Agrargesetzgebung werden müsse, daß die Verhältnisse hervorgerufenen Uebelstände corrigirt werden müßten; so sei auch die freie Theilbarkeit des Waldes, die Theilung von gemeinsamen Hutungen als Fehler erkannt worden; ebenso sei die Aufhebung der Erbpacht in den Gegenden, wo sie zu Anfang des Jahrhunderts noch bestanden, ein wirthschaftlicher Rückschritt gewesen. Die Rentengüter seien für Posen nicht bloß auspolitischen, sondern gerade auch aus sozial⸗ und agrarpolitischen Gründen geschaffen und könnten deshalb auch auf die anderen Provinzen ausgedehnt werden. Nothwendig sei das Gesetz für die Besiedelung der Hochmoore. Daß das Gesetz den Heimstätten hinderlich sein würde, sei unrichtig. Das amerikanische Heimstättengesetz passe für unsere Verhältnisse überhaupt nicht, da wir kein unbesetztes Land haben; im Gegentheil sei bei uns mehr Land kultivirt, als kulturfähig sei. Eine Beschränkung der Verschuldbarkeit ein⸗ führen, heiße den Kredit beschränken. Wer gebe denn überhaupt über eine gewisse Grenze hinaus Kredit? Hinter dieser Grenze fange der Personalkredit an, der nur nach persönlicher Einsicht in die Verhältnisse gewährt werden könne. Die Vorlage lasse in Bezug auf die Lage des Grundbesitzes alles unver⸗ ändert. Namens der Staatsregierung empfahl der Minister die Wiederherstellung der Herrenhausbeschlüsse. Bei Schluß des Blattes sprach Abg. Sombart.
(Der Schlußbericht über die vorgestrige Sitzung des Hauses der Abgeordneten kbefindet sich in der Ersten Beilage.)
lassen der Prinzipien der alten sähen, darauf hingewiesen
durch die wirthschaftlichen
— Auf der Tagesordnung für die morgen, 10. Juni, Nachmittags 1 Uhr, stattfindende 15. Plenarsitzung des Herren⸗ hauses stehen: Einmalige Schlußberathung über den Gesetz⸗ entwurf, betreffend die Fürsorge für die Waisen der Lehrer an öffentlichen Volksschulen, und über die zu demselben ein⸗ gegangenen Petitionen. — Einmalige Schlußberathung der Denkschrift über die Ausführung des Gesetzes vom 13. Mai 1888, betreffend die Bewilligung von Staatsmitteln zur Beseitigung der durch die Hochwasser im Frühjahr 1888 herbeigeführten Verheerungen. — Einmalige Schluß⸗ berathung über den Gesetzentwurf, betreffend die Verpflichtung der Gemeinden in den Landkreisen der Rheinprovinz zur Bullenhaltung. — Einmalige Schlußberathung über den Gesetzentwurf, betreffend die Abänderung einiger Bestimmungen wegen der Wahl von Stadtverordneten.
— Die Protokolle der internationalen Arbeiter⸗ schutz⸗Konferenz sind in deutscher Uebersetzung in amt⸗ lichem Auftrage bei Duncker und Humblot in Leipzig erschienen und unter die Mitglieder des Reichstages vertheilt worden.
Königliches Schauspielhaus.
Am Sonnabend trat als Beatrice in der „Braut von Messina“ Frl. Nerson vom Königlichen Theater in Kassel auf und führte sich mit dieser Rolle recht vortheilhaft ein. Die Vor⸗ stellung, welche man sich von der Beatrice macht, entsprach nicht ganz dem von Frl. Nerson geschaffenen Bilde; man denkt sich unter der in der Weltabgeschiedenheit des Klosters aufgewachsenen Fürstentochter ein schüchternes, zartes Wesen, das eher etwas scheu, als energisch auftritt. Frl. Nerson schlug kräftigere Aeccente an, ihr leb⸗ haftes Temperament legte das nahe. Anerkannt muß werden, daß sie über ein recht achtbares Talent verfügt, ihr Spiel ist gewandt, zeugt von Nachdenken und Studium, ein ange⸗ nehmes Organ erheht den vortheilhaften Eindruck ihrer Erscheinung. Was ihr besonders zum Vorzuge angerechnet werden soll, ist das Vermeiden des hohlen Deklamirens, wozu eine Rolle wie die der Beatrice leicht verleiten kann. Nach diesem einmaligen Auftreten läßt sich natürlich ein erschöpfendes Urtheil nicht fällen, man wird weitere Gastrollen abwarten müssen, zu denen der Künstlerin sich wohl noch Gelegenheit bietet; die Beatrice war eine ansprechende, aber keine durchaus befriedigende Leistung.
Berliner Theater.
