1890 / 137 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 09 Jun 1890 18:00:01 GMT) scan diff

Bahnhof war vom Garde⸗Jäger⸗Bataillon gestellt. 8 Majestät der Kaiser küßte den Kronprinzen wiederholt und stellte darauf die anwesenden Prinzen Heinrich

Friedrich Leopold, Königliche Hoheiten, vor. Bei der Ankunft sowie bei dem Abschreiten der Ehren⸗Compagnie bliesen die Jäger italienische Fanfaren. Darauf erfolgte der Parademarsch. Alsdann fuhr Se. Majestät der Kaiser mit seinem Hohen Gast in einem vierspännigen Wagen, welchem zwei Gardes du Corps voranritten, nach dem Stadtschlosse. Auf dem Schloßhofe war eine Ehrenwache des 1. Garde⸗Regiments aufgestellt. Nach Abschreiten der Front und Abnahme des Parademarsches be⸗ gaben Sich der Kaiser und der Kronprinz in das Innere des Schlosses, in die sogenannten russischen Kammern.. Nach kurzer Rast im Stadtschlosse fuhren Se. Majestät mit dem Kronprinzen von Italien in offenem vierspännigen Wagen mit Spitzenreiter und, wie bei der Einfahrt zum Stadt⸗ schlosse, unter Voranritt eines Fuges Gardes du Corps in Gala hinter dem aiserlichen Gefährt folgte ein weiterer Zug desselben Regiments nach dem Neuen Palais, woselbst Ihre Majestät die Kaiserin und Königin mit den Kaiserlichen Prinzen und umgeben von Allerhöchstihrem Hofstaate den hohen Gast begrüßte. Die Allerhöchsten Herrschaften nahmen darauf gemeinsam das Frühstück ein.

Der Bundesrath hielt am Sonnabend unter dem Vorsitz des Vize⸗Präsidenten des Staats⸗Ministeriums, Staats⸗ sekretaͤrs des Innern Dr. von Boetticher eine Plenar⸗ sitzung ab. In derselben wurde dem Entwurf eines Gesetzes, betreffend die Feststellung eines zweiten Nachtrags zum Reichshaushalts⸗Etat für das Etatsjahr 1890/91, und dem am 31. Mai d. J. zu Bern mit der Schweiz vereinbarten Niederlasfungsvertrag die Zustimmung ertheilt. Die Versammlung erklärte sich ferner damit einverstanden, daß auf Grund der aus der III. Berner Konferenz hervorgegangenen Entwürfe im Namen des Reichs ein Vertrag über den internationalen Eisenbahnfracht⸗ verkehr mit den übrigen auf der Konferenz ver⸗ treten gewesenen Regierungen vorbehaltlich der Natifikation abgeschlossen werde. Mit Beziehung auf die Errichtung eines Nationaldenkmals für Se. Majestät den Hoch⸗ seligen Kaiser Wilhelm I. wurde beschlossen, dasselbe zu Berlin auf dem durch Niederlegung der Gebäude „an der Schloß⸗ freiheit“ entstehenden Platze in der Gestalt eines Reiterstandbildes zu errichten. Gleichzeitig wurde der Reichskanzler ermächtigt, über einen Entwurf für das Denkmal einen engeren Wett⸗ bewerb auszuschreiben. Einem Maschinisten dritter Klasse wurde ausnahmsweise die Befugniß ertheilt, die Maschinen⸗ leitung einer Lustdampfyacht auf deren im Laufe dieses Jahres bevorstehenden Fahrten in der Nord⸗ und Ostsee wie an den Küsten Norwegens und Englands zu übernehmen. Die Eingabe des Empfangs⸗Ausschusses für das X. deutsche Bundesschießen zu Berlin überwies der Bundesrath dem Herrn Reichskanzler mit dem Ersuchen, Behufs zollfreier Ab⸗ sertigung von Waffen und Munition der Theilnehmer an dem Schießen mit den betheiligten Landesregierungen in Vernehmen zu treten. Endlich wurde über die Wiederbesetzung erledigter Stellen bei Disziplinarkammern Beschluß gefaßt.

Heute tagte der Ausschuß für Handel und Verkehr.

Der kürzlich erfolgte Rechnungsabschluß der Reichs⸗ Post⸗ und Telegraphen⸗Verwaltung für das mit dem 31. März abgelaufene Etatsjahr 1889/90 weist einen so hohen Ueberschuß nach, wie er noch in keinem der früheren Jahre erreicht worden ist. In dem genannten Etatsjahre betrug: die Einnahme ö. 6471401 die Ausgabe 181 106 376 mithin der Ueberschu . . . . . . . 32 963 796

Nach Abzug des Extraordinariums von 5 595 344 verbleibt ein reiner Ueberschuß von. 27 368 452 ℳ, d. i. gegen die im Etat vorgesehene Summe

vg. Eb eii W“ 3 860 895

Auch der Abschluß der Reichsdruckerei ist sehr günstig; er weist für den gleichen Zeitraum eine Einnahme von . . . . . 4 871 867 und eine Ausgabe von 3 464 388

1 407 479

mithin einen Ueberschuß von 1 150 150

257 329 N

. .* 8

auf, d. i. gegen die etatsmäßig veranschlagte Summ dockt ein Mehr von

Das Staats⸗Ministerium hat beschlossen, den von den Domkapiteln zu Gnesen und zu Posen zu Kapitular⸗ vikaren gewählten Domherren Kraus und Likowski die Ausübung der ihnen als Kapitularvikare zustehenden bischöflichen Rechte und Verrichtungen auch ohne die im Gesetz vom 20. Mai 74 vorgeschriebene eidliche Verpflichtung zu gestatten.

