1890 / 141 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 13 Jun 1890 18:00:01 GMT) scan diff

Auf den Antrag des Herrn von Kleist⸗Retzow wurde

der Gegenstand der vorgerückten Stunde wegen von der Tages⸗

ordnung 491 r 1 WB“ Darauf gab der Präsident die übliche Geschäftsübersicht. Herr von Kleist⸗Retzow sprach dem Präsidenten

den Dank des Hauses für die Geschäftsleitung aus, und die

Mitglieder erhoben sich zum dessen von ihren Sitzen. Unter dreimaligem Hochruf auf Se. Majestät den

Feiser und König wurde die Sitzung um 1 ³¾ Uhr ge⸗

ossen.

8 Schlußsitzung der vereinigten beiden Häuser des Landtages. Freitag, 13. Juni, 3 Uhr. Am Minister⸗ tische die Staats⸗Minister Dr. von Boetticher, von Maybach, Dr. von Scholz, Dr. von Schelling, Dr. von Goßler, Herr⸗ furth, Freiherr von Berlepsch. 1 1

Präsident des Herrenhauses Herzog von Ratibor: Auf Grund der Vereinbarung beider Präsidenten des Landtages übernehme ich den Vorsitz und ernenne zu Schriftführern die Herren von Neumann und von Reinersdorf und die Abgg. Kohlisch und von e. Der Vize⸗Präsident des Staats⸗ Ministeriums hat das Wort.

Vize⸗Präsident des Staats⸗Ministeriums Dr. von

ZBoetticher: Ich habe der hohen Versammlung eine Aller⸗

höchste Botschaft mitzutheilen (die Anwesenden erheben sich). Sie lautet:

Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden König von Preußen ꝛc., haben auf Grund des Artikels 77 der Verfassungsurkunde vom 31. Januar 1850 den Vize⸗Präsidenten Unseres Staats⸗Ministeriums von Boetticher beauftragt, die gegenwärtige Sitzung der beiden Häuser des Landtages Unserer Monarchie am 13. Juni d. J. in

EETE“

Unserem Namen zu schließen. 8 1 Gegeben Berlin, den 11. Juni 1800. ““ Wilhelm R. nll

von Caprivi. von Boetticher. von Mavybach. Freiherr Lueiusvon Ballhausen. von Goßler. von Scholz. Herrfurth. von Schelling. von Verdy. Freiherr von Berlepsch. Im Allerhöchsten Auftrage Sr. Majestät des Kaisers und Königs erkläre ich den Landtag der Monarchie für

geschlossen. 8g

Prãstdent Herzog vovn Rutibdvr.:

Se. 1b Kaiser, unser Allergnädigster König und Herr, Er lebe hoch!

zuf ein.)

(Die Anwesenden stimmen dreimal begeistert in den Schluß 3 Uhr 8 Minuten. 11““ I11““

Die Militär⸗Kommission des Reichstages hat gestern mit 20 gegen 8 Stimmen der Deutsch⸗Freisinnigen, Sozialdemokraten und Volkspartei den §. 2 der zur Berathung stehenden Vorlage angenommen. Er lautet:

Vom 1. Oktober 1890 ab werden die Infanterie in 538 Bataillone, die Kavallerie in 465 Escadrons, die Feld⸗Artillerie in 434 Batterien, die Fuß⸗Artillerie in 31 Bataillone, die Pioniere in 20 Batalllone, der Train in 21 Bataillone formirt.

Die Abstimmung über §. 1 (die Höhe der Friedens⸗ präsenzstärke) ist bis zum Montag verschoben worden. Von dem Abg. Dr. Windthorst sind zugleich folgende Resolu⸗ tionen eingebracht worden:

Die Kommission wolle beschließen:

1) die Erwartung auszusprechen, daß die verbündeten Regierungen Abstand nehmen werden von der Verfolgung von Plänen, durch welche die Heranziehung aller wehrfähigen Mannschaften zum aktiven Dienst durchgeführt werden soll, indem dadurch dem Deutschen Reich geradezu unerschwingliche Kosten erwachsen müßten,

2) die Erwartung auszusprechen, daß die verbündeten Regierungen in eine etwaige weitere Vorlage behufs Abänderung des Gesetzes über die Friedenspräsenzstärke des Heeres unter Aufhebung der Fristbestim⸗ mung des Septennates das Etatsjahr als Bewilligungsfrist aufnehmen werden, während der Reichstag es sich vorbehält, auch bei sonstiger sich ergebender geeigneter Gelegenheit die Durchführung dieser Aende⸗ rung der Frist zur Geltung zu bringen,

Wetterbericht vom 13. Juni, Morgens 8 Uhr. 8

ö“

Regen.

Gewitter mit Niederschlägen. In Hamburg fielen

43 mm Regen und Hagel. Lesina meldet 21 mm.

3) die verbündeten Regierungen zu ersuchen, eine baldige Her minderung der thatsächlichen Präsenzzeit bei der aktiven Armee, sei es durch Verlängerung der Rekrutenvakanz, sei es durch Vermehrung der Dispositionsbeurlaubungen eintreten zu lassen, L“

4) die verbündeten Regierungen zu ersuchen, die Einführung der gesetzlichen zweijährigen Dienstzeit für die Fußtruppen in ernstliche Erwägung zu ziehen.

Die Arbeiterschutz⸗Kommission des Reichstages hat gestern 8 120 der Gewerbe⸗Novelle, welcher von den Fortbildungsschulen handelt, mit dem Zusatz, daß der Fort⸗ bildungsunterricht in die Arbeitszeit der jungen Männer fallen soll, angenommen.

aih ehe Theater und Musik. 8 188 Lessing⸗Theater.

