Bauernmädchen geschah. Für die Fürstlichen Personen waren alte norwegische Sessel auf den Dampfer geschafft worden, während das Bier aus alten norwegischen Silberhumpen ge⸗ trunken wurde. “ Unterdessen hatte sich der Sonderzug wieder in Bewegung gesetzt und hielt zunächst in Drammen an, wo den Gästen Sr. Majesät des Königs Oskar ein Frühstück geboten wurde. Der nächste Haltepunkt des Sonderzuges war Stjerdalen, auf welcher Station die Allerhöchsten und Höchsten Herrschaftem den Sonderzug wieder bestiegen, um nach Hönefos zu fahren, woselbst die Ankunft gegen 3 ¾ Uhr Nachmittags erfolgte. Am Bahnhofe wurden die Majestäten vom Ortsvorstand und einer Ehrenwache der 1. Infanterie⸗Brigade, deren Musikcorps die preußische Hymne intonirte, sowie von 20 weißgekleideten Mädchen, die Blumen streuten, empfangen. Nach Abschreiten der Front der Ehren⸗ wache bestiegen die Erlauchten Herrschaften die bereitstehenden Wagen und fuhren nach Glatved's Hotel, wo um 4 ½ Uhr das Diner eingenommen wurde. Der ganze Weg dorthin
war in eine wahre Feststraße umgewandelt und durch eine Stacketeinfriedigung bezeichnet worden, die mit Fähnlein dicht besetzt war. Vier Ehrenpforten hatte man an verschiedenen Punkten dieses We ges erbaut, jede in ihrer Art ein Meisterwerk von kunstgeübter Hand. Die erste nur aus hölzernen Erzeugnissen der Fabriken des Ortes — er zählt ungefähr 1500 Einwohner — zeigte uns, was menschliche Kunst überhaupt zu erreichen ver⸗ mag. Die übrigen Ehrenpforten waren thurmartig und in Obeliskenform gehalten, trugen reichen Guirlanden⸗ und Em⸗ blemen⸗Schmuck und waren eine jede durch eine frische grüne Kaiserkrone gekrönt, in welcher — gewissermaßen um die Edelsteine der Krone zu versinnbildlichen — elektrische Glüh⸗ lampen leuchteten. In den Straßen bildeten die Schulkinder mit Fahnen Spalier. 5b schönste Genuß war natürlich der Anblick des herr⸗ lichen Wasserfalls, welcher von einem Bergplateau herab zuerst in Kaskadenform abstürzt und sich dann durch ver schie⸗ dene Felsblöcke in erheblichem Gefälle hindurchwindet, um dann mit mächtigem Getose durch die Brücke zu Thal zu 1 eilen. Ueber diese Brücke führte die Feststraße, und Se. Majestät bewunderte von da aus zuerst bei der Einfahrt und später vom Hotelpark aus das in Worten kaum würdig zu beschreibende seltene Naturschauspiel. An der rechten Seile der Brücke, inmitten auf einem von den schäumenden Wogen umtosten Felsblocke hatte man einen ausgestopften großen Bären mit offenem Rachen als Symbol des Berliner Stadtwappens postirt: der Kaiser freute sich über diesen Einfall herzlich. Um 6 Uhr wurde wieder nach dem Bahnhofe unter fortwährendem Regen aufgebrochen, und unter endlosem Jubel setzte sich der Sonderzug zur Rückkehr nach Christiania in Bewegung. “ , “ In Drammen wurde auf die Dauer einer Viertelstunde Halt gemacht, um daselbst die Begrüßung der Spitzen der Behörden und einer Deputation der daselbst wohnen⸗ den Deutschen entgegenzunehmen. Des Kaisers und Königs Majestät unterhielt Sich hier mit den ein⸗ zelnen Herren in leutseligster Weise, reichte einem Jeden die Hand zum Abschied und begrüßte auch die auf beiden Seiten des Bahnhofes, theils auf Tribünen, theils auf dem Bahnsteige befindliche, nach Tausenden zählende Volksmenge, die unaufhörlich ihre Hurrahrufe ertönen ließ. Die Zahl der Blumensträuße, welche hier von Damen dem Kaiser überreicht wurde, war Legion, und bei der Abfahrt wurde die jubelnde Bevölkerung dadurch noch hochbeglückt, daß die Majestäten auch dem Volke wieder Blumen zuwarfen, um die sich dieses wacker stritt, denn Jeder suchte eine dieser Blumen zu erhaschen. Bei der wunder⸗ schönen Lage Drammens, dessen Fjord⸗Ufer und große Brücke ebenfalls mit dichten Menschenmengen besetzt waren, machte der Aufenthalt daselbst und der Abschied von dort einen erhebenden Eindruck. In Christiania — der Zug fuhr direkt von Drammen hierher — traf der Sonderzug kurz vor 10 Uhr Abends wieder ein. Nach der Ankunft fand auf dem Königlichen Schlosse noch ein Familiensouper und Marschallstafel statt, nach deren Beendigung König Oskar jedem der Herren des Kaiserlichen Gefolges Allerhöchstseine Photographie mit Seiner eigenhändigen Unterschrift überreichte. Heute (Sonnabend) Vormittag erfolgte die Fahrt zur Landungstreppe auf dem Tordenskjoldplatzz um 11 ¼ Uhr. Des Kaisers und Königs Majestät verabschiedete Sich auf dem Königlichen Schlosse von Ihrer Masestät der Königin Sophie und küßte Allerhöchstderselben wiederholt die Hand. Mit Sr. Majestät dem Kaiser fuhren Se. Majestät der König Oskar, sowie Se. Königliche Hoheit der Kronprinz, ferner Prinz Eugen in Begleitung Sr. Königlichen Hoheit des Prinzen Heinrich von Preußen und Sr. Hoheit des Herzogs Friedrich Wilhelm von Mecklenburg, zum Hafen, wodas Publikum dicht gedrängt auf den Tribünen die Fürftlichen Herrschaften erwartete. Im