lage gestimmt. Das werde im Auslande einen guten Eindruck machen. Für die Sicherheit des Landes, für welche die Nachbarländer so große Aufwendungen machten, dürfe auch Deutschland keine Ausgabe scheuen. Jeder Bürger und Bauer trage gern die Lasten der Versicherung gegen Feuers⸗ pefahr, warum sollte das Deutsche Reich nicht die Kosten der ersicherung gegen Kriegsgefahr tragen? Wenn Frankreich trotz der Kriegskosten und Kriegsentschädigung so stark ge⸗ rüstet sei, so könnte und müßte auch Deutschland dazu im Stande sein. Eine Vermehrung der Friedenspräsenz sei durchaus nicht eine Vorbereitung zum Kriege. Die Kriegsverwaltung dürfe aber nicht außer Acht lassen, daß das Volk allgemein die zweijahrige Dienstzeit verlange. Die höchsten Autoritäten hätten sich dahin ausgesprochen, daß die Soldaten des dritten Jahres am wenigsten lenkbar seien, weil sie den Dienst bereits voll⸗ ständig gelernt. Unsere Bundesgenossen machten die Ver⸗ stärkung der eigenen Macht nicht überflüssig. Deutschland müßte sich vor Allem auf die Schärfe des eigenen Schwertes verlassen können. In ernstliche Erwägung müßte indessen eine allgemeine Reduzirung der Rüstungen genommen werden, die sonst die gesammten europäischen Verhältnisse untergrüben. Hoffentlich werde das Mittel dazu gefunden werden, und zwar ehe es zu spät sei.
Abg. Rickert polemisirte gegen die Ausführungen der Abgg. von Kardorff und von Bennigsen in zweiter Lesung. Gegenüber einer Mehrheit im Reichstage, die mit Ent⸗ schiedenheit Kompensationen für die Bewilligung der Vorlage verlangt hätte, würden solche von der Regierung sehr wohl zu erlangen gewesen sein. Wenn unbedingte Annahme der militärischen Vorlagen vom Reichstage verlangt werde, so sei es besser, den Reichstag zu schließen. Der⸗ selbe diene dann lediglich zur Deckung der Regierung, während es seine Aufgabe sei, mitzubestimmen. Die Frei⸗ sinnigen hätten sogar auf die Prüfung der Nothwendig⸗ keit der neuen Forderungen verzichten wollen, wenn nur auf der anderen Seite die Erleichterungen, die möglich seien, gewährt worden seien. Leider habe cie Regierung auch von der geringsten Konzession nichts wissen wollen. Für die offene Entwickelung der Zukunftspläne verdiene der Reichskanzler und der Kriegs⸗Minister Dank, und es sei nicht zu verstehen, warum der Abg. von Bennigsen den Kriegs⸗Minister deshalb angegriffen habe. Bezüglich der finanziellen Lage und Besteuerung Englands im Verhältniß zu Deutschland hielt Redner die Behauptung zweiter Lesung aufrecht. Die Behauptung der Abg. von Bennigsen, daß neue Steuern zur Ausführung der Militärvorlage nicht nöthig seien, stehe im Widerspruch mit der Erklärung des Schatzsekretärs in der Kommission. Die Forderungen, die die freisinnige Partei an die Annahme der Vorlage geknüpft, würden in Zukunft allgemeine An⸗ erkennung finden. Wegen abweichender Meinungen sollte man niemals den Patriotismus der anders Urtheilenden verdäch⸗ tigen. Nur im ehrlichen Kampfe der Meinungen sei ein glückliches Resultat für das Vaterland und seine Zukunft zu erwarkten.
Staatssekretär Freiherr von Maltzahn legte noch einmal dem Abg. Rickert gegenüber im Einzelnen die finanziellen Verhältnisse dar, widerlegte die Behaup⸗ tungen desselben in dieser Hinsicht und wies auf das Ergebniß der Finanzpolitik der letzten 10 Jahre hin, welches sich darin darstelle, daß, während 1878/79 die Einzel⸗ staaten an das Reich 76 Millionen Mark zu zahlen gehabt 1889/90 nach voller Deckung des eigenen Bedarfs das eich den Einzelstaaten nach Abzug der Matrikularbeiträge noch 138 Millionen überweise.
Abg. von Friesen erklärte sich für die Vorlage, wie⸗ wohl dieselbe im Sachsenlande große Aufregung ver⸗ ursacht habe. Die Mächte internationalen Charakters, die Haß und Mißtrauen säeten, gefährdeten neben der Börse den Frieden der Völker. So lange deren
Einfluß fortbestehe, könne auch an eine Abrüstung nicht ge⸗ V
dacht werden. für die Vermehrung der Artillerie, die durch
Verstärkung dieser Waffe in den Nachbarstaaten geboten sei,
sprächen auch humanitäre Rücksichten; denn je weniger Ar⸗ tillerie man habe, desto mehr Infanterie müsse geopfert werden. Die Vorlage zu bewilligen, bevor die Einnahme dazu gegeben, sei nicht unkonstitutionell. Erst müsse man die nothwendigen Ausgaben feststellen und dann sehe man sich nach der Deckung um. Die Opfer, die nöthig seien für die Sicherheit des Reichs, würden vom deutschen Volke mit Freuden aufgebracht. 2 sei auch reich genug, diese Lasten tragen zu onnen.
Ein Antrag auf Schluß der Generaldiskussion wurde ab⸗ gelehnt. (Schluß des Blattes.)
(Der Schlußbericht über die gestrige Sitzung des Reichs⸗ tages befindet sich in der Ersten Beilage.)
