1890 / 156 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 30 Jun 1890 18:00:01 GMT) scan diff

Rocholl’s: „Kaiser Wilhelm's Ritt um Sedan am Tage nach der Schlacht“. Schon oft ist die Klage laut geworden, daß die großen Ereignisse der ruhmreichen letzten Kriegsjahre so wenige Künstler zu Werken begeisterten, in denen derartige

Themata behandelt werden. Um so erfreulicher ist es, daß

Rocholl, wie schon früher, auch jetzt wieder uns einen Augen⸗ blick aus dem glorreichsten Abschnitt des deutsch⸗französischen Krieges im Bilde vergegenwärtigt. Man sieht König Wilhelm hoch zu Roß, jubelnd umdrängen die Krieger den allverehrten

Selden, der sie zum Siege geführt. Das Bild wirkt etwas unruhig durch die allzubewegte Komposition, auch gegen die Farbe ließe sich mancherlei einwenden, was genauer darzulegen

Sache einer eingehenden Besprechung wäre. B. Plockhorst

ist in diesem Saal vertreten durch ein Bild „Verlorenes

Glück“ und ein Porträt der Hochseligen Kaiserin

Augusta; die edle Fürstin ist in Trauerkleidung dar⸗

gestellt, die feinen Züge verrathen die Einwirkung eines

tiefen Schmerzes. Ihr gegenüber sieht man das in Lebens⸗ größe ausgeführte Bildniß ihres edlen Sohnes, des Hoch⸗ seligen Kaisers und Königs Friedrich III., im Allerhöchsten

Auftrage für die Gallerie des Königlichen Schlosses

zu Berlin gemalt von Th. Ziegler. H. Gude’'s „Brandung

an der norwegischen Küste“, C. Saltzmann’'s Marinestück:

„Sr. M. Nacht „Hohenzollern“ am Suphellbrä bei Mundal im

Sognefjord (Norwegen)“, M. Wislicenus' „Die Musik“

machen den weiteren Schmuck des Ehrensaals aus und lassen

den Besucher weitere tüchtige Leistungen in den übrigen

Sälen vermuthen.

Eine angenehme Veränderung erwartet Denjenigen, welcher

das Gebäude seit der Ausstellung vor zwei Jahren nicht be⸗ reten hat. Aus den drei in fortlaufender Flucht nach dem

Marinesaal zu liegenden Sälen ist ein einziger großer Raum

geschaffen, der einen günstigen dekorativen Abschluß erhält

durch einen freundlichen Galeriebau, der seine Entstehung der jüngst hier abgehaltenen Gartenbau⸗Ausstellung verdankt. Er trägt dazu bei, den etwas eintönigen Charakter des neugeschaf⸗ fenen großen Saales anmuthiger zu gestalten und macht seinen

Urhebern alle Ehre. von Uechtritz lieferte zwei reizende Lampen⸗

trägerinnen, welche den von zwei Säulen getragenen Durchgang

flankiren und sich den zierlichen Arrangements vortrefflich an⸗ passen. Eine besonders festliche Stimmung scheint das hier auf⸗ und abwandelnde Publikum zu beherrschen, und die sanfte

Musik, welche unter dem von Zierpflanzen umstandenen Zelt

des Aufbaus erschallt, vermehrt die sonnige Heiterkeit, welche

gerade über diesem Saal und seinen Besuchern ruht. Vor einzelnen

Bildern, um Skulpturen, welche, mit feinem Geschmack arrangirt,

in dem mittleren Theil des Saales eine Ausstellung für sich

machen, bilden sich kleine Gruppen, die im lebhaften

Meinungsaustausch ihr Urtheil abgeben und das Anderer

hören. Paul Meyerheim allein versammelt um seine

Kollektion eine kleine Gemeinde von Verehrern und Freunden, und der Humor, der aus seinem Dekorationsstück „Viel Glück“ hervorleuchtet, findet einen Widerhall in den Worten der Beschauer. Sein „Frühstück“ zeigt uns wieder zwei Vertreter der menschenähnlichen Vierfüßler, von denen einer soeben ein Glas zerbrochen hat, was den andern zu einem Ausruf leb⸗ hafter Entrüstung veranlaßt; die „eifersüchtige Löwin“, die „Hunde“ u. a. m. zeigen uns wieder den anerkannten Thiermaler; aber auch der Porträtist Meyerheim ist mit einem Bilde der gefeierten Marcella Sembrich vertreten. Max Koner lieferte zwei Porträts Sr. Majestät