Die für morgen angesetzte Wiederholung von Oscar Blumen⸗ thal's Lustspiel „Der Zaungast“ ist die vorletzte Vorstellung der Saison, während übermorgen mit der siebenundneunzigsten Auf⸗ führung von Hermann Sudermann's Schauspiel „Die Ehre“ die Thätigkeit des Lessing⸗Theaters für die Dauer von zwei Monaten ihren Abschluß findet. . 1.

Kroll's Theater.— vs

In der morgen stattfindenden Aufführung der „Entführung aus dem Serail“, in welcher Marcella Sembrich zum ersten Male die Constanze singt, ist der Partner Constanze's als Belmonte Hr. Cron⸗ berger, während Frl. Schacko als Blondchen auftritt. Den Osmin singt einer der geschätztesten Vertreter dieser berühmten Baßpartie, Hr. Riechmann, den Pedrillo Hr. Bussard.

EIöI

8 4211

gein tN Ac

d18 29 I IG tiges. E1161A4“ Mannigfal ige 116““ g Se. Königliche Hoheit der Kronprinz von Ita ien stattete heute Vormittag der Ersten Allgemeinen Deutschen Pferde⸗ ausstellung einen Besuch ab.

Das Seehospiz auf dem Kolberger Deep, eine Filial⸗ Anstalt des unter dem Protektorat Ihrer Majestät der Kaiserin stehenden Elisabeth⸗Kinderhospitals, wird, wie das „Dtsch. Tagebl.“ mittheilt, am 7. Juli eingeweiht und der Benutzung übergeben werden. Der 7. Juli ist zugleich der Geburtstag des Prinzen Eitel⸗Friedrich und für die Einweihung deshalb gewählt, E die erlauchte Protektorin in die von ihr dem Seehospiz geschenkte

ibel dieses Datum und zwar mit dem Spruch: „Was ihr gethan

veeeaneeeeeeeee Geaeeeee Sea kKeht ihr wir gethan

spricht der Herr!“ eingetragen hat.

Tausend Kinder gehen, wie die „Nat.⸗Ztg.“ mittheilt, am Montag, 5. Juli, in Ferienkolonien. Das Comits hat am Mittwoch den Reiseplan endgültig festgestellt. Von den wirklich Kranken gehen schon vorher, am 20. Juni, 8 Knaben und 20 Mädchen nach der Kinder⸗Kuranstalt Frankenhausen am Kyffhäuser und am 1. Juli ebenso viele nach der Kinder⸗Kuranstalt Harz⸗ burg. In Soolbäder werden gesandt 185 Knaben und 160 Mädchen, in Seebäder 190 Knaben und 200 Mädchen, in Stahl⸗ bäder 30 Mädchen, in Voll⸗Kolonien 160 Knaben und 200 Mädchen, in Berliner Soolbäder 86 Knaben und 100 Mädchen, in Berliner Ganztag⸗Kolonien 35 Mädchen und in Halb⸗Kolonien 389 Knaben und 561 Mädchen. Von gegen 4000 Kindern, welche die Vertrauens⸗ ärzte 1 hatten, hat das Comité 2300 Kinder zu berück⸗ sichtigen beschlossen. Dasselbe hofft noch auf die werkthätige Unter⸗ stützung seiner Mitbürger. Beiträge nimmt Hr. Banquier Simon, Neustädtische Kirchstraße 11, entgegen.

Für stotternde Schulkinder hält Hr. W. Presting, In⸗ haber des Berliner Sprachheil⸗Instituts, Königgrätzerstr. 112, in den Sommerferien einen Kursus ab, bei welchem Unbemittelten das Honorar den Verhältnissen nach ermäßigt wird resp. frei steht. Kinder von außerhalb erhalten vollständige Pension. Ausführliche Prospekte über Heilverfahren sind kostenfrei zu haben.

Der Brauerei⸗Maschinenmarkt und die Ausstellung für Trinkgefäße, welche der Verein „Versuchs⸗ und Lehr⸗ anstalt für Brauerei;“ in der großen Maschinenhalle des Landes⸗ ausstellungsparks veranstaltet hat, wird morgen früh um 9 Uhr er⸗ öffnet werden. Die Ausstellung ist die größte bisherige Spezial⸗

anstaltung für das Brauereigewerbe; insgesammt haben sich

115 Aussteller an ihr betheiligt.

Spandau, 13. Juni. (W. T. B.) Heute Nachmittag 12 Uhr fand in einem Trockengebäude in der neuen Pulverfabrik, in welchem 26 Faß Pulver lagerten, eine Explosion statt. Das Trockengebäude wurde vollständig verwüstet, eine größere Anzahl anderer Gebäude wurde stark beschädigt. In vielen Häusern wurden die Fenster zertrlüümmert. Von den Arbeitern haben mehrere durch herumfliegende Trümmer und Splitter leichte Verletzungen erlitten.

Stuttgart, 12. Juni. (St.⸗A. f. W.) Der Ehrenbürger⸗ brief der Stadt Stuttgart für den Fürsten Bismarck hat folgenden Wortlaut: 8 ““

„Wir Ober⸗Bürgermeister und Gemeinderäthe der Königlich württembergischen Haupt⸗ und Residenzstadt Stuttgart urkunden und bekennen hiemit, daß wir mit Zustimmung des Bürger⸗Ausschusses beschlossen haben: Sr. Durchlaucht dem Fürsten Bismarck, Herzog von Lauenburg, in dankbarer Anerkennung seiner unvergänglichen Verdienste um des geliebten deutschen Vaterlandes lang ersehnte Einigung und Festigung und in aufrichtiger Bewunderung seiner während des dermüldigsten Zeitabschnittes der deutschen Geschichte als Kanzler des Deutschen Reichs bewiesenen hohen Staatskunst, un⸗ erschütterlichen Thatkraft und echten deutschen Treue das Ehrenbürger⸗ recht der Stadt Stuttgart zu verleihen. In Vollziehung dieses Beschlusses ist die gegenwärtige Urkunde ausgefertigt, von uns unter⸗ zeichnet und mit dem großen Stadtsigill versehen worden. So ge⸗ schehen zu Stuttgart am 1. April Eintausend acht hundert neunzig. Ober⸗Bürgermeister und Gemeinderäthe.“ (Folgen die Unterschriften.)