E88 ZI“ 1114121 * “ gunst und Wissenschaft. A““
*☛ Bekanntlich sind für die Erwerbungen der König⸗ lichen Museen in Berlin drei Neubauten geplant, von denen zwei, nämlich derjenige für die antiken Originalskulpturen einschließlich der pergamenischen Funde und der für die Gemälde⸗ und Skulpturensammlungen der christlichen Epoche bestimmte auf der eigentlichen Museums⸗Insel ihre Stelle finden sollen, während das Museum der Gypsabgüsse jenseits der Spree wesentlich auf dem durch Niederlegung der Speicher vS G undstück gedacht ist. Die Entwürfe der damit eauftragten Architekten, Professor Fr. Wolff, Hof⸗Baurath Ihne und Baurath Schwechten, haben die Spezialkommission passirt, welche aus Kommissaren des Ministeriums für die geistlichen ꝛc. Angelegenheiten, des Ministeriums der öffent⸗ lichen Arbeiten und der Generalverwaltung der Königlichen
Museen zusammengesetzt war. Die Pläne liegen gegenwärtig der Akademie des Bauwesens zur gutachtlichen Aeußerung vor. Diese wird in allernächster Zeit erwartet, sodaß alsdann voraussichtlich die eigentlichen Projektirungs⸗Arbeiten beginnen können.
— Die Akademie der Wissenschaften in Berlin hat laut Mittheilung der „Nat⸗Ztg.“ in diesem Monat 28 050 ℳ zu wissenschaftlichen Unternehmungen bewilligt. Von Seiten der philosophisch⸗historischen Klasse wurden bestimmt: 6000 ℳ für die Herausgabe der politischen Korrespondenz und der Staatsschriften Friedrich's des Großen, 5000 ℳ zur Herausgabe der Kommentatoren des Aristoteles, 3000 ℳ zu ferneren Vorarbeiten für eine Publikation der antiken Münzen Moesiens und Thrakiens, 3000 ℳ für die Supple⸗ mente zum Corpus inscriptionum Latinarum, 1000 ℳ zur Herstellung einer Prosopographie der römischen Kaiserzeit, 3000 ℳ zur Fortfüh⸗ rung des Corpus inscriptionum Graecarum. Die phvsikalisch⸗mathe⸗ matische Klasse bewilligte 1500 ℳ der Deutschen anatomischen Ge⸗ sellschaft als Beihülfe zur Herausgabe einer einheitlichen anatomischen Terminologie, 1200 ℳ an Professor Dames in Berlin zu einer geologischen Untersuchung der Insel Gotland und Darle⸗ karliens, 1200 ℳ an Professor Urban in Berlin für eine Reise nach Paris zum Zwecke des Studiums der dort be⸗ findlichen Exemplare der westindischen Flora, 1200 ℳ an Dr F. Rinne hierselbst zur Untersuchung der mitteldeutschen Basalte, 1500 ℳ an die Verlagsanstalt von Max Cohen u Sohn in Bonn als Zuschuß zur Herausgabe der von Prof. Nußbaum mit Unter⸗ stützung der Akademie ausgeführten Untersuchung über die kalifornischen Cirrhipedien, 450 ℳ an die Buchhandlung von Wilhelm Engelmann⸗ Leipzig als Beihülfe zur Herausgabe eines Werkes von Dr. K. Schu⸗ mann in Berlin über den Blüthenanschluß. 8
8 8 Literatur. v““ 8
Das neue Werk Stanley's: „Im dunkelsten Afrika“ ist, wie „W. T. B“ aus Leipzig meldet, heute gleichzeitig in zehn Sprachen zur Ausgabe gelangt.
FTyheater und Musik.
Deutsches Theater. .“ Morgen und übermorgen finden die beiden letzten Vorstellungen vor Schluß der Saison statt und zwar wird morgen „Der Unter⸗
„Der Richter von
Berliner Theater.
Die am 1. und 2. Juli stattfindenden Studenten⸗Aufführungen von „Brutus und Collatinus“ erregen, wie die zahlreich eingehenden Billetbestellungen beweisen, ein sehr weitgehendes Interesse. Außer zahlreichen hoben Gästen, die ihr Erscheinen zugesagt haben, wird die Studentenschaft durch Chargirte in Wichs vertreten sein. Das Protektorat über diese Vorstellungen hat Se. Hoheit der Erbprinz von Sachsen⸗Meiningen übernommen.
Das Repertsire vom 29. Juni bis 6. Juli lautet: Sonntag: „Kean“ (Barnav). Montag: „Der Probepfeil“ (Barnay, Mitter⸗ wurzer) Dienstag: Studenten⸗Aufführungen. Mittwoch: „Brutus und Collatinus“. Donnerstag: „Der Veilchenfresser“. Freitag: „Otbello-“. Sonnabend: „Cornelius Voß Sonntag: „Der Veilchenfresser“. Die Spielzeit ist bis Mitte Juli verlängert.
Wallner⸗Theater
Die Vorstellungen von „Mamsell’ Nitouche“ mit Therese Bieder⸗ mann als Gast erfreuten sich auch in der abgelaufenen Woche des regsten Besuchs und beifälligster Aufnahme. Am Dienstag feiert diese zugkräftige Novität bereits das Jubiläum der 25. Aufführung.
Victoria⸗Theater.
Das Victoria⸗Theater hatte in letzter Woche sich eines sehr regen Verkehrs zu erfreuen. Die 310. Aufführung von „Stanley in Afrika“ am Donnerstag wurde von mehreren Herren der hier anwesenden ost⸗ afrikanischen Expedition besucht. Auch die amerikanischen Schützen besuchen bereits fleißig die Vorstellungen des beliebten Aus⸗
stattungsstücks. b Belle⸗Alliance⸗Theater Morgen findet wieder ein sogenannter „billiger Sonntag“ stat:
Staatssekretär“ und übermorgen Zalamea“
gegeben.
Ihre Majestät die Kaiserin Friedrich, ist der „B. B.⸗ Ztg.“ zufolge, um die Uebernahme des Protektorats über den in Friedenau auszuführenden Kirchenbau gebeten worden und hat sie zugesagt. Die Kirche soll auf dem Friedrich⸗Wilhelmsplatz erbaut werden, welcher unweit der Ringbahnstation Friedenau liegt und mit schönsten Eichen⸗ und Lindenbäumen bestanden ist.