Empfangs⸗ pavillon verabschiedete Sich Se. Maj stät von den offiziellen Per⸗ sönlichkeiten und zog hierbei namentlich den Bürgermeister Christie in ein längeres Gespräch. Dann wurde zu den Kaiserlichen Schiffen gefahren, mehreren derselben ein Besuch abgestattet und auf der „Hohenzollern“ das Frühstück eingenommen. Nach 2 ½ Uhr Nachmittags begaben Sich die Hohen Herr⸗ schaften noch an Bord eines deutschen Kriegsschiffes, während sämmtliche Schiffe salutirten und die Besatzungs⸗Mannschaften an Bord paradirten. Später führte der Kaiser und König Seinen Königlichen Gastgeber und Höchstdessen Söhne im Kaiserboot an Land zurück. In dem Boote hatte auch der zu Sr. Majestät befohlen gewesene Dienst Platz genommen. Nachdem man wieder an Land gelangt war, vollzog sich vor den Augen der zahlreichen Zuschauer die ergreifende Abschiedsscene. Die Monarchen umarmten und küßten sich wiederholt, ebenso ver⸗ abschiedeten Sich des Kaisers und Königs Majestät von dem Kron⸗ prinzen und dem Prinzen Eugen, und dann stieß das Kaiserboot vom Lande ab, um dem „Kaiser“ zuzusteuern, an dessen Bord Kaiser Wilhelm Sich begab. Der Kaiser hatte die norwegische Admirals⸗Uniform angelegt und grüßte, auf der Kommando⸗ brücke stehend, noch wiederholt der Landungsstelle zu, wo König Oskar, der die deutsche Admirals⸗Uniform trug, seinem scheidenden Kaiserlichen Freunde noch lange nachblickte. Der „Kaiser“ fuhr, nachdem die Fia sich in Bewegung gesetzt und das norwegische Kanonenboot „Elda“ die Führung wie bei der Ankunft genommen hatte, als vorletztes, die „Irene“ als letztes Schiff. Als der „Kaiser“ in Höhe des Empfangspavillons vorüberdampfte, senkte sich die Kaiserstandarte für Augenblicke zus Halbmaft, *n 82 7“ F;ee hochzugehen. Kaiser Seinem Königlichen . . schiedegruß gesand glich “ den letzten 89
8
Heute fand eine Plenarsitzung des Bundesraths statt. Vorher tagten die vereinigten Ausschüsse für Handel und Verkehr und für Justizwesen, sowie für Zoll⸗ und Steuer⸗ 'wesen und für Handel und Verkehr und der Ausschuß für Rechnungswesen.
Dusrch den Nachtrag zum diesjährigen Staatshaushalts⸗ Etat sind die Gehälter der Unterbeamten bei den Strafanstalten, die vom Ministerium des Innern ab⸗ hängen, wie folgt anderweit festgesetzt worden: 1) für Haus⸗ väter und Maschinenwärter von 1200 ℳ bis 1800 ℳ, im Durchschnitt 1500 ℳ, 2) für Ober⸗Aufseher und Werkmeister von 1200 bis 1600 ℳ, im Durchschnitt 1400 ℳ, 3) für Ober⸗Aufseherinnen und Hausmütter von 900 ℳ bis 1500 ℳ, im Durchschnitt 1200 ℳ, 4) für Aufseher und für die Führer bei den Erziehungs⸗ und Besserungs⸗Anstalten zu Conrads⸗ hammer und Wabern von 900 ℳ bis 1500 ℳ, im Durch⸗ schnitt 1200 ℳ, 5) für Aufseherinnen von 700 ℳ bis 900 ℳ, im Durchschnitt 800 ℳ Im Einverständniß mit dem Finanz⸗ Minister hat der Minister des Innern beschlossen, die Re⸗ gulirung der Gehälter der Beamten in den Kategorien 1 und 2 auch ferner vom Ministerium aus stattfinden zu lassen, den Ober⸗Aufseherinnen und Hausmüttern allgemein das Durchschnittsgehalt zu gewähren, ferner die Aufseher ꝛc. (vor⸗ stehend 4) und die Aufseherinnen (vorstehend 5) in jedem Regierungsbezirk je zu einer Besoldungsgemeinschaft zu ver⸗ einigen und die Gehälter derselben vom 1. April d. J. ab in der Weise abzustufen, daß für die Aufseher fünf Gehaltsklassen zu 900, 1050, 1200, 1350, 1500 ℳ und für die Aufseherinnen drei Gehaltsklassen zu 700, 800 und 900 ℳ bestehen.
Die Bevollmächtigten zum Bundesrath, Königlich säch⸗ sischer Oberst von Schlieben und Großherzoglich sächsischer Geheimer Staatsrath Dr. Heerwart sind von Berlin ab⸗ gereist.
Der Chef der Landgendarmerie, General der Infanterie von Rauch, hat einen längeren Urlaub nach Böhmen an⸗ getreten.
Der Ober⸗Quartiermeister im Großen Generalstabe, General⸗Lieutenant Graf von Schlieffen II., hat sich auf Dienstreisen begeben.
Der Ober⸗Regierungs⸗Rath Dr. Scheffer zu Bromberg ist an die Königliche Regierung zu Düsseldorf versetzt, und es ist ihm daselbst die Stelle als Ober⸗Regierungs⸗Rath bei dem Regierungs⸗Präsidenten übertragen worden.
Dem Regierungs⸗Assessor Dombois bei der Königlichen Direktion für die Verwaltung der direkten Steuern in Berlin ist die kommissarische Verwaltung des Landrathsamts im Kreise Prüm, Regierungsbezirk Trier, übertragen worden.
Der Regierungs⸗Assessor de la Fontaine zu Bromberg ist an die Königliche Regierung zu Aachen und der Regierungs⸗ Assessor Schwindt zu Danzig an die Königliche Regierung zu Königsberg versetzt worden.
Der neuernannte Regierungs⸗Assessor von Puttkamer ist der Königlichen Regierung zu Danzig überwiesen worden.
Die Regierungs⸗Referendare Winkel aus Posen, Tuebben aus Marienwerder, Dr. jur. Witte aus Breslau, Dr. jur. Erbslöh aus Düsseldorf, Ramm aus Sigmaringen und von Keudell aus Kassel haben am 5. d. M. die zweite Keeesrüh hehg. für den höheren Verwaltungsdienst bestanden.
