1890 / 187 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 05 Aug 1890 18:00:01 GMT) scan diff

eine gro

für innere Medizin war der Hohenzollernsaal des Ausstellungs⸗ gebäudes eingeräumt. Die zahlreich besnchte Versammlung be⸗ schäftigte sich in erster Reihe mit der Behandlung der chro⸗ nischen Nierenentzündung und der Lungenschwindsucht. Die chirurgische Sektion konstituirte sich in dem rechts vom Hohenzollernsaal belegenen Raum. Der links belegene Saal war der Sektion für Geburtshülfe und Gynäkologie ein⸗ geräumt. Die Sektion arbeitete bis in die Nachmittagsstunde hin⸗ ein mit zwei Pausen. In dem Mittelraum hinter dem großen Langsaal hatten sich die Ohrenärzte zusammengefunden. Der Raum links vom Langsaal diente der Sektion für Laryngolo gie und Rhinologie als Sitzungslokal. Hauptsächlichsten Berathungsgegen⸗ stand bildeten Diagnose und Therapie der Erkrankungen der Nebenhöhlen der Nase. Im Theater des Ausstellungsparks war die Sektion für Dermatologie und Syphiligraphie versammelt. Die Behandlung der entzündlichen Hautkrankheiten und der chronischen Gonorrhoe bil⸗ deten Hauptthemen der Sitzung. 1I1I““ In der Sitzung der Sektion für Militär⸗Sanitätswesen sprachen General⸗Stabsarzt Dr. von Coler und Professor Nimier⸗ Paris über die Verwendung von versendbaren Krankenbaracken, Dr. Daubler⸗Christiania über seine seit Jahresfrist in Sansibar be⸗ nutzte Tropenkrankenbaracke. Alsdann beschäftigte sich die Sektion mit der von Professor von Bergmann eingeleiteten Frage der einheitlichen Gestaltung der antiseptischen Wundbehandlung im Felde bei den verschiedenen Armeen. Um 10 Uhr begannen weitere Sektionen mit ihren Arbeiten. Im pharmakologischen Institut fand sich die Sektion für Pharmakologie zusammen, im linken Lang⸗ saal des Ausstellungsgebäudes tagte die Sektion für Kinderheil⸗ kunde, um hier u. A. defnaen der Verdauung zu erörtern. Gleich⸗ zeitig eröffnete die Sektion für Augenheilkunde im Ausstellungs⸗ gebäude ihre Verhandlungen mit einem Vortrag über Trachom. Neben dem Skulpturensaal tagte ferner die Sektion für Eisenbahn⸗Hygieine. Man verhandelte hier über das Rettungswesen bei den Eisenbahnen und über Hygieine des Eisenbahnwesens und der Eisenbahnreisenden. In der Osteria versammelte sich die Sektion für gerichtliche Medizin. Um 11 Uhr begann die Sitzung der Sektion für medizinische Geographie und Klimatologie mit Vorträgen über Beri⸗Beri. Mittags endlich konstituirte sich im Raum rechts neben dem Skulpturensaal die Sektion für orthopädische Chirurgie. 1 Um 1 Uhr besuchte eine Anzahl Kongreßmitglieder das Kaiserliche Gesundheitsamt. Nachmittags demonstrirte endlich noch Prof. Knudt im psychiatrischen Institut der Universität die elektrischen Ver⸗ suche des Bonner Prof. Hertz.

Rekursentscheidungen des Reichs⸗Versicherungsamts.

. (856.) Ein Arbeiter verunglückte beim Abspringen von einem Wagen, welcher mit einem zu einem gewerbsmäaͤßig ausgeführten Brunnenbau bestimmten Baumstamm beladen war, an der Ankunfts⸗ stelle. Der Arbeiter hatte mit der Leitung des Gespanns nichts zu thun, sollte aber beim Auf⸗ und Abladen des Stammes helfen und hatte sich deshalb auf den Wagen gesezt. Durch Rekursentscheidung vom 12. Mai 1890 hat das eichs⸗Versicherungsamt entgegen der betreffenden Baugewerks⸗Berufsgenossenschaft und in Ueber⸗ einstimmung mit dem Schiedsgericht hierin einen Betriebs · unfall erblickt. Dadurch, daß der Arbeiter, vielleicht ohne zwingende Nothwendigkeit, den Wagen bestieg, auf welchem der Stamm be⸗ fördert wurde, anstatt neben oder hinterher zu gehen, setzte er sich nicht außerhalb des Betriebes, und er unterlag nicht einer dem Betriebe fremden, sondern einer mit demselben zwar nicht nothwendig verbun⸗ denen, aber doch im gegebenen Falle thatsächlich durch den Betrieb v. Gefahr (zu vergleichen Rekursentscheidung 612, „Amtliche achrichten des R.⸗V.⸗A.“ 1888 Seite 333).

(857.) Der Unternehmer eines unbedeutenden landwirthschaftlichen Betriebes, welcher sich ein Pferd hielt, aber keinen Arbeiter beschäftigte, hatte für eine Genossenschaftsmeierei die Anfuhr der Milch von den einzelnen Genossenschaftsmitgliedern übernommen. Er benutzte hierfür sein Pferd, während die Meierei den Wagen stellte. Diese Thätigkeit nahm täglich 7 bis 8 Stunden in Anspruch, und er erhielt dafür eine feststehende Entschädigung von jährlich 440 Die Berufs⸗ genossenschaft, welcher die Meierei angehörte, weigerte sich, ihm für einen Unfall eine Rente zu bewilligen, welcher ihn bei der oben be⸗ zeichneten Betriebsthätigkeit betroffen hatte, indem sie behauptete, daß er nicht Arbeiter der Meierei, sondern selbständiger Unter⸗ nehmer sei, welcher vertragsmäßig bestimmte Leistungen für die selbe übernommen habe. Das Reichs⸗Versicherungsamt hat dem⸗ gegenüber durch Entscheidung vom 5. Mai 1890 den Ent⸗ schädigungsanspruch des Klägers als begründet anerkannt. Der Um⸗ stand, daß Jemand selbständiger Unternehmer eines bestimmten Be⸗ triebes ist, steht dem nicht ohne Weiteres entgegen, daß er gleichzeitig in einem anderen Betriebe die Stellung eines Arbeiters einnimmt. Allerdings wird seine Stellung sich dann vielfach derjenigen eines selbständigen Unternehmers nähern, dessen Gewerbebetrieb eben seiner Natur nach die Ausführung gleicher und ähnlicher Verrichtungen für andere Betriebe und in solchen mit sich bringt. Die Be⸗ stimmung der Grenzlinie zwischen der Eigenschaft als Arbeiter und Unternehmer kann in solchem Falle namentlich dann Schwierigkeiten bieten, wenn der Betreffende gleichzeitig Betriebseinrichtungen oder Betriebsmittel seines eigenen Betriebes wie z. B. hier das Pferd im Interesse des fremden Betriebes mit verwendet. Die Entscheidung wird sich hier nicht nach allgemeinen Gesichtspunkten, sondern nur nach der Lage des einzelnen Falles treffen lassen, wobei neben den jeweilig getroffenen Vereinbarungen und der ganzen sozialen Stellung des Betreffenden vor Allem der Umfang seines Betriebes sowie die Frage ins Gewicht fällt, ob der für seine Thätigkeit in dem fremden Betriebe bezogene Entgelt auch den Charakter eines Unter⸗ nehmergewinnes oder lediglich den des Arbeitslohnes trägt. Im vorliegenden Falle war die Entschädigung, welche der Verletzte von der Genossenschaftsmeierei für seine Thätigkeit bezog, eine so geringfügige, daß sie nur gerade als Lohn für die eigene Arbeit sowie als Ersatz der Unterhaltungskosten für das Pferd, nicht aber auch als Unternehmergewinn angesehen werden kann. Auch die sonstigen Ver⸗ hältnisse des Verletzten lassen ihn, soweit es sich um seine Thätigkeit für die Meierei handelt, nur als einen Arbeiter derselben erscheinen. Es kommt hinzu, daß die Thätigkeit des einen nothwendigen Bestandtheil des Gesammtbetriebes der Geno senschaftsmeierei bildet, wie sie bei ähnlichen Unternehmun en häufig durch deren einige Arbeiter verrichtet wird, und daß eine Hersplitf rnn⸗ derartiger größerer Betriebe, welche wirthschaftlich unzweifelhaft eine Einheit bilden, in e Zahl kleiner, für selbständig erachteter Einzelunternehmungen der Absicht des Gesetzgebers, sowie schließlich auch den eigenen der betheiligten Berufsgenossenschaften nicht entsprechen

