1890 / 173 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 19 Jul 1890 18:00:01 GMT) scan diff

Nichtamtliches. Deutsches Reich.

Preußen. Berlin, 19. Juli.

Nach einer Depesche des „W. T. B.“ aus Söholt ist die „Hohenzollern“ mit Sr. Majestät dem Kaiser und König an Bord gestern Abend um 9 Uhr 30 Minuten nach prachtvoller Fahrt durch den Storfjord bei anhaltend gutem Wetter vor Geiranger vor Anker gegangen.

Der Bundesrath hat in seiner Sitzung vom 3. d. M. beschlossen, neue Vorschriften, betreffend die Aenderung und Ergänzung des Regulativs für Gewerbs⸗ anstalten, in denen unter steuerlicher Kontrole stehender Branntwein gereinigt werden darf, mit der Maßgabe zu genehmigen, daß nach näherer Bestimmung der Direktivbehörde für die seit der Geltung des Regulativs in den Reinigungs⸗ anstalten stattgehabten Bestandsaufnahmen nachträglich eine Umrechnung des Schwundes nach Prozenten der verarbeiteten Menge reinen Alkohols erfolgen und der glaubhaft nach⸗ gewiesene Schwundverlust bis zur Höhe von 21 ½ Proz. außer Steueranspruch gelassen, in denjenigen Fällen aber, in welchen eine Umrechnung des Schwundes nach Prozenten der ver⸗ arbeiteten Menge reinen Alkohols nicht mehr thunlich ist, eine entsprechende Schwundvergütung bis zur Höhe von 2 ½ Proz. der jeweilig neu angeschriebenen Branntwein⸗ mengen durch die oberste Landes⸗Finanzbehörde bewilligt werden darf.

Weiter hat der Bun desrath in seiner Sitzung vom 3. d. M. Folgendes beschlossen: Die obersten Landes⸗Finanzbehörden werden ermächtigt, die fünfjährige Lagerfrist für Wein⸗ theilungslager (§. 2 Abs. 1 und §. 10 des Weinlager⸗ regulativs, §. 10 Abs. 2 des Privatlagerregulativs) nach Maß⸗ gabe des Bedürfnisses zu verlängern.

Durch Beschluß des Bundesraths vom 3. Juli d. J. find ferner die obersten Landes⸗Finanzbehörden ermächtigt worden, die Anmeldung der mit dem Anspruch auf Vergütung der Zuckersteuer auszuführenden oder niederzulegenden Zucker⸗ fabrikate auch bei einer zur unbeschränkten Abfertigung von Zucker nicht befugten Amtsstelle zu gestatten, sofern die Fabrikate gemäß Ziffer 5 Absatz 1 der Bestimmungen zur Ausführung des §. 7 des Zuckersteuergesetzes durch Sach⸗ verständige auf ihren Gehalt an Zucker und das Nichtvor⸗ handensein von Stärkezucker oder Honig untersucht oder nach Ziffer 7 derselben Bestimmungen auf Grund der Vergleichung mit den bei der Steuerstelle hinterlegten bezüglichen Mustern abgefertigt werden sollen.

Der Königliche Gesandte in München Graf zu Ra ntzau ist von dem ihm Allerhöchst bewilligten Urlaub auf seinen Posten zurückgekehrt und hat die Geschäfte der Gesandtschaft wieder übernommen.

Der General⸗Lieutenant Golz, Allerhöchst beauftragt mit Wahrnehmung der Geschäfte des Chefs des Ingenieur⸗ und Pionier⸗Corps und des General⸗Inspecteurs der Festungen, hat sich auf Dienstreisen begeben und wird demnächst einen

Urlaub bis Anfang August antreten.

Das Füsilier⸗Bataillon des Kaiser Franz Garde⸗Grenadier⸗ Regiments Nr. 2 ist nach Abhaltung von Schießübungen im Gelände bei Zernsdorf hierher zurückgekehrt.

Bayern.

München, 18. Juli. Zur Arbeiterschutz⸗ gebung schreibt die „Allg. Ztg.“:

Nach dem Entwurf eines Gesetzes zur Abänderung der Gewerbe⸗ ordnung (Arbeiterschutzgesetz) soll die nächtliche, d. h in die Zeit von halb 9 Uhr Abends bis halb 6 Uhr Morgens fallende Beschäftigung weiblicher Arbeiterinnen in Fabriken künftig untersagt sein, wogegen aber der Bundesrath ermächtigt sein soll, die Verwendung von Arbeiterinnen über 16 Jahren in der Nachtzeit für gewisse Fabrikationszweige, in welchen sie bisber üblich war, unter den durch die Rücksicht auf die Gesundheit und Sittlichkeit gebotenen Bestimmungen zu gestatten. Ferner haben die Entwurfsbestimmungen über die Beschäftigung von Kindern, jugendlichen Arbeitern und Ar⸗ beiterinnen in Fabriken auch auf diejenigen Werkstättenbetriebe Anwendung zu finden, in denen durch elementare Kraft (Dampf, Wind, Wasser, Gas, Glektrizität ꝛc.) bewegte Triebwerke nicht bloß vorübergehend verwendet sind, und soll auch hier der Bundesrath die Ermächtigung erhalten, für gewisse Arten solcher Werkstättenbetriebe Ausnahmen von diesen Be⸗ stimmungen zu gestatten. Auf Veranlassung des Reichskanzlers werden gegenwärtig Erhebungen nach beiden Richtungen gepflogen, und hat das Königliche Staats⸗Ministerium des Innern an⸗ geordnet, daß dieselben hinsichtlich der Verwendung von Arbeiterinnen zur Nachtzeit in gewissen Fabrikationszweigen durch die Fabrik⸗ inspektoren zu bethätigen sind, welche bereits im Jahre 1884 Erhebun⸗ gen über die nächtliche Frauenarbeit vorzunehmen hatten Die auf die Werkstättenbetriebe bezüglichen Erhebungen dagegen werden von den Königlichen Bezirksämtern vorgenommen, und haben dieselben über die etwa zu gestattenden Ausnahmen von den gesetzlichen Bestim⸗ mungen die Bezirksgremien für Handel und Gewerbe, gewerb⸗ liche Vereinigungen und Gewerbtreibende selbst zu hören. Diese letzteren Erhebungen werden sich allem Anschein nach umfangreicher gestalten, da eine große Anzahl von Betriebsarten, z. B. sämmtliche Mühlen mit Wasserkraft, alle Werkstätten mit Gasmotoren und elektrischen Motoren ꝛc. in Betracht kommen. Die von dem König⸗ lichen Staats⸗Ministerium des Innern zugleich angeordnete Einver⸗ nahme der Handels⸗ und Gewerbekammern über beide Er⸗ hebungen wird diesen Korporationen Gelegenheit geben, die hiervon wesentlich berührten Interessen der betreffenden Fabrikations⸗ und Werkstättenbetriebe nach jeglicher Richtung zu vertreten

