1890 / 129 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 30 May 1890 18:00:01 GMT) scan diff

die Gefahr mit allem Fleiße anzuwenden. Diese Gefahr sei um so größer, als sie international sei, und die Deautschen seien wunderbarer Weise die internationalsten. Manches sei in den letzten Jahren besser geworden, aber viel sei doch noch zu thun, und fast Jeder könne sich an die Brust schlagen und eingestehen, daß er seine Pflicht nicht gethan habe. Auch die Kirche könne sich davon nicht freisprechen, denn „wir haben in der evangelischen Kirche auch zu viel gestritten und gezankt. Noch wirke ein großer

Bruchtheil der deutschen Presse verwüstend und vergiftend auf das Volk, wie nirgend sonstwo in der Welt. Redner begründete sodann eingehend seine umfangreichen Thesen, welche darlegen, wie durch den Zusammenschluß aller geistigen Kräfte der „Zeitgeist deutscher, evangelischer und monarchischer gestaltet werden kann, Die Kirche, so schloß Redner, müsse sich vor allen Dingen wieder auf ihren sozialen Beruf besinnen, auch aus dem Gesichtspunkte, daß sonst

die katholische Kirche vom Volk als diejenige angesehen werden würde, welche allein sich ihrer Aufgabe bewußt sei. Kein Rückwärtsschauen, keine Klagen, sondern vereint vorwärts, nicht mit Resolutionen zu Reden, sondern mit resoluter That und Arbeit!

Zur Diskussion hatten sich zahlreiche Redner gemeldet. Nach Professor Gottschick und Pastor Zollmann nahm Proofessor Harnack das Wort: es sei ihm und seinen Gesinnungsgenossen schwer geworden, an dieser Versammlung Theil zu nehmen, denn sie hätten ein Opfer bringen müssen, weil dies eine Versammlung sei, deren große Majorität sans facon ihm und seinen Freunden das Christenthum abzusprechen bemüht gewesen. Wenn Hofprediger Stöcker gesagt habe, daß hier ein weites und wichtiges Gebiet sei, wo man vereint wirken könne, wenn auch sonst noch Platz genug

brig bleibe, um sich zu bekämpfen, so schlage er in die dargereichte Hand gern ein. Professor von Nathusius führte „aus: der Evangelische Ober⸗Kirchenrath verdiene lebhaften Dank dafür, daß er en Geistlichen nahe gelegt habe, ins Volk hineinzugehen und sich um oziale Dinge zu bekümmern, doch seien namentlich die jungen heologen dringend aufzufordern, sich von allen politischen Agitationen, von dem Eintreten für eine bestimmte politische Partei fern zu halten nd sich immer vor Augen zu halten, daß sie Seelsorger auch für ozialdemokraten und „liberale Bourgeois“ seien. Superintendent Reydt bedauerte als liberaler Geistlicher, daß Hofprediger Stöcker sich nicht habe überwinden können, in seinen Volksversammlungen An⸗ agen gegen liberale Theologen zu erheben, und bat darum, dies in Zukunft zu vermeiden. Die Debatte drehte sich weiter um die von Hofprediger Stöcker angeregte Judenfrage. Auf Antrag des General⸗ Superintendenten D. Schultze wurde endlich beschlossen, die auf dem Kongreß gefaßten Resolutionen in einheitlicher und logischer Form aneinander zu reihen und ihnen folgende Einleitung voranzustellen:

„Der Evangelisch⸗soziale Kongreß, von der Ueberzeugung geleitet, daß die sozialdemokratische Bewegung in ihren letzten, die göttliche und menschliche Ordnung bedrohenden Zielen nur durch die Macht des Evangeliums siegreich überwunden werden kann, und daß daher zu ihrer Bekämpfung dem Wort und Werk der evangelischen Kirche eine verantwortungsvolle Mission gegeben ist, erklärt es als seine Aufgabe: 1) in allen evangelischen Kreisen, ohne Unterschied der Stände, die Erkenntniß zu wecken, daß die gegenwärtige soziale Krisis auf einer Gesammtschuld unseres Volks beruht, und daß diese Nationalschuld in dem materialistischen, von den ewigen Menschheits⸗ zielen abgewendeten Zuge der Zeit gipfelt; 2) dahin zu wirken, daß auf dem Grunde einer neuen, aus dem Evangelium geborenen Ge⸗ sinnung die einzelnen Stände sich ihrer sozialen Verpflichtung gegen einander bewußt und denselben gerecht werden; daß insonderheit die Arbeitgeber den sittlich ebenbürtigen Werth der Arbeit anerkennen, die Arbeiter aber in derselben einen sittlichen Beruf erblicken lernen.“

Schließlich wurde beschlossen, ein Comité niederzusetzen, welches die Aufgabe haben soll, einen Centralausschuß zur Förderung der Sache zusammenzustellen. In dieses Comité wurden gewählt: Hof⸗ prediger Stöcker, Geheimer Regierungs⸗Rath Wagener, Dr. Kcopatschek, Nobbe, Dr. Delbrück, Prediger Burghardt, Metzenthin, Professor Kaftan und Pfarrer von Soden. Gegen 7 Uhr Äbends wurde der Kongreß mit Gesang und Gebet und einem dreifachen Se. Majestät den Kaiser geschlossen. v“

Gestern hat hier, der „Voss. Ztg.“ zufolge, in den Räumen des Anhalter Bahnhofs die Gedächtnißfeier der vor vierzig Jahren abgehaltenen ersten Eisenbahntechniker⸗Versammlung statt⸗ gefunden. Die zahlreich besuchte Versammlung wurde vom Staats⸗ Minister von Maybachbegrüßt, welcher in Begleitung des Chefs der tech⸗ nischen Angelegenheiten der Verwaltung der Staatseisenbahnen Ober⸗ Baudirektors Schneider erschien. Zum Praͤsidenten der gleichzeitig abge⸗ haltenen Technikerversammlung wurde der Präsident von Ludwigh der Königlich ungarischen Staatsbahnen gewählt, welcher dem Minister für sein Erscheinen und für dessen sehr warm gehaltene Ansprache dankte und hierauf eine beifällig aufgenommene Festrede hielt. Ober⸗ Baurath von Prenninger warf einen Rückblick auf die vierzig⸗ jährige Thätigkeit der Eisenbahntechniker, begrüßte die anwesenden Mitglieder der ersten Technikerversammlung und gab dabei dem Wunsche Ausdruck, daß die heute bestehenden freundschaftlichen Be⸗ ziehungen, welche die beiden mächtigen Reiche Deutschland und Oester⸗ reich⸗Ungarn umschließen, auch in Zukunft die Techniker des Vereins Deutscher Eisenbahnverwaltungen verbinden mögen. Abends fand ein Festbankett statt.

