dann von dem Verhältniß des Reichs⸗Schatzamts zum Kriegs⸗ Minister und er bezeichnete das, wenn ich recht gehört habe, als ein planloses Arbeiten. Ja, dem möchte ich wider⸗ sprechen. Ich weiß nicht, worauf sich das basirt. Es wird in dieser Beziehung im Reich gerade so planvoll gearbeitet wie in Preußen, und wenn die beiden Voten einander gegenüberstehen, so wird die Sache zu meiner Entscheidung gebracht, so weit es sich um Finanzfragen handelt, und es steht mir dann ebenso gut frei, ob ich die beiden Herren einzeln oder, wie im preußischen Staats⸗ Ministerium zusammen hören muß. Daß aber von einer Plan⸗ losigkeit die Rede sein könne, dafür finde ich keinen Beweggrund.
Der Herr Abgeordnete betonte dann, er müsse uns die Ver⸗ antwortung zuschieben. Meine Herren, was an mir liegt, so bin ich unter allen Umständen bereit, diejenige Verantwortung, die die Reichs⸗ verfassung mir auflegt, zu tragen. 1
Weiter kamen zum zweiten Mal gewisse Desiderien zur Sprache, die sich nicht direkt an dieses Gesetz knüpfen, sondern, wie der Hr. Abg. Hänel sich äußerte, an den — wenn ich mich recht entsinne — umfassenden Organisationsplan, den der Herr Kriegs⸗Minister vor⸗ legte. Ich habe zunächst zu erwidern, daß da ein Mißverständniß vorliegen muß. Ich entsinne mich nicht, vom Herrn Kriegs⸗Minister gehört zu haben, daß er einen umfassenden Organisationsplan vor⸗ legen wolle. Er hat nur von Grundzügen gesprochen, die über den Rahmen des jetzt Ihnen vorgelegten Gesetzes hinausgehen und eine Perspektive in die Zukunft eröffnen. Von einem festen Plan kann aber um so weniger die Rede sein, als die verbündeten Regierungen sich über einen solchen noch nicht schlüssig gemacht haben. Das würde aber die Voraussetzung zum Dasein und auch zur Mittheilung eines festen Planes sein. Im Wesentlichen decken sich die An⸗ forderungen, die der Hr. Abg. Hänel an solche feste Pläne macht, mit denen des Hrn. Abg. Richter. Sie kommen auf drei Dinge hinaus: zuerst war die Durchführung der allgemeinen Wehrpflicht die Voraussetzung, die der Herr Abgeordnete aussprach, und ich glaube, jeder Soldat würde mit ihm gern übereinstimmen; denn, wenn wir die allgemeine Wehrpflicht durchführten und wenn wir Soldaten ja lieber starke Truppen in der Hand haben als schwache Truppen, so würde die Folge der Durchführung der allgemeinen Wehrpflicht zur Zeit eine Erhöhung der Friedenspräsenzstärke um mindestens 50 Prozent bedeuten; denn so groß ist die Zahl derjenigen deutschen jungen Männer, die waffenfähig sind, aber nicht eingereiht werden, weil uns die Stellen für eine so große Anzahl fehlen. Das ist der jetzige Zustand. Das Drückende dieser persönlichen Last ist schroff dargestellt worden, auch von dem Hrn. Abz. von Kardorff, und es mag in dieser Beziehung vielleicht erlaubt sein, auf die historischen Verhältnisse zuruüͤckzugehen, Verhältnisse. die allerdings ihren Anfang in Preußen in der Zeit vor dem Deutschen Bunde rückwärts zu suchen haben.
Es ist bekannt, daß das erste preußische Wehrgesetz vom 3. September 1814 die Basis unserer Militärverfassung gebildet hat und bis zur Stunde — wenn auch formell nicht mehr gültig — das Prinzip hergegeben hat, unter dem wir gelebt haben, und dieses Gesetz von 1814 sagt:
Die Stärke des stehenden Heeres und der Landwehr wird nach dem jedesmaligen Staatsverhältniß gestaltet.
Wie ist nun diese Stärkegestaltung geworden? Die jetzt im Augenblicke noch gültige Präsenzstärke ist basirt auf ein Gesetz vom Jahre 1887 und ist auf 486 409 Mann festgesetzt. Das giebt bei einer Bevölkerung, die zwei Jahre früher Bü 46 850 000 gezählt worden, 1 Proz. der Bevölkerung. Unser gegenwärtiger Zustand ist also der von 1 Proz. unserer Bevölkerung. Wenn man nun, wie es geschehen ist, von einer solchen starken und unerhörten Mehrbelastung gegen früher redet, so müßte zunächst nach⸗ gewiesen werden, daß wir früher mit erheblich weniger aus⸗ gekommen sind. Das aber ist nicht der Fall. Im Jahre 1816, also unmittelbar nach einem Kriege, der das kleine Preußen erschöpft hatte, der ihm einen Aderlaß gegeben, wie wir ihn, so Gott will, nicht wieder erleben werden, im Jahre 1816 also betrug der Prozent⸗ satz der in das stehende Heer eingereihten Ziffer der Bevölkerung 1,25, also † mehr, als was wir heute stellen. Allmählich, in den 20er Jahren, sinkt diese Zahl, im Jahre 1832 ist sie auf 1 Proz. der Bevölkerung heruntergekommen, sie sinkt weiter und kommt auf die niedrigste Ziffer, die sie jemals in Preußen gehabt, auf 0,79 Proz., und zwar, meine
erren, war das im Jahre 1850, in den unglückseligen Tagen von
lmütz. Jeder, der die neueste Geschichtsschreibung gelesen hat, weiß, welche Rolle um diese Zeit der Mangel an Schlagfertigkeit der Armee gebildet hat, wie weit das in unsere Verhältnisse eingegriffen
