1890 / 187 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 05 Aug 1890 18:00:01 GMT) scan diff

n üsse, gegen welche ein Rechtsmittel stattfindet, sind den Parteien zuzustellen, soweit diese nicht auf die Zustellung verzichten. Sonstige Urtheile und Beschlüsse sind einer Partei nur zuzustellen, wenn sie nicht in Anwesenheit derselben verkündet sind. Auf Verlangen einer Partei ist der⸗ selben auch Ausfertigung eines in ihrer Anwesenheit ver⸗ kündeten Urtheils oder Beschlusses zu ertheilen.

Anträge und Erklärungen einer Partei, welche zugestellt werden sollen, sind bei dem Gerichte einzureichen oder mündlich zum Protokoll des Gerichtsschreibers anzubringen. 1

Sofern durch die Zustellung eine Frist gewahrt oder die Verjährung unterbrochen werden soll, tritt diese Wirkung, wenn die Zustellung demnächst erfolgt, bereits mit der Ein⸗ reichung oder Anbringung des u“ oder der Erklärung ein.

Der Gerichtsschreiber hat für die Bewirkung der Zustellung orge zu tragen und die bei derselben zu übergebenden Ab⸗ schriften zu beglaubigen. 3 ““

Er hat das zu übergebende Schriftstück in einem ver⸗ schlossenen, mit der Adresse der Person, an welche zugestellt werden soll, sowie mit einer Geschäftsnummer versehenen Briefumschlag dem Zustellungsbeamten und im Falle der Zustellung durch die Post dieser zur Zustellung zu übergeben. Au 82 Briefumschlag ist der Vermerk zu setzen: Vereinfachte

ustellung.

Die 8 dem Briefumschlag angegebene Geschäftsnummer ist in den Akten zu vermerken. ““

Erfolgt die Zustellung durch die Post, so ist eine Be⸗ cheinigung der Uebergabe an die Post (Civilprozeßordnung §§. 177, 179) nicht 8

Die von dem Zustellungsbeamten oder dem Postboten aufzunehmende Zustellungsurkunde muß die Art und Weise, in welcher der seiner Adresse und seiner Geschäftsnummer nach bezeichnete Briefumschlag übergeben ist, insbesondere den Ort und die Zeit der Uebergabe, sowie die Person, welcher zuge⸗ stellt ist, bezeichnen und, wenn die Zustellung nicht an den Adressaten persönlich erfolgt ist, den Grund hiervon angeben. Die Urkunde ist von dem die Zustellung vollziehenden Beamten zu unterschreiben.

Bei der Zustellung wird eine Abschrift der Zustellungs⸗ urkunde nicht übergeben. Der Tag der Zustellung ist von 88 zustellenden Beamten auf dem Briefumschlage zu ver⸗ merken.

Die zur Erledigung des Rechtsstreits erforderlichen Ver⸗ handlungstermine werden von dem Vorsitzenden von Amtswegen angesetzt. Nach Ansetzung des Termins ist die Ladung der Parteien durch den Gerichtsschreiber zu veranlassen. Ladungen durch die Parteien finden nicht statt.

Die Zustellung der Ladung muß spätestens am Tage vor dem Termine erfolgen.

Die Zustellung der Ladung an eine Partei ist nicht erforderlich, wenn der Termin in Anwesenheit derselben ver⸗ kündet oder ihr bei Einreichung oder Anbringung der Klage oder des Antrages, auf Grund dessen die Terminsbestimmung stattfindet, mitgetheilt worden ist. Die erfolgte Mittheilung ist zu den Akten zu 88

Nachdem die Klage eingereicht oder zum Protokoll des Gerichtsschreibers angebracht ist, hat der Vorsitzende einen möglichst nahen Termin zur Verhandlung anzusetzen.

Die Klage gilt, unbeschadet der Bestimmung im §. 30 Absatz 4, erst mit der Zustellung an den Beklagten als er⸗

hoben. 55.

8 An ordentlichen Gerichtstagen können die Parteien zur Verhandlung des Rechtsstreits ohne Terminsbestimmung und Ladung vor dem Gericht erscheinen. Die Erhebung der Klage erfolgt in diesem Falle durch den mündlichen Vortrag derselben. Die Klage ist zu Protokoll zu nehmen, Falls die Sache föreseig Hleche

00.

Die Verhandlung vor dem erkennenden Gerichte ein⸗ schließlich der Verkündung der Urtheile und Beschlüsse des⸗ selben erfolgt öffentlich.

Durch das Gericht kann die Oeffentlichkeit für die Ver⸗ handlung oder für einen Theil derselben nach Maßgabe der Vorschristen in den §§. 173 bis 175 des Gerichtsverfassungs⸗ gesetzes ausgeschlossen werden.

Die Vorschriften der K. verfassungsgesetzes über die in den Sitzungen und über wendung.

176 bis 193 des Gerichts⸗ ufrechterhaltung der Ordnung die Gerichtssprache finden An⸗

§. 37.

Erscheint der Kläger im Verhandlungstermine nicht, so ist auf Antrag des Beklagten das Versäumnißurtheil dahin zu erlassen, daß der Kläger mit der Klage abzuweisen sei.

Erscheint der Beklagte nicht und beantragt der Kläger das Versäumnißurtheil, so werden die in der Klage behaupteten Thatsachen als zugestanden angenommen. Soweit dieselben den Klageantrag rechtfertigen, ist nach dem Antrage zu er⸗ kennen; soweit dies nicht der Fall, ist die Klage abzuweisen.

