1890 / 167 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 12 Jul 1890 18:00:01 GMT) scan diff

Abschiedsbewilligungen. Im aktiven Heere. Cöristrbd4cnd, an Bord S. M. S. „Kaiser“, den 7. Juli 1890. Müller I., Pr. Lt. vom 3. Niederschles. Inf. Regt. Nr. 50 und kommandirt zur Dienstleistung bei dem Festungsgefängniß in Neisse, als Hauptm. mit Pension und der Uniform des Inf. Regts. von Winterfeldt (2. Oberschles.) Nr. 23 der Abschied bewilligt

Im Beurlaubtenstande. Christianssand, an Bord S M. S „Kaiser“, den 7. Juli 1890, Meyer, Pr. Lt. a. D. zuletzt von der Feld⸗Art. des damaligen 1. Bats. (Tilsit) 1. Ostpreuß. Landw⸗Regts. Nr. 1, die Erlaubniß zum Tragen der Landw. Armee⸗ Uniform ertheilt.

Königlich Bayerische Armee. 8

Ernennungen, Beförderungen, Versetzungen. In der Gendarmerie. 30. Juni. Frhr. v. Hofenfels, Hauptm., unter Versetzung aus dem Verhältniß à la suite als überzählig in den etatsmäßigen Stand des Gend. Corps, zum Adjutanten beim

d. Corps⸗Kommando ernannt. 8. Sanitätscorps. 5. Juli. Dr. Miller, Assist. Arzt 1. Kl. vom 6. Chev. Regt. Großfürst Konstantin Nikolajewitsch, zur Landw. 1. Aufgebots, Dr. Hartmann, Assist. Arzt 2. Klasse vo 16. Inf. Regt. vakant König Alfons von Spanien, zur Res. des Sanitätscorps, Schmidt (Würzburg), Assist. Arzt 2. Kl. der Res., in den Friedensstand des 6. Chev. Regts. Großfürst Konstantin Nikolajewitsch, Dr. Raab (Ludwigshafen), Assist. Arzt 1. Kl. von der Landw. 1. Aufgebots, zur Res. versetzt.

Nichtamtliches. Deutsches Reich.

Preußen. Berlin, 12. Juli.

Der Bundesrath hat in der Sitzung vom 22. Mai beschlossen, daß für Branntwein, welcher Behufs der Aus⸗ fuhr oder der steuerfreien Verwendung zu gewerblichen u. s. w. Zwoecken zur Abfertigung gestellt wird, die Steuervergütung beziehungsweise die Abgabenfreiheit nur dann zu gewähren ist, wenn der Branntwein keinen größeren Fuselölgehalt als 2 Gewichtsprozente der in ihm enthaltenen Menge reinen Alkohols besitzt. Die betheiligten Amtsstellen der preußischen Steuer⸗Verwaltungsbezirke sind dementsprechend mit Anweisung versehen worden.

Ferner hat der Bundesrath in der Sitzung vom 8. Juli beschlossen, die vorgeschlagenen Aenderungen und Er⸗ gänzungen des amtlichen Waarenverzeichnisses zum Zolltarif, des statistischen Waarenverzeich⸗ nisses und des Verzeichnisses der Massengüter, auf welche die Bestimmung im §. 11 Absatz 2 Ziffer 3 des Gesetzes vom 20. Juli 1879, betreffend die Statistik des Waarenverkehrs, Anwendung findet, mit der Maßgabe zu genehmigen, daß die neuen Bestimmungen vom 1.

d. J. ab in Kraft zu treten haben.

8 1“

Der Herzoglich braunschweigische Gesandte am hiesigen Allerhöchsten Hofe, Wirkliche Geheime Rath Freiherr von Cramm⸗Burgdorf hat einen ihm von seiner Regierung bewilligten Urlaub angetreten. Für die Dauer seiner Be⸗ urlaubung werden die Geschäfte von der hiesigen Königlich bayerischen Gesandtschaft wahrgenommen.

Der Gouverneur des hiesigen Invalidenhauses, General der Infanterie von Grolman, hat einen mehrwöchentlichen Urlaub nach Neuenhof bei Eisenach angetreten.

Der General⸗Inspecteur des Militär⸗Erziehungs⸗ und Bildungswesens, General⸗Lieutenant von Keßler, und der General⸗Lieutenant von Rosenberg, Inspecteur der 2. Kavallerie⸗Inspektion, sind von Dienstreisen, der Ober⸗ Quartiermeister im Großen Generalstabe, General⸗Lieutenant Graf von Schlieffen II. von Urlaub hierher zurückgekehrt.

Danzig, 11. Juli. (W. T. B.) Der Magistrat und die Stadtverordneten⸗Versammlung beschlossen heute einstimmig, das Rücktrittsgesuch des Ober⸗Bürgermeisters von Winter zu genehmigen und demselben in dan barer An⸗ erkennung seiner Verdienste um die Stadt das volle Gehalt von 18 als Pension zu belassen sowie das Ehren⸗ bürgerrecht der Stadt Danzig zu verleihen.

Kiel, 12. Juli. (W. T. B.) Se. Königliche Hoheit der Prinz Heinrich hat heute früh 8 Uhr auf S. M. Kreuzer⸗Korvette „Irene“ den hiesigen Hafen verlassen, um sich dem Uebungs⸗Geschwader in den norwegischen Gewässern anzuschließen.

Baden.

Karlsruhe, 10. Juli. (Karisr. Ztg.) Die Höchsten Herrschaften brachten gestern einen Theil des Tages im Familienkreise auf Schloß Eberstein zu. Abends fand auf Schloß Baden eine Hoftafel statt, an welcher sich auch Ihre Königliche Hoheit die Herzogin von Genua betheiligte. Heute Nachmittag kehrten die Erbgroßherzoglichen Herr⸗ schaften mit Sr. Hoheit dem Herzog von Nassau nach Freiburg zurück. Se. Königliche Hoheit der Großherzog empfing heute Vormittag den aus Rußland zurückgekehrten Kammer⸗ herrn, Ministerial⸗Rath von Jagemann zu längerem Vortrage. Se. Königliche Hoheit der Erbgroßherzog empfing gestern Vormittag in Baden eine Deputation, bestehend aus den Herren Ober⸗ Bürgermeister Gönner, Bürgermeister Dr. Schuberg und Stadtrath von Bömble, welche im Auf⸗ trage des Stadtraths die Glückwünsche der Stadtgemeinde zum Geburtsfeste des Erbgroßherzogs überbrachten. Abends fand zur Feier des Tages ein großes Feuerwerk und Illu⸗ mination des Konversationshauses sowie der Umgebung statt.