würde.

(858.) Eine landwirthschaftliche Tagelöhnerin wurde auf dem Wege von ihrer Wohnung nach einem Gutshofe, wo sie angeblich Lohn empfangen und demnächst noch mit Gartenarbeit beschäftigt werden sollte, von einem auf der Dorfstraße umherlaufenden fremden Schafbock verletzt. Das Reichs⸗Versicherungsamt hat durch Entscheidung vom 23. Juni 1890 in Uebereinstimmung mit dem Schiedsgericht ausgesprochen, daß ein Betriebsunfall nicht vor⸗ liegt, weil die Verletzte nicht su dem Hofgesinde des Gutes gehörte, sondern als freie landwirthschaftliche Tagelöhnerin auf dem Wege zu und von der Arbeit wie die industriellen Arbeiter zu beurtheilen war, und auch die zufällige Anwesenheit des fremden Schafbocks auf der Straße mit dem Betriebe, in welchem die Verletzte beschäftigt zu werden pflegte, nichts zu thun hatte (vergleiche einerseits die Ent⸗ scheidungen 247, 474 und 475, „Amtliche Nachrichten des R.⸗V.⸗A.“ 1887 Seite 8, 1888 Seite 175 und 176, andererseits Entscheidung 803, „Amtliche Nachrichten des R.⸗V.⸗A.“ 1890 Seitez167).

(859.) Ein Maurer und Landwirth hatte fünf Raummeter Brennholz in b ande einem Waldbesitzer ge⸗

Waldparzelle des Letzteren anstoßendes, ihm eigenen Gehöfte nahegelegenes Grundstück bringen und dort von seinem Sohne zu Scheitholz zerspalten lassen. Das Holz war dazu bestimmt, später sowohl in der Hauswirthschaft als auch in der Landwirthschaft des Käufers, u. A. zum Bereiten des Viehfutters, verwendet zu werden. Die betheiligte land⸗ und forst⸗ wirthschaftliche Berufsgenossenschaft hatte sich geweigert, dem Sohne des Holzkäufers für eine Verletzung, die er sich bei jenem Holz⸗ spalten zugezogen hatte, eine Entschädigung zu gewähren, weil die bezeichnete Arbeit weder mit der Forstwirthschaft des Wald⸗ besitzers, noch mit der Landwirthschaft des Holzverkäufers in Zusammenhang stehe. Das Reichs⸗Versicherungsamt hat durch Rekursentscheidung vom 23. Juni 1890 unter Bestätigung des schiedsgerichtlichen Urtheils die Entschädigungspflicht der Berufs⸗ genossenschaft anerkannt, indem es zwar den Zusammenhang der unfall⸗ bringenden Thätigkeit mit der Forstwirthschaft des Waldbesitzers ver⸗ neinte, im Uebrigen aber Folgendes ausführte: Wenn davon aus⸗ gegangen werden muß, daß das fragliche Holz ebensowohl in der Hauswirthschaft als in der damit aufs Engste verbundenen Landwirth⸗ schaft Verwendung finden sollte, und wenn berücksichtigt wird, daß in kleinbäuerlichen, familienhaft betriebenen Wirth⸗ schaften der vorliegenden Art es werden wenig über 4 ha Grundbesitz und Pachtland bewirthschaftet und 2 Kühe, 2 Stück Jungvieh, 2 Ziegen und 2 Schweine gehalten Haus⸗ und Land⸗ virthschaft untrennbar in einander übergreifen, sich gegenseitig bedingen und einander zu fördern bestimmt sind, so ist zwischen der unfall⸗ bringenden Beschäftigung des Klägers und der Landwirthschaft seines Vaters ein ausreichender Zusammenhang gegeben, um die Ent⸗ schädigungspflicht der beklagten Berufsgenossenschaft zu begründen.

(860.) Der Betrieb einer Gutswindmühle, auf welcher das Korn in der Hauptsache für den Bedarf des Gutsbesitzers und seiner Leute und nur nebenbei für Dritte gemahlen wird, fällt nach einer Rekursentscheidung vom 16. Juni 1890 unter die im §. 1 Absatz 3 des Unfallversicherungegesetzes für landwirthschaftliche Nebenbetriebe gegebene Ausnahmevorschrift. Derselbe gehört daher nicht zur Müllerei⸗Berufsgenossenschaft, sondern zu der zuständigen landwirth⸗ schaftlichen Berufsgenossenschaft (zu vergleichen die Anleitung in Betreff der Anmeldung der nach dem Unfallversicherungsgesetz ver⸗ sicherungspflichtigen Betriebe, vom 14. Juli 1884, Ziffer 2 Litt. a Absatz 4, „Amtliche Nachrichten des R.⸗V.⸗A.“ 1885 Seite 374 ff.).

8 Ein Gutzbesitzer hatte für die Rübenzeit Arbeiterinnen von außerhalb durch einen sogenannten Aufseheragenten gedungen und unter anderem die Verpflichtung übernommen, für die Beförderung derselben von der Bahnstation des Gutes auf dieses und von letzterem auf den Bahnhof bei Antritt und nach Beendigung der Arbeit seiner⸗ seits Sorge zu tragen. Auf der Rückfahrt, für welche Wagen, Pfsöde und Knechte des Gutes gestellt waren, erlitt eine der

rbeiterinnen einen Unfall. Durch Rekursentscheidung vom 26. Juni 1890 hat das Reichs⸗Versicherunggamt den von der Arbeiterin gegen die zuständige landwirthschaftliche Berufsgenossenschaft erhobenen Entschädigungsanspruch urückgewiesen. Nachdem die Beschäftigung in dem landwirthschaftlichen Betriebe, für welche die Arbeiterin angenommen worden zuvor ihr Ende er⸗ reicht, stellte sich die Fahrt auf den Bahnhof nur als ein Theil der Rückreise von der Arbeitsftelle in die Heimath dar, während dessen die Verletzte nicht mehr als eine in dem landwirthschaftlichen Be⸗ triebe des Pneetefies. beschäftigte Arbeiterin gelten konnte, wenn auch die Kosten dieses Theils der Rückreise noch der Gutsbesitzer zu tragen hatte (zu vergleichen die Entscheidung 475, „Amtliche Nach⸗ richten des R.⸗V.⸗A.“ 1888 Seite 176 und die dort angeführten weiteren Entscheidungen).