des Kaisers, die talentvolle Ungarin Vilma Parlaghy zeigt

uns den Abg. Windthorst im Bilde,

sowie das Porträt ihrer Mutter, einer Dame von distinguirtem Aussehen. R. Warthmüller, der sich durch sein „Liebesmahl“ viel Freunde erwarb, bietet diesmal ein verwandtes Stück „Ballpause“; auch hier ist es ein flotter Kavallerieoffizier, der als gewandter Erzähler die Aufmerksamkeit der Gesellschaft zu fesseln weiß. Im Thema ist also dieses neue Werk nur eine Wieder⸗ holung des früheren, im Kolorit und in der Zeich⸗ nung steht es ihm nach, eine strenge Kritik dürfte mancherlei auszusetzen haben. F. Brütt, dessen ‚Frei⸗ gesprochen“, „Prozeßbauer“ u. a. m. noch in guter Erinne⸗ rung früherer Ausstellungsbesucher steht, hat diesmal eine humoristisch gehaltene Studie „In der Gemälde⸗Galerie“ ge⸗ liefert, die wohl näherer Betrachtung werth ist. R. Eschke der Jüngere zeigt mit seinem „Sturm im Golfstrom“ und zwei anderen Bildern, daß er seinem Vater Hermann, welcher drei Stücke ausstellt, mit Erfolg nachstrebt. Max Lieber⸗ mann hält sich in seiner „Holländischen Dorfstraße“ glücklicher Weise etwas fern von seiner sonst so abschreckenden Farbengebung, das fragliche Bild will genau auf seine Feinheiten hin untersucht werden. H. Herrmann zeigt wieder das gewohnte Geschick in der Wiedergabe der dunstigen Temperatur von Uferpartien. Jan Verhas’: „Retour de la péche aux Crevettes“ ist als tüchtiges Werk bekannt; als solches können auch die Crevetten⸗ fischer von H. Baisch gelten. Ein gewagtes Farbenexperiment stellt A. Hirschl in seiner heiligen „Cäcilie“ an; man muß diese aufgelösten ätherischen Töne erst sorgfältiger auf ihre Berechtigung und Möglichkeit prüfen, ehe man ein abschließen⸗ des Urtheil über dies Werk fällen kann. Eugen Bracht's „Matterhorn“ ist bereits von Sr. Majestät dem Kaiser angekauft worden; gleichwerthig sind wohl der „Abend nach dem Sturm“ und „Vor dem Regen“. Das impressionistiscch gemalte Bild Gari Melchers' „Lootsen“ wird die Freunde dieser Richtung gewiß interessiren. Von G. Biermann sah man schon vor zwei Jahren ein Kniestück Kaiser Friedrich's; während es denselben am Schreib⸗ tisch in Civilkleidung darstellt, zeigt das neue uns ihn in ganzer Figur und in Uniform. R. Friese ist wieder mit einem seiner tüchtigen Thierstücke vertreten; diesmal sind es Hirsche, von denen einer bereits im Sterben liegt, während der andere die deutlichen Spuren des erbitterten Kampfes an seinem blutbesudelten Fell aufweist. Graf Ferdinand Harrach zeigt wieder die eigenthümliche Technik, welche bei früheren Porträts erwähnt und von Manchen getadelt, von Vielen gelobt wurde. Noch sei C. Ludwig’s Hochgebirgs⸗ „Einöde“ erwähnt, dann aber drängt die knapp bemessene Zeit 8 Verlassen dieses interessanten Saales und führt die

esucher in die Nebenräume, in denen nicht minder tüchtige Leistungen nur zu oft ihren Schritt hemmen und sie zu kurzer Betrachtung veranlassen; nur kurz konnte dieselbe sein, denn nur drei Stunden war es am Sonnabend dem geladenen Publikum vergönnt, einen Einblick in den Reichthum der Ausstellung zu thun.

Genannt sei Carl Röchling, der uns Episoden aus dem deutsch⸗französischen Kriege und dem Raubzuge der Fran⸗ zosen unter Louis XIV. vorführt, während uns der humo⸗ ristische „Stiefelappell im Manöver“ zeigt, daß der Maler selbst oft genug solchen prosaischen Vorgängen im Friedens⸗

leben des Soldaten beigewohnt hat, um mit scharfer Be⸗

obacggen das Ergötzliche der Scene im Bilde wieder⸗ zugeben.

Schnars⸗Alquist hat für sein Seestück „Hülfe in Sicht“ einen hochwillkommenen Käufer gefunden, den be⸗ geisterten Freund der Marine, unsern Kaiser. Eine „Judith“ läßt von Weitem schon Nathanael Sichel als ihren Maler erkennen und auch seine „Lydia“ und die „Bajadere“ ver⸗ rathen dem Kenner bald das Atelier, in dem sie entstanden sind. Betrachtet man J. Wenglein’'s „Bagyerisches Hochmoor“ genauer, dann wird man ihm volle An⸗ erkennung zollen für die gediegene Arbeit. Zweifelhafter erscheint J. Wenzel's „Seemanns⸗Begräbniß“, das einen schauerlichen Eindruck machen soll und auch erzielt, dadurch aber auch manchem Beschauer die Freude an dem Bilde verdirbt. Wer aber einen wirklichen Schauder empfinden will, der trete vor Schikaneder's „Mord im Hause.“ Wer erinnert sich nicht noch mit Schrecken an Kampf's „Letzte Aus⸗ sage“, die gleichfalls den Abschluß einer jener Hinterhaus⸗ Romane verherrlichte? Es gab nur eine Stimme über eine solche Geschmacksverirrung und eine ebenso abfällige wird der „Mord im Hause“ hervorrufen. Auf dem Pflaster eines schmutzigen Hofes liegt in verrenkter Stellung das Opfer eines Mordes, eine leicht bekleidete weibliche Person, deren Kopf die tödtliche blutige Wunde zeigt. Mit den Geberden des Schreckens stehen die Nachbarn vor dem grauen⸗ vollen Anblick. Verletzt in seinen ästhetischen Empfindungen wendet sich der Beschauer ab und der Ausruf „Scheußlich!“, der am Sonnabend vielfach vernehmbar wurde, wird zahllose Wiederholung erfahren. Aber einmal so beleidigt, wende sich der Zuschauer nur gleich zu dem nicht minder widerwärtigen Bilde: „Treue Kameraden“, Bergleute, welche einen Verunglückten auffinden und transportiren. Das von Todesqualen verzerrte Antlitz mit den gebrochenen Augen erregt Widerwillen bei jedem wirklich künstlerisch empfindenden Beschauer und er fragt sich: warum läßt man solche Bilder zur Ausstellung zu? Nun, auch sie haben ihr Gutes, sie zeigen die Abwege der Kunst und erhöhen nur die Freude an dem wirklich Schönen, an dem ja glücklicher Weise diese Ausstellung so reich ist. Professor Carl Becker's Wandbild: „Aus der Zeit der Medicäer“ mit seinem satten Farbenkolorit zeigt, daß der alte Meister, wenn er auch keine neuen Wege mehr ein⸗ schlägt, doch auf dem bisherigen immer noch recht Erfreuliches leistee. W. Bröker stellt wieder seine kleinen Wald⸗ und Gartenlandschaften aus, aber bei ihm ist der gute Rath an⸗ gebracht, nun doch endlich einmal etwas Anderes zu malen, als immer und ewig die bekannten Motive, welche zu Schablonen herabgesunken sind; die beiden kleinen handgroßen Bildchen, im Verein Berliner Künstler ausgestellt, sind doch thatsächlich nur noch als Spielerei zu betrachten. Wie gefährlich es ist, immer dasselbe Thema zu variiren, hat L. Douzette längst erkannt, den die große Menge nur als Mondschein⸗Landschaftsmaler kennt und bewundern will, während er durch seine prächtigen Waldlandschaften längst bewiesen hat, daß seine „Spezialität“ nicht nur der durch Wolken schimmernde Mondenglanz ist, sondern daß er auch auf andern Gebieten heimisch ist. W. Geißler thäte gut daran, auf die Ausführung seiner Bilder größere Mühe zu verwenden, was auch für Fischer⸗Cörlin in Bezug auf seine „Japanischen Gauklerinnen“ gesagt sein mag. Ein hübsches Effektstück bietet Theod. Hagen in seiner „Lahnlandschaft“, worin er das durch Wolken nur strichweise herabfallende Sonnenlicht prächtig darstellt. Sophie Koner zeigt sich als eine ihrem Manne ebenbürtige Porträtmalerin, doch dürfte hier mit dem Rahmen zu dem Porträt ihres Kindes ein gar zu großer Luxus getrieben sein, ganz abgesehen davon, daß seine Schwerfälligkeit das Bild völlig erdrückt. Adolf von Meckel zeigt sich diesmal mit einem trefflichen „Fischfang am Mareotis⸗ See.“ A. Schlabitz dürfte als Genremaler doch größere Triumphe feiern, als mit Porträts, wie das im Verein Berliner Künstler gegenwärtig ausgestellte Kaiserbildniß zeigt, an dem sowohl im Kolorit wie auch in der Haltung der Figur recht begründete Ausstellungen zu machen wären. L. Munthe's „Winterstimmung“, H. Olde’s „Vor Sonnenaufgang“, H. Schnee's Landschaften, Söborg's sechs Bilder sowie die vier Dahl's sind Arbeiten, die der Besprechung werth sind. Aber auf sie, wie auf die Mehrzahl der anderen einzugehen, ist nicht Aufgabe dieses Berichts, der nur andeutet.