Die Urania hat bekanntlich mit dem Pächter des Landes⸗ Ausstellungsparkes ein Uebereinkommen dahin getroffen, daß jedem Besucher der ersteren der Besuch der Concerte im letzteren ohne Nachzahlung gestattet ist. Das wird man sich namentlich heute bei dem angekündigten Massen⸗Conzert im Ausstellungspark wieder zu Nutze machen. Der Eintrittspreis zu diesem Concert beträgt be⸗ kanntlich eine Mark, während man am Urania⸗Eingang an der Invalidenstraße gleichfalls nur eine Mark zu zahlen hat, um die vielen eigenartigen Darbietungen dieser volksbildnerischen Anstalt und schließlich noch die imposante Wirkung des Massen⸗ concerts auf der großen Treppe zum Zeustempel zu genießen. Von keinem Standpunkte im ganzen Ausstellungspark ist übrigens der Eindruck dieser Musikschaar ein großartigerer, als von den beiden großen Plattformen der Sternwarte der Urania. Es sei bei dieser Gelegenheit auch wiederholt darauf hingewiesen, daß die halbstündigen, mit vielen Lichtbildern illustrirten Vorträge zwischen 6 ½ und 7 Uhr gleich⸗ falls für dasselbe Eintrittsgeld zugänglich sind. So trägt heute beispiels⸗ weise Hr. Dr. Körber, einer der geschätztesten Redner der Urania, über das Blattgrün vor. Nur der große, mit vielen Dioramen aus⸗ gestattete Vortrag über „Die Geschichte der Urwelt“, der, nun schon bald anderthalb hundertmal wiederholt, sehr bald einem anderen großen wissenschaftlichen Ausstattungsstücke weichen muß, ist in dem oben genannten Eintrittspreise zur ÜUrania nicht einbegriffen.

Um die Erinnerung an E. T. A. Hoffmann und Ludwig Devrient, die unvergessenen Stammgäste der alten Weinhandlung von Lutter u. Wegner, auch äpßerlich wach zu erhalten, hatte der Verein für die Geschichte Berlins, wie s. Z. mitgetheilt, bei Gelegen⸗ heit seiner Jubelfeier im Januar d. beschlossen, denselben eine Erinnerungstafel zu widmen. Diese ist gestern Nachmittag, wie das „Dtsch. Tagebl.“ mittheilt, an dem Hause des Geschäfts angebracht worden. Die aus Bronze gefertigte Tafel zeigt folgende Inschrift, die sich scharf von dem Untergrund abhebt: „Zur Erinnerung an E. T. A. Hoffmann, * 24. Januar 1776, 25. Juni 1822, und an Ludwig Devrient, * 15. Dezember 1784, 30. Dezember 1832, welche in diesem Hause verkehrten, gestiftet zu der Jubelfeier des Ver⸗ eins für die Geschichte Berlins am 28. Januar 1890.“

Die Umwandlung des Alexanderplatzes in einen Schmuck⸗ platz ist, der „Staatsb. Ztg.“ zufolge, bereits begonnen worden, und zwar au der südlichen Hälfte auf der dem neuen Polizei⸗Präsidium zunächst gelegenen Seite. Zunächst werden die Granitschwellen, gelegt, welche die den Platz durchschneidenden Wege und Straßenzüge ein⸗ säumen; gleichzeitig wird der Straßenzug, welcher sich vor der nörd⸗ lichen Front des Polizei⸗Präsidiums von der Alexanderstraße nach der städtischen Rathswaage hinzieht, mit neuem Pflaster belegt.

Das Modell für das Reiter⸗Standbild des Groß⸗ herzogs Friedrich Franz II. von Mecklenburg⸗Schwerin ist, wie das „Dtsch. Tagebl.“ mittheilt, vom Bildhauer L. Brunow

vollendet und in dessen Atelier, Achenbachstraße 3, auf Anfrage zu besichtigen.

Wiesbaden. Man schreibt dem „Sprudel“: Kaiserin Eugenie hat bei einem der ersten Hanauer Goldschmiede ein Medaillon aus oxydirtem Silber anfertigen lassen, welches das Wappen der Montijo führt; die vordere Seite das Wappen von Porto Carrero (des ersten Grafen von Montijo, der als außerordent⸗ licher Gesandter Spanien bei der Wahl Karl’s VII. 1741 in Frank⸗ furt vertrat) von Gold und Blau geschachtet; die Reversseite in blauem Felde, zwei roth⸗ und goldgeschachtete gehenkelte Kessel, pfahlweise gestellt, aus deren jedem sich sechs grüne Schlangen herauswinden. Das Medaillon, ein Meisterstück künstlerischer Arbeit, wird eine Locke der Kaiserin bergen und ist zum Geschenk für die Kaiserin Friedrich bestimmt.

Zürich. (N. Z Ztg.) Ein trauriges Ende hat eine von mehreren jungen Leuten von Züͤrich aus unternommene Pfingsttour auf den Gotthard genommen. Zwei derselben trennten sich am Abend des ersten Feiertages von den Uebrigen, um den Spitzliberg zu besteigen. Der eine davon, Glasmaler Hlavaty aus Wien, wurde, als er sich nach seinem Reisekollegen umsah, vom Schwindel erfaßt und stürzte in die Tiefe. Nach stundenlangem Suchen wurde der Unglückliche endlich von herbeigeeilten Leuten gefunden und in das benachbarte Hospital gebracht, wo er trotz allen Bemühungen nach zwei Stun⸗ den verschied. Der Verungluͤckte zählt erst 26 Jahre und war noch unverheirathet.

Lüttich, 25. Mai. (Köln. Ztg.) (Telegr.) Der Bicyele⸗

Klub Köln wurde beim großen internationalen Preiscors

in Lüttich mit dem ersten Preis ausgezeichnet. New⸗York, 28. Maj. (A. C.) In Indianopolis wurden heute neun Erdstöße verspürt Ein Gebäude wurde zerstört, aber

es ist kein Lebensverlust entstanden. 8

Tanger, 24. Mai. (R. B.) In Folge des Austritts

des Flusses Sefrou ist die gleichnamige Stadt in der Nach⸗ barschaft von Fez überschwemmt. größe t liegt in Trümmern und viele Mauren, sowie 53 Juden sin

Vumgekommen. In Fez herrscht große Bestürzung. Der Sultan

und die angesehensten Juden in Fez sandten den durch die Katastrophe in Nothstand versetzten Familien Geld und Kleidungsstücke.

Nach Schluß der Redaktion eingegangene Depeschen.