Am Mittwoch gelangt zum ersten Male Benedix' beiteres Lust⸗
spiel „Doktor Wespe“ mit Friedrich Mitterwurzer in der Titelrolle
zur Aufführung. Diese Vorstellung wird am Freitag und Sonntag
wiederholt werden. Wallner⸗Theater. 2
Nachdem die eigentliche Wintersaison längst beendigt ist, tritt das Wallner⸗Theater mit einem neuen Repertoirestück auf, welches. früher in Scene gesetzt, demselben manches volle Haus verschafft haben würde. Das dürfte nun für die bevorstehende Zeit der Fall sein, denn „Mamsell' Nitouche“, ein dreiaktiges Vaudeville von H. Meilhac und A. Millaud, ist eines von jenen Erzeug⸗ nissen der modernen französischen Schwankliteratur, bei denen man von vornherein auf jede ernsthafte Kritik verzichtet und nichts weiter will, als einen Abend angenehm hinbringen. Daß man das kann, bewies der Sonnabend, welcher dem Publikum einige jener vergnügten Stunden bereitete, wie man sie im Wallner⸗Theater schon so oft verleben konnte. Früher war es freilich deutscher Humor, der sich hier vernehmen ließ, jetzt ist auch diese Bühne dem Zuge der Zeit gefolgt und richtet ihr Hauplaugenmerk auf Stücke, die einen Kassenerfolg versprechen, und da sind es eben die französischen, welche dem Ge⸗ schmack des Berliner Publikums jetzt wieder mehr denn je zusagen. Auf das Werk näher einzugehen, ist wohl überflüssig, es setzt sich aus jenen ausgelassenen Scenen zusammen, die auf einen Lacherfolg ab⸗ zielen, und diesen erreichen sie vollständig. Erfreulich ist die Thatsache, daß in Frl. Biederm ann vom Theater an der Wien wieder einmal eine Sonbrette erstanden ist, wie sie sich eine strebsame Direktion nur wünschen kann; ihr erstes Auftreten am Sonnabend bedeutete einen vollen Erfolg und erwarb ihr sofort die Gunst aller Zuschauer. Das bekannte treffliche Ensemble, die Hrrn. Alexander, Guthery, Worlitzsch, Meißner, that wieder seine volle Schuldigkeit, und so ist denn der „Mamsell' Nitouche“ auf lange Zeit hin die Allein⸗ herrschaft auf dem Wallner⸗Theater gesichert.
Kroll's Theater.
Am Mittwoch tritt Marcella Sembrich noch einmal als „Traviata“ auf und zwar neben Hrn. Anton Erl als „Alfred“: ein Gast⸗Duo, das der beliebten Oper neuen Reiz zu verleihen geeignet ist In der heutigen Erstaufführung von Gluck's „Orpheus“ (Antrittspartie von Ernestine Heink) singt Frau Hadinger die „Eurydice“ und Frl. Karlona den Amor. 1 v“
Mannigfaltiges.
Das Mausoleum im Charlottenburger Schloßpark ist nach seinem Umbau am 7. Juni, dem fünfzigjährigen Todestage König Friedrich Wilhelm's III., dem Publikum wieder geöffnet worden, nachdem es bereits am 9. März, dem Gedächtnißtage Kaiser Wilhelm's I., feierlich geweiht wurde. Der Umbau ist, wie das „Centralblatt der Bauverwaltung“ mittheilt, der dritte, den die Ruhestätte der Königin Luise erfährt. In den Jahren 1826—28 erhielt der 1810 durch Gentz nach Schinkel’s Plänen und zwar ledig⸗ lich als Grabmal der Königin erbaute älteste Theil seine vielbewunderte granitene Front. 1841 — 1842 ließ Friedrich Wilhelm IV. zur Bei⸗ setzung seines Vaters und zur Ermöglichung gottesdienstlicher Handlungen dem Bau durch Hesse und gleichfalls nach einem Entwurf Schinkel's diejenige Gestalt geben, welche er bis zum Vor⸗ jahre zeigte. Der jetzt vollendete Umbau ist nach den Anordnungen der Hochseligen Kaiserin Augusta durch den Hofbauinspektor Geyer ausgeführt worden. Er besteht der Hauptsache nach in einer Erweite⸗ rung der Kapelle'Friedrich Wilhelm's IV. derart, daß in ihr außer den Rauch'schen Sarkophagen König Friedrich Wilhelm's und der Königin Luise auch die Grabdenkmäler des Kaiserlichen Paares Platz finden. Die Gruft unter diesem Raume ist zur Aufnahme aller sechs Fürst⸗ lichen Särge — neben den Herrscherpaaren ruhen dort bekanntlich auch Prinz Albrecht und die Fürstin Liegnitz — würdig ausgebaut worden. Da sich die Veränderungen auf die zurückliegenden, von Bäumen und Gebüsch dicht gedeckten Theile des Bauwerks beschränken, so fallen sie im Aeußeren dem durch den Tannengang an das Mausoleum Herantretenden wenig in die Augen. Das Innere hat durch die Veränderung nur gewonnen. Hier wie im Aeußeren hat man sich in der Wahl der Formen und Baustoffe pietätvoll an das Alte angeschlossen und besonderen Werth auf eine mit der edlen Bestimmung des Bauwerks in Einklang befindliche Ge⸗ diegenheit gelegt. Die Altarnischen⸗Kuppel mit dem Pfannschmidt'⸗ schen Bilde ist vollständig erhalten geblieben und nur mit großer Sorgfalt und ohne irgend welchen Schaden zu nehmen zurück⸗ geschoben worden. Ebenso sind die kostbaren Ausstattungsstücke des Raumes die alten geblieben. Die Rauch'schen Sarkophage stehen auf ihrem früheren Platze, zwischen ihnen und der Altarnische aber ist der Raum freigehalten für die Grabdenkmäler des Kaiserpaares, über deren Gestaltung endgültige Bestimmung voraussichtlich bald er⸗ folgen wird.