Ein Gang durch die Kojen, in denen die Aquarellen und Zeichnungen Platz gefunden, ist lohnend, die Namen unserer tüchtigsten Aquarellisten und Gouachemaler stehen auch diesmal wieder im Katalog und manch werthvolles Blatt läßt über vieles Durchschnittmäßige und Unzureichende gern hinwegsehen. In der Kollektion der Kupferstiche, Radirungen und Holz⸗ schnitte sei besonders Köpping'’s „Wahl der Offiziere der Schützengilde vom hl. Georg (1627) Radirung nach Franz Hals besonders hervorgehoben; Köpping dürfte unter unsern Radirern mit die erste Stelle einehmen. B. Mannfeld bietet sein nach dem Bilde von Prof. C. Gräb im Auftrage der National⸗Galerie aus⸗ geführtes Blatt: „Interieur vom Dom zu Halberstadt“. Die Sonderausstellung Mannfeld'scher Werke, welche bekanntlich vor einiger Zeit in der National⸗Galerie stattfand, hat dazu beigetragen, dem verdienten Künstler neue Freunde zu er⸗ werben. M. Klinger zeigt sich in der Radirung „Todten⸗ insel“ nach Böcklin als den talentvollen Radirer, welcher den Mißgriff mit dem Gemälde „das Urtheil des Paris“ vergessen läßt; Eilers, Kohnert, Lamotte seien wenigstens er⸗ wähnt; H. Meyer ist diesmal nicht vertreten.

An der Ausstellung von Architekturen betheiligte sich u. A. J. Otzen, dessen Kirchenbauten eingehendes Studium erfor⸗ dern, darunter ist der Entwurf zur Gedächtnißkirche für die Kaiserin Augusta, die Lutherkirche für den Dennewitzplatz in Berlin u. a. m.

Der Skulpturensaal oder, wie er seit der Unfallverhütungs⸗ Ausstellung auch genannt wird, der Marinesaal ist wieder seiner alten Bestimmung, Bildwerke aufzunehmen, zurück⸗ gegeben. Sehr zu loben ist die Art, wie man ein gedämpftes wohlthuendes Licht zu erzielen gesucht hat, indem man ein mächtiges durchsichtiges Velarium über den ganzen Raum spannte, das einen warmen Ton über Marmor und Gips breitet und die für die Betrachtung so störende grelle Be⸗ leuchtung verhindert. Die große Nische, welche im vorigen Jahr das Bild Kaiser Wilhelm's II. als Admiral barg, dient jetzt einer Kolossalbüste Kaiser Wilhelm's I. zum Hintergrunde. Imposant sind die großen Statuen brandenburgischer Regenten, so die Bildsäule des Großen Kurfürsten, modellirt von

Lürßen, für eine Nische des Königlichen Polizei⸗Dienst⸗ gebäudes bestimmt, ferner ein Gußmodell vom Reformations⸗ denkmal in Spandau, Joachim II. darstellend. Das Modell

des Hutten⸗Sickingen⸗Denkmals auf der Ebernburg der Ge⸗

brüder Robert, Hugo und Ludwig Cauer hat fier gleichfalls eine würdige Stelle gefunden, ebenso J. Boese’'s Krieg denkmal für den eens hinter der Hasenhaide Eberlein mit fünf Werken, A. Donndorf mit einer Marmorbüste des Prof. Calandrell mit Reliefporträts der deutschen Kaiser 5. Schaper mit zwei der Skulpture us

Joseph Joachim, beiden ersten Büsten geben

stellung einen besonderen Glanz; ihnen Z sich Namen er, Hilgers,

an wie Paul Otto, Kopf, Hundrieser, Mo Kaffsack, Unger, und nicht vergessen seien Zadow, eeeff. Uphues und der schon einmal erwähnte von

echtritz. Fleißige Arbeiten wie L. Manzel's „Friede durch Waffen geschützt“, L.“Brunow's Sockelsiguren fuͤr das Denkmal des Großherzogs Franz II. von Mecklen⸗ burg⸗Schwerin, Herter's Porträtstatuette Heinrich Heine's, Iffland's tüchtige kleine Schöpfungen seien wenigstens in dieser vorläufigen Uebersicht erwähnt.