Köln, 30. Mai. (W. T. B.) In der General⸗ versammlung der Vorsteher der katholischen Arbeitervereine Deutschlands, welche gestern hier stattfand, hielt Erzbischof D. Krementz eine längere Rede über die Heilung der Krankheit der Gesellschaft durch das Christenthum. Ferner wurde mitgetheilt, daß der Borromäus⸗Verein die katholischen Arbeitervereine unterstützen wolle durch Schenkungen von Büchern für die Vereinsbibliotheken, durch Verbreitung von Familienbüchern, durch den Druck und durch Schenkung von Broschüren zur Massenverbreitung.

Braunschweig, 30. Mai. (W. T. B.) Die 20. ordent⸗ liche Session des Landtages ist heute durch Reskript Sr. Königlichen Hoheit des Regenten, Prinzen Albrecht von Preußen, geschlossen worden, nachdem noch der Staatsvertrag mit Preußen, betreffend den Bau einer Eisen⸗ bahn von Ilsenburg nach Harzburg, genehmigt worden war. 8

(Fortsetzung des Nichtamtlichen in der Ersten Beilage.)

Wetterbericht vom 30. Mai, Morgens 8 Uhr.

, It.

Bar. auf 0 Gr u. d. Meeressp. red. in Millim.

V Wetter.

4

Temperatur in 0 Celsius

zeiten.

Mullaghmore 64 N 6 wolkig Aberdeen. 758 NZW 5 balb bed. Christiansund NO Abedeckt Kopenhagen. 752 WNW 2 Regen Stockholm SW 4 bedeckt Haparanda SW. 2 halb bed. St. Petersbrg. 7 SSW 1 bedeckt Moskau. N 2 Regen Cork, Queens⸗

E78öööö] 3 wolkig Cherbourg. 766 WSW A bedeckt Helder. 754 WNW b5 wolkig I 752 1 bedeckt Hamburg. 754 4 Regen 9 Swinemünde 755 4 bedeckt 11 Neufahrwasser 756 4 bedeckt 12 PP65 5 Regen 11 Pri Z wolkig 12

IIb1. 8 Regen 10 Karlsruhe.. 764 6 bedeckt 15 Wiesbaden. 762 5 wolkig 15 München. 766 5 wolkenlos 13 Chemnitz.. 760 5 bedeckt 14 inn1161 4 bedeckt 13 E111

3 wolkenlos 14 Breslau 761

2 wolkenlos 13 7755 Nizza 765 ONO A. heiter 15 IEI 76764 still wolkenlos 20 Uebersicht der Witterung.

Ein barometrisches Minimum von etwa 745 mm liegt über Südskandinavien, stark auffrischende süd⸗ westliche Winde an deutscher Küste verursachend, während der Luftdruck über Südwest⸗Europa am höchsten ist. Bei frischen südwestlichen Winden ist das Wetter in Deutschland kühl, zFrübe und in den nördlichen Gebietstheilen regnerisch. Kassel und Triest hatten gestern Gewitter. In Nordwest⸗

Hertel. Urlaube.

£— 00002S 5⁰0 C 2

Wally.

gleichen Anfang 7 Uhr.

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Sonntag:

SSO Sonntag:

vier Augen.

Europa haben ausgedehnte Regenfälle stattgefunden. Im schattigen prachtvollen Sommergarten: Garten⸗Concert. Vorstellung 7 ½ Uhr.

Sonntag: In falschem Verdacht. Unter

Deutsche Seewarte.

vier Angen.

Theater⸗Anzeige

Königliche Schauspiele. Sonnabend: Opern⸗ haus. 130. Vorstellung. Ein Maskenball. Oper

in 4 Aufzügen von Verdi. Grünbaum. Tanz von E. Graeb. vom Ober⸗Regisseur Tetzlaff. Dirigent: Kape meister Kahl. Anfang 7 Uhr. [ 1 v1““ 1““

Schauspielhaus. 135. Vorstellung. Die Quitzow’s. Vaterländisches Drama in 4 Aufzügen von Ernst von Wildenbruch.

Sonntag: Opernhaus. 131. Vorstellung. Coppelia. Phantaftisches Ballet in 2 Aufzügen von Ch. Nuitter und A. Saint⸗Leon. die hiesige Königliche Bühne bearbeitet und in Scene gesetzt von Paul Taglioni. Tanz⸗Poëbm in 2 Akten und 4 Bildern von E. Taubert und E. Graeb. Anfang 7 ½ Uhr.

Letztes Auftreten des Frl. dell' Era vor ihrem

Schauspielhaus. Schauspiel in 5 Aufzügen und einem Vor⸗ spiel „Die Klötze von Rofen“, nach ihrem Roman Namens von Wilhelmine von Hillern.

Deutsches Theater. Sonnabend: Faust's Tod.

Sonntag: Die Journalisten. Montag: König Richard der Dritte.

Verliner Theater. Sonnabend: Zum 1. Male: Der Kriegsplan. (Friedrich Mitterwurzer.)

Der ee e. brich. Almaviva: Hr. Erl.)

8 Täglich: Bei günstigem Wetter vor und nach

der Vorstellung, Abends bei brillanter elektr. Be⸗

Großes Concert.

Montag: Kean.

Tessing-Theater. Sonnabend: Die Ehre.

Schauspiel in 4 Akten von Hermann Sudermann. (Victorine Blum a. G.)

b 2 woll ö““ 3 Ss Ehre. NW 4 heit 14 von Hermann Sudermann. 8 Montag: Nora. H. Ibsen. Anfang 7 ½ Uhr.

Wallner-Theater. Sonnabend: Zum 4. Male:

In falschem Verdacht. Schwank in 4 Akten von Georg Cohnitz. 4 8 Lustspiel in 1 Akt von A. Dreyfuß. (Felicie: Valentine Riedel, Königl. bayer. Hofschau⸗ spielerin, als Gast.)

Vor der Vorstellung, bei günstiger Witterung:

Pictoria-Theater. Sonnabend: Zum 284. M.: Stanley in Afrika. Zeitgemälde in 10 Bildern Deutscher Text von von Alex. Moszkowski und Richard Nathanson.

In Scene geseßt Musik von C. A. Raida. Ballet von C. Severini. Anfang 7 ½ Uhr. Sonnt ieselbe Vorstellung.

Concert-Park.

Sonnabend:

Anfang 7 Uhr. Direktion:

Musik von Leo Delibes. Für und Julius Bauer.

Hierauf: Die Jahres⸗ Hr. Kapellmeister Knoll

Musik von P. leuchtung des ganzen Gartens.

136. Vorstellung. Die Geier⸗ Sonntag:

Marquise. Sardou. 7 ½¼ Uhr.

bsr der Saison.

Der Barbier von Sevilla. ang 7 ½ Uhr.

leuchtung des Sommergartens: Sonntag: Auf

von Lammermoor. Dienstag: Auftreten Der Vampyr.