Aus dem Jahresbericht des Vereins für Kinderheilstätten an den deutschen Seeküsten bebt die „N. A. Zig“ bervor, daß das Hospiz in Norderney von 580 Pfleglingen im letzten Jahre
(gegen 568 im Vorjahre) mit 29 669 Verpflegungs tagen besucht war. Der durchschnittliche Aufenthalt eines Pfleglings berechnet sich auf 51,5 Tage. Freistellen erhielten 77 Knaben und 106 Mädchen. Außerdem konnten acht Kindern aus dem Anstaltsfonds Beihülfen zu verschiedenen Beträgen gewährt werden. Die meisten Kin⸗ der kamen aus Berlin (123), dann aus Sachsen 74, der Rhein⸗ provinz 74, Westfalen 50 u. s. f. Als Pflegerinnen waren im Vor⸗ jahre die Schwestern des Viktoriahauses thätig, die aber in diesem Jahre in Folge anderweiter Verpflichtungen unabkömmlich sind und durch ein ebenfalls geschultes Pflegepersonal ersetzt werden. Das Hospiz in Wyk ist von 110 Kindern gegen 89 im Vorjahre besucht worden. In Gr. Müritz wurden 150 Pfleglinge und in Zoppot 45 aufgenommen, sodaß die Gesammtzahl aller verpflegten Kinder 885 beträgt. Es sind von den verschiedenen Hospizen 50 bis 60 % Heilungen berichtet, und namentlich haben sich die Winterkuren in Norderney durch glänzende Heilresultate ausgezeichnet. Es sind nur 10 Tage während der Zeit vom Oktober bis März gewesen, an denen die Kinder nicht ihre gewohnten Spaziergänge ausführen konnten. Der von dem Schatzmeister Hrn. Oppenheim erstattete Kassenbericht zeigt einen Kassenbestand von 16 000 ℳ Das Budget pro 1890/91 ist auf 89 000 ℳ Einnahme und 102 000 ℳ Ausgabe veranschlagt.
Nach Schluß der Redaktion eingegangene Depeschen. 1—
Potsdam, 9. Juni. (W. T. B.) Ihre Majestät die Kaiserin fuhr heute Vormittag mit der Herzogin Friedrich Ferdinand zu Schleswig⸗Holstein, der Prinzessin Heinrich und dem Kronprinzen von Italien im vierspännigen Wagen nach dem Bornstedter Felde, woselbst der Kronprinz zu Pferde stieg. Se. Majestät der Kaiser, um⸗ geben von den Prinzen Heinrich und Friedrich Leopold von Preußen und dem Prinzen Rupprecht von Bagyern, dem Herzog Ernst Günther zu Schleswig⸗Holstein, der Generalitäat und einer großen Suite, erwartete die Allerhöchsten und Höchsten Herrschaften an der Spitze der 2. Garde⸗ Kavallerie⸗Brigade. Nach dem Abreiten der Fronten des 1. und 3. Garde⸗Ulanen⸗Regiments wurde der Parademarsch ab⸗ genommen, und fand dann regimenterweise die Besichtigung statt, wobei Se. Majestät der Kaiser alle Evolutionen Allerhöchstselbst mitritt. Sodann wurde ein Feuer⸗ gefecht eingeleitet, zu welchem das 2. und 3. Ba⸗ taillon des 1. Garde⸗Regiments hinzugezogen waren. Nach Beendigung des Gefechts nahm Se. Majestät der Kaiser den Parademarsch in Escadrons⸗Kolonnen im Trabe ab. Allerhöchstderselbe setzte Sich alsdann mit dem Kron⸗ prinzen von Italien an die Spitze des 1. Garde⸗Ulanen⸗ Regiments und ritt mit demselben nach dessen Kaserne, woselbst die Allerhöchsten Herrschaften den Lunch einnahmen. Se. Majestät der Kaiser und der Kronprinz von Italien wurden unausgesetzt von der zahllosen Menschenmenge enthu⸗ siastisch begrüßt.
Bremen, 9. Juni. (W. T. B.) Heute Vormittag 10 Uhr fand im Ausstellungspark die Eröffnung der Handelsausstellung durch den Vorsitzenden derselben, Gustav Pagenstecher, statt.
Pest, 9. Juni. (W. T. B.) In der heutigen Sitzung des Ausschusses der österreichischen Delegation gab Graf Kàlnoky ein Exposé der politischen Lage und betonte dabei, daß die allgemeine Richtung und die Grundlage der Politik Oesterreich⸗Ungarns eine vollkommen unveränderte sei. Diese Grundlage, deren Basis das central⸗europäische Bündniß bilde, habe nicht nur keine Wandlungen erfahren, sondern sei noch mehr vertieft, geklärt und gestärkt worden. Hierzu habe Pcbtss chlich die Persönlichkeit des hochbegabten thatkräftigen
onarchen des Deutschen Reichs beigetragen. Der in der Besetzung des Postens des deutschen Reichskanzlers eingetretene Wechsel habe keine Störung verursacht. Die Beziehungen zu den anderen Mächten seien vollkommen befriedigende; es sei Hoffnung vorhanden, daß eventuell auftauchende Fragen im Einverständniß gelöst würden. Das Verhältniß zu den Oesterreich⸗Ungarn näher berührenden Staaten sei unverändert.
(Fortsetzung des Nichtamtlichen in der Ersten Beilage.)
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Wetterbericht vom 9.
IFanuth
wärmer und theilweise heiter. ist Regen gefallen.
In Ost⸗Deutschland
Wallner-Theater. Dienstag: 4. Gastspiel von
Familien⸗Nachrichten.
Morgens 8 Uhr.
V
1*
Temperatur
Bar. auf 0 Gr. u. d. Meeressp.
Stationen. Wind. Wetter.
in Millim.
in 0 Celsius
red
4 wolkig WNW I wolkig WNW 4 halb bed. N 6 bedeckt
1 1 wolkenlos 1 bedeckt
A G S
Mullaghmore Aberdeen. Christiansund Kopenhagen. Stockholm . St. Peters brg. Moskau ... Cork, Queens⸗ 6ö“ Cherbourg Helder. 764 S 763 NNW Hamburg. 764 WNW A balb bed. Swinemünde 761 WNW 4 wolkig Neufahrwasser- 757 WSW A bedeckt
Memel 757 W 3 bedeckt
Paris 767 SS 1 bedeckt
Münster 766 SO 1 halb bed. 2 heiter
Karlsruhe.. 768 SW Wietzbaden . 767 still bedeckt WNW 1 beiter
+*nSSNS
—292ö2ö22ͤ2S
ᷓAS
3 wolkig NW 2 bedeckt S 2bedeckt 3 halb bed.