Am Mittwoch Vormittag um 9 Uhr findet im In

lidenpark die Fesß der Grundsteinlegung für die Kirche zum Gedächtniß Ihrer Majestät der Hoch⸗ seligen Kaiserin Augusta im Beisein Ihrer Ma⸗ jestäten des Kaisers und der Kaiserin, u. Königlichen Hoheit des Kronprinzen von Italien und der Prinzen und Prinzessinnen des Königlichen Hauses statt. Zu der Feier werden u. A. erscheinen: das ge⸗ sammte Staats⸗Ministerium, die Spitzen der zuständigen Staats⸗ und städtischen Behörden, der Hofstaat der Hochseligen Majestäten, Deputationen der hiesigen Truppentheile und des Königin Augusta Garde Grenadier⸗Regiments Nr. 4. Der Großherzog und die Großherzogin von Baden lassen sich durch spezielle Abgeordnete bei der Feier vertreten 8 8

te

Der Kaiserliche Botschafter Graf von Münster ist von dem ihm Allerhöchst bewilligten Urlaub nach Paris zurück⸗ gekehrt und hat die Geschäfte der Botschaft wieder über⸗ nommen.

Die Bevollmächtigten zum Bundesrath, Königlich baye⸗ rischer Oberst von Haag und Großherzoglich sachsen⸗ meiningischer S Minister Dr. ind hier angekommen.

Der General⸗Lieutenant von Versen, General⸗Adjutant

Sr. Majestät des Kaisers und Königs und kommandirender General des III. Armee⸗Corps ist hier angekommen. 5 111“X“X 8 1n

In der Ersten Beilage zur heutigen Numm und Staats⸗Anzeigers“ wird eine Uebers icht der in den deutschen Münzstätten bis Ende Mai 1890 stattgehabten Aus⸗ prägungen von Reichsmünzen veröffentlicht.

““

München, 8. Juni. (W. T. B.) Se. Königliche Hoheit der Prinz⸗Regent spendete einen Beitrag von 5000 zu dem Denkmal für den Fürsten Bismarck.

Ihre Kaiserliche und Königliche Hoheit die Erzherzogin Valerie ist heute früh hier eingetroffen, um. der Firmung der beiden ältesten Töchter Sr. Königlichen Hoheit des Prinzen Leopold beizuwohnen.

In dem Befinden des Staats⸗Ministers Dr. Freiherrn von Lutz ist bis jetzt noch keine Besserung eingetreten; zeit⸗ weise treten Athmungsbeschwerden auf, welche Nachts öfter den Schlaf verscheuchen, sodaß auch in den letzten Nächten Morphium zu Hülfe genommen werden mußte.

Baden.

Karlsruhe, 7. Juni. Se. Königliche Hoheit der Großherzog ist gestern Nacht gegen 12 Uhr, von Straßburg zurückkehrend, wieder in Baden⸗Baden eingetroffen. Ihre Königliche Hoheit die Großherzogin wohnte heute einer Sitzung des Badischen Frauenvereins in Karlsruhe bei und kehrte Nachmittags nach Baden⸗Baden zurück.

Ueber die Besichtigung der strategischen Bahnen wird der „Karlsruher Ztg.“ aus Schopfheim, 5. Juni, berichtet: Unsere Stadt war gestern wiederum festlich beflaggt zur Begrüßung eines hohen Besuches. Von Immendingen kommend, traf Nachmittags 3 ½ Uhr die Kommission des Großen Generalstabs zur Besichtigung der strategischen Bahnen hier ein. Die Kommission, welcher sich auch Ihre Großherzoglichen Hoheiten die Prinzen Karl und Magx angeschlossen hatten, bestand aus mehreren Generalstabs⸗Offizieren unter Führung des Generalstabs⸗Chefs Grafen Waldersee. Außerdem waren anwesend die Herren Staats⸗Minister Dr. Turban, Finanz⸗Minister Dr. Ellstätter und General⸗Direktor Eisenlohr sowie der kommandirende General des XIV. Armee⸗Corps von Schlichting. Am Bahnhof wurden die hohen Gäste von dem Ober⸗Amtmann Föhrenbach, Bürgermeister Grether und Handelskammer⸗Präsidenten Krafft begrüßt und zu den bereit stehenden Wagen geleitet, worauf die Fahrt in das Gasthaus zu den „Drei Königen“ erfolgte. Hier wurde das Mittagsmahl eingenommen. Graf Waldersee erhob sich während des Mahles zu einer kurzen An⸗ sprache. Er habe von Sr. Majestät dem Kaiser den Auftrag, dem Lande den Dank für die rasche Fertigstellung der Bahn aus⸗ zusprechen, welche ein Triumph der Technik genannt zu werden verdiene. Hier könne die Welt sehen, welche Opfer zur Sicherung des Reiches gebracht worden seien, damit der vom Kaiser er⸗ strebte Friede dem Lande erhalten bleibe. In Worten tiefster Verehrung gedachte er dann unseres geliebten Landesfürsten und schloß mit einem Hoch auf Se. Königl. Hoheit den Groß⸗ herzog von Baden. Se. Großherzoögliche Hoheit der Prinz Karl erhob sich hierauf, um im Namen Sr. Königlichen Hoheit des Großherzogs für die Worte des General⸗ stabschefs zu danken. Dann lenkte Se. Großherzogliche Hoheit die Blicke der Anwesenden auf den obersten Schirm⸗ herrn des Deutschen Reichs und verband damit den Wunsch, daß auch Se. Majestät der Kaiser Wilhelm II., dem sein Hoch galt, die neue Bahn kennen lernen und mit Seinem Besuch beehren möge. Von Sr. Königlichen Hoheit dem Großherzog war von Schloß Baden ein Telegramm eingelaufen, in welchem Höchstderselbe über den Verlauf der Besichtigungsreise Erkundigungen einzog. Der Finanz⸗Minister Dr. Ellstätter theilte den Anwesenden den Inhalt des Telegramms mit, und die Ansichten der hohen Reisenden gingen einstimmig dahin, daß die Antwort nur äußerst günstig lauten könne. Der Finanz Minister hob her⸗ vor, daß Baden von jeher bereit gewesen sei, Alles zu thun, was zur Sicherung und zur Wohlfahrt des Deutschen Reichs noth⸗ wendig sei. In diesem Geiste, so versicherte der Redner, werde die badische Regierung auch ferner wirken. Der Minister schloß mit einem Hoch auf denjenigen Mann, der an der Spitze der deutschen Heeresleitung stehe, auf den Generalstabs⸗ chef Grafen Waldersee. Um 6 Uhr begaben sich die Herr⸗ schaften wieder zur Bahn, wo der Extrazug bestiegen und in der Richtung nach Lörrach weiter gefahren wurde.