Die Besucher der Ausstellung haben auch Gelegenheit, die Entwürfe des Kaiser Wilhelm⸗Denkmals für den Kyffhäuser zu betrachten. Naturgemäß sucht das Auge den ersten preis⸗ gekrönten Entwurf von Bruno Schmitz, und thatsächlich wird jeder zu der Ansicht kommen, daß dieser Künstler die Aufgabe am glücklichsten gelöüst hat. Imposant und wuchtig im Aufbau und Fundament, paßt der ganze Entwurf trefflich auf den zur Aufstellung in Aussicht genommenen Platz. Aber auch die mit zweitem Preise bedachten Entwürfe sowie viele der leer ausgegangenen Modelle bekunden, daß eine große Zahl von Bildhauern nur einer geeigneten Aufgabe harrt, um Proben ihres Talents ablegen zu können.

Doch schon leeren sich die Säle, die zur Vorbesichtigung gewährte Zeit ist abgelaufen, und mit dem Bewußtsein, daß diese Ausstellung sich derjenigen vergangener Jahre nicht zu schämen hat, verläßt der Berichterstatter das freundliche Musenheim.

Centralblatt für das Deutsche Reich. Herausgegeben

im Reichsamt des Innern. Nr. 26. Inhalt: Finanz⸗ wesen: Nachtrag zur Nachweisung über Einnahmen des Reichs vom 1. April bis Ende Mai 18950. Zoll⸗ und Steuerwesen: Abänderung der Bestimmungen, betreffend die Veröffentlichung perio⸗ discher Mittheilungen über den jeweiligen Stand der Branntwein⸗ produktion und Versteuerung; Bestimmung des zulässigen Fuselöl⸗ gehalts im Branntwein, für welchen Steuervergütung bezw. Abgaben⸗ freiheit beansprucht wird. Konsulatwesen: Ernennung; Ermäch⸗ tigung zur Vornahme von Civilstandsakten; Exequatur⸗Erthei⸗

lungen. Post⸗ und Telegraphenwesen: Abänderungen der Postord⸗

nung vom 8. März 1879. Militärwesen: Verzeichniß der Civil⸗ vorsitzenden der im Deutschen Reich bestehenden Ersatzkommissionen. Polizeiwesen: Ausweisung von Ausländern aus dem Reichsgebiet. Archiv für Post und Telegraphie. Beiheft zum „Amts⸗ blatt des Reichs⸗Postamts“. Herausgegeben im Auftrage des Reichs⸗ Postamts. Nr. 12. Inhalt: I. Aktenstücke und Aufsätze: Die Verwendung des Bronzedrahtes zu Telegraphen⸗ und Fernsprech⸗ leitungen. Der Postengang in der freien Reichsstadt Köln um die Miite des 17. Jahrhunderts. Das russische Post⸗ und Telegraphen⸗ wesen im Jahre 1887. Die Insel Formosa und ihre Bewohner (Schluß). II. Kleine Mittheilungen: Festlichkeit in London aus Anlaß des fünfzigjährigen Gedenktages der Durchführung der Penny⸗ portoreform. Neue Quellenbeiträge zur Geschichte der Geschoßpost. Lösung einer Aufgabe aus der Lehre von der Batterieschaltung. Fernsprechverbindung Wien— Badapest. Fernsprechverbindung Buenos⸗Aires —Montevideo. Die Probebelastung der Forthbrücke. III. Literatur des Verkehrswesens: Der Betrieb und die Schal⸗ tungen der elektrischen Telegraphen. Unter Mitwirkung von mehreren Fachmännern bearbeitet von Prof. Dr. Karl Eduard Zetzsche, Kaiserl. Telegraphen⸗Ingenieur a. D. IV. Zeitschriften⸗Ueberschau. Eisenbahn⸗Verordnungs⸗Blatt. Herausgegeben im Königlichen Ministerium der öffentlichen Arbeiten. Nr. 15. Inhalt: Erlasse des Ministers der öffentlichen Arbeiten: vom 10. Juni 1890, betr. Dienstvorschrift für die Einrichtung der Drucksachenverwaltung sowie des Buch⸗ und Rechnungswesens der⸗ selben; vom 16. Juni 1890, betr. Uebertritt von Militärpersonen in den Lokomotivführerdienst; vom 18. Juni 1890, betr. Stempel⸗ pflichtigkeit der Bedingungen für einmonatliche Frachtstundung und der Frachtstundungs⸗Anerkenntnisse. Nachrichten. Gesammt⸗ verzeichniß derjenigen höheren Lehranstalten, welche gemäß §. 90 der Wehrordnung zur Ausstellung von Zeugnissen über die wissenschaftliche Befähigung für den einjährig⸗freiwilligen Militärdienst berechtigt sind.

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Entscheidungen des Reichsgerichts. 8 8

In Bezug auf H§. 21 der Konkursordnung: „Wenn in Folge der Eröffnung des Konkursverfahrens die Nichterfüllung einer Verbind⸗ lichkeit oder die Aufhebung eines Rechtsverhältnisses des Gemein⸗ schuldners eintritt, so ist der andere Theil nicht berechtigt, die Rück⸗ gabe seiner in das Eigenthum des Gemeinschuldners übergegangenen Leistung aus der Konkursmasse zu verlangen. Er kann eine Forderung wegen der Nichterfüllung oder der Aufhebung nur als Konkurs⸗ gläubiger geltend machen, soweit ihm nicht ein Anspruch auf ge⸗ sonderte Befriedigung zusteht“, hat das Reichsgericht, I. Civilsenat, durch Urtheil vom 5. Februar 1890 den Satz ausgesprochen: Die Nichterfüllung einer Verbindlichkeit des Gemeinschuldners in Folge der Eröffnung des Konkursverfahrens steht der konkursmäßigen Geltendmachung des als Konventionalstrafe verein⸗ barten Erfüllungsinteresses nicht entgegen.