Im Ministerium des Innern begann gestern unter dem Vorsitz des Staats⸗Ministers Freiherrn von Feilitzsch eine Konferenz von Beamten und Sachverständigen zur Ab⸗ änderung der in Bayern jetzt in Wirksamkeit befindlichen Bauordnung mit Ausnahme derjenigen von München. Die Konferenz soll 2—3 Tage dauern.

8 Sachsen.

„Dresden, 18. Juli. Se. Majestät der König hat seine im Regierungsbezirk Zwickau begonnene Reise auf dem Gebiet der Kreishauptmannschaft Leipzi gesterr

hier, namentlich in Mittweida und in, waren, wie das „Dresd. Journ.“ schreibt, die allüberall herrschende freudige Bewegung und der laut sich kundgebende Jubel ein beredtes Zeugniß der Liebe und Verehrung des Sachsenvolkes für

seinen Landesherrn und sein angestammtes Königshaus

LSLachsen⸗Weimar⸗Eisenach. 1 Weimar, 18. Juli. In dem Gemeinderath von Apolda, der zahlreiche Angehörige der sozialdemokratischen Partei umfaßt, kam es unlängst zu lebhaften Differenzen zwischen dem in Folge von Erkrankung des Bürgermeisters die Geschäfte führenden stellvertretenden Bürger⸗ meister und dem sozialdemokratischen Vor⸗ sitzenden des Gemeinderaths, da dieser dem ersteren Schutz gegen beleidigende Aeußerungen von sozial⸗ demokratischen Mitgliedern des Gemeinderaths versagte. Der stellvertretende Bürgermeister erklärte in Folge dessen, daß er

sich Beschwerde führend an den Bezirksdirektor wenden und mit Rücksicht auf die Anhäufung der Geschäfte die Einsetzung eines juristischen Kommissars erbitten werde. Die Regierung ist in Folge dessen vermittelnd eingeschritten. Der Ministerial⸗ Direktor im Departement des Innern, Wokenius wohnte, wie die „Th. C.“ meldet, am Mittwoch mit dem Bezirks⸗ direktor einer zu diesem Zweck einberufenen Versammlung des Gemeinderaths bei und auf seine Anregung beschloß der letztere, bei der Regierung zunächst auf die Dauer von 2 Monaten die Entsendung eines juristisch gebildeten Hülfsarbeiters zu erbitten, der zugleich zum zweiten stellvertretenden Bürgermeister bestellt werden wird. Die Regierung wird diesem Ansuchen entsprechen. Sachsen⸗Coburg⸗Gotha. Coburg, 17. Juli. Zu der alljährlich hier am 25. Juli stattfindenden Trauerfeier für den Prinzen August von Sachsen⸗Coburg werden, wie die „Dorf⸗Ztg.“ berichtet, dessen Wittwe, die Prinzessin Clementine und der Prinz Ferdinand, der zur Zeit in Karlsbad sich befindet, hier eintreffen. 8 Anhalt. 8

Wörlitz, 17. Juli. (Anh. St.⸗A.) Ihre Hoheiten der Herzog und die Herzogin von Sachsen⸗Altenburg sind mit Gefolge heute von hier abgereist.

Reuß j. L.

(+) Greiz, 18. Juli. Ihre Durchlauchten der Fürst und die Fürstin sind gestern Nachmittag zu Wagen nach Schloß Burgk im reußischen Oberlande, woselbst das Fürst⸗

liche Hoflager aufgeschlagen war, wieder zurückgekehrt.

Elsaß⸗Lothringen. —Straßburg, 18. Juli. Der Kaiserliche Statthalter Fürst von Hohenlohe⸗Schillingsfürst hat sich, nach de „Straßb. Post“, von Baden⸗Baden zu mehrwöchentlichem Auf⸗ enthalt nach Alt⸗-Aussee begeben. 1

Großbritannien und Irland.

London, 18. Juli. Der gestrige schreibt:

„Der englisch⸗deutsche Vertrag wird bald ein Theil des öffentlichen Rechts der gesitteten Staaten werden, und andere Länder, besonders Frankreich und Portugal, werden es in ihrem Interesse finden, ihre Wünsche und Aspirationen einer Lage anzu⸗ passen, die sich nicht umstürzen läßt. Frankreich bedarf, was Afrika angeht, so großen Wohlwollens Seitens Englands, wie sie eine freundschaftliche Haltung Frankreichs nur verschaffen kann. Das den französischen Kammern vorgelegte Gelbbuch über den Con go⸗Freistaat erbringt weitere Beweise dafür, wie nöthig es ist, daß die Mächte be⸗ züglich des äquatorialen Afrikas von freundschaftlichem und gerechtem Geiste beseeit sind. Daß die internationale Congo⸗Gesellschaft ih.. Rechte an Belgien abtreten wird, unterliegt kaum einem Zweifel, und Frankreich behauptet auch nicht ernstlich, daß sein Vorkaufsrecht Belgien daran verhindert, die geplante Stellung am Congo ein⸗ zunehmen. Ohne Zweifel glaubt die französische Regierung, daß Belgien die Rechte und Gebiete, welche es zu erwerben gedenkt, nur an⸗ Frankreich abtreten kann, und diese Ansicht ist nicht unvernünftig. Das Recht oder Unrecht einer Ansicht kann aber in dieser Welt in der Praxis nicht von dem guten Willen derjenigen getrennt werden, welche ein Urtheil darüber zu fällen haben, und Frankreich würde seine Argu⸗ mente unfraglich überzeugender find en, wenn seine Freunde zahlreicher wären als seine Feinde. Hoffen wir, daß der Congostaat nicht nur an Belgien gelanzt, sondern bei dieser Macht verbleibt. Belgiens Nach⸗ bar wird dann in Afrika, wie in Europa, Deutschland sein. Wir haben damit genügende Gründe dafür angeführt, daß die Verhandlungen zwischen England und Frankreich ebenso freundschaft⸗ lich sein sollten, wie die zwischen England und Deutschland geführten. Wir haben Frankreich kein Helgoland zu geben. Wir können aber die Wünsche Frankreichs unterstützen und den Eirfluß desselben nach verschiedenen Richtungen stärken, und Lord Salis bury wird es gewiß gerne thun, Falls Herr Ribot und dessen Landsleute uns unsere Stellung in einem Theil der Erde erleichtern, wo wir die Beendigung von Streitigkeiten dringend wünschen müssen.“