(862.) Der Kutscher eines Fuhrunternehmers rief, als sein Pferd unterwegs mit dem von ihm geführten Karren gestürzt war, und er es allein aus seiner Lage nicht befreien konnte, Hülfe herbei. Ein in der Nähe beschäftigter Maurer leistete diese und erlitt bei dieser Ge⸗ legenheit eine Verletzung. Das Reichs⸗Versicherungsamt hat hier in Uebereinstimmung mit dem Schiedsgericht durch Entscheidung vom 24. März 1890 das Vorliegen eines Unfalls bei dem Fuhrwerks⸗ betriebe anerkannt. Bei Lage der Sache bedurfte der Führer des Karrens nothwendig fremder Hülfe. Wenn er daher die in der Nähe befindlichen Personen herbeirief, so handelte er dabei nach verständigem Ermessen im Interesse des abwesenden Betriebsunternehmers. Die von dem Verletzten geleistete Hülfe muß sonach als ein dem muthmaßlichen Willen des abwesenden Unter⸗ nehmers entsprechendes, für dessen Betrieb förderliches Eingreifen, mithin als eine Beschäftigung in diesem Betriebe im Sinne des §. 1 des Unfallversicherungsgesetzes angesehen werden. (Vergleiche Ent⸗ scheidung 597 und 603, „Amtliche Nachrichten des R.⸗V.⸗A.“ 1888 Seite 316 und 326.) Ob der Hülferuf allgemein lautete oder sich an bestimmte Personen richtete, ist hierbei ohne Belang.

kauft, auf ein an die gehörendes und seinem

Statistik und Volkswirthschaft.

Zur Arbeiterbewegung.

In Stettin haben die Zimmerleute, wie die theilt, dem in einer Versammlung gefaßten Beschluß gemäß, zum größten Theil die Arbeit wieder niedergelegt. Mit den gestrigen Morgenzügen trafen bereits von auswärts wieder Zuzüge ein. Bei Ankunft der Züge wurde der Perron von den Strikenden, welche die Ankömmlinge von der Arbeit abzuhalten suchten, derart belagert, daß von Seiten der Bahnbeamten die Räumung angeordnet werden mußte. Vor dem Bahnhofsgebäude mußte die Polizei einschreiten, um die fremden Zimmerleute gegen die Zudringlichkeiten der Strikenden

zu schützen.

„In Magdeburg murde, der „Voss. Ztg.“ zufolge, am Freitag über das Verhalten der Magdeburger Volksstimme“, welche im Verein mit der „Sächs. Arbeiterztg.“ gegen die gege wärtigen Führer sich auflehnt, in einer Versammlung verhandelt. Nach längeren Be⸗ sprechungen wurde das Verfahren des sozialdemokratischen Organs gegen die Hrrn. Bebel und Liebknecht, trotzdem das Verhalten der Letzteren von älteren Parteigenossen vertheidigt wurde, gutgeheißen. Nun will man noch eine Versammlung einberufen, zu welcher Hr. Bebel eingeladen werden soll, um sich zu vertheidigen.

Aus Schweidnitz telegraphirt man der „N. Pr. Ztg“, die Regierung habe die Behörden des Kreises angewiesen, eingehende Er⸗ mittelungen über die Frauenarbeit in den Fabriken anzustellen.

„Der „Köln. Ztg.“ wird aus Reichenbach telegraphirt: Von Seiten der Sozialdemokraten war auf die „Hohe Eule“ eine Versammlung zum Besten der nothleidenden Weber des Eulen⸗ gebirges einberufen. Die Gendarmerie erkletterte jedoch die Höhe und verhinderte alle öffentlichen Ansprachen.

In der letzten Sitzung der Baugewerken⸗Innung in Braunschweig wurde, wie die „Frkf. Ztg.“ mittheilt, von einem Zimmermeister ein Antrag für den vom 31. August bis 2. Septemberz in Bremen stattfindenden Delegirtentag der Deutschen Baugewerks⸗Meister begründet, welcher zur Vermeidung des Strikes im Baugewerbe eine Vereinbarung zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern über Lohnhöhe und Arbeitsdauer anstrebt, allerdings unter der Voraussetzung, daß die parlamentarischen Vertreter der Arbeiterpartei Deutschlands, d. h. die sozialdemokratische Fraktion des Reichstags, ihre Hand dazu bietet. Der Antragsteller führte aus, daß die Unternehmer unbeschadet ihrer Stellung den Arbeitern die Hand zur Versöhnung bieten könnten, allerdings unter der Hedingungder Mitwirtung der sozialdemokratischen Fraktion, was die gänzliche Beiseiteschiebung der lokalen Strike⸗Comités bedeuten würde. Gelinge dieses, so würden die Arbeiter des Baugewerbes, provinziell oder kleinstaatlich vereinigt, Vertrauensmänner zu wählen haben, welche alljährlich die Delegirtentage der deutschen Baugewerks⸗ meister besuchen und mit diefen die Arbeitsbedingungen in den einzelnen geographischen Bezirken gemeinsam feststellen. Der Vor⸗ schlag wurde schließlich von der Innung mit Einstimmigkeit gebilligt

„Ostsee⸗Ztg.“ mit⸗

befindlichen

und zum Antrage Braunschweigs auf dem Bremer Delegirtentage

erhoben.

Aus Chemnitz wird demselben Blatt berichtet, daß der Kon⸗ greß sächsischer Maler, Anstreicher und Lackirer be⸗ schlossen hat, in Zukunft nur Abwehrstrikes und solche Strikes zu unterstützen, die eine Verkürzung der Arbeitszeit zum Zweck haben nicht aber solche, die auf eine Erhöhung der Löhne gerichtet sind.

Hier in Berlin waren, wie hiesige Blätter melden, für de

Sonntag Abend zwei öffentliche Frauenversammlungen ange⸗

kündigt worden, davon genehmigte jedoch das Polizei⸗Präsidium nu

die nach den Central⸗Festsälen einberufene, in welcher Dr. Lütgenau

über „Henrik Ibsen und die moderne Poesie“ Versammlung, welche in May's Festsälen stattfinden sollte, poli⸗ zeilich nicht genehmigt wurde. In Letzterer wollte Frau Selm Schumme einen Vortrag über „Gesundheitsschädliche Gewerbe“ halten.