Bleiben beide Parteien aus, so ruht das Verfahren, bis die Ansetzung eines neuen Verhandlungstermins beantragt wird.

Die Partei, gegen welche ein Versäumnißurtheil erlassen sst, kann binnen der Nothfrist von drei Tagen seit der an sie bewirkten Zustellung des Urtheils die Erklärung abgeben, daß sie Einspruch einlege. Die Einlegung gilt mit der Einreichung der Erklärung oder mit der Abgabe derselben zum Protokoll des Gerichtsschreibers als bewirkt.

In dem Versäumnißurtheil ist der Partei zu eröffnen, in welcher Form und Frist ihr der Einspruch zusteht.

Nach Einlegung des Einspruchs hat der Vorsitzende einen neuen Verhandlungstermin anzusetzen.

Erscheint die Partei, welche den Einspruch eingelegt hat, auch in dem neuen Termine nicht, so gilt der Einspruch als zurückgenommen. Anderenfalls wird, sofern der Einspruch zu⸗ lässig ist, der Prozeß in die Lage zurückversetzt, in welcher er sich vor Eintritt der eaissse gt.. befand.

Erscheinen die Parteien in dem Termine, so hat das Gewerbegericht thunlichst auf eine gütliche Erledigung des Rechtsstreits hinzuwirken. Es kann den Sühneversuch in jeder Lage des Verfahrens erneuern und hat denselben bei Anwesenheit der Parteien am Schlusse der Verhandlung zu wiederholen.

„Der Inhalt eines vor dem Gerichte abgeschlossenen Ver⸗ gleichs ist durch Aufnahme in das Protokoll festzustellen. Die

ist zu bemerken, daß die Vorlesung stattgefunden hat und daß die Genehmigung erfolgt ist, oder welche Einwendungen erhoben sind.

. 40.

Kommt ein Vergleich vet zu Stande, so ist über den Rechtsstreit zu verhandeln. Die Leitung der Verhandlung liegt dem Vorsitzenden ob. Derselbe hat dahin zu wirken, daß die Parteien über alle erheblichen Thatsachen sich vollständig erklären, die Beweismittel für ihre Behauptungen bezeichnen und die sachdienlichen Anträge stellen. Derselbe kann jederzeit das persönliche Erscheinen der Parteien anordnen und für den Fall des Nichterscheinens eine Geldstrafe bis zu einhundert Mark androhen. Gegen die Festsetzung der Strafe findet Beschwerde nach den Bestimmungen der Civilprozeßordnung statt.

Wird die Fortsetzung der Verhandlung in einem weiteren Termine nothwendig, insbesondere weil eine erforderliche Beweisaufnahme nicht sofort bewirkt werden kann, so ist der weitere Termin alsbald zu verkünden. Der zur Veweis⸗ aufnahme vor dem Gerichte anberaumte Termin ist zugleich zur Fortsetzung der Verhandlung bestimmt.

§. 41.

Erscheinen in einem zur Fortsetzung der Verhandlung be⸗ stimmten Termine die Parteien oder eine derselben nicht, so ist das Urtheil unter Berücksichtigung der bisherigen Ver⸗ B cen. insbesondere einer etwaigen Beweisaufnahme, zu erlassen.

Das Gericht kann jedoch, sofern wegen eines neuen Vor⸗ bringens der erschienenen Partei oder aus einem anderen Grunde eine weitere Verhandlung angezeigt erscheint, zunächst die Anberaumung eines neuen Termins, sowie eine etwa erforderliche Beweisaufnahme beschließen. Erscheinen beide Parteien nicht, so kann das Gericht die Sache für ruhend erklären. Erscheint in dem neuen Termine eine Partei nicht, so ent⸗ scheidet das Gericht nach freiem Ermessen, inwieweit eine beantragte Beweisaufnahme zu bewirken oder ein neues that⸗ sächliches Vorbringen der erschienenen Partei für zugestanden zu erachten und inwieweit eine von der Gegenpartei abzu⸗ gebende Erklärung als verweigert oder ein früheres Vorbringen derselben als zurückgenommen anzusehen ist.

§. 42. Gegen ein auf Grund des §. 41 ergangenes Urtheil steht der nicht erschienenen Partei der Einspruch (§. 38) zu, fofern sie durch Naturereignisse oder andere unabwendbare Zufälle am Erscheinen verhindert war. Dies ist der Partei in dem Urtheil zu eröffnen. Die Ansetzung des neuen Verhandlunas⸗ termins erfolgt nur, wenn ein Verhinderungsgrund der be⸗ zeichneten Art binnen der Einspruchsfrist glaubhaft gemacht ist. Im Uebrigen gilt ein auf Grund des §. 41 ergangenes Urtheil nicht als Verfäumnißurtheil. Die Beweisaufnahme erfolgt in der Regel vor dem Gewerbegericht. Sie kann nur in den Fällen der §§. 337, 340, 347, 399, 441 der Civilprozeßordnung dem Vorsitzenden des Gerichts oder mittels Ersuchens einem Amtsgericht über⸗ tragen werden.

Die Beweisaufnahme ist auch dann zu bewirken, wenn die Parteien oder eine derselben in dem für die Beweis⸗ aufnahme bestimmten Termine nicht erscheinen.

