1890 / 192 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 11 Aug 1890 18:00:01 GMT) scan diff

der im Hafen liegenden deutschen und britischen Schiffe salutirten die deutsche Flagge. Darauf rief der Staatssekretär von Boetticher: „Ihre Majestät die Königin von Großbritannien und Irland, Kaiserin von Indien, lebe hoch, abermals hoch und immer hoch!“ Nachdem das Hoch, in welches alle An⸗ wesenden lebhaft einstimmten, verklungen war, brachte der Gouverneur Barkley in englischer Sprache auf Se. Majestät den deutschen Kaiser ein Hipp, Hipp, Hurrah! aus, welches von der Umgebung mit Begeisterung aufgenommen wurde.

Nachdem dieser offizielle Akt sich innerhalb weniger Minuten vollzogen, ging der Gouverneur in das Haus, um hier die Abschiadsgrüse der helgoländer Einwohner entgegen⸗

unehmen. Bald darauf verließ er, in Begleitung des Staats⸗ sekretürs und gefolgt von der beiderseitigen Umgebung, das Gebäude, um einer Einladung des Staatssekretärs zu einem Mahle im Konversati onshause (im Unterlande) zu folgen. An dem Mahl nahmen etwa 28 Personen Theil: außer den Vorge⸗ nannten die kurz vorher mit dem Passagierdampfer „Friese“ eingetroffenen Herren: der Chef des Militärkabinets General⸗ Lieutenant von Hahnke, und der Chef des Civilkabinets Geheime Kabinets⸗Rath von Lucanus, sowie Offiziere der englischen Marine, des Avisos „Pfeil“ und der Korvette „Victoria“, ferner die Spitzen der helgoländer Behörden und der Pre⸗ diger des Orts. Bei dem Praten erhob sich der Staatssekretär von Boetticher zu etwa folgender Ansprachh’:?: ——

„Man kann streiten, ob das Ereigniß ein weltgeschichtliches ist. Für Helgoland ist es jedenfalls ein Ereigniß von Bedeutung. Es wird der Insel nicht ganz leicht geworden sein, nach so langer segens⸗ reicher britischer Herrschaft dem Gedanken einer neuen Regierung näher zu treten. Aber sie darf mit Vertrauen in die Zukunft blicken. Auf dem Wege freundschaftlicher und friedlicher Einigung hat sich ein Abkommen vollzogen, welches um so erfreulicher ist, als es einen Beweis giebt von dem friedlichen Geist, welcher beide Regierungen beseelt, und weil es uns in dem Vertrauen bestärkt, daß England und Deutschland auch ferner Hand in Hand gehen werden in Freud und Leid zum Wohl und Segen beider Länder. Hoffen wir, daß dieses Gefühl der Freund⸗ schaft und Kameradschaft lichkeit, in welchem sich heute die Uebergabe vollzogen, auch ferner anhalte, und doß England und Deutschland sich nicht trennen werden. Gott gebe, daß die Weisheit Ihrer Majestät der Königin von Großbritannien und Irland, welche bisher Ihre Regierung gelenkt, auch fernerbin noch lange walte zum Segen Ihres Landes. Möge Ihrer Majestät Leben und Gesundheit noch lange er⸗ halten bleiben!“

In das Hoch auf die Königin Victoria stimmte die Fest⸗ versammlung dreimal lebhaft ein und hörte stehend die Nationalhymne an.

In englischer Sprache erwiderte der Gouverneur Mr. Barkley, indem er den gleichen Gefühlen der Freundschaft und Kameradschaft und dem Wunsche Ausdruck gab, daß Eng⸗ land und Deutschland stets Schulter an Schulter und Hand in Hand miteinander gehen mögen. Die Ansprache endigte mit einem Hoch auf Se. Majestät den Kaiser Wilhelm, in welches die Versammelten begeistert einfielen.

Ein Helgoländer, Hr. Reichels, gab darauf den Gefühlen seiner Landesgenossen Ausdruck, indem er einerseits darauf hinwies, daß sich Helgoland stets unter der milden Regierung Ihrer Majestät wohl bef unden, und anderseits den Wunsch äußerte, daß der jetzige Herrscher es nicht übel nehmen werde, wenn Helgoland mit traurigem Herzen Ab⸗ schied von der Königin nehme. Aber mit demselben treuen Herzen und mit demselben Vertrauen komme Helgoland dem Enkel Ihrer Majestät entgegen, Hessohn⸗ bleibe gewisser⸗ maßen in derselben Familie. Im Namen rufe er dem neuen Herrscher zu: Gott segne Se. Majestät den Kaiser Wilhelm!

Zum Schluß richtete der Staatssekretär von Boetticher noch einige Worte herzlichen Abschieds an den scheidenden Gouverneur, der so viel Gutes in Helgoland gewollt und geschaffen, von welchem wir nunmehr den Nutzen ziehen würden. Im Namen der Nachfolger dankte der Minister dem Gouverneur, wie er auch damit seinen persönlichen Dank ver⸗ band dafür, daß er ihn nicht nur ehrenvoll, sondern herzlich und fre undlich empfangen. Wie der Gouverneur sicherlich niemals Helgoland vergessen werde, so würden auch die Helgoländer ihn nicht vergessen, und die deutsche Ver⸗ waltung werde ihm dankbar bleiben für das, was er hinter⸗ lassen habe. Mit einem Hoch auf den Gouverneur schloß die Ansprache, welche Mr. Barkly mit einigen Worten des Dankes in deutscher Sprache erwiderte.

Nach dem Kaffee geleitete der Staatssekretär mit Um⸗ gebung den Gouverneur zur Landungsstelle. Vor dem Kon⸗ versationshause hatte inzwischen, als ein Zeichen der neuen Machtverhältnisse, sich ein Detachement deutscher Matrosen vom „Pfeil“ postirt, welches nunmehr an die Spitze des Zuges trat, der den Gouverneur zur Landungsstelle geleitete. Von Abschiedsrufen begrüßt, bestieg dieser das Boot, welches ihn nach der „Calypso“ brachte. Von 17 Schüssen der deutschen und britischen Schiffe salutirt, ging der Gouverneur an Bord des Kriegsschiffs, das alsbald den Hafen verließ, um ihn nach England überzuführen.