Für die ausgesperrten Hamburger Genossenentfalten e 88

Berliner Sozialdemokraten, der „Volks⸗Ztg.“ zufolge, eine lebhafte Agitation. Am Donnerstag Abend sollen wieder drei groß öffentliche Volksversammlungen auf Tivoli, im Etablissement Königs bank und in dem Ilges'schen Lokal, Moabit, stattfinden, in welchen di Aussperrung der Hamburger Arbeiter Seitens der dortigen Meister schaft Behufs Unterdrückung der Fachvereine besprochen werden soll. In einer öffentlichen Versammlung der Putzer Berlins und der Umgegend wurde, wie wir dem „B. Volksbl.“ entnehmen, eine Resolution gefaßt, in welcher die Versammlung in Erwägung, daß das Vorgehen der Unternehmerverbände gegen die Vereinigungen der Arbeiter ein systematisches, und in fernerer Erwägung, daß diesem Vorgehen entgegen zu treten Pflicht und Ehrensache jedes denkenden Arbeiters sei, beschließt, moralisch und finanziell für alle im Kampf Arbeiter voll d ganz einzu keten rw.

Zur wirthschaftlichen Lage.

Die Gesammtlage des Handels und der Industrie wies während

II Quartals im Regierungsbezirk Magdeburg keine erheblichen Unterschiede gegen das I. Quartal auf. Strike sind jedoch, namentlich nach dem 1. Mai, weit seltener vorgekommen und fast regelmäßig beigelegt worden, ohne daß die Arbeiter die bezweckte Verbesserung ihrer Arbeitsbedingungen durchgesetzt hätten. Auf dem Zuckermarkt sind die Preisbewegungen selten so unerhebliche gewesen, als in dem II. Quartal. Der Abzug nach dem Auslande gestaltete sich sowohl für rohe, als für fertige Waare recht befriedigend. Die wirthschaft⸗ liche Lage und zur können als gute bezeichnet werden. Die Lage der Eisenindustrie, sowie der Steinbrüche und Ziegeleien war gegen das Vor⸗ quartal unverändert günstig. Eine Hebung der Tuchfabrikation in Burg ist bisher noch nicht zu konstatiren gewesen. b1“¹““

8 1AA“ 11“ u

„„Zur wirthschaftlichen Lage des Jahres 1889 schreibt die Handelskammer zu Stolberg (Rheinland) in ihrem Jahresbericht:

Das verflossene Geschäftsjahr 1889 lieferte im Allgemeinen zu⸗ friedenstellende Resultate für den Handel und die Industrien des hiesigen Handelskammerbezirks. Konnte schon im vorigen Jahre eine allgemeine Hebung der industriellen Verhältnisse mit Genugthuung nach langem schleppenden Geschäftsgange verzeichnet werden, so läßt sich für das verflossene Jahr eine fernere günstige Weiterent⸗ wickelung nicht verkennen. Die beiden Haupt⸗Industrien des Aachener Bezirkes Eisen und Kohle hatten recht günstige Resultate zu verzeichnen. Die Lage des Roheisenmarktes war durch⸗ aus zufriedenstellend, ebenso die Nachfrage und der Absatz in Kohlen. Letzterer würde noch bedeutender gewesen sein, wenn nicht die Arbeiter die Leistung von Ueberschichten abgelehnt hätten. Die im Monat Mai 1889 begonnenen Arbeiterausstände hatten einen verhältniß⸗ waßig Fucbühen Verlauf und haben eine wesentliche Lohnerhöhung zur

olge geha

Im Dürener Bezirk waren sämmtliche Etablissements voll⸗ auf beschäftigt und haben mit wenigen Ausnahmen auch befriedigende Resultate erzielt, sodaß für das Jahr 1889 wohl von einem all⸗ gemeinen Geschäftsaufschwung berichtet werden kann. Erfreulich war die Ausdehnung der Maschinenfabriken und da die drei größten dieser Etablissements hauptsächlich für Papierfabriken, arbeiten, läßt dieses auch einen Rückschluß auf die Lage der Papier⸗ Industrie im Ulgemeinen machen. Die außerordentlich hohen Preise der Rohmaterialien, besonders Kohlen, Eisen ꝛc., beeinflußten die Rentabilität sehr nachtheilig, was sich im Jahre 1890 in erhöhtem Maße geltend machen wird. Die Zahl der beschäftigten Arbeiter hat zugenommen, womit eine mäßige Steigerung der Löhne verbunden ist. Das Verhältniß zwischen Arbeitgebern und Arbeit⸗ nehmern ist ein andauernd gutes.

Deutscher Tapeziererbund

In Halle wurde am 4. d. M. die Versammlung des deutschen Tapeziererbundes eröffnet. Der Obermeister der hallischen Innung, r. Hohmann, begrüßte die Erschienenen Namens seiner Innung. Namens des Ober⸗Präsidenten von Wolff und des Regierungs⸗ Penftheg⸗ von Diest⸗Merseburg fand eine Begrüßung durch die Regierungs⸗Assessoren von Mikusch⸗Buchberg und von Locka statt. Für die Behörden der Stadt Halle begrüßte Stadtrath Keferstein die Anwesenden. Der Verbands⸗Präsident Hr. Michaud⸗ eipzig dankte den Vorrednern und brachte ein Hoch auf Se. Majestät den Kaiser aus, in welches Alle dreimal freudig einstimmten. Sodann wurde in die Tagesordnung eingetreten. Nach dem Jahres⸗ bericht des Bundesvorstandes für das Verbands jahr 1889/90, erstattet durch den Verbands⸗Präsidenten, zählt, wie wir der „Madb. Ztg.“ entnehmen, der Verband jetzt in 38 Städten mit Innungen und 33 Städten ohne solche zusammen 1844 Mitglieder. Im letzten Jahre sind dem Verband beigetreten die Innungen zu Berlin, Han⸗ nover, Görlitz, Braunschweig, Bielefeld und Großenhain. Demnächst werden beitreten die Innungen zu Mannheim, Kassel und Danzig. Die Kassenverhältnisse der Unterstützu Verbandskasse sind günstige zu nennen; mehrere Delegirte beauftragt.

Die Bewegung der Bevölkerung des Königreichs

sprach, während die

Zeit auch das Verhalten der Bergarbeiter

Belgien im Jahre 1889. 6

In jedem Jahre wird in Belgien Seitens des Ministeriums des Innern und des öffentlichen Unterrichts eine Statistik der Bewegung und des Standes der Bevölkerung des Königreichs während des verflossenen Jahres, abschließend mit dem 31. Dezember, nach Gemeinden, Pro⸗ vinzen sowie im Ganzen aufgenommen und im „Moniteur belge“ ver⸗ öffentlicht. Der Stand der Bevölkerung wird hierbei nicht durch eine wirkliche Zählung ermittelt, sondern auf Grund der letzten Zäh⸗ lung und des Ergebnisses der Registerführung über die Bewegung der Bevölkerung berechnet.

Nach der neuesten derartigen Veröffentlichung vom 18. Juni d. J. stellte sich die Bevölkerung Belgiens am 31. Dezember d. b.2 6 093 798 Köpfe gegenüber 5 520 009 zu Ende 1880 und 5 853 278 am 31. Dezember 1885.

