1890 / 203 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 23 Aug 1890 18:00:01 GMT) scan diff

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Es geht daraus bervor, daß der Fund in doppelter Hinsicht von Interesse ist. Einmal handelt es sich um die Akten der Immediat⸗ kommission, die auf Befehl des Großherzogs Karl August alsbald nach der That Sand's hier eingesetzt war, um die Untersuchung zu führen. Diese Akten umfassen 40 oder mehr sehr umfang⸗ reiche Hefte, in denen die sämmtlichen Protokolle, Unterschriften und Correspondenzen der sehr weitverzweigten Untersuchung entbalten sind. Noch ist es nicht möglich gewesen, diese Akten eingehend zu durch⸗ forschen, doch zeigt eine flüchtige Durchblätterung derselben, daß bhier ein sehr reiches Material enthalten ist. Sie lagen in dem Archiv der ehemaligen weimarischen Landesregierung, das dem Landgericht als ibrem Nachfolger überwiesen ward. Bei einer erneuten Sichtung des Bestandes ward dieser Fund gemacht. Handelt es sich, hier wesentlich um den Prozeß Sand, so ist der andere Theil des Fundes von besonderer Bedeutung für die Geschichte der Burschenschaft. Dieser umfaßt das 1819 mit Beschlag belegte Archiv der Burschenschaft: zahl⸗ reiche Hefte, in denen die Protokolle über die Verhandlungen in der Burschenschaft bis 1818 verzeichnet stehen, die „Verfassungs⸗Urkunde“, d. h. die Bestimmungen über die Organisation der Burschenschaft in Handschrift und das Verzeichniß der Mitglieder derselben von der an bis Juli 1819, in das diese sich eigenhändig eingetragen en.

Metz. Ueber die neuen Garnisonen in schreibt die „Straßb. Corr.“: 8 8 Die Belegung von Mörchingen mit einer großen Garnison hat den kleinen Ort vollständig verändert. Ein neues Leben macht sich bemerkbar, neue Bauten, Läden und Gastwirthschaften sind ent⸗ standen, Handel und Wandel beben sich. Die Kasernenbauten führen eine große Anzahl von Beamten und Unternehmern, sowie Hunderte von Arbeitern dorthin. Der Brigadestab der 65. Infanterie⸗Brigade und der Regimentsstab des Infanterie⸗Regiments Nr. 144 liegen bereits in Mörchingen, ebenso 2 Bataillone des genannten Regiments; letztere sind in Wellblechbaracken untergebracht. Der Grund und Boden ist um das Doppelte und Dreifache im Werthe gestiegen, dasselbe gilt von den Häusern. Für die Anlage des Kasernements sind 78 pro Ar und für den Exerzierplatz 30 pro Ar durchschnittlich gezahlt worden. Diese hohen Preise haben manchen Einwohner von Mörchingen wieder zum wohlhabenden Mann gemacht und die Verluste der in Folge un⸗ günstiger Preisverhältnisse darni ederliegenden Landwirthschaft wett ge⸗ macht. Das Verhältniß des Militärs zu den Einwohnern ist ein sehr gutes. Durch diese plötzliche Ansammlung von Menschen ist eine ganz außer⸗ ordentliche Wohnungsnoth entstanden; es werden Preise gezahlt wie in einer theueren Großstadt, für eine kleine Stube 50 monatlich und für eine einigermaßen ausreichende Wohnung eines Verheiratheten, die früher 400 jährlich kostete, jetzt 1600 Die Militärbehörde sucht dem Wohnungsmangel nach Möglichkeit abzuhelfen und läßt Wohnungen für verheirathete Offiziere herstellen, welche voraussichtlich im nächsten Herbst bezogen werden können. Nach dem Projekt müssen sämmtliche nach Mörchingen designirte Truppen, wie das Bataillon des Infanterie⸗Regiments Nr. 144, das 4. Westfäl. Infanterie⸗Regiment Nr. 17 (Graf Barfuß) und 3 Batterien des 34. Feldartillerie⸗Regiments, zum 1. April 1893 in Kasernen unter⸗ ebracht sein.

In Dieuze ist die Lage jetzt schon günstiger, weil dieser Ort bereits seit 3 Jahren im Besitze einer Garnison ist. Die Kaserne⸗ ments für das Infanterie⸗Regiment Nr. 136 sind fertig gestellt und die für die verheiratheten Offiziere bestimmten Wohnhäuser gereichen der Stadt zur Zierde. Die Wohnungen fielen nach Einrichtung der Kasernements und der Offizierhäuser sofort im Preise, find jetzt aber angesichts der bevorstehenden Verstärkung der Garnison um ein Kavallerie⸗Regiment wieder auf ihre alte Höhe gestiegen. Das e zu den Einwohnern läßt auch hier nichts zu wünschen übrig.

Graz, 21. August. Der Wiener „Presse“ wird gemeldet: In Folge

eines furchtbaren Unwetters wurden die Anbauten der hiesigen Industriehalle auf dem Ausstellungsplatze vernichtet und die Unterrichts⸗ und Möbelausstellung vollständig zer⸗ stört; werthvolle Gegenstände schwimmen im Wasser. In der —22 dzin wurden die Scheiben sämmtlicher Gaslaternen zer⸗ rümmert.

Paris, 21. August. Ueber den (in Nr. 202 des „R. u. St.⸗A.“ kurz erwähnten) furchtbaren Wirbelsturm, welcher über Saint Claude losbrach und schreckliche Verheerungen anrichtete, obgleich er nur drei Minuten dauerte, liegen der „Köln. Ztg.“ jetzt Einzelheiten vor. Das Unwetter brach um 7 ½ Uhr aus. In demselben Augen⸗ blick waren auch die Dächer der Unte⸗Prräfektur, des Stadt⸗ hauses und des Bahnhofs in Saint Claude herabgeschleudert. Die