Das „Gesetz⸗ und Verordnungs⸗Blatt für das Groß⸗ herzogthum Baden“ Nr. 28 veröffentlicht das Gesetz, betreffend die Erbauung einer Lokalbahn von Ettenheimmünster an den Rhein; dieselbe soll von Ettenheimmünster über Münchweier, Ettenheim, Altdorf, Orschweier, Grafenhausen

und Kappel bis an das rechte Rheinufer (Schiffbrücke) geführt

werden. 1 8 Wie aus Heidelberg gemeldet wird, ist dort gestern die Konzessionsertheilung für die Seitenbahn Mannheim eeen erg nebst den diesbezüglichen näheren Bestimmungen ekannt gegeben worden. Die neue Linie soll die Orte Secken⸗ heim, Neckarhausen, Edingen und Wieblingen unter sich und mit den Ausgangspunkten verbinden. Falls die Bahn nicht bis 1. Juli 1891 vollendet ist, kann die Konzession entzog werden. 1.““ W111.““

1““

Sachsen⸗Weimar⸗Eisenach. 8 Weimar, 11. Juli. Ihre Königlichen Hoheiten der Großherzog und die Großherzogin haben, wie die „Th. C.“ meldet, die Verlegung des Hoflagers von Schloß Belvedere nach Wilhelmsthal bei Eisenach wegen der Ungunst der Witterung verschoben. Bremen.

Bremen, 12. Juli. Der Großherzog von Olden⸗ burg traf, wie „W. T. B.“ meldet, mit seiner Gemahlin und Gefolge, darunter Kammerherr von Alten, bereits heute Vormittag 10 ½ Uhr auf dem hiesigen Bahnhofe ein und wurde von den Spitzen der Behörden empfangen. Nach kurzem Aufenthalt begaben sich die Herrschaften in den bereit stehenden Wagen nach der Nordwestdeutschen Gewerbe⸗ und Industrie⸗ Ausstellung. 8 1

(Wes.⸗Ztg.) Der Senat theilte der Bürger⸗ schaft mit, daß das mit Preußen geschlossene Ueber⸗ einkommen wegen Abordnung preußischer Beamter an die bremischen Hauptzollämter, das für drei Jahre getroffen war, mit dem Ablauf dieses Zeitraums nicht wieder verlängert wird, weil hierzu kein Bedürfniß vorliegt. Nunmehr werden die preußischen Beamten schon jetzt in großer Zahl zurückberufen. Es entspricht dies dem bremischen Interesse, welches dahin geht, daß bei Ablauf der Vertragszeit in allen denjenigen Stellen, welche nach Ziffer 5 des Abkommens mit bremischen Beamten besetzt werden können, eine möglichst geringe Zahl von preußischen Beamten noch vorhanden ist. Da indeß nach Nr. 9 des Abkommens für diese Rückversetzungen Umzugskosten nach Maßgabe der in Preußen geltenden gesetzlichen Bestimmungen aus der bremischen Staatskasse zu gewähren sind, so erwachsen dadurch im laufenden Jahre der letzteren erhebliche Unkosten. Die im Budget für Umzugskosten vorgesehene Summe (10 000 ℳ) reicht nur aus für Zahlungen an diejenigen Beamten, welche bremischerseits in die durch Zurückziehung der preußischen Beamten zur Erledigung kommenden Stellen be⸗ rufen werden. Die Ausgaben, welche dem Staat durch die Zu⸗ rückberufung der preußischen Beamten während des laufenden Etatsjahres erwachsen werden, lassen sich in ihrer Höhe zur Zeit nicht mit Sicherheit angeben, da der Betrag wesent⸗ lich von der Zahl der Abberufungen und den Orten, wohin dieselben erfolgen (ob in eine benachbarte Provinz oder an die äußersten Grenzen des preußischen Staats), abhängig ist. Nach den bisher gemachten Erfahrungen sind die Kosten jedoch von der Zolldirektion für das laufende Jahr auf ungefähr 60 000 veranschlagt. Diese Summe ergiebt sich, wenn man annimmt, daß die Zahl der Zurückberufenen während der angegebenen Zeit etwa 150 betragen wird. Der Senat

hält demnach eine Nachbewilligung von 60 000 für erforderlich.

Hamburg.

Hamburg, 10. Juli. (Wes.⸗Ztg.) Die Bürgerschaft nahm in ihrer gestrigen letzten Sitzung vor den Ferien u. A. folgende Anträge des Senats ohne Debatte an: die Her⸗ stellung eines neuen Freihafens für Segelschiffe zu 4 155 000 ℳ, die Durchlegung einer „Kaiser Wilhelmstraße“ vom Centrum der Stadt nach dem Holstenthor, die Ueberbrückung der Außen⸗ alster und die Zwangsversicherung der Dienstboten. Letztere Einrichtung darf als eine werthvolle Errungenschaft bezeichnet werden. Künftig muß jedes Dienstmädchen u. s. w. einer Krankenkasse angehören entweder der staatlichen Kranken⸗ versicherung oder der Gemeindekrankenkasse. Der Beitrag ist auf 60 pro Monat festgestellt, wovon die Herrschaft die Hälfte zu bezahlen hat. Die freien Krankenkassen werden von dieser Versicherung als gleichberechtigt ausgeschlossen. Die Krankenversicherung wird sich auf 30 000 Dienstboten erstrecken.

1

Oesterreich⸗Ungarn.

Wien, 11. Juli. Se. Maäjestät der Kaiser und König hat sich heute von Gastein nach Ischl begeben. Nach der „Reichswehr“ sind die mehrjährigen Versuche mit dem Schwab'schen rauchschwachen Pulver insofern zum Abschluß gekommen, daß an eine Erprobung desselben in größerem Umfange gedacht werden konnte. Dieselbe soll in acht Corpsbereichen unternommen werden, und es soll bei den diesjährigen Kaisermanövern eine größere Menge des Pulvers zur Verwendung kommen. Die Ansichten über die Kriegs⸗ brauchbarkeit der Erfindung sollen noch getheilt sein und die Versuche mit anderweiten Pulverarten fortgesetzt werden. Ein

den Vorversuchen günstige Ergebnisse geliefert haben.