b Das Oberhaus hat, dem „W. T. B.“ zufolge, heute in dritter Lesung die Bill angenommen, durch welche der britischen Kolonie West⸗Australien eine unabhängige Verfassung gewährt wird.

Dbwohl die amerikanische Version des zwischen Lord Salisbury und der Regierung der Vereinigten Staaten gepflogenen Schriftwechsels in Bezug auf den Behringsmeer⸗Fischereistreit (vergl. Nr. 171 d. Bl.) im Wesentlichen richtig ist, find die Ausdrücke doch etwas stärker als die, deren sich der englische Minister der auswärtigen Angelegenheiten bediente. Lord Salisbury sagte, der „A. C.“ zufolge, daß er Mangels irgend eines gesetzlichen Rechts nicht gestatten könne, daß britische Schiffe von amerikanischen Kreu⸗ zern gekapert würden, wenn erstere dem Seehundsfang außer⸗ halb der Dreimeilenzone an der Küste von Alaska obliegen.

Die am 17. Juli stattgehabte Ersatzwahl zum Unter⸗ hause für Mittel⸗Durham, welche durch den Tod des bisherigen liberalen Vertreters Crawford erforderlich geworden, hat das Verhältniß der Parteien unverändert gelassen. Der von den Gladstonianern aufgestellte Kandidat John Wilson wurde mit 5469 Stimmen gewählt, während auf den konser⸗ vativen Kanditen Vane⸗Tempest nur 3375 Stimmen entfielen.

General Claremont, seit 25 Jahren Militär⸗Attache der britischen Botschaft in Paris, ist daselbst vorgestern ge⸗ storben.

Das 2. Bataillon der Garde⸗Grenadiere, welches am 7. Juli in der Wellington⸗Kaserne den Gehorsam ver⸗ weigerte, hat Befehl erhalten, sich am Dienstag nach Capetown einzuschiffen.

Der neue Polizei⸗Chef Sir Edward Bradford läßt es an energischen Maßregeln zur Hebung der Disziplin unter der seiner Leitung anvertrauten Schutzmannschaft nicht fehlen. Vorgestern wurden 16 Inspektoren nach an⸗ deren Distrikten versetzt. Amtlich wird versichert, daß dieser Schritt mit den kürzlichen Vorgängen in Bow⸗Street und der

„Standard“

Der Weltfriedens⸗Kongreß setzte, wie die „Allg.

Corr.“ berichtet, in seiner Sitzung vom 17. d. die Erörterung der Resolution in Bezug auf die Frage, ob Tribunale gebildet werden sollen, welchen die Entscheidung darüber zu⸗ stände, ob eine Kriegserklärung gerecht oder ungerecht ei⸗ fort, ohne sich jedoch über diesen Punkt schlüssig zu machen. Da sich große Meinungsverschiedenheit kundgab, wurde beschlossen, die Resolution dem Bureau zur nochmaligen Er⸗ wägung zu unterbreiten. Nach fast einstimmiger Annahme einer von dem österreichischen Delegirten Ritter Wladimir von Bolesta⸗Kozlowski beantragten Resolution zu Gunsten der

allmählichen Einführung des Freihandels in Europa und Amerika wurde die Abrüstungsfrage zur Sprache gebracht. Im Laufe einer langen und belebten Erörterung wurde von verschiedenen Rednern behauptet, daß eine allgemeine europäische Entwaffnung nicht unausführbar sei. Schließlich gelangte folgende Resolution zur Annahme: „Der Kongreß fühlt, er könne behaupten, daß ganz Europa Frieden wünsche und ungeduldig auf den Augenblick warte, wo man das Ende dieser zertrümmernden Rüstungen sehen werde, welche unte 8

dem Vorwande der Vertheidigung eine Gefahr werden, indem

sie gegenseitiges Mißtrauen wachhalten und gleichzeitig die Ursache jener großen ökonomischen Unbehaglichkeit bilden,

welche der befriedigenden Lösung der Probleme der Arbeit

und Armuth, die den Vorrang vor allen anderen haben sollten, im Wege stehen.“ 1 Frankreich. Puaris, 18. Juli. Die Deputirtenkammer setzte nach einer Meldung des „W. I. B. imn der heutigen Sitzung die Berathung der Vorlage, betreffend die direkten Steuern, fort und genehmigte den Entwurf bis Artikel 27 ohne erhebliche Abänderung. Insbesondere

die Besitzer von Baustellen. rathung erfolgt morgen. Der höhere Ackerbaurath hat sich für einen Ein⸗

Die Fortsetzung der Be⸗

fuhrzoll von 6 Fres. per Hammel und einen fünf⸗ resp. zwölfprozentigen Zoll auf Seidencocons,

sowie für Zölle auf Mehle und zahlreiche Feld⸗ und

Baum früchte ausgesprochen.

Die Cadregesetze vom 24. Juli 1873 13. März 1875 haben unter dem 21. Juni 1890 Aende⸗ rungen in Betreff der Verhältnisse des Terri⸗ torialheeres erlitten. Das im „Bulletin officiel du ministère de Aenderungen verfügt, lautet:

Artikel 1.