Darauf ist folgender schriftlicher Dank eingetroffen: „Friedrichs⸗

rruh, den 9. Juni 1890. In der in Ihrem Auftrage von Hrn. Adolf

Schiedmayer mir übersandten geschmackvoll ausgeführten Adresse freue ich mich meine eigene Ueberzeugung bestätigt zu sehen, daß unsere wiedergewonnene nationale Einheit auf unerschütterlichen Grundlagen beruht. Ich freue mich, meinen Mitbürgern meinen verbindlichsten Dank für diese kunstvolle und ehrende Adresse hier demnächst mündlich aussprechen zu können. (gez.) v. Bismarck.“

MNaͤch Schluß der Redaktion eingegangene

9 1 München, 13. Juni. (W. T. B.) Nach dem zuletzt ausgegebenen Bulletin über das Befinden des Freiherrn von Lutz hatte derselbe eine weniger ruhige Nacht, doch stellte sich Schlaf ohne vorherige Anwendung von Morphium ein. Die Anschwellungen sind verschwunden, die Herzkraft zu⸗

Berlin, Freitag, den 13. Junmi

111“*“*“

Parlamentarische Nachrichten. 8

1 5 86

„Schluß des Berichts der gestrigen (15.) Sitzung des Reichstages. Fortsetzung der zweiten Berathung des Gesetz⸗ entwurfs, betreffend die Feststellung eines Nachtrags zum Reichshaushalts⸗Etat für 1890/91 (Ost⸗Afrika). Abg. Dr. Windthorst: Eine eingehende Würdigung der Vorlage ist schon deshalb nicht möglich, weil es an Mit⸗ theilungen darüber fehlt, was man nach dieser Forderung in Fukunft noch zu erwarten hat, und ob die in Frage stehenden esellschaften überhaupt lebensfähig sind und Aussicht vor⸗ handen ist, ob sie das übernehmen können, was wir jetzt tragen. Mein Standpunkt in Bezug auf die Kolonialpolitik ist und bleibt der, den der Fürst Bismarck seiner Zeit dar⸗ gelegt hat, daß wir durch Uebernahme der Hoheit einen Schutz für die Unternehmungen und für die Unternehmer über⸗ nehmen, aber keineswegs die Kosten. Man hat uns hingewiesen auf ähnliche Verhältnisse der englischen Kolonien, aber davon sehe ich hier nichts, sondern ich sehe hier die Entwickelung einer vom Staat verwalteten Kolonie, die Schaffung einer Provinz von einstweilen sehr primitivem Zustande. Deshalb würde ich von diesem Standpunkte eine Zurückweisung der Vorlage an die Kommission beantragen, wenn nicht der Staats⸗ sekretär des Auswärtigen Amts erklärt hätte, in der nächsten Session, die schon in einigen Monaten beginnen wird, sollte ein vollständiger Plan vorgelegt werden und es würde dann Feit sein, auf Grund dieses vollständigen Plans die weiteren eschlüsse zu fassen. Indem ich diese Erklärungen juristisch scharf acceptire, möchte ich darauf hinweisen, daß es sich nicht sowohl um neue Bewilligungen handelt, als um die Zahlung einer bereits kontrahirten Schuld. Ich kann es meinerseits nicht ablehnen, daß wir unsere kontrahirten Schulden bezahlen, und daß wir außerdem tedenfalls die Verhältnisse auf⸗

wesentlich auf unsere Marine zurückführen und in derselben außerordentlich große Erfordernisse verursacht haben. Es sind in den letzten Jahren ganz außerordentlich große, viel zu roße Bewilligungen für die Marine erfolgt. In diesem

ugenblick beschäftigen wir uns mit einer Militärvorlage, welche dem Lande schwere neue Lasten auferlegt. Werden die betreffenden Forderungen bewilligt, so sind sie für die Landarmee nosbeweadich gewesen. Auch hier zeigt sich wieder, was ich immer behauptet habe, daß Deutschlands Kraft nicht in der Marine, sondern im Landheere liegt. Wollen wir unsere Autorität bewahren, wie wir sie jetzt besitzen, so müssen wir eine starke Armee haben. Erfordern die Kon⸗ stellationen der Gegenwart solche ungeheure Rüstungen, wie sie gemacht werden, dann müssen wir auf allen anderen Gebieten uns auf das Aeußerste beschränken und auf den ursprünglichen Gedanken zurückkommen, daß die Flotte nur zu Defensiv⸗, nicht zu Eroberungszwecken da sein soll. Wir sind vollkommen in der Lage, allen Mächten gegenüber durch unsere Armee unsere Autorität aufrecht zu erhalten, aber wir haben nicht Menschen und nicht Geld genug, um eine Flotte zu unterhalten, wie sie etwa England oder Frankreich besitzen; eine Defensivflotte zur Ver⸗ theidigung unserer Küsten muß uns genügen. Darum erkläre ich schon jetzt, bei den großen neuen Anforderungen für die Landarmee können wir neue Forderungen für die Marine nicht in Aus⸗ sicht nehmen und die in Aussicht genommenen müssen wir soweit als irgend möglich beschränken. Das hängt mit den Kolonialfragen eng zusammen. Wir müssen nach allen Seiten prüfen, ob uns die Vergangenheit auf diesem Gebiet nicht schon zu stark hat vorgehen lassen. Diese Aeußerungen mögen manchen von Ihnen nicht angenehm sein, es hilft aber nichts. Die immerwährenden Neuforderungen berühren mich auch nicht angenehm. Die hier geforderte Bewilligung auszusprechen, wird mir nicht schwer, weil sie für mich die Folge früherer

zum 2 eutschen Reichs⸗Anzeiger und Königlich Preußischen Sta

No 141. .