Lothringen

8*

große Hängebrücke, welche die gegenüberliegenden Berge verbindet und

über die Stadt hinwegführt, wurde in die Höhe gehoben und ist un⸗ brauchbar geworden. Viele Häuser und mehrere Fabriken stürzten ein. Das Unwetter verwüstete die ganze Gegend zwischen Saint Claude, Morey und dem Thal Joux in der Schweiz. In der Umgegend von Morey wurden Tausende von Tannenbäumen niedergeworfen, in Rousses, Bois d'Amont, Prémanon, Lamoura von Dächern weggerissen, so die des Klosters und der Kirche von Rousses. Eine Masse Vieh wurde unter den Trümmern begraben. In Bois d'Amont zerstörte der Blitz vier Häuser. Die Zahl der Verwundeten ist sehr bedeutend; bis jetzt wurden fünf Todte aufgefunden. Ferner wird von heftigen Stür⸗ men aus Vitri gemeldet, wo Tausende von Bäumen nieder⸗ geworfen wurden, aus Clamecy, Chalons sur Saone, Belfort und Vernet les Vains (Ost⸗Pyrenäen). Dreux wurde am Montag Abend beimgesucht. Der Kapitän Lejaille be⸗ richtet darüber: Ich bin aus Metz und wohnte der Belagerung bei; niemals hörte ich aber einen so furchtbaren Lärm. Zwanzig Artillerie⸗Batterien, die zugleich donnern, machen keinen solchen Heidenlärm. In Dreux wurde namentlich das Faubourg Saint Thibault arg mitgenommen. Dort sind etwa hun⸗ dert Häuser vollständig zerstört. In der Mitte einer Straße liegt ein großer Birnbaum, von dem man nicht weiß, woher er gekommen ist. Die militärische Bäckerei stürzte vollständig zusammen, das Dach des Civil⸗Tribunals wurde abgerissen, und die prachtvollen Bäume des Schloßgartens wurden fast alle entwurzelt. Man fand dort einen —* mit einer jungen Bauersfrau, die getödtet worden war. on Dreux aus setzte der Wirbelwind seine Verheerungen fort und zerstörte auf einer Strecke von 20 km Länge und 200 m Breite Alles, was er auf seinem Wege fand. In dem Dorfe Brissard zerstörte er allein 25 Häuser und machte erst Halt am Park des Herzogs von Vallomorosa. Aus Tournai schreibt man: Der Wirbelwind, welcher auch einen Theil Belgiens heimsuchte, hat einen weit größern Schaden angerichtet, als man anfänglich vermuthete. Hier in Tournai hat der mit dem Gewitter verbundene Hagelschlag alles „Gläserne“ vernichtet, was ihm zugänglich war. Es fielen Schlossen bis zu 130 g Gewicht. Seit 1812 wurde ein ähnliches Unwetter hier nicht erlebt Sämmt⸗ liche. Straßenlaternen, Veranden, Treibhäuser, Wintergärten, freiliegenden Fenster u. s. w. sind zertrümmert; ebenso die große Kuppel der Tuchhalle und das Glasdach des Bahnhofs im Werthe von 25 000 Fr. In mehreren Fabriken, deren Maschinenhäuser mit Glas gedeckt waren, konnte Dienstag nicht gearbeitet werden. In der Umgebung wurde sämmtliches Klein⸗ wild getödtet; allerwärts findet man todte Hasen, Rebhühner und sonstige Vögel. Der Schaden an der Obst⸗, Kartoffel⸗, Rüben⸗, Taback⸗ und Getreide⸗Ernte läßt sich nicht beziffern. Oestlich von Tournai wurden besonders die Gemeinden Warchin, Havinnes, Rumilies heimgesucht. Gleiche Verheerungen meldet man aus Grandmelz, Frasnes, Ostiches, Oeudeghien und besonders aus Ath. In vielen Kirchen wurden die mit Glaskuoppeln überdachten Hochaltäre durch den Hagelschlag beschädigt. In Wuestwezel bei Antwerpen brannte eine Brauerei, in Steenbrugge ein Bauernhof in Folge von Blitzschlag nieder. Beide Flandern haben durch das Unwetter schwer gelitten.

Paris, 23. August. Bei Royan hat, „W. T. B.“ zufolge, ein Zusammenstoß zweier Eisenbahnzüge stattgefunden, wobei mehrere Personen verwundet wurden. Ein französisches und ein englisches Schiff kollidirten bei St. Nazaire; das englische Schiff erhielt ein Leck. 2

Marseille, 22. August. „W. T. B.“ meldet: Nach einem dem Emin Pa scha⸗Comité zugegangenen Telegramm ist der Lieutenant von Tiedemann. Begleiter des Dr. Carl Peters auf dessen jüngster Expedition in Ost⸗Afrika, in Marseille angekommen und wird nächsten

Sonntag in Berlin eintreffen.

Bern. Die bistorische Kritik hat bekanntlich das Auftreten

Wilhelm Tell's und Geßler's, sowie den Rütlischwur als in das Reich der Sage gehörend bezeichnet. Den Schweizern fiel es schwer, sich dieses Ruhmesblatt in ihrer Geschichte als bloße Sage vor⸗ zustellen. Doch die Kritik blieb unerbittlich und sie hat bereits Früchte gezeitigt. Wie nämlich der „N. A. Z.“ gemeldet wird, hat die Re⸗ gierung des Kantons Schwyz angeordnet, daß fortan die Tellsage aus den Geschichtsbüchern in den dortigen Schul n beseitigt werde.

Bern, 22. August. Der Bund heißen Witterung in ver⸗

brachten in Folge der außerordentlich schiedenen Theilen des Schweizerlandes verheerende Gewitter. wird aus Solothurn gemeldet: In der Nacht vom 19. zum 20. August strich ein lusses des Jura von Pieterlen her bis ach, überall seine Spuren hinterlassend. Namentlich die Ortschaften Selzach und Oberdorf haben bedeutend gelitten. In ersterer Ort⸗ schaft wurden außer zahlreichen Fensterscheiben nach amtlicher —— ca. 50 000 Dachziegel zerschlagen. Die größten Beschädigungen erlitten aber die Obstbäume und ihr ausnehmend reicher Fruchtansatz und die noch auf dem Halm stehenden Getreidearten (Weizen und Hafer). Nachdem das Hagelweiter nachgelassen, schüttete sich der Regen über die arg be⸗ schädigten Dächer in Strömen aus und es wurde durch das ein⸗ dringende Wasser noch großer Schaden an Emd⸗ und Garbenstöcken angerichtet. Nachrichten über Unwetter liegen ferner vor aus Baselland, Magden im Frickthal, Bern eck⸗Rhei (St. Gallen), Biel und Rüeggisberg. 8 4