Art geändert: Artikel 47. Jede Regional⸗Subdivision lt ein Regiment Territorial⸗Infanterie, welches 1) aus einer nach den Ergebnissen der Rekrutirung veränderlichen Zahl von Bataillonen und 2) aus einem Depot besteht Bataillone und der Compagnien sind dieselben wie die der ent⸗ sprechenden Einheiten des stehenden Heeres. Die Regimenter werden durch Oberst⸗Lieutenants befehligt. jeden dieser Regimenter und die Stärke des Depots werden vom Kriegs⸗Minister bestimmt. Artikel 2. Der Artikel 34 des Gesetzes vom 24. Juli 1873 über die Organisation des Heeres wird in nach⸗ stehender Weise geändert: Artikel 34. Im Mobilmachungsfall können die Truppentheile des Territorialheeres sowie die aus diesen gebildeten Einbeiten als Besatzungen fester Plätze, von Eteppenorten und Etappenlinien, zur Vertheidigung der Küsten und von strategischen Punkten verwendet werden; außerdem aber können sie in Abtheilungen, Brigaden, Divisionen und Armee⸗Corps gegliedert werden, welche be⸗ stimmt sind, im Felde zu dienen. Schließlich können sie abgezweigt werden, um einen Theil der aktiven Armee X“ Die be⸗ stehenden Einheiten des Territorialheeres können in Friedenszeiten auf Anordnung des Kriegs⸗Ministers Truppentheilen des stehenden Heeres oder Theilen von solchen überwiesen werden, um durch diese ihre Aus⸗ bildung zu erhalten. Diese Maßregel hat indessen bezüglich der jähr⸗ lichen Einberufungen keine weiteren Verpflichtungen im Gefolge als diejenigen, welche dem Territorialheere durch den Artikel 49 des Ge⸗ setzes vom 15. Juli 1889 auferlegt sind. Rußland und Polen. 111“

St. Petersburg, 17. Juli. Der Kaiser und die Kaiserin sind (wie in Nr. 172 d. Bl. unter den nach Schluß eingegangenen Depeschen bereits mitgetheilt wurde) heute von ihrer Reise in den finländischen Skären hierher zurückgekehrt. Ueber den Verlauf der Reise be⸗ richtet der „Regierungs⸗Anzeiger“: Ihre Majestäten weilten vom 24. bis zum 28. Juni (a. St.) in Bomarsund und begaben sich am 28. auf der Nacht „Zarewna“, begleitet von den Yachten „Marewo“ und „Tamara“, dem Torpedo⸗ boot „Narwa“ und den Lootsendampfern „Eläköön“ und „Sa⸗ turn“ nach Farösund. Unterwegs bestiegen der Kaiser und die Kaiserin die Yacht „Marewo“ und besuchten Castel⸗ holm. Am 30. Juni langten Ihre Majestäten auf der Nacht „Zarewna“ in Jungfrusund an. Am 1. (13.) Juli fuhren Ihre Majestäten nach der Chelwick⸗Bucht in der Nähe von Ekenäs und am 2. (14.) nach dem Langela⸗Busen bei der Insel Kotka.

Ueber die diesjährigen großen Manöver der Lager⸗ truppen von Krassnoje Sselo, denen Kaiser Wilhelm II. beiwohnen wird, meldet die „Now. Wr.“, daß, soviel bekannt, dieselben auf der Strecke zwischen Gatschino, Krassnoje Sselo, der Küste des Finnischen Meer⸗ busens und Narwa stattfinden werden. Das 85. Wyborgsche Infanterie⸗Regiment Sr. Majestät des Kaisers Wilhelm wird, wie verlautet, nur am letzten Manövertage sich an den Uebungen betheiligen, die am 13. (25.) August ihr Ende erreichen. Das West⸗Corps, das sich aus den Truppen des Garde⸗Corps zu ammensetzt, wird der Commandeur desselben, General⸗ Adjutant Mansay befehligen, während das Ost⸗Corps, aus Armee⸗Truppentheilen, unter dem Oberbefehl des General⸗ Lieutenants Danilow stehen wird. Als Stabs⸗Chef der beiden Corps werden die General⸗Majors Skugarewski und Tillo fungiren. Der Ausmarsch der Truppen beginnt am 3. (15.) August, die Manöver selbst am 7. (19.) August. Am 9. (21.) und 11. (23.) August beabsichtigt man Rast zu halten.

Die „Now. Wr.“ erfährt, daß der neue Handels⸗ vertrag mit der Türkei, der bereits ausgearbeitet war und dessen Ratifizirung unmittelbar bevorstand, nunmehr doch noch nicht in Kraft treten soll. Es soll der alte noch prolongirt werden, und zwar wird gleichzeitig dasselbe auch mit den übrigen bald ablaufenden Handelsverträgen Rußlands mit verschiedenen Westmächten geschehen. Motivirt wird diese Maßnahme damit, daß man Zeit für eine allgemeine Durch⸗ sicht der diesseitigen Handelsverträge gewinnen will, um dann

Agitati n unter den Schutzleuten sichts zu thun habe

8

in den einzelnen Fällen sie möglichst rationell und vortheil⸗ haft auszugestalten. u“ v“

8 bewilligte die Kammer einen Steuernachlaß von 15 Millionen für

und vom

la guerre“ veröffentlichte Gesetz, welches die

Artikel 1. Die Artikel 47 und 55 des Gesetzes vom 13. März über die Stämme und den Stand des Heeres werden in nach⸗

Die Stämme der

Die Zahl der Bataillone eines

Belgien. Brüssel, 18. Juli. Die Kammer und der Senat haben, dem „W. estie ie 2 rt . -. 127 welche sich ihrer Stellungspflicht entzogen haben,

angenommen.

Man schreibt der „Karlsr. Ztg.“: Die Annahme der age Seitens der Deputirtenkammer gilt für ge⸗

8 ovorlag 2 41 Föer⸗ Die Linke der Kammer hatte am 15. d. Abends eine

. Sitzung, um bezüglich des Congoprojekts einen Be⸗ sclas 8 fessen. Eine Einigung wurde nicht erzielt, es ergab sich aber, daß nur etwa 15 Mitglieder entschlossen sind, gegen die Vorlage zu stimmen; eine zweite Gruppe will der Vorlage zustimmen, Andere werden sich neutral verhalten.

einen Antrag auf Vertagung stellen, der jedoch nur höchstens von einigen Mitgliedern unterstützt werden wird. Die Kleri⸗ kalen werden, obwohl sie theilweise der Vorlage abgeneigt sind, doch für dieselbe stimmen, um das Kabinet nicht in Gefahr zu bringen, und so wird die Kammer voraussichtlich mit einer sehr großen Majorität den Gesetzentwurf annehmen.