hat. Ich wiederhole noch einmal, das Jahr mit der niedrigsten rela⸗ tiven Präsenzstärke ist wohl das politisch unglücklichste, seit wir die Wehr⸗ verfassung vom Jahre 1814 haben. Dann steigt die Ziffer allmählich mehr. Im Jahre 1860, bei Beginn der Reorganisation, erhebt sie sich auf 1,10 Proz., im Jahre 1861 auf 1,12 Proz. Nun hatte man unmittelbar nach dem Kriege — und wir Alle haben das gehabt, auch wir Soldaten — das Gefühl, daß der Staat voraussichtlich, oder das Reich, will ich sagen, in absehbarer Zeit nicht wieder zu so starken militärischen Leistungen gedrängt werden würde. Man schwelgte im Vollgefühl des vergrößerten Deutschlands und man glaubte, daß, da nun unser Vaterland so groß geworden, auch die Lasten geringer werden würden. So blieb die Präsenzziffer verhältnißmäßig gering und ging allmählich sogar zurück. Sie kam im Jahre 1875 auf 0,94 Proz., im Jahre 1880 blieb sie auf 0,94 Proz. und das war schon eine Folge der durch Bruch des Septennats erwirkten Erhöhung der Präsenzstärke. Also wir sind nun heute, indem sich die Noth⸗ wendigkeit herausgestellt hat, sie zu erhöhen, noch nicht auf dem Standpunkt angekommen, auf dem wir im Jahre 1816 waren, und wenn das jetzige Gesetz von Ihnen angenommen wird, so werden wir vooraussichtlich in Bezug auf die Bevölkerungszahl bei der nächsten Fäbhlung im kommenden Winter wieder es nur bis auf 1 Proz. ge⸗
racht haben. Ich glaube, meine Herren, daß man unter diesen Ver⸗
hältnissen nicht von einer kolossalen Bevölkerung sprechen kann
1 ir sind dadurch, daß wir genöthigt wurden, nachdem die ersten Jahre nach dem Frankfurter Frieden vorüber waren, uns im Aus⸗ lande umzusehen, durch die Leistungen des Auslandes allmählich in die Höhe getrieben worden, und es kann sich nur noch fragen — darauf bezog sich die Aeußerung, die der Herr Kriegs⸗Minister über andere Pläne gemacht hat —, ob wir in diesem Zustande verharren und uns nur schritt⸗ weise von Mann zu Mann durch das Ausland drängen lassen oder ob wir der Sache dreist ins Gesicht sehen und uns sagen: kommt der Zu⸗ kunftskrieg, so kann kein waffenfähiger Mann zu Hause bleiben, wir wollen also die Organisation so schaffen, daß alle zum Waffendienst ausgehobenen Leute auch fähig sind, die Waffen auszunützen. Das ist ein Punkt, in dem, wie ich nun hoffen darf, die verbündeten Regie⸗ rungen sich mit dem Hrn. Abg. Richter eins wissen werden, der auch auf volle Durchführung der allgemeinen Wehrpflicht, des alten Scharn⸗ horst'schen Gedankens, ausgehen will. Es läßt sich in der That, wenn man annehmen will, daß wir von Staaten umgeben sind, deren Bevölkerungsziffern, wenn Sie sie sum⸗ miren, die unserige bei Weitem übersteigen, bei einer be⸗ schränkten Leistung unsererseits nicht stehen bleiben. Das Halten stehender Heere im Frieden hat für die Staaten ungefähr die Wirkung wie eine Versicherung gegen Feuer oder irgend ein anderes Natur⸗ unglück für den Einzelnen, es ist eine unproduktive Ausgabe, eine, die man am liebsten von Jahr zu Jahr aufschieben würde, wenn man nur die Sicherheit haben könnte, daß es nicht brennen würde. Je höher der Staat sich dadurch versichert, daß er ein zahlreicheres Heer hält, um so geringer wird nicht bloß der Schaden sein, den der Zukunftskrieg ihm etwa zufügen kann, sondern um so unwahrschein⸗ licher — und das ist ein Vortheil vor anderen Versicherungen — wird der Krieg überhaupt.
Also möchte ich, wenn die verbündeten Regierungen dazu kommen sollten, nach Ablauf dieser Periode in der nächsten oder in einer später folgenden mit Entwürfen, die bis dahin gereift sind, vor Sie zu treten, vorschlagen, sich dieser Zah len, die ich genannt habe, zu ent⸗ sinnen und nicht zu erschrecken, wenn die Prozentzahl der Präsenzziffer
und übermäßigen Belastung der
Nun liegt ja der Gedanke so nahe — und uns Aelteren ist er ja aus der Konfliktszeit noch ganz geläufig —, daß, wenn von der Erhöhung der Präsenzstärke gesprochen wird, sich unmittelbar dann die Forderung nach einer Reduktion der Dienstzeit anschließt, und ich kann sagen, ich habe mit Freude die Rede des Hrn. Abg. Hänel inso⸗ weit gehört, als ich seine Ansicht vollkommen theile, daß zwei⸗ und dreijährige Dienstzeit mit der Zeit zu parlamentarischen Stichwörtern geworden wären, die auch da angewendet würden, wo die ein⸗ fache nüchterne militärtechnische Erwägung am Ort gewesen wäre. Es ist Thatsache, daß wir bei einem Theil unserer Armee die dreijährige Dienstzeit faktisch gar nicht haben. Sie aber prinzipiell aufzugeben, würde ich nicht rathen können. Wir wissen nicht, vor welchen technischen Veränderungen wir in Bezug auf die Bewaffnung stehen. Es ist neulich hier der vollkommen zutreffende Vergleich gemacht worden zwischen einer Flinte und dem Gewehr M. 88; in dem Maße, als diese beiden Waffen von einander verschieden sind, sind auch die Ansprüche, die an die Ausbildung des Soldaten gestellt werden, ver⸗ schiedene. Als ich eintrat, schoß der Infanterist — und ich bin so ausgebildet — 18 Kugeln in einem Jahre gegen eine Scheibe von reichlicher Größe und wenn man das Geschoß abgefeuert hatte, so war nur die Frage: Hat das Gewehr sehr gestoßen oder nicht? Heutzutage schießt man, wenn ich nicht irre, 150 Kugeln. Der Soldat muß gewisse Bedingungen erfüllen, er muß sich der Theorie des Schießens so Herr erweisen, daß er unter verschiedenen Lagen sich sagen kann, ses⸗ mein Geschoß die und die Flugbahn haben, folglich muß ich o halten.
Ich bitte um Entschuldigung, wenn ich als Reichskanzler in diese militärischen Details aus alter Neigung gekommen bin. Ich will aber nur sagen, die Schwierigkeiten, welche in der Ausbildung in den letzten Dezennien entstanden sind, sind kolossal, und nicht allein jeder Offizier wird Ihnen das sagen, ich behaupte, die Physiognomie von Berlin beweist das. Der spazierengehende Soldat ist an Wochen⸗ tagen von der Straße verschwunden; an den Sonntagen können Sie vielleicht noch einen oder den andern sehen, und dann auch nicht mehr immer in so angenehmer Gesellschaft, weil ihm eben an den Wochen⸗ tagen die Möglichkeit gefehlt hat, Beziehungen anzuknüpfen.