München, 7. Juli. Der Minister⸗Präsident Freiherr von Crailsheim hat sich, der „Allg. Ztg.“ zufolge, heute Vormittag mit dem Schnellzug über Landshut nach Passau begeben, um die dortigen Bahnhofserweiterungen und Umbauten zu besichtigen und sodann die Rottthal⸗ bahn, sowie die beiden demnächst zu eröffnenden Wald⸗ bahnen Passau⸗Fürsteneck und Gräfenau⸗Zwiesel zu inspiziren. In der Begleitung des Minister⸗Präsidenten befinden sich die Herren General⸗Direktor Schnorr von Karols⸗ feld, Ministerial⸗Rath Ritter von Oswald, Ober⸗Regierungs⸗Rath Ebermayer und General⸗Direktions⸗Assessor Abt.
Sachsen. 8
Dresden, 1. Juli. Se. Majestät der König hat, wie das „Dresd. Journ.“ meldet, den Ober⸗Ceremonienmeister, Kammerherrn Freiherrn Alfred von Miltitz auf sein An⸗ suchen von den Funktionen eines Königlichen Ceremonien⸗ meisters unter Belassung seines Titels und Ranges enthoben.
Oesterreich⸗Ungarn
Wien, 8. Juli. (W. T. B.) Das „Wiener Frem⸗ denblatt“ hebt mit großer Genugthuung die be⸗ geisterte Aufnahme der österreichisch⸗ungarischen Schützen in Berlin hervor. Es präge sich darin die gegen⸗ seitige Sympathie der beiden Völker und das treue Festhalten an ihrem Bunde aus, und stimmungsvoll hätten dabei die Worte des Führers der italienischen Schützen hin⸗ eingeklungen, sodaß das Schützenfest in Berlin als eine be⸗ merkenswerthe Kundgebung für die Friedensallianz erscheine.
Großbritannien und Irland.
London, 8. Juli. In der gestrigen Unterhaus⸗ sitzung gab, wie „W. T. B.“ meldet, der Erste Lord des Schatzes Smith die Erklärung ab: Die südliche Grenze des Walfischbay⸗Gebiets sei leider nicht genau definirt; es seien daher zwischen den Behörden des Kaplandes und den deutschen Behörden im Damaralande Er⸗ örterungen darüber entstanden, ob eine gewisse Landstrecke, die als Wasserstation für die Straßen von der Küste nach dem Inlande wichtig erscheine, in die Grenze des Walfischbay⸗ Gebiets einbegriffen sei. Ein Versuch, die bestehenden Mei⸗ nungsverschiedenheiten durch eine gemeinsame Kommission zu regeln, sei fehlgeschlagen. Da der englische und der deutsche Kommissar sich nicht geeinigt hätten, seien in dem 2itsW Abkommen Bestimmungen enthalten, um die Angelegenheit einem Schiedsspruche zu unterbreiten. 88 5
Der „Observer“ schreibt: „Die Opposition, welche sich in dem Sonder⸗Ausschuß zur Begutachtung der Vorschläge der Regierung für die Uebertragung von Vorlagen
auf die nächstfolgende Parlamentssession bekundet,
1
macht es in dieser Periode der Session unthunlich, die Sache weiter zu verfolgen. Die vorgeschlagene neue Geschäftsordnung
wird folglich dem Hause der Gemeinen nicht unterbreitet werden.“ Unter diesen Umständen wird, wenn der „Observer“ recht unter⸗ richtet ist, eine Herbstsession zur Durchführung der in der laufenden Session nicht erledigten wichtigen Gesetzentwürfe abgehalten werden müssen. Da aber im konservativen Lager keine große Neigung für eine Herbstsession zu herrschen scheint, so wird der Regierung nichts anderes übrig bleiben, als die noth⸗ wendigsten Geschäfte der Session so rasch als möglich abzu⸗ wickeln und die irische Güterankaufs⸗Vorlage und vielleicht auch die Zehnten⸗Vorlage gänzlich fallen zu lassen.
Die Agitation unter der Londoner Schutzmann⸗ schaft ist in ein sehr akutes Stadium getreten. Die „Allg. Corr.“ berichtet über den Anlaß daru:
„In der Bowstreet⸗Polizeistation spielte sich am Sonn⸗ abend eine erregte Scene ab. Ein Schutzmann, der Führer seiner Kameraden in der Agitation um kürzere Dienststunden und höhere Besoldung, war nach einem anderen Distrikt versetzt worden, und erbittert über diese Maßregel versagten die meisten Scutz⸗ leute ihren Vorgesetzten den Gehorsam, in Folge dessen nahezu 50 Schutzleute sukpendirt wurden. Zur Bewältigung des Nachtdienstes auf den Straßen mußten am Sonntag Abend Schutzleute aus drei Vorstädten herangezogen werden. Die Ersatzkonstabler wurden von den suspendirten Schutzleuten verhöhnt. In einer Versammlung von Delegirten sämmtlicher hauptstädtischen Schutzleute wurde beschlossen, am Montag Abend zu eirnem allgemeinen Ausstand zu schreiten. Falls bis dahm nicht eine günstige Antwort auf ihre an den Minister des Innern gerichtete Antwort eingegangen sei. An die Hauswirthe und Ladenb.sitzer werd eine Aufford rung gerichtet werden, ihr Eigenthum selber zu beschützen.“
Im Unterhause erwiderte gestern der Staatssekretär des Innern Matthews in Beantwortung einer auf die Bewegung bezüglichen Anfrage: Die Zeitungsmeldungen über die unter der Londoner Schutzmannschaft aus⸗ gebrochenen Unruhen seien sehr übertrieben. Nur 39 junge, unerfahrene Polizisten hätten sich am Sonnabend in der Bomwstreet⸗Station einer Insubordination schuldig gemacht, und diese seien deshalb heu. e entlassen worden. Die alten, erfahrenen Polizisten dagegen betrügen sich würdig der Traditionen der Londoner Schutzmannschaft. Uebrigens seien von dem Chef ver Polizei die umfassendsten Maßregeln getroffen, daß die Polizei der gesammten Stadt die ihr obliegenden Pflichten im vollsten Maße erfülle.
Inzwischen ist es, laut Meldung des „W. T. B.“, gestern Abend zu Ruhestörungen in der Bowstreet gekommen, welche den ganzen Abend über fortdauerten. Gegen 9 Uhr hatte die Menschenmenge dort derart zugenommen, daß sie die ganze Straße füllte. Eine stärkere Abtheilung berittener Polizeimannschaften versuchte die Straße zu säubern, jedoch ohne Erfolg. Es wurden mehrere Personen verhaftet und eine Anzahl verwundet. Eine Abtheilung Kavallerie mußte den Wagen des Prinzen von Wales, als dieser die der Polizeikaserne gegenüber liegende Oper verließ, begleiten.