Türkei. Konstantinopel, 18. Juli. („Agence de Constantinople“.) Anläßlich der durch tscherkessische Räuber erfolgten Entführung der Ingenieure Gerson und Mejor, welche österreichische Staatsangehörige sind, wird der Botschafter Baron Calice eine Note an die Pforte richten. In derselben soll auf die häufige Wiederkehr solcher Vorfälle und auf die Nothwendigkeit der Ergreifung strenger Maß⸗ regeln hingewiesen sein, welche ebenso im Interesse des eigenen Ansehens der Pforte als der Fremden liegen würden, die im Vertrauen auf Sicherheit ihre Kräfte dem Lande widmen. Die Entführung der beiden Ingenieure erfolgte zwischen Adabasar und Eski Schehr. Gerson wurde in die Berge entführt, während Mejor zur Aufbringung des Löse⸗ geldes freigegeben ist.

Griechenland.

Athen, 19. Juli. (W. T. B.) Ihre Königliche Hoheit die Kronprinzessin Sophie ist heute Morgen 9 Uhr, früher als man erwartet hatte, von einem Prinzen glücklich entbunden worden, ehe noch ein Mitglied der Königlichen Familie angekommen war. Die Stadt ist festlich mit Flaggen geschmückt.

Rumänien.

Bukarest, 17. Juli. Der Minister⸗Präsident Genera Mano ist, nach einer Mittheilung der Wiener „Presse“, von Turnu, wo man ihm zu Ehren ein Banket gegeben hatte, wieder hier eingetroffen. Der italienische Gesandte Curto⸗ passi ist hier wieder eingetroffen. Der General⸗Sekretär im Auswärtigen Amt Lahovary ist nach Wien abgereist, von wo er sich nach Kreuznach begeben wird

Amerika.

Vereinigte Staaten. Washington, 17. ZJuli. (A. C.) General Allured B. Nettleton aus Missouri wurde zum Hülfssekretär des Schatzamts ernannt. Dieser Posten ist erst jüngst vom Kongreß geschaffen worden.

Der Finanzausschuß des Senats wird demnächst den von Blaine gemachten Vorschlag, betreffend die Her⸗ stellung eines internationalen Geldes, berathen, welches im Handel mit Süd⸗Amerika zur Verwendung kommen soll. Es wird festgestellt werden, ob das Geld in allen Ge⸗ schäftszweigen angenommen werden, sowie ob es zu einem ge⸗ setzlichen Zahlungsmiltel gemacht oder ausschließlich für ge⸗ schäftliche Zwecke zwischen allen amerikanischen Ländern ver⸗ wendet werden soll.

New⸗York. (New⸗York. Hdls.⸗Ztg.) Die offizielle Volkszählung ist noch immer nicht beendet, und was bis jetzt über die Einwohnerzahl der Republik und der einzelnen Städte derselben verlautet, beruht nur auf Schätzungen, die allerdings in manchen Fällen der Wahrheit ziemlich nahe kommen dürften. So wird die Anzahl der Bewohner des gesammten Landes gegenwärtig auf 64 500 000 gegen 50 155 783 im Jahre 1880 angenommen. Die Bevölkerungszahl der größeren Städte der Re⸗ publik wird genauen Schätzungen zufolge auf folgende Ziffern angenommen: New⸗York 1 627 237 gegen 1 206 299 in 1880, Chicago 1 100 000 gegen 503 185 in 1880, Phila⸗ delphia 1 040 440 gegen 847 170 in 1880, Brooklyn 930 671. gegen 566 663 in 1880, Baltimore 500 000 gegen 332 313 in 1880, St. Louis 440 000 gegen 350 518 in 1880, Boston 417 720 gegen 369 832 in 1880, Cincinnati 306 000 gegen 255 139 in 1880, New⸗Orleans 246 000 gegen 216 000 in 1880, Milwaukee 200 000 gegen 117 712 in 1880, Washington 230 000 gegen 147 293 in 1880, Detroit 197 000 gegen 116 340 in 1880 u. s. w.

Uruguay. Montevideo, 18. Juli. (W. T. B.) Die Regierung hat Unterhandlungen angebahnt, um in London eine Anleihe aufzunehmen.

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Kunst und Wissenschaft.

Als künstlerischen Schmuck erhalten die Eckthürme des neuen Reichstagsgebäudes in Berlin eine Reibe plastischer allegorischer Figuren. Zu den hervorragenden Bildhauern der deutschen Künstlerschaft, welche mit der Ausführung dieser Aufgabe betraut wurden, gehören, wie die M. „Allg. Ztg.“ mittheilt, aus München Akademie⸗Professor Syrius Eberle und Rudolf Maison. Die Wahl der betreffenden Künstler, schreibt das genannte Blatt, ist im Interesse einer würdigen Vertretung der Münchener Kunst an diesem deutschen großartigen Bauwerk in der Reichs⸗Hauptstadt nur zu begrüßen. b

Die Einweihung des Rückert⸗Denkmals in Schwein⸗ kurt findet, der M. „Allg. Ztg.“ zufolge, am 18. Oktober d. J. statt. Das, wie bereits erwähnt, von Professor Wilhelm Rümann entworfene und modellirte Denkmal stellt den Dichter in sitzender Stellung dar, ein aufgeschlagenes Buch auf seinem Schooße. An dem Miedestal sitzen zwei Frauengestalten, die eine mit Lyra und lorbeer⸗ ekränztem Schwert, zu ihren Füßen einen Küraß Erinnerung an die „Geharnischten Sonette“ —, die andere hält, um Rückert's Be⸗ deutung als Uebersetzer aus den orientalischen Sprachen anzudeuten, eine Rolle mit orientalischen Schriftzeichen und den Kopf eines alt⸗ persischen Helden auf dem Schooße. Das Denkmal ist aus einer wie Kupfer glänzenden Hartbleikomposition gegossen. Der Sockel und die iu demselben führenden Stufen sind aus grauem Sandstein. Das Denkmal hat eine Gesammtböhe von mehr als 6 m. 1

. In Zürich fand gestern Nachmittag das Leichenbegäng⸗ niß Gottfried Keller s statt. Ein gewaltiger Leichenzug, in welchem sich im Auftrage des Bundesrathes Bundesrath Deucher

T. B.“ zufolge, die Gesetzesvorlage, betreffend nach der Frauenmünster⸗Kirche, wo Professor Stiefel die Trauerrede

für die Deserteure der belgischen Armee

Hügeloberfläche

Janson wird wahrscheinlich

und der Bundes⸗Kanzler Ringier, ferner Vertreter der Behörden und j einer größeren Anzahl Universitäten befanden, bewegte sich, wie „W.