Aber, meine Herren, ein anderes Moment, das ich gegen jede prinzipielle Verkürzung der Dienstzeit von meinem ressortmäßigen Standpunkte aus anführen würde, liegt in der Schwierigkeit, die Truppe zur Disziplin zu erziehen. Wir werden Alle darin einver⸗ standen sein, daß eine Armee ohne Disziplin das Geld nicht werth ist, was sie kostet, daß man sogar noch etwas zugeben könnte, wenn man sie los wäre, denn sie wird eine Gefahr für den Staat. Eine Armee, deren Kraft ich nicht zur gegebenen Zeit an der gegebenen Stelle unter den denkbar schwierigsten Verhältnissen verwerthen kann, ist mir nutzlos, und die Schwierigkeiten sind doch nicht unbedeutend. Wenn ich von der Dissiplin verlangen muß, daß sie die Untergebenen des Vorgesetzten dazu befähigt, ihm, ohne auch nur zu reflektiren, in den Tod zu folgen, so ist das eine Leistung, die, glaube ich, von keiner anderen Institution im Staate gefordert wird, die einer so vorsichtigen Behandlung bedarf, daß ich einer Aenderung der Dienstzeit, welche die Disziplin gefährden könnte, nur schwer zustimmen würde. Daß aber die Erhaltung der Disziplin ungleich
schwerer wird, wie früher, das, glaube ich, beweist ein ein⸗ facher Blick auf die Agitation, die im Lande Seitens einer zahl⸗ reichen Partei getrieben wird. Noch hat die Partei zu meiner Freude, soweit mein Auge hat sehen können, nicht den mindesten Einfluß auf die Disziplin in der Armee geübt, aber wir müssen berücksichtigen, daß uns eine zuchtlose Jugend heranwächst, die zur Disziplin zu er⸗ ziehen ungleich schwieriger ist, als dies früher der Fall war. Wenn das einmal zugegeben wird, so bin ich weiter der Meinung, daß von einer prinzipiellen Verkürzung der Dienstzeit nicht die Rede sein könne. Wie weit technisch Beurlaubungen möglich sein werden, das zu be⸗ urtheilen überlasse ich den Herren Militärs; dafür wird die Kom⸗ mission der Ort sein.
Die dritte Forderung, welche der Hr. Abg. Richter stellte, war die jährliche Bewilligung der Präsenzstärke. Er will vom Septennat nichts mehr wissen. Das ist nicht wesentlich eine militärische Frage, sie kann erst in ihrer weiteren Folge militärisch werden, es ist eine konstitutionelle Frage, will ich sagen; es ist eine Frage über die sich in jeder Beziehung reden läßt. Warum sollen es gerade sieben Jahre sein, es können auch neun, fünf, drei Jahre sein. Darüber kann man streiten, und ich gebe zu, wenn einmal die Scharnhorst'sche Idee, also die Durchführung der allgemeinen Wehrpflicht in die Hand genommen werden soll, dann wird, so viel ich wenigstens übersehe, es mit siebenjährigen Perioden nicht mehr gehen, weil die Scharnhorst'sche Idee zur Voraussetzung hat, daß mit steigender Bevölkerungsziffer auch die Zahl der präsenten Menschen bei der Fahne wächst. Man könnte also beispielsweise — ich spreche hier nur meine persönliche Ansicht aus, ich weiß nicht, wie die verbündeten Regierungen dazu stehen werden — auf den Gedanken kommen, eine fünfjährige Frist zu nehmen in Uebereinstimmung mit der Legislaturperiode und auch der Volkszählung. Also das ist ein Gebiet, auf dem mehr der Politiker mitzureden haben wird, als der Soldat, es ist aber keine Frage, die das Sein oder Nichtsein der Armee in Frage stellt. (Hört, hört! Links.) Ja, wenn Sie von dieser Aeußerung so befriedigt Akt nehmen, so möchte ich doch sagen, daß ich weder befugt bin, in dieser Beziehung ein Zugeständniß zu machen, noch auch, daß ich für meine Person gewillt wäre, es über fünf Jahre hinaus auszudehnen.
Im Uebrigen weiß ich, daß die Vorlage in der Kommission am Besten vertreten sein wird, und gebe mich der Hoffnung hin, daß sie ihre Annahme finden wird.
Abg. von Manteuffel:
enteuffel: In den Reihen der deutsch⸗ konservativen Partei wird die Dankbarkeit gegen den Fürsten Bismarck nie erlöschen für das, was er dem deutschen Lande
und Volke, was er uns Allen geleistet hat. Ich kann 88 begreifen, wie man Aeußerungen, wie sie der Abg. Liebknecht gethan hat, gegen einen Abwesenden richten kann, dafür fehlt mir vollkommen das Gefühl. Was die Niederlage von Jena an⸗ betrifft, so empfehle ich ihm doch die Lektüre der neuesten geschicht⸗ lichen Werke, vor Allem Treitschke’s (Lachen links) — ich weiß ja, daß Sie keine 1 Treitschke’'s sind, aber das vermindert seinen Ruhm um keinen Deut —, dort wird nachgewiesen, wie nach Jena gerade die Offiziere der geschlagenen deutschen Armee die stärksten Säulen der neu zu schaffenden Armee geworden sind. Hr. Hänel hat wieder die Idee des Abrüstungs⸗ kongresses besprochen. Gewiß muß das Gefühl eines dauernd gesicherten Friedens sehr angenehm sein, aber ich fürchte, die Hoffnung darauf wird nicht in Erfüllung gehen. Der einzige Abrüstungskongreß, der bisher in die Erscheinung trat, war von Napoleon III. angeregt und seine Folge war der Ausbruch des Krieges von 1866. So möchte es bei ähnlichen Ab⸗ rüstungskongressen wieder gehen. Bei Arbeiterschutz u. dgl. steht die internationale Vereinbarung auf ganz anderer Basis. Weiter verlangt Hr. Hänel in der Kommission auch die Vor⸗ legung eines ganzen Finanzplanes durch den Reichs⸗Schatz⸗ sekretär. Giebt man diese Nothwendigkeit zu, dann müßte die Vorlage doch nicht an eine besondere Kommission, sondern an die Budgetkommission verwiesen werden, und da müßte doch auch die ganze augenblickliche deutsche Finanzgesetzgebung untersucht werden. In diesem . möchte die Kommissions⸗ berathung in absehbarer Zeit überhaupt nicht zu Ende kommen. Was die Schaffung eines Reichs⸗Finanz⸗Ministers betrifft, so glaube ich nicht, daß sie thatsächlich möglich ist durch eine einfache Kabinetsordre; damit träte eine theilweise Aufhebung der Reichsverfassung ein und geschähe ein Eingriff in die Rechte der Einzelstaaten, den wir unmöglich wollen können. Wir erwarten mit den meisten anderen Rednern in der Kom⸗