Depeschen. b-
Aachen, 28. Juni. (W. T B.) Die Handels⸗ kammer für Aachen und Burtscheid hat beschlossen, zum Schutze der durch die Mc. Kinley⸗Bill schwer bedrohten Textil⸗ und Nadelindustrie eine Eingabe an den Handels⸗Minister zu richten.
Sheerness, 28. Juni. (W. T. B.) Ihre Majestät die Kaiserin Friedrich ist heute Vormittag mit den Prinzessinnen Töchtern an Bord der Königlichen Nacht „Victoria and Albert“ hier eingetroffen und bei der Landung von dem Herzog von Connaught sowie dem deutschen Botschafter Grafen von Hatzfeldt begrüßt worden. Die Höchsten Herrschaften setzten alsbald mittels Extrazuges die Reise nach Windsor fort.
Paris, 28. Juni. (W. T. B.) In der heutigen Sitzung des Ministerraths verkündete der Minister des Innern Constans, daß der General⸗Gouverneur von Algerien auf Anrathen des obersten Gesundheitsraths für dieses Jahr die Pilgerfahrt nach Mekka untersagt behn Diese Maßregel wird sich auch auf Tunis aus⸗ ehnen.
St. Petersburg, 28. Juni. (W. T. B.) Einem aus Wladiwostok hier eingetroffenen Telegramm zufolge trafen dort zwei chinesische Beamte mit englischen Inge⸗ nieuren ein, welche Terrainstudien zum Bau einer Eisen⸗ bahn durch die Mongolei anstellten. Dieselben erklärten, die chinesische Regierung beabsichtige, die Lösung der Frage vetreffs des Eisenbahnbaues nach der russischen Grenze zu be⸗
eunigen.
8
8 82
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Wetterbericht vom 28. Juni, Morgens 8 Uhr.
Temperatur
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Wetter.
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Wind. I Anfang 7 Uhr.
ar. auf 0 Gr d. Meeressp
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Stationen. I 1
red. in N
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Mullaghmore 757 Anfang 7 Uhr.
Aberdeen. 756 NW 2 wolkig Christiansund 751 NNO 3 bedeckt Kopenhagen. 753 WSW 3 bedeckt Stockholm. 749 OSO 4 wolkig Haparanda . 752 still halb bed. St. Petersb. 752 1 bedeckt Moskau . 751 1 bedeckt
Cork, Queens⸗ TTLT111“ 3 halb bed. Cherbourg . 760 2 wolki 31,198⸗ 111 2 halb bed. I1I 3 wolkig Hamburg ö126 4 heiter ¹) Swinemünde 757 4 heiter²) Neufahrwasser 756 3 heiters) Memel . 754 4 beiter 1 bedeckt
Pheha. 6768
ünster.. 759 5 bedeckt Karlsruhe. 761 2 wolkig Wiesbaden . 760 WniW Abhalb bed. Mänchen 761 SO I2 wolkig Chemnitz 759 S 2 wolkig Berlin.... 758 WSW A heiter Wien... 760 still bedeckt Breslau 760 W 2 wolkenlos
Jle d'Sr.. 763 WNW 3 bedeckt Nina. .760
NO 2 wolkig
1) Nachmittags Gewitter und Regen. ²) Abends
Gewitter. ³) Nachmittags starker Regen. Uebersicht der Witterung.
Ein tiefes Minimum von etwa 745 mm liegt von über den schwedischen Seen, am höchsten ist der Luftdruck über 763 mm über dem Bißscayischen Busen. Bei leichter bis frischer meist südlicher bis westlicher Luftbewegung ist das Wetter in Central⸗ Europa vielfach heiter und meist kühl. In Deutsch⸗ land sowie in West⸗Oesterreich fanden vielfach Ge⸗ witter statt. Prag meldet 27 mm Regen.
1“ Deutsche Seewarte.
WNW 1 wolkig
staatssekretär.
Monta wurzer.
Zweck.
Wien. und A. Millaud.
Biedermann.
Anfang 7 ½ Uhr.
Sonntag:
Theater⸗Anzeigen.
——— Aßnigliche Schauspiele. 158. Vorstellung. von R. Wagner.
Letzte Vorstellung vor den Ferien. Schauspielhaus. 1. Trauerspiel in 5 Akten von Schiller. 8 Kroll's Theater. Sonntag: Die Favoritin.
1 (Leonore: Fr. Angelina Luger, als Gast.)
Manrer und Schlosser. ’ Gastspiel von Fr. Luger. 8 Mittwoch: Erstes Auftreten des Hrn. Heinrich
Letzte Vorstellung vor den Ferien.
Deutsches Theater. Sonntag:
Montag: Letzte Vorstellung in dieser Saison. Der Richter von Zalamea.
In den Monaten Juli und August bleibt das „Deutsche Theater“ geschlossen.
2 E“ Berliner Theater. Sonntag: Kean. 2 Der Probepfeil. er. Ludwig Barnay.) Dienstag: Studenten⸗Aufführung zum wohlthätigen
Brutus und Collatinus.
Anfang 7 ½ Uhr. 1
Wallner-Theater. Sonntag:
Therese Biedermann vom Theater an der Wien in Zum 23. Male: Vaudevilile in 3 Akten und 4 Bildern von H. Meilhac
Vor der Vorstellung, bei günstiger Witterung: Großes Garten⸗Concert. der Vorstellung 7 ½ Uhr.
Montag u. folg. Tage: Mamsell Nitouche.
ictoria-Theater. Stanley in Afrika. Zeitgemuaͤlde in 10 Bildern — Alex. Moszkowski und Musik von C. A. Raida.
Montag: Dieselbe Vorstellung.
Friedrich-Wilhelmstädtisches Theater und Concert-Park.
Zum 163 “ Jonathan. Operette in 3 Akten von Hugo Wittmandn
und Julius Bauer. Sonntag: Opern⸗ Hr. Kapellmeister Knoll Die Walküre in 3 Akten
Dirigent: Kapellmeister Sucher. Concert.