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91. Male:

stück mit

Gesang und Tanz

Hierauf: Zum 4. Male: Unter Im prachtvollen glänzenden

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Großes 6 Uhr, der Vorstellung 7 ½ Uhr.

Anfang des Concerts 6 ½ Uhr, der

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ein Souvenir⸗Exemplar gratis. Sonntag: Letzte Vorstellung.

Julius Zum 134 Male: Jonathan. Operette in 3 Akten von Hugo Wittmann MevNaer. Musik von Carl Millbcker. In Scene gesetzt von Julius Fritzsche. Anfang 7 Uhr. Im prachtwvollen Park um 6 Uhr: Italienische Nacht verbunden mit einer großen Freilotterie. 3 Musik⸗ Corps. Glänzende Illumination und engalische Be⸗ Auftreten erster Gesangs⸗ und Instrumental⸗Künstler. Großes Doppel⸗Concert. von Gesangs⸗ u. Instrumental⸗Künstlern I. Ranges.

Residenz-Theater. Direktion: Sigmund Lauten⸗

burg. Letzte Woche. Sonnabend: Zum 111. Male: Lustspiel in 3 Akten von Victorien Deutsch von Robert Buchholz.

Sonntag: Marquise. Letzte Vorstellung. Schluß

Kroll's Theater. Sonnabend: Gastspiel von

Fr. Marcella Sembrich und des Hrn. Anton Erl. (Rosine: Fr. Sem⸗

allgemeines Verlangen: einmaliges Gastspiel des Hrn. Emil Götze. Lucia

des Hrn

b. 8 Belle-Alliance-Theater. Sonnabend: Zum Der Nautilus. Großes Ausstattungs⸗ in 4 Akten und 13 Bildern nach Jules Verne von Carl Pander. Musik von E. Christiani und A. Wicher.

Auftreten sämmt⸗ Illumination des Anfang des Concerts

Sonntag u folg. Tage: Dieselbe Vorstellung.

Adolph Ernst-Theater. Dresdenerstraße 72. Sonnabend: Vorletzte Aufführung. 3 111. M.: Der Goldfuchs. Gesangsposse in 4 Akten von Ed. Jacobson Couplets theilweise von Gustav Musik von Franz Roth. Anfang 7 ½ Uhr Jeder Besucher der heutigen Vorstellung erhält

Der Sommergarten ist geöffnet.

Aülrania, Invalidenstraße 57/62. Geöffnet von

12 10 ½ Uhr. Sonnabend, um 8 Uhr: Die Ge⸗ Fifgsche. h n

Der arme

Dirigent: Familien⸗Nachrichten. Verlobt: Frl. Klara Kliesch mit Hrn. Kauf⸗ mann Rudolf Conrad (Berlin). Frl. Helene Dorno mit Hrn. Richard Paul (Belzig Berlin). Frl. Minna Lemcke mit Hrn. Gymnasiallehrer cand theol. Richard Abels (Rechlin—Parchim). Auftreten Frl. Dina Hülsmeyer mit Hrn. Hubert Sunder (Erxleben-—Schöningen). Frl. Mar⸗ garethe Weide mit Hrn. Paul Kastner (Breslau). Frl. Meta Pfeiffer mit Hrn. Kaufmann Paul Eisenack (Danzig). Frl. Martha Wiedstruck mit Hrn. Hotelbesitzer Johannes Steusloff (Wulfers⸗ ¹ dorff —Wittstock). Frl. Otttilie Oberempt mit Anfang Hrn. Richard Scholz (Barmen— Elberfeld). Frl. Bessie Bartlett mit Hrn. Julius Bertram (Dorchester, England Barmen). Frl. Anna Hegewald mit Hrn. Julius Delmann (Rostock—

Wittenberge).

Verehelicht: Hr. Lieutenant Marcard mit Frl. Anna Brackmann (Stade). Hr. Dr. Emil Wende mit Frl. Lucia Hausdorf (Breslau). Hr. Fritz Schulte im Hofe mit Frl. Emilic Wein⸗ garten (Ueckendorf Lübbecke i. W.). Hr. Amtsrichter Paul Fritzsche mit Frl. Mathilde Brodtmann (Kassel). Hr. Hauptmann Theodor

Noch Oeser mit Frl. Margarethe Wasmus (Dresden). Hr Karl Scholz mit Frl. Elisabeth Borg⸗ feldt (Dranienburg). Hr. Ernst Radicke mit Frl. Alexandra v. Michalowska (Berlin).

Geboren: Ein Sohn: Hrn. Paul Eccardt (Berlin). Hrn. Prem.⸗Lieut. Ernst Frhrn. von Gregory (Lüben). Hrn. Ametsrichter Guschall (Kosel). Hrn. Stadtrath Dahrenstaedt (Brom⸗ berg). Eine Tochter: Hrn. Apotheker E. Meyer (Samotschin)

Gestorben: Hr. Prem. Lieut. a. D. von Wegnern (Königsberg). Hr. Gutsbesitzer Johann Porr⸗ mann (Abbau Radrangen). Hr. Kaufmann Feang Wodars (Breslau). Hr Kaufmann

ranz Hein (Kl. Schönau). Frau Marie Zirwer, geb. Nohse (Berlin). Hr. Rentier Wilhelm Schröter (Berlin). Frau Minna Wagner, geb. Mittler (Berlin). Frau Karo⸗ line Soltwedel, geb Gartz (Goldberg i. M.).

Sommergarten:

Redacteur: Dr. H. Klee. Verlag der Expedition (Scholz). Druck der Norddeutschen Buchdruckerei und Verlags⸗ Anstalt, Berlin SW., Wilhelmstraße Nr 85

Viir Beilagen 8 (einschließlich Börsen⸗Beilage).