Beschließt das Gericht die Vernehmung von Zeugen oder Sachverständigen, so sind dieselben, Falls sie nicht von den Parteien zur Stelle gebracht sind, zu laden. Von der Ladung der Sachverständigen kann abgesehen werden, wenn schriftliche Begutachtung angeordnet wird.

Die Beeidigung der Zeugen und Sachverständigen erfolgt nur, wenn das Gericht die Beeidigung zur Herbeiführung einer wahrheitsgemäßen Aussage für nothwendig erachtet oder wenn eine Partei dieselbe beantragt. Die Bestimmungen, nach welchen die Beeidigung in gewissen Fällen unzuläffig ist (Civilprozeßordnung §. 358), bleiben unberührt.

Ob die Leistung eines zugeschobenen oder zurück⸗ geschobenen Eides durch bedingtes Urtheil oder durch Beweis⸗ beschluß anzuordnen sei, bestimmt das Gericht nach freiem

Ermessen. §. 46.

Erscheint der Schwurpflichtige in dem zur Leistung eines Eides bestimmten Termine nicht, so ist der Eid ohne Weiteres 5 verweigert anzusehen. Dem Verfahren ist Fortgang zu geben.

Der Schwurpflichtige kann binnen einer Nothfrist von drei Tagen nach dem Termine sich zur nachträglichen Leistung des Eides erbieten. Auf ein inzwischen ergangenes Urtheil finden die Bestimmungen des §. 647 der Civilprozeßordnung entsprechende Anwendung. Ein solches Urtheil ist, wenn der Eid nachträglich geleistet wird, insoweit aufzuheben, als es auf der Annahme der Eidesverweigerung beruht.

Erscheint der Schwurpflichtige auch in dem zur nachträg⸗ lichen Eidesleistung bestimmten Termine nicht, so findet ein nochmaliges Erbieten zur nicht statt.

Ueber die Verhandlung vor dem Gewerbegerichte ist ein Protokoll aufzunehmen. Dasselbe ist von dem Vorsitzenden und dem Gerichtsschreiber zu 1“

Das Urtheil ist in dem Termine, in welchem die Ver⸗ handlung geschlossen wird, zu verkünden. Ist dies nicht aus⸗ führbar, so erfolgt die Verkündung in einem sofort anzu⸗ beraumenden Termine, welcher nicht über drei Tage hinaus anberaumt werden soll. 16

Die Wirksamkeit der Verkündigung des Urtheils ist von der Anwesenheit der Parteien 1 der Beisitzer nicht abhängig.

Aus dem Urtheil müssen ersichtlich sein: .

1) die Mitglieder des Gerichts, welche bei der Entscheidung mitgewirkt haben,

2) die Parteien, 1 8

3) das Sach⸗ und Streitverhältniß in gedrängter Dar⸗ stellung nebst den wesentlichen Entscheidungsgründen,

4) der Spruch des Gerichts in der Hauptsache und in Betreff der Kosten. Der Betrag der letzteren soll, soweit er sofort zu ermitteln ist, im Urtheil festgesetzt werden. 1

Das Urtheil ist von zu unterzeichnen.

Ein über den Grund des Anspruchs vorab entscheidendes Zwischenurtheil ist in Betreff der Rechtsmittel nicht als End⸗

urtheil anzusehen.

Feststellung ist den Parteien vorzulesen. In dem Protokolle

8.51.

&. Ersfolgt die Verurtheilung auf Vornahme einer Handlung, 8

so ist der Beklagte zugleich auf Antrag des Klägers für den Fall, daß die Handlung nicht binnen ‚einer zu bestimmenden Frist vorgenommen ist, zur Zahlung einer nach dem Ermessen des Gerichts festzusetzenden Entschädigung zu verurtheilen.

In diesem Falle ist die Zwangsvollstreckung in Gemäß⸗ heit der §§. 773, 774 der Civilprozeßordnung ausgeschlossen.

.52.

Die Verpflichtung der unter!liegenden Partei, die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, erstreckt sich auf die Erstattung der dem Gegner durch die Zuziehung eines Prozeßbevollmäch⸗ tigten oder Beistandes entstandenen Auslagen nur unter der Voraussetzung, daß die Zuziehung durch besondere Umstände gerechtfertigt war, und nur in Ansehung des Betrages, welchen das Gericht für angemessen erachtet.

Auf Antrag kann der obsiegenden Partei für die ihr durch das Erscheinen bei dem Gerichte entstandenen Versäum⸗ nisse in dem Urtheil eine Entschädigung zugebilligt werden.

53

Die nicht auf Grund einer mündlichen Verhandlung ergehenden Beschlüsse und Verfügungen werden, soweit nicht ein Anderes bestimmt ist, von dem Vorsitzenden allein erlassen

Im Uebrigen sind für die Befugnisse des Vorsitzenden und der Beisitzer die Vorschriften über das landgerichtliche Ver fahren maßgebend.