(D) Kopenhagen, 20. August. Die Ausrottung der Seehunde in den dänischen Gewässern wird jetzt überall mit Eifer betrieben, da der Dänische Fischereiverein seit vergangenem Jahre für jeden erlegten Seehund eine Prämie von drei Kronen bezahlt. In einer von dem Sekretär des genannten Vereins, Dr. Arthur Feddersen, ausgearbeiteten Karte, in welcher die Küsten angegeben sind, wo bis⸗ her am meisten Seehunde erlegt wurden, wird ersichtlich gemacht, daß auf den Stellen, wo die Fischerei am schlechtesten betrieben wird und den geringsten Ertrag giebt, die Seehunde am zaͤhlreichsten sind. Im kleinen Belt, in der Gegend von Middelfart, wird selten ein Seehund gesehen, da die Fischer hier als solche und als Jäger sehr thätig sind. Dagegen hat ein Mann auf der kleinen Insel

Hesselö (nördlich von Seeland) während der letzten zehn Monatee

1† So 82

furchtbares Hagelwetter längs des Attiswyl und Wiedlis⸗

120 Seehundsköpfe und ein anderer Seehundsjäger 40 Köpfe ein-

gesandt. Auf einzelnen Stellen will man jetzt Reusen zum Seehunds⸗ fang verwenden. Im Laufe der letzten zehn Monate, während welcher die Prämie ausgezahlt wird, sind 810 Seehunde erlegt worden.

Ottawa, 18. August. Der Leuchtthurm in Point Rich, an der Westküste Neufundlands, der Eigenthum der kanadischen Re⸗ gierung war, brannte, laut Mittheilung der „Frkf. Ztg. am 15 d. M. gänzlich nieder. Es wird nicht möglich sein, den Thurm vor dem nächsten Frühjahr wieder aufzubauen. u

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Nach Schluß der Redaktion eingegangene Depeschen. 8—

Uelzen, 23. August. (W. T. B.) Bei der am 19. d. M. im 15. Hannoverschen Wahlkreis (Uelzen⸗ Isenhagen⸗Lüchow⸗Dannenberg) stattgehabten anderweiten Reichstagswahl an Stelle des verstorbenen Abgeord⸗ neten Grafen Bernstorff (Centrum) wurden nach amtlicher Feststelung im Ganzen 12 685 Stimmen abgegeben. Davon erhielten Geheimer Fegteeeh ct a. D. Dr. jur. Brüel eelf⸗) 6812 St., Rittergutsbesitzer von Estorff⸗Veerssen (kons.) 1671 St., Hofbesitzer Albert Meyer⸗Riestedt (natl.) 2053 St., Dr. Georg Waltemath⸗Hamburg (freisinnig) 1536 St. und Schuhmacher Brey⸗Hannover (Soz.) 599 St. Dr. Brüel ist somit gewählt.

Zara, 23. August. (W. T. B.) Die außergewöhn liche Hitze dauert noch immer an, auch weitere Fälle von Sonnenstich sind vorgekommen, welche tödtlich verliefen. Am Vellebit⸗Gebirge im kroatischen Karst fand ein aus gedehnter Wald⸗ und Wiesenbrand statt.

Mons, 23. August. (W. T. B.) Die allgemeine Lage hat sich seit gestern nicht geändert. Die Zahl der Strikenden ist ungefähr dieselbe geblieben. Vier Dele⸗ girte der Grubenarbeiter begaben sich zum Vorsitzenden der Provinzial⸗Regierung, um wegen Einsetzung eines Industrie raths und Zurückziehung des Reglements der „Soci produits“ vorstellig zu werden.

(Fortsetzung des Nichtamtlichen in der Ersten Beilage)

Wetterbericht vom 23. August, Morgens 8 Uhr. 8

Bar. auf 0 Gr. u. d. Meeressp

red. in Millim

8

3 Temperatur in ° Celsius 0 do [50 C. 40R.

754

747 757

Mullaghmore Aberdeen.. Christiansund Nopenhagen. Stockholm 749 randa. 749 t. Petersb. 750 Moskau 755 1 bedeckt Cork, Queens⸗ towmu 757 5 halb bed. 759 6 bedeckt 755 bedeckt 755 Regen¹) 759 bedeckt 760 halb bed. 760 halb bed. 756 halb bed.

763 wolkig 760 bedeckt 765 halb bed. 764 bedeckt 767 heiter 765 wolkig 762 heiter

767 wolkig 765 wolkenlos

764 heiter 764 wolkenlos

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¹) Nachts Gewitter.

Uebersicht der Witterung. 8 Unter der Wechselwirkung eines barometrischen Maximums nördlich von der Alpengegend und einer umfangreichen Depression über Nordwest⸗ und Nord⸗ Europa wehen im deutschen Küstengebiet vielfach starke südwestliche Winde. Hurst⸗Castle meldet Südweststurm. Das Wetter ist in Deutschland ziemlich kühl, im Nordwesten trübe, im Süden und Osten heiter; vielfach haben Regenfälle, an der rdsee auch Gewitter stattgefunden. Deutsche Seewarte.

Theater⸗Anzeigen.

Tessing-Theater. Sonntag: Ein Volks⸗ feind. Schauspiel in 5 Aufzügen von Henrik Ibsen. Anfang 7 Uhr.

Montag: Zum 100. Male: Die Ehre. Schau⸗ spiel in 4 Akten von Hermann Sudermann.

Dienstag: Die große Glocke. Lustspiel in 4 Akten von Oskar Blumentbal.

Mittwoch: Ein Volksfeind.

Wallner-Theater. Sonntag: Zum 79. Male:

Mamsell Nitonche. Vaudeville in 3 Akten und 4 Bildern von H. Meilhac und A. Millaud. Musik von M. Hervé.

Vor der Vorstellung, bei günstiger Witterung: Großes Garten⸗Concert. Anfang des Concerts 6 ½, der Vorstellung 7 ½ Uhr.

Montag u. folg. Tage: Mamsell Nitonche. Bictorin-Theater. Bis inkl. Montag ge⸗ schlossen.

Dienstag: Zum ersten Male: Die Million oder Vivat Imperator. Modernes Ausstattungs⸗ stück in 13 Bildern von Alex. Moszkowski und Rich. Nathanson. Musik von C. A. Raida. Ballet von Gredelue. 8

Concert-Park. Direktion: Jultus Fritzsche.

Sonntag: Zum zweiten Male: Mit durchaus neuer Austattung: Die Puppenfee. Pantomimisches Divertissement von Haßreiter und Gaul. Musik von Jos. Bayer. Arrargirt von J. Haßreiter, K. K Hofballetmeister aus Wien. Dirigent: Hr. Kavpell⸗ meister Knoll. Vorher: Neu einstudirt: Das Pensionat. Komische Oper in 2 Akten von Franz von Suppé. Regie: Hr. Binder. Dirigent: Kapell⸗ meister Federmann.