Oldenburg.

(H) Oldenburg, 6. Juni. Auf Grund der vom Reiche mit der Königlich großbritannischen Regierung getroffenen anderweitigen Vereinbarung wegen gegenseitiger Anerkennung der Schiffsmeßbriefe hat das Großherzogliche Staats⸗ Ministerium eine Bekanntmachung über die künftige Be⸗ handlung der britischen Schiffe in den olden⸗

urgischen Häfen erlassen und im neuesten Gesetzblatt ver⸗ öffentlicht.

W 82 1

Anhalt.

Dessau, 7. Juni. (Anh. St.⸗A.) Ihre Königliche Fehen die Frau Prinzessin Friedrich Carl von Preußen ist gestern Nachmittag mit Gefolge in Ballenstedt eingetroffen.

Reuß ä. L.

(+) Greiz, 7. Juni. Se. Durchlaucht der Fürst ist

heute Nachmittag von Schloß Burgk hierher zurückgekehrt. Reuß j. L.

Gera, 9. Juni. (W. T. B.) Se. Durchlaucht der Fürst überwies dem Central⸗Comité zur Errichtung eines Rationaldenkmals für den Fürsten von Bismarck in der Reichshauptstadt einen Beitrag von 300

Oesterreich⸗Ungarn.

Wien, 8. Juni. (W. T. B.) Die hiesigen Morgen⸗ blätter erblicken in der Rede Sr. Majestät des Kaisers und Königs beim Empfange der Delegationen in Pest (s. u.) mit Genugthuung eine hohe Friedenskund⸗

gebung sowie den klaren überzeugenden Ausdruck vom Fortbestande der Innigkeit und der Festig⸗ keit des Dreibundes. Sie erkennen die Nothwendig⸗ keit der Fortentwickelung der militärischen Macht mit Rücksicht auf das diesbezügliche Vorgehen der anderen Staaten an, und daß damit die Monarchie sich als vollwerthiges Mitglied des Dreibundes erhalte. Mehrere Blätter interpretiren die Erklärung des Kaisers, daß in den Balkanländern seit dem vorigen Jahre keine wesentliche Ver⸗ änderung stattgefunden habe, im Zusammenhange mit den vorjährigen Erklärungen des Kaisers in Betreff Serbiens und Bulgariens dahin, daß die Zustände in Bulgarien auch gegen⸗ wärtig befriedigend seien, und daß die serbische Regentschaft die Versicherung, die freundschaftlichen Beziehungen zu Oesterreich⸗Ungarn pflegen zu wollen, im Wesentlichen ein⸗ gehalten habe.

Prag, 8. Juni. (W. T. B.) Der Arbeiter⸗Agitator Franz Jaek wurde heute wegen Verbreitung aufreizender Druckschriften verhaftet und dem Strafgericht übergeben.

Pest, 7. Juni. (W. T. B.) Beide Delegations⸗ Präsidenten sprachen in ihren Anreden an den Kaiser und König die Bereitwilligkeit zur Bewilligung jener Aus⸗ gaben aus, welche unumgänglich nothwendig seien, um das Ansehen der Vertheidigungsfähigkeit der Monarchie intakt zu erhalten und dabei der Opferfähigkeit der Nation Rechnung zu tragen. Der Präsident der österreichischen Dele⸗ gation, Fürst Czartoryski, gab dem allgemeinen Wunsch nach einem dauernden und gefestigten Frieden Ausdruck, der Präsident der ungarischen Delegation, Ludwig von Tisza, betonte die Nothwendigkeit der größten Wach⸗ samkeit und Entschiedenheit der gemeinsamen Regierung gegen⸗ über den Symptomen, welche im abgelausenen Jahre in dem internationalen Verhältniß und dem inneren Leben einzelner fremder Staaten aufgetaucht seien. Bei aller Hoffnung auf den Frieden und das freundschaftliche Verhältniß zu allen Mächten müsse Oesterreich⸗Ungarn die sicherste Gewähr vor⸗ wiegend in der eigenen Kraft suchen und finden.

Die Erwiderung des Kaisers lautete nach der „Wien. Abdp.“ wie folgt:

Mit aufrichtiger Genugthuung nehme Ich die Versicherung treuer Ergebenheit entgegen, welche Sie Mir soeben ausgesprochen haben. Empfangen Sie für dieselbe den Ausdruck Meines Kaiserlichen Dankes.