1 Proz. oder noch etwas mehr betragen sollte ls b her.
find ja auch weit davon entfernt, uns für das Gesetz ohne Weiteres zu erwärmen, ohne daß uns noch sehr erhebliche Aufschlüsse gegeben werden. Wir befinden uns ja auch wirklich in keiner anderen politischen Lage als 1887. Ich bin Gott dankbar dafür, daß es so ist, ich bin dem Kaiser dankbar dafür, daß durch seine Haltung in Wort und That er es dahin gebracht hat, daß in Deutsch⸗ land Niemand mehr zweifelt, daß uns der Friede im Großen und Ganzen noch für eine längere Zeit gewährleistet ist. Aber sollen wir deshalb uns diesem Gesetz gegenüber ablehnend ver⸗ halten? Für die Völker und Parteien außerhalb Deutsch⸗ lands können die Hrrn. Payer und Liebknecht nicht als Garantien der friedlichen Gesinnung auftreten, weder für die Franzosen, noch für das heilige Rußland. Der Einfluß der französischen Chauvinisten auf die Volksstimmung ist un⸗ berechenbar. Die Gesammt⸗Ausgaben für unsere Wehrkraft haben in den letzten vier Jahren 2 Milliarden betragen, in Frankreich dagegen in der gleichen Zeit über fünf Milliarden. Für eine starke Armee ist ganz besonders eine starke Artillerie nothwendig, da eine Artillerie plötzlich zu schaffen absolut un⸗ möglich ist. Im letzten Kriege war die Infanterie der Gam⸗ betta'schen Armeen ein nicht zu unterschätzender Gegner, ihre Artillerie, abgesehen von der Marine⸗Artillerie, nichts werth. 1887 hatten wir vor dem Septennat 340 Batterien mit 1404 bespannten Geschützen. Nach der Annahme des vorliegenden Gesetzes werden wir 437 Batterien mit 2230 bespannten Ge⸗ schützen, dagegen Frankreich immer noch 480 Batterien und 2090 bespannte Geschütze und über 1000 bespannte Munitions⸗ wagen haben. Frankreich sieht ängstlich darauf, alle Hinder⸗ nisse zu beseitigen, welche seine Schlagfertigkeit stören können. Gegen alle französische Gewohnheit ist in den jüngsten Tagen der General Miribel zum unabsetzbaren Generalstabschef er⸗ nannt worden. Wir dürfen also in keiner Beziehung zurück⸗ stehen. In Bezug auf das Septennat bin ich weit entfernt, einem einseitigen Kontraktbruch, möchte ich beinahe sagen, das Wort zu reden. Aber auch die Regierungen wollen ja auch dieses Kompromiß nicht brechen und uns gewissermaßen ver⸗ Fhücalt ga Das Septennat verurtheilt uns doch nicht zur
olle des Siebenschläfers. Nein, der Reichstag kann von den verbündeten Regierungen verlangen, daß sie während dieser 7 Jahre streng und treu Wache halten, was in anderen Staaten vorgeht in militärischer Beziehung. Im Gegen⸗ theil, der Reichstag müßte der Militär⸗Verwaltung schwere Vorwürfe machen, wenn sie einen Sieben⸗ schläferschlaf halten wollte. Hält sie also die Ver⸗ vollständigung unserer Artillerie für nothwendig, so ist es ihre Pflicht, sie von uns zu verlangen. Die Verkürzung der dreijährigen Dienstzeit der Infanterie würde ich für un⸗ gerecht halten, so lange man die dreijährige Dienstzeit für die Kavallerie und Artillerie beibehält. Die berittenen Truppen rekrutiren sich meist aus der Landwirthschaft, und diese würde durch die Maßregel hart betroffen; da übrigens die Präsenz⸗ ziffer dadurch nicht reduzirt werden soll und eine Vermehrung des Ausbildungspersonals, der Kasernen und Exerzierplätze nothwendig werden würde, so entständen dadurch mindestens ebenso hohe Mehrkosten, als diese Vorlage erfordert. Ich möchte hier auf ein Verdienst hinweisen, das sich jedenfalls der Kartell⸗Reichstag von 1887 erworben hat. Die Art und Weise, wie drei große Militärgesetze mit großer Mehrheit — das von 1888 auf Antrag des unvergeßlichen Freiherrn von Francken⸗ stein en bloe — angenommen wurden, hat auf die Erhaltung des Friedens einen großen Einfluß gehabt. Nehmen wir auch dieses Gesetz, wie ich hoffe, mit möglichst großer Mehrheit an, so werden wir damit dem Vaterlande und der Erhaltung des Friedens in ganz Europa einen guten Dienst thun.
Die Diskussion wird geschlossen.
Zur Geschäftsordnung behält sich Abg. Bebel vor, bei der nächsten passenden Gelegenheit auf die gegen seine Partei gemachten Angriffe zu antworten.
Abg. von Kardorff (persönlich): Der Reichskanzler Hr. von Caprivi hat geglaubt, aus einer Aeußerung, die ich bezüglich des Verfassers der Broschüre „videant consules“ gechan habe, den Schluß ziehen zu müssen, daß ich dem Ver⸗ asser einen Einblick in die Akten des Auswärtigen Amts zugeschrieben hätte. Nein, das ist allerdings nicht meine Auffassung gewesen. Ich glaube aber, daß derselbe Kreisen sehr nahe gestanden, in denen bestimmte politische Strömungen bemerkbar waren. Insofern habe ich von einer politischen Einsicht gesprochen.
Die Vorlage wird einer besonderen Kommission von 28 Mitgliedern überwiesen.
Auf Antrag des Abg. Graf Ballestrem werden zu Mitgliedern der Reichsschuldenkommission die Abgg. Dr. Hammacher, Kochann und von Busse und zur Verstärkung dieser Kommission die Abgg. Letocha, Dr. Kropatschek und Dr. Meyer (Berlin) gewählt. 1 Damit ist die Tagesordnung erledigt. (Schluß 4 ³l Uhr.)
,—. In Folge der Resolution des Reichstages vom 9. Mai 1883, betreffend den Antrag der Abgg. Thilenius und Genossen, ist eine Kommission von Sachverständigen zur Untersuchung der Stromverhaͤltnisse des Rheins und seiner Nebenflüsse niedergesetzt worden. Die Kommission, deren Arbeiten dem Abschlusse nahe sind, hat inzwischen durch Vermittelung des Großherzoglich badischen Centralbureaus für Meteorologie und Hydrographie in Karlsruhe eine hydrographische, wasserwirthschaftliche und wasserrechtliche Darstellung des deutschen Rhein⸗. stromgebietes herausgegeben. — Von dieser Darstellung ist nun den Mitgliedern des Reichstages durch den Stellvertreter des Reichs⸗ kanzlers eine größere Anzahl von Exemplaren zur Verfügung gestellt.