Großbritannien und Irland. 8 London, 12. Juli. Die Königin hat, wie „W. T. B.”“ meldet, Stanley in Anerkennung seiner Verdienste als Afrikaforscher ihr Miniaturporträt mit Brillanten ver⸗ liehen. Das Königliche Hoflager wird, der „A. C.“ zufolge, am 18. Juli von Windsor nach Osborne verlegt werden. Das Oberhaus hat gestern die Einzelberathung der Helgoland⸗Bill ohne Debatte erledigt. Die Bill hat fol⸗ nden Wortlaut: 86 „In Anbetracht, daß ein vom 1. Juli 1890 atirtes Abkommen zwischen Ihrer Majestät der Königin und Sr. Majestät dem Deutschen Kaiser abgeschlossen worden, worin unter Anderem abgemacht wurde, daß vorbehaltlich der Zustimmung des Parlaments die Ober⸗ hoheit der Insel Helgoland mitsammt dem dazu gehörigen Besitz⸗ thum Sr. Majestät dem Deutschen Kaiser abgetreten werden soll, und in Anbetracht ferner, daß es angezeigt ist, diese Zustimmung zu ertheilen, sei hiermit durch der Königin allerdurchlauchtigste Majestät, mit und durch den Rath und die Beipflichtung der geistlichen und weltlichen Lords und der Gemeinen, die zu dem gegenwärtigen Par⸗ lament versammelt sind, beschlossen wie folgt: 1) Die Zustimmung des Parlaments wird hiermit den Verfügungen des besagten, im Zusatz zu diesem Gesetz auseinandergesetzten Abkommens ertheilt, und Ihre Majestät soll das gesetzliche Recht besitzen, Alles, was ihr zur Aus⸗

7 Hefen stimmungen nöthit fügen; 2) diescs führung besagter Bestimmungen nöthig erscheint, zu verfügen; 2) Gesetx gol als die englisch⸗deutsche Abkommen⸗Akte von 1890 eingetragen

von der Zurndorfer Meganitfabrik angebotenes Pulver soll bei

2

ehnten⸗ und Landvorlage. Nur bei schnellerem Geschäfts⸗ könnten überdies bis zur üblichen Vertagung, Mitte August der noch zu erledigende Theil des Budgets, die Lokal⸗ besteuerungs⸗, die ] und die Helgoland⸗ Bill bewältigt werden. 1 . Im Hotel Metropole hierselbst wird am 22. und 23. d. M. eine internationale parlamentarische Konferenz zu Gunsten der Annahme von Schiedsgerichtsver⸗ trägen für die Beilegung von Streitigkeiten zwischen Nationen unter dem Vorsitz des früheren Lord⸗ kanzlers Lord Herschell tagen. Außer 129 Mitgliedern des britischen Parlaments werden, wie die „Allg. Corr.“ meldet, der Konferenz 69 Delegirte kontinentaler Legislaturen, darunter Ver⸗ treter des Deutschen Reichstages und des österreichischen Reichs⸗ rathes, beiwohnen. Am zweiten Tage der Konferenz werden die britischen Parlamentsmitglieder ein Bankett zu Ehren ihrer ausländischen Kollegen geben. Gladstone war eingeladen worden, den Vorsitz dabei zu führen, hat aber in einer vom 8. d. datirten Zuschrift diese Ehre aus Gesundheitsrücksichten abgelehnt. Wie schleunig die Strikelust der hauptstädtischen Schutzleute Dank der energischen Haltung und der umsich⸗ tigen Maßnahmen der Behörden verflogen ist, läßt sich am Besten daraus ersehen, daß das am 9. d. abgehaltene Meeting der Unzufriedenen nur von etwa 20 Mann besucht war. Nur 5 von den 24 Polizeidistrikten waren vertreten, und unter den 20 befanden sich mehrere entlassene Schutzleute. Die Reden waren äußerst zahm. Es wurde viel von streng „verfassungsmäßigem“ Vor⸗ gehen gesprochen, und man wollte mittels der Presse die Schutz⸗ leute zu einem weiteren „verfassungsmäßigen“ Meeting ein⸗ laden. Selbst dem Vorsitzenden schien die einmal über⸗ nommene Rolle gar nicht zu behagen. Der Mißerfolg des Strikes der Schutzleute wird jedenfalls auch seinen ernüchternden Einfluß auf die aufsässigen Briefträger und Brief⸗ sortirer ausüben. Die Beschwerden derselben bestehen namentlich in drei Punkten: erstlich klagen sie über ihren unzureichenden Lohn, zweitens sagen sie, daß ihre Arbeitszeit, während sie nominell 8 Stunden betrage, sich in Wirklichkeit sehr oft über 16—17 Stunden hinziehe, und drittens werde die Dienst⸗ zulage erst nach zu langer Zeit erworben. Zum Schutze der im General⸗Postamt beschäftigten Hülfsbeamten wurden vor⸗ gestern Morgen 4 Uhr weitere 100 City⸗Polizisten dorthin dirigirt. In und bei dem General⸗Postamt waren 486 Schutzleute postirt. Die Anwesenheit einer so zahlreichen Mannschaft machte die Agitation des Verbandes fast zur Unmöglichkeit. An ver⸗ nünftigen Vorstellungen ließen es die oberen Postbeamten in der Nacht weder im General⸗Postamt noch im Packetpost⸗ gebäude fehlen, während die Ankündigung der getroffenen entscheidenden Maßregel die gestern erfolgte summarische Entlassung von 100 Briefträgern zeigte, daß die vorge⸗ setzte Behörde keiner Einschüchterung zugänglich war. Der kritische Zeitpunkt kam natürlich gestern Morgen um 7 Uhr, als die erste Bestellung fällig wurde. Die Arbeit ging etwas langsamer von Statten als gewöhnlich, aber gegen 8 Uhr waren die Briefträger sämmtlich auf ihren Runden. Ein Versuch, die Hülfsarbeiter zu belästigen, wurde nicht gemacht, wäre auch wohl kaum ausführbar gewesen. Gestern hat, wie „W. T. B.“ meldet, der Verband der Londoner Briefträger mittels vertheilter Zettel bekannt gemacht, daß er den allgemeinen Strike beschlossen habe, bis ö“ das Vereins⸗ und Ver⸗ sammlungsrecht zugestanden sei. 8 88 Aus N. Eit „W. T. B.“: Der englische Aviso „Suxprise“ begiebt sich heute nach Gibraltar, um Ihre Majestät die Kaiserin Friedrich nach Athen einzuschiffen.

