗Minister Ritter von Safferling eingeführt und vereidigt wird. 1

Württemberg. 8 1

Stuttgart, 9. Mai. Dem Präsidium der Kammer der Standesherren ist heute von Seiten der Staats⸗Minister Dr. von Renner und Dr. von Sarwey die Nieder⸗ legung ihrer Stellen als lebenslängliche Mitglieder der Kammer der Standesherren angezeigt worden. Der „St.⸗A. f. W.“ ist in der Lage, über die Erwägungen, welche die genannten lebenslänglichen Mitglieder bestimmt haben, die Ermächtigung Sr. Majestät des Königs zu diesem Rücktritt sich zu erbitten, folgende Mittheilung zu machen:

„Nach einer alten und in der Natur der Sache wohlbegründeten Uebung hat die erste Kammer mit ganz vereinzelten Ausnahmen daran festgehalten, aktive Minister, welche Mitglieder derselben sind, nicht in die Kommissionen zu wählen Ueberdies sind die activen Minister durch ihre amtliche Stellung an sich wie in Folge ibrer sonstigen Arbeitsaufgabe verhindert, als Berichterstatter an den Geschäften der Ersten Kammer sich zu betheiligen. Nicht selten ist es ihnen auch durch ihre amtlichen Aufgaben, namentlich in Folge der Nothwendig⸗ keit, gleichzeitigen Sitzungen der Kammer der Abgeordneten an⸗ zuwohnen, unmöglich, an den Sitzungen der Kammer der Standes⸗ herren theilzunehmen. Diese in der Natur der Sache liegende und unvermeidliche Einschränkung der Betheiligung der aktiven Minister an den Geschäften der Ersten Kammer hat sich im Laufe der eit, nachdem in Anwendung des §. 132 der Verfassungsurkunde die Zenh⸗ der lebenslänglichen Mitglieder sich auf 6 vermindert hat, als eine solche Erschwerung für die Erledigung der Geschäftsaufgaben der Kammer der Standesherren bemerklich gemacht, daß eine Aenderung dringend geboten erscheint. Als der allein sicher und rasch zum Ziele führende Weg mußte bei der gegebenen Sachlage der Rücktritt der beiden aktiven Minister von der Stelle der lebenslänglichen Mitglieder er⸗ kannt werden, da der Krone hiedurch die Ernennung neuer, durch ihre Verhältnisse an der ausnahmslosen Betheiligung bei den Geschäften nicht gehinderter Mitglieder ermöglicht wird. Wir können beifügen,

Bis zum Wiederzusammentritt des Landtages sage ich Ihnen

höchste Genehmigung zu ertheilen geruht baben, in Uebereinstimmung mit ihren Kollegen ihren Rücktritt zu erklären.“ Die Kammer der Standesherren nahm heute den Gesetzentwurf, betreffend weitere Abänderungen des Ge⸗ setzes vom 19. September 1852 über die Steuer von Kapital⸗, Renten⸗, Dienst⸗ und Berufs⸗ einkommen, nach längerer Erörterung in Uebereinstimmung mit den Beschlüssen der Kammer der Abgeordneten einstimmig an. Es fand hierauf eine gemeinschaftliche Sitzung der beiden Kammern Behufs Wahl eines Mit⸗ gliedes des weiteren ständischen Ausschusses und eines Stellvertreters ständischer Mitglieder des Staatsgerichts⸗ hofes statt. Nach Schluß derselben nahm die Kammer der Standesherren ihre Sitzung wieder auf. Der Präsident Türst von Waldburg⸗Zeil verlas zwei gleichlautende Schreiben, eingereicht von dem Staats⸗Minister Dr. von Renner und dem Staats⸗Minister Dr. von Sarwey, in welchen ausgeführt wird, daß Erwägungen, welche die Herren der hohen Kammer als bekannt werden voraussetzen dürfen, sie bestimmen, nach eingeholter allerhöchster Genehmigung Sr. Majestät des Königs ihre Stellung als lebens⸗ längliches Mitglied der hohen Kammer niederzulegen. Der Präsident veranlaßte die Legitimations⸗Kommission zu sofortiger Berichterstattung. ⸗„Nach kurzer Unterbrechung der Sitzung be⸗ antragte der Berichterstatter der Kommission Staats⸗Minister Freiherr von Linden, die Niederlegung der Würde als lebens⸗ längliche Mitglieder der Kammer anzuerkennen. Dem hohen Hause werde wohl in lebhafter Erinnerung sein ein von dem⸗ selben ausgegangener Vorschlag eines Verfassungsgesetzes, um den Mangel an Arbeitskräften zu heben; der Vorschlag sei ohne Erfolg geblieben. Die Kammer habe 3 Mit⸗ glieder verloren, welche durch Charakter und Erfahrung eine Zierde des Hauses gewesen. Die Kommission beantrage, das hohe Haus möge sein tiefes Bedauern über das Aus⸗ scheiden und den aufrichtigen Dank für die langjährige Mit⸗ wirkung inz Erfüllung der verfassungsmäßigen Aufgabe des Hauses aussprechen. Auch der Präsident will sich gestatten, den innigsten und verbindlichsten Dank für Alles, was diese Herren in der Zeit der Mitgliedschaft des Hauses demselben geleistet, auszusprechen. Gerade durch die Opfer, welche sie demselben gebracht, haben sie warm bekundet, wie sehr sie Antheil an Allem genommen, was zum Wohle dieses hohen Hauses gereicht. Ihm, dem Präsidenten, erübrige jetzt nur noch, den Herren den Dank auszusprechen für den Eifer, mit welchem sie den Verhandlungen sich gewidmet, er wünsche den Herren für den Sommer recht vergnügte Tage. Se. Königliche Hoheit der Prinz Wilhelm sprach darauf dem Präsidenten den Dank für die Leitung der Geschäfte aus und verband damit den Wunsch, den Herrn Prä⸗ sidenten in der nächsten Session wieder an der Spitze der Geschäfte zu sehen. Die Sitzung wurde hierauf geschlossen. In der Sitzung der Kammer der Abgeordneten beantragte der Abg. Dr. von Götz die Bitte an die Regierung, betreffend eine Kodifizirung des Steuergesetzes, welcher die Erste Kammer nicht beigetreten ist, in besonderer Adresse einseitig der Regierung vorzutragen. Dieser Antrag wurde genehmigt. Darauf ergriff der Präsident von Hohl das Wort: „Damit wäre unsere Arbeit für die gegenwärtige Session abgeschlossen. Fünf Gesetzesvorlagen fanden in derselben ihre Verabschiedung. Auf dem Gebiet des Eisenbahnbaues und der Verwaltung wurde sowohl der weiteren Ausdehnung des Eisenbahnnetzes und der erhöhten Sicherheit des Verkehrs Sorge getragen, als auch der Ver⸗ größerung des Verkehrs durch neue Einrichtungen und An⸗ schaffungen in genügender Weise Rechnung getragen. Auf dem Gebiet der Steuergesetzgebung sind wichtige angeregte und gebotene Verbesserungen zur Ausführung gekommen. Auch auf dem sozialen Gebiet sind 2 Gesetze erledigt worden. Durch das eine werden die Wohlthaten des Unfall⸗ versicherungsgesetzes auf weitere Kreise ausgedehnt, in dem andern wurden die Ausführungsbestimmungen zum Alters⸗ und Invaliditätsgesetz gegeben. Wir hoffen alle, daß die von uns eingeschlagenen Wege, besonders auf dem wirthschaftlichen Gebiet zu dem gewünschten Ziele führen.