22 SS C2 80
München .. 768
Chemnitz . . 766 NW 3 beiter
Berlin 764 WNW F5 bheiter
Wien 765 NW 3 wolkenlos 9
Breslau 763 W 5 bedeckt I“ 1 halb bed. iz 761 G 2 wolkenlos 763 H 2halb bed.
Uebersicht der Witterung. 8
Das barometrische Minimum, welches westlich von Wisby lag, ist ostwärts nach den russi⸗ schen Ostseeprovinzen fortgeschritten, während ein Minimum nordwestlich von Schottland erschienen ist. Die Winde sind in Deutschland allenthalben schwächer geworden nur an der ostdeutschen Küste wehen stellenweise noch starke westliche Winde. Das Wetter ist in Central⸗Europa durchschnittlich etwas
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gestern
Deutsche Seewarte.
usi IAe nA amEmgmxsmemnne Theater⸗Anzeigen.
Königliche Schauspiele. Dienstag: Opern⸗ haus. 140. Vorstellung. Die Walküre in 3 Akten von R. Wagner. Dirigent: Kapellmeister Sucher. Anfang 7 Uhr.
Schauspielhaus. 145. Vorstellung. Der Biblio⸗ thekar. Schwank in 4 Aufzügen von G. von Moser. Anfang 7 Uhr.
Mittwoch: Opernhaus. 141. Vorstellung. Ein Maskenball. Oper in 4 Aufzügen von Verrdi. Deutscher Text von Grünbaum. Tanz von E. Graeb. Anfang 7 Uhr.
Schauspielhaus. —146. Vorstellung. Die Geier⸗ Wally. Schauspiel in 5 Aufzügen und einem Vor⸗ spiel „Die Klötze von Rofen“, nach ihrem Roman gleichen Namens von Wilhelmine von Hillern. Anfang 7 Uhr.
Deutsches Theater. staatssekretär.
Mittwoch: Der Richter von Zalamea.
Donnerstag: Mein Leopold.
Dienstag: Der Unter⸗
Verliner Theater. Dienstag: Der Kriegs⸗ plan. (Friedrich Mitterwurzer.)
Mittwoch: Zum 1. Male: (Eg E
Shi ür. 1t aesasn — Anfang 7 ½ hr. 4
Doctor Wespe.
Tessing-Theater. Dienstag: Die Ehre. Schauspiel in 4 Akten von Hermann Sudermann. „Mittwoch: Der Fall Clémencean. Schauspiel in 5 Akten von A. Dumas und A. d'Artois.
Donnerstag: Die Ehre. Schauspiel in 4 Akten von Hermann Sudermann.
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Therese Biedermann vom Theater an der Wien in Wien. Zum 4. Male: Mamsell Nitouche. Vaudeville in 3 Akten und 4 Bildern von H. Meilhac und A. Millaud. Musik von M. Hervé.
Vor der Vorstellung, bei günstiger Witterung: Großes Garten⸗Concert. Anfang des Concerts 6 ½, der Vorstellung 7 ½ Uhr.
Mittwoch u. folg. Tage: Gastspiel von Therese Biedermann. Mamsell Nitouche.
Victoria-Theater. Dienstag: Zum 294. M.:
Stanley in Afrika. Zeitgemälde in 10 Bildern von Alex. Moszkowski und Richard Nathanson. Musik von C. A. Raida. Ballet von C. Severini. Anfang 7 ½ Uhr. ö“ Mittwoch: Dieselbe Vorstellung. .“
Friedrich-Wilhelmsädtisches Theater und Concert-Park. Direktion: Julius Fritzsche.
Dienstag: Zum 144. Male: Der arme Jonathau. Operette in 3 Akten von Hugo Wittmann und Julius Bauer. Musik von Carl Millöcker. In Scene gesetzt von Julius Frißsce. Dirigent: Hr. Kapellmeister Knoll. Anfang 7 Uhr.
Im prachtvollen Park um 6 Uhr: Großes Doppel⸗ Concert. Auftreten erster Gesangs⸗ und Instru⸗ mental⸗Künstler. 1““
Mittwoch: Dieselbe Vorstellung. “
Kroll'’s Theater. Dienstag: Orpheus. Erstes Auftreten von Fr. Ernestine Heink.
Mittwoch: Gastspiel von Marcella Sembrich und Hrn. Anton Erl. La Traviata.
Täglich: Bei günstigem Wetter vor und nach der Vorstellung, Abends bei brillanter elektr. Be⸗ leuchtung des Sommergartens: Großes Concert. Anfang 5 ⅛, der Vorstellung 7 Uhr.
Belle-Alliance-Theater. 101. Male: Der Nantilns.
Im prachtvollen glänzenden Sommergarten: Großes Militär⸗Doppel⸗Concert. Auftreten sämmtlicher Spezialitäten. Brillante Illumination des ganzen Garten⸗Etablissements. Anfang des Concerts 6 Uhr, der Vorstellung 7 ½ Uhr.
Dienstag: Zum
Verlobt: Frl. Bertha Schümann mit Hrn. Emil Bostelmann (Eimsbüttel). — Frl. Lucie Schwarzlose mit Hrn. Major Reinhold Metnecke (Magdeburg— Ehrenbreitstein) — Frl. Johanna Martin mit Hrn. Karl Bahm (Mainz— Köln). — Frl. Margarethe Petri mit Hrn. Dr. Adolf Lent (Berlin). — Frl. Helene Beussel mit Hrn. Sec.⸗Lieutenant Heck (Wansdorf— Berlin). — Frl. Anna Esdar mit Hrn. August Bick (Dortmund). — Frl. Ida Menge mit Hrn. Frank Willcox (Bahia).