In der allgemeinen politischen Lage und in den Verhältnissen der uns näher berührenden Balkan⸗Lände ist eine. wesentliche Ver⸗ änderung seit letztem Jahre nicht eingetreten. Die freundschaftlichen Beziehungen, in welchen wir zu allen Mächten stehen, bestärken Mich

in der Hoffnung, daß die Segnungen des Friedens uns auch fernerhin erhalten bleiben werden.

In dem kraftvollen Zusammenstehen mit unseren Verbündeten

und dem vertrauensvollen Zusammenwirken

Bürgschaft für die Sicherung Meiner Gedeihen Meiner Völker gerichteten Bestrebungen.

Die unausgesetzte Fortentwicklung unserer Wehrmacht muß noth-

wendiger Weife im möglichsten Einklang erhalten werden mit der wichtigen Stellung, die Oesterreich⸗Ungarn neben seinen Verbündeten und in Europa zu behaupten hat.

Bei Feststellung des Gesammterfordernisses für das Heer und die Kriegsmarine hat sich Meine Regierung mit gewissenhafter Erwägung

der Finanzverhältnisse der Monarchie auf das Nothwendigste be⸗ schränken müssen, obwohl es unausweichlich sein wird, nebst der Fort⸗ setzung der militärischen Vorsichtsmaßregeln auch die aus dem Fort⸗ schritte der Technik auf dem Gebiete des Schieß⸗ und Befestigungs⸗ wesens sich ergebenden Erfordernisse ins Auge zu fassen. Die fortschreitende Entwickelung, welche Bosnien Herzegowina auf wirthschaftlichem Gebiete aufweisen, ermöglicht es,

daß die Kosten der Verwaltung auch in diesem Jahre aus den eigenen

Einnahmen jener Länder gedeckt werden können. 8 Indem Ich die Ihnen zugehenden Vorlagen Ihrer stets be⸗ währten patriotischen Einsicht empfehle, rechne Ich darauf, daß Sie

Meine Regierung durch Ihre vertrauensvolle Mitwirkung een

werden, und heiße Sie herzlich willkommen.

Die Antwort Sr. Majestät wurde an stürmisch akklamirt. Am Schlusse ertönten beziehungsweise Eljen⸗Rufe.

Nach den Mittheilungen des „W. T. B.“ über den Ver⸗ lauf des Cerecles des Kaisers mit den Delegirten, welchen Se. Majestät alsdann abhielt, wurde bei demselben namentlich der böhmische Ausgleich berührt. Der Kaiser sprach dem Abgeordneten Rieger seinen Dank aus für dessen Haltung im Landtage. Das czechische Volk, sagte der Kaiser, sei in Folge von Agitationen verhetzt, ganz ohne Grund, denn Nismand wolle die Rechte desselben schmälern; es sei wünschenswerth, daß die aufgeregten Gemüther sich wieder beruhigten und daß der Ausgleich, welcher eine Staatsnoth⸗ wendigkeit sei, zu Stande kommen möge. Schwierigkeit eine große sei, so werde es doch gehen und es müsse gehen. Gegenüber den deutsch⸗böhmischen Dele girten äußerte der Kaiser seine Freude, die Vertreter der Deutsch⸗Böhmen wieder in der Delegation zu sehen; auch dies sei ein Fortschritt. Den Referenten über das Budget des Kriegs⸗Ministeriums gegenüber betonte der Kaiser, die Verwaltung habe sich - die engsten Grenzen des unerläßlich Nothwendigen beschränkt. Weiter hob Se. Majestät bei der Berührung des Budgets für Bosnien die stete Besserung der Zustände in den okku⸗ pirten Ländern hervor. In beiden Delegationen sprach der Kaiser die Hoffnung auf einen raschen und glatten Verlauf der Delegationsverhandlungen aus.

Heute Vormittag empfing Se.

raf Kalnoky und Graf Szapary.

Frankreich. Paris, 7. Juni. (W. T. B.) Im heutigen Minister⸗

vielen Stellen begeisterte Hoch⸗,

sajestät die Minister 8

rath wurde auf den Antrag des Justiz⸗Ministers Fallières

vom Präsidenten Carnot ein Dekret unterzeichnet, durch welches 72 von den in Folge, von Strikes Ver⸗ urtheilten ganz oder theilweise begnadigt werden. Von der Begnadigung sind lediglich 24 besonders schwer kom⸗ promittirte Personen ausgeschlossen; die Mehrzahl besteht aus Ausländern.

In der Deputirtenkammer interpellirte Ernest Roche heute die Regierung wegen der Ernennung des Admirals Duperre zum Kommandanten eines Geschwaders und wies auf von republikanischen Blättern ge⸗ brachte Artikel hin, denen zufolge Duperre im Jahre 1870 seine Pflicht nicht gethan hätte, eine Be⸗ hauptung, die zahlreiche Proteste hervorgerufen habe. Wenn die in den Artikeln angeführten Thatsachen wahr seien, so sei die Ernennung Duperre’'s ein Fehler; seien sie unwahr, so müsse man die Verleumder zur Rechenschaft ziehen. Der Marine⸗Minister Barbey erwiderte: die angeführten Thatsachen seien vollständig unwahr; die Personalakten des Admirals ergäben, daß derselbe in

zu den gemeinsamen Friedenszielen erblicke Ich auch für die Zukunft eine bereits bewährte auf die Wohlfahrt und das

Nieaapel eingetroffen.

und die

Pforte als grundlos bezeichnet.