— Die Fechtgs miston en des Reichstages haben sich in folgender Weise konstituirt:
I. Kommission für die Geschäftsordnung: Ackermann, Vorsitzender, von Kehler, Stellvertreter des Vorsitzenden, von Koscielski, Schriftführer, Dr. Porsch, Schriftführer.
II. Kommission für die Petitionen: Büsing,
Vorsitzender, Dejanicz von Gliszcezynski, Stellvertreter des Vorsitzenden, Dr. Bachem, Schriftführer, von Jagow (Potsdam), Schriftführer, Freiherr von Münch, Schriftführer, Dr. Schier, Schriftführer. III. Kommission für den Reichshaushalt⸗Etat: Freiherr von Huene, Vorsitzender, Dr. Baumbach (Berlin), Stellvertreter des Vorsitzenden, Dr. von Frege, Schriftführer, Haerle, Schriftführer, Müller (Marienwerder), Siegle, Schriftführer.
IV. Rechnungskommission: Dr. Meyer, Letocha, Stellvertreter des Vorsitzenden, Marbe, Stadthagen, Schriftführer.
V. Wahlprüfungs⸗Kommission:
Vorsitzender, Schriftführer,
Schmieder, Vor⸗
mission noch die wesentliche Begründung der Vorlage, wir
sitzender, Kochann, Stellvertreter des Borste nden Dr. Dohrn, Schriftführer, Gröber, Schriftführer, chneider (Hamm), Schriftführer, von Steinau⸗Steinrück, Schriftführer. 86
Schriftführer,
85*
Zwe ite Beilage
Anzeiger und Königlich Preußischen Staats⸗Anzeiger. .
Berlin, Sonnabend den 17. Maäai
1 Parlamentarische Nachrichten. Shlußbericht der gestrigen (60.) Sitzung des Hauses der Abgeordneten. Dritte Berathung des Gesf etzentwurfs, enthaltend Bestimmungen über das Notariat und über die gerichtliche oder notarielle Beglaubigung von Unterschriften oder Handzeichen. 1 §. 2 bestimmt, daß in Städten von mehr als 100,000 Einwohnern dem Notar bei der Anweisung des Wohnsitzes die Verpflichtung auferlegt werden kann, in einer bestimmt begrenzten ö der Stadt zu wohnen und seine Geschäfts⸗ q zu halten. “ Munckel: Ich bezweifle, ob der Minister im Stande in jeder Stadt über 100 000 Einwohner, speziell in Berlin, das lokale Bedürfniß der einzelnen Stadttheile besser fest⸗ zustellen, als es der Verkehr selber kann. Die Vorschrift ent⸗ hält ganz neues Recht. Kein Beamter in ganz Deutschland, V abgesehen von der Dienstwohnung, ist gezwungen, innerhalb eines bestimmten Ortes in einem bestimmten Revier internirt! zu wohnen. Wer das Bedürfniß nach dieser Vorschrift empfunden hat, geht aus den Motiven der Vorlage nicht her⸗ vor. Wären es die Interessenten, so würde das vermuthlich gesagt sein. Das Bedürfniß ist am grünen Tisch empfunden wor⸗ den, weil die Vertheilung der Notare über die Stadttheile eine ungleichmäßige ist. Was bedeutet aber diese Ungleichmäßigkeit 2 Giebt es so viele Menschen, die ihre Notare nach den lokalen Entfernungen aufsuchen? Denkt man von dem Geschäftsbetrieb des Notars so tief, daß ein Notar deshalb gewählt wird, weil er der nächste ist? Das Verhältniß des Notars zum Klienten ist das des persönlichen Vertrauens und richtet sich nicht nach der Stadtgegend. Die Bewohner des platten Landes haben sehr viel mehr Umstände, den Notar zu zerlangen. Die Ab⸗ grenzung der Reviere wird zu den kleinlichsten Maßregeln führen. Wird es in Zukunft Notare geben, die in ganz Berlin, und solche, die nur in gewissen Stadttheilen wohnen dürfen? Die Vorschrift wird zur Folge haben, daß es künftig zwei Klassen von Notaren giebt: solche, die wohnen können, wo sie wollen, und solche, die wohnen, wo der Minister will. Diese beiden Klassen werden jedenfalls so lange bleiben, bis die alten Notare ausgestorben sind. Das Ansehen des Notariats kann dadurch nicht gewinnen. Man macht jetzt der Regel nach ältere, bewährte Rechtsanwalte nach einer gewissen Anciennität zu Notaren. Wird man künftig solchen Männern ein Notariat etwa in der Nähe von Friedrichsberg anbieten und lehnen sis es ab, sollen sie damit ein für alle Mal⸗ abgefunden sein? Das Prinzip der Bestimmung, die Anerkennung, daß Fi verwaltung von oben herab besser sieht, was der Verkehr fordert, als der Verkehr selbst, sollte abhalten, dieser Bestimmung zuzustimmen. Was heute vom Notar gilt, gilt morgen vom Anwalt. Dies könnte auch zur Beseitigung der freien Advokatur führen. Mindestens sollte die Bestimmung auf das Geschäftslokal 8 Notars 1“ werden. ustiz⸗Minister Dr. von Schelling: I den Ausführungen des Hrn. Abg. Munckel bitte ich das hobe Haus, an dem §. 3, wie er in der zweiten Berathung an⸗ genommen worden ist, auch in der dritten Lesung festzuhalten. Indem die Staatsregierung die Vorschrift des jehigen §. 