Verehelicht: Hr. Pr.⸗Lieutenant Albert von Reppert⸗Bismarck mit Frl. Toni Scherenberg (Stendal). — Hr. Amtsrichter Paul Baedeker mit Frl. Marie Holle (Dortmund). — Hr. Oskar Harder mit Frl. Anna Gelzer (Hamburg). — Hr. Fritz Kühne mit Frl. Luise Feldhoff (Plettenberg —Hemer). — Hr. Karl Grunack mit Frl. Wil⸗ helmine Nelcke (Berlin). — Hr. Georg Bersu mit Frl. Luise Steinitz (Berlin). — Hr. Ernst Zillessen jun. mit Frl. Else Jansen (Krefeld).
Geboren: Ein Sohn: Hrn. Hauptmann Görlitz (Minden). — Hrn. Georg Spamer (Hannover). — Hrn. Heinrich Wieler (Bremen). — Hrn. J. B. Reiners (Brake). — Hrn. P. Langhoff (Ber⸗ lin) — Eine Tochter: Hrn. Rodrigo de Castro (Hamburg). — Hrn. R. Thisius (Berlin). — Hrn. Louis Hiller (Königsberg). — Hrn. Julius Lüning (Bremen). — Hrn. W. Treckmann (Krefeld). — Hrn. Carl Schulze (Neuschleußig).
Gestorben: Hr. Gutsbesitzer Carl Seeler (auf Schwartow). — Hr. Rentier Carl Hor⸗pner (Helmstedt). — Hr. Kaufmann Gustav Budnick (Bladiau).
Redacteur: Dr. H. Klee.
1 nn. Berlin:
Verlag der Expedition (Scholzz5.
Druck der Norddeutschen Buchdruckerei und Verlags⸗
Anstalt, Berlin SW., Wilhelmstraße Nr. 32. 8 Sechs Beilagen
(einschließlich Börsen⸗Beilage).
88
(950 ⅔)
(Zuruf:
6 3
Berlin, Montag, den 9. Juni
—
Deutsches Reich. Nebersicht
der in den deutschen Münzstätten bis Ende Mai 1890 stattgehabten Ausprägungen von
Reichsmünzen.
1) Im Monat Mai Goldmunzen
Silbermünzen
1890 sind geprägt worden in:
Doppel⸗
Kronen kronen
Kronen nung ℳ ℳ
jervon auff Halbe Hrerwan am Fünf⸗
s NM Fünfzig⸗ Zwanzig⸗ 9 Zwei Ein⸗ pfennig⸗ pfennig⸗ markstücke markstücke stücke stůcke
pfennigstuͤcke
Nickelmünzen Kupfermünzen
Zehn⸗ Fü Zwei⸗ Ein⸗
pfennigstücke pfennigstücke pfennigstücke
ℳ ₰
BE München .. Muldner Hütte Stuttgart.. Karlsruhe.. Hamburg.
126 430 — 24 800 — 32 800 —
12 493 7
Summe 1.
2) Vorber waren geprägt*) 1 938 649 520]476 696 010]27 969 9251121641770]74 104 195104 964 606178 990 334 71 486 552 —
3 701 931 80]27 256 03
12 493/70 1
182030 — hüaeentgeg a 13 346 784 65
6 213 207 44
3) Gesammt⸗Ausprägung 1 938 649 520]1476 696 010][27 969 92511121641770]74 104 1951104 964 6061178 990 334 71 486 552 be.
4) Hiervon sind wieder
eingezogen.. 1 062 400 1 298 390 9 685
7 380 7,848 7 294 2 959 50
3885 987 80 27288 527 5015 375 784 65
5 232077 11
9 40 975 336 95 27 64
1 937 587 1201475 397 620ʃ27 960 240 2 440 944 990 ℳ
5) Bleiben.
74 096 8151104 956 7581178 983 040]1)71 483 592,50
3 885 952 40
15 325 777 70 821550
452 235 212,50 ℳ
*) Vergl. den „Reichs⸗Anzeiger“ vom 10. Mai 1890 Nr. 114.
Berlin, den 7. Juni 1890.
ei des Reichs⸗Schatzamts. Biester.
1
Parlamentarische Nachrichten.
Schluß des Berichts über die (69.) Sitzung des Hauses der Abgeordneten vom Sonnabend. Auf der Tagesordnung steht die dritte Berathung des Gesetzentwurfs zur Ausführung des §. 9 des Gesetzes, betreffend die Einstellung der Leistungen aus Staatsmitteln für die römisch⸗ katholischen Bisthümer und Geistlichen vom 22. April 1875. 1
Ueber die Reden der Abgg. Reichensperger, von Meyer⸗Arnswalde, Graf Strachwitz, Stöcker und Dr. Windthorst haben wir bereits in der Sonnabend⸗Nummer berichtet. In der Fortsetzung der Generaldiskussion ergreift nach dem Abg. Dr. Windthorst das Wort
Staats⸗Minister Dr. von Goßler: 66
Meine Herren, nachdem der Herr Abgeordnete Dr. Windthorst erklärt hat, daß er mit seinen politischen Freunden gegen die Vor⸗ lage stimmen will, so glaube ich, wird der schließliche Erfolg über das Schicksal dieses Gesetzes kaum noch einem begründeten Zweifel unterliegen.
An der Hand der Erörterungen der ersten Lesung haben die Meinungsverschiedenheiten einen so scharfen prinzipiellen Gegensatz an⸗ genommen und namentlich auf juristischem Gebiet, unter Juristen, unter denen bekanntlich eine Versöhnung sehr schwer möglich ist, daß ich es für nützlich halte, nicht weiter in diese Materie einzutreten. Im Allgemeinen kann ich nur das wiederholen, was ich gesagt habe: Jeder hält an seiner juristischen Anschauung fest, eine Vereinigung findet nicht statt, ein Verzicht ist aus höheren politischen Rücksichten für ausgeschlossen zu erachten, und somit, glaube ich, ist es besser, man verfolgt die allgemeinen rechtlichen Erörterungen nicht weiter, um nicht Differenzen, die einmal bestehen, noch mehr zu steigern.