Nach neueren Meldungen des „R. B.“ setzten sich gestern die Unruhen in der Bovstreet bis tief in die Nacht hinein fort; erst heute früh gegen 2 Uhr begann die Menge sich zu zerstreuen. Die berittenen Polizeimannschaften wurden durch Schutzleute zu Fuß ersetzt. Die durch die Volkshaufen an⸗ gerichteten E sind beträchtlich; viele benach⸗ barte Häu wurden zertrümmert. Die Zahl der verhafteten Personen ist eine sehr erhebliche
Nicht minder ernst hat sich die Agitation unter den Londoner Briefträgern gestaltet. Eine große Menge derselben in den westlichen und östlichen Stadtbezirken würde schon am Sonnabend zu einem Ausstande geschritten sein, wenn sich nicht die Exekutive des Briefträger⸗Verbandes ins Mittel gelegt hätte. Gestern Abend sollte eine Massenversamm⸗ lung abgehalten werden, um einen endgültigen Beschluß zu fassen. Inzwischen wird der gewöhnliche Postverkehr nur mit großer Schwierigkeit bewältigt.
Die englische Kriegsmarine erhielt am Sonnabend einen Zuwachs in dem gepanzerten Kreuzer „Blenheim“, der von der Werft der Thames Ironwork and Shipbuilding Company in Blackwall nach vollzogener Taufe durch die Gemahlin des Admirals Hopkins, eines der Lords der Admiralität, in Gegenwart einer großen Zuschauermenge vom Stapel lief. Der
gang von 25 Fuß 6 Zoll und ein Deplacement von 9000 Tons.
Kraft seiner Maschinen von 20 000 Pferdekraft ist er im
Stande, nöthigenfalls 22 Knoten in der Stunde abzuwickeln.
Die Panzerbekleidung ist stellenweise 6 Zoll stark. Die Be⸗
waffnung des Kreuzers besteht aus 9 zweizölligen, 24 Tonnen
schweren Kanonen, 10 sechszölligen, 5 Tonnen wiegenden Ge schützen, sowie 16 Dreipfündern und Nordenfeldt'schen
Mitrailleusen. 1X“
8 Frankreich. 11“ ö“ Paris, 6. Juli. Der „Fr. C.“ entnehmen wir den nach stehenden ausführlichen Bericht über die gestrige Sitzung der
Deputirtenkammer: 1
Auf der Tagesordnung stand die erste Lesung des vom Senat genehmigten Gesetzentwurfs, betreffend die Arbeit der Kinder, minderjährigen Mädchen und Frauen in den Fabriken.
Da dieser Gegenstand schon in den letzten zwei Jabren ausgiebig er⸗
brtert worden war, so wurde nur dem Namen nach eine General⸗
debatte gebalten und dann sogleich die Verhandlung über Art. 1 be⸗ selbe lautet:
s Tfäbe 9 Kinder, minderjährigen Mädchen und Frauen in den Fabriken, Werkstätten, Bergwerken, Gruben und Stein⸗ brüchen, Bauplätzen, Ateliers und was damit zusammenhängt, welcher Art sie auch sein möge, öffentlich oder privat, weltlich oder
geistlich, gleichviel, ob diese Anstalten den Charakter eines Gewerbe-
Unterrichts oder der Wohlthätigkeit tragen, untersteht den von dem des; bestimmten Verpflichtungen. 3 8
usgenommen sind die Arbeiten, welche in solchen Anstalten ausgeführt werden, wo nur die Angehörigen der Familie unter der Aufsicht des Vaters oder der Mutter oder auch eines Vormunds arbeiten, vorausgesetzt jedoch, daß diese Anstalten nicht als gefähr⸗ liche, gefundheitsschädliche oder belästigende klassirt sind oder daß die Arbeit nicht mit Hülfe von Dampfkesseln oder mechanischen Motoren vor sich gehe.
Der sozialistische Abg. Dumay entwickelte ein Amendement, dem zufolge der Aufzählung der Fabriken, Werkstätten u. s. w. noch die Worte: „Schreibstuben und Verkaufsläden“ hinzugefügt werden sollten. Der Berichterstatter Waddington entgegnete aber, eine solche Beschränkung könnte zu weit führen. Der Antrag wurde mit 284 gegen 222 Stimmen verworfen. Absatz 1 des Art. 1 drang sodann durch mit einem Zusatz von Balsan, demgemäß die Bestimmungen des Ge⸗ setzes auch für die in Fabriken arbeitenden Ausländer gelten. Zu Ab⸗ satz 2 brachten Balsan und Apnard die Streichung des Schlusses des Aitikels, betreffend die Verwendung von Dampfkesseln oder mechanischen Motoren in Vorschlag. Aynard, Abgeordneter von Lyon, begründete den Antrag, indem er auf die zahlreichen „Familien⸗Ateliers“ hin⸗
er wurden beschädigt, zahlreiche Fensterscheiben
„Blenheim“ 8 ist 375 Fuß lang, 65 Fuß breit, hat einen Tief⸗
8 gelehnt. heiten in der Kommission des Senats und der
der Silberbill sind nunmehr beseitigt.
versammlung zur Bestätigung obigen Vergleiches einberufen.
wies, welche in seinem Wahlkreise existiren und seit einiger Zeit wieder mehr in Aufnahme kommen. Hier werden die Webstühle oft durch Gasmotoren getrieben, und wenn nun der Artikel in dem vor⸗ liegenden Wortlaut angenommen würde, so wäre dies für die Fa⸗ milien⸗Aieliers mit inrer patriarchalischen Eineichtung, aber ihrem vervollkommneten Werkzeug ein erheblicher Schaden. Ungeachtet dieser Vorstellungen worde der Antrag mit 274 gegen 200 Stimmen verworfen und der Tert des Ausschusses genehmigt. EEb 8
Die Kinder dürfen von Meistern nicht vor dem zurückgelegten 13. Altersjahre beschäftigt und eben so wenig in die in Artikel 1
aufgezählten Anstalten zugelassen werden.
Jene Kinder jedoch, welche das vom Gesetz vom 28. März 1882 eingeführte Abgangszeugniß aus der Primärschule (Certificat
d'’tudes primaires) besitzen, dürfen vom 12. Altersjahre an be⸗ schäftigt werden.