Vorschriften der entsprechende Anwendung. Içßn dem ersten, auf die Klage angesetzten Termin kan die Zuziehung der Beisitzer unterbleiben. 8 Erscheint in dem Termin nur eine der Parteien, so erläßt auf Antrag derselben der Vorsitzende das Versäumnißurtheil. Erscheinen beide Parteien, so hat der Vorsitzende einen Sühneversuch vorzunehmen. Kommt ein Vergleich zu Stande so ist derselbe in Gemäßheit des §. 39 Absatz 2 im Protokoll festzustellen. Das Gleiche gilt, wenn die Klage zurückgenommen oder wenn auf den Klageanspruch verzichtet oder wenn der selbe anerkannt wird; in diesen Fällen hat, sofern beantragt wird, die Rechtsfolgen durch Urtheil auszusprechen, der Vor⸗ sitzende das Urtheil zu erlassen. Bleibt die Sache in dem Termine streitig, so hat der Vorsitzende die Entscheidung zu erlassen, wenn dieselbe sofort erfolgen kann und beide Parteien sie beantragen. Anderen⸗ falls ist ein neuer Verhandlungstermin, zu welchem die Bei⸗

sitzer zuzuziehen find, anzusetzen und sofort zu verkünden.

serben und Sachverständige, deren Vernehmung der Vor⸗ für erforderlich erachtet, sind zu diesem Termine zu aden. 3

In den vor die Gewerbegericht keiten finden die Rechtsmittel statt, ständigkeit der Amtsgerichte gehörigen bürgerlichen Rechts⸗

streitigkeiten zulässig sind. Die Berufung ist jedoch nur zulässig, 8

wenn der Werth des Streitgegenstandes den Betrag von einhundert Mark übersteigt. setzung der Kosten einschließlich der gemäß §. 52 ergangenen sind nicht anfechtbar.

Als Berufungs⸗ und Beschwerdegericht ist das Landgericht, in dessen Bezirk das Gewerbericht seinen Sitz hat, zuständig.

Ist für das Rechtsmittel gegen eine Entscheidung des Gewerbegerichts eine Nothfrist bestimmt, so beginnt diese für

jede Partei mit der an sie bewirkten Zustellung und, sofern

auf die Zustellung verzichtet war (§. 30 Absatz 2), mit der Verkündung der Entscheidung. Im Uebrigen richtet sich die Einlegnng des Rechtsmittels und das Verfahren in der Rechtsmittelinstanz nach den Vorschriften der Civilprozeßord⸗ nung. Die Bestimmung im §. 532 Absatz 2 der Civilprozeß⸗ ordnung über die Einlegung der Beschwerde in den bei einem Amtsgerichte anhängigen oder anhängig gewesenen Sachen findet entsprechende Anwendung. §. 56. Aus den Endurtheilen der Gewerbegerichte, welche rechts⸗

kräftig oder für vorläufig vollstreckbar erklärt sind, sowie aus

den Vergleichen, welche nach Erhebung der Klage vor dem Gewerbegerichte geschlossen sind, findet die Zwangsvoll⸗ streckung statt. G

Die der Berufung oder dem Einspruch unterliegenden Urtheile sind von Amtswegen für vorläufig vollstreckbar zu erklären, wenn sie die in Nr. 1 des §. 3 bezeichneten Streitig⸗ keiten betreffen oder der Gegenstand der Verurtheilung an Geld oder Geldeswerth die Summe von dreihundert Mark nicht übersteigt. .

Die vorläufige Vollstreckbarkeit ist nicht auszusprechen, wenn glaubhaft gemacht wird, daß die Vollstreckung dem Schuldner einen nicht zu ersetzenden Nachtheil bringen würde; auch kann sie von einer vorgängigen Sicherheitsleistung ab⸗ hängig gemacht werden.

Im Uebrigen finden auf die Zwangsvollstreckung sowie auf den Arrest und die einstweiligen Verfügungen die Vor⸗ schriften im achten Buche der Civilprozeßordnung Anwendung. Die für den Beginn der Zwangsvolstreckung erforderlichen Zustellungen (§§. 671, 672 der Civilprozeßordnung) sind, soweit sie nicht bereits vorher erfolgt sind, auf Antrag des Gläu⸗ bigers durch das Gewerbegericht zu bewirken.

§. 57. 1

Für die Verhandlung des Rechtsstreits vor den Gewerbe⸗ gerichten wird eine einmalige Gebühr nach dem Werthe des Streitgegenstandes erhoben.

Dieselbe beträgt bei einem Gegenstande im Werthe

bis 20 einschließlich .. . --99 . von mehr als 20 bis 50 einschließlich 1,50

von mehr als 50 bis 100 einschließlich 3,00 8 Die ferneren Werthklassen steigen um je einhundert Mark, die Gebühren um je drei Mark. Die höchste Gebühr beträgt dreißig Mark. 1u““

Wird der Rechtsstreit durch Versäumnißurtheil oder durch eine auf Grund eines Anerkenntnisses oder einer Zurücknahme der Klage erlassene Entscheidung erledigt, ohne daß eine kon⸗ tradiktorische Verhandlung vorhergegangen war, so wird eine Gebühr in Höhe der Hälfte der oben bezeichneten Sätze erhoben.

Wird ein zur Beilegung des Rechtsstreits abgeschlossener Vergleich aufgenommen, so wird eine Gebühr nicht erhoben, auch wenn eine kontradiktorische Verhandlung vorausge⸗

angen war. 1

8 LSchreibgebühren kommen nicht in Ansatz. Für Zustellungen werden baare Auslagen nicht erhoben. Im Uebri gen findet die Erhebung der Auslagen nach Maßgabe des §. 79 des

8

ehörigen Rechtsstreitig⸗ welche in den zur Zu-⸗

Entscheidungen über die Fest⸗

Gerichtskostengesetzes statt. Der §. 2 desselben findet An⸗ endung. 8 Durch das Statut (§. 1 Absatz 2 bis 4) kann vorge⸗ schrieben werden, daß Gebühren und Auslagen in geringerem Betrage oder gar nicht erhoben werden. .58.