Die Bestimmung des §. 20 Abs. 2 des preußischen Gesetzes vom 8. Mai 1837 über das Mobiliar⸗Feverversicherungswesen: „Eine wissentliche Ueberversicherung wird vermuthet, wenn, ohne daß eine amtliche Abschätzung vorausgegangen, bei Waarenlagern u. s. w. der Werth um 30 % oder bei anderem beweglichen Vermögen um 50 % überschritten ist“ ist, nach einem Urtheil des Reichs⸗ gerichts, III. Strafsenats, vom 10. März 1890, seit dem Inkrafttreten der Reichs⸗Strafprozeßordnung nicht mehr anwendbar. Der Strafrichter entscheidet demnach bei einer Untersuchung wegen wissent⸗ licher Ueberversicherung über die Ergebnisse der Beweisaufnahme hin⸗ sichtlich der Wissentlichkeit nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Ueberzeugung.

Hat eine Stadtgemeinde bei der Vornahme ihrer Wasser⸗ bauten die erforderlichen Sicherungs maßregeln schuldhafter Weise nicht getroffen, so haftet sie, nach einem Urtheil des Reichs⸗ gerichts, VI. Civilsenats, vom 20. März 1890, gleich einer Privat⸗ person unmittelbar für den durch ihre Unterlassung erwachsenen Schaden, ohne den Beschädigten an ihre Vertreter oder Beamten ver⸗ weisen zu dürfen.

Ein Beauftragter (Kommissionär, Bahkier), welcher im Auftrage und für Rechnung eines Anderen (Kommittenten), aber in eigenem Namen mit einem Dritten kontrahirt und sodann auch die aus diesem Vertrage entstandene Forderung auf Veranlassung seines Auftraggebers (Kommittenten) in eigenem Namen gegen den Dritten eingeklagt hat, begeht, nach einem Urtheil des Reichsgerichts, III. Strafsenats, vom 31. März 1890, dadurch keine Untreue im Sinne des §. 266 Nr. 2 des Strafgesetzbuchs, daß er zum Nachtheile seene⸗ ee auf diese Forderung vergleichsweise ver⸗ zichtet. 8

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Berlin, Montag, den 30. Juni

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Im Verlage von F. A. Brockhaus in Leipzig ist soeben das lange angekündigte und mit Spannung erwartete Werk Stanley's, die Beschreibung seiner jüngsten, zur Befreiung Emin Paschas quer durch Afrika unternommenen Reise unter dem Titel erschienen: „Im dunkelsten Afrika“, Auf⸗ suchung, Rettung und Rückzug Emin Paschas, autorisirte

eutsche Ausgabe von H. von Wobeser. Mit 150 Abbildungen Karten. In zwei Bänden, geh. 20 Mark, geb. 22 Mark.

Dem Werk ist ein facsimilirter Brief Stanley's an den Verleger vorausgeschickt. In diesem Brief spricht sich Stanley über Emin Pascha in einer Weise aus, aus welcher für uns nur der diametrale Gegensatz der Charaktere Beider hervor⸗ geht. Auch was er von den Deutschen im Allgemeinen sagt, wird wenig Anertennung finden. Der große Afrikareisende

hat vielleicht in dem dunklen Erdtheil die Schärfe des Blicks

etwas eingebüßt.