Unter den im Jahre 1889 Geborenen befanden sich 90 411 Knaben und 86 315 Mädchen. Zu⸗ und Wegzug der Bevölkerung machten sich am meisten in der Provinz Brabant bemerkbar. Der Zugang durch Zuzug ist dort mehr als 3 Mal so groß als derjenige durch Geburten, der Abgang durch Wegzug mehr als 4 Mal so stark als derjenige durch Todesfälle. Der verhältnißmäßig größte Zuwachs der Bevölkerung ist für die Provinzen Antwerpen mit rund 1,69 bezw. Lüttich mit rund 1,64 %, der niedrigste für die Provinzen Luxemburg mit rund 0,34 bezw. Namur mit 0,44 % nachgewiesen

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zum Deutschen Reichs⸗A

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nzeiger und Königlich Preußi

Berlin, Dienstag, den 5. August

No. 187.

Beziehungen des Großen Kurfürsten und König e Fledrias I. zur niederländischen Kunst.

m Anschluß an die im vergangenen Frühjahre hier veranstaltete 8 Kn.- der niederländischen Kunst des 17. Jahr⸗ hunderts giebt der um diese Ausstellung selbst sehr verdiente Custos der Kunstsammlungen in den Königlichen Schlössern Dr. jur. Paul Seidel im neuesten Heft des „Jahrbuchs“ der Museen“) eine ein⸗ gehende Darstellung der Beziehungen des Großen Kurfürsten und König Friedrich's I. zu dieser Kunst. Urheber jener Ausstellung war bekanntlich die erst vor 4 Jahren begründete und seitdem in regem Wachsthum begriffene „Kunstgeschichtliche Gesellschaft“ zur Pflege und Förderung des Interesses für alte Kunst und deren Kennkniß in der Reichshauptstadt. Neben den Dar⸗ leihungen aus Privatbesitz hatte Se. Majestät der Kaiser und König aus den Königlichen Schlössern eine größere Auswahl von Kunstwerken huldvollst zur Verfügung gestellt. Die Perlen des Königlichen Kunstbesitzes waren bereits gelegentlich der ersten Ver⸗ anstaltung dieser Art im Jahre 1883 zur Ausstellung gelangt; bei der diesmaligen Auswahl wurde der Schwerpunkt darauf gelegt, eine Anschauung von der Thätigkeit holländischer Künstler am Berliner Hofe oder für denselben, vornehmlich während der Regierung des Großen Kurfürsten, zu geben, der eine Förderung der Kultur seiner Länder nach den Verheerungen des dreißigjährigen Krieges im An⸗ schluß an die hochentwickelte Blüthe derselben in den Niederlanden bte. 8 G Geschichte der Kunst in der Mark, soweit man überhaupt von einer solchen sprechen kann, ist in ihren Anfängen, d. h. bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts, ausschließlich eine Geschichte der Be⸗ ziehungen, welche die Hohenzollern zu den bildenden Künsten unter⸗ hielten. Auch auf diesem Gebiet haben die beiden Heroen branden⸗ burgisch⸗preußischer Geschichte, der Große Kurfürst und Friedrich der Große, das Fundament gelegt zu der Entwickelung Preußens in heu⸗ tigen Tagen. „In ihren heißen und aufreibenden Kämpfen um die Ehre Brandenburgs und Preußens, in den sorgenvollen Arbeiten um die innere Entwickelung ihrer Länder haben beide Fürsten nie die idealen Güter dieses Lebens aus den Augen verloren, Beiden war nach schwerer Arbeit die Erholung in der Freude an den Gestalten der Kunst und an der künstlerischen Durchbildung ihrer Umgebung Lebensbedürfniß. Der Große Kurfürst war durch Neigung und Er⸗ ziehung auf die niederländische Kunst hingewiesen, Friedrich der Große aus denselben Gründen auf diejenige Frankreichs. Damit stehen Beide auf der Höhe ihrer Zeit als Repräsentanten des 17. und 18. rhunderts.“ 8— Runn den niederländischen Künstlern, welche am Hofe des Großen Kurfürsten thätig waren, gab es freilich keine Kräfte ersten Ranges; dazu fehlte es an ausreichenden Mitteln, denn Brandenburg und der Große Kurfürst hatten noch schwer an den Folgen des dreißigjährigen Krieges zu tragen. Besonders treten die Bildniß⸗ und Stillleben⸗ maler hervor. Friedrich Wilhelm verschenkte sein und der Seinigen Bildnisse, nach den erhaltenen Rechnungen zu schließen, außerordentlich oft, und so sind auch von ihm eine ganze Anzahl von Bildnissen allein in den Schlössern erhalten, mehr als z. B. von Friedrich den. Großen, welcher bekanntlich auf sein Bildniß 5 keinen Werth legte. Die besten dieser Porträts sind von niederländischen Künstlern gemalt, wie Govaert Flinck, Daniel Mytens, Pieter Nason, Adriaen Hanne⸗ man, Willem van Honthorst, Jacob Vaillant u. A.

Die zweite Gruppe von Malern, deren Werke am Hofe des Großen Kurfürsten besonders geschätzt waren, sind die Stillleben⸗, insbesondere die Blumen⸗ und Früchtemaler. Die Königlichen Schlösser enthalten eine ganze Reihe von Arbeiten hervorragender Meister dieser Art, wie Willem Kalf, Juriaen van Streeck, Otto Marseus, van Schrieck, Daniel Seeghers, Jan Weenix u. A. Weniger bekannt sind einige andere niederländische Künstler, welche hauptsächlich in Berlin thätig waren; unter ihnen ist Hendrik de Fromantiou an erster Stelle zu nennen, während Ottomar Elliger d. Aelt. (wenigstens der Schule nach Niederländer) und Willem Frederick van Roye auch noch zu den tüchtigen Vertretern dieser Kunst zu zählen sind. 3

Unter dem Nachfolger Friedrich Wilhelm's, dem Kurfürsten Friedrich III., nachmaligem König Friedrich I., nehmen die Historien⸗ maler einen breiteren Raum ein; sie waren dazu berufen, die Zimmer⸗ und Saaldecken der großen Bauten dieses Fürsten, namentlich der Schlösser in Berlin und Charlottenburg, mit ihren Malereien zu schmücken. Diese Künstler, wie Augustin Terwesten und Peter de Coxcie, denen sich noch aus der Zeit des Großen Kurfürsten ber Rütger van Langerfeld anschließt, sind zu sehr Künstler der Verfalls⸗ zeit und der gfmitsihen Richtung, um mehr als ein lokales Interesse beanspruchen zu können. 1

1b nnc ben niederländischen Bildhauern, welche für den Großen

Kurfürsten thätig waren, vermögen nur Franz Dusart wegen seiner Statue des Großen Kurfürsten im Garten zu Charlottenburg und Bartholomäus Eggers, dessen allerdings nicht gerade hervorragenden Arbeiten sich theilweise noch erhalten haben, unser besonderes Inter⸗ esse zu erregen. 8 1“ 1