Schuldner der wnüsies hen Gebühren und Auslagen ist

derjenige, welchem durch die gerichtliche Entscheidung die

Kosten auferlegt sind oder welcher dieselben durch eine vor

dem Gewerbegericht abgegebene oder diesem mitgetheilte Er⸗ klärung übernommen hat, und in Ermangelung einer solchen Entscheidung oder Uebernahme derjenige, welcher das Ver⸗ fahren beantragt hat.

Die Einziehung der Gerichtskosten erfolgt nach den für die Einziehung der geltenden Vorschriften.

Die Kosten der Rechtsmittel und der Zwangsvollstreckung bestimmen sich nach den für die ordentlichen Gerichte maß⸗ gebenden Vorschriften. Das Gesuch um Festsetzung der Kosten zweiter Instanz ist bei dem Landgerichte anzubringen.

Die Gebührenordnung für Zeugen und Sachverständige findet in dem Verfahren vor den Gewerbegerichten An⸗ wendung. 8

§. 60. 8 Die ordentlichen Gerichte haben den Gewerbegerichten nach Maßgabe der Bestimmungen des Gerichtsverfassungsgesetzes Rechtshülfe zu leisten.

Dritter Abschnitt.

Thätigkeit des Gewerbegerichts als Ein igungsamt.

§. 61. Das Gewerbegericht kann in Fällen von Streitigkeiten, welche zwischen Arbeitgebern und Arbeitern über die Be⸗ dingungen der Fortsetzung oder Wiederaufnahme des Arbeits⸗ verhältnisses entstehen, als Süeütig gnt angerufen werden.

Der Anrufung ist Folge zu geben, wenn sie von beiden Theilen erfolgt und die betheiligten Arbeiter und Arbeitgeber letztere sofern ihre Zahl mehr als drei beträgt Ver⸗ treter bestellen, welche mit der Verhandlung vor dem Eini⸗ gungsamt beauftragt werden.

8 Als Vertreter können nur Betheiligte bestellt werden, welche das fünfundzwanzigste Lebensjahr vollendet haben, sich im Besitz der bürgerlichen Ehrenrechte befinden und nicht durch gerichtliche Anordnung in der Verfügung über ihr Vermögen beschränkt sind. 1 Soweit Arbeiter in diesem Alter nicht, oder nicht in genügender Anzahl vorhanden sind, können jüngere Vertreter zugelassen werden. 8 Die Zahl der Vertreter jedes Theils soll in der Regel nicht mehr als drei betragen. Das Einigungsamt kann eine größere Zahl von Vertretern zulassen. Ob die Vertreter für genügend legitimirt zu erachten ind, entscheidet das Einigun 5 nach freiem Ermessen.

Das Gewerbegericht, welches als Einigungsamt thätig wird, soll neben dem Vorsitzenden mit vier Beisitzern, Arbeit⸗ geber und Arbeiter in gleicher Zahl, besetzt sein. Die Zu⸗ ziehung der Beisitzer erfolgt, sofern durch das Statut nicht anderes bestimmt ist, durch den Vorsitzenden.

8 Das Einigungsamt kann sich durch Zuziehung von Ver⸗ trauensmännern der Arbeitgeber und Arbeiter in gleicher Zahl ergänzen. Dies muß geschehen, wenn es von den Vertretern beider Theile unter Bezeichnung der zuzuziehenden

ertrauensmänner beantragt wird.

. Die Beisitzer und Vertrauensmänner dürfen nicht zu den Betheiligten gehören. Befinden sich unter den Beisitzern un⸗ betheiligte Arbeitgeber und Arbeiter nicht in genügender Zahl, so werden die fehlenden durch Vertrauensmänner ersetzt, welche von den Vertretern der Arbeitgeber beziehungsweise der Arbeiter zu wählen sind.

. 64.

Das Einigungsamt hat durch Vernehmung der Vertreter beider Theile die Streitpunkte und die für die Beurtheilung derselben in Betracht kommenden Verhältnisse festzustellen. Es ist befugt, zur Aufklärung der letzteren Auskunftspersonen vorzuladen und zu vernehmen.

Jedem Beisitzer und Vertrauensmann steht das Recht zu, durch den Vorsitzenden Fragen an die Vertreter und Aus⸗ kunftspersonen zu richten. 8

§. 65.

Nach erfolgter Klarstellung der Verhä nisse ist in gemein⸗ samer Verhandlung jedem Theile Gelegenheit zu geben, sich über das Vorbringen des anderen Theils, sowie über die vorliegenden Aussagen der Auskunftspersonen zu äußern. Demnächst findet ein Einigungsversuch zwischen den streitenden Theilen statt.

. 66.

Kommt eine Vereinbarung zu Stande, so ist der Inhalt derselben durch eine von sämmtlichen Mitgliedern des Einigungsamts und von den Vertretern beider Theile zu unterzeichnende Hetsnetmachang zu veröffentlichen.

Kommt eine Vereinbaruͤng nicht zu Stande, so hat das Einigungsamt einen Schiedsspruch abzugeben, welcher sich auf alle zwischen den Parteien streitigen Fragen zu erstrecken hat.