Wenn auch die

mit ihren Mehrforderungen auf

Belgien internirt gewesen sei und auch während der Gefangenschaft seine Pflicht gethan habe. Die von den republikanischen Ministern über sein Verhalten erstatteten Berichte seien vorzüglich; Duperre biete volle Gewähr dafür, ein würdiger Nachfolger Du Petit⸗Thouars zu werden. Er (der Minister) übernehme die volle Verantwortlichkeit für die Ernennung. (Beifall.) Duville⸗Maillefeu verthei⸗ digte ebenfalls das Verhalten Duperre’'s. Schließlich wurde die vom Ministerium acceptirte einfache Tagesordnung mit 385 gegen 60 Stimmen ange⸗ nommen. Im weiteren Verlaufe der Sitzung ge⸗ nehmigte die Kammer mit großer Majorität den ersten Artikel des von Meline eingebrachten Antrages, welcher außer dem bereits genehmigten Maiszoll einen Zoll von 3 Fr. für Reis in der Hülse und von 6 Fr. für Bruchreis festsetzt, ferner einen Zoll von 8 Fr. für Reismehl oder Reis⸗ gries, einen solchen von 3 Fr. für Dari und Hirse in Körnern, und von 4 Fr. für gemahlenen Dari und gemahlene Hirse.

Perigueux, 9. Juni. (W. T. B.) Der Minister des Innern Constans ist gestern zur Vertheilung der Preise für den Ackerbauverein hier eingetroffen. Bei dem Empfang der Maires des Devpartements hielt der Minister eine Rede, in welcher er betonte, daß die Republik allen Franzosen, die guten Willen besäßen, offen stünde.

Rußland und Polen.

St. Petersburg, 7. Juni. (W. T. B.) Der Kron⸗ prinz von Italien ha heute um 2 ½ Uhr, nach dem Dejeuner im Schloß Gatschina, die Reise nach Berlin ange⸗ treten. Der Kaiser, die Großfürsten und Groß⸗ fürstinnen begleiteten den Prinzen zum Bahnhof, wo die Ehrenwache des Leib⸗Garde⸗Kürassier⸗Regiments der Naiserin mit Standarte und Musik Aufstellung genommen hatte. Der Abschieb war ein sehr herzlicher. Die Offiziere des prinzlichen Gefolges sind durch Ordensverleihungen vielfach ausgezeichnet worden. Der General Mara di Lavriano hat den Großcordon des Ordens vom Weißen Adler erhalten.

Rom, 8. Juni. (W. T. B.) das Dekret unterzeichnet, durch welches das Entlassungs⸗ gesuch des Unter⸗Staatssekretärs des Ministeriums des In⸗ nern, Fortis, genehmigt wird.

In der Deputirtenkammer erklärte gestern in Be⸗ antwortung einer Interpellation über das Dekret der brasilianischen Regierung, betreffend die Naturali⸗ sirung Fremder, der Minister⸗Präsident Crispi:

habe sich an andere Kabinette gewendet, welche

alle die Ansicht der italienischen Regierung ge⸗ theilt hätten, daß die Nationalität in Folge des Dekrets nicht nach 6 Monaten verloren gehen könne. Der brasilianische Minister des Auswärtigen sei durch ein Memorandum über diese Angelegenheit interpellirt worden und habe zugegeben, daß Fremde nicht ohne ihre ausdrückliche Erklärung als

naturalisirt angesehen werden können; selbst nach Ablauf von 6 Monaten werde er Erklärungen von Italienern zulassen, welche ihre Nationalität nicht verlieren wollten.

Gesandtschaft ist heute in

Die marokkanische

Türkei.

Konstantinopel, 8. Juni. (W. T. B.) Der „Ag de Constantinople“ zusolge würde in den leitenden tuürkischen Kreisen den Vorgängen an der serbisch-⸗türkischen

renze in Albanien keine besondere Bedeutung beigemessen; es handle sich nur um durch Blutrache hervor⸗ gerufene örtliche Konflikte. Die bei einigen Botschaften eingegangenen Nachrichten bestätigen diese Auffassung. Die Pforte erhob in Serbien Vorstellungen wegen der Tödtung türkischer Gendarmen. Die angebliche Ent⸗ sendung Schakir Pascha's nach Albanien wird von de Rumänien.

Bukarest, 7. Juni. (W. T. B.) Der König hat sich 2 5 Kronprinzen auf einige Tage nach Schloß Sinaja

egeben. .

Die Deputirtenkammer begann heute die Berathung

über den für Ausrüstung des Militärs beantragten Serbien.

Belgrad, 8. Juni. (W. T. B.) Das amtliche Blatt erklärt gegenüber der Meldung, König Milan wäre finanzieller Angelegenheiten wegen nach Belgrad gekommen: der König sei einzig zum Besuch seines Sohnes hier ein⸗ getroffen und verfolge weder politische noch sonstige Ziele.

Bulgarien. Spofia, 7. Juni. (W. T. B.) Prinz Ferdinand ist heute in Begleitung der Minister nach Vratza abgereist, um der Enthüllung eines dem Andenken des Dichters Potew gesetzten Denkmals beizuwohnen. Schweden und Norwegen.

(P) Stockholm, 6. Juni. Die Kriegsv welche eine baldige Verstärkung der Seebefestigungen in den Stockholmer Scheeren für nöthig erachtet, hatte das Staatscomtoir um Auskunft ersucht, ob es auf Conto der außerordentlichen Bewilligung des Reichstages für 1891 von 800 000 Kronen zu Artilleriematerial schon jetzt einen Theil dieser Summe bereitstellen könne. Das genannte Comtoir hat sich nun dahin erklärt, daß es einen Betrag von 225 000 Kronen zu dem angegebenen Zweck zur Verfügung stellen könne. Es sollen an Festungsgeschützen sogleich angefertigt werden: 12 Stück 12 cm Kanonen, 8 Stück 22 cm Haubitzen, 2 Stück 16 em Haubitzen, 6 Stück 12 cm Haubitzen, 8 Stück 12 cm Kanonen und 9 Mitrailleusen.