allen, meine Herren, ein herzliches Lebewohl.“ Es wurde hierauf vom Schriftführer das Vertagungsreskript verlesen, worauf der Präsident die Sitzung schloß.

Baden.

Karlsruhe, 10. Mai. (Karlsr. Ztg.) Der Erb⸗ großherzog und die Erbgroßherzogin trafen heute früh 3 Uhr aus München hier ein und bezogen ihre Wohnung im östlichen Schloßflügel. Ihre Königlichen Hoheiten kehren sehr befriedigt von dem vierwöchentlichen Ausflug zurück, welcher den Besuch von Lugano, Mailand, Varese, Palanza, Bellaggio, Riva und Meran in sich schloß. Heute Nachmittag ½4 Uhr kehrten die Erbgroßherzoglichen Herrschaften nach Frei⸗ burg zurück. Morgen Abend gedenken Ihre Königlichen Hoheiten der Kronprinz und die Kronprinzessin von Schweden und Norwegen zum Besuch des Erbgroßherzogs und der Erbgroßherzogin in Freiburg einzutreffen und am Dienstag die Reise nach Karlsruhe fortzusetzen.

In der gestrigen Sitzung der Ersten Kammer er⸗ stattete Graf von Hennin Namens der Kommission für Eisenbahnen und Straßen Bericht über den Gesetzentwurf, betreffend die Erbauung einer Kaiserstuhlbahn. Nach Schluß der Diskussion wurde nach den An⸗ trägen der Kommission der Gesetzentwurf in namentlicher Abstimmung einstimmig unverändert angenommen, indem das Haus sich zugleich der zu Protokoll gegebenen Er⸗ klärung der Zweiten Kammer zu Art. 8 anschloß. Die Petitionen der Handelskammer Freiburg und die erste der Stadt Breisach wurden gleichzeitig durch die Annahme des Gesetzentwurfs für erledigt erklärt und die zweite Petition der Stadt Breisach der Großherzoglichen Regierung zur Kenntniß⸗ nahme überwiesen. Die Zweite Kammer begann gestern mit der Berathung des Berichts der Budgetkommission über das Spezialbudget des Ministeriums des Innern für 1890 und 1891, und zwar Tit. —XI, XX und XXI der Ausgaben, Tit. I und II der Einnahmen.

Hessen.

Friedberg, 11. Mai. Se. Königliche Hoheit der Grozherzdg traf in Begleitung Ihrer Großherzoglichen Hoheiten der Prinzessinnen Ludwig von Battenberg und Alix am Sonnabend zu längerem Aufenthalt hier ein. Heute früh erfolgte die Ankunft Ihrer Königlichen Hoheiten des Prinzen und der Prinzessin Heinrich von Preußen.

daß diese Rücksicht allein und ausschließlich die genannten Herren Minister veranlaßt hat, nachdem Se. Majestät der König die Aller⸗

Oesterreich⸗Ungarn.