pfindlich zu werden, ruhig in den Kauf nehmen, ein⸗ gedenk der Thatsache, daß große Männer, welche fast Ueber⸗ menschliches geleistet, Charaktereigenschaften zu besitzen pflegen, welche dem Einzelnen wenig Sympathie einzuflößen vermögen und die nach dem Mabstab kleinbürgerlichen Lebens nicht zu beurtheilen sind. Wenn Stanley am Schluß seines Briefs die Nothwendigkeit eines gemeinschaftlichen Zusammenwirkens von Engländern und Deutschen in Ost⸗Afrika betont, so ent⸗ hält dies gewiß, namentlich wohl auch in seiner Begrün⸗ dung, viel Wahres: „Die gesunde Rivalität zwischen den beiden Nationen sagt er ist es, die Ost⸗Afrika Werth verleiht. Wenn die Engländer sich im Ueberdruß aus Afrika zurückziehen, wird das deutsche Interesse an dem Kon⸗ tinent untergehen, und wenn die Deutschen in Folge irgend eines Zufalls aus einem ähnlichen Grunde Afrika verlassen müßten, würde das britische Interesse daran absterben. Ich würde mich freuen, beide Nationen zu einer gerechten und ehren⸗ haften Verständigung gelangen zu sehen, dann würden beide pro⸗ speriren und ihre beiderseitigen Gebiete nutzbringend machen. Ganz Afrika ist für Großbritannien nicht das werth, was ein Streit mit Deutschland ihm kosten würde, noch wiegt der Kontinent für Deutschland die Kosten eines Bruchs mit England auf. Um daher ein gesundes, eifriges Interesse an Afrika anzuregen, ollten beide Nationen sich über ihre Grenzen verständigen; der Reibungsprozeß des Einen am Anderen würde hervor⸗ bringen, was ich als Verehrer Afrikas von ganzem Herzen u sehen wünsche.“ Diese deutscherseits gewiß gern akzeptirten Betrachtungen, eren Verwirklichung soeben durch das deutsch⸗englische Ab⸗ ommen in die Wege geleitet ist, sind indeß nur ein Beiwerk, welches bei der Beurtheilung des Ganzen kaum in Betracht ällt. Das Interesse wendet sich allein dem Bericht über die etzten Erlebnisse Stanley’s in Afrika zu und wird ausschließ⸗ lich von der Schilderung der Märsche der Expedition in Anspruch genommen. 1 Als Vorrede enthält das Werk einen Brief an Sir William Mackinnon, welcher Stanley mit der Auffindung Emin Paschas beauftragt hatte. Die Erlebnisse auf der Reise, welche insgesammt drei Jahre gedauert, haben wie Stanley bekennt auf ihn einen solchen Eindruck gemacht, daß er, als er in der dunkelsten Stunde gezwungen war, demüthig einzugestehen, er sei ohne Gottes Hülfe verloren, in der Waldeinsamkeit das Gelübde that, Seine Hülfe vor den Menschen bekennen zu wollen. „Rund um mich herum herrschte Todesstille; es war Mitternacht; ich war durch Krankheit geschwächt, lag vor Erschöpfung darnieder und quälte mich mit Sorgen um meine weißen und schwarzen Gefährten, deren Schicksal für mich damals ein Geheimniß war. In dieser physischen wie geistigen Noth flehte ich zu Gott, daß er mir meine Leute zurückgeben möge. Neun Stunden später frohlockten wir in höchster Freude. Vor uns allen zeigte sich die rothe Flagge mit dem Halb⸗ mond und unter ihren wehenden Falten die lange vermißte Nachhut.“ 3 Stanley sagt, er habe auf dieser Expedition Erfahrungen emacht, derengleichen es in den Annalen sämmtlicher afri⸗ anischen Reisen nicht giebt. Und diese sind es, welche der Leser mit ebenso wachsendem Interesse, wie mit steigender Be⸗ wunderung für den Mann liest, dessen Energie so Großes geleistet. Daß er alle die unendlichen Gefahren glücklich über⸗ standen, dafür giebt er allein der gnadenreichen Vorsehung die Ehre, welche ihn zu ihren eigenen Zwecken beschützt habe. Als an Stanley die Frage gerichtet wurde, ob er zu einer Expedition zum Entsatz Emin Paschas bereit sei, befand er sich auf einer Reise in Nord⸗Amerika. Er antwortete sofort mit Ja und traf am Tace vor Weihnachten 1886 in England ein. Am 21. Januar 1887 reiste er von London nach Egypten ab, am 22. Februar erfolgte die Ankunft in Sansibar. Sein Agent Mackenzie hatte die Er⸗ pedition beinahe zur Einschiffung fertig vorbereitet. Stanley schloß hier einen Vertrag mit Tippu⸗Tib ab, wonach dieser 600 Träger von den Stanley⸗Fällen nach dem Albert⸗ See hin und zurück stellen sollte. Stanley wollte nicht von der Ostküste nach Wadelai vordringen, weil jene Gegend nicht genug Wasser bietet, während er annahm, daß die Congoroute nicht nur genug Wasser, sondern auch reichlich Lebensmittel habe. Mit 620 Männern und Knaben, sowie mit Tippu⸗Tib verließ er am 25. Februar Sansibar, um um das Kap der guten Hoffnung nach der Congomündung zu fahren, wo die Ankunft am 18. Mhürz erfolgte. Am 25. März erfolgte der Aufbruch nach dem Stanley⸗Pool und nach Jambusa, einem am Aruwimi, einem Nebenfluß des Congo gelegenen Ort, der am 15. Juni erreicht wurde. Von hier aus ging der Marsch am 28. Juni ins absolut Ungewisse hinein. Die Vorhut bestand aus 389 Männern mit 357 Gewehren; in Jambuja blieb eine Garnison von 129 Mann mit 87 Gewehren zurück, die Nachhut unter Major Barttelot in Bolobo bestand aus 131 Mann und 52 Gewehren. Hier beginnen die eigentlichen Kämpfe, Mühsale und Strapazen, deren lebendige Schilderung mit packender Gewalt auf den Leser einwirkt. Das 11. Kapitel schildert den Marsch durch eine

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Aber man wird dies Alles, ohne em⸗;

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Der Verein Concordia (zur Förderung des Wohles der Arbeiter)

Wildniß, in welcher Kämpfe mit Zwergen und vor Allem mit Hunger zu bestehen waren. Am 14. Dezember 1887 wurde endlich der Albert⸗See erreicht, wo aber Nachrichten von Emin Pascha nicht vorlagen. Auch kein Kanoe war zu erhalten, da die Expedition ihr Boot unterwegs zurückgelassen e ein weiteres Vordringen schien unmöglich und so wurde eschlossen, nach Ibwiri zurückzukehren, dort ein befestigtes Lager zu bauen, dann eine starke Abtheilung nach Ipoto zu senden, um das Boot, die Waaren, Offiziere und die dort zurück⸗ elassenen Kranken nach dem befestigten Lager zu holen, Barc den Marsch zur Aufsuchung des Nachtrabs unter Major

arttelot fortzusetzen, ehe er und sie scheiterten oder in die Wildniß hineinmarschirten, aus der der Vortrab mit genauer Noth entkommen war, und schließlich wieder nach dem Albert⸗ See zurückzukehren. Am 6. Januar 1888 konnte dann der Bau des Forts Bodo in Angriff genommen werden.

(Fortsetzung folgt.)

Statistik und Volkswirthschaft.

Zur Arbeiterbewegung.

Der Vorstand des Centralverbandes der Stickerei⸗ industrie in Sachsen hat, wie dem „Chemn. Tagbl.“ aus Plauen gemeldet wird, den Antrag auf Abkürzung der Arbeitszeit mit großer Mehrheit abgelehnt.

In Dortmund fand am 27. Juni, laut Mittheilung der „Rh.⸗⸗ Westf. Ztg.“, eine Volksversammlung statt, welche von etwas über 300 Personen besucht war. Dieselbe kennzeichnete sich sofort bei der Wahl des Vorsitzenden als von sozialdemokratischer Seite ausgehend. Als erster und zweiter Vorsitzender wurden nämlich zwei Sozialdemokraten gewählt. Die Tagesordnung bildete folgendes Thema: „Der Kampf der organisirten Arbeitgeber gegen die organisirten Arbeitnehmer.“ Der anwesende Polizeikommissar sah sich veranlaßt, die Versammlung aufzulösen.

In Folge des letzthin in Hannover stattgehabten Schneider⸗ ausstandes hat sich eine Anzahl Herrengarderobe⸗Geschäftsinhaber zu einer freien Vereinigung zusammengethan, welche sich zur Hauptaufgabe gegenseitigen Schutz und Unterstützung in Zeiten geschäft⸗ licher Krisen und Arbeiterbewegungen gestellt hat. Auch in anderen Städten der Provinz Hannover und der benachbarten Gebiets⸗ theile sind, wie der „Voss. Ztg.“ mitgetheilt wird, solche Vereini⸗ gungen in der Bildung begriffen. Sobald mehrere solcher Vereini⸗ gungen bestehen, soll eine Versammlung von Vertretern derselben einberufen werden zur Gründung eines Verbandes für Hannovyer, Oldenburg, Bremen u. s. w., um eine gegenseitige Unterstützung zu ermöglichen. 2.