T. B.“ meldet, durch das von der Bevölkerung gebildete Spalier

hielt. Hierauf begab sich der Zug zum Krematorium. Dort schlossen Gesänge und Reden die Trauerfeier.

Anfang April hatte die „Kieler Ztrg.“ die Nachricht von einem bei Hedehusum auf Föhr gemachten Hünengräberfund ge⸗ bracht. Nachdem zum Zwecke der Gewinnung von Feldsteinen weitere Nachgrabungen in dem großen Hügel, der ursprünglich 80 bis 90 m Umfang und 6 bis 7m Hohe hatte, angestellt worden sind, ist es dem genannten Blatte jetzt möglich, ausführlicher über die Grabstätten, welche blosgelegt wurden, zu berichten: Bei der Auflockerung der mittels des Pfluges wurden an der Sübdost⸗ seite etwa 30 bis 40 Urnen durchschnitten. Alsdann geschah die Durchgrabung in der Weise, daß ein breiter Stollen in der Richtung Ost⸗West quer durch den Hügel aus⸗ geboben wurde, wobei in einer Höbe von 1 m über dem um⸗ gebenden Ackerboden, aus Steinen zusammengesetzt, das erste, rechteckig geformte Grab von 6 Fuß Länge und 2 ½ Fuß Breite sichtbar wurde. Die Steindecke stürzte theilweise ein. Außer verbrannten Knochen⸗ resten war ein Armband und ein Knopf aus Bronze in das Grab gelegt. 3 m westlich von der Süd⸗Nord gerichteten Längsachse des Grabes lag inmitten eines kreisförmigen Steingrabes ein Bronzeschwert, von der Steindecke in sieben Stücke zerdrückt, welche zusammen 44 cm Länge datten. Knochenreste waren, ebenfalls verbrannt, vorhanden. Senkrecht unter der Mitte des Hügels liegend, fand man in gleicher Höbe mit der Grundfläche der ersten Gräber die Spitze eines steinernen Gewölbes, das nach Bloßlegung 3,20 und 1,90 m recht⸗ winklige Grund fläche und 0,95 m Höbe hatte. In demselben fand sich eine Grabkammer in der Richtung Westnordwest und Ostsüdost. An beiden Enden war dieselbe durch je einen Stein geschlossen und hatte ein inneres Maß von im Westen 58, im Osten 50 und in der Mitte 65 cm Breite und 2,10 m Länge. An der Seite der Kammer standen jeseitig 6 Steine. Nach dem Abheben der aus flachen Steinen be⸗ stehenden Decke lag in derselben ein von etwas Lehm oder Sand über⸗ decktes Skelett einer 1,97 m langen Leiche, das bei der Berührung großentheils zerfiel. Grabesbeigaben wurden nicht beobachtet, nur unter dem am Westende liegenden Kopf war Steinpflasterung. Die in der Nähe dieses Hügels belegene Hügelgruppe aus der Eisenzeit wird wahrscheinlich im Laufe des Sommers durch den „Anthropolo⸗ gischen Verein“ in Kiel wissenschaftlich untersucht werden.

Auf dem Astronomen⸗Kongresse in Paris wurde vor ein paar Jahren beschlossen, photographische Himmelskarten her⸗ zustellen und diese Arbeit unter die dazu geeigneten Sternwarten zu vertheilen. Eine der besteingericht ten derselben, das Lick⸗Obser⸗ vatorium in Kalifornien, besitzt für seine photographischen Himmelsaufnahmen eine große Porträtlinse, mit deren Hülfe Hr. Barnard die Milchstraße, den Andromeda⸗Nebel und die Plejaden⸗Gruppe photographirt hat. Diese Ver⸗ suche haben bei Anwendung langer Exvpositionszeiten außer⸗ ordentlich interessante Ergebnisse geliefert. Schon vor einigen Jahren hatte Barnard ein sehr merkwürdiges kleines tinten⸗ schwarzes Loch in der Milchstraße beobachtet, über das vorher nichts bekannt gewesen zu sein scheint. Diese also vollkommen sternenlose Gegend hatte dreieckige Gestalt. In ihrer Nähe war ein kleiner schöner Sternhaufen. In den Barnard'schen Photographien der Milchstraße ist nun, wie die „Wien. Ztg.“ mittheilt, dieses schwarze Loch in dem glänzenden Sternenteppich deutlich sicht⸗ bar Wunderbare wolkenähnliche Bildungen, aus Myriaden von Sternen bestehend, umgeben dasselbe. Die Photographien des Andromeda⸗Nebels sind ausgezeichnet gelungen. Namentlich die Nebelringe sind deutlich zu sehen. Diese Photographien Barnard’'s haben eminenten wissenschaftlichen Werth. Von besonderer Schönheit ist in dieser Beziehung der Andromeda⸗Nebel. Alle Sterne sind dort zu Ringen oder Ringtheilen zusammen geordnet. Wie ungenügend erscheinen nun die einst nach der direkten Beobachtung gezeichneten Karten! Wir kommen durch diese Photographien zu ganz neuen Vorstellungen über den Bau jenes ungeheuren Sternsystems, das wir Milchstraße nennen. Denn die Struktur der Milchstraße ist nicht bestimmt durch die Sterne 9. bis 12. Größe, sondern sie hängt ab von den Millionen kleiner Sterne, die von keinem Teleskop je sichtbar gemacht werden können.

Land⸗ und Forstwirthschaft.

In der Gemarkung Leubsdorf, Kreis Neuwied, sind, wie aus einer Bekanntmachung des Ober⸗Präsidenten der Rheinprovinz in einem heute erschienenen Extra⸗Amtsblatte bervorgeht, neue Reblausheerde entdeckt und die nöthigen zur Verhütung der Weiterverbreitung erforderlichen Maßregeln angeordnet worden.