Die ganze Festlichkeit hecc⸗ sich bei prächtigem Wetter vollzogen. Allent halben offenbarte sich freudige Festesstimmung und noch lange blieben die eingeborenen wie die der⸗ zeitigen Bewohner Helgolands beisammen, um des ge⸗ schichtlichen Ereignises und der am folgenden Tage (Sonntag) in Erwartung stehenden Ankunst Sr. Ma⸗ jestät des Kaisers und Königs in angemessener Weise zu gedenken. Bis spät Abends blieben beide Flaggen vor dem Gouvernementshause gehißt; sie wurden alsdann beide gleichzeitig heruntergelassen. Am nächsten Morgen am Sonntag stieg als Zeichen der neuen Machtverhältnisse an dem Mast allein die deutsche Flagge empor.

Am Abend des Sonnabend, in der Nacht zum Sonntag und in den frühen Morgenstunden des Tages wurde die Straße, welche Se. Majestät von der Landungsbrücke bis zum Gouvernementshause passiren sollte, mit Guirlanden und Blätterschmuck einem in Helgoland seltenen Gegenstande, der erst von Hamburg importirt werden mußte aus⸗ geschmückt. Die Landungsbrücke war zu beiden Seiten über Nacht mit deutschen und helgoländer Farben aus⸗ geschlagen, zur Seite der Brücke war eine Tribüne errichtet, welche mit Zuschauern dicht besetzt wurde; am Ende der Brücke von Guirlanden getragen hing über dem Wege ein Schild, welches die Worte trug: „Helgoland grüßt Dich, Kaiser.’“ In dem Ort dominirten die deutschen Farben, kein Haus blieb ohne Flaggenschmuck, das Geländer der großen vom Unterland zum Oberland führenden Treppen war voll⸗ ständig mit Guirlanden bekleidet. Eine starke Brise aus Ost hatte das Wasser in Bewegung gesetzt, ein klarer heller Himmel breitete sich über die Insel und das unermeß⸗ liche Meer aus. Da lagen die inzwischen eingetroffenen deut⸗

chen Kriegsschiffe der Manöverflotte unter Admiral Deinhardt

auf der Rhede, und schon in früher Stunde wurden die Mann⸗ ausgeschifft, um den Allerhöchsten Kriegsherrn zu be⸗

een. Etwa 1000 Marinesoldaten und Matrosen zogen nach dem llbenn hinter dem Gouvernementshause, wo der Feldgottes⸗ dienst und die Parade vor Sr. Majestät stattfinden sollte, sechs Geschütze wurden auf dem Rande nach Westen zu auf⸗ postirt, um der Nacht Sr. Majestät Salut zuzufeuern.

In dem Ort wurden die Bewohner durch Straßenanschlag von dem Besitzwechsel in Kenntniß gesetzt. Die (in Nr. 191 . 8 u. St.⸗A.“ amtlich veröffentlichten) Urkunden hierüber auten:

Auf Ihren Vortrag bestimme Ich, daß bis zur ver⸗ fassungsmäßigen Regelung der Verhältnisse Helgolands im Wege der Reichsgesetzgebung die Regierung der Insel in Mei⸗ nem Namen, auf Grund der dort bestehenden Gesetzgebung und unter Schonung der vorhandenen Verwaltungs⸗ Organisation, durch den Reichskanzler geführt werden soll.

An Bord Meiner Yacht „Hohenzollern“, den 9. August 1890.

Wilhelm J. R. von Caprivi.

An den Reichskanzler. 8

Bekanntmachung.

Auf Grund vorstehenden Allerhöchsten Erlasses ist die Ver⸗ waltung der Insel Helgoland und ihrer Zubehörungen unter meiner Oberleitung einem Seeoffizier, welcher in dieser Eigenschaft den Titel „Gouverneur von Helgoland“ führt, und einem Civilbeamten, welchem der Titel „Kaiserlicher Kommissar für Helgoland“ beigelegt wird, übertragen.

Der Geschäftskreis des Gouverneurs und des Kaiserlichen Kom⸗ missars ist dahin abgegrenzt, daß dem Gouverneur die Verwaltung des Hafens, einschließlich der Hafenpolizei, die Verwaltung des See⸗ zeichen⸗ und Leuchtfeuerwesens sowie aller sonstigen technischen See⸗ sachen, dem Kaiserlichen Kommissar dagegen die übrige Civil⸗ verwaltung, insbesondere die Verwaltung der Kommunal⸗, Polizei⸗, Kirchen⸗, Schul⸗, Domänen⸗, Steuer⸗ und Zollsachen, die Verwaltung der Seebadeanstalt, sowie endlich die Rechtspflege obliegt.

Die Verwaltung wird ebenso wie die Rechtspflege bis auf Weiteres nach den zur Zeit auf Helgoland geltenden Rechtsnormen im Namen Sr. Majestät des Kaisers geführt.

Die bisherige Zuständigkeit der Behörden bleibt im Uebrigen unverändert.

Mit Wahrnehmung des Amts des Gouverneurs ist bis auf Weiteres der Kapitän zur See Geiseler, mit Wahrnehmung des Amts des Kaiserlichen Kommissar i Wermuth beauftragt.

Berlin, den 9. August 1890.

Der Reichskanzler. von Caprivi.

Weiter war folgende „Ordnung der feierlichen Besitz⸗ ergreifung der Insel Helgoland durch Se. Majestät den Deutschen Kaiser, König Wilhelm von Preußen am 10. 851 1890“ angeschlagen:

1) Se. Majestät der Kaiser werden am Landungsplatz von dem mit der Uebernahme der Insel Allerhöchst beauftragten Stellvertreter des Reichskanzlers, Vize⸗Präsidenten des Königlich preußischen Staats⸗ Ministeriums Dr. von Boetticher, von den Behörden und von Ver⸗ tretern der Gemeinde Helgolands empfangen werden.