Der größere Theil der Stadt

Krankengeld einschl. Wöchne⸗ Sterbegeld

Erste Beilage

eiger und Königlich Preußischen St

Berlin, Freitag, den 30. Mai

8 Zur Arbeiterbewegung.

Der „Rh.⸗Westf. Ztg.“ wird aus Saarbrücken unter dem

28. d. M. geschrieben: Die Vorstände des wirthschaftlichen Vereins und die hiesige Gruppe des Vereins deutscher Eisen⸗ und Stahl⸗Industrieller sind von verschiedenen Seiten auf⸗ gefordert worden, allgemeinen Arbeitgeber⸗Vereinigungen bei⸗ zutreten, welche den Zweck haben, dem Vertragsbruch und der zunehmenden Unbotmäßigkeit mancher Arbeiterkreise durch gemeinschaftliche Maßnahmen, insbesondere durch Mittheilung von Listen über strikende Arbeiter, entgegenzutreten. Die gestern hier ver⸗ sammelten Vorstände gaben die Erklärung ab, sie seien nicht der Ansicht, daß ein Vorgehen von Arbeitgebern gegen Arbeiter in dieser Allgemein⸗ heit das richtige Mittel sei, um den Frieden zu erhalten, bezw. wieder herzustellen. Das im Interesse der Arbeiter, wie der Arbeitgeber allein richtige Mittel vierzu erblicken die Vorstände in dem Fest⸗ halten an dem persönlichen Verhältniß zwischen Arbeiter und Arbeit⸗ geber desselben Unternehmens; sie lehnendes halb die Aufforde⸗ rung zum Anschluß an die vorstehend bezeichnete allgemeine Arbeitgeber⸗ Vereinigung ab, erwarten aber um so bestimmter von den Mitgliedern beider Vereine, daß sie keine Arbeiter beschästigen, welche Fachvereinen, Gewerkvereinen, Rechtsschutzvereinen oder anderen Vereinen angehören, die einseitig gegen die Arbeitgeber gerichtet sind. Den Mitgliedern wird empfohlen, diese Maßnahme ihren Arbeitern durch Anschlag, wo eine Veranlassung dazu vorliegt, bekannt zu geben.

Der 7. Deutsche Maurerkongreß in Erfurt setzte vor⸗ gestern seine Verhandlungen fort. Ueber den Erfolg der Agitation im verflossenen Jahre entnehmen wir einem Bericht der „Madb. Ztg.“ folgende Angaben: In Folge der Thätigkeit von 16 gitatoren, welche in 150 DOrten zusammen 1000 Tage thätig waren, wurden circa 100 neue Gewerkschaften gegründet. Strikes wurden im abgelaufenen Jahre 52 organisirt: hiervon, endeten 16 siegreich, 14 mit mehr oder weniger Erfolg und 9 ergebnißlos, während 13 noch dauern. Die Aaitatoren erhalten, wie der Kasstrer mittheilt, für den Tag 8 Diäͤten, außerdem den ortsüblichen Tagelohn und obendrein noch freie Fahrt.

In Stettin fand, wie die „Ostsee⸗Ztg.“ berichtet, gestern eine außerordentliche Generalversammlung des Arbeitgeberbundes der Maurer⸗ und Zimmergewerke für Stetktin und Kreis Randow statt, in welcher der Vorsitzende mittheilte, daß die strikenden Maurer versucht haben, durch einen Abgeordneten beim Vorstand Unter⸗ handlungen Behufs Wiederaufnahme der Arbeit anzuknüpfen, und zwar haben die Gesellen sich erboten, bei einem Lohnsatz von 50 pro Stunde die Arbeit wieder aufzunehmen. Die gestrige Versammlung beschloß, bei dem früher gefaßten Beschluß zu beharren und nur zu dem vom Arbeitgeberbund festgesetzten Lohnsatz von 40 pro Stunde die Arbeit wieder aufzunehmen.

Einer Meldung der „Ger. Ztg.“ aus Greiz zufolge hat die Fürstliche Regierung die Sammlungen der Ausständigen verboten. Trotz gegentheiligen Beschlusses hat Blättermeldungen zufolge ein Theil derselben in verschiedenen Fabriken die Arbeit wieder aufgenommen.

Aus Kiel berichtet die „Kieler Ztg.“ über eine öffentliche Malerversammlung, welche, vom Innungsvorstand berufen, von Meistern sowohl als von Gehülfen zahlreich besucht war. Während der Innungsvorstand und mehrere Meister für Aufrechthaltung des Innuugsbeschlusses (40 Stundenlohn und zehnstündige Arbeitszeit)

eeeintraten, wurde von den Gehülfen für ihren bezüglichen Beschluß (45 Stundenlohn und 9 zistündige Arbeitszeit) gesprochen.

b 1 Da von keiner Seite Anerbietungen irgend einer Art gemacht wurden, so mußte auch diese Versammlung ohne Resultat geschlossen werden. Die Innung wird aber auf einer Innungsversammlung einen Ausschuß wählen, der

sich mit dem Gehülfenausschuß zur Erreichung einer Einigung in

Verbindung setzen wird. Die geheime Abstimmung der Gehülfen ergab, daß zwei gegen 80 für Durchsetzung ihrer Forderungen waren. Hier in Berlin ist dem Vertreter der Interessen der strikenden

Brauergesellen Seitens des Vereins der Bayrisch Bier⸗

Brauereien Berlins und Umgegend, wie wir der VPoss. Zlg.“ entnehmen, eine Erklärung zugestellt worden, daß der Verein der Brauereien Berlins und der Umgegend den Braumeistern im In⸗ teresse des Friedens empfohlen hat, die ausständigen Gesellen, mit

8

Ausnahme derjenigen, welche sich in gröblicher Weise gegen ihre Vor⸗

gesetzten vergangen haben, sofern sie um Arbeit nachsuchen, je nach Bedarf wieder einzustellen.

Die Ergebnisse der Krankenversicherung in Berlin im Jahre 1889. II.*)

Die 89 Orts⸗, Betriebs⸗ und Innungskrankenkassen, welche am Schlusse des Jahres 1889 in Berlin bestanden, sowie die Gemeinde⸗ Krankenversicherung vereinnahmten in dem genannten Kalenderjahre zusammen 5 689 215 ℳ, darunter 95,8 % oder durchschnittlich pro Kopf jährlich 19,09 an Beiträgen und Eintrittsgeldern. Dagegen

beliefen sich die gesammten Ausgaben auf 5 100 133 ℳt, sodaß eine Mehreinnahme von 589 082 zu verzeichnen war.

Einschließlich der letzteren betrug am 31. Dezember 1889 das Gesammtvermögen

3 610 747 ℳ, davon entfielen auf den Reservefonds 3 401 243 ℳ,

Von der

Proz. der auf den Kopf Gesammt⸗ durchschnitt⸗ ausgabe lich jährlich

2 419 369 47,4 8,47 244 796 4,8 0,86 342 619 67 1,20 808 434 15,9 2893

Krankenhauspflege 807 020 15 8 2,83

Verwaltungskosten.. 1424 120 8,3 1,39

Eine Orts⸗ und eine Betriebskrankenkasse (letztere besteht aller⸗ dings erst seit dem 5. November 1889) hatten keinen Reservefonds aufzuweisen, ebenso wenig nach der Vorschrift des Gesetzes die

Gemeinde⸗Krankenversicherung. Bei 17 Orts⸗, 3 Betriebs⸗ und

1 Innungskasse waren Mehrausgaben zu verzeichnen, desgl. wieder

gemäß den Vorschriften des Gesetzes bei der Gemeinde⸗Kranken⸗

versicherung; dieselben erreichten zusammen eine Höhe von 19 344

Die wöchentlichen Beiträge der männlichen Mitglieder schwanken zwischen 24 und 75, die der weiblichen zwischen 14 und 54 ₰; bei der Gemeinde⸗Krankenversicherung betragen dieselben 21 und 15 ₰.