Im vrachwollen Park um 4 ½ Uhr: Großes Doppel⸗Concert. Auftreten von Gesangs⸗ und Instrumental⸗Künstlern.

Montag: Zum 3. Male: Die Puppenfee. Vorher: Das Pensionat.

Im Park: Eroßes Dovppel⸗Concert.

Residenz-Theater. Direktion: Sigmund Lauten⸗ burg. Sonnabend, den 30. August: Wiedereröffnung des Residenz⸗Theaters. Zum 113. Male: Maranise. Lustspiel in 3 Akten von Sardou. Anfang 7 ½ Uhr.

Kroll's Theater. Sonntag: Der Prophet. (Johann von Leyden: Hr. Emil Götze als Gast.)

Montag: Der Barbier von Sevilla. Dienstag: Gastspiel des Sgr. d'Andrade. Rigo⸗ etto.

Mittwoch: Letztes Auftreten der Miß Macintyre.

Täglich: Bei stigem Wetter vor und nach der Vorstellung, Abends bei brillanter elektr. Be⸗ leuchtung des Sommergartens: Großes Concert. Anfang Sonntag 4 Uhr, an den Wochentagen 5: ½⅛, der Vorstellung 7 Uhr.

Belle-Alliance-Theater. Sonntag: Zum 6. Male: Der Dorftenfel. Dorfkomödie in 3 Abtheilungen und einem Vorspiel von Ferd. Nes⸗ müller. In Scene gesetzt vom Direktor Sternheim. Eintritt 50 ₰.

Im prachtvollen Sommergarten: Großes Concert. Auftreten sämmtlicher Spezialitäten. Brillante Illumination des ganzen Garten⸗Etablissements. Anfang des Concerts 4 Uhr, der Vorstellung 7 ½ Uhr.

Montag: Dieselbe Vorstellung.

Adolph Ernst-Theater. Sonntag: Bei elek⸗ trischer Beleuchtung. 8. 135. Male: Der Goldfuchs. Gesangsposse in 4 Akten von Eduard Jacobson und Leop. Ely. Couplets theilweise vonn8,. Görß. Musik von Franz Roth. Anfang

r. Montag: Dieselbe Vorstellung.

Urania, Anstalt für volksthümliche Naturkunde.

Am Landes⸗Ausstellungs⸗Park (Lehrter Bahnhof). Geöffnet von 12—11 Uhr. Vorstellung im 2

Theater. eeres die Anschlag⸗ zettel.

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Eintrittspreis à Person 50 ₰. Geöffnet von Morgens 9 Uhr bis zur Dunkelheit.

Familien⸗Nachrichten.

Verlobt: Frl. Helena Hoffmann mit Franz Walter (Breslau Warmbrunn). Margarethe Fallgatter mit Hrn Dr. phil. Zachar:j Dimitrow (Leipzig —Sliven, Bulgarien). Frl. Mathilde Bühring mit Hrn. Lieut. Stolzmann (Hannover— Einbeck). Frl. Camilla Wennholtz mit Hrn. Hugo Matschke (Berlin). Frl. Marie Frantz mit Hrn. August Hartmann (Berlin).

Verehelicht: Hr. Dr. med. Georg Winter mit Frl. Maria Trittenwein (Berlin Wien). Hr. Dr. Gustav Bachrach mit Frl. Bertha von Hake (Berlin). Hr. Albert Horn mit Frl. Lina Wolff (Bonn).

Geboren: Ein Sohn: Hrn. Apotheker W. Drape (Sittensen). Hrn. Emil Hoffmann (Leipzig). Hrn. Georg Meerwein (Aachen). Hrn. Rechtsanwalt Seidel (Osterwieck i. Harz). Eine Tochter: Hrn. Prof. Adolf Schill (Düsseldorf). Hrn. Adolf Bremme (Barmen). Hrn. Friedr. Rexhausen (Hannover).

Gestorben: Hr. Gutsbesitzer Adolf Felten (Esch). Hr. Bürgermeister Emil Drenkmann (Brieg). Hr. Rentier Leopold Leppel (Gr. Berkel). Hr. Rentier Ludwig Geiseler (Berlin). Hr. A. Schwebs (Berlin). Frau Luise Woellner, geb. Wendel (Brandenburg a. H.).

Redacteur: Dr. H. Klee. Berlin: 8 Verlag der Expedition (Scholz).

der Nenzeit? 8

Frl.

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Druck der Norddeutschen Buchdruckerei und Verlags⸗

Anstalt, Berlin SW., Wilbelmstraße Nr. Vier Beilagen (einschließlich Börsen⸗Beilage).

zum Deutschen Reichs⸗Anzeiger und Königlich Preußischen Staa

Berlin, Sonnabend, den 23. August

1890.

Zur Arbeiterbewegung.

Vorgestern Abend fanden hier in Berlin zwei sozialdemo⸗ kratische Versammlungen für die Wahlvereine des ersten

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und fünften Berliner Reichstagswahlkreises statt. In der

Versammlung des ersten Reichstagswahlkreises kam es, wie wir aus einem Bericht des Berl. Volksbl.“ ersehen, im Anschlusse an den Vor⸗ trag eines Hrn. Jahn, der die Fragen der Parteitaktik behandelte, zu einer längeren Diskussion über die sozialdemokratische Partei⸗ und Frak⸗ tionsverhältnisse, welche in einer Resolution ihren Abschluß fand; die ersammlung des sozialdemokratischen Wahlvereins für den 1. Berliner ahlkreis spricht darin ihr Bedauern über den Artikel des Dr. Bruns Wille in der „Sächsischen Arbeiter⸗Zeitung“ aus und erklärt, dem Genossen Bebel wie der ganzen Fraktion ihr Vertrauen zu schenken. Auch die Versammlung des sozialdemokratischen Wahlvereins des fünften Berliner Reichstagswahlkreises beschäftigte sich, nach einem Bericht der „Voss. Ztg.“, mit der Taktik der Sozialdemokratie. Hier wurde ein Antrag, der Fraktion ein Vertrauensvotum zu ertheilen, gegen eine ziemlich starke Minorität abgelehnt, da⸗ gegen folgender Resolution zugestimmt: „Der gegenwärtige Streit innerhalb der sozialdemokratischen Partei ist durch das 12 Jahre an⸗ dauernde Sozialistengesetz verschuldet worden; die Versammlung giebt sich der festen Hoffnung hin, daß derselbe auf dem Parteitag in Halle endgiltig beigelegt werden wird.“ 1 Wie die „Schls. Ztg.“ berichtet, hat der Königlich preußische Minister für Handel und Gewerbe angeordnet, auch auf den fiskalischen Gruben und Hüttenwerken