2) Se. Majestät der Kaiser geruhen, Sich auf den für die Feier bestimmten Platz zu begeben, auf welchem Marine⸗Truppen aufgestellt und die Mitglieder der Gemeinde versammelt sein werden.

3) Bei dem Herannaben Sr. Majestät des Kaisers werden Aller⸗ höchstdieselben von den Marine⸗Truppen mit präsentirtem Gewehr und Präsentirmarsch begrüßt.

8- Sobald Se. Majestät der Kaiser auf dem Festplatz angelangt sind, beginnt der Feldgottesdienst. 1 1

5) Nach eingeholter Allerhöchster Genehmigung verliest der Staats⸗Minister Dr. von Boetticher die von Sr. Majestät an die Einwohner von Helgoland gerichtete Proklamation. 8

6) Bei Verlesung derjenigen Worte, mit welchen Se. Majestät der Kaiser Besitz von der Insel ergreifen, wird die deutsche Kriegs⸗ flagge und Kaiserstandarte gehißt und von der auf der Rhede ankernden Flotte salutirt. 1 1

7) Der Stellvertreter des Reichskanzlers brinat ein Hoch auf Se. Wajestät den Kaiser aus, und das Marine⸗Musikcorps spielt das Lied „Heil Dir im Siegerkranz“.

Helgoland, den 9. August 1890

Miit Bezug auf das vorstehende Programm wird den Ein⸗ wohnern hiermit bekannt gegeben, daß die Ausschiffung der Truppen morgen mit dem Frühesten beginnen wird. Die Bevölkerung wird ersucht, im Interesse der Sache die Hauptstraße des Unterlandes, die Treppe, sowie den Weg auf dem Oberlande zum Festplatz derart frei zu halten, daß die Truppen auf ihrem Wege nicht behindert werden und der Einzug Sr. Majestät ohne Hemm⸗ nisse vor sich geht. Desgleichen werden alle Besitzer von Booten ersucht, ihre Fahrzeuge an solche Stellen zu schaffen, wo sie das Herannahen des Kaiserlichen Bootes an die Landungsbrücke nicht beeinträchtigen und wo sie dazu beitragen können, dem Strande ein würdiges Aussehen zu rerleihen. Der Verkehr nach der Düne wird, statt von der Landungsbrücke, bei dieser Gelegenheit von einer passen⸗ den Stelle des Strandes aus zu erfolgen haben.

Geiseler. Wermuth.

Als die Stunde der Ankunft Sr. Majestät herannahte, hatte sich eine dichte Menschenmenge vor der Landungsbrücke und in den nach dem Oberland führenden Straßen ver⸗ sammelt; etwa 30 Kriegsschiffe lagen rings um die Insel her. Um 10. h 10 Minnuten nahte die „Hohenzollern“, von der „Irene“ (Kommandant Prinz Heinrich, Königliche Hoheit) gefolgt und mit Salutschüssen der Flotte und der Strand⸗ batterie begrüßt. Auf der Landungsbrücke hatten sich die Spitzen der Reichs⸗ und Staatsbehörden, die helgoländer Schulkinder und 15 helgoländer junge Damen in National⸗ tracht und mit deutschen Fahnen, sowie eine Compagnie des 2. See⸗Bataillons mit Musik aufgestellt. Um 11 Uhr 45 Minuten verkündete das Hurrahrufen der Be⸗ satzungen der Kriegsschiffe, daß Se. Majestät in einem Ruder⸗ boot mit der Kaiser⸗Standarte aus dem Nordhafen an die Landungsstelle fuhr. Als der Kaiser, Allerhöchstwelcher Admirals⸗Uniform trug, in Begleitung des Prinzen Heinrich an Land gestiegen war, wurden Ihn. die Notabeln von Helgoland vorgestellt, denen Allerhöchstderselbe, jedem einzeln, die Hand reichte. Als Se. Majestät, gefolgt vom Staatssekretär von Boetticher, dem Vize⸗Admiral Freiherrn von der Goltz, dem Vize⸗Admiral Deinhard, den Chefs des Militär⸗ und Civilkabinets, dem General⸗Lieutenant von Wittich, dem Staatssekretär Hollmann und den übrigen Offizieren und Beamten, die mit einem Teppich belegte Brücke entlang schritt, trat

2

F.

Fräulein Hufe an der Spitze der E Een. 8 den Wunsch aus⸗

um Allerhöchstdenselben mit einem dem Kaiser ein Willkommen zurief und den 2 drückte, daß Helgoland das „schönste Juwel in Wilhelm's Krone sein möge. Se. Majestät erwiderte, daß Er zwar nicht in Poesie antworten könne, aber herzlich für die Begrüßung danke. Unter dem Hurrahruf der spalierbildenden Menge setzte Se. Majestät den Weg weiter durch die Straßen des Orts und die Treppe hinauf fort, nachdem sich die Compagnie des See⸗ Bataillons mit der Musik dem Zuge angeschlossen hatte. Auf dem Platze angelangt, formirten fich die Landungs⸗Corps des vereinigten Manöver⸗ und Uebungs⸗Geschwaders und das 2. See⸗Bataillon im Carré zum Feld⸗Gottesdienst. Eine zahllose Menschenmenge 1— Marine⸗Oberpfarrer Langheld hielt die Dank⸗ und Festpredigt.