Das Krankengeld pro Tag für männliche Personen ist am geringsten

mit 1 20 ₰, am höchsten mit 3 ℳ; für weibliche Arbeiter stellen

sich die betreffenden Beträge auf 75 bezw. 2 Verschiedene

Betriebskassen gewähren ihren Mitgliedern männlichen und weib⸗

lichen Geschlechts die Hälfte bis drei Viertel des wirklichen Arbeits⸗

verdienstes bis zur Höhe von 4 Ebenso verschieden wie das

Krankengeld ist die vr Hsee. der Unterstützungszeit. Während

sich die Gemeinde⸗Krankenversicherung, 6 Orts⸗, 9 Betriebs⸗ und

1. Innungskasse an die Minimalvorschrift des Gesetzes halten

(13 Wochen), gewähren 30 Orts⸗, 3 Betriebs⸗ und 1 Innungskasse

die Krankenunterstützung ein ganzes Jahr hindurch. Das Sterbegeld

*) Vergl. Nr. 126 d. „Reichs⸗ und Staats⸗Anz.“ vom 27. Mai

h. gerade hwei Dritte

l der letzten Jahresausgabe. etzteren kamen 1

1 überhaupt auf rinnenunterstützung.

erztliche Behandlung. Arznei und Heilmittel

wächst verschiedentlich mit der Länge der Mitgliedschaft; es ist am niedrigsten mit 48 für männliche und 30 für weibliche Per⸗ sonen, am höchsten mit 180 bezw. 60 Die Gemeinde⸗Kranken⸗ versicherung ist gesetzlich zur Zahlung eines Sterbegeldes ni Zur wirthschaftlichen Lage.

Die gewerblichen Verhältnisse im Regierungsbezirk Münster, welche in den letzten Jahren einen erfreulichen Aufschwung hatten er⸗ kennen lassen, sind nach wie vor als günstige zu bezeichnen. Die Baumwoll“⸗, Leinen⸗ und Halbleinen⸗Industrie, die Spinnereien und mechanischen Webereien waren im letzten Quartal in regem Betriebe. Vielfach sind in Folge flotten Absatzes der Fabrikate und erhöhter Nachfrage Erweiterungsbauten nothwendig geworden. Eine Reihe neuer gewerblicher Anlagen wurde voll⸗ endet bezw. in Angriff genommen. Im Landkreise Münster wurde eine Weberei neuerrichtet, in der Stadt Bocholt eine Baumwollspinnerei mit vorläufig 3000 Spindeln und 800 Arbeitern in Betrieb gesetzt. Eine gleiche Anlage, in welcher 40 000 Spindeln betrieben werden können, entstand in Burgsteinfurt. In Gronau wurde der Betrieb einer neuen Spinnerei zum Theil eröffnet. Mit dem Bau einer mechanischen Leinweberei in Rheine und einer Baum⸗ wollspinnerei in Ochtrup ist begonnen. Die Plüschwelarei in Höt⸗ mar und Freckenhorst (Kreis Warendorf) ist im Zunehmen begriffen. Die Steinkohlenzechen des Bezirks arbeiten flott und zu hohen Preisen Die Arbeitslöhne sind im Verhältniß zu den Preisen gestiegen.

Auch im Regierungsbezirk Trier hat der schon seit längerer Zeit festgestellte Aufschwung in Handel und Industrie waäͤhrend des ver⸗ flossenen Vierteljahres angedauert. Namentlich haben die gewerblichen Anlagen in Folge zahlreicher Bestellungen in sehr lebhaftem, auch durch die Anfangs des Jahres sich zum Theil empfindlich fühlbar machende Kohlennoth nicht unterbrochenem Betriebe gestanden. Auf den fiskalischen Steinkohlengruben, den Hüttenwerken an der Saar, den Mosaik⸗, Fayence⸗, Steingut⸗Fabriken zu Mettlach und Merzig, der Thonwaarenfabrik zu Ehrang und mehreren kleineren Etablissements war des halb eine Vermehrung des Arbeiterpersonals erforderlich. Der Handel stand im Allgemeinen im entsprechenden Verhältnisse zu der gesteigerten Thätigkeit der Industrie und hatte guten Verdienst. Namentlich war der Kohlenhandel ein sehr reger. Im Publikum wurde jedoch lebhaft Klage geführt, daß die Kohlennoth in ungehöriger Weise von dem Zwischenhandel ausgenutzt werde. Für die Landwirthschaft er⸗ wächst aus dem erhöhten Erwerb der gewerblichen Arbeiter insofern ein nicht zu unterschätzender Mißstand, als sich immer mehr Personen von der landwirthschaftlichen Thätigkeit ab⸗ und der Industrie zu⸗ wenden. Um den hierdurch entstehenden Mangel an Arbeitskräften zu decken, hat in letzter Zeit an manchen Orten die Heranziehung von Knechten aus den östlichen Provinzen stattgefunden. Die Löhne der industriellen Arbeiter haben sich auf ihrer bisherigen Höhe gehalten und sind zum Theil erhöht worden. Ein Theil der Arbeiter macht von diesen günstigen Verhältnissen einen guten Gebrauch, wie aus dem Umstande hervorgeht, daß in den industriellen Gegenden des Bezirks bei manchen Sparkassen die Einlagen merklich ge⸗ stiegen sind. Indessen sind auch Beschwerden von Geschäftsleuten über schlechten Eingang ihrer Ausstände, sowie Klagen darüber nicht selten, daß die Lohnerhöhungen die Genußsucht unter der Arbeiterbevölkerung gesteigert haben und daß sich namentlich die jugend⸗ lichen Bergarbeiter durch vermehrten Wirthshausbesuch und Ver⸗ schleuderung ihres Verdienstes unvortheilhaft auszeichnen.

Zum Sparkassenwesen.