Der Abg. Graf Strachwitz macht es der Regierung zum besonderen Vorwurf, daß sie bei der Einbringung und bei der Ver⸗ tretung dieser Vorlage auf die Stimmung des katholischen Volks, des katholischen Klerus und der Vertreter des katholischen Volkes hier im Hause zu wenig Rücksicht genommen habe. Ich habe schon früher eine Andeutung gemacht, daß die Staatsregierung nicht in der günstigen Lage ist wie die Mitglieder der Centrumspartei, die eben nur auf eine Stimmung Rücksicht nehmen und zwar auf eine Stimmung, auf welche sie einen entscheidenden Einfluß haben. Die Staats⸗ regierung ist verpflichtet, auch auf Stimmungen in anderen Parteien, mögen sie auf kirchlichem oder politischem Gebiet sich bewegen, Rück⸗ sicht zu nehmen, und wie die Stimmung hier im Hause ist, meine Herren, haben Sie ja zur Genüge kennen gelernt. hat hier wirklich nicht die Führung genommen, um eine Stimmung im katholischen Lager zu überwinden, sondern sie hat, wie ich das schon angedeutet habe, immer eine möglichst ruhige, mittlere, objektive Diagonale zu wahren gesucht, sich in keiner Weise an den scharfen Angriffen betheiligt, die zum Theil übder den Rahmen dieser Vorlage hinaus gegen das Centrum und die von ihm vertretenen Interessen geltend gemacht worden sind. 1
Mit dieser Stimmung, mit welcher der Abg. Graf Strachwitz so sicher rechnete, ist es immerhin einigermaßen eigenthümlich. Wir müssen wieder etwas den Blick aus dem Rahmen der gegenwärtigen Diskussion hinauswerfen. Wovon wird die Situation politisch be⸗ herrscht? Doch eigentlich von dem Gedanken, daß das Centrum es ablehnt, eine Verantwortung zu übernehmen für ein Ja der Regierungs⸗ vorlage gegenüber. Nun haben Sie aus dem Munde des Hrn. Abg. Dr. Windthorst und aus meinen eigenen Aeußerungen entnommen, daß noch in den letzten Wochen der Papst den Bischöfen und der Centrumspartei es überlassen hat, sich zur Vorlage zu stellen wie sie wollen. Der Sinn der Erklärung des Papstes, wenigstens so weit ich verstehe, ist doch der, daß diesen beiden Kategorien von Vertretern des kotholischen Volks überlassen wird, das zu thun, was sie für recht halten, und daß vom päpstlichen Stond⸗ punkte aus diese Frage eine innerpreußisch⸗kirchliche ist, welche nach Gesichtspunkten zu entscheiden ist, die den Papst als Vertreter der katholischen Kirche unmittelbar nicht angeht. Nun spielt sich vor unseren Augen gewissermaßen ein Kampf ab oder ein Schachspiel — das ist vielleicht der korrektere Ausdruck; wir sehen auch heute bei dem Hrn. Abg. Dr. Windthorst das Bemühen, die Verantwortung für die Ablehnung oder Zustimmung den Bischöfen zuzuschieben. (Widerspruch im Centrum.) — Nicht? Ich denke doch! Der Sinn des Antrages Windthorst kann nur der sein, daß die Regicrung sich unter Suspension der gegenwärtigen Verhandlungen mit den Bischöfen zu vereinigen, und wenn die Vereinigung zu Stande gekommen ist, daraufhin einen Gesetzertwurf aufzubauen hat. Die Bischöfe haben sich geäußert! — so hat der Hr. Abg. Dr. Windthorst mir mit Emphase zugerufen, ich möchte es ihm, wenn auch ohne Emphase, zurückgeben. Die Bischöfe scheinen sich nicht geäußert zu haben trotz der Vollmacht des Papstes; denn, wenn sie sich geäußert hätten, wäre der Antrag Windthorst, wie wir ihn heute vor uns sehen, unnütz, und wir würden sicherlich gehört haben, was die Bischöfe gewollt und beschlossen haben. Dasjenige, was über die Stimmung der Bischöfe in die Oeffentlich keit gedrungen ist, läßt darauf schließen, daß ihr prinzipieller Standpunkt vom August v. J. doch nicht unbedingt festgehalten wird. Es sind zudem die Arußerungen, die in der Presse mehrfach aufgetaucht sind, meines Erachtens ein ganz sicheres Kenn⸗ zeichen, daß auch im Klerus die Meinung keineswegs so geschlossen ist, wie der Hr. Abg. Graf Strachwitz anzunehmen scheint. Doch!) — Sie sagen: Doch!; ich habe hier 8— “ 8 8 8 v“
Die Regierung
““
(Zuruf: Einige Domberren!) — Einige Domherren? Dom⸗ herren sind Menschen und auch Kleriker, und wenn ich Ihnen anführen kann, daß Domherren der Meinung sind, das Gesetz sei tolerabel, könne angenommen werden unter gewissen Kautelen auf Grund des Artikels 3, so ist das wohl ein sicheres Argument gegen die Behauptung des Abg. Grafen Strachwitz. Die Frage, die ich hier berührt habe, ist Gegenstand der Erörterung in einem der ultra⸗ montansten Blätter geworden, in dem „Westfälischen Volksblatt“, welches bekanntlich unmittelbar sich in vollem Anschluß an das General⸗ vikariat und den bischöflichen Stuhl in Paderborn hält. In diesem Blatte heißt es wörtlich: wir können Vorstebendem hinzufügen, 8 unser hochwürdigster Herr Bischof im Einverständnisse mit dem hochwürdigen General⸗ vikariate Annahme der in Rede stehenden Gesetzesvorlage für zulässig erachtet, sofern die Befugnisse des Herrn Ministers rücksichtlich der Verordnung der angebotenen Rente beschränkt werden.