Auf alle Fälle darf kein Kind unter 15 Jahren in die oben genannten Anstalten zugelassen werden, wenn es nicht mit einem
aͤrztlichen Gesundheitszeugnisse versehen ist, welches einer der mit der Aufsicht über die kleinen Kinder betrauten Aerzte oder ein Schularzt ausgestellt hat
„In den Waisenhäusern oder in Artikel 1 angedeuteten Wohl⸗ tbätigkeitsanstalten, in welchen der Primärunterricht ertheilt wird, darf die Erlernung eines Berufs oder der Handarbeiten drei
Stunden täglich nicht überschreiten
Der Graf de Mun befürwortete warm und beredt die Streichung des Absatzes 2, welcher den mit einem Schulzeugniß versehenen Kin⸗ dern von 12 Jahren den Zutritt in die Werkstätten gestattet. Wenn es nach seinem Sinne ginge, so rürften überhaupt keine Kinder unter 14 Jahren die Werkstätte betreten; er woll: sich jedoch auch mit dem zurückgelegten 13. Jahre begnügen. Das Abgangszeugniß der Peimärschule beweise nur, daß ein Kind aufgeweckt und gelebrig, nicht aber, daß es auch körperlich hinreichend entwickelt ist, um eine zehnstündige Arbeit ohne Nachtheil für sein ganzes Leben zu ertragen. Wenn Absatz 2 aufrecht erhalten würde, fügte der Redner hinzu, so würden die Kinder wie in einem Treibbause zur Erlangung des Certificat d'studes gedrängt werden, damit sie ein Jahr früher ihr Brot verdienen könnten. Der Sozialist Dumay unterstützte den Grafen de Mun und alle Widerrede des Berichterstatters Waddington half nichts gegen die vereinigten Kon⸗ servativen und Revolutionäre: 378 gegen 165 Stimmen beschlossen die Streichung des Absatzes 2. Dann wurde noch die Berathung über Artikel 3 begonnen. Derselbe lautet:
„Die Kinder unter 18 Jahren, die minderjährigen Mädchen und die Frauen dürfen nicht über zehn Stunden täglich zur Arbeit angebalten werden.
Diese Arbeitszeit muß durch eine oder mehrere Rasten unter⸗ brochen werden, die zusammen nicht weniger als eine Stunde aus⸗
machen dürfen und während welcher die Arbeit untersagt ist.“
Die ganze nun folgende Berathung drehte sich um einen Antrag des Abg. Chichs, welcher folgende Forderungen aufstellt:
Die Kinder beiderlei Geschlechts dürfen bis zum vollendeten 14. Altersjahre nicht über 6 Stunden, bis zum 18. Jahre nicht
über 8 Stunden täglich arbeiten. Die minderjährigen Mädchen nd die Frauen nicht über 10 Stunden.
Balsan empfahl die Annahme dieser Bestimmungen und Graf de Mun seinerseits trat dafür in einer feurigen Rede ein, die er mit der Aufforderung an Frankreich schlof, auf der von dem Berliner Kongreß vorgezeichneten Bahn den anderen Völkern als Leuchte zu dienen. Dessen ungeachtet wurde der Antrag Chiché durch Händeauf⸗ heben verworfen. “ 8
Rom, 7. Juli. Die „Risorma“ erklärt die Nachrichten von Verhandlungen der italienischen und der eng⸗ lischen Regierung über die Abtretung des unter italienischem Protektorat stehenden Somalilandes an Eng⸗ land und über die Ueberlassung des Besitzes von Zeilah an Italien für gänzlich unbegründet. 8 1X1“X“X“
Spanien. “ .
Madrid, 7. Juli. (W. T. B.) In den beiden Häusern der Cortes wurde heute ein Königliches Dekret ver⸗ lesen, welches die Sitzungen derselben suspendirt.
Niederlande. 8 Luxemburg, 8. Juli. (W. T. B.) Bei der heute stattgehabten Ergänzungswahl zur Deputirtenkammer ist der liberale Brasse ur gewählt worden.
Belgien.
Brüssel, 4. Juli. Das internationale Bureau für die Veröffentlichung der Zolltarife wird am 1. April 1891 in Brüssel eröffnet; diejenigen Staaten, welche noch nicht beigetreten sind, dürfen es nachträglich thun. Die inter⸗ nationale Zolltarif⸗Konferenz, an welcher 42 Vertreter von 35 ausländischen Staaten * nehmen, hat, wie man der „Wes.⸗Ztg.“ berichtet, in ihrer gettrigen Sitzung das Unterzeichnungs⸗Prot okoll genehmigt, welches die gesammten ge⸗ meinsamen Kosten über die theilnehmenden Staaten vertheilt und die Art und Weise, den Ort und die Zeit der Zahlungen, wie das Inkrafttreten des internationlen Abkommens auf den 1. April 1891 festsetzt. In der morgigen Schlußsitzung wird nur noch die Unterzeichnung des internationalen Uebereinkom⸗ mens, der Ausführungsverordnung und dieses Protokolls er⸗ folgen. Die Konferenz hat ihre Aufgabe somit schnell gelöst.
Griechenland.
Athen, 7. Juli. Die russische Regierung hat, der M. „Allg. Ztg.“ zufolge, hierher mitgetheilt, daß der russische Thronfolger auf seiner bevorstehenden großen Seereise auch Athen und dann weiter verschiedene andere hellenische Städte besuchen werde. ““ “
8 8
*
Montenegro.
Cettinje, 7. Juli. Der Kommandant der Leibgarde und Vetter des Fürsten, Bosco Martinowitsch ist der „Neuen Freien Presse“ zufolge gestern ermordet worden. Der Mörder wurde 88 dem Marktplatze gelyncht.
Amerika.
Vereinigte Staaten. Washington, 7. Juli. Der Senat hat, dem „W. T. B.“ zufolge, heute eine Resolution, nach welcher Behufs Berathung der Tarifbill die Erledigung der übrigen gesetzgeberischen Vorlagen vertagt werden sollte, mit 23 gegen 20 Stimmen ab⸗
— 7. Juli. (W. T. B.) Die Meinungsverschieden⸗
Repräsentantenkammer über den vorliegenden Entwurf Die republi⸗ kanischen Mitglieder der Kommission haben einem werglfich vee nach welchem das Bundesschatzamt monatlie 4 500 000 Unzen feines Silber ankaufen dürfe. Die Schatznoten sind in gemünztem Silber einzulösen und elten als gesetzliches Zahlungsmittel. Senator Sherman faßt den Bericht ab, welcher dem Senat vorgelegt werden wird. Die Mitglieder der Kommission sind zu einer Haupt⸗
Später werden die bezüglichen Berichte dem Senat und der Repräsentantenkammer vorgelegt werden.