v“ n““

8 1890.

eben der grundsätzliche Unterschied in unseren Anschauungen. Wir können nicht verlangen, daß schon jetzt bei den Geschäften in Afrika etwas verdient wird. Es stehen so große Interessen auf dem Spiele, daß dieser Standpunkt des Abg. Dohrn nicht erechtfertigt ist. Ganz entschieden protestiren muß ich gegen eine Aeußerung, zu welcher sich niemals ein Mitglied des englischen Parlaments hätte hinreißen lassen, daß die Regie⸗ rung aufgefordert werden solle, aufzuhören mit der fort⸗ dauernden Vergrößerung des Gebiets. Ein Blick auf die Landkarte zeigt, wie bescheiden unser Antheil an dem 18s kanischen Gebiet ist. Mit seiner Ansicht wird der Abg. Dohrn keine dauernde Zustimmung im deutschen Lande finden. Der Aufenthalt des Majors Liebert soll zu kurz gewesen sein, um ein Urtheil zu gewinnen. Ich weiß nicht, ob der Abg. Dohrn schon in der Lage gewesen ist, sich von der Schnelligkeit und Schneidigkeit der deutschen Offiziere zu überzeugen, mit welcher dieselben fremde Gegen⸗ den, z. B. Manöverterrains, Flußläufe u. dgl. zu beurtheilen in der Lage sind. Es hat mich das Resultat eines fünf⸗ wöchigen Aufenthalts eines deutschen Offiziers daselbst durch⸗ aus nicht befremdet. Ein anderer Offizier hätte sich ebenso ein authentisches Bild über die augenblickliche Lage machen können. Es ist für den Reichstag sehr wichtig gewesen, und wir sind der Regierung dafür dankbar, daß sie einen gänzlich Unbetheiligten, wie den Major Liebert, sich an Ort und Stelle hat orientiren lassen, damit er uns seine Erfahrungen mittheile. Was das Klima betrifft, so stelle ich der Autorität des Reisen⸗ den Fischer die des Geh. Rath von Bergmann entgegen, der noch vor wenigen Tagen sich dahin aussprach, daß in Ost⸗Afrika das gelbe Fieber nicht vorkomme. Am Missisippi herrschte früher auch ein ungesundes Klima und jetzt existiren dort große Städte mit Hunderttausenden von Einwohnern. Ost⸗Afrika ist

BEEA

n * rich. München, 13. Juni. (W. T. B.) Der Prinz⸗ Regent hat das zeitweilige Entlassungsgesuch des Geheimen Raths Dr. von Nußbaum unter Aleichfeitiger Verleihung des St. Michael⸗Verdienst⸗Ordens zweiter Klasse angenommen. Wien, 13. Juni. (W. T. B.) Wie die „Neue Freie Presse“ meldet, wurde der serbische Gesandte Simic Pestern in Pest von dem Kaiser zur Ueberreichung seiner eglaubigungsschreiben außerordentlich huldvoll empfangen.

Bern, 13. Juni. (W. T. B.) Der Ständerath hat einstimmig und der Nationalrath mit 112 gegen 2 St. den Antrag des Bundesraths auf Aufnahme eines neuen Artikels in die Bundesverfassung angenommen, wonach der Bund auf dem Wege der Gesetzgebung die Kranken⸗ und Unfallversicherung unter Berücksichtigung der bestehenden Krankenkassen einrichtet und den Beitritt zu der Versicherung allgemein oder für einzelne Bevölkerungsklassen obligatorisch erklären kann. Ueber diesen Antrag hat nunmehr noch die Volksabstimmung stattzufinden.

Konstantinopel, 13. Juni. (W. T. B.) Laut einer Meldung der „Agence de Constantinople“ hat die „Internatio⸗ nale Sanitätskommission“ die Gerüchte über den Ausbruch der Cholera in Djeziret (Klein⸗Asien) für un⸗ begründet erklärt. Es handele sich um Vergiftungs⸗ erscheinungen in Folge des Genusses von Pflanzen. 882

der Vorstellung 7 ½ Uhr.

Deutsche Seewarte Sonntag und folg. Tage:

Wind.

Wetter.

1 E11“ 8

in 0 Celsius

Temperatur SS)50 C. = 4R.

Bar. auf 0 Gr. u. d. Meeressp.

red. in Millim.

Mullaghmore Aberdeen. 768 Christiansund Kopenhagen. Stockholm. 758 Haparanda. St. Petersbrg. 7 Moskau ... 757

Cork, Queens⸗ town 767 Cherbourg. 762 Helder 759 Sylt 758 amburg . . 757 winemünde 756 Neufahrwasser 754 3 Nebel Memel .. 755 3 wolkig

Se .6 2 bedeckt 9 ünster.. . 758 2 halb bed. Karlsruhe .. 759 3 wolkig

Wiesbaden. 758 still heiter München. 760 88 5 bedeckt Chemnitz. 754 WSW 2 wolkig Berlin. 755 NW 3 Regen Wien 759 W 3 halb bed. Breslau. . 754 W 4 Regen

Ile d'Aix.. 765 NW 5 bedeckt 757 NNO FZ beiter 758 SW 1 wolkenlos

v“

3 bedeckt halb bed. halb bed. wolkig heiter 2 bedeckt bedeckt

halb bed.

haus. von G. Verdi.

22 &S 2RX

2—2 ̊ -— 10.

schlossen.

der Wildniß.

Sonntag:

Hierauf:

1) Von 1 bis 3 Nachmittags Gewitter. ²) Gestern Nachmittags starkes Gewitter mit starkem Regen und Hagelfall

Uebersicht der Witterung.