in Oberschlesien ähnliche Arbeiterausschüsse wie früher schon auf

den Staatsgruben im Saarrevier eingesetzt werden. Die ausführ⸗ lichen Bestimmungen über die Zusammensetzung und Thätigkeit dieser Arbeiterausschüsse sind nunmehr fertiggestellt; der wesentliche Inhalt dieser Bestimmungen, welche für die Königin⸗Luise⸗ Grube, Friedrichsgrube, Friedrichshütte und für die König⸗ lichen Eisengießereien in Gleiwitz und Malapane gelten, ist folgender: Was zunächst die Wahl der Vertrauensmänner betrifft, so ist jeder männliche Werksarbeiter, der das 21. Lebensjahr zurück⸗ gelegt hat und seit mindestens drei Jahren auf dem betreffenden Werke in Arbeit steht, wahlberechtigt. Wählbar ist er, wenn er das 25. Lebensjahr zurückgelegt hat, der deutschen Sprache mächtig und seit wenigstens fünf Jahren auf dem betreffenden Werke be⸗ schäftigt ist. Jede Betriebs⸗ (Steiger⸗, Gruben⸗, Maschinenwerks⸗) Abtheilung wählt einen oder mehrere Vertrauensmänner, welche dieser Abtheilung angehören müssen. Der Werksdirektor bestimmt die einzelnen Abtheilungen und die Zahl der von jeder Abtheilung zu wählenden Vertrauensmänner; er bestimmt auch den Wahltag und läßt die Einladung zur Wahl spätestens acht Tage vorher durch An⸗ schlag in den S (Werkstätten) und durch Verlesen bekannt machen. Die Wahl wird unter Leitung des Werksdirektors oder der von ihm hierzu ernannten Beamten im Zechenhause vorgenommen und erfolgt durch geheime Abstimmung unter Zuziehung von zwei Bergleuten, die der Leiter des Wahlakts hierzu aus der Zahl der Wähler beruft. Das Verfahren bei der Wahl wird durch das Königliche Ober⸗Berg⸗ amt Breslau geregelt. Wer die Mehrheit der Stimmen sämmtlicher erschienenen Wähler auf sich vereint, gilt als gewählt; ist keine solche Stimmenmehrheit vorhanden, so findet zwischen den beiden Personen, die die meisten Stimmen auf sich vereint haben, eine engere Wahl statt; stellt sich bei dieser Stimmengleichheit heraus, so entscheidet das Loos. Die Vertrauensmänner werden auf zwei Jahre gewählt. Die Ausscheidenden sind wieder wählbar. Ein Vertrauensmann scheidet als solcher aus: durch Amtsniederlegung, urch freiwilligen Abgang oder durch Entlassung aus dem König⸗ chen Werk. Es findet alsdann ebenso wie im Fall des Todes eines Vertrauensmannes eine Ersatzwahl für die übrige Dauer der Wahlperiode statt. Die Ersatzwahl ist innerhalb vier Wochen nach dem Ausscheiden eines Vertrauensmannes von der betreffenden etriebsabtheilung nach den vorstehenden Bestimmungen vor⸗ nehmen. Was die Aufgabe der Vertrauensmänner betrifft, so haben ie Vertrauensmänner Anträge, Wünsche und etwaige Beschwerden, welche das betreffende Werk im Ganzen angehen, bei dem Werks⸗ direktor anzubringen und sich in den Zusammenkünften mit Letzterem über dieselben gutachtlich zu äußern; sie haben ferner in diesen Zu⸗ sammenkünften über sonstige Fragen und Angelegenheiten, die das Arbeits⸗ verhältniß, besonders die Arbeitsordnung und Abänderungen derselben betreffen, ihr Gutachten abzugeben und solche das Wohl der Arbeiter und ihrer Angehörigen betreffende Angelegenheiten zu besprechen, welche ihnen von dem Werksdirektor vorgelegt werden. Außerdem sind die Vertrauensmänner berufen, an der Verwaltung der zu der Arbeiter und ihrer Angehörigen eingeführten Wohlfahrtseinrichtungen, falls nicht besondere Vorschriften für die Verwaltung derselben bestehen, mitzuwirken, etwaige Streitigkeiten der Arbeiter unter einander zu vermitteln und unlichst beizulegen und endlich darauf zu achten, daß die Arbeits⸗ ordnung und die für die Gesundheit und Sicherheit der Arbeiter ge⸗ troffenen Anordnungen von den Arbeitsgenossen gewissenhaft und pünkt⸗ lich befolgt werden. Die Vertrauensmänner treten unter dem Vorsitz des Werksdirektors oder seines Stellvertreters vierteljähr⸗ ich und außerdem so oft zusammen, als der Werksdirektor es für erforderlich hält, oder wenn wenigstens die Hälfte der Vertrauensmänner unter Angabe der zu berathenden und zu ihrer Kompetenz gehörigen Gegenstände darauf anträgt. Der Werksdirektor stellt die Tagesordnung der Zusammenkünfte, zu denen ämmtliche Vertrauensmänner einzuladen sind, fest. Ueber Gegen⸗ ände, welche nicht bei ihnen angemeldet sind, darf nicht verhandelt werden. Ueber jede Zusammenkunft ist ein Protokoll aufzunehmen und Abschrift desselben dem Königlichen Ober⸗Bergamte einzureichen. In einer Versammlung der Kellner Berlins, welche in der acht vom Donnerstag zum Freitag stattfand, wurde, der „Berl. Volksztg.“ zufolge, eine Resolution angenommen, in welcher der An⸗ schluß der Kellner an den Verein der Gastwirthsgehülfen empfohlen wird; ferner wurde beschlossen, ein Fachorgan zu schaffen, welches energisch die Interessen der Kellner vertrete. 8 Eine von etwa 80 Personen besuchte Versammlung der Töpfer⸗ gehülfen in Leipzig ließ sich am Donnerstag von der auf Ver⸗ anlassung der Arbeitgeber gewählten Kommission über die mit dem Arbeitgeber⸗Ausschuß gepflogenen Tarifverhandlungen Bericht erstatten. (Vergl. Nr. 194 d. Bl.) Es wurde, wie die „Leipz. Ztg.“ mittheilt, ein von den Arbeitgebern ausgearbeiteter gegenüber dem jetzt gültigen in den Lohnansätzen nach allgemeiner Behauptung erheblich reduzirter Tarif verlesen und zur Debatte gestellt. Obgleich ein Theil der Anwesenden zur Nachgiebigkeit mahnte, beschloß die Versammlung doch, den jetzt geltenden Tarif beizubehalten, da dessen Gültigkeitsdauer bis zum 1. April 1891 vereinbart worden und die Herabsetzung des Lohnes weder durch den Geschäftsgang geboten, noch bei der Steigerung der Preise aller Lebensbedürfnisse billig sei. Dieser Beschluß soll den Arbeit⸗ gebern unterbreitet werden und der Vertrauensmann darauf achten, daß die Sätze des alten Tarifs in allen Geschäften bezahlt werden. Von einer Arbeitseinstellung wurde allgemein abgerathen. 8 81 Ergänzung des in der Nr. 202 d. Bl. „nach Schluß der Redaktion“ mitgetheilten Telegramms aus Mons theilen wir noch folgenden Bericht der „Voss. Ztg.“ mit: Der Ausstand im Borinage gewinnt an Ausdehnung; alle Zechen der „Socisté