Wien, 11. Mai. Dem Abgeordnetenhause ging gestern ein Schreiben des Finanz⸗Ministers zu, in welchem derselbe die Sanktionirung des Gesetzes, be⸗ treffend die Regelung der Wiener Verzehrungs⸗ steuer und die weitere Hinausschiebung der Ver⸗ zehrungssteuerlinien, mitgetheilt wurde. Das betreffende Gesetz ist heute von der „Wien. Ztg.“ veröffentlicht worden.

12. Mai. (W. T. B.) Das Mitglied des Herren⸗ hauses Fürst Hugo zu Salm⸗Reifferscheidt⸗Krautheim ist gestorben.

„Dem Abgeordnetenhause theilte der Minister⸗ Präsident Graf Taaffe heute mit, daß der Kaiser und König die Delegationen zum 4. Juni nach Pest ein⸗ berufen habe.

Der Petitionsausschuß des Abgeordneter hau ses beschloß, die Petitionen der durch die Arbeiter exzesse in Wagstadt beschädigten Handelsfirmen um Staatsentschädigung der Regierung mit der Aufforderung zu überweisen, nach angestellten Erhebungen eine auf die Ent⸗ schädigung der Petenten bezügliche Gesetzesvorlage einzubringen. 1

Karlowitz, 12. Mai. (W. T. B.) Gestern fand unter zahlreicher Betheiligung aller Schichten der Bevölkerung und begeisterten Ovationen für den Kaiser und König und den neuen Patriarchen die Installation des Letzteren statt.

Budapest, 10. Mai. (Wien. Abdpost.) Der Minister⸗ Präsident Graf Szapäary überreichte dem Unterhause heute ein Allerhöchstes Rescript, durch welches die dritte Session des ungarischen Reichstags geschlossen un gleichzeitig die vierte Session auf den 12. Mai ein berufen wird.

Frankreich. Paris, 11. Mai. (W. T. B.) Der Großfürst Nicolaus von Rußland ist heute Vormittag hier eingetroffen.

In dergestrigen Stzung der Deputirtenkammer brachte der Finanz-Minister Rouvier einen Gesetzentwurf ein, nach welchem aus trockenen Trauben hergestellter Wein mit 3 Fr. Steuer per Hektoliter belegt werden soll. Der Unter⸗Staatssekretär Etienne gab in der Beantwortung der Interpellation wegen Dahomey ein Bild der dortigen Lage, bestätigte die Zurückgabe der Geiseln und fügte hinzu, Frankreich werde seine Positionen behaupten die Regierung beabsichtige nicht, eine Expedition dorthin zu entsenden, sie werde aber die Okkupation des französischen Territoriums aufrecht erhalten; Alles deute darauf hin, daß der König von Dahomey sich zu Unterhandlungen werde ge⸗ nöthigt sehen. Frankreich habe in Afrika einen sehr großen Besitz, den es kolonisiren müsse; würde es sich auf irgend einem Punkt schwach zeigen, so würde sein Prestige darunte leiden. Der Marine⸗Minister Barbey gab in Beantwortung einiger Fragen des Deputirten Flourens Details über die Streitkräfte in Dahomey, der Gesundheitszustand derselben sei befriedigend, übrigens sei das Geschwader ohne Forderung neuer Kredite verstärkt worden. Hierauf wurde die von der Regierung gebilligte einfache Tagesordnung einstimmig angenommen. Im weiteren Verlaufe der Sitzung inter⸗ pellirte der Deputirte Boyer (Sozialist) über die anläßlich der Kundgebungen vom 1. Mai getroffenen Maß⸗ regeln und machte der Polizei Vorwürfe. Der Minister des Innern, Constans, erwiderte, die Kundgebung habe einen politischen Charakter gehabt, das Verhalten der Polizei sei an⸗ erkennenswerth und er übernehme die Verantwortung für das⸗ selbe. Schließlich wurde eine Tagesordnung, in welcher das Verhalten der Regierung gebilligt wird, mit 394 gegen 57 Stimmen angenommen. 6

Rußland und Polen. 68 St. Petersburg, 11. Mai. (W. T. B.) Der neu ernannte Gesandte der Vereinigten Staaten Smith ist gestern hier eingetroffen. 12. Mgi. (W. T. B.) Gestern fand die feierliche Weihe des Prälaten Zdanowicz zum Suffragan⸗ bischof der römisch⸗katholischen Eparchie Mo⸗ hilew statt.

Tiflis, 11. Mai. (W. T. B.) Der Kronprinz von Italien ist nach Wladikawkas abgereist. Von dort begiebt sich Se. Königliche Hoheit über Noworossijsk nach Odefilag 628 6“

Rom, 10. Mai. (W. T. B.) In der Deputirten⸗ kammer erklärte heute in Beantwortung der Interpellation Odescalchi's vom 24. April: ob die Regierung den Be⸗ schlüssen der Berliner Konferenz entsprechende legis⸗ lative Maßnahmen zu beantragen beabsichtige, der Minister⸗Präsident Crispi: er werde sich mit dem Handels⸗ Minister ins Einvernehmen setzen und am nächsten Sonn⸗ abend die Interpellation im Sinne einer für die Arbeiterklasse günstigen und praktischen Lösung beantworten.

Spanien.