3 in Vorschlag brachte, bat sie sich allerdings nicht durch das Interesse der Notare, sondern lediglich durch das Interesse des Publikums leiten lassen. Es ist richtig, daß aus dem Schoße der Notare Anträge auf Schaffung von Notarstellen von beschränkten Bezirken nicht gegangen sind, wohl aber sind solche Wünsche, namentlich in Ber 5 von Bewohnern entfernter Stadttheile, sowohl mir gegenüber als dem Kammergerichts⸗Präsidenten gegenüber verlautbart. Es wird von den Bewohnern entfernter CC“ in der That als Mißstand empfunden, daß sie zur Helei zigha ihrer Rechtsbedürfnisse immer einen ziemlich weiten Weg zum G der Stadt zurückzulegen haben, — und es handelt sich dabei nicht blos um eine einmalige Pferdebahnfahrt, wie der Abg. Hr. Munckel be⸗ merkt hat: es kommt in Betracht, daß zu Verabredungen über die Zeit des Notariatsakts oder zu anderem Zweck oft ein mehrmaliger I denkt gar nicht daran, dem Pablikum die Wahl seines Vertrauensmenns zu entziehen; Jedem aus dem Publikum soll es vollständig frei stehen, sich an den Notar seines ertrauens, in welchem Stadttheil er seine Wohnung habe, zu wenden. Ess soll nur dafür geforgt werden, daß der entfernt Wohnende seinen Ver⸗ trauensmann auch in der Nähe findet. Ebenso unrichtig ist es, Pgi der Hr. Abg. Munckel von einem unglücklichen Notar gesprochen hat. 8 in einer entfernten Stadtgegend seinen Wohnsitz angewiesen erha te. Die Justizverwaltung wird Niemanden zwingen, unter dieser Be⸗ dingung das Notariat anzunehmen; sie ist ader dessen gewiß, daß sich sehr viele Beamte finden werdes, die mit Vergnügen ihren Waheisit in eine bestimmte Stadtgegend verlegen, um dort als Notar zu fung vorliegende Vorschrift enthält eine Abhülfe gegen die 88 mäßige Centralisation der Justiz in großen Städten, 1 ste e 8 sich an Organisationen an, dem Gebiete der Standesamt v sgegangen sind. 8 “ “ hendeite für Berlin das Civilehegesetz zur Ausführung zu bringen, da hat die damalige Stadtverwaltung in weiser Voraussicht. Abstand davon genommen, die 111“ beamtung in einer einzigen Behörde zu konzentriren, es sind vie 11. mehrere Standesamtsbezirke gebildet worden — ich glaube es sind deren 16 — und es hat sich diese Einrichtung vollständig bewährt. Mein Wunsch wäre es nun, daß für die hiesige Bevölkerung künftig der Notar hehe leicht zugänglich sei, wie der Standesbeamte. Es ist dies noch nich im vollen Maße durchzuführen, aber wohl wird für die Feeehne entfernter Stadttheile und der Vororte die Möglichkeit 1g. die gegeben, ohne zu große Weitläufigkeiten sich mit dem Mann ihre ertrauens in Verbindung zu setzen. für ein Bedürfniß Abg. Bachem hält die Bestimmung für 88 e rg „ hofft aber, daß der Minister nur in den dringen sten Fã en von seiner Befugniß der Anweisung des Wohnortes eines Notars “ Uüfeheh a 8 agraph wird angen 8 8 Sen-; deegetes die dgFecttretung der Notare, war in zweiter Lesung gestrichen worden. 8 zimzibg. Nefugc,g die Wiederherstellung des §. 8 mit der Einschränkung, daß die Stellvertretung nur 66 die Dauer einer durch erhebliche Gründe gerechtfertigten Abwesen⸗ eit des Notars von dem ihm angewiesenen Wohnort zulässig bn soll. b — Justiz⸗Minister Dr. von Schelling:
ist,
den Antrag des Hrn. Abg Nadbyl zugefügt wird, die Bedenken be⸗ seitigt werden, welche ich in der zweiten Berathung gegen den §. 14a zu äußern mir erlaubt habe. Ich habe daher meinerseits keinen Anlaß, der Annahme des §. 14a in der Fassung Nadbyl zu wider⸗ sprechen. Ich setze übrigens voraus, daß, wenn der Antrag die Zu⸗ stimmung des hohen Hauses findet, sich alsdann die Resolution des Hrn Abg. Olzem, welche in der zweiten Berathung angenommen ist, erledigt. 1 1
§. 14a wird angenommen, ebenso das ganze Gesetz.
Es folgt die dritte Berathung des Gesetzentwurfs, betreffend die Unterhaltung der nicht schiffbaren Flüsse in der Provinz Schlesien.
Artikel I lautet: .
„Auf Antrag oder mit Zustimmung des Provinzial⸗Ausschusses kann nach Anhörung des Kreistages die Verbindlichkeit zur Unter⸗ haltung nicht schiffbarer Flüsse oder einzelner Theile derselben denjenigen Kreisen übertragen werden, in deren Bezirk sich das Gewässer befindet.“ 1 1“
Abg. von Lösch beantragt folgende Fassung: “
Die Kreise sind befugt, mit Genehmigung des Bezirks⸗Ausschusses, dessen Beschluß der Bestätigung der Minister des Innern, der Finanzen und der Landwirthschaft bedarf, die Regulirung und Unter⸗ haltung der in ihrem Bezirk belegenen nicht schiffbaren Flüsse oder einzelnen Theile derselben zu übernehmen. .
Der Abg. von Lösch befürwortet sein Amendement, welches die Gefahr abwenden solle, daß die Kreise mit Kosten für die Regulirungen überbürdet werden.
Dieser Antrag wird unterstützt durch die Abgg. von Kölichen und Graf Clairon d'Haussonville.