Der Feilenfabrikanten⸗Berein in Remscheid hielt, laut Mittheilung der „Elbf. Ztg.“, am 26. Juni eine Versammlung ab, die überaus zahlreich besucht war. Ein ebenfalls anwesender Fabrikant, welcher auf die Bedingungen der Feilenhauer eingegangen ist und ihnen die verlangten Löhne zahlt, wurde ausgeschlossen und mußte den Saal verlassen. Der Verein hielt einhellig an seiner ablehnenden Haltung den Forderungen der Feilen⸗ hauer gegenüber fest. Es wurde beschlossen, an die auswärtige Kundschaft ein Zirkular zu senden, in welchem die obwaltenden Ver⸗ hältnisse klar S werden und bemerkt wird, der dringendste Bedarf werde durch gegenseitige Aushülfe der vereinigten Fabrikanten Deckung finden. Hierher gehört auch die Besprechung, welche über die gegen diejenigen Fabrikanten zu ergreifenden Maßnahmen stattfand, die sich mit dem Fabrikantenverein nicht als solidarisch betrachten und die von den Feilenhauern geforderten Löhne bezahlen. Wie die „Remscheider Zeitung“ meldet, hat Hr. Geheimer Rath Wolff, der im Auftrage der königlichen Regierung zu Düsseldorf in Remscheid war, mit dem Vorsitzenden des Fabri⸗ kantenvereins und auch mit Feilenhauern über den Strike Unterredungen gehabt. Zur Anbahnung eines Ausgleichs wählte der Fabrikantenverein eine fünfgliedrige Kommission, die am 30. Juni zu einer Berathung im Rathhause zusammentreten wird. Es wurde bestimmt, daß die Kommission über die seitherigen Beschlüsse des Feilenfabrikantenvereins nicht hinausgehen darf. Voraussichtlich wird auch eine entsprechende Abordnung der Feilenhauer zu dem erwähnten Zweck zusammentreten.

Die am 26. Juni zu Unterbarmen abgehaltene Versammlung ausständiger Zimmergesellen war, der „Barm. Ztg.“ zufolge, von ungefähr 150 Personen besucht. In derselben wurde die Mitthei⸗ lung gemacht, daß die mit den Meistern geführten Verhandlungen sich erfolglos zerschlagen hätten, und hierauf eine Refolution ange⸗ nommen, in welcher ausgesprochen wird, den Ausstand so lange aufrecht zu erhalten, bis sämmtliche Forderungen be⸗ willigt wären. Als ein Elberfelder Redner die noch arbeitenden Gesellen beschimpfte, erklärte der die Versammlung überwachende Polizeikommissar, daß er solches nicht dulden, sondern im Wieder⸗ holungsfalle die Versammlung auflösen werde, wie er auch davor

warnte, die arbeitenden Kollegen zu stören, da die Behörde dieselben

auf das Energischste zu schützen die Absicht habe.

Arbeiterwohnungen. 8

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in Mainz hat für die von ihm herausgegebene, 74 Blätter um⸗ fassende Sammlung bewährter Arbeiterwohnungsskizzen nach der ihm seither von höchsten Stellen zu Theil gewordenen Anerkennung (u. A. von Sr. Majestät dem Deutschen Kaiser, Ihrer Majestät der Königin Olga von Württemberg, Ihrer Königlichen Hoheit der Großherzogin von Baden, dem Königlich preußischen Minister fuͤr Handel und Gewerbe u. s. w. neuerdings auf der in Köln stattgehabten Ausstellung die höchste Aus⸗ zeichnung erhalten. Es wurde ihm bei dieser Ausstellung („Wett⸗ streit zur Verbesserung der Lage der Arbeiter“ in Köln 1890) das Ehrendiplom der goldenen Medaille verliehen. Die Samm⸗ lung, welche zum Selbstkostenpreis von 22,72 abgegeben wird, versendet d stand des genannten Vereins n Mainz fran

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LI1““ v“ 8. Disziplin unter den Eisenbahnbeamten.

In den Vereinigten Staaten von Amerika besteht seit einigen Jahren unter dem Namen General Time Convention ein Eisenbahnperein, dessen Bestrebungen wesentlich die Einführung einer Einheitszeit in dem Verkehrsleben der Vereinigten Staaten zu danken ist, und welcher seitdem bemüht ist, auch auf anderen Gebieten des Eisenbahnwesens eine größere Einheitlichkeit herbeizuführen. So beschäf⸗ tigt sich der Verein neuerdings mit Berathungen über eine bessere Or⸗ ganisation des Eisenbahndienstes und der Regelung der Verhältnisse der Eisenbahnbeamten und der Eisen⸗ bahnarbeiter. Aus einer Rede, welche der Vorsitzende in der

letzten Jahresversammlung des Vereins am 9. April d. Js. gehalten 2 e rsr, K. b. Geheimen Sekretär im Ge