des Produits“ haben den Betrieb einstellen müssen; auch die Berg⸗ leute der Zechen des Midi de Mons, der Zechen in Cuesmes und Ciply sind ausständig. Eine gestern Abend in Frameries statt⸗ gehabte von 800 Bergleuten besuchte Versammlung beschloß die Aufrechthaltung des Ausstandes. Das von der Société des Produits eingeführte neue Arbeitsreglement, welches selbst geringe Vergehungen der Bergleute mit hohen Geldstrafen ahndet, hat den Ausbruch des Ausstandes herbeigeführt. Macht die Gesellschaft keine Zugeständnisse, so ist das Umsichgreifen des Ausstandes zweifellos.

Wie die Londoner „Allg. Corr.“ mittheilt, ist der Ausstand der Werft⸗ und Schiffsarbeiter in den Docks in Til⸗ bury, einer Mittheilung der Dockverwaltung zufolge, noch nicht beendet. Die Forderung der Ausständigen, daß nur Arbeiter beschäftigt werden sollen, welche dem Verbande an⸗ gehören, ist von der Dockverwaltung noch nicht bewilligt worden. Die gestern zwischen dem Vorsteher der Docks und Vertretern der strikenden Arbeiter gepflogenen Unterhandlungen hatten indeß das Ergebniß, daß die Ausständigen die Arbeit gestern bedingungslos wieder aufnehmen wollten. Es scheint, daß der Aus⸗ stand nicht vom Haupt⸗Strikeausschusse angeordnet war.

Aus New⸗York meldet „W. T. B.“ vom gestrigen Tage: Die Bediensteten auf den Güterzügen der Illinois Central⸗ bahn haben beschlossen, Erhöhung ihrer Löhne zu fordern. Die Maschinenführer und Heizer der Northwestern Eisenbahn haben die Arbeit eingestellt und eine Gehaltserhöhung begehrt. Zahl⸗ reiche lange Züge mit Fleisch liegen auf der Strecke.

Aus Melbourne berichtet ein Wolff'sches Telegramm nach einer Reuter'schen Meldung: Infolge der Arbeitseinstellung wird die Lage in Victoria und Neusüdwales stets bedenklicher. Viele Hütten und Fabriken werden demnächst wegen Kohlenmangels geschlossen werden müssen. In Wollongong sind bereits 9 Gruben geschlossen. Die Rheder von Melbourne und Sydney werden in Albury zur Berathung der Situation zusammentreten. 2 8

1 Ueber die wirthschaftliche Lage in 188 urtheilt die Handelskammer zu Saarbrücken in ihrem Jahres⸗ bericht wie folgt:

Das Jahr 1889 reiht sich hinsichtlich der günstigen Lage von Industrie und Handel im Saargebiet gleichwerthig an seine beiden Vorjahre an. An Lebhaftigkeit der Nachfrage nach Erzeugnissen der Eisen⸗, und Stahlhütten, der Gießereien, Kleineisenzeugfabriken, Maschinen⸗ und Wagenbau⸗Anstalten, der Glashütten, Thonwaaren⸗, Cement⸗ und Ziegelfabriken, an angespannter Thätigkeit der Betriebe und Ausdehnung des Umsatzes übertrifft es dieselben erheblich. Industriezweige, welche wegen der Eigenartigkeit ihrer Fabrikate längere Lieferfristen bedingen, waren vielfach schon im ärz mit Auf⸗ trägen bis zum Schlusse des dritten Vierteljahrs und im April bereits mit solchen bis zum Ende des Jahres gedeckt. Lager⸗ bestände, welche an gewissen Fabrikaten noch aus den Vorjahren vorhanden waren, wie z. B. in der Tafelglasindustrie, oder die sich gegen Schluß des Jahres 1888 neu gebildet hatten, wie z. B. in den Formeisen⸗Walzwerken, wurden sehr bald in Anspruch genommen und entweder zum größeren Theil oder ganz geräumt. Die Nachfrage nach Kohlen und Koks zu Industriezwecken war während des ganzen Jahres eine außerordentliche starke, hätte schon unter normalen Verhältnissen kaum vollständig gedeckt werden können und blieb unter dem Einfluß der Bergmanns⸗Ausstände, der gekürzten Schichtdauer und der sehr mangelhaften Arbeitslust der Bergleute in der That zum Theil unbefriedigt. Die Förderung der staatlichen Saargruben stand aus diesen, eben erwähnten Gründen um 154 680 t oder 2 ½ % hinter derjenigen des Jahres 1888 zurück, anstatt sich entsprechend dem Bedarf und der vergrößerten Belegschaft um mindestens 350 000 t zu steigern.