Frankreich.

Paris, 11. Juli. Der Senat genehmigte, wie „W. T. B.“ meldet, heute einstimmig einen Kredit von 400 000 Fr. für die Abgebrannten auf Mar⸗ tinique und Guadeloupe und genehmigte ferner ohne Abänderung die von der Kammer angenommene Vorlage, betreffend die Fabrikation von Wein aus Rosinen. In der Deputirtenkammer gelangte gestern der Entwurf über die Erhebung der direkten Steuern im Jahre 1891 zur Berathung. Der Bericht⸗ erstatter vertheidigte die neue Art, welche die Steuern auf unbebautes Grundeigenthum vermindert und die auf bebautes vermehrt. Nach Linigen Bemerkungen des Kommissars Boutin zu Gunsten der Regierungsvorlage wurde die Berathung vertagt. Heute genehmigte die Kammer ebenfalls einstimmig den für die Abgebrannten von Martinique und Guadeloupe geforderten Kredit von 400 000 Fr. Der Deputirte Brisson hatte dem Minister des Auswärtigen Ribot mitgetheilt, er beabsichtige wegen der durch Artikel 5 des englisch⸗deutschen Abkommens vereinbarten Theilung des zwischen dem Tsadsee und dem Congo gelegenen Gebietes zu interpelliren. Nach einer Unterredung mit Ribot vertagte Brisson seine Interpellation. Die Kammer setzte sodann die Berathung der Vorlage, betreffend die direkten Steuern, fort. Mehrere Deputirte, namentlich Léon Say, verlangten eine Vertagung der Vorlage, bis eine gründlichere Berathung möglich sei. Der Finanz⸗Minister bekämpfte jedoch die Vertagung, welche die Kammer mit 295 gegen 249 Stimmen ablehnte.

Den Abendblättern zufolge hat der Höhere Ackerbau⸗ rath die Einfuhrzölle für Thierfelle, Lein, Hanf, Wein und Oelkörner votirt. 1

Die Geranten der „Estafette“ und der „Petite République“, welche den Admiral Aube anläßlich der Ernennung des Admirale Duperré auf das Heftigste ange⸗ griffen hatten, sind wegen Ehrenbeleidigung zu je einer dreimonatlichen Gefängnißstrafe und 3000 Fr. Geldbuße verurtheilt worden.

Dem „Echo de Paris“ zufolge hat die russische Re⸗ gierung mit der Waffenfabrik St. Etienne einen Ver⸗ trag über die Lieferung von fünfhunderttausend Ge⸗ wehren kleinen Kalibers abgeschlossen.

MRußland und Polen. St. Petersburg, 9. Juli. Der „Rußkij Invalid“ hat

4¼. 1 28 die Aeußerungen einiger liberalen Hauptführer die Ansichten der Partei widerspiegeln, so ist auch im Unter⸗ hause kein ernstlicher Widerstand von Seiten der Opposition gegen die Abtretung Helgolands zu befürchten. In dem am 9. d. abgehaltenen Ministerrath wurde des Parlaments festgestellt.

unvermeidlich geworden zu sein. Das Parlament würde sich

dann Ende November wieder versammeln zur Berathung der

Lrogramm für den Rest der gegenwärtigen Tagung 1 Eine Herbsttagung scheint

in voriger Woche einen Befehl des russischen Kriegs⸗ Ressorts veröffentlicht, demzufolge aus der Sammlung der Millitärgesetze alle Artikel, die über den Eintritt aus⸗ ländischer Offiziere in den russischen Dienst handeln, aufgehoben und ausgeschlossen sind. Die „Mos⸗ kowskija Wjedomosti“ erörtern diese Maßregel der russischen Regierung in einem längeren Leitartikel, in dem es heißt: „Als die wichtigsten Artikel hinsichtlich der Aunahme vog Aus⸗ ländern in den russischen Dienst sind die Artikel 313 und 315 an⸗ zusehen. Der erstere derselben bestimmt, daß ausländische Offiziere,

Dienstes zugesprochen wird.

* *

die bei gekrönten Häuptern gedient haben, in ihrem bisherigen Range, die übrigen Offiziere aber mit einem Range niedriger angenommen werden, wobei jedoch das Gesetz hinsichtlich der Unterthanschaft keinerlei Beschränkungen enthält. Die Rechte der in den russischen Dienst eintretenden Offiziere wurden nur im Jahre 1844 etwas beschränkt; es wurde festgesezt, daß Ausländer, die einmal aus dem russischen Dienst verabschiedet worden sind, in denselben nicht mehr eintreten können. Nicht uninteressant ist es, daß das Gesetz von dem Ausländer, der in den russischen Dienst tritt, nicht einmal die Kenntniß der russischen Sprache verlangt, in der er doch kommandiren und mit den ihm Unterstellten sprechen muß Uebrigens sind in den Reihen unserer Armee auch ein⸗ heimische Offiziere gewesen, die die Reichssprache nicht verstanden, während es solcher, die dieselbe unbarmherzig radebrechten, Hunderte gegeben hat. Wie dem nun auch sein möge, die Aufnahme von Aus⸗ ländern in den russischen Dienst ist jetzt auf Grund des „Allgemeinen Gesetzes“ vollständig aufgehoben. Weder der Eintritt in den russischen Unterthanenverband, noch der Uebertritt zur orthodoxen Kirche, nichts ge⸗ währt jetzt dem Ausländer das Recht, als Offizier in die russische Armee einzutreten. Das neue Gesetz erwähnt mit keinem Wort des ausländischen Offiziers, der in den russischen Unterthanenverband eingetreten ist und sich noch in dem Alter befindet, bei dem es in Rußland gestattet ist, sich als Freiwilliger zu melden. Eine besondere Bestimmung ist aber auch hier gar nicht nothwendig, da ein solcher Ausnahmefall stets durch die Anwendung und Interpretation der einschlägigen Artikel des Wehrpflichtsstatuts, auf Grund dessen ein Offizier unter keiner Be⸗ dingung Freiwilliger werden darf, entschieden werden kana. Der Ausländer, der russischer Unterthan geworden, bleibt immer „ehe⸗ maliger Offizier“ der betreffenden Armee in der er gedient hat.