Für die Marine der Vereinigten Staaten sind nach Mittheilung des „Engineering“ gegenwärtig auf amerikanischen Werften sieben große Kriegsschiffe im Bau. Der „Concord“ ist soweit vorgeschritten, daß nächstens die Probe⸗ fahrten stattfinden können. Der „Renington“, in Chester er⸗ baut, ist vor kurzer Zeit vom Stapel gelaufen. Für zwei erstklassige Kanonenboote, Nr. 4 und 5, sind die Kiele gelegt auf der Werft der Bath Iron Works in Maine. Für zwei Kreuzer, Nr. 9 und 10, ist kürzlich den Columbian Iron Works die zweite Rate ausbezahlt. Die bei diesen letzteren Neubauten verwendeten Kiele und Steven sind aus Gußstahl von der Standard⸗Stahlgußfabrik hergestellt. Im Bau des „Texas“ ist ein unfreiwilliger Aufenthalt eingetreten durch einen un⸗ vorhergesehenen Fehler des schweren Hinterstevens. Mexiko. Das Ausgabenbudget für das Finanz⸗ jahr 1890/1891 ist, wie die „Mexikanische Finanz⸗Revue“ mittheilt, vom Kongreß wie folgt festgestellt worden: 1) Legis⸗ lativer Körper 1 054 036,50 Doll., 2) Exekutiv⸗Gewalt 49 849,45 Doll., 3) Magistratur 468 884,25 Doll., 4) Ministerium des Aeußeren 462 517,25 Doll., 5) Ministerium des Innern (Post und Telegraph einbegriffen) 3 678 679,70 Doll., 6) Ministerium der Justiz und des öffentlichen Unterrichts 1 393 972,40 Doll, 5 Oeffentliche Arbeiten 7310 326,50 Doll, 8) Finanz⸗Ministerium 11 365 207,09 Doll.,, 9) Armee und Marine 12 629 543,90 Doll.; Summe 38 413 017,11 Doll. Die Einnahmen für das gleiche Finanzjahr wurden veranschlagt wie folgt: Zölle 26 200 000 Doll., föderale Konsumsteuer 1 500 000 Doll., Stempelgebühren 9 400 000 Doll., direkte Steuern 1 400 000 Dollars, Lotterie 300 000 Doll., Post und Telegraph 1 200 000 Doll., verschiedene Einnahmequellen (Eintreibung rückständiger Steuern, Verkauf von Nationalländereien ꝛc. ꝛc.) 1 500 000 Doll., Münzgerechtsame 270 000 Doll.; Summe 41 770 000 Doll.
San Salvador. Nach einer Meldung des „R. B.“ aus Mexiko vom 4. d. M. veröffentlichte die mexikanische Amtszeitung ein Telegramm des Generals Ezeta, worin derselbe an⸗ kündigt, daß er die Präsidentschaft von San Salvador angetreten habe als Nachfolger des Generals Me⸗ nendez, der, wie die Depesche besagt, getödtet wurde, während er seine Amtswohnung vertheidigte. Präsident Diaz bestätigte den Empfang des Telegramms des Generals Ezeta auf telegraphischem Wege, und es unterliegt keinem Zweifel, daß Mexiko die neue Ordnung der Dinge in San Salvador anerkennen wird. Das Journal „Universal“ theilt mit, daß die Leiche des Generals Menendez von Kugeln durchbohrt gewesen sei. “
Asien. 8 China. Das „Reuter'sche Bureau“ meldet aus Shanghai vom 5. Juli, daß die chinesische Regierung zum Bau strategischer Eisenbahnen in der Mandschurei eine Anleihe von 30 Millionen Taels amerikanischen Silbers aufzunehmen beabsichtige.
Parlamentarische Nachrichten.
Bei der am 2. d. M. im 4. Potsdamer Wahlkreise (Prenzlau⸗Angermünde) stattgehabten Reichstags⸗ Nachwahl wurde nach amtlicher Feststellung der Geheime Regierungs⸗Rath und Landrath von Winterseld⸗Meutin (kons.) mit 9968 St. gewählt. Von den Gegenkandidaten erhielten Rittergutsbesitzer Rohland⸗Etzoldhain⸗Zeitz (freis.) 4205, Tapezierermeister Wildberger⸗Berlin (Soz.) 1346 St.
Kunst und Wissenschaft.
Obgleich die am vergangenen Sonnabend eröffeete große akademische Kunstausstellung, wie nahe liegt, die Hauptanziehungskraft auf die kunstliebende Welt der Reichshauptstadt ausübt, so findet der Kunstfreund, welcher gern kleinere Ausstellungen besucht, doch auch im Lokal des Vereins Berliner Künstler eine Reihe von Werken, welche der Beachtung durchaus werth sind. Lenbach ist dort augenblicklich mit zwei Gemälden vertreten; das eine derselben, Kaiser Wilbelm I., bestätigt die immer aufs Neue gemachte Beobachtung, daß Lenbach bei seinen Porträts mit der Ausführung des Angesichts seine Aufgabe als erledigt betrachtet und alles Uebrige, Hände und Kostüm, als Nebensache ansieht, auf die ein Künstler, wie er, keine Rücksicht zu nehmen braucht. Das zweite Bild, ein Porträt des Prinzen Rupprecht von Bavpern aus dessen Knabenzeit, ist so nach⸗ gedunkelt, daß man sich von dem ur prünglichen Kolorit kaum noch eine rechte Vorstellung machen kann.