Die Verkehrsanstalten weisen, mit Ausnahme des von der Kohlen⸗ förderung abhängigen Umschlags auf dem Saarkanal, allenthalben eine Steigerung des Verkehrs auf. Der Empfang und Versand von Eisenbahngütern wuchs auf allen größeren Stationen unseres Bezirks, abgesehen von denjenigen, welche ausschließlich Grubenstationen sind. Der Post⸗ und Depeschenverkehr im Ganzen hat sich erheblich ge⸗ steigert. In Ausgang und Eingang betrug die Zunahme bei Brief⸗ sendungen 6 ½ und 8 ½ %, bei Werthsendungen dem Werthe nach 14 ¾ und 72 ¼ %, bei Postanweisungen dem Werthe nach 9 und 8 ½ %, bei Telegrammen 8 ½ %. Die etatsmäßigen Einnahmen der Postanstalten innerhalb unseres Bezirks vermehrten sich um 7 %, darunter allein die Telegrammgebühren um 10 ½ %. 8 8

Der Umschlag der Reichsbank⸗Nebenstelle Saarbrücken auf dem Giroconto steigerte sich um 35 Millionen oder 27 %; auch der Wechselverkehr zeigte eine größere Lehaftigkeit als früher. Bei den Sparkassen haben sich zwar die Rücknahmen, insbesondere Seitens der strikenden Bergleute, in noch größerem Maße aber die Einzah⸗ lungen und der Gesammtwerth der vorhandenen Einlagen erhöht.

Was den günstigen Ergebnissen des Berichtsjahres ein ganz be⸗ sonderes Gepräge verleiht, ist die Thatsache, daß bei fast allen Industrie⸗ erzeugnissen eine Erhöhung ihres Werthes und damit eine Steigerung ihres Verkaufspreises eingetreten ist. Während im Jahre 1888 die Industrie mit mäßig gegen früher erhöhten Roh⸗ materialpreisen und Arbeitslöhnen arbeitete und innerhalb des ge⸗ nannten Jahres nur insoweit Preissteigerungen vornahm, als zur Er⸗ zielung einer ebenfalls mäßigen Verzinsung des Anlage⸗ und Betriebs⸗ kapitals erforderlich war, trat im Berichtsjahre eine so erhebliche Vertheuerung der meisten Rohmaterialien, insbesondere der Stein⸗ koblen und Koks ein, daß die Selbstkosten der Industrie rasch in die bübe gingen und gemeinsam mit der fortdauernd durchgeführten Er⸗

öhung der Löhne eine entsprechende Werthsteigerung der Fabrikate herbeiführten. Verschärfend trat hierzu noch der starke Begehr Deutschlands nach Industrieerzeugnissen aller Art, ein Begehr, der zeitweise aus wirklichem Bedürfniß, zeitweise auch wohl aus Spe⸗ kulationszwecken stammte, der sich aber jedenfalls mit solcher Kraft geltend machte, daß die Leistungsfähigkeit der deutschen Industrie nicht mehr hinreichte, sondern dem Auslande ein großer Theil von Liefe⸗ rungen überlassen werden mußte. Einen Beweis hierfür bietet die Zunahme der Einfuhr und die Abnahme der Aus⸗ fuhr des deutschen Zollgebiets im Jahre 1889 unter Festhaltung der Thatsache, daß die deutsche Industrie mit Aufgebot aller Betriebsmittel beschäftigt war.

Es K nur natürlich, daß dieser Wertherhöhung auch eine Er⸗ höhung der Verkaufspreise für Fabrikate auf dem Fu folgte. In⸗ dessen muß ausdrücklich hervorgehoben werden, daß in allen Industrie⸗ zweigen unseres Bezirks die Steigerung der Preise für die meisten Fabrikate nicht mit derjenigen gleichen Schritt zu halten vermochte, welche die Rohmaterialien er⸗ fuhren. Die Bestätigung dieser Thatsache wiederholt sich in fast sämmtlichen uns zugegangenen Berichten, speziell in denen der Eisen⸗, Glas⸗ und Thonwaagren⸗Industrie. Es darf hieraus gefolgert werden, daß die einzelnen Werke zwar eine bedeutend größere Brutto⸗Einnahme in Folge des vermehrten Umsatzes, aber einen verhältnißmäßig geringeren Netto⸗Ertrag gehabt haben. Damit tritt die Erscheinung in den Vordergrund, daß die im letzten Jahrzehnt vielfach durch Er⸗ sindung neuer Maschinen oder Fabrikationsverfahren herbeigeführte Verbilligung der E“ durch die gesteigerten Selbst⸗ kosten, insbesondere die Arbeitslöhne, allmählich wieder auf⸗ gewogen wird. 8

In weiterer Folge ergiebt sich aus dieser Betrachtung, daß der Hauptantheil an den guten Geschäftserträgen des Jahres 1889 nicht der Industrie, sondern den Kohlenproduzenten und dem Kohlenzwischenhandel zugefallen ist. Selbst wenn man die außerordentlich hohen Abschlüsse, welche von Händlern während der Streikperioden der Bergleute für ihre verfügbaren Lager⸗ bestände erzielt worden sind, als weniger ausschlaggebend nicht in Rechnung bringt, lassen doch die Börsennotirungen am Anfang und am Schlusse des Jahres erkennen, daß Zechen und’ Kohlenhändler einen unverhältnißmäßig viel größeren Gewinn erzielt haben, als die Industrie. Denn wenn der Preis von Kohlen und Koks um 120 bezw. 134 %, der von Stabeisen und Trägern dagegen nur um 60 bezw. 36 % binnen Jahresfrist gesteigert werden konnte, so giebt der erhebliche Abstand dieser Ziffern einen sicheren Hinweis, auf welcher Seite der größere Gewinn gelegen hat. Angesichts solcher Unter⸗ schiede fallen aber die Angriffe gegen die industriellen Kartelle, Verbände, Konventionen u. s. w. wegen übertriebener Preis⸗ steigerung für Fabrikate, welche vorzugsweise von dem Zwischenhandel erhoben werden, in sich zusammen. Gerade die aus fast allen Industriezweigen trotz dem Bestehen der Kartelle stammenden Hinweise auf das Mißsverhältniß der Fabrikat⸗ preise zu den Rohmaterialpreisen beweisen, daß es auch für die Preis⸗Festsetzungen der Verbände eine natürliche Grenze giebt, welche nicht überschritten werden darf. Es wird bei derartigen Angriffen außer Acht gelassen, daß die Hauptwirkung der Verbände nicht die Er gisanng hoher Preise, sondern vorzugsweise eine Regulirung der Prod n und der Kon⸗ kurrenz, sowie eine Beseitigung der vom Zwischenhandel und der Spekulation begünstigten Schwankungen des Geschäftsganges ist.