Die Beschlußfassung über den Schiedsspruch erfolgt mit einfacher Stimmenmehrheit. Stehen bei der Beschlußfassung über den Schiedsspruch die Stimmen sämmtlicher für die Arbeitgeber zugezogenen Beisitzer und Vertrauensmänner den⸗ jenigen sämmtlicher für die Arbeiter zugezogenen gegenüber, so kann der Vorsitzende sich seiner Stimme enthalten und feststellen, daß ein Schiedsspruch nicht zu Stande gekommen ist.

§. 68.

I ein Schiedsspruch zu Stande bekommen, so ist derselbe den Vertretern beider Theile mit der Aufforderung zu er⸗ zu bestimmenden Frist darüber zu erklären, ob sie sich dem Schiedsspruche unterwerfen. Die

öffnen, sich binnen einer Nichtabgabe der Erklärung binnen der bestimmten Frist gilt als Ablehnung der Unterwerfung. 8

Nach Ablauf der Frist hat das Einigungsamt eine von sämmtlichen Mitgliedern desselben unterzeichnete öffentliche Bekanntmachung zu erlassen, welche den abgegebenen Schieds⸗ spruch und die darauf abgegebenen Erklärungen der Parteien enthält.

§. 69.

Ist weder eine Vereinbarung (§. 66) noch ein Schieds⸗ Fruc zu Stande gekommen, so ist dies von dem Vorsitzenden en Einigungsamts öffentlich bekannt zu machen.

1X““ Vierter Abschnitt 1

Gutachten und Anträge der Gewerbegerichte.

§. 70.

Das Gewerbegericht ist verpflichtet, auf Ansuchen von Staatsbehörden oder des Vorstandes des Kommunalverbandes, für welchen dasselbe errichtet ist, Gutachten über gewerbliche Fragen abzugeben. Zur Vorbereitung oder Abgabe derartiger Gutachten können Ausschüsse aus der Mitte des Gewerbe⸗ gerichts gebildet werden.

Diese Ausschüsse müssen, sofern es sich um Fragen handelt, welche die Interessen beider Theile berühren, zu 1 Theilen aus Arbeitgebern und Arbeitern zusammen⸗ gesetzt sein.

In gleicher Weise ist das Gewerbegericht berechtigt, in Fragen, welche die seiner Gerichtsbarkeit unter⸗ tehenden Betriebe berühren, Anträge an Behörden und an Vertretungen von Kommunalverbänden zu richten. Das Nähere bestimmt das Statut.

Fünfter Abschnitt.

1““ vor dem Gemeindevorsteher. §. 71 1

S. 71.

Ist ein zuständiges Gewerbegericht nicht vorhanden, s kann bei Streitigkeiten der in Nr. 1 und 3 des §. 3 bezeich⸗ neten Art jede Partei die vorläufige Entscheidung durch den Vorsteher der Gemeinde (Bür ermeister, Schultheiß, Orts⸗ vorsteher u. s. w.) nachsuchen. Zuständig ist der Vorsteher der Gemeinde, in deren Bezirk die streitige Verpflichtung aus dem Arbeitsverhältnisse zu erfüllen ist.

Den Parteien ist Gelegenheit zu geben, ihre Ausführungen und Beweismittel in einem Termine vorzubringen. Eine Beweisaufnahme durch Ersuchen anderer Behörden findet nicht statt; Vereidigungen sind nicht zulässig.

Kommt ein Vergleich zu Stande, so ist ein Protokoll darüber aufzunehmen und von den Parteien und dem Ge⸗ meindevorsteher zu

Die Entscheidung des Gemeindevorstehers ist schriftlich abzufassen; sie geht in Rechtskraft über, wenn nicht binnen einer Nothfrist von zehn Tagen von einer der Parteien Klage bei dem ordentlichen Gericht erhoben wird. Die Frist beginnt mit der Verkündung, gegen eine bei der Verkündung nicht anwesende Partei mit der Behändigung der Entscheidung.

Die Entscheidungen des Gemeindevorstehers sind von Amtswegen für vorläufig vollstreckbar zu erklären.

Die vorläufige Vollstreckbarkeit ist nicht auszusprechen, wenn glaubhaft gemacht wird, daß die Vollstreckung dem Schuldner einen nicht zu ersetzenden Nachtheil bringen würde; auch kann sie von einer vorgängigen Sicherheitsleistung ab⸗ hängig gemacht werden.

Ist rechtzeitig Klage erhoben, so findet der §. 647 d. r Civilprozeßordnung entioveccen Anwendung.

7

Die vor dem Gemeindevorsteher geschlossenen Vergleiche sowie die rechtskräftigen oder vollstreckbaren Entscheidungen desselben sind, sofern die Partei es beantragt, auf Ersuchen des Gemeindevorstehers durch die Ortspolizeibehörde nach den Vorschriften über das Verwaltungsverfahren zu vollstrecken. Ein unmittelbarer Zwang zur Vornahme einer Handlung ist nur im Falle des §. 130 der Gewerbeordnung zulässig. Wo ein Verwaltungszwangsverfahren nicht besteht, finden die Be⸗ stimmungen über die Zwangsvollstreckung in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten

Der Gemeindevorsteher kann die Wahrnehmung der ihm nach den §§. 71 bis 73 obliegenden Geschäfte mit Genehmi⸗ gung der höheren Verwaltungsbehörde einem Stellvertreter übertragen. Derselbe muß aus der Gemeindeverwaltung oder Gemeindevertretung auf mindestens ein Jahr berufen werden. Die Berufung ist öffentlich 1“ zu machen.