Madrid, 9. Mai. (W. T. B.) Im Senat wurde heute ein Königliches Dekret verlesen, durch welches dem Senator General Daban der Rest der gegen ihn erkannten Festungsstrafe erlassen wird. Der Senator Marcoarta begründete sodann seinen Antrag, betreffend die Einsetzung eines internationalen Schiedsgerichts. Bei der Organisation, in welcher die sechs⸗ Großmächte einen europäischen Kongreß bildeten, seien die anderen Staaten und 50 Millionen Europäer unvertreten. Dem gegen⸗ über sei die Bildung einer Friedensliga zwischen Spanien und den Staaten zweiten Ranges wünschenswerth, und sollte man dies bei den 1892 abzuschließenden Handelsverträgen zur Geltung bringen. Der Minister des Aeußern Vega de Armijo antwortete: Auch er wünsche ein internationales Schiedsgericht, er bedauere jedoch, daß zuweilen die Nationen, nachdem sie ein Schiedsgericht eingesetzt, dem Schieds⸗ spruch keine Folge gäben. Spanien habe mehrmals ein Schiedsgericht angenommen und würde in gegebenen Fällen ein solches auch in der Folge acceptiren, aber es sei noth⸗ wendig, daß auch die anderen Staaten in gleicher Weise ver⸗ fahren. Er bedauere, daß Spanien noch nicht die Stellung einnehme, welche ihm nach seiner Geschichte und seiner Politik ebühre; er bitte den Senat, diesen wichtigen Antrag Marcoarta's in Erwägung zu ziehen. zern

Schweiz. b

Bern, 11. Mai. (W. T. B.) Das Bundesgericht hat gestern die Beschwerde des Stadtraths von Luzern

Italien.

gegen die Regierung von Luzern, weil diese untersagt hatte,

die Luzerner Mariahilf⸗Kirche den Altkat

auf dem Gesandtschaftsposten in Belgrad ersetzt.

Benutzung zu überlassen, für unbegründet erklärt.

Belgien.

Brüssel, 11. Mai. (W. T. B.) Der „Indépendance belge“ zufolge legte in der gestrigen Sitzung der Anti⸗ Sklaverei⸗Konferenz der belgische Generalsekretär des Auswärtigen Baron Lambermont einen Antrag vor betreffs Revision der Bestimmungen der Generalakte der Konferenz vom Jahre 1885, durch welche für das Congo⸗ Bassin vollständige Handelsfreiheit festgesetzt wurde. Nach diesem Antrage sollen diejenigen Staaten, welche Ländergebiete im Congo⸗Bassin besitzen, ermächtigt sein, von allen eingeführten Waaren Werthzölle zu erheben. Die Bevollmächtigten Englands unterstützten den Antrag sehr warm; die Bevollmächtigten Deutschlands, Italiens, Frank⸗ reichs und Portugals acceptirten ihn zwar im Prinzip, behielten jedoch ihren Regierungen alle und jede Ent⸗ scheidung vor. 8

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Konstantinopel, 10. Mai. (W. T. B.) Der Justiz⸗ Minister Djevdet Pascha und der Gouverneur von Pera Emrullah Effendi sind ihrer Posten enthoben worden. An Stelle des Ersteren ist der Minister der Evkafs Riza Pascha zum Justiz⸗Minister ernannt worden; an dessen Stelle tritt der gegenwärtige Minister der öffentlichen Arbeiten, Zihni Pascha, welcher durch den Direktor der indirekten Steuern Raif Pascha er⸗ setzt wird, während Hassan die Stelle des Letztgenannten übernimmt. Zum Gouverneur von Pera ist Nazim Bey ernannt worden. Hussein Bey, einer der Sekretäre des Sultans und Präsident der Munizipalität von Pera, ist zum Gesandten in Bukarest ernannt an Stelle Feridun Bey's, welcher Nahmud Neddin, der nach Athen geht,

Bulgarien. 1““ Der Präfekt von Philippopel Dimitroff ist zum diplomatischen Agen⸗ ten in Belgrad ernannt worden und werd sich im Laufe dieses Monats dorthin begeben. Die Anklageakte in dem Prozesse gegen Panitza erstreckt sich auf folgende Offiziere in Disponibilität: Panitza, Alexander Rizoff, Tateff, Abalansky, 11“ Nojaroff, Stamenoff, Stefanoff, serner auf die Kapitäne Molloff und Kissimoff, weiter auf die Bürger von Sofia Arnaudoff, Demeter Rizoff, Matheff und Kessimoff, endlich auf den russischen Unter⸗ than Reserve Offizier Kolobkoff. Dieselben werden sämmtlich eines Komplots gegen die Person des Prinzen und einige Minister, in der Absicht, einen Staatsstreich auszuführen, an⸗ geklagt. Die Anklageakte erwähnt zunächst die bei Panitza mit Beschlag belegten kompromittirenden Papiere sowe die Aussagen Panitza's und anderer Zeugen, und führt sodann eine Reihe mit Beschlag belegter chiffrirter Briefe und Tele⸗ ramme auf, deren Schlüssel gefunden wurde. Ferner schildert die Anklageschrift, auf welche Weise der Prinz nach seiner Rückkehr von der Reise nach dem Westen hätte verhaftet werden sollen und an welchen Umständen die Ausführung des Planes gescheitert sei.