Ein barometrisches Maximum von etwa 770 mm. liegt westlich von den Britischen Inseln, eine um⸗ fangreiche Depression zwischen der Ostsee und dem Schwarzen Meere. Bei schwacher Luftbewegung ist das Wetter in Deutschland kühl und trübe. Im nordwestdeutschen Küstengebiet gestern Nachmittag

Die Ehre. Sudermann.

Wien.

Fvheater⸗Anzeigen.

Königliche Schauspiele. Sonnabend: Opern⸗ 144. Vorstellung. Text von Antonio Ghislanzoni, für die deutsche Bühne bearbeitet von Julius Schanz. Ballet von Paul Taglioni. Kahl. Anfang 7 Uhr.

Schauspielhaus. 149. Vorstellung. Don Carlos, Infant von Spanien. zügen von Schiller. In Scene gesetzt vom Direktor Dr. Otto Devrient. Anfang 7 Uhr.

Sonntag bleiben die

Beutsches Theater. Sonnabend: Der Sohn

Sonntag: Der Richter von Zalamea. Montag: Das Käthchen von Heilbronn.

Berliner Theater. Sonnabend: (Friedrich Ftttersefteh Gräfin Lea. (Ludwig Barnay.) Montag: Zum Doctor Wespe. wurzer.) Anfang 7 ½ Uhr.

Tessing -Theater. Sonnabend: Vorletzte Auf⸗ führung in dieser Saison. spic mgn von Jfcn 8endh Saif uu“

Sonntag: Letzte Aufführung in dieser Saison EWII Schauspiel in 4 Akten von Hermann Alliance-The

Wallner-Theater. Sonnabend: Gastspiel von Therese Biedermann vom Theater an der Wien in Zum 8. M. Vaudeville in 3 Akten und 4 Bildern von H. Meilhac und A. Millaud.

116“

Musik von C. A. Raida. Anfang 7 ½ Uhr. Sonntag:

Aida. Oper in 4 Akten

Dirigent: Kapellmeister

Trauerspiel in 5 Auf, Concert-Park.

Sonnabend:

Direktion:

Königlichen Theater ge⸗ und Julius Bauer.

In Scene gesetzt von Julius F Hr. Kapellmeister Knoll. Anfang

Künstler.

Im Park um 4 ½ Uhr:

Hamlet. Montag:

1. Male: Mein neuer Hut. Kroll's Theater. (Friedrich Mitter⸗ v cella Sembrich, als Gast.) wsSEKcaäglich: Bei sder Vorstellung, leuchtung des Sommergartens:

Der Zaungast. Lust⸗

105. Male: Der Nautilus.

Militär⸗Doppel⸗Concert. Spezialitäten. Garten⸗Etablissements. der Vorstellung 7 ½ Uhr.

Sonntag:

1“ 1“

ale: Mamsell Nitouche.

Musik von M. Hervé.

Vor der Vorstellung, bei günstiger Witterung: Großes Garten⸗Concert. Anfang des Concerts 6 ½,

Gastspiel von Therese Biedermann. Mamsell Nitouche.

Victoria-Theater. Sonnabend: Zum 298. M.: Stanley in Afrika. Zeitgemälde in 10 Bildern von Alex. Moszkowski und Richard Nathanson. Ballet von C. Severini.

Dieselbe Vorstellung.

Friedrich-Wilhelmstädtisches Theater und

Julius Fritzsche. Zum 148. Male: Jonathan. Operette in 3 Akten von Hugo Wittmann Musik von Carl Milllöcker. 8 Dirigent: tüta. on. 1h. Cncbhan

r. mit Frl. Margarethe Engelhardt (Hannover)

Im prachtvollen Park um 6 Uhr: 89 1 Fest (verbunden mit einer großen Freilotterie mit 30 Gewinnen), unter Mitwirkung von 3 Musik⸗Corps. Auftreten sämmtlicher Instrumental⸗ und Gesangs⸗

Sonntag: Im Theater: Der arme Jonathaun. 1 Großes Doppel⸗Concert. Dieselbe Vorstellung.

Sonnabend: führung aus dem Serail. (Constanze: Fr. Mar⸗

ünstigem Wetter vor und nach bends bei brillanter elektr. Be⸗ Großes Concert. Anfang 5 ½, der Vorstellung 7 Uhr.

ater. Sonnabend: Zum

Im prachtvollen glänzenden Sommergarten: Großes p Auftreten sämmtlicher Brillante Illumination des ganzen Anfang des Co

Dieselbe Vorstellung.

Krania, Anstalt für volksthümliche Naturkunde.

Am Landes⸗Ausstellungs⸗Park ees Bahnhof). Geöffnet von 12—11 Uhr. Täglich Vorstellung im ö Theater. Näheres die Anschlag⸗ zettel.

E1111 EAE1“

Verlobt: Frl. Helene Dölle mit Hrn. Albert Schur (Hamburg). Frl. Minna Bremeyer mit Hrn. Wilhelm Gremmel (Lachen—Gronau a. d. ee Leine). Frl. Melitta Greif mit Hrn. Richard IIH Göring (Krakau Magdeburg). Frl. Auguste Ließmann mit Hrn. Louis Busch (Osterode a. H. Harburg). F. Bertha Krause mit Hrn. Max Theuerkauf (Leipzig Volkmarsdorf). Verehelicht: Hr. Notar Emil Weitz mit Frl. Traudchen Schmitz (Kevelaer —Eckendorf). Hr. Robert Hidde mit Frl. Therese Wenzel (Ham⸗ burg). Hr. Dr. med. G. Werner mit Frl. Meta Korn (Berlin). Hr. Richard Schwechten

Der arme

Großes Park. Hr. Robert Berkling mit Frl. Bertha (Leipzig). Hr. Georg Schmuck mit Frl. Ermekeil (Berlin).