7

Durch Anordnung der Landes⸗Centralbehörde kann an Stelle des Gemeindevorstehers ein zur Vornahme von Sühne⸗ verhandlungen über streitige Rechtsangelegenheiten staatlich be⸗ stelltes Organ mit Wahrnehmung der in den §S. 71 bis 73 aufgeführten Geschäfte beauftragt werden. Die Anordnung ist öffentlich bekannt zu machen.

Sechster Abschnitt. Schlußbestim mungen.

§. 76. . Die Bestimmungen dieses Gesetzes finden keine Anwen⸗ dung auf Gehülfen und Lehrlinge in Apotheken und Hüeels. geschäften sowie auf Arbeiter, welche in den unter der Militär⸗ oder Marineverwaltung stehenden Betriebsanlagen beschäftigt sind.

.4774.

Auf Streitigkeiten der in Bergwerken, Salinen, Auf⸗ bereitungsanstalten und unterirdisch betriebenen Brüchen und Gruben beschäftigten Arbeiter mit ihren Arbeitgebern finden die Bestimmungen dieses Gesetzes mit der Maßgabe Anwen⸗ dung, daß die Errichtung von Gewerbegerichten, deren Zu⸗ ständigkeit auf die vorbezeichneten Betriebe beschränkt wird unabhängig von den Voraussetzungen des §. 1 Absatz 5 durch Anordnung der Landes⸗Centralbehörde erfolgen kann.

Für die auf Grund der letzteren Bestimmung errichteten Gewerbegerichte gelten nachstehende besondere Vorschriften:

1) Die Bestimmung des letzten Satzes im Absatz 2 des §. 6 findet keine Anwendung.

2) Durch die Zuständigkeit eines solchen Gerichts wird die Zuständigkeit anderer innerhalb seines Bezirks bestehender oder später errichteter Gewerbegerichte ausgeschlossen.

3) Die Kosten der Gewerbegerichte werden, soweit sie in deren Einnahmen nicht Deckung finden, vom Staat getragen.

4) Der Vorsitzende und dessen Stellvertreter werden von der Landes⸗Centralbehörde ernannt. Zur Bewirkung der Zu⸗ stellungen können an Stelle der Gerichtsvollzieher oder Ge⸗ meindebeamten (§. 23 Absatz 2) andere Beamte verwendet werden.

5) Inwieweit den Arbeitgebern im Sinne der §§. 11 bis 13 die mit der Leitung eines Betriebes oder eines bestimmten weiges desselben betrauten Stellvertreter der selbständigen ewerbetreibenden gleichstehen, wird durch Anordnung der Landes⸗Centralbehörde bestimmt.

6) Die Bestimmung des §. 63 Absatz 3 findet, soweit sie sich auf Beisitzer bezieht, eh Anwendung. 7

Der §. 120a der Gewerbeordnung wird 11““ v“ 11“ 9.

Spoweit auf denselben zur Bezeichnung der im Absatz 1 daselbst erwähnten Streitigkeiten in anderen Gesetzesstellen Bezug genommen wird, tritt der §. 3 Absatz 1 dieses Gesetzes an seine Stelle.

Soweit nach den gesetzlichen Vorschriften über die Kranken⸗ der Arbeiter die Entscheidung von Streitigkeiten über die Berechnung und Anrechnung von Versicherungs⸗ beiträgen in Gemäßheit der Bestimmungen des §. 120 a der Gewerbeordnung zu erfolgen hatte, finden die Vorschriften des gegenwärtigen Gesetzes über das Verfahren vor dem Ge⸗ meindevorsteher auch dann Anwendung, wenn es sich um Versicherungsbeiträge anderer, als der im §. 2 bezeichneten Arbeiter handelt. Die Zuständigkeit des Gemeindevorstehers wird in diesem Falle nicht dadurch ausgeschlossen, daß ein Gewerbegericht für die errichtet ist.

Die Zuständigkeit der Innungen zur Entscheidung von Streitigkeiten zwischen Arbeitgebern und ihren Lehrlingen (Gewerbeordnung §. 97 Nr. 4, §. 100 e Nr. 1), sowie die Zuständigkeit der Innungs⸗Schiedsgerichte (Gewerbeordnung F. 97a Nr. 6, §. 100i Absätz 2) erleiden durch dieses Gesetz keine Einschränkung.

Durch die Zuständigkeit einer Innung oder eines In⸗ nungs⸗Schiedsgerichts wird die Zuständigkeit eines für den Bezirk der Innung bestehenden oder später errichteten Gewerbe⸗ gerichts ausgeschlossen.

Gegen die Entscheidungen der Innungen und der Innungs⸗ Schiedsgerichte steht binnen zehn Tagen die Berufung auf den Rechtsweg durch Erhebung der Klage bei dem ordentlichen Gerichte offen.

. 80. Die nach 8 14 Nr. ¹ des Gerichtsverfassungsgesetzes zugelassenen, auf Grund der Landesgesetze zur Entscheidung gewerblicher Streitigkeiten berufenen Gewerbegerichte werden mit dem 1. April 1892 aufgehoben, sofern nicht bis zu diesem Ianet ihre Zusammensetzung den Bestimmungen des §. 12 bsatz 1 und 2 entspricht. Auf die Vertretung der Parteien vor den bezeichneten Gerichten finden die Bestimmungen des §. 29 Anwendung. Sofern diese Gerichte den vorbezeichneten Erfordernissen entsprechen, erleidet ihre Zuständigkeit durch dieses Gesetz keine Einschränkung.