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Parlamentarische Nachrichten.

In der heutigen (4.) Sitzung des Reichstages, welcher der Reichskanzler von Caprivi, die Staats⸗Minister Dr. von Boetticher und Dr. Freiherr Lucius von Ballhausen, sowie die Staatssekretäre von Oehlschläger, Feiherr von Maltzahn, Freiherr von Marschall sowie andere Bevollmächtigte zum Zündeecrath nebst Kommissarien beiwohnten, wurde in

ritter Berathung der Entwurf eines Gesetzes, betreffend die Ergänzung des §. 14 der Gebührenordnung für Zeugen und Sachverständige, auf Grund der in zweiter Berathung unverändert angenommenen Vorlage ohne Debatte unverändert angenommen. Der zweite Gegenstand der Tagesordnung war die erste Berathung des Gesetzentwurfs, betreffend die Fest⸗ stellung eines Nachtrags zum Reichshaushalts⸗ Etat für das Etatsjahr 1890/91. S 1

Hierzu ergriff als erster Redner der Staats⸗Sekretär

Freiherr von Marschall das Wort. (Schluß des Blattes.)

8 In der heutigen (57.) Sitzung des Hauses der Abgeordneten, welcher der Minister der geistlichen 2ꝛc. An⸗ gelegenheiten Dr. von Goßler und der Minister des Innern Herrfurth beiwohnten, stand an erster Stelle auf der Tages⸗ ordnung die dritte Berathung des Gesetzentwurfs, betreffend die Fürsorge für die Waisen der Lehrer an öffentlichen Volksschulen. Abg. Dr. Arendt wies auf den Mangel einer Fürsorge für die Relikten an den Mittelschulen hin; hoffentlich würden die innerhalb der Regierung über diesen Punkt schwebenden Ermittelungen zu einer Verstärkung des Dispositionsfonds führen, um da, wo es nothwendig sei, helfen zu können. Die Vorlage wurde darauf unverändert angenommen. Es folgte die zweite Berathung des Antrags der Abgeordneten Zelle und Dr. Langerhans auf An⸗ nahme eines Gesetzentwurfs, betreffend die Er⸗ gänzung der Städteordnung für die sechs östlichen Provinzen der preußischen Monarchie vom 30. Mai 1853. Dcer einzige Artikel des Antrages lautet: Zwischen die §§. 21 und 22 der Städteordnung für die sechs östlichen Provinzen der preußischen Monarchie vom 30. Mai 1853 (Gesetz⸗Samml. S. 261) tritt ein neuer §. 21 a in nachstehender Fefri2,. Wenn wegen großer Ungleichheit der Wählerzahl in den Wahlbezirken derselben Abtheilung eine Aenderung von den Gemeindebehörden beschlossen und dieser Beschluß von der Aufsichts⸗ behörde bestätigt wird, oder wenn die Aufsichtsbehörde aus dem⸗ selben Grunde eine solche Maßregel anordnet, so hat der Magistrat die neue Eintheilung in Gemäßheit des §. 14 festzusetzen und sofort bekannt zu machen, in welcher Ordnung die Ergänzungs⸗ und Ersatzwahlen von den neuen Wahlbezirken vorgenommen werden sollen. 8 Die Kommission für das Gemeindewesen schlägt vor: 1) Dem §. 14 der Städteordnung wird als Absatz 2 nach⸗ stehende Bestimmung hinzugefügt: Ist eine Aenderung der Anzahl oder der Grenzen der Wahlbezirke oder der Anzahl der von einem jeden derselben zu wählenden Stadtverordneten wegen einer in der Zahl der stimmfähigen Bürger eingetretenen Aenderung oder in Folge einer Veränderung der Grenzen des Stadtbezirks er⸗

i estsetzung zu treffen, auch wegen des Uebergangs aus üü bung zu eeffen das Geeignete anzuordnen. Der Beschluß des Magistrats bedarf der Bestätigung von Aufsichts⸗ Der erste Satz im dritten Absatze des §. 21 der Städte⸗ ordnung wird dahin abgeändert: Alle Ergänzungs⸗ und Ersatz⸗ wahlen werden unbeschadet der Vorschrift im zweiten Absatz des §. 14 von denselben Abtheilungen und Wahlbezirken vorge⸗ nommen, von denen der Ausgeschiedene gewählt war.

Abg. von Itzenplitz hielt den Antrag für zweckmäßig und nothwendig; es sei bei dem raschen Anwachsen der großen Städte nicht möglich, anders als auf dem vorgeschlagenen Wege eine gerechte Vertheilung des Wahlrechts herbeizuführen. Der Minister des Innern Herrfurth bemerkte, daß die Bedenken der Regierung gegen den Antrag durch die Fassung der Kommission vermindert, aber nicht beseitigt seien. Die Kommission habe nicht alle Fälle, in denen eine Abänderung der Wahlbezirke nothwendig werden könne, in Betracht ge⸗ zogen. Die gleiche Aenderung, wie sie der Antrag vorschlage, müßte auch für die Gemeinde⸗ und Städteordnungen vorge⸗ nommen werden. Ein Bedürfniß für die vorgeschlagene Gesetzesordnung habe sich nur vor 8 Jahren in Berlin ein⸗ mal herausgestellt; damals habe man sich durch Auflösung der Stadtverordneten⸗Versammlung geholfen. Abg. Zelle hielt den Antrag für dringend nothwendig, weil in allen größeren Städten die Außenbezirke schneller an⸗ wüchsen als die Bezirke im Innern. Man hahe sich bisher durch heimliche Aenderung der Wahl⸗ bezirke zu helfen gewußt, allein diesem widergesetzlichen Ver⸗ fahren habe das Ober⸗Verwaltungsgericht jetzt einen Riegel vorgeschoben. Dem Bedenken des Ministers könne dadurch abgeholfen werden, daß die jetzt vorgeschlagene Be⸗ stimmung auf alle Städte⸗ und Gemeindeordnungen ausgedehnt werde. Redner stellte einen dahin gehenden Antrag.