(F) Christiania, 6. Juni. Das Storthing verhan⸗ delte am 4. und 5. d. M. über das Budget für die aus⸗ wärtigen Angelegenheiten. Wiederholt hat das Stor⸗ thing einen eingehenden Nachweis über die Verwendung der zu diesem Zwecke bewilligten Gelder sowie eine Beschränkung der Ausgaben gewünscht, ist aber ste's abschläglich beschieden worden. Während die Mehrheit des Konstitutionscomités nun den im Frnanzgesetz eingestellten Posten für dieauswärtigen Angelegen⸗ heiten zu bewilligen beantragte, ist, wie der die Verhandlungen eröffnende Abg. Moursund bemerkte, eine Minderheit des Aus⸗ schusses mit den abschläglichen Bescheiden nicht zufrieden ge⸗ wesen. Die Minderheit habe ursprünglich beantragen wollen, daß, insofern im Laufe des Finanzjahres die Gesa ndtschafts⸗ posten in Konstantinopel, Rom und Kopenhagen erledigt würden, angenommen werden solle, daß für dieselben

Der König hat heute

Nichts bewilligt sei. Nach näherer Ueberlegung wolle nun aber die Minderheit e Antrage folgende Form geben: „Unter der Bedingung, daß, insofern eine Vakanz bei den Legationen in Konstantinopel, Wien, Rom oder Kopenhagen ein⸗ tritt, nur eine vorläufige Besetzung derselben stattfindet, bis die Frage wegen fortgesetzter Repräsentation an dem Orte dem Stor⸗ thing vorgelegt worden ist“ (werden die Ausgaben für die ausländischen Angelegenheiten bewilligt). Staats⸗Minister Stang erklärte sich mit Entschiedenheit gegen diesen Antrag, indem er hervorhob, daß die diplomatischen Reprä⸗ sentanten die Repräsentanten des Monarchen seien, daß sie nie fest angestellt seien, sondern jederzeit zurück⸗ berufen werden könnten; in dieser Hinsicht sei also der Vor⸗ schlag überflüssig. Wenn eins der Länder die Bewilligung verweigere, das andere sie aber gewähre beide Länder ständen in dieser Beziehung gleich so sei damit nicht ab⸗ gemacht, daß der König an dem betreffenden Orte keinen Repräsentanten erhalte. Dem Könige müsse es freistehen, ob er mit dem Betrage, den das eine der Länder bewilligen möchte, eine Legation unterhalten kann und will. Er glaube aber das Storthing zu gut zu kennen, um zu glauben, daß es die Kosten der Gesandtschaften von Schweden allein getragen wünsche. Die Bedingung sei auch verletzend, insofern sie den Eindruck mache, daß man jede Bewilligung verweigern wolle, wenn man in diesem Punkte nicht seinen Willen erhalte. Das konstitutionelle Recht des Storthings sei klar: es könne das Geld verweigern oder bewilligen. Es habe hier nicht mehr wie sonst eine andere Pflicht, wie die im §. 75 der Verfassung enthaltene, daß das Storthing die nöthigen Gelder zu bewilligen habe; das Storthinghabe abzumachen, was esfürnöthig erachte. Der Minister schloß mit der dringenden Mahnung, daß die norwegische National⸗ versammlung mit Weisheit in dieser Angelegenheit handeln möge. Von den Freunden des Antrags wurde hauptsächlich geltend gemacht, daß die Handelsinteressen Norwegens im Auslande jetzt nicht genügend wahrgenommen würden. Nach⸗ dem der Antrag einer redaktionellen Aenderung unterworfen, wurde derselbe gestern, nach längeren Verhandlungen, während welcher Staats⸗Minister Stang bemerkte, daß ein solcher Be⸗ schluß von dem Minister des Aeußern, der schwedischen Regie⸗ rung und dem schwedischen Reichstag für unberechtigt an⸗ gesehen werden würde, mit 57 gegen 56 Stimmen an⸗ genommen. 8

Herzo

Kopenhagen, 9. Juni. (W. T 5 Der tern Abend über

von Chartres ist mit seinem Sohne ge Korsör abgereist.

Am Sonnabend Abend fand in Skodsborg ein Fest⸗ mahl zu Ehren des Generals Christensen aus New⸗York statt, welcher vor 41 Jahren aus Dänemark ausgewandert war. Der hiesige Gesandte der Vereinigten Staaten Barr und Vertreter aller Gesellschaftsklassen wohnten dem Festmahl bei. Der Festsaal war mit amerikanischen und dänischen Flaggen reich geschmückt. Nach einem Hoch auf den König hielt der fruͤhere dänische Gesandte in Washington, Kammerherr von Bille die Festrede auf General Christensen, in welcher er diesen als echten amerikanischen Bürger feierte, der trotzdem die Liebe zu seinem angestammten Vaterland und seinen Lands⸗ leuten bewahrt habe. General Christensen schilderte in be⸗ wegten Worten seine Freude beim Wiedersehen des natur⸗ schönen Dänemark. Barr betonte dann in längerer Rede, daß diejenigen Emigranten, die die Liebe zum alten Vaterland be⸗ wahrten, im neuen Land die besten Bürger würden, wofür General Christensen ein leuchtendes Beispiel sei, und toastete sodann auf dessen Wohl.