Die auf Grund des 8 120 a Absatz 3 der Gewerbe⸗ ordnung errichteten Schiedsgerichte gelten als Gewerbegerichte im Sinne dieses Gesetzes. 1

Die mit Rücksicht auf die Vorschriften desselben über die Zusammensetzung der Gewerbegerichte und das Verfahren erforderlichen Aenderungen der geltenden Ortsstatuten sind ohne Verzug vorzunehmen. Ist eine erforderliche Aenderung binnen zwei Monaten nach dem Inkrafttreten dieses Gesetzes nicht erfolgt, so ist sie durch die Landes⸗Centralbehörde zu verfügen.

Nachdem die erforderlichen Aenderungen getroffen sind, finden die Vorschriften dieses Gesetzes auch auf die vorher anhängig gewordenen Sthe ne Anwendung.

Streitigkeiten, welche, evor ein für dieselben zuständiges Gewerbegericht bestand, anhängig geworden sind, werden von den bis dahin zuständig Behörden erledigt.

Die Centralbehörden der Bundesstaaten bestimmen, welche Verbände als weitere Kommunalverbände im Sinne dieses Gesetzes anzusehen, von welchen Organen der Gemeinden und weiteren Kommunalverbände die Statuten über Errichtung von Gewerbegerichten zu beschließen, und von welchen Staats⸗ oder Gemeindeorganen die übrigen in diesem Gesetze de Staats⸗ oder Gemeindebehörden, sowie den Vertretungen d Gemeinden und weiteren Kommunalverbände zugewiesene Verrichtungen eeecien sind. 8

Mit den von der höheren Verwaltungsbehörde wahrzu⸗ nehmenden Geschäften können jedoch nur diejenigen höheren Verwaltungsbehörden betraut werden, welche nach Landesrecht die Aufsicht oder Oberaufsicht in Gemeinde⸗Angelegenheiten wahrzunehmen haben; auf die in Gemäßheit des 8 77 er richteten Gewerbegerichte sindet diese Bestimmung keine An⸗ wendung.

§. 84. Ddiejenigen Vorschriften dieses Gesetzes, welche sich au die Herstellung der zur Durchführung desselben erforderlichen Einrichtungen beziehen, treten mit dem Tage der Verkün⸗ digung dieses Gesetzes, die übrigen Bestimmungen desselben am 1. April 1891 in Kraft.

Urkundlich unter Unserer Höchsteigenhändigen Unterschrift und beigedrucktem Kaiserlichen Föshstei 9 Gegeben Wilhelmshaven, den 29. Juli 1890. (L. S.) Wilhelm. 8 von Caprivi.

X. Internationaler medizinischer Kongreß.

Der Kongreß nahm heute schon in früher Morgenstunde seine Arbeiten wieder auf. Die Mitglieder der chirurgischen Sektion ver⸗ sammelten sich um 7 ½ Uhr theils im Augusta⸗Hospital, theils im neuen städtischen Krankenhaus am Urban zur eingehenden Besichtigung der Anstalten. Im Augusta⸗Hospital hatte Prof. Küster, in der Anstalt am Urban Dr. W. Körte die Führung übernommen. Um 8 ½ Uhr begab sich ein Theil der Kongreßmitglieder vom Ausstellungspark aus mittels Kremser nach Tegel zur Besichtigung der Wasserwerke. Um 9 Uhr demonstrirte in der Klinik des Prof. Krause Dr. Krell⸗Güstrow seinen Apparat zur Einathmung feuchtwarmer Luft.

Von den Sektionen begann die für Hygiene schon um

8 Uhr ihre Verhandlungen. Die Sektion tagte im Fnrhesan u. gebäude im 1. Saal links vom Eingang und beschäftigte sich u. A. mit der Frage der Prostitution, mit der Tuberkulosenfrage und mit den Maßregeln gegen Verbreitung der Diphtherie.

Um 9 Uhr begann die Arbeit einer ganzen Reihe von Sektionen. Im phpsiologischen Institut tagte die Abtheilung für Physiologie und physiologische Chemie. Ausschließlich nicht deutsche Gelehrte füllten die interessante Sitzung mit ihren Vorträgen aus. U. A. sprachen Rummo und Ferranini⸗Neapel über die Blutbewegung im Gehirn des Menschen während des Schlafs. Mittags demonstrirte Professor Zuntz im thierphysiologischen Laboratorium der Landwirthschaftlichen Hoch⸗ schule eine Reihe von Apparaten zur Mesuag des stcimaenshro sse⸗ bei Menschen sowie bei großen und kleinen Thieren in Curare⸗Nar ose und während gemessener Arbeit. Die Anatomische Sektion tagte in einem Seitenraum des sogenannten Skulpturensaales vom Aus⸗ stellungsgebäude. Das Hauptthema bildeten die Hirnwindungen.

Am Nachmittag wurden die Verhandlungen im Auditorium des 1. anatomischen Instituts im Thierarzneischulpark fortgesetzt. Die Sektion für allgemeine Pathologie und pathologische Anatomie be⸗

delte im Ausstellungsp k bakteriologische Fragen. Der Sektion