Gesangs⸗Künstler. Montag:
Im Park:
163. Vorstellung. Wallen⸗
8 K Montag: Der Unter⸗ Dienstag:
Bötel. Der Troubadour.
leuchtung des Sommergartens:
28 ““
Vorstellungen 7 Uhr.
(Friedr. Mitter⸗
120. Male: Der Nantilus. Militär „Doppel⸗Concert.
Spezialitäten. Garten⸗Etablissements. der Vorstellung 7 ½ Ubr
Mamsell Nitouche. Montag: Dieselbe Vorstellung.
Musik von M. Hervé.
Anfang des Concerts 6 ½,
Im Theater: Der arme Jonathau. Großes Doppel⸗Coͤncert.
Täglich: Bei günstigem Wetter vor und nach der Vorstellung, Abends bei brillanter elektr. Be⸗ h Großes Concert. Anfang Sonntag 4, an den Wochentagen 5 ½, der
Belle-Alliance-Theater. Sonntag: Zum
Im prachtvollen glänzenden Sommergarten: Großes 5 Auftreten sämmtlicher Brillante Illumination des ganzen Anfang des Concerts 4 Uhr,
„Voranzeige. Dienstag: Erstes Auftreten des Mando⸗
linen⸗Quartetts Familie Armaninis, treten der Wiener Duettisten Toorl und Toni Darté, sowie der Wiener Duettisten Fischer und Blum.
und 8 . Musik von Cari Millböcker. In Sceene gosetzt von Julius Fritzsche. Anfang 7 Uhr. Im prachtvollen Park um 4 ½ Uhr: Großes Doppel⸗ Auftreten sämmtlicher Instrumental⸗ und
[13804!
National⸗Panorama. Herwarthstr. 4, Königsplatz.
Das alte Rom
mit d. Triumphzuge Kaiser Constantins i. J. 312 n. Chr. v. d. Kal. Prof. J. Bühlmann u. Alex Wagner in München. Täglich geöffnet v. Mor⸗ gens 9 Uhr bis zur Dunkelheit. Eintritt 1 ℳ
Dirigent:
Neu eröffnet.
Familien⸗Nachrichten. Verlobt: Frl. Henny Kuhlmay mit Hrn. Guts⸗ besitzer Max Heyne (Marienhof—Szvychowo). — Frl. Julie Siebert mit! Hrn. Musikdirektor Otto Schubert (Berlin). — Frl. Elise Hoyer mit Hrn. Dr. med Karl Meier (Bergen — Winsen). Verehelicht: Hr. Prem.⸗Lieutenant Emil von Lieres und Wilkau mit Frl. Elisabeth von Froelich 6Pre ee 8922 5 eboren: Ein Sohn: Hrn. Kreisphysikus Dr. Klose (Oppeln). — Hrn. Eduard Schmidt (Lichte b. Wallendorf). — Hrn. G. Brehmer (Oppeln). Hrn. Hans von Korn⸗Rudelsdorf (Rudelsdorf). — Hrn. S. Jaretzki (Berlin) — Eine Tochter: Hrn. Dr. Joh. Alesch (Berlin). Gestorben: Hr. Hauptmann a. D. Gustav Drescher (Neisse). — Hrn. Anton Alexander Schulz (Gauers). — Frau Henriette Steinhardt, geb. Beyfuß (Hildesheim). — Hr. Gymnasial⸗Ober⸗ lehrer a. D. Adolf Schenck (Soest). — Frau Ottilie Guradze, geb. Marckwald (Karlsbad). — Frau Ida Schwertfeger, geb. Kux (Neuhaldens⸗
und erstes Auf⸗
Gastspiel von Therese
Sonntag: Zum 313 M.: Geöffnet von 12 — 11 Ubr.
wissenschaftlichen Theater. Richard Nathanson. zettel.
Ballet von C. Severini [14413]
Wilhelmstraße 10.
Fritzsche. Lof
Der arme E1“
Direktion: Julius
Male:
1
Urania, Anstalt für volksthümliche Naturkunde Am Landes⸗Ausstellungs⸗Park (Lehrter Bahnhof). Täglich Näheres die Anschlag⸗
88 2 b“ 5 LE1““ erlag der Expedition (J. V.: Heidrichh. Nordlaud⸗Panorama“ en a
Geöffn. b. 3. Dunkelheit. Druck der Norddeutschen Buchdruckerei und Verlags-
oten, Hente nur 50 Pf. 8
leben). — Hr. August Linke (Berlin). — Frau Oberamtmann Emilie Romanus, geb. Gading (Greifswald). — Hrn. Brauereibesitzer Klose
Vorstellung iar Tochter Lucie (Breslau).
Redacteur: Dr. H. Klee.
Anstalt, Berlin SW., Wilhelmstraße Nr. 32.
3
l(einschließlich Börsen⸗Beilage
Z““
Mannigfaltiges. “
Nach Schluß der Redaktion eingegangene
.“
(Fortsetzung des Nichtamtlichen in der Ersten Beilage.)
Sieben Beilagen “
8 Ha.
———
155.
Parlamentarische Nachrichten.
Schlußbericht der gestrigen (28.) Sitzung des Reichstages. Schluß der dritten Berathung des Gesetzentwurfs, be⸗ treffend die Gewerbegerichte.
Aus der Debatte tragen wir zunächst die Rede des Staats⸗ sekretärs Dr. von Boetticher zu §. 1, welche wir gestern schon kurz skizzirt haben, im Folgenden nach:
Der Herr Vorredner ist der Meinung, daß der Antrag auf Streichung der kritischen Worte in Alinea 2 von einem Mißtrauen gegen die Gemeinden diktirt sei. Ich kann es in der That nicht finden. Ein Mißtrauen liegt darin durchaus nicht, wenn man für gewisse Fälle der Kommunalaufsichtsbehörde eine Kontrole darüber veN. ob eine Anordnung in einem Statut zweckmäßig ist oder nicht.