Die Liebhaberei des Großen Kurfürsten für die bildenden Künste läßt sich bis in seine früheste Jugend zurückverfolgen. Schon im Dezember 1628 weiß der Hofmeister dem Kurfürsten Georg Wilhelm von dem damals 8 jährigen Kurprinzen aus Küstrin zu melden, daß

derselbe große Lust zum Malen habe und sich darin übe, während es 1 in den anderen Studiis nur langsam vorwärts gehe. Dieser Neigung wurde während eines längeren Aufenthalts in Holland, auf dem

kllassischen Boden der Kunst des 17. Jahrhunderts, neue Nahrung zu

Theil. Der empfängliche Sinn des Kurprinzen hat dort Eindrücke erhalten, welche für sein ganzes Leben maßgebend blieben. Am i 1634 brach der vierzehn Jahre alte Prinz mit Begleitung von Berlin auf und traf am 27. Juli

dem ihm bestimmten Studienort, der Uhiversität Leyden, ein. In Rhenen, nahe bei Leyden, am Hofe seiner Tante, der früheren Königin Elisabeth von Böhmen, Kurfürstin von der Pfalz, fand die Kunst eine liebevolle Pflege. Mehrere Kinder der Königin haben sich später sogar selbst künstlerisch hervorgethan, so Ruprecht von der Pfalz durch schöne Schabkunstblätter, Louise ollandine von der Pfalz, spätere Aebtissin von Maubuisson, als Hellangi Die Prinzen Karl Ludwig (nachmals Kurfürst von der Pfalz) und Ruprecht, damals 17 bezw. 15 Jahre alt, waren die Studiengenossen des Kurprinzen, und mit seinen Vettern zusammen verweilte er wiederholt om Hoflager zu Rhenen. Mit den Mitgliedern des oranischen Fürstenhauses kam Friedrich Wilhelm häufig zusammen, namentlich bei seinen Besuchen im Haag; seine zukünftige Gattin, Louise Henriette, war damals erst 7 Jahre alt. Auch Amsterdam und Nord⸗Holland besuchte der Kurprinz, und erst nach dreijährigem Anufenthalt kehrte er in die Heimath zurück. 1 8 Diesem Aufenthalt in Holland und dem intimen Verkehr mit den hervorragenden Geistern dort verdankt der Große Kurfürst außer manchem Andern auch die ersten nachhaltigen Eindrücke auf dem Gebiet der bildenden Künste, und diese Eindrücke blieben bestimmend für sein ganzes Leben, namentlich nachdem er durch seine Verbindung mit Lonise Henriette von Oranien die Beziehungen zu Holland noch fester geknüpft hatte. Aus Holland kamen die meisten Maler, Bild⸗

*) Jahrbuch der Königlich preußischen Kunstsammlungen, 11. Band, 3. 9 G. Grote’ che Verlagsbuchhe⸗ li SW., Bern⸗

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hauer und Architekten, welche in Berlin thätig gewesen sind, um die in der trüben Zeit des dreißigjährigen Krieges verkommenen Schlösser wieder in Stand zu setzen, oder um die zahlreich verlangten Bildnisse des Kurfürsten und seiner Familie zu malen. Nach holländischem Muster wird der Lustgarten in Berlin eingerichtet, und aus Holland bezieht der Kurfürst zahlreiche Gemälde und Skulpturen zum Schmuck seiner Schlösser.

Ueber das Verfahren, wie der Große Kurfürst Bilder sammelte, ist uns leider wenig überliefert; auch das, was über einen Tausch von Reliquien aus dem alten Schatze des Berliner Domes gegen eine von dem Jesuiten Daniel Seeghers gemalte Madonna im Blumen⸗ kranz in einer Antwerpener Chronik berichtet wird, erscheint wohl nicht hinreichend beglaubigt. Dagegen sind uns mehrfache Beweise dafür erhalten, daß der Kurfürst mit Amsterdamer Kunsthändlern in Verbindung stand. Er hat dabei insofern schlimme Erfahrungen gemacht, als ihn einer von diesen, Gerrit Uylenborch, mit einer ganzen

Anzahl von gefälschten Giorgione's, Tizian’s, Michelangelo's, Holbein's

Raffael's ꝛc. betrog. Es entspann sich darüber ein Prozeß, über dessen für die Geschichte des Kunsthandels sehr interessanten Verlauf das in einer bevorstehenden Publikation von Bredius und Seidel vollständig gesammelte Aktenmaterial alles Nähere enthalten wird. Trotz dieser Täuschungen scheint der Kurfürst auch später noch Bilder in Holland gekauft zu haben; so wurde im Jahre 1675 der Maler Johannes Marinus dorthin gesandt, um mehrere Kisten mit Malereien, welche Friedrich Wilhelm erworben, abzuholen; auch Fromantiou hat viel⸗ fach Bilder für den Kurfürsten erhandeln müssen. Von unserem heutigen Standpunkt aus möchten wir es freilich bedauern, schreibt Seidel, daß der Große Kurfürst bei seinen Ankäufen anstatt sicherer Bilder holländischer Meister so viel mittelmäßige oder gar gefälschte italienische Bilder gekauft hat. 1

Aus den ausführlichen Mittheilungen Seidel's über die hol⸗ ländischen Künstler, welche der Große Kurfürst mit Aufträgen be⸗ dachte oder bei sich als Hofmaler anstellte, sei nur Einiges hervor⸗ gehoben. So erfahren wir, daß Gerard van Honthorst allein im Jahre 1647 8 lebensgroße Bildnisse des Kurfürsten in Lanzer Figur, 8 Brustbilder, 7 Bildnisse der Kurfürstin in ganzer Figur, ein Knie⸗ stück und 25 Brustbilder geliefert hat. In einem Anhange sind einige hierauf bezügliche Dokumente aus dem Geheimen Staatsarchiv im Wortlaut abgedruckt, und zwar eine Rechnung Gerard's van Honthorst für solche Bildnisse, welche besonders auch dadurch inter⸗ essant ist, weil gleichzeitig die Personen bezeichnet sind, für welche dieselben bestimmt waren. Es ist geradezu erstaunlich, wie viele derartige Porträts vom Großen Kurfürsten allein in wenigen Monaten des Jahres 1647 verschenkt wurden. Es handelt sich bei den Beschenkten übrigens nicht nur um Personen hohen Standes, wie die Grafen Moritz und Heinrich von Nassau, von Brederode, von Solms ꝛc., sondern auch einer ganzen Anzahl Personen des niederen Adels und bürgerlichen Standes wurde diese Ehre zu Theil. In demselben Jahre wurde Gerard's jüngerer Bruder Willem zum brandenburgischen Hofmaler ernannt. Seine Bestallung lautet zunächst auf 6 Jahre; es wurden ihm jährlich 1000 Thaler Besoldung, frei Logement und ein seidenes Kleid zu⸗ gesichert. Bis 1664, also 17 Jahre lang, war Willem Honthorst in Berlin thätig und es haben sich von ihm eine ganze Reihe von Bild⸗ nissen in den Schlössern erhalten; mit der Zeit ho ft man namentlich mittels der Photographie die größere Zahl der bisher unbekannten Dargestellten festzustellen. u 4

Unter den zahlreichen anderen holländischen Künstlern, welche Friedrich Wilhelm mit Aufträgen versah, sei noch Pieter Nason genannt, von dem sich ein den Großen Kurfürsten in ganzer Figur im Panzer und mit allen Insignien seiner Würde darstellendes Porträt im Besitz Sr. Majestät des Kaisers und Königs befindet und von Allerhöchstdemselben zur Ausstellung hergeliehen war. Das besonders lebensvolle und glücklich gelungene Bild veranschaulicht eine dem Jahrbuch beigegebene in der Reichsdruckerei hergestellte Heliographie.