Nach weiteren kurzen Aeußerungen des Ministers des Innern Herrfurth und des Abg. Zelle wurde der Antrag in der Fassung der Kommission mit dem Amendement des Abg. Zelle angenommen. 8 Der letzte Gegenstand der Tagesordnung war die erste Berathung des Gesetzentwurfs, betreffend die Schul⸗ pflicht. Abg. Dr. Reichensperger empfahl die kommissarische Berathung der Vorlage. Die Bestimmung, daß der Schul⸗ unterricht mit dem vollendeten sechsten Jahre beginnen solle, stehe im Widerspruch mit dem Gutachten der wissenschaftlichen Deputation für das Medizinalwesen. Nicht korrekt sei auch die Festlegung eines bestimmten Alters für die Entlassung; maß⸗ gebend sollte ein genügendes Maß von Kenntnissen sein. Der Zwang zum Schulbesuch dürfe gesetzlich höchstens bis zum 13. Jahre eingeführt werden. In der Zustimmung zur unveränderten Vorlage würde eine Verletzung der Verfassung liegen. 1“ 3 Abg. Hansen erklärte die Zustimmung der freikonserva⸗ tiven Partei zur Tendenz der Vorlage und bestritt, daß eine Verfassungsverletung in Frage kommen könne. Das Haus habe wiederholt durch seine Abstimmung anerkannt, daß die Bestimmung des Art. 112 der Verfassung der stückweisen

welche die beiden Vorsitzenden des Vereins, die I Peter Busch zu Hochneukirch und Franz Brandts zu M. Gladbach in ihren Betrieben mit bestem Erfolg eingeführt haben. Dahin gehören namentlich die Vorschristen (§. 4), welche die Stärkung der elterlichen Autorität und die Ein⸗ schränkung der Bewegungsfreiheit der minderjährigen Arbeiter be⸗ treffen, das strenge Verbot des Mitbringens, Holens oder Holen⸗ 8 lassens von Branntwein (§. 13) und die Bestimmung, daß verheirathete Frauen, welche ein Hauswesen zu besorgen haben, soweit dies der Betrieb zuläßt, Mittags eine halbe Stunde früher die Fabrik verlassen dürfen. Beachtenswerth ist ferner, daß die Maximalgrenze der Geldstrafen niedrig gegriffen ist und daß bei der Berathung der 2 ormal⸗Fabrik⸗ ordnung Arbeiter mitgewirkt haben. Es ist zu wünschen, daß die übrigen Industriebezirke mit ähnlichen Normal⸗Fabrikordnungen für die gleichartigen Be⸗ triebe folgen. b Rundschreiben entnehmen wir folgende Ausführungen: 1 8 1 1 in einzelnen Staaten, wie in der Schweiz und ir Oesterreich gesetzliche Bestimmungen bestehen bezüglich des Erlasses und Inhalts der Fabrikordnungen, und eine Genebmigung derselben durch die Behörden dort vorgesehen ist, so dürfen wir doch annehmen daß bei gutem Willen der Betheiliaten sich auf diesem Gebiet im Wege der Selbstthätigkeit mehr erreichen läßt, als durch gesetz liche Regelung, da diese immer nur eine schablonenhafte bsa und sich nur auf allgemeine Punkte be chränken ann Eine Regelung durch freie Vereinbarung der Betheiligte für bestimmte Bezirke mit nicht wesentlich verschiedenen Verhältnisser ist auch umsomehr möglich und zweckmäͤßig⸗ da ein Gegensatz 8 Interessen zwischen Arbeitgebern und Arbeitern auf diesem Ge ie kaum besteht, wohl aber alle Arbeitgeber und Arbeiter ein g eiche Interesse daran haben, daß die gegenseitigen Rechte, 1gs möglichst klar 5 I eine eventuelle richterliche Ent idung maßgebend formulirt sind. Eig dggise einheitliche Regelung, in, der Anlehnung an eine Normal⸗Fabrikordnung, wie wir sie in Nachfolgendem zu geben 88 sucht haben, empfiehlt sich aus einer Reihe von Gründen Zunäch werden sich die Arbeiter in eine solche allgemeine leichter einleben, wenn sie in allen Fabriken wesentlich dieselbe finden; diese wird so immer mehr in die Gewohnbeiten und Lebensanschauungen übergehen. Weiterhin wird es fůr Arbeitgeber wie Arbeiter in gleicher Weise von Nutzen sein, wenn bezüglich bestimmter Verhältnisse: Tage und Termine der Löhnung, Verhalten gegenüber den jugendlichen Arbeitern (Art der Auslöhnung, Schutz der elterlichen Autorität ꝛc.), Festsetzung der Strafen ꝛc eine möglichst einheitliche Praxis in den Fabriken besteht. Gewiß wikd es endlich auch den meisten Arbeitgebern nur angenehm sein können, wenn ihnen die Anhaltspunkte für eine Regelung der Ordnung in der Fabrik in nachfolgender Form an die Hand gegeben ne he. was bereits bei Empfehlung der Einführung des Aeltesten⸗ Rathes bezüglich der Mitwirkung der Arbeiter gesagt ist, gilt noch viel mehr bei der Festsetzung einer Fabrikordnung, da. 1 sich hier um die grundlegende Ordnung der Verhältnisse in der Fabri und den wesentlichen Inhalt des Arbeitsvertrages slbst handelt. In vorliegendem Normalstatut ist diesem Gesichtspunkte dadurch Rechnung getragen, daß gewählte Arbeitervertreter dieselben, welche zur Begutachtung und Mitberathung der Unfallverhütungs⸗ vorschriften für die Sektion II. der Rheinisch⸗Westfälischen Textil⸗ berufsgenossenschaft gewählt sind —, sowie noch einige weitere Per⸗