Der Satz, dessen Streichung der Hr. Abg. Ackermann ins Auge faßte, entzieht der höheren Kontrole die Prüfung darüber, ob statu⸗ tarische Bestimmungen zweckmäßig sind oder nicht, und läßt eine solche Kontrole nur nach der Richtung hin zu, ob die Bestimmungen mit den Gesetzen in Widerspruch stehen. Das genügt uns nicht, und kann uns nicht genügen, obwohl wir volles Vertrauen zu der Gemeinde⸗ verwaltung haben.
Ich habe schon in der früheren Lesung darauf hingewiesen, daß, soweit es sich allein um größere Städte handelt, vielleicht gar keine Veranlassung vorhanden wäre, eine Aenderung des in der zweiten Lesung beschlossenen Satzes herbeizuführen, für kleinere Gemeinden trifft das indessen nicht zu. Da außer den Gründen, die, meines Erachtens mit vollem Recht, der Hr. Abg. Ackermann für seinen Standpunkt ins Feld geführt hat, der Hr. Abg. Eberty noch nach neuen Gründen lüstern ist, so will ich nicht anstehen, noch solche Gründe hierfür vorzuführen. Sie haben in der zweiten Lesung in Alinea 5 des §. 1 die Mög⸗ lichkeit zugelassen, daß auf den Antrag der Betheiligten auch gegen den Willen der Gemeindebehörde ein Gewerbegericht durch Anordnung der Landes⸗Centralbehörde eingerichtet werden kann. Nun denken Sie sich den Zustand, daß eine kleine Gemeinde entgegen dem Wunsche der Arbeitgeber und Arbeiter erklärt: „wir wollen kein gewerbliches Schiedsgericht haben“, die Landes⸗Centralbehörde aber die Wünsche der Interessen für so wohlbegründet und durchschlagend ansieht, daß sie nun ihrerseits die Errichtung eines Gewerbegerichts anordnet. Wie wird sich nun bei der Errichtung des Statuts diese dem ganzen Unternehmen abgeneigte Gemeindebehörde stellen? Sie wird dasselbe ganz naturgemäß so einrichten, daß es ihrer Auffassung möglichst Rechnung trägt, und vielleicht sogar dazu übergehen, das Statut so zu fassen, daß mit demselben, obwohl es mit den Gesetzen nicht absolut in Widerspruch steht, aus Zweckmäßigkeits⸗ rücksichten gar nicht fertig zu werden ist. Auch dieser Hinweis führt, glaube ich, ganz schlagend zu der Ueber⸗ zeugung, daß es auch aus Zweckmä igkeitsrücksichten durch⸗ aus nothwendig ist, eine höhere ontrole eintreten zu lassen. Dabei ist, wie gesagt, von Mißtrauen gegenüber den Ge⸗ meindebehörden nicht im Mindesten die Rede. Ich weiß mich wenigstens davon vollständig frei; aber die Garantie will ich geschaffen haben, daß nicht den Betheiligten unzweckmäßige Bestimmungen auf⸗ gezwungen werden, vielleicht jeder Andere, nur nicht die betreffende Kommunalbehörde überzeugt ist. Lehnt die Aufsichtsbehörde die Genehmigung eines Statuts ab, so ist immer noch die Möglichkeit gegeben, hiergegen die höhere Instanz anzurufen, und schließlich muß man doch auch darauf rechnen, daß die gesunde Vernunft in diesen Instanzen zur Geltung kommt. Vergessen Sie den Standpunkt nicht; es handelt sich hier nicht um eine Kommunalangelegenheit in dem Sinne, daß das Gewerbegericht ein Zweig der Kommunalverwaltung würde, sondern vielmehr um die Regelung der Rechtsprechung für ein be⸗ stimmtes Rechtsgebiet, bei der man es zweckmäßig findet, den Kom⸗ munalbehörden einen gewissen Einfluß auf die Verwaltung dieser Rechtsfrage zu gewähren. Der Verantwortung aber dafür, ob diese Rechtsfrage gut, zweckmäßig und ordentlich organi⸗ sirt ist, kann sich der Staat gar nicht entschlagen; und so sehr ich es bedauern würde, wenn die freisinnige Partei aus dem Grunde Veranlassung nehmen würde, gegen das Gesetz zu stimmen, weil darin eine Prüfung der Statuten auch nach dem Gesichtspunkt der Zweckmäßigkeit zugelassen wird, so würde ich mich darüber trösten egenüber dem von mir tief empfundenen Uebelstande, den es zur els haben würde, wenn die Prüfung dieser Zweckmäßigkeit ausge⸗ chlossen und auch nur in einem Orte des Reichs ein Gewerbegericht auf Grund eines Statuts errichtet würde, dessen Unzweckmäßigkeit vor Augen liegt.
Ich bitte deshalb, den Antrag des Hrn. Abg. Ackermann anzu⸗ nehmen. Dabei will ich gleich erklären, daß ich den Antrag des Hrn. Abg. Hahn gleichfalls für durchaus richtig und zutreffend halte. Ich halte es unbedingt für geboten, daß keine Geheimnißkrämerei getrie⸗ ben wird, sondern daß die Gründe, welche die Aufsichtsbehörde be⸗ stimmt haben, dem Statut die Genehmigung zu versagen, auch den Interessenten bekannt gegeben, eventuell auch einer Kritik unterzogen werden.
Also ich kann nur empfehlen, nehmen Sie den Antrag Ackermann und den Antrag Hahn an.