Von Schlabitz ist ein in Lebensgröße ausgeführtes Porträt (Kniestück) Sr. Majestät des Kaisers Wilhelm II. ausgestellt. Während bei Lenbach die intensiven Töne beliebt sind, zeigt sich Schlabitz in diesem und einem anderen Bild als Anhänger heller Farben. Die Aufgabe, welche er sich mit dem Kaiser⸗Porträt stellte, war keine leichte, und er steht mit seinem Versuch, nach Art Herkomen's eine hellgekleidete Person auf einem hellen Hintergrunde darzustellen, ent⸗ schieden dem deutscheenglischen Maler nach Der Kaiser trägt die Uniform der Gardes du Corps und zwar den weißen Rock; da nun der Hintergrund, cin Velarium, aus welchem der Reichsadler heügrau hervortritt, gleichfalls weiß ist, so entstand die Frage, ob sich die Gestalt auch wirkungsroll von dem weißen Grunde ab⸗ heben würde. Die Lösung ist dem Maler nur theilweise geglückt. Der Gesammteindruck des Bildes ist ein frostiger geworden, das Auge wird beunruhigt durch das zu viele Weiß. Gegen die Porträtäahnlichkeit läßt sich nur das Eine einwenden, daß der Ausdruck der Auger nicht scharf genug ist, sondern unbestimmt erscheint, namentlich, was das rechte Auge betrifft. Wenig einverstanden wird sich mancher Beschauer mit der Haltung erklären: der Kaiser wendet das Gesicht dem Betrachtenden zu, der Leib ist jedoch zur Seite ge⸗ dreht, und um etwas Leben in die Gestalt zu bringen, ist das linke Bein nach vorn gebeugt; dadurch bekommt die Figur etwas Gezwun⸗ genes und wirkr unfrei. Ungeachtet dieser nicht zu bestreitenden Mängel ist S-gns Gemälde ein fleißiges Werk, das entschieden Beachtung verdient.
Jos. Rummelspacher, ven dem verschiedene Bilder hier zu sehen sind zeigt in seiner Waldlandschaft eine energische Pinselführung bei satter effektvoller Farbengebung, es strotzt darin Alles von Saft und Gesundheit; jedenfalls erfreut diese echte Waldpoesie mehr als jene modernsten Versuche, die auch bei Wiedergabe unserer prächtigen deutschen Wälder uns glauben machen wollen, es sähe darin Alles so grau und staubig aus, wie auf gewissen Bildern. Auch das zweite Bild „Corte auf Corsika“ verräth den tüchtigen Landschafter, der nicht nur naturalistisch wiedergiebt, sondern denkt und em⸗ pfindet und Wahrheit mit Schönheit verbindet, ein Gesetz, an welches zu erinnern Angesichts so mancher Geschmacksver⸗ irrungen in unserem modernen Kunstleben durchaus zeitgemäß ist. Liesegang dagegen zeigt sich in seiner Kolektion von Landschaften als Anhänger der neuen Schule: aber wie verschieden auch seine Motive sein mögen, immer ist es derselbe Vortrag, wer zwei davon gesehen hat, der kennt auch die übrigen. Beide eben er⸗
welcher das hier Gesagte aufs Neue eine Bestätigung erfahren dürfte. Körner läßt in einer orientalischen Strandlandschaft seiner Neigung zu leuchtenden Farben freien Lauf; soeben geht die Sonne unter, ihre Gluth scheint die Felsen des Gestades zu schmelzen, sie leuchten, als wären sie im Begriff zu zerfließen. Während sie die ganze Gewalt des scheidenden Taggestirns empfinden, liegt die Sohle des Uferthals bereits in bläulichem Schatten, eine kleine Gesellschaft ist am Strande gelagert und dient als anmuthige Staffage. Auch des⸗ selben Meisters Gemälde „Toledo am Tojo“ zaubert uns die Reize einer südlichen Landschaft in all ihrer Schönbeit auf die Leinwand. Im Anschluß an diese trefflichen Bilder sei H. Preller's „Subiaco“ erwähnt, eine in heroischem Stil gehaltene Landschaft, in welcher auch der übliche flötenblasende Faun nicht fehlt. Winzig nehmen sich gegen das letztgenannte große Werk die Miniaturbilder L. Hoguel’s aus, so zierlich komponirt und gemalt, daß sie dem Salon einer Dame zum reizendsten Schmuck dienen würden; sie über⸗ treffen die daneben hängenden Bröker'schen, welche flüchtig gemalt sind und das alte immer wieder gesehene Motiv behandeln. Genannt sei ferner Hilgers mit einer solide durchgeführten „Winterland⸗ schaft“, ferner die „Abenddämmerung“ von L. Hermes, R. Tarbe A. Lutteroth mit seiner hübsch abgestimmten „Villa Piuma“: Jügel’'s „Landschaft mit Schafheerde“ sei gleichfalls nicht vergessen schon wegen der effektvollen Farbengebung 2. Munthe hat in seiner Niederrheingegend“ das Dunstige der Temperatur recht ge⸗ schickt anzudeuten verstanden, auch Oeder’'s „Herbstlandschaft ist eingehender Betrachtung werth. Niethe zeigt sich als gewandter Kreidezeichner, der so geschickt den Stift zu handhaben weiß, daß er den Eindruck eines Gemäldes in seinen „Marinestücken“ erzielt; die Abtönungen sind fein durchgeführt und alle Härten, wie man sie oft bei Kreidezeichnungen findet, glücklich vermieden worden.
Die Landschaft und das Porträtfach, aus dem noch H. Büch⸗ mann's Damenbildniß hervorgehoben sei, sind in den Ausstellungs⸗ räumen des Vereins Berliner Künstler wie auch überhaupt auf der Mehrzahl unserer neueren Ausstellungen besser vertreten als das Genre. Es scheint fast, als seien unsere Künstler in Verlegenheit Betreffs des Stoffs; oft sind es so nichtssagende Motive, daß man sich über ihre Wahl wundert, oft auch ist es die naturalistische Dar⸗ stellung, welche heute für chie gilt und manchem das Genre verleidet. Numez Vais führt uns eine Scene aus dem modernen gesellschaft⸗ lichen Leben rvor: eine junge Dame nimmt von ihrer im Couxé erster Klasse abfahrenden Mutter zärtlich Ab⸗ schied, während ein Mitreisender seinen Koffer auf das Gepäckbrett legt. Was ist dies wohl eigentlich weiter als ein Vorwurf für eine Augenblicksphotographie? Von den Gesichtern der drei Personen sieht man wenig, das Seelische, Geistige spielt also bier eine sehr untergeordnete Rolle, statt dessen erblickt man die Rückseite der jungen Dame und das nüchterne Aeußere des Waggons. Fürwahr, Zeit und Mühe könnten von Vais wie von so vielen unserer Genremaler an interessantere Vorgänge gewendet werden, als an einen so nichts⸗ sagenden, alltäglichen, in welchem noch dazu das eigentlich Packende der Schmerz des Abschiedes, am schwächsten betont ist
Handel und Gewerbe.