Meine Herren, es ist nach der ganzen Haltung des Blattes un⸗ möglich, daß dasselbe in seine Spalten auf solchem Gebiete etwas Anderes aufnimmt, als das, wozu es vom Generalvikariat ausdrück⸗ lich ermächtigt ist. Der Generalvikar ist Schulte, früher Erwitte ge⸗ nannt; er gehört, wie die Herren wissen, zu den zielbewußtesten und entschlossensten Vertretern der katholischen Kirche. Von der einheitlichen Stimmung, mit der Sie uns hier einschüchtern wollen, kann man also, wie Sie sehen, nicht sprechen. Selbst dann nicht, wenn es nur einige Domherren wären: aber meines Wissens — sollte ich falsch berichtet sein, so nehme ich es zurück — hat sich auch das Domkapitel ausdrücklich in derselben Weise schlüssig gemacht, wie es hier bezeugt wird von dem General⸗ vikariat zu Paderborn. Meine Herren, die sogenannte Geschlossen⸗ beit ist also schon nach dem Angeführten — um von Anderem zu schweigen — nicht vorhanden; es kann auch von der behaupteten ziel⸗ bewußten Einheit bei Betrachtnahme des Schreibens des Papstes füg⸗ lich kaum die Rede sein.
Dann hat der Hr. Abg. Dr. Windthorst — wie das möglich, ist mir eigentlich nicht ganz klar — mir gegenüber darauf hingewiesen, daß das Schriftstück, welches ich verlesen habe, ein ganz gleichgültiges sei. Ich nehme es ihm nicht übel, wenn er es für nützlich erachtet, diese Ansicht zu hegen und auszusprechen; es ist mir dann aber nur wunderbar, daß er auch beim Minister⸗Präsidenten nachgeforscht hat, ob ich nicht zu weit gegangen wäre in meiner Erklärung. Zu meiner Freude habe ich — wie ich einschalte — hier wiederholt die Erklärung vernommen, daß meine persönliche Wahrhafligkeit und Wahrheitsliebe nicht angetastet worden ist.
Der Herr Minister⸗Präsident hat ausdrücklich gesagt: der Kultus⸗ Minister ist so weit gegangen, als er gehen konnte, und wenn es ver⸗ langt wird, kann er auch die Namen nennen. (Rufe im Centrum: Thun Sie es!) Ich thue es nicht!
Nun hat der Hr. Abg. Dr. Windthorst heute — wie ich glaube, für die Persönlichkeiten, die er vielleicht ahnt, vielleicht auch kennt — Ausdrücke gebraucht, die sicherlich ihr Ziel mir gegenüber kaum haben können. Es wurde, soweit ich mir notirt habe, davon geredet, daß irgendwie ein unbekannter Mann der preußischen Regierung die Mittheilung gemacht habe, und daß das System der Spitzel auch gegen den Vatikan angewandt werde. Ich bitte den Hrn. Absg. Dr. Windthorst, sich mit den Personen abzufinden, die er vermuthet. Ich habe ausdrücklich in der Kommission erklärt und erkläre jetzt wieder, daß der Weg, auf dem wir das dort Mitgetheilte erfahren haben, ein solcher ist, welchen der heilige Vater selbst benutzt, um mit der preußischen Regierung in Verbindung zu treten. Daß das ein anderer Weg ist als der, den der Hr. Abg. Dr. Windthorst benutzt, ist möglich, aber bei großen Aktionen ist das eben nicht anders. Jede Regierung und ebenso der heilige Vater, der auch eine hohe diplo⸗ matische Mission erfüllt hat, benutzt verschiedene Wege.
Ich darf auch noch erwähnen, daß die Erklärung, die ich abge⸗ geben habe und die Sie in dem Kommissionsbericht abgedruckt finden, meines Erachtens eine Brücke war, die abzureißen der Hr. Abg. Dr. Windhorst nicht nöthig hatte. Er kann sagen: ich weiß davon nichts, ich bezweifle es; aber immer mit Emphase auszusprechen: er behaupte mit Bestimmtheit, daß es absolut nicht wahr sei, — das halte ich für unvorsichtig. Die Dinge haben sich so geschoben, daß nun diese Brücke abgebrochen werden soll und daß die Bischöfe schwei⸗ gen, weil — soweit es nach Inhalt meiner vorherigen Andeutung aus den Poren dringt — sie doch nicht entschlossen sind, die von dem Abg. Windthorst vertretene Auffassung zu theilen. Ich würde es für nützlich erachtet haben, wenn der Hr. Abg. Dr. Windthorst das Maß der Verantwortung, welches er heute auf sich nimmt, nicht auf sich genommen hätte. Ich bedauere es, denn ich glaube, seine Hoffnung, daß diese Sache in leichtem Fluß bleiben werde, kann doch möglicherweise eine trügerische sein. Ich bin zu keiner Erklärung ermächtigt, habe es auch durchaus vermieden, eine Erklärung der Staatsregierung zu extrahiren, welche die von dem Abg. Dr. Windthorst — wenn ich recht verstanden habe — erörterte Frage berührt, ob die Sperrgeld⸗Angelegenheit weiter verhandelt werden kann, ob sie bald wieder vorgebracht werden wird u. s. w. Wenn ich heute einen desfallsigen Beschluß extrahiren wollte, so würde derselbe vielleicht negativer sein, als mir von meinem ruhigen erwägenden Standpunkte lieb ist. Denn, meine Herren, Spitzen sind für die Staatsregierung geblieben, auch wenn Sie es aus meinen Worten nicht entnommen haben; innerhalb der Staatsregierung leben Menschen, die eine gewisse Ehre haben und nicht vergessen können, was für Vorwürfe hier gegen sie erhoben worden sind. Meine Herren, ich habe — wie gesagt — absichtlich keinerlei Beschluß der