Die Rede, welche alsdann der Staatssekretär Dr. von
Boetticher zu §. 12 hielt, lautete: I Meine Herren! Die Herren Gegner der Vorlage leisten in der Konstruktion von Gründen alles Mögliche. Jetzt kommt der Hr. Abg. Hirsch und sagt, es komme ihm so vor, als ob bei den Vorschlägen der verbündeten Regierungen die Tendenz vorgewaltet habe, für das am 30. September ablaufende 8 in diesem Gesetz einen Ersatz zu schaffen. (Heiterkeit rechts.) Sie sehen aus der Heiterkeit, die im Hause entsteht,⸗— (Lachen links) wenn ich nur an die Mög⸗ lichkeit erinnere, daß dieser Grund wirklich nur einer kühnen Phantasie entsprungen sein kann. Meine Herren, ich muß sagen, wir haben, als wir diese Vorlage ausgearbeitet haben, an das Sozialistengesetz absolut nicht gedacht, sondern uns nur gefragt: was ist zweckmäßig und was ist vernünftig. Aus dieser Beurtheilung heraus sind auch die Ab⸗ weichungen zu erklären, die diese Vorlage gegenüber der Vorlage vom Jahre 1878 enthält. Der Herr Vorredner nennt es eine Verschlechte⸗ rung, daß in der gegenwärtigen Vorlage nicht, wie in der Vorlage von 1878, das 21. Lebensjahr als diejenige Grenze bezeichnet wird, von der an die Wahlberechtigung beginnt, während ich es eine Verbesse⸗ rung nenne, daß die neue Vorlage die Wahlberechtigung an die Vollendung des 25. Lebensjahres knüpft. Für diese Maßnahme fehlt es auch keineswegs an Vorgängen. Die Herren führen uns als Vorgänge, die ihren Antrag unterstützen sollen, die auf Grund des §. 120 a der Gewerbeordnung errichteten Schiedsgerichte an. Diese Gerichte sind zu Stande gekommen durch Ortsstatuten; der Gesetzgeber hat dabei nicht mitgewirkt. Ich habe neulich schon gesagt daß jetzt, wo die Sache ex professo vom Gesetzgeber in Angriff genommen wird, der Gesetzgeber sich überlegen muß: was ist das Richtige und was ist das Vernünftige. Die Peee kommen weiter mit dem Vor⸗ bilde der Wahlen zu den Schiedsgerichten für mefelacer⸗ Auch das die Theilnahme an diesen Wahlen ordnende Wahlre lement, welches die Berechtigung zur Theilnahme an der Wahl für diese Schiedsgerichte feststellt, ist nicht vom Gesetzgeber erlassen. (Zuruf Uinks.) — Bitte, das ist vom Reichs⸗Versicherungsamt beziehungs⸗
von deren Unzulässigkeit und Unzweckmäßigkeit
2 *
I Berlin, Sonnabend, den 28. Junimn
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weise der sonst zuständigen Behörde erlassen. (Zuruf links) — Nun gut, dann sage ich Ihnen ganz einfach, daß es sich bei den Unfall⸗ schiedsgerichten nicht um den Ausbau eines auf dem Gebiet des gegen⸗ wärtigen Entwurfs liegenden Theils unserer sozialwirthschaftlichen Gesetzgebung handelt, während hier die Zusammensetzung eines Ge⸗ richtshofs in Frage steht, welcher im Namen der staatlichen Autorität Recht zu sprechen hat. Ich kann das nicht oft genug wiederholen; die Theilnahme an der Bildung dieses Gerichtshofs ist ein politisches Recht, welches dem Arbeitgeber und dem Arbeitnehmer gewährt wird, und für die Abgrenzung der Theilnahme an politischen Rechten haben wir bereits in der Verfassung ein Vorbild. Dieses Vorbild ist maß⸗ gebend für uns gewesen. Das politische Wahlrecht beginnt aber nach der Verfassung mit dem vollendeten 25. Lebensjahre, und dasselbe Lebensjahr haben wir hier zum Ausgangspunkt für die Betheiligung an der Wahl zum Schiedsgericht vorgeschlagen. Sie sehen also, daß wir ganz rationell verfahren. Was die Berechtigung der Wahl der Frauen anlangt — die Frage ist heute nur oberflächlich gestreift worden —, so kann ich den erren erklären, daß mir zu Gunsten des von mir vertretenen Stand⸗ punktes eine ganze Reihe von Zustimmungsäußerungen zugekommen sind, auch aus Kreisen von Arbeiterinnen, die sich dafür bedanken, daß man sie in den Strudel der Wahlagitation hineinbringen will. Also ich bitte Sie, meine Herren, lassen Sie es bei den Beschlüssen der zweiten Lesung.
In der Berichterstattung waren wir gestern bis zur An⸗ nahme des §. 15 gekommen. Ueber die weitere Debatte ist Folgendes zu berichten:
Nach §. 16 kann ein Mitglied des Gewerbegerichts, welches sich einer groben Verletzung seiner Amtspflicht schuldig Se hat, seines Amts dena das Landgericht entsetzt werden.
Abg. Kauffmann hält die Fassung „grobe Verletzung der Amtspflicht“ für bedenklich, weil sie leicht mißbraucht werden könnte zu Maßregeln politischer Natur. Redner bean⸗ tragt, hinzuzufügen, daß die Verletzung der Amtspflicht be⸗ gangen sein muß durch eine strafbare Handlung.