hat, ist zu ersehen, welche Ziele ihm vorschweben, und es ist be⸗ merkenswerth, einen wie hohen Werth man auch in dem nord⸗ amerikanischen Freistaate auf eine straffe Disziplin unter den Eisenbahnbeamten legt. In der Rede wird in dieser Beziehung Folgendes bemerkt: „Ein gut organisirtes Eisenbahnnetz hat seinen Generalstab, sein Stations⸗ und Streckenbeamten, seine Magazine, seine Abtheilungen und Unterabtheilungen für den Betrieb, es gleicht mit einem Worte einer Armee, deren Aufgabe in der Beförderung der Personen und der Güter eines Landes besteht. Alle Anstrengungen der Eisen⸗ bahnen müssen die Lösung dieser Aufgabe ins Auge fassen und dazu ift die Disziplin ebenso nöthig, wie in einem Heere. Mit dem Anwachsen dehnung unserer Operationen, der Vermehrung der Zahll und der Schnelligkeit der Züge muß eine erhöhte Strenge der Disziplin Hand in⸗Hand gehen, und diese Disziplin muß durch Strafen erzwungen und aufrecht erhalten werden, welche ebenso streng sind als die Strafen der Soldaten. Nun befürchte ich, daß durch die (bekanntlich sozialistischen) Arbeitervereine, deren äußerlicher Zweck das materielle, sittliche und soziale Wohl ihrer Mitglieder ist, ein 6 gewisser Widerstand gegen Zwang und Subordination, eine Art von Trotz gegenüber den Interessen und Anforderungen der Eisenbahnen auch in An- gelegenheiten großgezogen wird, welche den Beamten völlig gleichgültig sein können. Sollte dieser Geist sich weiter verbreiten, so würde die Aufrecht⸗ erhaltung der Disziplin gefährdet werden, welche für die eigene Sicherheit der Beamten ebenso wesentlich ist wie für das Leben der Reisenden und die Interessen der Aktionäre.. Um unsere Auf⸗ gabe erfolgreich zu lösen, müssen wir also in dem Eisenbahn⸗Personal einen gewissen Corpsgeist entwickeln, welcher zusammengesetzt ist aus Liebe zu der Körperschaft, der man angehört, aus Achtung vor den Vorgesetzten und aus Freude an der übertragenen Arbeit.“

unserer Geschäfte, der Aus⸗

Die Unfälle auf nordamerikanischen Eisenbahnen.

Seitdem das in den Vereinigten Staaten von Amerika durch Gesetz vom 4. Februar 1887 eingesetzte Bundes⸗Verkehrsamt sich auch mit der Eisenbahn⸗Statistik beschäftigt, werden endlich einiger⸗ maßen zuverlässige Zahlen über die Unfälle bekannt, welche auf den dortigen Eisenbabnen vorkommen. Daß die Zahl dieser Unfälle eine bedeutende war, vermuthete man weohl schon fräher. Die nord⸗ amerikanischen Eisenbahnen sind in ihrer Mehrzahl ja viel leichter weil billiger gebaut und mit der Beaufsichtigung des Betriebs, der Bahnbewachung und anderen Maßnahmen nimmt man es dort nicht so genau wie hier zu Lande.

Gleichwohl haben die jetzt bekannt werdenden amtlichen Zahlen etwas Erschreckendes. Auf einem am 28. Mai d. J. abgehaltenen Kongreß hat der Vorsteher des Statistischen Bureaus des Bundes⸗ Verkehrsamts, Professor Adams, die folgende Zusammenstellung der Töe des Jahres 1888/89 (1. Juli bis 30. Juni) mit⸗ getheilt:

Andere Personen

8 5 8

Reisende Zusammen

Bezeichnung Unfalls

getödtet verletzt getödtet verletzt getödtet verletzt getödtet verlett

02 e. —½ O9

BeimKuvppeln der Wagen Durch Herabfallen vom Zuge oder von der Loksmotive... Durch Anstoßen an über der Bahn befindliche Hindernisse.... 15 Durch Zusammenstöße 1662* . 37 48] 311] 1313 Durch Entgleisung von V A e11“ 29 69] 182 1113 Durch andere dem Zug6 8 8 zugestoßene Unfälle. 189 10166 26 247] 522 515 737 1778 161 410 634]/ 437 695 328 472 424 1466

Bei Wegeübergängen. 24 45 3 In Stationn 270 699 26 295

Bei anderen Ursachen. 539 7729 120 754,[2215 2397 [2874 10880 Zusammen [1972,20028 310 21461[3541 4135[5823 26309

Hiernach sind im Jahre 1888/89 auf den Eisenbahnen der Vereinigten Staaten 5823 Personen getödtet und 26 309 Personen körperlich ver⸗ letzt. Ohne weitere Schlüsse daraus ziehen zu wollen, lediglich um unseren Lesern einen ungefähren Vergleichsmaßstab zu geben, bemerken wir, daß im Jahre 1888 die Zahl der auf den Eisenbahnen getödteten Personen in England 977, die Zahl der. verletzten 8807, in Deutsch⸗ land im Jahre 1888/89 die Zahl der im Eisenbahnbetrieb getödteten Personen 562 (ausschließlich der Selbstmörder), der Verletzten 1447 betrug. Hergleicht man die Zahl der getödteten und verletzten mit der Zahl der beförderten Reisenden, so kam in den Vereinigten Staaten, woselbst in 1888/89 472 171 343 Personen Fese wurden, 1 Getödteter auf 1 523 133 und 1 Verletzter auf 220 024 Reisende. Im Deutschen Reich stellen sich diese Zahlen in 1888/89 auf 1: 10 963 370 und 1: 2 763 126.

Zur besseren Würdigung der Gefabren, welchen die Eisenbahn⸗ beamten ausgesetzt sind, wird von dem Professor Adams noch an⸗ gegeben, daß die Gesammtzahl der Eisenbahnangestellten 704 736 be⸗ tragen haz, welche für den vorliegenden Zweck in Fahrbeamte, Weichensteller, Flaggensignalwärter, Bahnwärter und andere Beamte eingetheilt sind. Es ergiebt sich folgende Tabelle:

Zahl Getödtet Verletzt 137 334 1 179 11 301

33 344 2 155 16 238 . 214

20 030

wSe. öD““ Zeichensteller, Signalflagger und hb4“ 84“*“ Vorstehend nicht aufgeführte Beamte Zusammen. . 704 736

v11““

Nach Mittheilung des Statistischen Amts der Stadt Berlin sind bei den diefigen Standesämtern in der Woche vom 15. Juni bis inkl. 21. Juni ecr. zur Anmeldung gekommen: 210 Eheschließungen, 890 Lebendgeborene, 21 Todtgeborene, 656 Sterbefälle.

Literatur. 1““

„König Maximilian II. von Bayern und Schelling

Briefwechsel, herausgegeben ben Dr. ve2st etions ath, K. b. Geheimen Haus⸗ und Staats⸗Archivar, und Dr. e

ö. 2 heimen Hausarchiv. Stutt⸗