Geboren: Ein Sohn: Hrn. Franz Hesemann (Berlin). Hrn. Fritz Klähr (Berlin). Hrn. Stabsarzt Dr. Ostmann (Königsberg). Hrn. Kapitän⸗Lieutenant v. Klein (Berlin). Hrn. Dr. med. Döring (Kohren). Hrn. Paul Göldner (Leipzig). Eine Tochter:; 8 Fabrikbesitzer Oskar Keil (Agnetendorf i. Riesengeb.). Hrn. Georg Peters (Dom. Langenberg). Hrn. Prem.⸗ Lieutenant Lutteroth (Brandenburg a. H.).

Gestorben: Hr. Kaufmann Theodor Lange (Dall⸗ dorf). Hr. Rechtsanwalt Theodor Schroeder (Berlin). Hr. Rentier Wilhelm Meyer (Rostock). Hr. Rittergutsbesitzer Alexander Friedr. Kon⸗ stantin v. Mitschke⸗Collande (auf Groß⸗Butschkau).

Hr. Baumeister Ebeling (Braunschweig).

Frl. Hedwig van Baren (Berlin).

ischer

atalie

Die Ent⸗

Redacteur: Dr. H. Klee.

Verlag der Expedition (Scholz).

rts 6 Uhr, Anstalt, Berlin SW., Wilhelmstraße Nr. 32. 8 Sechs Beilagen

(einschließlich Börsen⸗Beilage).

Familien⸗Nachrichten.

Druck der Norddeutschen Buchdruckerei und Verlags⸗ 8

recht erhalten und fortführen, bis wir nach Vorlegung des in Aussicht gestellten Planes überlegen können, was weiter geschehen soll. In der ersten Berathung hat mein Freund aus der freisinnigen Partei, der am Konsequentesten die Kolonialpolitik angegriffen hat, gesagt, es müsse jedenfalls auch von ihm und seinen Freunden Das bewilligt werden, was nothwendig sei, um die Liquidation auszuführen. Jetzt hat der verehrte Herr diese ganze Sache doch etwas radikaler genommen und gesagt, er würde kein Bedenken tragen, alle Munition u. s. w. in Afrika zu lassen, die Sache ganz auf⸗ zugeben und die Kolonie ihrem Schicksal zu überlassen. Auf diesem Wege kann ich ihm doch unter keinen Umständen folgen. Der Abg. Haußmann hat nach meiner Meinung nicht recht konsequent gehandelt; das kann jedenfalls bei einer Jungfernrede vorkommen. Er will auch mit dabei sein, um die Kultur in Ost⸗Afrika zu verbreiten, er will aber dafür kein Geld bewilligen. Ich kann mir ein gänz⸗ liches Aufgeben der Kolonie nur denken, wenn die absoluteste Noth uns dazu zwingt. Die Sache jetzt aufgeben, heißt den deutschen Namen nicht allein in Afrika, sondern auch in Europa wesentlich herabsetzen. Allerdings wäre es vielleicht besser gewesen, wir hätten dort gar nichts angefangen. Aber nicht allein was auf dem materiellen Gebiet in Frage steht, ist zu berücksichtigen, es sind auch die kulturellen Ziele und Zwecke recht fest ins Auge zu fassen, und nach meiner Meinung ist auch hier bereits Erhebliches erreicht. Die Be⸗ kämpfung des Sklavenhandels ist ein schönes Ziel; gerade der deutschen Nation steht es besonders gut an, auch hier mit⸗ zuhelfen, um der Sklaverei dort endlich ein Ende zu machen. uf diesem Wege hat bereits Einiges erreicht werden können; nicht minder auf dem Wege der Verbreitung der Kultur, die ja auch der Kollege Haußmann verbreitet sehen will, ohne freilich seinerseits Mittel aufzuwenden. Noch mehr wird in dieser Richtung erreicht werden, wenn unsere Missionare erst wieder se sten Boden gefaßt haben und ihre Thätigkeit wieder werden aufnehmen können. Ueber diese wichtige Frage hat Hr. Haußmann ganz geschwiegen, und doch sind die Missionare die einzigen, welche dort Kulturzwecke ver⸗ folgen können und verfolgt haben. Die Engländer haben diesen Theil der kolonisatorischen Bestrebungen stets besonders gepflegt. Leider wird hier, was Noth thut, auch von den verbündeten Regierungen nicht genug beachtet. In Ost⸗Afrika 8 die Congo⸗Akte; danach müßten die Missionare aller Nationen, aller Kulte eingelassen werden. Nun wird man ja auch nach den offiziellen lärungen den deutschen Missionen Hindernisse nicht entgegensetzen; aber von da bis zum Be⸗ fördern ist noch ein weiter Schritt. Ich meine, die Förderun könnte aktiv fester und kräftiger geschehen. Ich wünsche, da man es nicht hindere, in Deutschland die Pflanzstätten zu gründen und auszubilden, in denen Missionare vorgebildet werden können. Seit vielen Jahren haben die Väter vom Heiligen Geiste in diesem Kampf auf unserer Seite gestanden, sie haben uns dort wirkungsvoll unterstützt. Diese Gesellschaft wünscht, um eine genügende Zahl von deutschen Missionaren dorthin zu bekommen, in Deutschland ein Institut zu gründen. Es ist in Münster Alles bereit, das Fehtttne aufzunehmen, aber die Väter vom Heiligen Geiste bekommen dazu die Er⸗ laubniß nicht. Wenn unsere Landsleute in Ost⸗Afrika das hören und sich vergegenwärtigen, was sie von früher her und jetzt diesen Vätern verdanken, werden 19 sich wundern, daß es möglich ist, daß ihnen in Deutschland derartige Schwierig⸗ keiten gemacht werden. Ich bitte den Herrn Staatssekretär des Auswärtigen, daß er sich dazu hat er ja ein Recht einmal in Preußen ein wenig umsieht und auf diesem Gebiet Wandel schafft, die Engherzigkeit entfernt, die hier bisher geherrscht hat. Haben wir so große Pläne, wollen wir wirkich so großartige Ideen zur Ausführung bringen, dann müssen diese kleinen und engen Auffassungen fallen, dann muß der Dunst aus den Streitigkeiten des Kulturkampfs beseitigt werden. Major Wissmann ist unterwegs, wir werden ihn vielleicht noch begrüßen können und er wird meine Worte bestätigen. Natürlich müssen den Evangelischen ganz dieselben Rechte ge⸗ werden, nach jeder Richtung werden wir sie unter⸗ tützen; sie müssen uns nur sagen, wo und wie wir es können. Mit diesem Vorbehalt spreche ich meine Zustimmung zu dieser allerdings unerwartet hohen Ausgabe aus. Für die Zukunft