Mit dem Tode des Großen Kurfürsten, am 29. April 1688, trat zunächst kein wesentlicher Umschwung in den Beziehungen des Hofes zur niederländischen Kunst ein. Eine Reihe von Künstlern wurde in ihren Bestallungen bestätigt und neue Kräfte aus Holland, besonders dem Haag, herangezogen. Während unter dem Großen Kurfürsten die Porträt⸗ und Stilllebenmaler die Hauptrolle in Berlin spielten, zog sein Nachfolger, seiner großen Vorliebe für prachtvolle Bauten und eine würdige Dekoration derselben folgend, eine andere Gruppe von Künstlern nach Berlin, deren Hauptaufgabe es war, diesem Bedürfniß gerecht zu werden. Aus dem Kreise dieser Künstler, von denen einige schon an der Haager Akademie einen Namen hatten, entsprang auch der Plan, in Berlin eine Kunst⸗ Akademie zu gründen, und Augustin Terwesten wird als derjenige ge⸗ nannt, welcher diesen Gedanken dem Kurfürsten zuerst nahegele t habe, der dann von dem Letzteren auch mit aller Energie zur Ausführung ebracht wurde.

1 Wenn auch unter Kurfürst Friedrich III. noch zahlreiche nieder⸗ ländische Künstler am Berliner Hofe thätig waren, so scheinen sie doch von diesem weniger in ihrer Heimath beschäftigt worden zu sein; auch erfahren wir nichts darüber, daß er, wie sein Vater, Gemälde gesammelt habe. Dagegen wurde durch die sogenannte oranische Erb⸗ schaft der Besitz an niederländischen Bildern außerordentlich vermehrt, die sich zum Theil jetzt im Königlichen Museum befinden.

Nicht unbedeutend ist auch die Zahl der holländischen Bildhauer, welche für und in Berlin thätig waren. Unter dem Großen Kur⸗ fürsten handelte es sich namentlich darum, die Lustgärten in Berlin, Oranienburg und Potsdam mit Statuen und Fontänen⸗Anlagen zu schmücken; namentlich wurde der Berliner Lustgarten aufs Reichste mit Statuen aus Marmor, Stein und Blei ausgestattet. „Der Bildhauer Franz Dusart im Haag wurde 1651 von der Kurfürstin damit beauftragt, die Statue des Großen Kurfürsten in Marmor zu arbeiten, welche dann am Eingang des Berliner Lustgartens Aufstellung fand. Nach der Auflösung des letzteren durch König Friedrich Wilhelm I. wurde die Statue alsdann nach dem Schloßgarten in Charlottenburg gebracht, wo sie, wie schon oben erwähnt, heute noch ein unverdient vergessenes Dasein führt. Die für uns interessantesten Aufträge rühren aber erst aus den letzten Lebensjahren des Großen Kurfürsten her, als es sich darum handelte den Alabastersaal im Schlosse (die jetzt sogenannte Möbelkammer und der Bilderboden im Zwischenbau des Schlosses) mit den Statuen der 11 Kurfürsten zu schmücken. Diese sind von Bartholomäus Eggers ausgeführt, der nach dem Tode des Großen Kur⸗ fürsten noch die Statue Friedrich's III. hinzufügen mußte. Nach dem Bau des neuen Schlosses durch Schlüter und Eosander verlor der Alabastersaal als zu klein seine Bedeutung und die Kurfürstenstatuen wurden nach dem Weißen Saal überführt, wo sie ihren Platz vor den Pfeilern an beiden Schmalseiten erhalten haben. Von Eggers ist auch die jetzt in Sanssouci befindliche Gruppe des Raubes der Pro⸗ serpina. Gtnie Arbeiten erheben sich in ihrer Art nicht über das Niveau der Willem van Hertborf Fromantiou und anderer in Berlin thätigen Holländer, sie haben einen nüchternen, etwas schwülstigen, handwerksmäßigen Charakter, harmoniren aber trefflich mit den Werken der in Berlin thätigen holländischen Architekten. 4

Eine ganz besondere Liebhaberei hatte Friedrich Wilhelm auch in Holland für das chinesische und japanische Porzellan gewonnen und

2. Mengen von solchem sind durch ihn und seinen Sohn riedrich III. zur Ausschmückung der Schlösser nach Berlin hekommen. ie Vermittelung holländischer Kaufleute vertheuerte diese Liebhaberei

Warmbad bei Wolkenstein mit Waldmühle, Hüttenmühle und

„Anzeiger.

1890.

jedenfalls bedeutend, und wir sehen daher, wie die beiden Fürsten sich durch eigene Agenten direkt aus Batavia das beliebte Porzellan

schicken lassen.

In allen Schlössern wurden Porzellan⸗Galerien,

Kammern und Küchen angelegt, aber nur im Charlottenburger vermögen wir noch heute eine Vorstellung von dem Reichthum dieser Einrichtungen zu gewinnen. Der gisßt. Theil dieser gebrechlichen Zierstücke ist freilich in Folge von Vernachlässigung, Plünderung oder veränderter Bestimmung

der Schlösser zu Grunde gegangen.

Daß diese Liebhaberei sich nicht

ausschließlich auf das chinesische und japanische Porzellan beschränkte,

sondern auch das sogenannte Delfter Porzellan, d. h. die

eute so

eschätzten Fayencen in sich schloß, ließ sich bisher nur aus einer geschä 8.n erhaltener Stücke schließen, denn dieses Material ist noch

zerbrechlicher als das chinesische. b allerdings einige von allererstem Range, namentlich die

Unter diesen wenigen Stücken sind

auf der

Ausstellung zu sehen gewesenen großen Stücke von Samuel van Eenhorn und zwei sehr schöne Platten mit Landschaften von F. van Prytom, von denen die vorzüglich gelungenen, dem Jahrbuch bei⸗

gefügten farbigen Faesimilien eine getreue Anschauung geben.

Von großem Interesse ist aber ferner der Nachweis, daß der Große Kurfürst auch auf diesem Gebiet nicht nur als Käufer erscheint, sondern auch als weitsehender Landesvater, welcher bestrebt ist, die Kunst der Fayence⸗Bäckerei in seinen Landen einzubürgern und für die

Allgemeinheit nutzbringend zu machen.