Der Stand des Sparkassenwesens im Regierungsbezirk Aachen läßt eine erfreuliche Zunahme der Spareinlagen erkennen. Speziell bei den Prämienkassen, welche ohne Ausnahme nur für die hand⸗ arbeitende Volksklasse (Dienstboten, Fabrik⸗ und Bergarbeiter, Tage⸗ löhner und kleine Handwerker) bestimmt und zugänglich sind und den Sparern besondere Vortheile durch höhere Verzinsung der Einlagen und durch Bewilligung von Prämien gewähren, hat sich der Bestand der Spareinlagen vom 31. Dezember 1871 bis dahin 1889 von 12 263 672 auf 28 711 688 erhöht. Im Jahre 1885 betrug er 26 208 856 ℳ; im folgenden Jahre betrug die Steigerung 614 774, im Jahre 1887: 205 222 ℳ, im Jahre 1888: 540 653 und im Jahre 1889 gegen das Vorjahr sogar 1 142 183 Speziell in der Stadt Aachen erhöhte sich der Bestand von 9 799 899 im Jahre 1888 auf 10 240 972 im Jahre 1889 (+ 441 073 ℳ). Bei den sämmtlichen Spar⸗ und Prämienkassen des Regierungs⸗ bezirks hat sich der Bestand von 73 105 777 im Jahre 1888 auf 75 067 984 im Jahre 1889 (+ 1 962 207 ℳ) erhöbt. Dagegen war im Jahre 1887 ein Rückgang (um 1 621 773 ℳ) eingetreten, weil viele wegen der Herabsetzung der Zinsverzütung ihre Einlagen zurückzogen; erst als man sich überzeugte, daß man mit einem all⸗ gemeinen Rückgang des Zinsfußes zu rechnen habe, trat wieder eine stetige Zunahme der Einlagen ein. Das läßt auf einen günstigen Stand der materiellen Lage der unteren Klassen schließen. Der Arbeiterausstand auf den Kohlenbergwerken im Frühjahr 1889 hat sich in Bezug auf die Ziffer der Spareinlagen insofern bemerkbar gemacht, als bei der Sparkasse zu Herzogenrath im Landkreise Aachen, welche im Mittelpunkt der von den Bergarbeitern bewohnten Ort⸗ schaften liegt, keine Zunahme, sondern eine kleine Abnahme der Ein⸗ lagen zu verzeichnen ist.

Die erste bayerische Arbeiter⸗Kolonie Simonshof hat am 1. Mai ihr zweites Aufnahmsjahr vollendet. Seit ihrer Eröffnung hat die Kolonie, der M. „Allg. Ztg.“ zufolge, 734 arbeits⸗ lose Wanderer aufgenommen, an 51 155 Tagen verpflegt, an 36 724 ¾ Tagen beschäftigt und ihnen an 14430 ¼ Tagen, als an Sonn⸗ und Feiertagen, Krankheits⸗ und Regentagen, Zu⸗ und Abgangstagen die Ver⸗ pflegung ohne Arbeitsleistung und Entgelt gewährt. 446 Kolonisten waren Angehörige des Königreichs Bayern und 288 Angehörige anderer deutschen Staaten, Oesterreichs, der Niederlande und Rußlands. Ein Bestand von 59 Mann ging mit in den Monat Mai und das dritte Aufnahms⸗ jahr über; darunter 22 Nichtbayern und 37 Bayern. Die bayerischen Kolonisten vertheilen sich auf die sämmtlichen 8 Regierungsbezirke des Königreichs; auf sie allein treffen 26 005 Verpflegungstage. 284 ge⸗ hörten der katholischen, 160 der evangelischen Konfession an, 2 waren Israeliten, 417 waren ledig, 13 verheirathet, 11 verwittwet und 5 geschieden. 51 wurden von der Kolonie in Stellung gebracht. Auf die unmittelbaren Städte des Königreichs treffen 117, und auf die ein⸗ zelnen Amtsbezirke 329 Kolonisten. Auf Oberbayern treffen 39 Kolo⸗ nisten mit 1837 Verpflegungstagen. Davon treffen 26 auf die unmittelbaren Städte (auf München 16) und auf die Amtsbezirke 13. 38 Kolonisten waren katholischer und 1 evangelischer Konfession, 38 waren ledig und 1 verheirathet, 5 kamen von der Kolonie aus wieder in Stellung und 4 befanden sich am 1. Mai noch auf Simonshof. In dem bezüglichen Bericht heißt es ferner: „Die Ansicht, daß die Arbeiter⸗Kolonie für unseren Kreis zu entlegen sei, ist durch Thatsachen als unzutreffend widerlegt. Nicht nur hat sie Angehörigen unseres Kreises bereits nützlich gedient, sondern auch Wanderer aus noch entfernteren Gegenden, aus allen Theilen des Deutschen Reichs und aus Oesterreich, selbst aus den Niederlanden und Rußland haben den Weg nach dem Simonshof gefunden. Man wird daher gut thun, sich mehr und mehr daran zu gewöhnen, arbeitskräftige Bettler, welche vorschützen, keine Arbeit zu finden, auch aus entfern⸗

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1890.

teren Gegenden nach der Arbeiter⸗Kolonie zu verweisen, denn es ist besser, ihnen eine 8⸗ bis 10tägige Wanderung nach festem Arbeitszie zuzumuthen, als ihnen zu ermöglichen, ohne Ziel und Plan wochen

und mo⸗ telang das Land bettelnd und fechtend zu es Pi ben.

z Die Einfuhr italienischer Weine

nach Deutschland hat sich außerordentlich gehoben. Sie betrug, nach den Mittheilungen des Königlich italienischen Ackerbau⸗Ministeriums im Jahre 3 1887: 49 583, 1888: 71 392 und 1889: 120 664 hl. oder ca. 16 Millionen Flaschen, ungefähr den vierten Theil der gesammten Einfuhr ausländischer Weine; dabei ist die Einfuhr in den Hafen von Hamburg außer Acht gelassen. Es ist wohl kaum ein besserer Beweis als diese Zahlen zu erbringen, daß die italienischen Weine dem deutschen Geschmack zusagen und, in Folge dessen die Zahl der Liebhaber ganz bedeutend im Zunehmen ist. Den Anstrengungen verschiedener Firmen und ganz besonders den Bemühungen der deutsch⸗italienischen Wein⸗ Import⸗Gesellschaft ist es zu danken, daß das deutsche Publikum immer mehr auf die Güte und die großen Vorzüge italienischer Weine aufmerksam gemacht und so diese ganz enorme Steigerung des Kon⸗ sums herbeigeführt wurde. 3 Literatur.