Mit vollem Recht darf man die Stetigkeit des guten Geschäfts⸗ ganges, welcher nunmehr schon seit länger als drei Jahren anhält, zu einem Theile unserem Schutzzollsystem, zum anderen Theile der Wirksamkeit der industriellen Verbände zuschreiben. Wäre es nach den Wünschen des Freihandels gegangen, so hätten wir ganz abgesehen davon, ob überhaupt ein derartiger Aufschwung alsdann möglich gewesen wäre zweifellbs die größten Schwankungen durchzumachen gehabt, welche allein schon in den Arbeiterausständen einen trefflichen Aus⸗ gangspunkt gefunden hätten. Daß der Zwischenhandel und die Börsen⸗ spekulation durch die Verbände einen Abbruch erlitten haben ist wahr⸗ scheinlich. Aber der Zwischenhandel findet, wie aus den vorher an⸗ geführten Thatsachen hervorgeht, bei sonst guten wirthschaft⸗ lichen Verhältnissen des Landes leicht einen Ersatz, und die Fernhaltung der Spekulation von der industriellen Thätigkeit kann im Interesse der Solidität unserer Industrie nur als gesund und erwünscht bezeichnet werden. Schon der Umstand, daß die Beschlüsse der einzelnen Kartelle aus einer gemeinsamen Berathung von Per⸗ sönlichkeiten hervorgehen, welche in der Regel zu den unterrichtetsten Vertretern des betreffenden Industriezweiges gehören, gewährleistet eine sichrere . der Konjunktur, als wenn es jedem einzelnen Werke überlassen bleibt, sich allein ein Bild über die zu erwartende Lage des Geschäftsmarktes zu bilden und hiernach die Preise zu ge⸗ stalten, die deshalb naturgemäß vielen und lebhaften Schwankungen unterworfen sein müssen. Derartige Schwankungen können wohl dem Zwischenhandel, niemals aber der industriellen Thätigkeit von Nutzen sein.

Wie die Konventionen im einheimischen Verkehr, so wirken die Schutzzölle im Weltverkehr, indem sie eine größere Stetigkeit des Marktes innerhalb des geschützten Landes zur Folge haben, Sie bilden einen umfassenden Damm, innerhalb dessen die gewerbliche Produktivität wachsen soll, und schließen nicht aus, daß, wenn dieses Wachsthum mit dem vermehrten Bedürfniß nicht Schritt halten kann, das Fehlende von auswärts zufließt, während zugleich umgekehrt der etwa vorhandene Abfluß nach außen sich ver⸗ mindert. Diese Erscheinung tritt für Deutschland im Berichts⸗ jahre klar zu Tage. Das Bedürfniß nach Erzeugnissen der Industrie war so stark, daß es von vielen einheimischen Industriezweigen nicht gedeckt werden konnte, und die Folge war, daß die Einfuhr aus⸗ ländischer Erzeugnisse sich gegen früher erheblich steigerte, die Ausfuhr dagegen abnahm. So war von den in unserem ezirk vertretenen Industrie⸗Erzeugnissen die Einfuhr nach Deutschland gewachsen und die Ausfuhr vermindert: bei fast allen Eisenfabrikaten, Hohlglas, Tafel⸗ glcg, glasirten Ziegeln, feuerfesten Steinen, Thonröhren und Töpfer⸗ geschirren.

Aus der gesteigerten Einfuhr auf eine ungünstige Wirkung der Schutzzölle und der Konventionen schließen zu wollen, wie dies von freibändlerischer Seite vielfach geschehen ist, wäre nur dann zutreffend, wenn die deutsche Ausfuhr in entsprechendem Maße gestiegen wäre oder die einheimischen Fabriken über mangelnde Beschäftigung zu klagen gehabt hätten. Keins von beiden aber ist der Fall gewesen und man kann demnach mit Recht darauf schließen, daß das lange zurück⸗ gehaltene Bedürfniß nach Industrie⸗Erzeugnissen in außergewöhnlichem Umfange gewachsen ist. Andererseits geht aber aus den erwähnten Erscheinungen hervor, daß das Ausland sofort eine sich bietende Möglichkeit zur Einfuhr nach Deutschland wahrnimmt, und eine Herabsetzung der Schutzzölle unsere Industrien in einen äußerst gefahrvollen Kampf mit dem Auslande verwickeln würde, aus welchem allenfalls nur der Zwischenhandel Nutzen ziehen könnte. Vom volks⸗ wirthschaftlichen Standpunkte ist es aber rationeller, wenn sich der deutsche Zwischenhandel der deutschen Industrie durch Hebung des Exvorts, als der ausländischen Industrie durch Steigerung des Im⸗ ports nutzbar macht. 2

Die Industrien unseres Bezirks sehen daher das Anwachsen der Einfuhr in einem so guten Geschäftsjahre wie das verflossene keines⸗ wegs als ein bedenkliches Symptom an. Sie vertrauen, daß die Beibehaltung der Schutzzölle und die weitere Ausgestaltung der gewerblichen Konventionen zur weiteren Ausbildung der Industrie, zur allmählichen Umwandelung der bisher beobachteten, etwa alle 15 bis 20 Jahre auftretenden wirthschaftlichen Fluthwelle in eine gleich⸗ mäßige und stetige Hebung des Geschäftsganges und zur Stärkung des allgemeinen Nationalwohlstandes beitragen werden. 8

Auch die Abnahme der deutschen Ausfuhr ist nicht geeignet, prinzipielle Bedenken zu erwecken. Wie sie ihre Erklärung in den schon erwähnten Ursachen findet, so ist auch ihr Ausgleich bei einem Nachlaß des einheimischen Bedarfs zu erwarten.

Nach Mittheilung des Statistischen Amts der Stadt Berlin sind bei den hiesigen Standesämtern in der Woche vom 10. August bis incl. 16 August cr. zur Anmeldung gekommen: 194 Eheschließungen, 1015 Lebendgeborene, 28 Todtgeborene, 840 Sterbefäll

Handel und Gewerbe.

Vom oberschlesischen Eisen⸗ und Metallmarkt be⸗ richtet die „Schl. Ztg.“: Obwohl der Geschäftsstand des ober⸗ schlesischen Eisenmarktes die frühere günstige Lage noch bei weitem nicht erreicht hat, so ist doch im Allgemeinen eine vortheil⸗ haftere Strömung nicht zu verkennen. Die Aufträge, besonders auf Baueisen, als Träger, Fagoneisen u. s. w., mehrten sich derart, daß die Werke nicht nur au Wochen hinaus hinreichend beschäftigt sind, sondern auch für diese Eisensorten eine Preiserhöhung um 50 per 100 kg durchzusetzen vermochten. Nachdem eine gewisse Festigkeit des Marktes