AUMaeber die Enthüllung des Todleben⸗Denkmals in Sebastopol, die am 1. Juli stattfand, veröffentlicht der „R. Inv.“ einen Bericht, dem wir Folgendes entnehmen:

An der Feier nahmen die ganze Garnison von Sebastopol. die Marine⸗Chargen und die in Sebastopol befindlichen Marine⸗Kom⸗ mandos, die auf der Rhede befindlichen Kriegsschiffe sowie die auf Allerhöchsten Befehl abkommandirten Personen Theil. Unter letzteren befanden sich: General⸗Adjutant Fürst Imeretinfki, welcher den Kaiser vertrat, und die Deputationen des 7. Sa⸗

mogitischen Grenadier⸗Regiments des Grafen Todleben ꝛc. Um

Uhr Morgens hatten sämmtliche Truppentheile und Depu⸗

tationen auf dem Brüder⸗Kirchhof rings um das Denkmal Stellung genommen. Um 10 Uhr, nach dem Eintreffen des Kom⸗ mandirenden der Truppen des Odessaer Militärbezirks, General⸗ Lieutenants von Roop begann die kirchliche Gedächtnißfeier am Grabe des Grafen Todleben, der die Einweihung des Denkmals folgte. Bei der Verkündigung „des ewigen Gedächtnisses“ fiel die Hülle, und den Blicken der Anwesenden bot sich das großartige Denkmal mit der Büste des Vertheidigers von Sebastopol dar. Die Truppen präsentirten und die Musik intonirte einen Choral; sodann erfolgte der Salut durch dreifache Salven, an welchem auch die auf der Rhede befindlichen Kriegsschiffe sich betheiligten. Nach dem Salut hielten der Archimandrit des Chersonnes⸗Klosters Innokenti, Fürst Imeretinski, General⸗Adjutant Krämer und General⸗Lieutenant von Röhrberg Ansprachen, in welchen sie die ruhmreichen Heldenthaten des verewigten Grafen Todleben, sowohl während der Vertheidigung Sebastopols als auch zur Zeit der Belagerung Plewnas schilderten. Am Tage der Enthüllung des Denkmals erhielt die Wittwe des Grafen Todleben, welche mit allen ihren Kindern in Sebastopol ein⸗ etroffen war, von Sr. Majestät dem Kaiser ein Telegramm nach⸗ tehenden Inhalts: „Ich bin glücklich, daß ich das An⸗ denken des edelsten und tapferen Eduard Iwanowitsch ver⸗ ewigen kann, indem ich befahl, ihm auf seinem Grabe ein Denkmal zu errichten und namentlich in Sebastopol, mit dem sein theurer Name für immer durch die Erinnerung an seine Kriegsthaten verbunden ist. Alex ander. Kotka, den 19. Juni. Das Denkmal ist, der „Now. Wr.“ zufolge, aus grauem Marmor in Gestalt einer Nische errichtet, die mit der offenen Seite der Stadt Sebastopol zugekehrt ist. Auf dem von einem weißen Marmorkreuz überragten Giebel be⸗ findet sich die Inschrift: „Dem Grafen Eduard Iwanowitsch Tod⸗ leben.“ Das Piedestal, auf dem die Büste des Grafen ruht, ist etwas nach vorn gerückt. Auf der Brust der Büste befinden sich sämmtliche zahlreiche Auszeichnungen des Grafen. Die vordere Seite des Piedestals schmücken militärische und Ingenieur⸗Attribute und an den Seiten befinden sich die Textworte des Evangeliums: „Kommt her zu mir, die ihr mühselig und beladen seid, Ich will euch erquicken“ und die Psalmworte: „Meine Augen haben Deinen Heiland gesehen“. Auf der Rückseite der Nische befindet sich das Wappen des Grafen mit der Devise: „Treu im Tod und Leben“ und unter demselben der Tag der Geburt „8. März 1818“ und des Todes „19. Juni 1884“ mit den Seiteninschriften „Sebastopol“ und „Plewna“, unter welchen sich Basrelief⸗Ansichten der beiden Festungen befinden.

Italien.

Rom, 11. Juli. Die „Riforma“ wiederholt den Text des auf Afrika vezüglichen Theils des deutsch⸗englischen Abkommens und sagt: Augenscheinlich seien die im Süden und Westen des Gjubaflusses bis an die Grenzen des Gallalandes und Abessyniens gelegenen Gebiete dem englischen Einfluß reservirt, während die im Nor⸗ den und Osten dieser Linie gelegenen Gebiete mit Einschluß des Somalilandes der italienischen Einflußsphäre zugehören. Die „Riforma“ fügt hinzu, daß durch Vereinbarung zwischen Italien und Eng⸗ land außer der Verwaltung Italien in Gemeinschaft mit der englischen Kismajo⸗Gesellschaßt die freie Schiffahrt auf dem Gjubaflusse und seinen Zuflüssen zugesichert ist, um Italien den freien Eintrit in die dem italienischen Einfluß vor⸗ behaltenen Gebiete zu sichern.