Nach Beendigung derselben wurden die Kaiser⸗Standarte und 38 die Marine⸗Flagge, von dem Salut der Geschütze begrüßt,

gehißt und Staatssekretär von Boetticher trat hervor, um die (im amtlichen Theil der heutigen Nummer d. Bl. ver⸗ öffentlichte) Proklamation an die Einwohner Helgolands zu verlesen. Alsdann ergriff Se. Majestät das Wort zu etwa folgender Ansprache: 8

Kameraden der Marine! Vier Tage sind es her, daß wir den denkwürdigen Tag der Schlacht von Wörth feierten, an dem unter Meinem Hochseligen Großvater von Meinem Herrn Vater der erste Hammerschlag zur Errichtung des neuen Deutschen Reichs geführt wurde. Heute, nach 20 Jahren verleibe Ich diese Insel als das letzte Stück deutscher Erde dem deutschen Vaterlande wieder ein, ohne Kampf und ohne Blut. Das Eiland ist dazu berufen, ein Boll⸗ werk zur See zu werden, den deutschen Fischern ein Schutz, ein Stützpunkt für Meine Kriegsschiffe, ein Hort und Schutz für das deutsche Meer gegen jeden Feind, dem es einfallen sollte, auf dem⸗ selben sich zu zeigen. Ich ergreife hiermit Besitz von diesem Lande, dessen Bewohner Ich begrüßt habe, und befehle zum Zeichen dessen, daß Meine Standarte und daneben die Meiner Marine gehißt werde.

Unter dem Salut der Inselbatterie und sämmtlicher Schiffe wurde der Befehl Sr. Majestät vollzogen. Darauf formirten sich die Landungs⸗Corps und das 2. See⸗Bataillon unter Contre⸗Admiral Schröder zum Parademarsch, welcher vor Sr. Majestät in exakter Weise ausgeführt wurde. Unter dem Hurrahrufen der Menge begab sich Se. Majestät alsdann nach dem Gouvernementshause, wo Allerhöchstderselbe den Spitzen der Reichs⸗ und Amts⸗ behörden, den Helgoländern und den höheren Marine⸗ Offizieren, welche in Parade gestanden hatten, in den unteren Räumen um 1 ½ Uhr eine Frühstückstafel von einigen 70 Ge⸗ decken gab. Vorher hatte eine Compagnie des See⸗Bataillons die Fahne in das Haus gebracht und die Wache be⸗ zogen. Während des Frühstücks musizirte auf dem freien Platz die Marinemusik. An der Tafel saßen zur Rechten Sr. Majestät der kommandirende Admiral Freiherr von der Goltz, Se. Königliche Hoheit der Prinz Heinrich, Staatssekretär Holl⸗ mann, Marine⸗Ober⸗Pfarrer Langheld; zur Linken des Kaisers Vize⸗Admiral Deinhard, General⸗Lieutenant von Hahnke, Ge⸗ SSns. Kabinets⸗Rath von Lucanus, General⸗Lieutenant von

ittich; Sr. Majestät gegenüber: Staatssekretär von Boetticher, diesem zur Rechten der neue Gouverneur, Kapitän zur See Geiseler, Gouvernements⸗Sekretär Gaetke, Contre⸗Admiral Schroeder, Pastor Schroeder; zur Linken der Reichs⸗Kommissar Wermuth, Contre⸗Admiral Karcher und zwei Helgoländer, Reimers und Michels. 8

Während der Tafel erhob sich Se. Majestät zu etwa folgender Ansprache:

Das schöne Eiland sei ohne Kampf, ohne daß eine Thräne ge⸗ flossen, in Seinen Besitz übergegangen. Die vielen Depeschen, welche Er heute aus dem Mutterlande erhalten, bezeugten die Sympathie mit dem neuen Erwerb. Er wolle gerade auf die Art und Weise hinweisen, wie Helgoland wieder gewonnen. Er sei stolz darauf, daß dies im Frieden geschehen. Als er im Jahre 1873 zum letzten Mal hier gewesen, habe Er sich gesagt, Er werde glücklich sein, wenn Er es erleben könnte, daß die Insel wieder deutsch werde. Jetzt habin wir die Insel erworben durch Vertrag aus dem freien Willen der Regierung und der gesetz⸗ gebenden Faktoren eines stammverwandten Landes; es liege Ihm dah am Herzen, ein Glas der hohen Frau zu widmen, der wir es zu ver⸗ danken haben, daß die Insel wieder deutsch sei; mit weitschauendem Blick, mit hoher Weisheit regiere die Königin Ihr Land und Sie lege Werth darauf, mit Ihm und Seinem Volke in Freundschaft zu leben Sie schätze deutsche Offiziere, deutsche Töne in Melodien. Hoch lebe die Königin von England!

Nachdem die Gäste Sr. Majestät dreimal in das Hoch eingestimmt, gab der Staatssekretär von Boetticher den Gefühlen der Treue, der Ehrfurcht, des Gehorsams und des vollen Vertrauens Ausdruck, welche die Einwohner Helgolands den Kaiser entgegenbrächten, und bat Se. Majestät, im Namen Helgolands dem Kaiser huldigen zu dürfen. Ein brausendes Hoch auf Se. Majestät folgte. 8 8—

Gegen 3 Uhr hob Se. Majestät die Tafel auf und geruhte, in dem Vorgarten noch einige Vorstellungen entgegenzunehmen, während den Gästen im Freien Kaffee und Cigarren gereicht wurden. Darauf verließ S Majestät das Haus, machte Ihrer Königlichen Hoheit der Großherzogin von Sachsen⸗Weimar einen 6 und war etwa um 3 ½ Uhr, von neuen brausender Hurrahs empfangen, wieder an der Landungsstelle. Hier ge

ruhte Se. Majestät dem S Hufe noch einmal zu

danken und eine kostbare Broche mit der Krone und de Kaiserlichen Namenszug in Brillanten überreichen zu lassen Unter brausendem bestieg Se. Majestät das Boot, welches Allerhöchstdenselben zur „Hohenzollern“ brachte. Un 4 ½ Uhr lichtete die Nacht die Anker, um unter Geschützsalu ven neuen Beherrscher von Helgoland nach Wilhelmshaven zu ühren.