Abg. Graf von Strachwitz verlangt von der Regierung Garantien, daß durch die Fluß⸗Regulirungen in einzelnen Kreisen die unterhalb Liegenden nicht geschädigt werden und hofft, daß durch dieses Gesetz in Zukunft Nothstands⸗ Vorlagen zur Abhülfe von Ueberschwemmungen entbehrlich gemacht werden. 1 1 Abg. Eberty bemerkt, daß nach der vorgeschlagenen Fassung, wonach die Uebernahme der Regulirung und Unter⸗ haltung auf die Kreise eine fakultative werde, die Sache den Charakter eines Verwaltungsverfahrens allerdings mit gewissen, zum Theil werthvollen Rechtsgarantien, wie sie Art. II ent⸗ hält, annehme. Insofern enthalte der Antrag eine schätzbare Milderung der Vorlage; andererseits gebe er aus demselben Grunde keine definitive Lösung der Wasserfrage. Redner würde für den Antrag stimmen, wenn einzelne Bedenken da⸗ egen in der Kommission noch eine nähere Erörterung erfahren önnten. Minister für Landwirthschaft ꝛc. Dr. Freiherr Lucius
Ballhausen:
“ ve- Der Antrag von Lösch bestatigt lediglich be⸗ stehendes Recht; das, was Art. I des Antrags von Lösch sagt, kann heute auch jeden Tag jeder Kreistag mit Zweidrittel⸗Majorität be⸗ schließen gemäß den Bestimmungen der Kreisordnung. Nun in dem Artikel ist weiter nichts, als daß zu den beiden sonstigen Ressort⸗Ministern für die Prüfung und Bestätigung eines derartigen Beschlusses des Kreistages auch der landwirthschaftliche Minister hinzugezogen “ in⸗ sofern scheint mir gegen den Art. 1 des Antrages von Lösch hann von irgend einer Seite möglich, einen Widerspruch einzubringen, ne er absolut nichts thut, als daß er das, was bestehendes Rech 1 „ bestätigt. Er unterscheidet sich aber von der Regierungsvorlage dadurch, daß nach der Regierungsvorlage auch gegen einen
bi Erklärungen abgeben, daß der Staat für die
bindene, Flüsse in Zukunft Regulirungskosten, ein Drittel oder die Hälfte oder überhaupt einen bestimmten Theil übernimmt, das ist eine absolut unmögliche Forderung, die ich nicht selbst Eee. vnd noch viel weniger würde ich dem Herrn Finanz⸗Minister die Zumuthung einer derartigen Verpflichtung stellen können, das ist vollständig ausgeschlossen. Ueberhaupt eine gesetzliche Verpflichtung dem Staat oder auch der Provinz nach dieser Richtung aufzuerlegen, würde ich, wie ich bei der früheren Lesung schon gethan habe, auch heute noch ganz rund und bestimmt ablehnen müssen, obschon ich wieder⸗ hole, daß es die Absicht natürlich ist, staatliche Subventionen zu gewähren. Der Gesetzentwurf würde ohne dies ein leerer Buchstabe bleiben, wenn nicht die Mittel des Staats und der Provinz hinzutreten, um das Gesetz lebendig und marschirfähig zu machen. Diese realen Leistungen sind selbstverständliche Voraussetzungen für die 8 des Gesetzes, aber jeden Versuch, diese Leistungen in die verbind liche Form eines Gesetzesparagraphen zu fixiren, würde ich heute, wie auch in früheren Lesungen, unbedingt ablehnen müssen. Ich sage also, Namens der Königlichen Staatsregierung bin ich durchaus nicht in der Lage, dem Antrage von Lösch zu widersprechen. Ich die Regierungsvorlage für das Bessere; da dieselbe aber 9 hohen Hause keine Majorität früher gefunden hat, 1 so auch heute nicht finden wird, würde ich es für unrichtig “ wenn man sich mit dem Geringeren nicht begnügen wollte. 8 a 2 Antrage von Lösch wird wenigstens in den Arti nö 1 2 Bestimmung wieder aufgenommen, die auch die ursprüng 59 8 1 gierungsvorlage enthielt, die also die Möglichkeit gewährt, die aus diesen Arbeiten und aus der Uebernahme dieser erwachsenden Unkosten in einer sachgemäßen Weise bee 8 zu können Es wird, das 1 bemerke ich auch dem letzten Herrn Vorredner, an den Verpflichtungen in „Bezug auf Räumung und Unterhaltung nichts 5 bisher zur Unterhaltung und Räumung eines G verpflichtet ist, ist - auch ferner. Aber die bisherige Unter
und Räumungspflicht ist etwas äußerst Ungenaues und L1.* tes; sie besteht in der Praxis in weiter nichts als in eines v lichen Auskrautung der kleinen Flußläufe und in geringfügigen Verbesserungen. Aber Bauforderungen. die die Bedeutung haben von Ee Kunstbauten von Befestigung der Sohle durch i bag Schwellen, Kaskadenbildung und dergleichen; das hat bishec no⸗
keine Polizeibehörde in Preußen als zur Unterbaltungspflicht gehörig bezeichnet und wird es auch nicht in Zukunft bezeichnen . Insofern ist auch die Betrachtung über die zaf 6 Unterhaltung der Flußläufe in vielen Fällen 18 treffend. Die Kontrole über die Unterhaltung der e läufe ist Sache der Polizeibehörden der unteren und hö eren Instanz, und jeder ist in der Lage, die Polizeibehörden anzuregen, wo er meint, daß die Unterhaltungs⸗ und Räumungspflicht nicht in ge. nügender Weise erfüllt worden sei. Also in der Beziehung 8
den Gesetzentwurf auch an dem bestehenden Zustande nichts Im Uebrigen gewährt der Antrag von Lösch in jedem E“ er e Möglichkeit, zu den gebotenen Verbänden, auf die das vom 1. April 1879 Anwendung findet, auch den Kreisverband ,a — — Unterhaltungsverband zu gesellen. Also insofern bewegte E c⸗ vollständig die Basis der Vorlage und ist immerhin eine Verbesserung
s8 jetzi Zustandes. “ seh gen zaffsn mich dahin, daß ich Namens der Königlichen Staatsregierung erkläre, daß ich den Antrag von Lösch für einen annehmbaren für uns bezeichne, ggr. damit nicht das Bess Regierungsvorlage aufgegeben hal ll. PE “ Gegnerschaft gegen diese Vorlage betrifft, so ist von verschiedenen Seiten dieselbe ‚charakterisirt üese Ganz verständlich ist mir die Opposition, die von Seiten . Herren Abgeordneten der unteren Oder kommt, nicht geworden, denn in