Die Kammer genehmigte, dem „W. T. B.“ zufolge, in ihrer heutigen Sitzung in geheimer Abstimmung mit 161 gegen 41 Stimmen den Gesetzentwurf, betreffend die Maß⸗ nahmen zu Gunsten der Stadt Rom, und mit 167 gegen 35 Stimmen die Gesetzesvorlage, betreffend die Reorganisi⸗

rung der Banken von Neapel und Sizilien, ferner mit

153 gegen 49 Stimmen den Gesetzentwurf, durch welchen dem Staat das Recht zur Ausübung des telephonischen

1 Hierauf entwickelte Bonghi seine von 28 Deputirten mitunterzeichnete Resolution, welche die Regierung auffordert, mit allen ihr zu Gebote stehenden Mitteln die Austragung internationaler Streitig⸗ keiten durch Schiedsgerichte zu begünstigen. Die Aus⸗ führungen Bonghi's wurden mit großem Beifall aufgenommen. Der Minister⸗Präsident Crispi erklärte: Niemand stimme dieser Initiative mehr zu als er; seit den 3 Jahren, welche er an der Regierung sei, habe er mit allen Mitteln den Frieden zu sichern gesucht. Er nehme diese Gelegenheit wahr, um dem berühmten Staatsmann zu danken, der erst vor wenigen Tagen seine friedlichen Tendenzen anerkannt habe. Leider dürfe man sich keine Illusionen machen; die Verhältnisse Europas seien im Allgemeinen dem Frieden weniger günstig als die⸗ jenigen Amerikas. Er habe die Hoffnung, daß die Zukunft auf dem europäischen Schiedsgericht beruhe. Für den Augen⸗ blick aber könne ein Staatsmann nichts Anderes thun, als von Fall zu Fall zu verhindern, daß der Krieg aus⸗ breche. Italien werde in alle Kongresse das Wort des Friedens kragen, und wenn ein Krieg verhindert wird, werde

er (Crispi) glauben, stricte seine Pflicht erfüllt zu haben. Er bitte demnach die Kammer, die Resolution Bonghi's zu votiren, welche eine edle Hoffnung ausspreche, die von der Zukunft

verwirklicht werden werde. Die Resolution Bonghi's wurde hierauf unter wiederholtem lebhaften Beifall ein⸗ stimmig angenommen und die Kammer sodann vertagt.

Der Bericht der Kommission des Senats über den Gesetzentwurf Betreffs der frommen Stiftungen beantragt die vollinhaltliche Genehmigung des von der Kammer angenommenen Textes.

Casati, der Begleiter Emin Paschas, ist aus Afrika in Neapel angekommen. Wie der „Post“ von dort gemeldet wird, geißelt er gegenüber mehreren Journalisten die Hal⸗ tung Stanley's gegenüber Emin. Nicht Emin ver⸗ danke Stanley seine Rettung, sondern umgekehrt. Emin und Casati hätten Stanley in geradezu furchtbarer Lage gefunden, nur Dank Emin'’'s Hülfe habe Stanley den Rück⸗ marsch ausführen können. Casati beabsichtigt, ein Buch über seine Erlebnisse herauszugeben und dann nach Afrika zurück⸗

Schweiz. 88

Bern, 10. Juli. Die Einspruchsfrist für zwei in der letzten Session von der Bundesversammlun festgestellte Erlasse, und zwar das Nachtragsgesetz zu dem Se betreffend die Posttaxen, und den Bundesbeschluß, betreffend Errichtung eines schweizerischen Landes⸗Museums, läuft am 3. Oktober 1890 ab. Es darf jedoch, dem „Bund“ zufolge, als sicher angenommen werden, daß von keiner Seite gegen diese beiden Vorlagen Opposition erhoben wird.

Das spezielle Festcomité, welches sich mit Aufstellung des Festprogramms für die Säkularfeier der Eid⸗ genossenschaft beschäftigt, hat vorläufig folgende Haupt⸗ momente in Aussicht genommen: Aufführung einer Kantate zur Einleitung des offiziellen Aktes, Festspiel und historischer Festzug. Für die Kantate und das Festspiel werden in nächster Zeit Konkurrenzausschreibungen stattfinden. Das uu“ wird erst später definitiv festgesetzt werden önnen.

Belgien.

Brüssel, 11. Juli. Der Gesetzentwurf, betreffend die dem Congostaate durch Belgien zu zewährende finanzielle Unterstützung, ist von den 5 Abtheilpngen der Deputirtenkammer angenommen worden.

Die Begründung des Gesetzentwurfs, welche in großen Zügen die historische Entstehung dieses Werks des Königs

eopold II. in Afrika wiedergiebt, enthält einen Brief des Königs vom 5. August v. J. an den Finanz⸗Minister Beernaert, welcher in der Uebersetzung lautet:

„Mein lieber Minister! Ich habe niemals aufgehört, die Aufmerksamkeit meiner Mitbürger auf die Nothwendigkeit zu lenken, ihr Interesse überseeischen Ländern zuzuwenden. Die Geschichte lehrt uns, daß die kleinen Länder ein moralisches und materielles Interesse daran haben, ihren Einfluß außerhalb ihrer Grenzen geltend zu machen. Griechenland gründete an den Küsten des Mittelländischen Meeres reiche Städte, die Sitze der Künste und Civilisation. Die Größe Venedigs hatte ihre Ursache nicht weniger in der Entwickelung seiner überseeischen Handelsverbindungen als in seinen politischen Erfolgen. Die Niederlande besitzen in Indien 30 Millionen Unterthanen, welche gegen Erzeugnisse der Tropen die Pro⸗ dukte des Mutterlandes eintauschen. Nur indem sie der Sache der Huma⸗ nität und des Fortschrittes dienen, können auch Völker zweiten Ranges als nützliche Mitglieder der großen Familie der Nationen erscheinen. Aber mehr als jede andere muß eine manufaktur⸗ und handeltreibende Nation wie die unsrige bestrebt sein, ihren sämmtlichen Arbeitern, denen, welche mit ihrem Geiste, mit ihrem Kapitale oder mit ihren Händen arbeiten, Absatzgebiete zu eröffnen. Diese patriotischen Er⸗ wägungen waren Zeit meines Lebens für mich maßgebend, und sie haben mich zur Gründung meines Werkes in Afrika veranlaßt. Meine Bemübungen sind nicht unfruchtbar geblieben. Dank der wohlwollen⸗ den Unterstützung der Mächte hat ein junger und kräftiger Staat, welcher von Brüssel aus geleitet wird, dort Wurzel gefaßt. Durch Belgier wird derselbe verwaltet, und Belgier sind es, welche ihre Kapitalien dort nutzbringend anlegen. Das unermeßliche Fluß⸗ gebiet des oberen Kongo eröffnet unseren Bestrebungen schnelle und billige Verbindungswege, auf denen man bis ins Centrum des afrikanischen Kontinents eindringen kann. Durch die Erbauung der Eisenbahn in der Gegend der Wasser⸗ fälle wird der Zugang zu jenen Verbindungswegen bedeutend er⸗ leichtert. Unter solchen Bedingungen steht dem Kongostaate eine große Zukunft bevor, und der unermeßliche Werth dieses Staates wird bald genug Jedermann offenkundig werden. Damit Belgien auch nach meinem Tode aus meinem Werke und aus der Arbeit Jener, welche mich bei Gründung und Organisirung desselben unter⸗ stützt haben, Nutzen ziehen könne, habe ich als Souverän des Unab⸗ hängigen Congostaates das Testament aufgesetzt, welches ich Ihnen mit der Bitte übersende, dasselbe an dem Tage, welcher mir dazu geeignet erscheinen wird, den Kammern mitzutheilen. Der Anfang eines Unternehmens, wie dasjenige, welches mich beschäftigt hat, ist schwierig und mühselig. Ich habe es für meine Pflicht ge⸗ halten, auch die damit verbundenen Lasten zu tragen. Wenn ein König seinem Lande einen Dienst erweisen will, dann darf er auch vor dem Zustandebringen eines Werkes nicht zurückschrecken, welches Vielen als wenig glückbringend erscheint. Der Reichthum eines Souveräns besteht in der öffentlichen Wohlfahrt: sie allein bildet den Schatz, welchen er beständig zu vergrößern bemüht sein muß. Bis zum Augenblicke meines Todes werde ich wie bisher be⸗ strebt sein, unser afrikanisches Werk zu leiten und zu unterstützen; wenn aber das Land, ohne bis zu jenem Zeitpunkte zu warten, schon früher eine engere Verbindung mit meinen Besitzungen am Congo⸗ staat anknüpfen will, so stehe ich ganz zu seiner Verfügung. Glücklich würde ich sein, wenn ich schon bei Lebzeiten das Land im Besitz des Congostaates sehen könnte. Einstweilen spreche ich den Kammern und der Regierung meinen Dank aus für die Unterstützung, die sie mir bei verschiedenen Gelegenheiten gewährt haben Ich bin fest überzeugt, daß Belgien seinen Vortheil daraus zu ziehen weiß, und daß binnen Kurzem sich für Belgien auf einem neuen Erdtheile glück⸗ liche und glänzende Aussichten eröffnen werden.“

Das in dem Schreiben erwähnte Königs hat folgenden Wortlaut:

„Wir Leopold II, König von Belgien, Souverän des unabhängigen Congostaats, wollen unserem vielgeliebten Vaterlande die Früchte des Werkes sichern, welches wir schon seit langen Jahren in Afrika ver⸗ folgen. In der Ueberzeugung, daß wir auf diese Weise Belgien, wenn es will, die unerläßlichen Absatzgebiete für seinen Handel und seine Industrie eröffnen und der Thätigkeit seiner Kinder neue Wege an⸗ weisen, erklären wir hiermit, daß wir nach unserem Tode unsere sämmt⸗ lichen Rechte als Souverän des unabhängigen Congostaats, wie sie durch die seit 1884 zwischen den auswärtigen Mächten abgeschlossenen Verträge, Erklärungen und Konventionen sowie durch die Internationale Congovereinigung und durch den unabhängigen Congostaat anerkannt worden, nebst sämmtlichen mit dieser Souveränetät verknüpften Rechten, Eigenthum und Vortheilen an Belgien vermachen und Über⸗ tragen. Bis die belgische Gesetzgebung sich darüber geäußert hat, ob sie dieses Vermächtniß annehmen will oder nicht, wird die Souveränetät gemeinschaftlich durch den Rath der drei Administratoren des un⸗ abhängigen Congostaats und durch den General⸗Gouverneur aus⸗ Sest 6 Gegeben zu Brüssel, am 11. August 1889. Gezeichnet eopold.“

Testament des

In der Kammer interpellirte heute Cartuyvels die Regierung über die Gefahren, welche die Einfuhr ameri⸗

ordnung einer Quarantäne. Der Minister des Acker⸗ baues erklärte darauf, daß die vorerwähnten Gefahren nicht beständen. Gestern hat die Kammer, der „Köln. Ztg.“ zufolge, nach längeren Verhandlungen für die auf Anregung des Königs zu gründende Staatskasse für die Opfer der Arbeit 2 Millionen bewilligt und die näheren Bestimmungen darüber festgesetzt. Die Abstimmung war eine namentliche und ergab Einstimmigkeit der sämmtlichen anwefenden Mitglieder.

Schweden und Norwegen.

Christiania, 8. Juli. König Oskar hat in einem Schreiben an die Polizeileitung seinen Dank ausgedrückt für die ausgezeichnete Ordnung und Wachsamkeit, welche die Polizei während der Anwesenheit ves Deutschen Kaisers entwickelt habe. Dem Stockholmer „Dagbl.“ wird geschrieben: „Das Benehmen der deutschen Marinesoldaten war über alles Lob erhaben. Bescheiden und adrett sind die frischen, stattlichen Leute überall aufgetreten; zwischen ihnen und den Norwegern sind manche Verbindungen angeknüpft worden, die auf beiden Seiten in gutem Gedächtniß behalten werden.“ Die Stockholmer „Nya Dagl. Alleh.“ meinen, daß der Kaiser⸗ besuch einen großen Touristenstrom nach Norwegen ziehen werde. Außer den Herrschaften, die jetzt schon hier sind, würden demnächst noch der Erbgroßherzog von Olden⸗ burg und der Präsident Cleveland eintreffen.