Amerika. 3

Vereinigte Staaten. Washington, 7. Juni. (W. T. B.) Das Repräsentantenhaus verwarf heute mit 140 gegen 116 Stimmen den Vorschlag, die Silbervorlage mit unbeschränkter Ausmünzung nochmals zu diskutiren, und nahm sodann die Vorlage des republikanischen Caucus mit 135 gegen 119 Stimmen an.

Afrika.

81 v1A14“ Egypten. Kairo, 8. Juni. (R. B.) Das Dekret des Khedive, betreffend die Anleihe zur Konvertirung der egyptischen Schuld, ist heute veröffentlicht worden. Die Ausgabe der neuen 3 ½ proz. Anleihe soll zum Course von 91

erfolgen. .

Parlamentarische Nachrichten.

In der heutigen (12.) Sitzung des Reichstages, welcher am Tische des Bundesraths der Staats⸗Minister Dr. von Boetticher, sowie die Staatssekretäre Freiherr von Maltzahn, von Oehlschläger und Freiherr von Marschall, sowie andere Bevollmächtigte zum Bundesrath nebst Kommissarien bei⸗ wohnten, theilte der Präsident den Eingang eines Nachtrags⸗ Etats (betreffend die Beamtenbesoldung), einer neuen Samm⸗ lung von Aktenstücken über Ost⸗Afrika und des Niederlassungs⸗ vertrags mit der Schweiz mit.

Abg. Dr. Baumbach (Berlin) zog die Interpellation, betr. den deutsch⸗schweizerischen Niüederlassungsvertrag, welche an der ersten Stelle der Tagesordnung stand, zurück.

An zweiter Stelle stand die zweite Berathung des Ent⸗ wurfs eines Gesetzes, betreffend die Feststellung eines Nachtrages zum Reichshaushalts⸗ Etat für das Etatsjahr 1890,91, auf Grund mündlichen Berichts der Kommission für den Reichshaushalts⸗Etat. Berichterstatter war Abg. Graf von Behr. 8

Die zur Instandsetzung des Wilhelmstraße 77 be⸗ legenen Dienstgebäudes und der Inventarienst ücke in der Dienstwohnung des Reichskanzlers geforderten 40 000 wurden ohne Debatte bewilligt.

Für Maßregeln zur Unterdrückung des Sklavenhandels und zum Schutze der deutschen Interessen in Ost⸗Afrika werden 4 500 000 verlangt.

Abg. Goldschmidt erklärte, daß, obgleich er für die früheren kolonialpolitischen Forderungen gestimmt und auch der gegenwärtigen anfänglich freundlich gegenübergestanden, er nach den Ausführungen des Reichskanzlers in erster Lesung, welche Kosten und Ende der Kolonialpolitik nicht mehr über⸗ sehen lassen, gegen die Forderung stimmen werde.

Bei Schluß des Blattes sprach Abg. Dohrn.

In der heutigen (70.) Situng des Hauses der Ab⸗ geordneten, welcher am Ministertische die Staats⸗Minister Dr. Freiherr Lucius von Ballhausen und Herrfurth nebst Kom⸗

missaren beiwohnten, theilte der Präsident mit, daß der Abg.

88

Tomaszewski, Vertreter des 6. Gumbinner Wahlkreises, in Folge seiner Ernennung zum Ober⸗Verwaltungsgerichts⸗Rat sein Mandat niedergelegt hat. Auf der Tagesordnung stand die zweite Berathung des Gesetzentwurfs über Rentengüter

Berichterstatter der Kommission war Abg. Conrad (Flatow)

Der §. 1 lautet nach dem Antrage der Kommission:

Die eigenthümliche Uebertragung eines Grundstücks Uebernahme einer festen Geldrente (Rentengut), deren Ablösbarkeit von der Zustimmung beider Theile abhängig gemacht wird, ist nach Maßgabe der nachfolgenden Bestimmungen zulässig.

.1) Die Feststellung des Ablösungsbetrages bleibt der vertrags⸗ mäßigen Bestimmung uͤberlassen. Der Rentenberechtigte darf jedoch einen höheren Ablösungsbetrag als den 25 fachen Betrag der Rente nicht fordern, wenn die Ablösung auf seinen Antrag erfolgt.

2) Ohne Zustimmung des anderen Theiles kann die Ablösung von neun Zehntheilen der Rente vom Rentenberechtigten während eines Zeitraums von 50 Jabren, vom Tage des Abschlusses des Rentengutsvertrages an gerechnet, nicht gefordert werden.

.3) Die Ablösung des letzten Zehntheils der Rente darf nur mit Zustimmung beider Theile erfolgen.

6 Eine theilweise Ablösung kann Seitens des Erwerbers des Rentenguts nur verlangt werden, wenn der abzulösende Theil wenigstens den zehnten Theil der ganzen Rente und eine mit zehn theilbare Rentensumme beträgt.

5) Das Verlangen der Ablösung kann nur monatigen Kündigungsfrist gestellt werden.

Hierzu beantragten die Abgg. Althaus u. Gen. die Fassung des Herrenhauses, welche folgendermaßen lautet, wiederherzustellen:

mit einer sechs⸗

8 8

„Die eigenthümliche Uebertragung eines Grundstücks gegen Uebernahme einer festen Geldrente (Rentengut), deren Ablös⸗ barkeit von der Zustimmung beider Theile abhängig gemacht wird, ist zulässig. b FSfe Feststellung des Ablösungsbetrages und der Kündigungs⸗ frist bleibt der vertragsmäßigen Bestimmung überlassen. Von dem Rentenberechtigten darf jedoch ein höherer Ablösungsbetrag als der 25fache Betrag der Rente nicht gefordert werden, wenn die Ab⸗ lösung auf seinen Antrag erfolgt.