Abends wurde am Landungsplatz ein Feuerwerk abge brannt, die Kriegsschiffe beleuchteten mittels Scheinwerfers di

elten ist ein Fest in so ungetrübter harmonischer Weise

verlaufen wie das der Uebergabe und der feierlichen Ein⸗ weihung Helgolands durch Se. Majestät den Kaiser.

Fast sämmtliche heutigen Londoner Morgenblätter besprechen, wie „W. T. B.“ meldet, die förmliche Uebergabe E1“ an Deutschland und bezeichnen dieselbe als Schlußakt des englisch⸗deutschen Abkommens, durch welches das freundschaftliche Verhältniß zwischen den stammverwandten

8 Nationen aufs Neue Telegraph“ erklärt:

zwischen Allerhöchstdemselben hätten es für England um so leichter gemacht, die Ueber⸗

ernste Meinungsverschiedenheiten stehen könnten. getreten, aber es sei nur natürlich, daß es Schulter an

umgab das Carré, un 5 Schulter mit jenen Mächten stehe.

Krück in Bayreuth, 15) den Königlichen

befestigt worden sei. „Daily 2 Der Besuch Sr. Majestät des Kaisers und die augenscheinlich glücklichen Beziehungen und dem englischen Hofe tragung der Insel mit Gleichmuth zu betrachten. Der „Standard“ hofft und erwartet, der Schlußakt des englisch⸗ deutschen Abkommens werde die verwandtschaftlichen Gefühle der beiden Völker dauernd befestigen; es sei jetzt keine einzige Frage, ob groß oder klein, vorhanden, Betreffs welcher zwischen ihnen ent⸗ England sei dem Dreibunde nicht bei⸗ welche, kein Hehl aus ihrer Politik machend, England bewiesen, daß sie nichts anstrebten,

was unverträglich mit der Aufrechthaltung des europäischen

Friedens sei. England müsse seine Sympathien denen zu⸗

wenden, welche die Erhaltung des Friedens wünschen; das sei das Hauptband, welches England mit Deutschland und dessen Blundesgenossen verknüpfe.

1

Der Minister für Landwirthschaft ꝛc. hat die sämmtlichen

1 Königlichen Regierungen mittels Reskripts vom 6. August

d. J. veranlaßt, binnen 8 Wochen anzuzeigen, ob und in welchem

Umfange die „Nonne“ in ihren Bezirken in Gefahr drohen⸗

der Menge aufgetreten ist. In dem zu erstattenden Bericht ollen auch die nicht im Besitz des Staats befindlichen aldungen berücksichtigt werden.

Der General⸗Feldmarschall Graf von Blumenthal, General⸗Inspecteur der 4. Armee⸗Inspektion und Chef des

Reitenden Feldjäger⸗Corps, ist auf einige Tage von Quellen⸗ dorf bei Cöthen hier eingetroffen.

Der Chef des Generalstabes der Armee, General der Kavallerie, General⸗Adjutant Sr. Majestät des Kaisers und

Königs Graf von Waldersee ist vom Ürlaub hierher zurück⸗

gekehrt, desgleichen der General⸗Lieutenant Stockmarr, Direktor des Militär⸗Oekonomie⸗Departements im Kriegs⸗

Ministerium, und Se. Durchlaucht der Prinz Albert zu Sachsen⸗Altenburg, General⸗Major und Commandeur der 3. Garde⸗Kavallerie⸗Brigade.

Der General⸗Lieutenant Graf von Schlieffen, General

à la suite Sr. Majestät des Kaisers und Königs und Kom⸗

mandant von Berlin, ist vom Urlaub hier eingetroffen und hat die Geschäfte der Kommandantur wieder übernommen.

Der Inspecteur der 2. Kavallerie⸗Inspektion, General⸗

Lieutenant von Rosenberg hat sich in dienstlichen An⸗ gelegenheiten nach Hannover begeben.

Se. Hoheit der Erbprinz von Sachsen⸗Meiningen,

General⸗Major und Commandeur der 4. Garde⸗Infanterie⸗ Brigade, ist von der Dienstreise nach Koblenz hierh er zurück⸗

gekehrt.

Der Senats⸗Präsident des Ober⸗Verwaltungsgerichts Wirkliche Geheime Ober⸗Regierungs⸗Rath Jebens hat sich

nach Helgoland begeben.

Zur Theilnahme an der morgigen Herbst⸗Parade

trafen heute der Stab der 1. Garde⸗Infanterie⸗Brigade, das

1. Garde⸗Regiment 8 F., das Garde⸗Jäger⸗Bataillon und das Lehr⸗Infanterie⸗ ataillon von Potsdam hier ein. 2

Bayern.

München, 9. August. Se. Königliche Hoheit der

Prinz⸗Regent hat, wie die „Allg. Ztg.“ mittheilt, u. d.

1. August 1890 auf die Dauer der nächsten drei Jahre vom 16. d. M. an zu Mitgliedern des Eisenbahnraths

die folgenden Personen ernannt:

1) den erblichen Reichsrath der Krone Bayern, Georg Benedikt Ritter von Poschinger in Oberfrauenau, 2) den Königlichen Kämmerer und Gutsbesitzer Max Freiherr von Soden⸗Fraunhofen in Neufraun⸗ hofen, 3) den Gutsbesitzer Dr. Franz Schenk Freiherrn von Stauffen⸗ berg in Rißtissen, 4) den General⸗Sekretär des landwirthschaftlichen Vereins, Königlichen Professor Otto May in München, 5) den Königlichen Kommerzien⸗Rath Bankier Johann Karl Weidert in München, 6) den Königlichen Kommerzien⸗Ratb, Eisenhandlungs⸗ und Eisengießereibesitzer Max Kustermann in München, 7) den Gutsbesitzer Freiherrn von Cetto zu Schloß Reichertsbausen, 8) den Kaufmann J. B. Korntheur in Passau, 9) den Kaufmann Karl Wagner in Passau, 10) den Privatier August Urban in Vilsbi⸗ burg, 11) den Königlichen Kommerzien⸗Rath, Gutsbesitzer und Groß⸗ händler Georg Neuffer in Regensburg, 12) den Königlichen Kommer⸗ zien⸗Rath, Großhändler Paul Joseph Laux in Regensburg, 13) den Fürstlic Thurn und Domänenpächter, Oekonomie, Rath