Abg. Stadthagen: Wir sind für Streichung dieser ganzen Bestimmung. Der Begriff: „grobe Amtsverletzung“ ist ein so kautschukartiger, daß er das gerechte Mißtrauen der Arbeiter gegen einen solchen Paragraphen hervorrufen muß. Von den bisherigen Ortsstatuten enthält mit einer einzigen Ausnahme keines eine derartige Vorschrift. Nachdem Sie durch diese Vorlage ohnehin den Gemeinden das Recht genommen haben, ihre Statuten so zu formuliren, wie es ihnen paßt, wollen Sie eine Bestimmung beschließen, welche gegen die Selbständigkeit des Charakters der Arbeiter gemünzt ist. Die Rechtsanwaltsordnung enthält eine ähnliche Bestimmung. Wir haben vier Bände Entscheidungen Seitens des Ehren⸗ gerichtshofes, welche als Analogien sehr interessant sind. Da ist z. B. ein Anwalt angeklagt worden, weil er den denten des Gerichtshofs nicht gegrüßt hat. Das Ehrengericht hat ihn allerdings freigesprochen. Könnte nicht auch ein Arbeiter angeklagt werden, weil er den Vorsitzenden oder irgend ein Regierungsmitglied nicht gegrüßt hat? Andere Fälle beziehen sich auf Beleidigungen. Vielleicht kann der ge⸗ ringer gebildete Arbeiter mit seiner kernigen Sprache den Vorsitzenden beleidigen und dann wie ein Dieb auf die An⸗ klagebank gezerrt werden. Ueberhaupt ist ein Mißtrauen gegen die Staatsanwalte sehr berechtigt. Alle Arbeiter sind poli⸗ tisch ziemlich mißliebig, und es ist anzunehmen, daß gegen sie der Staatsanwalt in erster Linie vorgehen wird. Was ist grobe Verletzung gegen die Amtspflicht? Wo diese vorliegt, tritt schon das Strafgesetzbuch ein. Man will aber hier gar nicht solche Fälle treffen, sondern den Arbeiter als solchen. Diese Bestimmung ist diktirt von dem allerschärfsten und un⸗ berechtigtsten Mißtrauen gegen den Gerechtigkeitssinn und die Vernunft der Arbeiter. Ich habe zu den Arbeitern das Zu⸗ trauen, daß sie gerechter sein werden als andere Richter, ja vielleicht zu herege gegen die übrigen Arbeiter. Wenn Sie aber einmal einen solchen Paragraphen aufrecht er⸗ halten wollen, so unterwerfen Sie den Arbeiter wenigstens nicht dem hochnothpeinlichen Verfahren der Staats⸗ anwalte; dann möge man wenigstens das Plenum des Gewerbegerichts entscheiden lassen. Der Staats⸗ anwalt ist eine französische Einrichtung, die von den Konser⸗ vativen festgehalten wird, vielleicht weil es eine französische Einrichtung ist. (Der Präsident ruft den Redner zur Sache.) Der Staatsanwalt ist so recht ein Produkt im sozialen Kampfe der Besitzenden gegen die Besitzlosen. Der Staatsanwalt muß gegen 8. S Wissen eine Anklage erheben auf Antrag der höheren Verwaltungsbehörde; er hat das Privilegium, Etwas zu thun, was sonst als eine Verleumdung erachtet werden müßte. Dies Institut entstand im Kampfe für den Absolutismus, der mit einem Bischen konstitutionellem und kartellfreundlichem Flitter verbrämt ist. Der Staatsanwalt wird viel leichter einschreiten gegen Arbeiter als gegen Arbeitgeber. Ich will dem einzelnen Staatsanwalt keinen Vorwurf machen. Er muß so handeln, wie er es thut. Es ist vorgekommen, daß ein Staatsanwalt eine Anklage nicht erhoben hat, wenn ein Arbeitgeber einen Arbeiter geduzt hat, wohl aber dann, wenn der umgekehrte Fall vorlag. Ein Staatsanwalt hat einer Denunziation Folge gegeben und Anklage erhoben gegen Arbeiter, wenn sie nichtstrikende Arbeiter an⸗ gegriffen haben; er hat es unterlassen, wenn nichtstrikende Arbeiter die Strikenden angegriffen haben.
Präsident von Levetzow: Ich muß Sie bitten, die Staatsanwaltschaft nicht in dieser Weise zu beschimpfen, daß sie ihr Amt in parteiischer Weise verwaltet habe. Ich kann das einer Behörde gegenüber nicht zulassen.
Abg. Stadthagen (fortfahrend): Ich habe selbst hervorgehoben, daß die Staatsanwälte dazu durch ihr Amt ge⸗
wungen find. b räsident von Levetzow: Ich bleibe bei meiner Repri⸗ nd
5
mande. — Abg. Stadthagen (fortfahrend): Die Arbeiter werden versglgt bei Verrufserklärungen, gegen die schwarzen Listen der Arbeitgeber schreitet kein Staatsanwalt ein. Ich befürchte, daß man gegen die Arbeiter aus politischen Gründen vor ehen wird. Die Arbeiter sind der Willkür der Staatsanwaltschaft reisgegeben. Ich möchte von der Regierung wissen, ob ein Arbelter auch verhaftet werden darf wegen Verletzung der Amtspflicht. In Hamburg hat man strikende Arbeiter auf die