Im Frühjahr 1678 traf ein

vom Großen Kurfürsten „verschriebener Porcellain⸗Macher⸗ Pieter Feenle van der Lee aus Delft in Potsdam ein und formulirte seine

orderungen für die Einrichtung einer Fayence⸗Bäckerei, welche ihm in einem Kontrakt vom 18. Mai 1678 auch bewilligt werden. Das

bezügliche im Geheimen Staatsarchiv zu Berlin Dokument theilt Seidel im Jahrbuch wörtlich mit. über die Arbeiten van der Lee's nichts stoben Umfange ei,

bekannt; kann seine Thätigkeit überhaupt nicht gewesen da er schon 1680 verstarb. Aus verschiedenen Nachrichten geht

aufbewahrte Leider ist

von

aber hervor, daß die Fayence⸗Fabrikation nach seinem Tode nicht auf⸗

gehört hat, wenn wir au

ch uͤber die Namen der Unternehmer nichts

erfahren. Bald nach ihrer Gründung wurde die Fabrik von Potsdam nach Berlin, vor dem Spandauer Thore, verlegt, und von hier kam sie 1683 nach dem alten Salzhause in der Stralauer Straße. Mit Sicherheit lassen sich keine Stücke bezeichnen, die in dieser Zeit in Berlin verfertigt sind. Diejenigen Fayencen, welche wahrscheinlich in Berlin hergestellt und uns erhalten sind, entstammen augenscheinlich

der

Zeit des Kurfürsten Friedrich III., späteren ersten Königs von

Preußen. Auch unter ihm sind es Holländer, welche die Herstellung von Fayencen in Berlin betreiben; im Jahre 1699 nennt sich in

Meisterrechte der sich

um Bewilligung der der

einem Gesuch Cornelius Funck,

zelain⸗Dreher“

ausdrücklich

„Port⸗ als

Holländer bezeichnet. Von ihm rührt neben anderen Fayencen in den Schlössern wahrscheinlich auch jener große Tafelaufsatz her, welcher aus 6 Gefäßen besteht, die strahlenförmig von einem Mittelgefäß ausgehen; derselbe war auf der Ausstellung zu sehen. Im Jahre 1712 hat Funck auch schon sogenanntes rothes Böttger⸗Porzellan her⸗ gestellt und dem König durch Eosander von Göthe einen Aufsatz dar⸗

aus überreichen lassen.

Die vom Großen Kurfürsten ins Leben

gerufene Berliner Fabrikation von Delfter Waare ist sonach offenbar von einigem Umfang gewesen, was auch dadurch bewiesen wird, dc Böttger die Gründung der Dresdner Fabrik namentlich dadur

durchsetzte, daß er erklärte, damit die Berliner Fabrik ruiniren zu

können. Nachdem der Redacteur des „Jahrbuchs“, Rath Robert Dohme, bereits

Geheime Regierungs⸗ in dem Bericht über die im Jahre 1883

veranstaltete Ausstellung von Gemälden älterer Meister in Berliner

Privatbesitz einiges Material zu

einer Geschichte der Kunst⸗

sammlungen des Königlichen Hauses beigebracht und der verstorbene Direktor Friedlaender in der Festschrift zum 50 jährigen Bestehen der Königlichen Museen dasselbe noch vermehrt hat, dürften die von Dr. Paul Seidel mit großem Fleiß zusammengetragenen, im Vor⸗

stehenden nur kurz für eine solche

skizzirten Mittheilungen weiteren schätzbaren Stoff historische Darstellung bieten; und der eben Genannte

gedenkt sie denn auch selbst zu dem angedeuteten Zweck zu verwerthen.

Bäder⸗Statistik.

Aachen bis zum 31. Juli 21 715 Fremde. Alexisbad bis

zum 12. Juli 146 Kurgäste und 348 sonstige Fremde.

Altheide bis zum 24. Juli 111 Kurgäste und 497 Durchreisende. Arendsee bis zum 15. Juli 57 Kurgäste und 163 sonstige Fremde.

Baden⸗Baden bis zum 25. Juli 30 583 Personen.

Ballenstedt bis zum 10. Juli 283 Kurgäste und 160 sonstige Fremde.

Bukowine bis zum 24. Juli 48 Kurgäste.

Charlottenbrunn bis zum 24. Juli 856 Kurgäste und 492 Duͤrch⸗

reisende.

Cudowa bis zum 24. Juli 1512 Kurgäste und 488 Durchreisende.

Elmen bis zum 6. Juni 3093 Kurgäste.

Elster⸗Bad (Vogtland) bis zum 24. Juli 3573 Kurgäste und bis

zum 20. Juli 678 Durchreisende.

Gernrode bis zum 15. Juli 846 Kurgäste und 287 sonstige Fremde.

Goczalkowitz reisende. 8 1

Godesberg bis zum 14. Juli 494 Kurgäste.

Görbersdorf bis zum 24. Juli 800 Kurgäste.

Hamm (Westf.) bis zum 21. Juli 276 ständige un gehende Kurgäste.

Homnef (Rhein) bis zum 22. Juli 2100 Fremde.

lsenburg bis zum 15. Juli 23 Kurgäste und 1216 sonstige Fremde.

(Bad) bis zum 17. Juli 555 Kurgäste und 218 Durch⸗ 1

Königsborn bei Unna bis zum 22. Juli 990 Kurgäste und 530

Passanten.

Königsdorf⸗Jastrzemb, Oberschlesien (Soolbad) bis zum 17. Juli

411 Kurgäste und 414 Erholungsgäste. Kösen (Königl. Soolbad) bis zum 29.

Passanten. 1 8 Landeck bis zum 24. Juli 3570 Kurgäste.

Langenau bis zum 24. Juli 863 Kurgäste und 569 Durchreisende.

Neuenahr (Bad) bis zum 27. Juli 3873 Fremde.

uli 1680 Kurgäste und 880

Oeynhausen (Königl. Bad) bis zum 25. Juli 4830 Kurgäste und

8107 Durchreisende.

1 Bad) bis zum 31. Juli 1779 Familien mit 3153 Kurgästen und öö Scialun mit 2012 Erholungsgästen und Durchreisenden.

1590

Salzbrunn bis zum 24. Juli 2659 Kurgäste und 1642 Durchreisende.

Schierke bis zum 15. Juli 197 Kurgäste. 8 Sooden a. d. Werra bis zum 25. Juli 1001 Kurgäste Stecklenberg bis zum 15. Juli 205 Kurgäste. Suderode bis zum 15. Juli 1923 Kurgäste.

Sylt bis zum 27. Juli 2840 Personen.

Thale (Harz) bis zum 14. Juli 340 Kurgäste und 530 sonstige Fremde.

rhaus

Scharfenstein bis zum 21. Juli 396 Parteien mit 604 Personen,

bezw. 71 Parteien mit 126 Personen, bezw. 38 Part

67 Personen und bezw. 12 3 Wernigerode bis zum 15. Juli 1360 Kurgäste. Wildungen (Pad) bis zum 24. Juli 2694 Kurgäste. Fee. e

nnow

2 bezw. 215 und bezw. 70 Fremde.

arteien mit 21 Personen.

8

bis zum 25. Juli 2146 Kurgäste und Passante

(Ostseebad) mit Karlshagen und Koserow bis 3 m 27. Jult *

n.

8