Bei der Eintragung der Rente in das Grundbuch müssen die Abreden über den Ausschluß der Ablösbarkeit sowie über die Fest⸗ stellung des Ablösungsbetrages und der Kündigungsfrist in das Grundbuch eingetragen werden. Ist dies nicht geschehen, so gilt Dritten gegenüber die das Grundstück belastende Rente als eine solche, welche von dem Verpflichteten nach sechsmonatiger Kün⸗ digung mit dem 20 fachen Betrage abgelöst werden kann.

Das Rentengut muß frei von den Hypotheken und Grund⸗ schulden des Grundstücks, von dem es abgetrennt wird, begründet werden.

Auf die Veräußerung zum Zwecke der Bildung von Renten⸗ gütern finden die gesetzlichen Bestimmungen über den erleichterten Abverkauf von Geundstücken Anwendung mit der Maßgabe, daß das Unschädlichkeitsattest auch bei der Abveräußerung größerer Trenn⸗ stücke ertheilt werden kann, wenn die Sicherheit der Realberech⸗

tigten dadurch nicht vermindert wird.

Der Abg. Sombart beantragte, in der Fassung des Herrenhauses den Passus:

8 „dden Ausschluß der Ablösbarkeit, sowie über“

Fassung: .

„den Ausschluß der Ablösbarkeit von ein Zehntheil, sowie über“ anzunehmen. 1 Die Abgg. von Kardorff und Ritter endlich stellten folgenden Antrag: Das Haus der Abgeordneten wolle beschließen: Den Entwurf des Rentengutsgesetzes, in der Erwägung,

daß derselbe in der von der Königlichen Staatsregierung vor⸗ elegten Form die Interessen des Kleingrundbesitzes nicht genügend

in folgender

g berücksichtigt und die in der Kommission angenommenen Verbes rungen noch nicht hinreichend sind,

in der ferneren Erwägung,

daß derselbe zwar auf Anregung von Mitgliedern des Ab

ordnetenhauses ergangen ist, diese indeß nicht von der Ansicht aus⸗ gegangen sind, die Königliche Staatsregierung werde das Renten⸗ gutsgesetz für die Provinz Posen wörtlich kopiren, vielmehr so um⸗ gearbeitet zur Vorlage bringen, daß es auch den Bedürfnissen der Provinzen entspricht, für welche Königliche Ansiedelungskommissionen weder bestehen, noch wünschenswerth sind,

in endlicher Erwägung,

daß die Zeit zu ernst ist, um ein Gesetz anzunehmen, das nach

den eigenen Erklärungen der Staatsregierung vermuthlich nur geringe Anwendung finden würde und andererseits große Bedenken in sich trägt, wie solche in den Reden der Mitglieder des Herren⸗ und Abgeordnetenhauses zu Tage getreten, abzulehnen

und die Königliche Staatsregierung zu ersuchen,

einen den oben angegebenen Gesichtspunkten Rechnung tragenden Gesetzentwurf den Häusern der Monarchie vorzulegen.

Abg. Czwalina wandte gegen das Gesetz ein, daß es Niemandem nützen werde. Es werde unerträgliche Zustände schaffen. Das allerdings freiwillig eingegangene Verhältniß solle, wie dies bei keinem Vertrage sonst üblich, nur durch beider⸗ seitige Zustimmung gelöst werden können. Dem Arbeiter⸗ mangel im Osten werde das Gesetz nicht abhelfen. Die Rentengüter führten nur die alte Hörigkeit wieder ein.

Die Abgg. von Kardorff und Ritter zogen ihren Antrag zurück.

Abg. Humann hielt das Gesetz für geeignet, die Mo⸗ bilisirung des Grundbesitzes zu verhindern. Dieser Zweck werde aber schon erreicht, wenn man einen kleinen Theil der Rente unablösbar mache; die Unablösbarkeit der ganzen Rente mache den Rentengutsinhaber zu abhängig. Die staat⸗ liche Unterstützung der Rentengutsbildung sei nicht zu em⸗ pfehlen.

Abg. von Rauchhaupt gab der Herrenhausvorlage den Vorzug vor der Kommissionsfassung. Für den Osten werde das Gesetz keine erhebliche Bedeutung haben, da auf schlechtem Boden kleine Besitzer, die nicht mit Maschinen arbeiten könnten, sich nicht zu halten im Stande wären. Die Befürchtung, daß das Gesetz die Güterschlächterei befördern werde, sei unbegründet. Daß kleine Leute aber häufig um hohen Preis ein Grundstück erwerben, um sich ein eigenes Heim zu schaffen, beweise die Nothwendigkeit der Er⸗ leichterung des Ankaufs kleinerer Grundstücke. Die Ab⸗ lösbarkeit der ganzen Rente nach einer gewissen Zeit scheine dem Redner persönlich annehmbar; denn die Unablösbarkeit eines letzten Zehntels bilde kein ge⸗ nügendes wirthschaftliches Band, sie würde schließlich einen gehässigen Charakter annehmen. Bis zum Erlaß eines Heimstättengesetzes die gegenwärtige Vorlage zu vertagen, heiße sie ad calendas graecas verschieben. Der Großgrundbesitz habe die Aufgabe, die schwere Eigenthumsfrage zu lösen und Jedem, der sich ansässig machen wolle, ein Eigenthum zu ver⸗ schaffen; auf seinen persönlichen Vortheil dürfe er dabei nicht rechnen. 8

Minister Dr. Freiherr Lucius von Ballhausen führte aus, daß, wenn die Gegner der Vorlage in der Ein⸗ führung der Schranken für das Grundeigenthum ein Ver⸗

gegen