dai Ein Vorbild hehrer Frauentugend und christlicher Barmherzigkeit auf dem Throne Der deutschen Jugend gewidmet von C. Ommerborn in Charlottenburg. Düsseldorf, Druck und Verlag von Schramm. Verehrung gegen die heimgegangene Hochselige Kaiserin sowie die Mahnung Kaiser Wilhelm's II. in dem Antwortschreiben vom 15. Januar 1890 auf die Beileidsadresse des Magistrats und der Stadtverordneten Berlins: „Möge das hehre Vorbild Viele zur Nacheiferung anspornen“, haben dem Verfasser dieser mit einem schönen Titelbilde der erhabenen Frau geschmückten Schrift die Feder in die Hand gedrückt. Sind auch die zehn Lebens⸗ bilder, welche das wohlausgestattete Büchlein, unter den Ueber⸗ schriften: „Heimath und Familie Jugend⸗ und Lernzeit Augusta als Braut, Gattin und Mutter Augusta wird Königin Augusta als Kaiserin Augusta's letzte Lebenstage und Tod der letzte Gang der Kaiserin Augusta Augusta’s Grab letzte Liebes⸗ zeichen des Volkes Trauer“ bietet, nur wenige Blätter und Blüthen aus dem reichen Lebenskranze der Hohen Verblichenen, so genügen sie doch, um den Blick des Lesers zum Thron zu lenken, damit er nicht nur das Lebensbild dieser Fürstin, die zu allen Zeiten eine der ersten Stellen in der Geschichte edelmüthiger deutscher Frauen behaupten wird, in sich aufnehme, sondern auch an dem Beispiel von oben lerne, was eine liebende Landesmutter für ihre nothleidenden Unterthanen zu thun vermag. Die Anlage des Buchs zielt darauf ab, der Belebung des Geschichtsunterrichts für Mädchen zu dienen. In zweiter Linie soll der gleich bedeutungsvolle Zweck desselben nicht minder auch darin bestehen, eine passende Jugend⸗ lektüre über die Kaiserin Augusta zu schaffen, deren Leben nur im Licht der neuesten deutschen Geschichte voll und ganz verstanden werden kann. Zu diesem Zweck hat der Verfasser einestheils von ihm über das Leben Augusta's gesammelte Daten sowie mündlich eingezogene Er⸗ kundigungen, anderntheils aber auch Aufzeichnungen der Königlichen Bibliothek zu Berlin auf das Beste verwerthet.

(R.) Deutsche Geschichte im Neunzehnten Jahr⸗ hundert, von Heinrich von Treitschke. Vierter Theil. Bis zum Jahre 1840. Leipzig, Verlag von S. Hirzel, 1889. Gr. 80. Seiten VIII und 753. Der berühmte Verfasser dieser Deutschen Geschichte im neunzehnten Jahrhundert faßt den gesammten Inhalt des IV. Bandes in dem Schlagwort zusammen: „Das Eindringen des französischen Liberalismus von 1850 40“; die Einzelheiten behandelt er in zehn Abschnitten: 1) Die Juli⸗Revolution und der Weltfriede; 2) die konstitutionelle Bewegung in Norddeutschland; 3) Preußens Mittelstellung; 4) Landtage und Feste in Ober⸗Deutschland; 5) Wiederbefestigung der alten Gewalten; 6) der deutsche Zoll⸗ verein; 9 das Junge Deutschland; 8) Stille Jahre; 9) der welfische Staatsstreich; 10) der Kölnische Bischofsstreit. In dem Vorwort betont der Verfasser die Schwierigkeit, das historische Leben auch in den verworrenen Parteikämpfen dieses Jahrzehnts zu erkennen und getreu zu schildern. Außer den früher benutzten Archiven hat ihm diesmal auch das Staats⸗Archiv in Hannover mannigfache Beleh⸗ rung geboten. Durch das ganze Werk bekunden sich gründ⸗ liches Studium und die Herrschaft über ein umfangreiches Quellenmaterial; manche wenig bekannte vertraulich zugäng⸗ lich gewordene Einzelheiten sind geschickt verwerthet worden. Das bei ausländischen Kritikern erregte Befremden über den Ton seines Buches hat der Verfasser nicht anders erwartet, denn er schreibt für „Deutsche“; „es mag wohl noch viel Wasser unseren Rhein hinabfließen, bis die Fremden uns erlauben, von unserem Vaterlande mit demselben Stolz zu reden, der die nationalen Geschichtswerke der Engländer und Franzosen von jeher ausgezeichnet hat. Einmal doch wird man sich im Auslande an die Gesinnungen des neuen Deutsch⸗ lands gewöhnen müssen.“ Das bereits berühmt gewordene Werk wird auch in der vorliegenden Fortsetzung sicherlich auf die Anerken⸗ nung der Zeitgenossen rechnen dürfen, welche voraussichtlich dem stärker als seither gegebenen Urtheile über die Gesinnungen des „Neuen“ Deutschlands ihre Anerkennung nicht versagen werden. Namentlich wird immer der Scharfsinn bewundert werden, mit dem Treitschke die Gegensätze zwischen französischem und deutschem Geiste, die Merkmale der beiden durch die Revolution geschiedenen Epochen herauszufinden gewußt hat. Unnachsichtlich brandmarkt er die Schattenseiten moderner Bildung. In dem ersten Kapitel wird in rascher Uebersicht durch die Juli⸗Revolution ein Bild der veränderten Weltlage gegeben. Der welfische Staatsstreich des Jahres 1837 ist nicht nur mit an⸗ erkennenswerther Offenherzigkeit nach damaliger Bedeutung und deren nachtheiligen Folgen gewürdigt, sondern auch Gelegenheit ge⸗ nommen, die Professorenpolitik auf das ihr gebührende Maß zurück⸗ zuführen. Der vorliegende Band von Treitschke's Deutscher Geschichte ist nicht nur ein Werk von hoher wissenschaftlicher Bedeutung, sondern vorzugsweise eine politische That, welche hoffentlich mit dazu beitragen wird, die mit Blut und Eisen erkämpfte deutsche Einheit ungeschwächt zu erhalten. 8

„Geschichtedes deutschen Volkes und seiner Kultur“ zur Zeit der karolingischen und säͤchsischen Könige. Von Heinrich Gerdes. In drei Bänden. Erster Band. Erste Lieferung. Leipzig, Verlag von Dunker u. Humblot. 1890. In dem großen Plan des Gesammtwerks, 1) die politische Geschichte des deutschen Volkes von 843 bis 1024, 2) die Geschichte der Kultur Deutsch⸗ lands von 843 bis 1024, a. Land und Leute, b. den Staat, c. d Kirche, d. das geistige Leben und die Wissenschaft im Mittelalter vor zuführen, fällt der vorliegenden ersten, 64 Seiten (gr. 80) starke Lieferung die Aufgabe zu, den Zustand des Reichs beim Antrit und Ausgang der Karolinger zu schildern. Es wird in lichtvolle 1 Weise dargelegt, welche Schwierigkeiten das deutsche Volk von Anfang zu überwinden, welche Umwege es zu machen hatte, um ein seine Volksart entsprechendes einheitliches Staatswesen zu bilden, ja wi zuerst die alten Ueberlieferungen zerstört und dann mit dem Aufbau des Neuen begonnen wurde.

„Dante's Beatrice im Leben und in der Dichtung.“ Von Oskar Bulle, Dr. phil. Berlin, Verlag von Paul Hüttig. 1890. Dies Werk geht mit Scharfsinn der Ge nach, ob das

„Kaiserin Augusta“.