Danzig, 8. Juli. (W. T. B.) Die Einnahmen der Marienburg⸗Mlawkaer Eisenbahn betrugen im Monat Juni 1890 nach provisorischer Feststellung 102 600 ℳ gegen 155 900 ℳ nach provisorischer Feststellung im Juni 1889, mithin weniger 53 300 ℳ Die defininve Einnahme im Juni 1889 betrug 151 834 ℳ
Harburg, 3. Juli. In der heutigen ordentlichen General⸗ versammlung der Unter ⸗„Elbe'’schen Eisenbahn⸗Gesellschaft wurde nach Vorlage des Jahresberichts, der Bilanz und der Gewinn⸗ und Verlust⸗Rechnung für das Rechnungsjahr 1889,90 dem bisherigen Vorstand Decharge ertheilt und die Vertheilung einer Dividende von 4 % für die Aktien Litt. A. und von 2,01 % für die Aktien Litt. B. beschlossen. .
Hamburg, 3. Juli. (Wes.⸗Zig.) Die Bürgerschaft ver⸗ handelte in ihrer gestrigen Sitzung längere Zeit über eine Vorlage des Senats, die Abänderung des Gesetzes, betreffend die Löschzeit für Seeschiffe im Hamburgischen Hafen. Es war namentlich eine Kollektiveingabe an den Senat von den Rhedern in London, Liverpool, Glasgow, Greenock und Dundee gelangt, welche sich über die langen Löschfristen in Hamburg glaubte beschweren zu müssen. Der Senat hatte daher die englischen Rhedereien veranlaßt, eine Anzahl Delegirter hierher zu entsenden, um in dieser Angelegenheit mit der Handelskammer zu verhandeln. Die dieserhalb angesetzte Konferenz stellte nach langen Verhandlungen fest, daß in Zukunft bei Segelschiffen von mehr als 1000 Reg.⸗Tons Nettogehalt die Löschzeit im Sommer erst für jede weiteren 100 Tonnen (anstatt bisher 60 Tonnen) und im Winter für jede weiteren 75 Tonnen (anstatt für 50 Tonnen) um einen Tag verlängert werde. — Seitens des bürgerschaftlichen Ausschusses wurde dieser Senatsantrag zwar im Prinzip genehmigt, jedoch vielfach amendirt. In der Bürgerschaft wurde der Senatsantrag indeß als schon recht weitgehend anerkannt und dieser, unter Ablehnung aller Amendements, pure angenommen. Die Besorgniß, welche man von anderer Seite aussprach, daß man wegen dieser angeblich nicht ge⸗ nügenden Ladungsfristen, die Schiffe nach anderen Häfen beordern würde, wurde von erfahrener Seite, als jeder Begründung entbehrend, abgewiesen; selbst in den meisten englischen Häfen werde nicht so schnell gelöscht wie zur Zeit in Hamburg mit seinen vervollkommneten Löscheinrichtungen. Es handelte sich eigentlich um den Kernpunkt, das so bedeutend emporgeblühte Salpetergeschäft, von welchem heute Hamburg mehr als die Hälfte der ganzen europäischen Einfuhr in Anspruch nimmt. Es betrug der Import an Salpeter in den letzten Jahren: 1886 122 500 Tons, 1887 171 000 Tons, 1888 261 000 Tons, 1889 317 000 Tons. Der Werth der Einfuhr an betrug 1888 ca. 50 ½ Millionen und 1889 ca. 70 Millionen
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Hamburg, 7. Juli. (W. T. B.) Heute Vormittag wurde die 20. Generalversammlung des hier tagenden „Verbandes deutscher Müller“ von dem Vorsitzenden van den Wyngaert⸗ Berlin eröffnet. Im Laufe der Verhandlungen wurde einstimmig eine Resolution angknommen, dahin gehend, daß die Generalversamm⸗ lung die Ueberproduktion als Hauptpunkt des schlechten Geschäfts⸗ ganges des Müllergewerbes ansehe und den Vorstand beauftrage, Schritte zu thun, um diesen Mißständen abzubelfen. London, 7. Juli. (W. T. B.) Wollauktion. Preise fest, behauptet. Schweißwolle ½, Scoured uͤber Eröffnungspreis. Kreuz⸗ zuchten und Capwolle unverändert. , An der Küste 3 Weizenladungen angeboten. Glasgow, 7. Juli. (W. T. B.) Die Verschiffungen von Roheisen betrugen in der vorigen Woche 10 151 gegen 9006 t in derselben Woche des vorigen Jahres. Bradford, 7. Juli. (W. T. B.) Wolle fester, jedoch halten sich Käufer vom Markte zurück, Garne ruhig, in Stoffen ziemlich gutes Geschäft, Fabrikanten jedoch nicht vollauf beschäftigt. New⸗York, 7. Juli. (W. T. B.) Visible Supply an Weizen 19 638 000 Bushels, do. an Mais 14 463 000 Bushels.
Verkehrs⸗Anstalten.
Hamburg, 8. Juli. (W. T. B.) Der Postdampfer „Australia“ der Hamburg⸗Amerikanischen Packetfaort⸗ Aktiengesellschaft ist, von Hamburg kommend, am 5. d. M. in St. Thomas einzetroffen. Ebendaselbst traf, von Hamburg kom⸗ mend, gestern der Postdampfer „Flandria“ derselben Gesell⸗ schaft 8 Juli. (W. T. B
— 8. Juli. (W. T. B.) Der Postdampfer „Saxonia“ der Hamburg⸗Amerikanischen Pacerfabri⸗Akriengesell⸗ schaft hat, von New⸗York kommend, heute Morgen Lizard passirt. London, 7. Jult. (W. T. B.) Der Castle⸗ Dampfer „Roslin Castle“ ist gestern auf der Ausreise in Lissabon ange⸗
kommen.
— 8. Juli. (W. T. B.) Die Union⸗Dampfer „Arab“
wähnten Künstler haben auch die große Ausstellung beschickt, auf
und „Durban“ sind gestern auf der Heimreise, ersterer von Cape⸗ town, letzterer von den Kanarischen Inseln abgegangen.