Die in Ellwangen erscheinende „Jagst⸗Zeitung“ schreibt: „Es ist derzeit viel von den Verheerungen der Nonnenraupe in den Nadelwaldungen von Oberbayern zu lesen und von der dadurch nöthig gewordenen Fällung großer Massen von Holz. Im Jahre 1839 hatten wir im Altdorferwald bei Ravensburg ebenfalls eine solche Waldverwüstung durch die Nonnenraupe, wobei die Nadeln aller Fichten, Tannen und Forchen auf 1550 Morgen zu⸗ sammenhängender Fläche abgefressen wurden. In der falschen Annahme, daß die kahl gefressenen Nadelholzstämme sämmt⸗ lich absterben würden, wurden in den befallenen Staats⸗ waldungen damals in aller Eile gegen 70 000 Klafter Holz um hohen Lohn gefällt und um Spottpreise verkauft, während in den unmittel⸗ bar angrenzenden Fürstlich Wolfegg'schen Waldungen alle kahl ge⸗ fressenen Stämme stehen gelassen wurden, im folgen⸗ den Jahre frische Nadeln trieben und freudig fort⸗ wuchsen. Die Raupen und Schmetterlinge erlagen im Jahre 1840 verschiedenen Krankheiten und den Angriffen von Millionen kleiner Schlupfwespen ohne menschliches Zuthun. Auch in den J hren 1856 und 1857 trat die Nonne in den Fürstlich Taxis'’schen und Gräflich Königsegg'schen Waldungen im Ober⸗Amt Saulgau bedrohlich auf, alle befressenen Stämme wurden aber stehen gelassen, bekamen im folgenden Jahre frrische Nadeln und stehen theilweise heute noch in gutem Wuchs. Es ist zu boffen, daß unsere baverischen Nachbarn sich durch diese Vorgänge belehren lassen und von der Fällung einer größeren Holzmasse abstehen. Wie wir hören, sind mehrere hohe württembergische Forstbeamte nach Bayern abgereist, um die dortige Ranpenbeschädigung zu besichtigen. Dieselben werden Gelegenheit haben, ihren Rath auf Grund unserer oberschwäbischen Erfahrungen gegen eine erneute Ueberfüllung des Holzmarkts einzulegen, die sowohl die Waldbesitzer als die Holzhändler schwer schädigen würde, nachdem schon die heurigen Januarstürme un⸗ gewöhnlich viel Nadelholz zu Boden geworfen.“

Sanitäts⸗, Veterinär⸗ und Quarantänewesen.

Oesterreich⸗Ungarn. Durch Ministerial⸗Verordnung vom 2. Juli 1890 ist die Ein⸗ und Durchfuhr von Hadern, alten Kleidern, altem Tauwerk, gebrauchter Leibwäsche und gebrauchtem Bettzeug aus Spanien und Kleinasien

verboten. Rußland.

Laut amtlicher Bekanntmachung dürfen Schiffe, welche aus Spanien oder einem sonst von der Cholera infizirten Lande kommen, oder während der Reise einen Hafen eines solchen Landes angelaufen haben, zur Zollklarirung und zum freien Verkehr in einem finnischen Hafen nur dann zugelassen werden, wenn dieselben entweder mit einem Gesundheitspaß vorgeschriebener Art versehen oder nach acht⸗ tägiger Quarantäne in einem finnischen Hafen als der Seuche unver⸗ dächtig erkannt worden sind. 1b

Spanien.

Durch ein in der „Gaceta de Madrid“ veröffentlichtes Circular

der General⸗Direktion des Gesundheitsamts zu Madrid vom

4. Juli 1890 wird die unter dem 3. dess. Mts. erfolgte Bezeichnung

von Cullera als „unreiner Hafen“ (vergl. „Reichs⸗Anzeiger“ Nr. 167 vom 12 Juli 1890) rückgängig gemacht und arngeordnet, dof die Procedenzen von dort lediglich den für die übrigen Häfen der Provinz Valencia bereits vorgeschriebenen sanitären Maßregeln, zu unter⸗ werfen sind. 8 3 Handel und Gewerbe. 8 8 Die Handelskammer von Genua hat nach Uebernahme der Verwaltung der Lagerräume des dortigen Hafens ein neues Regulativ mit neuem Tarife für die Benutzung dieser Anlagen (Regolamento per l'esercizio delle tettoie, capannoni e spaz all' aperto) erlassen; ebenso sind für die Benutzung der schon früher der Verwaltung der genannten Handelskammer unter stehenden hydraulischen Krähne neue Vorschriften mit ander⸗ weiter Normirung der Tarifsätze (Regolamento per l'esercizio degli apparecchi idraulici) ergangen. Beide Anordnungen sind mit dem 1. Juli d. J. in Kraft getreten. ““ Verkehrs⸗Anstalten.

Am 14. Juli ist das neue Kabel Halifax Bermuda dem internationalen Telegraphenbetriebe übergeben worden. Die Worttaxe für Telssramme aus Deutschland nach Bermuda beträgt 5 Fr. = 4 10 ₰. Hamburg, 18. Juli. (W. T. B.) Der Schnelldampfer „Normannia“ der Hamburg. Amerikanischen Packetfabhrt Aktiengesellschaft ist heute Mittag auf der Ausreise nach New⸗ YVork von Southampton abgegangen. 1 öʒ;Sthnelldampfer ugusta Victoria“ und der Postdampfer „Scandia' der ikanischen Packetfalrt⸗Aktiengesell⸗ kommend, ersterer gestern Nachmittag, er d in New⸗York eingetroffen. I.“ London, 18. Juli. (W. T. B.) Der Union⸗Dampfer „Anglian“ ist heute auf der Ausreise von Southampton abgegangen Theater und Mufik.

Wallner⸗Theater.

Das Vauderille „Mamsell Nitouche“ geht im Wallner⸗Theater morgen bereits zum 44. Mal in Scene. Den vollgültigen Beweis für die Zugkraft dieses lustigen Stückes bildet die Thatsache, daß das Theater auch während der letzten heißen Tage allabendlich sehr gut besucht war.