Präsi⸗
88 Staats⸗Anzeiger.
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Polizei berufen und dort behandelt wie gemeine Verbrecher. Ich sehe nicht ein, warum nicht auch ein Beisitzer aus einem ähn⸗ lichen Grunde wegen grober Amtsverletzung verhaftet werden könnte. Der Staatsanwalt hat die Ansicht, daß der Arbeiter stets ein Bewußtsein dessen hat, was er thut, der Arbeitgeber aber nicht; verletzt also ein Arbeiter seine Amtspflicht, so wird er unter Anklage gestellt werden, der Arbeitgeber aber nicht. Es liegen Verfügungen zu Dutzenden vor von Staats⸗ anwalten, wo es zweifellos war, daß der Arbeitgeber eine objektiv strafbare Handlung begangen hat, wo aber der Staatsanwalt der Meinung war, ein ge⸗ bildeter Arbeitgeber könne unmöglich den Grad von Bewußt⸗ sein haben, den der Arbeiter stets haben müsse, wenn gegen ihn vorgegangen wird. Die Berufung bei den Landgerichten könnte nichts nützen; das Landgericht kann keine Disziplinar⸗ strafe gegen den Staatsanwalt in Antrag bringen, ja nicht einmal gegen gesetzwidrige Vorgänge irgend welche Remedur
schaffen. Außerdem sind die Landgerichte leider so reaktionär gestaltet, daß von ihnen doch nichts zu erwarten ist. Ich bitte Sie, lehnen Sie diesen Paragraphen ab oder zeigen Sie durch die entgegengesetzte Abstimmung, daß Sie eine Fülle des Miß⸗ trauens von Furcht haben vor dem Gerechtigkeitssinn, vor dem Amtssinn und vor dem Ehrlichkeitssinn der Arbeiter, die wir nicht verstehen können. .“
§. 16 wird unter Ablehnung des Antrages Kauffmann angenommen. 1 1
Nach §. 25 a sollen Rechtsanwalte und Konsulenten als Prozeßbevollmächtigte oder Beistände vor den Gewerbegerichten nicht zugelassen werden. 4
Abg. Freiherr von Pfetten beantragt, daß ausnahms⸗ weise der Vorsitzende Rechtsanwalte zulassen kann, wenn die Verhältnisse rechtskundigen Beistand der Parteien erforderlich machen. chn, Bachem will die ausnahmsweise Zulassung von Anwalten dem Gewerbegericht überlassen, wenn der Streit⸗ gegenstand rechtskundigen Beistand der Parteien erforderlich macht. Personen, welche ohne Vergütung die Vertretung vor dem Gewerbegericht geschäftsmäßig übernehmen, können vom Gewerbegericht als Prozeßbevollmächtigte oder Beistände zurück⸗ gewiesen werden. 1
Abg. Osann: Ich bitte, beide Anträge abzulehnen, da überwiegende Gründe gegen die Zulassung der Rechtsanwalte überhaupt sprechen. Es soll doch eine Beschleunigung des Verfahrens durchgeführt werden. Die Entscheidung über die Zulassung dem Vorsitzenden zu überlassen, ist sehr mißlich, es würde der eine mehr, der andere we⸗ niger Schwierigkeiten bei der Zulassung machen, es würde somit auf diesem Gebiet eine gewisse Willkür Platz greifen. Auch ist es für den Anwaltst and nicht sehr zuträglich, von einer solchen Zulassung abzuhängen; es könnten leicht dadurch Kollegen sich verletzt fühlen. Zudem wird ja der Vorsitzende meistens selbst ein Rechtsgelehrter sein. Der Abg. Bachem macht nun gar noch weitere Unterscheidungen, indem er neben den gewerbsmäßigen noch solche Personen aufführt, die ohne Vergütung geschäftsmäßig die Vertretung vor Gericht wahrnehmen. Das scheint mir auch nicht besonders zweckmäßig. 8
Abg. Grillenberger: Ich kann mich in der Hauptsache dem Vorredner anschließen. Leider haben ja gerade die Juristen des Hauses durch ihre Spitzfindigkeiten dazu beigetragen, die reaktionärsten Bestimmungen in diesem Gesetze durchzudrücken. Mit Freuden haben wir es deshalb begrüßt, daß wenigstens hier die Anwalte ausgeschieden werden sollten. Nun will man sie aber durch eine Hinterthür wieder ein⸗ führen. Hr. Bachem hat sich während der ganzen Berathung ganz besondere Mühe gegeben, aus dem Gesetz Alles auszumerzen, was für die Arbeiter günstig war, Alles ins⸗ besondere, was von uns beantragt wurde; er beantragt auch hier wieder, daß Personen, welche ohne Vergütung geschäfts⸗ mäßig die Arbeiter vor dem Gewerbegerichte vertreten, davon ausgeschlossen werden können. Wir wissen recht wohl, gegen wen sich diese Bestimmung richten soll. Bei den bestehenden Gewerbegerichten müssen Minderjährige durch einen Fachgenossen vertreten sein; da sind denn oft Vorstände von Fachvereinen zu dieser Vertretung aufgefordert worden. In arbeiter⸗ feindlichen Kreisen ist vielfach davon die Rede gewesen, daß, wenn man derartige Leute nicht extra ausschließe, diese so häufig erscheinen würden, daß sie sich eine gewisse Routine aneignen und den Gerichten dadurch mehr zu schaffen machen würden, als gewissen Herren recht ist. Ich bin fest überzeugt, daß hiermit gerade ein neuer Schlag gegen die Angehörigen von Arbeiterorganisationen geführt werden soll. Ich möchte Sie dringend bitten, lehnen Sie die Anträge ab, damit die gegen die Gestaltung des Gesetzes bei den Arbeitern herrschende Erbitterung nicht noch mehr gesteigert werde.
Abg. Bachem: Ich provozire auf das Zeugniß der eigenen Parteigenossen des Abg. Grillenberger, ob ich nicht ohne jedes Mißtrauen, mit vollendetem Wohlwollen, in der besten Absicht, Gutes zu schaffen, an der Arbeit mitgewirkt habe. Mein Antrag ist eine Folge der vielfachen Bedenken, welche ich gegen den völligen Ausschluß der Rechtsanwalte vernommen habe. Alle Diejenigen, welche für Geld Rechts⸗ geschäfte wahrnehmen, alle Rechtsanwalte und Rechtskonsulenten will auch ich völlig ausschließen. Die nicht gewerbsmäßig solche Geschäfte Wahrnehmenden sollen also zugelassen werden. Nun kann es ja vorkommen, daß derartige Leute durch ihr Geschäftsgebahren eben so sehr die Geschäfte aufhalten, wie es bei den Amtsgerichten der Fall ist. An Mitglieder der Fachvereine habe ich nicht entfernt gedacht, ich kann es nur anerkennen, wenn sich in den Fachvereinen Leute finden, die ohne Vergütung für minderjährige oder minder intelligente
rbeiter thätig sind. (Zwischenruf des Abg. Grillenberger: Die schmeißen Sie ja hinaus!) Die schmeiße ich nicht hinaus: ich bin ganz damit einverstanden. Das Gericht soll ja über die Zulassung entscheiden, da spricht ja der Arbeiterbeisitzer mit, der Arbeitgeber beherrscht doch nicht allein das Terrain. Ich bitte Sie, meinen Antrag und den des Hrn. von Pfetten anzunehmen. -
Abg. Eberty giebt der Kommissionsfassung den Vorzug vor den Anträgen Bachem und von Pfetten. Man könne