riedrich Kirchner in Karthaus⸗Prüll, 14) den Kaufmann Jakob 1 ommerzien⸗Rath, Kauf⸗ mann Friedrich Lob in Bamberg, 16) den Gutsbesitzer, württem⸗ bergischen Hofrath Franz Rother in Bagyreuth, 17) den Groß⸗ händler Wilhelm Merck in Nürnberg, 18) den Großhändler Eduard Ley in Fürth, 19) den Domänenpächter, Oekonomie⸗ Rath Franz Rhodius in Karlshof, 20) den Königlichen Kommer⸗ zien⸗Ratb, Tabackfabrikant Burkard Then in Würzburg, 21) den

Kunstmühlbesitzer German Raab in Schweinfurt, 22) den Guts⸗

besitzer Georg Heil in Tückelhausen, 23) den Pribatier Louis

Wagenseil in Augsburg, 24) den Königlichen Justiz⸗Rath, Königlichen

Advokaten und Handelskammer⸗Sekretär Andreas Hartmann in Augs⸗ burg, 25) den Gutsbesitzer Freiherr von Welser in Ramhof.

Die Ernennung der acht Regierungs⸗Räthe für die Kreisanstalten der Invaliditäts⸗ und Alters⸗ versicherung wird im letzten Drittel dieses Monats erfolgen, ebenso die eines pragmatischen Beamten und eines Funktionärs, welche sich durch die Vereinigung der Brandversicherungs⸗ Anstalt der Pfalz mit der des diesrheinischen Bayern als nothwendig been haben.

In Kissingen ist heute Mittag der Herzog von Edinburg zum Kurgebrauch eingetroffen.

Sachsen.

Dresden, 9. August. (Dresd. Journ.) Ihre Königlichen Hoheiten die P rinzen Johann Georg und Max sind aus Anlaß der Universitätsferien am Donnerstag Abend von Leipzig

in Hosterwitz eingetroffen.

Baden. Knarlsruhe, 9. August. Herhh stern Nachmittag unter⸗ nahmen, wie die „Karlsr. Ztg.“ meldet, die Großherzoglichen Herrschaften mit Höchstihren Gästen eine Dampfschiffahrt auf den Ueberlinger See, nach welcher Ihre Durchlaucht die

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Prinzessin Amslie zu Fürstenberg nach Schloß Heiligenberg zurückkehrte; auch Ihre Kaiserliche Hoheit die Prinzessin Wilhelm trat mit einem späteren Kursschiff

die Heimfahrt an. Gestern Vormittag verließ Se. Königliche

Hoheit der Kronprinz von Dänemark Schloß Mainau; Se. Königliche een der Großherzog führte den Kron⸗ prinzen nach Konstanz zum Hafen, wo Höchstderselbe das Kursschiff „Kaiser Wilhelm“ bestieg und nach 11 Uhr die Fahrt nach Lindau antrat, um von da zunächst nach München se reisen. Der Großherzog besuchte darnach noch die Kunst⸗ ammlungen im Wessenberg⸗Hause und kehrte dann nach der Mainau zurück. Ihre Königlichen Hoheiten der Kronprinz und die Kronprinzessin von Schweden und Nor⸗ wegen besuchten gestern Nachmittag mit Sonderboot Se. Großherzogliche Hoheit den Prinzen und Ihre Kaiserliche Hoheit die Prinzessin Wilhelm in Schloß Kirchberg. Der Graf und die Gräfin Waldersee begaben sich vor⸗ gestern Abend nach Konstanz und traten von dort gestern früh die Rückreise nach Berlin an.

Se. Königliche Hoheit der Erbgroßherzog ist gestern Abend 7 Uhr von Konstanz nach Freiburg zurückgereist, von wo Höchstderselbe demnächst zu den Regiments⸗ und Brigade⸗ Uebungen in die Seegegend zurückkehren wird. Ihre König⸗ lichen Hoheiten der Kronprinz und die Kronprinzessin von Schweden und Norwegen werden morgen mit Höchstihren drei Söhnen Schloß Mainau verlassen und zu längerem Aufenthalt nach Schloß Heiligenberg zu Sr. Durchlaucht den Fürsten zu Fürstenberg übersiedeln. Der 2 kann nur einen Tag dort verbleiben und kehrt dann über Schloß Mainau und Konstanz nach Schweden zurück. Höchstderselbe wird vor der Abreise noch auf der Mainau übernachten.

Der Kaiser von Brasilien ist mit Familie und Gefolge heute Nachmittag zu längerem Aufenhalt in Baden eingetroffen. G ““

Sachsen⸗Coburg⸗Gotha.

Coburg, 10. August. (W. T. B.) Ihre Königliche Hoheit die Herzogin von Edinburg ist mit Ihren Königlichen Hoheiten dem Prinzen Alfred und den Prinzessinnen⸗Töchtern aus England zu längerem Auf⸗ enthalt hier eingetroffen.

Schwarzburg⸗Sondershausen

Gehren, 9. August. (Schwzb. Rud. Lds.⸗Ztg.) Ihre Königlichen Hoheiten der Erbgroßherzog und die Erb⸗ großherzogin von Mecklenburg⸗Strelitz und die Prinzessin Jutta sind zum Besuche der Fürstlich schwarz⸗ burg⸗sondershausenschen Herrschaften auf hiesigem Schlosse eingetroffen. 1

Elsaß⸗Lothringen. Stzasenag, 10. August. (W. T. B.) Der Bischof von Straßburg Dr. Stumpf ist heute Abend nach längerem Leiden gestorben.