Fertigstellung der Unterrichtsgesetzgebung nicht im Wege stehe.

Es empfehle sich, den Gesetzentwurf an die Unterrichtskommis⸗

sion zu überweisen. (Schluß des Blattes.) 1b

(Die Schlußberichte über die vorgestrigen Sitzungen des

Herrenhauses und des Hauses der Abgeordneten befinden sich in der Ersten Beilage.)

Dem Reichstage ist die Uebersicht der vom Bundesrath gefaßten Entschließungen auf Be⸗ schlüsse des Reichstages aus den letzten Sessionen, sowie der Bericht der Reichs⸗Schuldenkommission, J. über die Verwaltung des Schuldenwesens des Nord⸗ deutschen Bundes und des Deutschen Reichs; II. über ihre Thätigkeit in Ansehung der ihr über⸗ tragenen Aufsicht über die Verwaltung: a. des Reichs⸗ Invalidensonds, b. des Festungsbaufonds und c. des Fonds zur Errichtung des Reichstagsgebäudes; III. über den Reichs⸗ Kriegsschatz und IVY. über die An⸗ und Ausfertigung, Ein⸗ ziehung und Vernichtung der von der Reichsbank auszu⸗ gebenden Banknoten zugegangen.

Dem Reichstage ist der vom Bundesrath genehmigte Vertrag über die Einrichtung und den Betrieb einer regelmäßigen deutschen Postdampferverbin⸗ dung mit Ost⸗Afrika zur Kenntnißnahme zugegangen.

Nach dem soeben erschienenen Fraktionsverzeichniß des Reichstages gehören der Fraktion der Deutsch⸗Konser⸗ vativen 68 Mitglieder und 3 Hospitanten, der Fraktion der Reichspartei 20 Mitglieder, der Fraktion des Centrums 106 Mitglieder und 7 Hospitanten, der Fraktion der Polen 16 Mitglieder, der Fraktion der Nationalliberalen 40 Mitglieder und 1 Hospitant, der deutschen freisinnigen Partei 64 Mitglieder, der Voltspartei 10. Mitglieder, der Fraktion der Sozialdemokraten 35 Mitglieder an. Zu keiner Fraktion gehören 27 Mitglieder.

Die XI. Kommission des Herrenhauses für Vor⸗ berathung des Gesetzentwurfs zur Ausführung des §. 9 des Gesetzes, betreffend die Einstellung der Leistungen aus Staatsmitteln für die römisch⸗ katholischen Bisthümer und Geistlichen, vom 22. April 1875, hat sich konstituirt und zum Vorsitzenden den Minister des Königlichen Hauses von Wedell, zu dessen Stell⸗ vertreter den Fürsten von Hatzfeldt⸗Trachenberg, zum Schriftführer den Grafen von Hohenthal und zu dessen Stellvertreter den Fideikommißbesitzer von Reinersdorff

gewählt.

Statistik und Volkswirthschaft. Der linksrheinische Verein für Gemeinwohl,

welcher fast alle größeren Fabrikbesitzer des M.⸗Gladbacher Handelskammerbezirks umfaßt, hat im vorigen Frühjahr und zwar vor Ausbruch des großen Bergmann⸗Ausstandes das Normal⸗Statut eines Aeltesten⸗Rathes aufgestellt und dabei namentlich vorgesehen, daß die Vorstände der Betriebskranken⸗ kassen mit den Obliegenheiten eines Aeltesten⸗Rathes betraut werden. In höchst dankenswerther Weise hat der Verein nunmehr das Normal⸗Statut einer Fabrik⸗ ordnung für Fabriken der Textil⸗ Industrie ausgearbeitet und seinen Mitgliedern zur Annahme empfohlen. Auszüge aus demselben und aus dem dazu ergangenen Rund⸗ schreiben lassen wir weiter unten folgen. In dem Statut

sonen aus dem einfachen Arbeiterstand in freier Berathung bei der Festsetzung unserer Normal⸗Fabrikordnung mitgewirkt