muß man um so ängstlicher sein, als alle diese Verhältnisse

Handlungen ist, und ich damit die Schulden zahle, die ich selbst kontrahirt habe. Ich habe die Frage nüchterner be⸗ handelt, während viele meiner Freunde hier im Hause und auswärts für die Sache begeistert sind. Ich bitte diese um Entschuldigung, daß ich so nüchtern war, es handelt sich eben um Geldsachen.

Abg. Dr. von Frege: Die Ueberweisung der Vorlage an die Kommission ist keineswegs vergeblich gewesen, denn es sind uns in der Kommission genaue und auch sekrete Mit⸗ theilungen über verschiedene Fragen gemacht worden. Wir haben daraus erfahren, daß die Regierung jede einzelne Position vertreten kann, und haben auch gehört, daß uns in der nächsten Session ein Programm über die zukünftige Ge⸗ staltung in Ost⸗Afrika gemacht werden wird. Bei der ganzen Verhandlung am Montag ist von der Bibel kein Wort worden, und daher freut es mich, daß heute der

bg. Windthorst neben der materiellen Aufgabe Deutschlands in Ost⸗Afrita auch die ebenso wichtige Frage des Christenthums und der Unterdrückung des Sklavenhandels berührt und für das gleichmäßige Wirken der Missionare beider Konfessionen eingetreten ist. Ich stehe auf demselben Standpunkt und erwarte, daß auch die evangelischen Missionare sich jeder Rivalität gegenüber ihren katholischen Amtsgenossen enthalten werden. Ueberrascht hat mich, daß der Abg. Goldschmidt, der sonst in Kolonialfragen mit uns gegangen ist, mit einem Male eine Frontveränderung gemacht hat. Sollte diese etwa dem Wunsche nach Einigkeit in seiner Fraktion entsprungen sein, um die große Einigkeit in der deutschfreisinnigen Fraktion zu doku⸗ mentiren? Hat er deswegen seine bessere Ansicht dem Fraktions⸗ interesse untergeordnet? Ich hoffe aber, daß er aus einem abtrünnigen Saulus wieder ein kolonialpolitischer Paulus werden wird. Der Abg. Goldschmidt stand in vollkommenem Widerspruch mit dem Abg. Barth; der Erstere will die Vor⸗ lage ablehnen, weil nach den Ausführungen des Reichskanzlers von Caprivi der frühere Rahmen der Kolonialpolitik über⸗ schritten sei; und der . Barth meinte in der Kommission, weil Hr. von Caprivi kein Kolonialschwärmer sei, sei keine Veranlassung, diese Politik fortzusetzen. Nach den klaren Worten des Reichskanzlers und des Staatssekretärs ist die Auf⸗ abe der Regierung in Ost⸗Afrika zunächst die gewesen, den Auf⸗ stand überall mit Energie zu unterdrücken; und das ist in überraschend kurzer Zeit zur Bewunderung des gesammten Auslandes gelungen. Major Wissmann hat nicht nur den Norden pazifizirt, sondern auch im Süden große Erfolge ge⸗ habt. Daß man sich nach solchen Erfolgen zurückziehen soll, wird Niemand, der einmal einen Feldzug mitgemacht hat, ver⸗ stehen. Ich weise auf die große materielle Unterstützung der Kolonialpolitik und die jetzige patriotische Erhebung für die⸗ selbe in England hin. Als aber vor zwei, drei Jahren der zu früh verstorbene Reisende Flegel nach Deutschland kam und an sehr vielen Thüren anklopfte, um Interesse für die Benueküste zu erwirken und, nachdem er einen ganz minimalen Erfolg endlich erzielt hatte, wieder dorthin zurückkehrte, waren die Engländer bereits an der Küste vorgegangen. Soll es auch in Ost⸗Afrika wieder heißen, daß die wüg. F zu spät gekommen sind? Es giebt schlechterdings keine andere Stelle, welche der deutschen Nation offen steht, und Ost⸗Afrika ist die land, an der Erschließung des ganzen Welttheils Theil zu nehmen. Mit den Worten des Abg. Goldschmidt, daß die Initiative muthigen Kaufleuten überlassen bleiben solle, bin ich ganz einverstanden, aber seinen Schlußfolgerungen daraus kann ich nicht zustimmen. Wenn der große Einigungs⸗ prozeß in der deutschfreisinnigen Partei weiter gediehen ist, wird 8928 wohl der Abg. Goldschmidt wieder auf seinen früheren Standpunkt in Kolonialfragen zurückkommen. Die Bedenken des Abg. Dohrn über die Leistungsfähigkeit der Ostafrikanischen Gesellschaft sind bereits durch die Widerlegung des Grafen Mirbach erledigt worden. Ich wünsche, daß der altbewährte Sinn, der früher die deutschen Kaufleute zu proßen überseeischen Unternehmungen veranlaßt hat, fort⸗ estehen möge, daß man sich aber nicht hinter anonyme Gesell⸗ schaften stellt, sondern daß einzelne potente Kaufleute Interesse für Ost⸗Afrika gewinnen. Sehr beklagen muß ich die Aeußerung des Abg. Dohrn, daß es bei der Betrachtung der Aus⸗ und Ein⸗ fuhr in Ost⸗Afrika nicht auf das Quantum der Waaren an⸗ komme, sondern darauf, was dabei verdient werde. Das ist