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Staatsregierung extrahirt, um mir nicht etwa in Zukunft den We zu verschließen. 1
Ich bedauere die jetzige Wendung; aber wenn eine Hoffnung mir scheitert, dann denke ich immer an die Absicht, mit der ich an die be⸗ treffende Sache herangegangen bin. Ich kann sagen, daß wir — der Fürst Bismarck, welcher der wesentliche Träger der Vorlage gewesen ist, und ich — von der friedliebendsten Absicht geleitet worden sind; leider scheiterte unser guter Wille; aber ich werde mich freuen, wenn er anderweitig hier im Hause und auch im anderen Hause An⸗ erkennung findet. 8
Abg. von Rauchhaupt: Der Abg. Windthorst hat be⸗ hauptet, wir hätten den Abg. Stöcker vorgeschickt, um uns zurückzuziehen. Das ist unrichtig. Wir haben Hrn. Stöcker lediglich reden lassen, weil er persönlich angegriffen war. Er hat lediglich für seine Person gesprochen. Die Erklärung die wir abzugeben haben, lautet nun aber dahin, daß, da es nicht gelungen ist, eine ausdrückliche Zustimmung des Centrums zu dicher Vorlage zu gewinnen, da es ferner nicht gelungen ist, wenigstens ein tolerari posse von ihm zu erlangen, und da es drittens nicht gelungen ist, über die Auffassung des §. 1 welcher die verschiedene Rechtsauffassung über die Natur des Sperr gelderfonds auszugleichen in der Lage wäre, eine Einigung zu erzielen, wir bei der Erklärung stehen bleiben, die der Gra Limburg⸗Stirum in zweiter Lesung abgegeben hat. Wir werden aus den Gründen, die er damals entwickelt hat, auch heute gegen das Gesetz stimmen. —
Abg. von Stablewski: Wenn auch einige Domherren
annehmen, denn es handelt sich hier um die Wahrung des Eigenthumsrechtes, um die Wahrung eines großen Prinzips. Wie sehr unsere Geistlichen durch die Vorenthaltung der ge⸗ sperrten Gelder geschädigt werden, könnte ich Ihnen an einer Reihe eklatanter Fälle nachweisen. Ich kann z. B. zum Ruhm des früheren Erzbischofs von Posen hier erklären, daß er mehr als arm gestorben ist. Der Grund dazu ist nicht blos in seiner edlen Barmherzigkeit zu suchen, sondern auch darin, daß ihm in Königsberg der Staatszuschuß eine Reihe von Jahren ge⸗ sperrt war und er sich und seine Kapläne mühsam hat unter⸗ halten müssen. Der Staatszuschuß hat kaum ein Zehntel dessen betragen, was man der katholischen Kirche genommen hat; der Erzbischof von Posen und Gnesen bezog zu Ende des vorigen Jahrhunderts 130 000 Thaler. Nach dem heutigen Geldwerrh müßte er 300 000 Thaler beziehen, nicht 12 000 Thaler. Die Domherren beziehen heute ein kärgliches Subalterngehalt von 800 Thalern. Hoffentlich wird ihr Ge⸗ halt schon im nächsten Jahre aus Staatsfonds verbessert. Wir stimmen gegen das Gesetz, aber aus anderen Gründen als die Konservativen.
Abg. Freiherr von Zedlitz: Wir werden wohl nicht in den Verdacht gekommen sein, Hrn. Stöcker vorgeschickt zu haben; wenn Jemand Interesse am Staubwirbeln hatte, so lag dies Interesse auf der anderen Seite. Ein Anlaß, unsere Stellung, die wir in erster Lesung gekennzeichnet haben, zu ändern, liegt nicht vor. Wir werden daher die Vorlage ab⸗ lehnen. Darin kann uns auch der Hinweis des Abg. Windt⸗ horst auf den Reichstag nicht irre machen. Ich meine, daß das Centrum seine Pflichterfüllung im Reichstage nicht davon abhängig machen wird, daß dies Gesetz in seinem oder in einem anderen Sinne erledigt wird. Wenn die Herren von demselben friedlichen Sinne beseelt wären wie wir, dann würde es ihnen leicht sein, die Beruhigung der Bevölkerung herbeizuführen; aber man scheint die Beruhigung nicht zu wollen. Sie tragen die Verantwortung dafür, wenn das Se. nicht zu Stande kommt, nicht wir.
Abg. Brandenburg: Es handelt sich bei den einge⸗ stellten Staatsleistungen nicht um Leistungen der Gnade, son⸗ dern um Leistungen auf Grund rechtlicher Verpflichtungen; die Katholiken haben sich trotz der Sperre als gute Bürger be⸗ wiesen, der Staat mußte diesen Uebergriff in das Gebiet der Kirche zurücknehmen. Die einfache Folge davon ist, daß der Staat die Gelder zurückgeben muß und zwar nicht in Form einer Rente. Alle Gründe, die dagegen angeführt werden, sind dem Volke unverständlich. Die Vorlage hat einen krämerischen Anstrich; man will nicht das Kapital, sondern nur die Zinsen zurückgeben und noch außerdem einen Neben⸗ zweck herausschlagen. Die Vorlage hat auch einen revolutionären Charakter, sie hat nur ein Gegenstück in dem Gesetz Jung⸗ Italiens gegen die opere pie. Daß die Zustimmung des
eiligen Vaters erfolgt ist, ist widerlegt; die allgemeine Be⸗ vin. ist nicht eingetreten; deshalb werden wir gegen die Vorlage stimmen.
Abg. Hobrecht: Da das Centrum gegen die Vorlage
stimmen will, so können wir nach unseren früheren Er⸗
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die Vorlage annehmen möchten, so werden wir sie doch nicht