Dieselbe ist zunächst nur für die Fabriken der Tertil Industrie bestimmt; es ist einleuchtend, daß bezüglich vieler Punkte für verschiedenartige Industrien sich die Nothwendigkeit verschiedener Gestaltung ergiebt. Wir dürfen es als eine besonders ütnt⸗ liche Thatsache hervorheben, daß über alle wesentlichen Punkte der nachfolgenden Fabrikordnung ein pölliges Einvernehmen zwischen saͤmmtlichen theilnehmenden Arbeitgebern und TFtten. vertretern erzielt wurde. Die Arbeiter dürfen so das Bewußt⸗ sein hegen, daß ihren Interessen möglichst Rechnung getragen ist, daß nicht einseitige, sondern gemeinsame Interessen der Arbeiter und Arbeitgeber, daß nicht Willkür und Einseitigkeit, sondern Gerechtigkeit und Wohlwollen bei Abfassung der Bestimmungen maßgebend ge⸗ . n 8 N 9 2 die „allgemeinen Bestimmungen“ auch bezüglich der sittlichen Führung, des Verhältnisses der Kinder zu den Eltern ꝛc anbetrifft, so sind dieselben nicht etwa vom Mitßtrauen ein⸗ gegeben, sondern im Interesse der Arbeiter selbst und ihrer Fa⸗ milien getroffen. Auch hier können wir zu unserer Genugthuung hervorheben, daß die Arbeitervertreter dieses Bestreben vollauf anerkannten und unterstützten, daß sie die sittlichen Mißstände, welche die industrielle Entwicklung vielfach mit sich bringt, mit beklagten und es für segensvoll für unsere Industrie wie für das Familienleben der Arbeiter erklärten, wenn auch die Arbeitgeber unter Mitwirkung der Meister und Vorstandsmitglieder ꝛc. auf die Innehaltung der durch das Sittengesetz festgesetzten Schranken hinwirken.

Aus dem t „Normal⸗Statut einer Fabrikordnung für Fabriken der Textil⸗Industrie“ heben wir ferner folgende Bestimmungen hervor: ““

Die gegenwärtige Fabrikordnung vertritt die Stelle eines zwischen dem Arbeitgeber und dem Arbeitnehmer geschlossenen Vertrages, und ist jeder Arbeiter verpflichtet, sich durch Namensunterschrift den nach⸗ stehenden Bestimmungen über Arbeitsbedingungen und Betriebsordnung in allen Theilen zu unterwerfen. Der Arbeitgeber behält sich vor, die Unterschrift von minderjährigen Arbeitern durch die Unterschrift des Vaters resp. der Mutter oder des Vormundes ergänzen zu lassen. Evenso kann für die Rechtszuständigkeit der Kündigung die persönliche oder schriftliche Zustimmung der letzteren verlangt werden. An⸗ diese erfolgt Mittheilung, wenn die Kündigung Seitens des Arbeitgebers erfolgt. b b

Allgemeine Bestimmungen. 8

§. 1. Von allen in der Fabrik beschäftigten Personen wird erwartet, daß sie nach besten Kräften zum Wohl der Fabrik und ihrer Einrichtungen beitragen und sich die Erhaltung und Förderung der guten (christlichen) Sitte, sowie der Ehre und des guten Namens derselben angelegen sein lassen. Sie sind verpflichtet, die ihnen auf⸗ getragenen Ärbeiten gewissenhaft zu verrichten und die Anordnungen ihrer Vorgesetzten pünktlich zu befolgen.

§. 2 Die Meister und Angestellten sollen ihren Untergebenen in der Erfüllung ihrer sittlichen Pflichten (in wie außer der Fabrik), sowie durch Pünktlichkeit und Fleiß bei der Arbeit mit einem Auten Beispiel vorangehen; ungehörigem Benehmen, anstößigen Reden (und Liedern), gegenseitigen Aufreizungen und Zänkereien sollen sie mit Nachdruck entgegen treten. Es wird von den⸗ selben ein bestimmtes, aber zugleich höfliches und unpar⸗ teiisches Auftreten ihren Untergebenen gegenüber gegeesh und wie sie einerseits überall und jederzeit das Gedeihen der Fabri zu fördern haben, so sollen sie andererseits das berechtigte Interesse sämmtlicher Arbeiter sowie jedes einzelnen derselben wahren und ver⸗ treten. Insbesondere wird von ihnen erwartet, daß sie auch durch gründliche Mütaeeng. für Beckneiges. schnelles Anlernen neuer oder noch ungeübter Arbeiter Sorge tragen. 2 G 16 ne Hie jüngeren Arbeiter sollen ihren älteren Mitarbeitern gegenüber bescheiden und zuvorkommend sein; von den älteren Arbeitern wird verlangt, daß sie den jüngeren nicht durch Reheea Beispiel Aergerniß geben. Jeder unnöthige Verkehr der Ar jitt beiderlei Geschlechts innerhalb der Fabrik, sowie jeder der 8 1 Sitte widerstreitende Verkehr derselben in wie außerhalb der Fabri

forderlich geworden, so hat der Magistrat die entsprechende

sind die zweckmäßigen und heilsamen Maßnahmen berücksichtigt,

ist unterfagt und zieht Verwarnung und, falls diese fruchtlos, Kündi⸗ gung nach sich. G