8 Oesterreich⸗Ungarn.

Wien, 10. August. Ihre Kaiserliche und Königliche Hoheit die Kronprinzessin⸗Wittwe Stephanie hat, wie die „Wiener Ztg.“ meldet, gestern Abend Innsbruck ver⸗ lassen und die Rückreise nach Wien angetreten.

Der preußische Kriegs⸗Minister General von Verdy du Vernois hat nach beendigter Kur Gastein wieder verlassen und sich, wie „W. T. B.“ meldet, nach Alt⸗Aussee begeben.

Mittels Erlasses des ungarischen Unterrichts⸗ Ministers ist, dem „Prag. Abdbl.“ zufolge, das Kol⸗ legiengeld an der Budapester Universität ab⸗

eschafft und hierfür ein Unterrichtsgeld von 30 Fl. ür ein Semester eingeführt worden; die Professoren⸗ gehalte werden erhöht.

Nach dem Ausweis der ungarischen Staatskasse betrugen die Gesammteinnahmen im 2. Quartal 83 084 729 Fl. oder 6 848 314 Fl. mehr als im 2. Quartal 1889, die Gesammtausgaben 84 094 700 Fl. oder 536 717 Fl. weniger als in dem entsprechenden Zeitraum des Vorjahres. Die Bilanz stellt sich somit um 7 385 031 Fl. günstiger.

Großbritannien und Irland.

London, 9. August. (A. C.) Der Herzog von Edinburg hat den Deutschen Kaiser ersucht, Patron des Königlichen Seemanns⸗Heims in Portsmouth zu werden. Der Kaiser willfahrte als Admiral der britischen Flotte diesem Ansuchen gern, zumal das Heim seit so vielen Jahren nicht allein erkrankten britischen, sondern auch aus⸗ ländischen Seeleuten seine gastlichen Thore geöffnet hat.

Den bisherigen Bestimmungen zufolge wird das Par⸗ lament am 20. November wieder eröffnet werden.

Italien.

Rom, 11. August. (W. T. B.) Das definitive Er⸗ gebniß der gestern stattgefundenen Deputirtenwahl stellt sich folgendermaßen: waren 29 397 Wähler. Graf Antonelli erhielt 5362, Barzilai 4519 Stimmen.

Schweiz.

Bern, 8. August. (St.⸗A. f. W.) Wegen des Delagoa⸗ Bai⸗Eisenbahn⸗Konflikts, in welchem die Schweiz als Schiedsrichter angerufen ist, hat die erste Konferenz zwischen dem BundesPräsidenten Ruchonnet und den Gesandten von Portugal, den Vereinigten Staaten und England stattgefunden.

Belgien.

Brüssel, 10. August. (W. T. B.) Zu der heute hierselbst veranstalteten großen sozialistischen Mani⸗ festation zu Gunsten des allgemeinen Stimmrechts brachten zahlreiche Extrazüge aus der Provinz eine bedeutende Anzahl von Theilnehmern; im Ganzen wird ihre Zahl auf 40 000 geschätzt. Die Garnison war in den Kasernen kon⸗ signirt, Polizei und Gendarmen waren in Bereitschaft, und die Ordnung wurde überall aufrecht erhalten. Um 1 ¼ Uhr erhob sich ein starkes Gewitter, wodurch die Manifestanten zerstreut wurden. Sämmtliche Gruppen des Zuges hatten Fahnen und Plakate an ihrer Spitze, auf welchen die b. nach dem allgemeinen Stimmrecht zu lesen war. Nach dem Aufhören des Regengusses bildete sich der Zug von Neuem und begab sich nach dem Park Saint Gilles, wo die Führer einen feierlichen Eid leisteten, nicht zu ruhen, bis das allgemeine Stimmrecht in Belgien eingeführt sein würde. In diesem Moment trieb

ein neuerlicher heftiger Regenguß die Manifestanten endgültig auseinander.

Rumänien.

Bukarest, 9. August. (W. T. B.) Der Minister des Auswärtigen Lahovary begiebt sich morgen nach Frank⸗ reich und wird während seiner Abwesenheit be den

Minister⸗Präsidenten vertreten. 38 .

Serbien.

Belgrad, 11. August. (W. T. B.) Der türkische Ge⸗ sandte Feridun Bey empfing gestern eine Abordnung der macedonischen Serben, welche eine Petition an den Sultan gegen die Entsendung der bulgarischen Bischöfe nach Macedonien überreichte.

Schweden und Norwegen.

(F) Stockholm, 9. August. Die am Donnerstag hier eingetroffenen deutschen Schulschiffe Korvette „Louise“ und Brigg „Rover“ erfreuen sich lebhafter Aufmerksamkeit. Gestern Vormittag. statteten nach einander der Chef der Verwaltung Contre⸗Admiral Peyron, der Chef des Marinedepartements Staatsrath Freiherr von Otter und der Kaiserlich deutsche Gesandte Dr. Busch Besuche an Bord der „Louise“ ab, während der reglementsmäßige Salut erdröhnte. Zu Ehren der deutschen Marine⸗Offiziere gaben gestern Abend sämmtliche auf der Stockholmer Marinestation 8g anwesende Offiziere auf Stora Hasselbacken ein Souper, dem auch der Kaiserlich deutsche Marine⸗Attaché Frhr. von Plessen bei⸗ wohnte. Commandeur af Klercker trank auf das Wohl des Deutschen Kaisers als Admirals der schwedischen Flotte, worauf die Musik das „Heil Dir im Siegerkranz“ intonirte. Korvetten⸗Kapitän von Erhardt brachte alsdann ein Hoch auf den König Oscar als Admiral der deutschen Flotte aus, während die Musik „Ur svenska hjärtans djup en gang“ spielte. In herzlicher Eintracht blieb die Gesellschaft noch längere Zeit in dem reizenden Sommerlokal versammelt. 3

Amerika.