letzte Handhabe für Deutsch⸗

nicht ungünstiger äãls andere Tröpenländer, und durch paffende Einrichtungen läßt sich das Klima sumpfiger Gegenden ver⸗ bessern. Von einer so erschreckenden Finanzlage des Reichs, wie sie am Montag auf der linken Seite geschildert ist, habe ich nichts bemerken können. Vergessen Sie denn die großen Ueberweisungen aus dem Reichsbudget an die Einzelstaaten? Umsomehr bin ich überrascht, daß die Freisinnigen die Auf⸗ hebung der Zölle beantragen, deren Erträge wir doch nicht entbehren können. Warum haben Sie nicht in Preußen schon längst das mobile Kapital mehr zur Steuer herangezogen, wie wir es in Sachsen durch unsere mustergültige Einkommen⸗ steuer gethan haben, durch welche das Großkapital wie jedes andere fundirte Einkommen richtig herangezogen wird? Die Aus⸗ führungen des Abg. Haußmann haben mich lebhaft an die Ver⸗ andlungen des Parlaments in Stuttgart von 1849 erinnert. Hr. Haußmann verlangte ein klares und deutliches Programm von der Regierung, deren Politik jetzt nebelhaft und ver⸗ schwommen sei. Das Stuttgarter Parlament entwarf große Programme, die aber so nebelhaft und verschwommen waren, daß das deutsche Volk nichts damit machen konnte. Jetzt ist es anders; wir werden erst handeln und dann reden. Gerade aus Süddeutschland sind die Ansichten des Abg. Haußmann verwunderlich, denn gerade die Süddeutschen haben ein warmes Bewußtsein für die nationalen Aufgaben des geeinten Deutschen Reichs und erkennen besonders dankbar die Wahl des jetzigen Staatssekretärs des Auswärtigen Amts an. Ich bin über⸗ zeugt, daß in der Heimath der altberühmten Kaufmanns⸗ geschlechter der Fugger und Welser man diesen Standpunkt nicht verstehen wird. Der Abg. Bamberger sagt, durch die Kommissionsberathungen wäre man nicht klüger geworden. Ich glaube allerdings, daß er in diesen Fragen so vor⸗ eingenommen in seinen Anschauungen ist, daß keine Kommis⸗ sionsberathung ihn davon abbringen könnte. Wenn der Abg. Bamberger die ganze Arbeit des deutschen Handelsstandes auf den Profit zurückführt, so haben wir eine viel höhere Mei⸗ nung von dem deutschen Handelsstande. Ich bin mit deutschen Handelsreisenden auch sehr bekannt, allerdings nur mit christ⸗ lichen, und die sind vielleicht heute nicht mehr maßgebend. Wir haben eine Pflicht gegenüber der Zukunft zu erfüllen. Der Abg. Bamberger ist als Junggeselle in dieser Beziehung vielleicht Irrthümern unterworfen. Ein großer Kaufmann sagte einmal, wo in einer Familie fünf Söhne sind, müßte mindestens einer in überseeischen Geschäften sein. Wieviel bedeutungsvoller steht die deutsche Nation im Auslande da, wenn die deutsche Intelligenz im Auslande Verwerthung findet! Wesentliche Faktoren der hohen wirthschaftlichen Entwickelung Nord⸗Amerikas sind auf deutschen Ur⸗ sprung zurückzuführen. In Ost⸗Afrika kann man natür⸗ lich nicht schon für die nächsten Jahre ein großes Kon⸗ sumptionsgebiet schaffen, aber wir müssen über unsere fünf⸗ jährige Mandatsdauer hinausschauen, was der Abg. Bam⸗ berger allerdings nicht thun zu können scheint. Wir denken darüber anders und wollen auch für eine fernere Zukunft den Grund legen. Das Risiko, welches angeblich das deutsche Kapital in Ost⸗Afrika zu übernehmen fürchtet, ist lange nicht so groß, als das Risiko bei der großen ostindischen Compagnie. Zu Ende des vorigen Jahrhunderts war die Anlage des Kapitals in Nord⸗Amerika geradezu leichtsinnig, heute hat sich der Spieß geradezu umgekehrt. Es ist nicht zu leugnen, daß sich Ost⸗Afrika später zu einem Absatzgebiet für die deutsche Industrie entwickeln kann. Was der Abg. Haußmann über Italien gesagt hat, kann ich nicht gelten lassen. In Italien denkt man sogar daran, in Abessynien landwirthschaftliche Kolo⸗ nien anzulegen. An derartige Unternehmungen denkt in Deutschland Niemand, wohl aber daran, daß man der Industrie, dem Handel und Verkehr Absatz verschafft. Der Abg. Bam⸗ berger hat so vorsichtig er sonst in seinen Kauserien ist, doch die große Unvorsichtigkeit begangen, von einer reaktionären Schutzzoll⸗ und Kolonialpolitik des früheren Reichskanzlers zu sprechen. Zu den unsterblichen Verdiensten des großen Staats⸗ mannes gehört auch der Umschwung der Zoll⸗ und Wirth⸗ schaftspolitik am Ende der 70er Jahre; denn nur durch diefe Politik sind wir in den Stand gesetzt, die sozialpolitischen Aufgaben zu lösen. Der Zeitpunkt, wo man in Amerika zu einem extremen Schutzzoll üͤberzugehen geneigt ist und wo in Frankreich und der Schweiz wieder einzelne Zölle erhöht werden, wäre am Wenigsten geeignet, an

m guten, festen