Amerika. Vereinigte Staaten. Washington, 11. Juli. (W. T. B.) Im Senat beantragte Teller heute die An⸗ nahme einer Resolution, in welcher die Politik der Vereinigten Staaten, Gold und Silber als gesetzliche Zahlungsmittel anzuwenden, bestätigt und der Präsi⸗ dent der Vereinigten Staaten aufgefordert wird, die Staaten der lateinischen Münz⸗Union und andere zu einer Konferenz einzuladen Behufs Beschlußfassung über ein allgemeines Verhältniß zwischen Gold und Silber und Behufs Herstellung eines internationalen bimetallistischen Münzsystems. Die von der Konferenz⸗Kommission beschlossene Fassung der Silberbill ist heute dem Repräsen tantenhause zugegangen. Mexiko. Aus Mexiko, vom 9. Juli, wird der „A. C. telegraphirt: - Die Chinesenfrage tritt in ein neues Stadium ein. Einer der reichsten Chinesen San Francisco's, Wag Vin Wan, hat auf der Landenge von Tehuantepec 1 000 000 Acres gekauft, um Chinesen⸗Kolonien darauf zu gründen. Es lossen sich wahrscheinlich Kaffee, Indigo, Taback und Thee dort an⸗ pflanzen. Wan reist morgen nach China, um die erste Abtheilung Ansiedler herüber zu holen. Die mexikanische Presse sieht der Aus⸗ führung des Planes nicht ohne Besorgniß entgegen.

Knunst und Wissenschaft.

Professor Karl Steffeck, dessen Tod in der gestrige Nummer des „R.⸗ u St.⸗A.“ gemeldet wurde, erreichte ein Alter von 72 Jahren. Er war, wie die Nat.⸗Ztg.“ schreibt, in Berli am 4. April 1818 geboren und hat einen großen Theil seines Leben in seiner Vaterstadt zugebracht, die auch seine bedeutendsten künst⸗ lerischen Werke aufweist. Nachdem er in Berlin die Akademie besucht, deren Mitglied er später wurde, ging er 1839 nach Paris, 1842 nach Italien. Als Pferdemaler PHegtanbere er seinen Haupt⸗ ruhm, doch ist auch sein großes historisches Gemälde: König Wilhelm auf dem Schlachtfeld von Königgrätz weltbekannt geworden. Auch als Porträtmaler hat er große Erfolge aufzuweisen. Seit 1880 war er Direktor der Akademie in Königsberg.

Aus Scharenstetten bei Lonsee wird dem „St.⸗A. f. W.“ u. d. 5. Juli geschrieben: Frisch dg schaut unser Kirchlein mit seinem dicken oben abgestumpften Thurm vom „höͤchsten Punkte der Alb' hin über Württemberger⸗ und Bayer⸗Land bis nach Oesterreich und nach der Schweiz und ladet die auf der Strecke Ulm—Stuttgart Reisenden ein, heraufzukommen zu dem Kleinod, das das Kirch⸗ lein birgt, einem Hochaltar, vom Ulmer Münster, 1760 der armen Berggemeinde geschenkt, wohl aus dem Bildersturm des 16. Jahrhunderts gerettet und dann als Gerümpel geachtet, jetzt schön restaurirt die Altarflügel vom verstorbenen Maler Dürr in Ulm unter kräftigster: Rath⸗, That⸗ und Geldunterstützung von Seiten des Staates (Landeskonservator Dr. Paulus) und vom christlichen Kunstverein (Prälat von Merz).

Der kürzliche Beschluß des norwegischen Storthings, welcher durch Bewilligung einer Summe von 200 000 Kronen zu den Kosten der von dem erfolgreichen (Grönlandforscher Nansen geplanten Nordpolfahrt diesem letzte. en Unternehmen die finanzielle Fun⸗ dirung sichert, lenkt naturgemäß die allgemeine Aufmerksamkeit auf die Aussichten dieser Expedition. Die „Wes⸗Ztg.“ erinnert daran, daß Nansen auf einem neuen Wege zum Nordpol vordringen will, den er nicht nur für gangbarer als alle vordem eingeschlagenen, sondern für den einzig gangbaren überhaupt hält. Er stützt sich dabei auf beobachtete positive Thatsachen, welche unerklärlich sein würden, wenn man nicht das Vorhandensein einer ständigen Triftströmung quer durch das ganze Polarbecken, über den Pol hinweg annimmt. Durch den Bebrings⸗Kanal in das Polarbecken eintretend, gedenkt nun Nansen dieser Triftströmung zu folgen, bis er in die Breite von Grönland oder Franz⸗Josefsland gelangt sein wird; er beabsichtigt also eine richtige Durchquerung der noch unbekannten Polarregionen. Um möglichst frei und schnell sich bewegen zu können, wird der Umfang des Expeditionsapparats auf ein Minimum herabgedrückt. Das eigens zu diesem Zweck erbaute Boot hat nur 170 Tons Raum⸗ inhalt mit einer Besatzung von 12 Mann. Bei den jetzigen reise⸗ technischen Hülfsmitteln und der genauen Kenntniß der 2 edingungen eines erfolgreichen Reisens gerade auch in den arktischen Eis⸗ und Schneewüsten erscheint der Plan Nansen's wohl annehmbar und durch⸗ führbar, vorausgesetzt, daß seine Wahl auf die rechten Männer fällt und das Glück dem Unternehmen nicht ganz und gar abhold ist. Jedenfalls dürfte die Expedition eine der interessantesten werden, die jemals angetreten worden sind. Nansen gedenkt im Februar 1892 von Norwegen aufzubrechen.

Sanitäts⸗, Veterinär⸗ und Quarantänewesen.

Frankreich.

Durch Dekrete vom 1. und 2. Juli 1890 ist bestimmt, I 1) die aus Spanien kommenden Reisenden verpflichtet sind, sie innerhalb längstens fünf Tagen ärztlich untersuchen zu lassen, sowie 2) die Einfuhrbeschränkungen in Bezug auf Früchte und Gemüse auf Algier ausgedehnt werden. (Vergl. „Reichs⸗Anz.“ Nr. 155 vom 28. Juni 1890.)

Spanien. Durch ein in der „Gaceta de Madrid“ veröffentlichtes Cirkular der General⸗Direktion des Gesundheitsamts zu Madrid vom 3. Juli 1890 werden die aus dem Hafen von Cullera, Provinz Valencia, kommenden Schiffe für unrein erklärt.

Portugal. Durch eine in Nr. 146 des „Diario do Governo“ veröffentlichte Verfügung des. Königlich portugiesischen Ministeriums des Innern wird die Einfuhe von Wolle aus Spanien verboten; es kann jedoch

solche Wolle, welche augenblicklich in den Grenz⸗Zollämtern lagert,

kanischen Viehs mit sich bringe, und verlangte die ub..