Kreistagsbeschluß, der nur mit einfacher Majorität gefaßt sein würde, dieser Gesetzentwurf Anwendung hätte finden können 1““ vorlage hatte gerade den meines Erachtens großen orzug, daß sie der Schwierigkeit begegnete, die in der 12 1 führung einer Zweidrittel⸗Majorität in dem Kreistage besfert Ich glaube, Jeder, der irgend in Kreistagsverhandlungen gear 88 und praktische Erfahrungen gesammelt hat, wird mir zugeben, 188 die Schwierigkeit, eine Zweidrittelmajorität zu bekommen, in sehr vielen Fällen keine geringe ist. Diese Zweidrittelmajorität ist überhaupt erreichbar, wenn der Landrath ein sehr energischer, thatkräftiger 1. der sich für die vorliegende Frage lebhaft interessirt. dft. hag ni 8 der Fall, so ist in einem Kreistage von einer CCCCE nie die Rede und ich glaube nicht, daß ich da irgend Jemanden zu nahe trete, wenn ich dies wiederhole und darauf hinweise. G 6ꝗ Nun war ja in üeb CE11““ Fäsßchich ö Spi mgegeben für die Selbstverwaltungsorgane. D. e Ein⸗ ö der Regierung konnte nicht stattfinden, ceg der Provinzial⸗Ausschuß sich mit dem Kreistag ins Benehmen gesetz hatte. Ich nehme in der That Anstand, das wiederholt ö neuem zu wiederholen, daß ich es nach meinen Erfahrungen, un i glaube, nach den Erfahrungen jedes praktischen ee 1 diesem Gebiet doch für völlig ausgeschlossen erachte, daß eietg mit blinden Augen einen derartigen Beschluß fassen könnte, 8 er 8 8 weitgehende finanzielle Verpflichtungen auferlegt, ohne sich 89 88 bare Sicherheit vorher gegen Ueberbürdung gewährt zu ha 1 finde in der Ausführung des Herrn Vorredners eine wirklich 88. lich weitgehende Fürsorge und Vormundschaft für die Gescäftts st der Kreistage. Wird denn ein Kreistag daran denken, einen B an 8. beschluß zu fassen für einen Flußlauf, einen regulirten G lirten, die Räumung zur Erhaltung zu übernehmen, S ihm age b die speziellsten Anschläge vorher vorgelegen ba 89 .“ ihm nicht die verbindlichen Erklärungen des Peehin ausschusses oder der Königlichen Staatsregterung JEoE zu dem vorliegenden praktischen Projekt ihm gewähr wir 1 und wenn er nicht aus diesen Unterlagen die hehee l gecwopan hat, daß damit ein Werk geschaffen wird, welches vo cch Fe 8 ständen dauernd abhilft, und wo die Unterhaltung 88 au die künftige Leistungsfähigkeit des Kreises nicht übersteigen ““ Das sind meines Erachtens so klar auf der 85 Feähog 1 Dinge, daß ich wirklich erstaunt bin, daß man fe 8 Punkte so wiederholt irrthümliche Bauforderungen ausspre 8 Fang, ohne sich eigentlich gegenseitig zu verstehen, wie es in bh en 9. 88 lungen geschehen ist. In den Gesetzentwurf gehören nia I 8 schläͤge, es gehört dorthin keine Definition über das, was 9 und Unterbhaltung bedeutet, das sind lauter Sachen, die 55 sohr her schieden sind, die sich so auf den speziellen Fal 1 daß sie nur im Spezialanschlag, in den Hetzereh 99 8 er haupt fixirt werden können. „Ich bin auch nicht in der zu thun wie Hr. Graf Strachwitz mich gewissermaßen Provohirt hea und auch der letzte Herr Vorredner, hier Namens der Königli seh Staatsregierung bindende allgemeine Erklärungen abzugeben, wieviel, welcher Prozentsatz, welche Quote aus Staatsfonds für einen eef Zweck gegeben werden sollen. Auch das ist Sache er Verhandlung im Einzelfalle. Es können Fälle vor 81 wo der Staat †, die Provinz ½k, die Interessenten und der Kreis † der Kosten aufbringen; es können Fälle vorkommen, wo der Staat die Hälfte, die Provinz die Hälfte aufbringt; es können Fälle vorkommen, wo der Staat, wenn er prästationsunfähigen Inter⸗ essenten schroffer gegenübersteht, selbst über das hinausgeht.
ie erhebliche Mei erren! Ich muß anerkennen, daß durch die erhe Einsch beineng. welche dem §. 14a der Kommissionsbeschlüsse durch
Das kann ich generell als Absicht erklären, aber nicht formell
je eibt die Oder nach wie vor der Hauptrecipient “ für das ganze Niederschlagsgebiet, was hier in Frage kommt. Wie seit 1000 Jahren und seit ewigen Zeiten folgt heute und in Zukunft das Wasser dem Gesetz der Schwere, und das was in dem Niederschlagsgebiet der Oder bei Wolkenbrüchen und Eisgang und Schneeschmelzen nieder geht und zum Thale fließt, wird unter allen Um⸗ ständen zuletzt in den unteren Lauf der Oder mit aufgenommen werden müssen. Ich kann mir nicht vorstellen, weshalb die Herren meinen, durch ein Jolches Gesetz würde ihre Lage verschlechtert, die Wasser⸗ menge bleibt unter allen Umständen dieselbe jetzt wie früher und in Zu⸗ kunft. Der einzige plausible Einwand ist der, daß möglicherweise schneller gewisse Wassermassen dem unteren Oderlauf zugeführt werden. Einwand ist eine gewisse Begründung nicht abzusprechen. Dem steht aber doch der große Vortheil gegenüber, daß, wenn dieses Gesetz angewendet wird — und ich hoffe, es wird angewendet für das ganze obere Stromgebiet der “ doch die Folge die ist, daß die oberen Oderläufe befestigt werden in ihrer Flußsohle, in ihren Ufern, daß die Geröllebildung, 18 Geschiebebildung, die Fortführung von Landmassen sedenfa 8 vermindert wird, daß also insofern die Verhältnisse der unteren Oder mindestens nicht verschlechtert, sondern eher verbessert worden. Also, ich muß sagen, ich verstehe diese Opposition nicht vollkommen und würde glauben, daß die Herren eigentlich keine Veranlassung haben, diesen Gesetzentwurf, der einem Theil des oberen Odergebietes nützlich sein soll, zu widersprechen, denn die Weichsel kommt zwar auch etwas in Frage, aber im Wesentlichen handelt es sich doch hier um Flüsse, die im Stromgebiet der Oder liegen. Im Uebrigen kann ich i wiederholen, daß auch in Bezug auf diese Regulirung jetzt jedenfalls, was, wie ich auch glaube, schon seit einer Reihe von Jahren geschehen, sicher immer von Seiten der landwirthschaftlichen Verwaltung ist, bei jeder stückweisen Regulirung die Verhältnisse der Ober⸗ 8* Unterlieger nach Möglichkeit berücksichtigt werden, und daß es je 1g. falls thunlichst vermieden wird, durch Ober⸗Regulirungen den Unter⸗ lieger zu schädigen. Das ist auch außerdem in der Resolution . gedrückt, die ohne Widerspruch Seitens der Regierung in der Lesung angenommen worden ist. Ich würde also glauben, 8 5 Befürchtungen nach dieser Richtung durchaus unbegründet füc⸗ 64 meinerseits dem hohen Hause anheimgeben, wenn es nich 2oe ursprüngliche Regierungsvorlage annehmen will, dem Antrage von Lös seinerseits zuzustimmen. B 8 Abg. von Risselmann erklärt sich gegen den 55 liegenden Antrag, wie gegen den ganzen Entwurf ö als Vertreter der Interessenten im Oderbruch gegen jede de⸗ gulirung des oberen Laufs der Oder sei, ehe nicht der untere Lauf regulirt, und zur Aufnahme großer Wassermassen fähig
emacht sei. 1 8 Eberty giebt seinem Bedauern Ausdruck, daß in so vorgerückter Stunde von einem augenscheinlich nicht beschluß⸗ fähigen Hause über einen ö 8 tief einschneidenden
Beschluß gefaßt werden solle.
Gesetentmagf, Sesc ah e beantragt, außer der Pestächefing der Beschlüsse des Bezirksausschusses bezüglich der. F uf⸗ regulirungen durch die Minister des Innern, W und der L114“ 1 1..“ öffentlichen Arbeiten für erforderlich zu 8 8 bffentzicen Amendement wird abgelehnt, der Antrag von Lösch
angenommen.