Victoria⸗Theater. von „Stanley in Afrika“ waren trotz de

Die Vorstellungen in der vergangenen Woche gut besucht.

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ung tropischen Hitze auch dürfte der prachtvolle szenirung und der fesselnden Darstellung zuzuschreiben sein, das die Anzahl der Wiederholungen bereits ins vierte Hundert erstreckt; eine in Berlin bisher noch nicht erreichte Ziffer. Kroll's Theater.

Heinrich Bötel tritt morgen, Sonntag, noch einmal als „Man⸗ rico“ im „Troubadour“ auf und setzt Dienstag sein Gastspiel fort. Die erste Aufführung der Oper „Don Pablo“ von Rehbaum ist auf Montag angesetzt

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Ausstattung ebenso wie der wirksamen In

Mannigfaltiges.

Der Spielplatz derk „Berliner Spielplatz⸗Gesellschaft“, Ecke der verlängerten Motz⸗ und verlängerten Lutherstraße, erhielt, einer Mittheilung der „Voss. Ztg.“ zufolge, gestern den Besuch des Staats⸗Ministers Dr. von Goßler, welcher vom Geheimen Ober⸗Regierungs⸗Rath Dr. Höpfner begleitet wurde. Empfangen von dem Professor Dr Guttstadt, den Spielleitern Gymnasiallehrer a. D. Lauer und Lehrer Wünschel und dem Hrn. Urlaub, betrat der Minister den geräumigen 4 ½ Morgen großen, von hobem festen Zaun umgebenen Platz, der mit seinem wundervoll grünen, so recht zum Spiel einladenden Rasen einen überaus angenehmen Eindruck machte In der Mitte ist ein Lawn⸗tennis⸗Platz hergerichtet, auf dem junge Damen spielten. An anderer Stelle spielten Kinder unter Leitung von Lehrerinnen. Auch die Hrrn. Lauer und Wünschel mischten sich unter die Svpielenden. Eine Anzahl Mitglieder des Akademischen Turnvereins hatte sich ebenfalls eingefunden, und das von Schönholz her bekannte Spielen nahm die besondere Aufmerksamkeit des Ministers und der Zu⸗ schauer in Anspruch. Der Minister verfolgte die Spiele mit sach⸗ kundigem Blick und äußerte seine große Zufriedenheit über den Platz und die Spiele. Von dem mitspielenden Gymnasial⸗ lehrer Heinrich, der den Spielkursus in Görlitz mitgemacht hatte, ließ er sich von den Eindrücken erzählen, welche derselbe von dem Kursus erhalten hatte. Der dem Minister ausgesprochenen Bitte, das Protektorat der Berliner Spielplatz⸗Gesellschaft übernehmen zu wollen, entsprach er, wie das genannte Blatt mittheilt, mit freund⸗ lichster Bereitwilligkeit. Der Spielplatz erfreut sich bereits guten Besuchs Gegen etwaigen Regen schützt ein geräumiges Zelt mit wasserdichter Decke. Nachmittags finden sich auch Eltern der spielen⸗ den Kinder ein, die, behaglich sitzend, den munteren Spielen zuschauen und der gesunden, frischen Luft sich erfreuen.

Das Mausoleum in Charlottenburg, welches nunmehr seit dem Tode der Königin Luise seinen dritten Umbau erfahren hat und jetzt zur Besichtigung von Neuem zugänglich geworden ist, dürfte, wie wir der „Voss. Ztg.“ entnehmen, in nicht zu ferner Zeit abermals vorübergehend geschlossen werden, und zwar anläßlich der Aufstellung der Grabdenkmäler des Kaiserpaares. Dieselben erhalten ihren Platz zwischen den Rauch'schen Sarkophagen und der durch den Umbau bedeutend zurückgerückten Altarnische mit dem Pfannschmidt schen Bilde.

Der Krieger⸗Verein veranstaltet morgen, Sonntag, ein großes Sommerfest in dem schattigen Parketablissement von Kreideweiß in Tempelhof. Das reichhhaltige Programm führt außer Preisausschieben verschiedener Art eine Fackelpolonaise und andere Belustigungen auf. Die Kaffeeküchen werden um 2 Uhr ge⸗ öffnet, während Concert und Ball um 4 Uhr beginnen. Es wird auf eine rege Theilnahme gerechnet, insbesondere auch deshalb, weil der Reinertrag des Festes dem Fonds zur Errichtung eines Kaiser⸗ und Kriegerdenkmals in Tempelhof zufließen soll.

Im Zoologischen Garten zeigt man sich bestrebt, den regelmäßigen Besuchern stets Neues vorzuführen. Unter den Erwer⸗ bungen der letzten Zeit ist besonders hervorzuheben ein Exemplar der Springbock⸗Antilope, eines sowohl durch die anmuthige Gestalt und die auffallende bunte Färbung als auch durch einige Besonderheiten der Körperbeschaffenheit und der Lebensweise ausgezeichneten Thieres. Höchst überraschend ist es nämlich, wenn der Springbock bei heftigen Bewegungen, besonders beim Springen, den weit auf den Rücken sich erstreckenden „Spiegel“ (das ist beim Wild das helle Haar um die Schwanzwurzel) plötzlich ausbreitet und durch das sich sehr ausdehnende Weiß scheinbar seine Färbung ganz verändert. Gelegentlich kann man diese Erscheinung, welche mit der Ausbildung einer eigenthümlichen Falte der Rückenhaut zu⸗ sammenhängt, auch hier im Zoologischen Garten beobachten. Was die Lebensweise der Springböcke betrifft, so haben schon lange die plötzlichen, massenhaften Wanderzüge derselben das Er⸗ staunen der Reisenden und oft den Schrecken der Ansiedler in Süd⸗ Afrika erregt, da sie Letzteren oft in wenigen Stunden die Frucht monatelanger Arbeit vernichten. Trotz dieses oft massenhaften Auf⸗ tretens kommen Springböcke nur selten nach Europa, da die meisten die Reise nicht überstehen.

Königsberg i. Pr. Der älteste Sohn des Grafen Udo von Stolberg⸗Wernigerode, Graf Konrad von Stolberg⸗Wernige⸗

rode, 18 Jahre alt, ist, wie die „K. Hart. Ztg.“ mittheilt, am