Vereinigte Staaten. (A. 9 Der Senat setzte heute die Debatte über die Tarifvorlage fort. Gestern lehnte er es ab, die Eisenerz⸗ oder EE“ zu ermäßigen, welche folglich in ihrer jetzigen Höhe beibehalten werden. Mr. Morgan’'s Amendement zu Gunsten einer freien Einfuhr von Bessemer⸗Erzen wurde zurückgezogen, und dann ver⸗ warf der Senat ein Amendement, welches die Einfuhrzölle auf Erze von 75 auf 60 Cents per Tonne ermäßigt wissen wollte. Der Roheisenzoll wurde auf ⁄10 Cents per Pfund festgesetzt. Der Vorschlag der Demokraten, den Einfuhrzoll für Roheisen auf 5 Doll. per Tonne zu ermäßigen, wurde mit 27 gegen 17 Stimmen verworfen.

Argentinien. Nach einer Meldung der „Times“ aus Buenos Aires vom 8. August ist der Belagerungs⸗ zustand dort aufgehoben worden.

Peru. Lima, 10. August. (R. B.) Der neugewählte Präsident, Oberst Moralez Bermudez, hat heute sein Amt angetreten. Das Ministerium ist in folgender Weise zusammengesetzt: Valcarel, Premier⸗Minister und öffentliche Arbeiten, Pedro Alex Solar erster Vize⸗Präsident, Borpono zweiter Vize⸗Präsident, Elmore Aeußeres, Quinlana Handel, Chavez Justiz, Suarez Krieieieg.

Kunst und Wissenschaft.

Die gestern in Dresden eröffnete, reichhaltig beschickte zweite internationale Ausstellung von Aquarellen, Pastellen, Handzeichnungen und Radirungen im dortigen Polytechnikum wurde am ersten Tage schon von Sr. Maiestät dem König Albert mit einem Besuch beehrt.

Die „Hamb. Nachr.“ veröffentlichen ein Schreiben Schliemann's an den Fürsten Bismarck, datirt aus Troja vom 22. Juli, in welchem der Gelehrte über den Stand der Aus⸗ grabungen berichtet. Er theilt viele Einzelheiten mit. Die Mauern von Pergamon sind danach ganz ausgegraben, ihre Höhe hat 20 m betragen. Es wurden 4 große Thore darin aufgedeckt. Von der unteren Stadt konnte man, obgleich 70 Mann und 3 Eisenbahnen fortwährend an der Fort ührung des Schutts arbeiteten, bisher nur wenig aufdecken, da die Schuttmassen bis 30 m tief sind. Die Aus⸗ grabung, Reinigung und das Photographiren der Hausmauern hat viel Zeit verlangt. Schliemann stellte die Arbeiten am 1. August ein und nimmt dieselben am 1. März 1891 wieder auf; er bezeichnet die Schätze, mit denen er die nach dem Neuen Museum in Berlin kommende trojanische Sammlung bereichern werde, als „herrliche“.

Land⸗ und Forstwirthschaft.

Washington, 9. August. (W. T. B.) Nach dem Bericht des Landwirthschaftlichen Bureaus über den Stand der Baumwollernte ist derselbe im Allgemeinen kräftig, aus vielen Orten wird gemeldet, daß die Ernte die beste seit vielen Jahren zu werden verspricht. Der Durchschnittsstand der Baumwolle ist 895⁄10. Der Stand des Mais ist zwischen dem 1. Juli und dem 1. August von 93,1 auf 73,3 gefallen, der des Frühjahrsgetreides von 94,4 auf 83,2, des Hafers von 81,6 auf 70,1 und derjenige der Gerste von 88,3 auf 82,8. Der niedrige Stand ist der außer⸗ ordentlichen Hitze in den Centralgegenden und dem unzureichenden Regen zuzuschreiben. Es steht fest, daß das Ergebniß der Haferernte wenig bedeutend und daß der Hafer voraussichtlich geringer Qualität sein wird. Die Kartoffeln haben durch die Trockenheit sehr gelitten.

Handel und Gewerbe. 1

Leipzig, 9. August. (W. T. B.) Kammzug⸗Termin⸗ andel. La Plata. Grundmuster B. pr. August 4,90 ℳ, pr. eptember 4,92 ½ ℳ, pr. Oktober 4,90 ℳ, pr. November 4,90 ℳ, pr. Dezember 4,87 ½ ℳ, pr. Januar 4,75 ℳ, pr. Februar 4,72 ½ ℳ, pr. März 4,70 ℳ, pr. April 4,65 ℳ, pr. Mai 4,65 ℳ, Umsatz 155 000 kg. Behauptet. London, 9. August. (W. T. B.) An der Küste 5 Weizen⸗ ladungen angeboten. 3 11. August. (W. T. B.) Die Getreidezufuhren betrugen in der Woche vom 2. August bis zum 8. August: englischer Weizen 567, fremder 45 866, englische Gerste —, fremde 4511, englische Malzgerste 14 893, fremde —, englischer Hafer —, fremder 105 108 Orts. Englisches Mehl 11 116, fremdes 51 844 Sack. 8 New⸗York, 9. August. (W. T. B.) Der Werth der in der vergangenen Woche eingeführten Produkte betrug 12 292 898 Doll. gegen 12 160 505 Doll. in der Vorwoche, davon für Stoffe 4 202 540 Doll. Fegen 3 572 611 Doll. in der Vorwoche. Buenos Aires, 9. August. (W. T. B.) Die Geschäfte beginenn sich wieder zu heben, die Nationalgarde ist entlassen worden. Gegen die Unterhandlungen wegen einer auswärtigen Anleihe sind verschiedene Einwendungen gemacht worden und man glaubt, daß das rojekt einer inneren Anleihe nicht werde zur Ausführung gelangen eas 8b die Lage der Nationalbank sind ungünstige Gerüchte im Umlauf.