1890 / 223 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 16 Sep 1890 18:00:01 GMT) scan diff

Sitzung legte der Minister des Auswärtigen Hintze Ribeiro die englisch⸗portugiesische Konvention mit folgenden Erklärun⸗ gen vor: Die den Handel und die Schiffahrt betreffenden Fest⸗ setzungen der Konvention bezögen sic nicht auf die ehe⸗ malige Provinz Angola; die Konvention regle lediglich den Transitverkehr, und es bleibe Portugal somit unbenommen, Ein⸗ und Ausfuhrzölle zu erheben. Der Vorbehalt einer Zu⸗ e ; Englands zu etwaigen Gebietsabtretungen Seitens Portugals werde durch ein Vorzugsrecht zu Gunsten Englands ersetzt werden. Hierauf wurde der Konventions⸗Entwurf einer Kommission zur Vorberathung überwiesen.

Schweiz. 8

Bern, 15. September. Der Bundesrath hat, wie „W. T. B.“ meldet, die gerichtliche Untersuchung Betreffs der Vorgänge in Tessin beschlossen und mit derselben den Bundesanwalt beauftragt, der bereits morgen nach dem Tessin abgehen wird. Nachrichten aus Bellinzona zufolge hielt der Bundeskommissar Oberst Künzli gestern Nach⸗ mittag mit vier Vertrauensmännern der beiden Parteien, zwei Liberalen und zwei Konservativen, eine Berathung ab, welche 1 ½ Stunden dauerte. In derselben wurde der Vor⸗ schlag des Kommissars, die Volksabstimmung über die Verfassungsrevision am 5. Oktober vorzunehmen, ein⸗

stimmig angenommen. 1 Ueber die ““ Köln. Ztg.“ geschrieben: 4 .eo- 82 Monaten, bei der Scazziga⸗Angelegenheit, wo⸗ durch die Staatskasse um 1 ½ Millionen betrogen wurde, hatte man einen Putsch in Tessin erwartet. Damals mußten zwei Mitglieder des Staatsraths, Ragazzi und Pedrazzini, ihren Abschied nehmen und wurden durch Respini und Rossi ersetzt; Ersterer, ein alter Advokat, der lange in Australien ansässig gewesen, wurde Staatsraths⸗Vorsitzender, Letzterer, ein junger inteliigenter Jurist, hat bei dem jetzigen Aufstande seinen Tod gefunden. Die liberale Partei hatte auf einen durchgreifenderen Wechsel in der Re⸗ gierung gerechnet, wurde aber sehr enttäuscht. Bei den Wahlen wie auch bei den schiedsrichterlichen Entscheidungen über den Secazzigafall zog sie den kürzern. Nun organisirte sie eine Petition, um die Ver⸗ fassungsrevision zu begehren. Mit dieser Revision bezweckte sie die Wiedereinführung der früheren Wahlkreise für die Wahl der Depu⸗ tirten in den Großen Rath des Kantons, wodurch den Liberalen die Möglichkeit gegeben wurde, nach Verhältniß ihrer numerischen Stärke, wenn auch als Minderbeit, ver⸗ treten werden zu können. Ferner bezweckten sie die Wahl zum Staats⸗ rath und der Richter erster Instanz direkt durch das Volk. Die Liberalen hatten bald anstatt der in der Kantonalverfassung vorgeschrie⸗ benen 7000 Stimmen annähernd 10 000 Unterschriften. Nun kamen Ausflüchte und Hintanhaltungen der solchen Bestrebungen feindlichen ultramontanen Regierung, und diese führten unerwartet rasch zum

Sturze derselben. 1 1 Ueber den Verlauf der Revolution berichten die Tele⸗

ramme der „N. Zürch. Ztg.“:

Die erste Erhebung fand in Bellinzona statt Um 2 Uhr Nachmittags hörte man plötzlich die Sturmglocke läuten. Alles glaubte, es sei eine Feuersbrunst ausgebrochen; aber in zwanzig Minuten waren alle Plätze und Zugänge von Leuten besetzt, die mit Vetterli⸗Gewehren und Revolvern versehen waren, und alle Verbin⸗ dungen waren abgeschnitten. Der junge Staatsrath Rossi wollte Widerstand leisten und auf die Aufständischen feuern lassen, wurde aber durch einen Revolverschuß getödtet. Seine Kollegen Casella und Gianella wurden verhaftet. Das Zeughaus, welches das Regierungs⸗ gebäude beherrscht, war vom Anfang an von den Aufständischen be⸗ setzt. Um 3 Uhr bemächtigten sie sich auch des Regierungspalastes. Das Kastell von Bellinzona wurde durch eine Kriegslist genommen. Am Donnerstag Vormittag meldete sich ein fein nach englischem Geschmack gekleideter Herr mit einer schönen Dame beim Wärter, um sich Arsenal und Kastell zeigen zu lassen. Arglos wurde dem mit englischem Accent italienisch radebrechenden Fremden alles gezeigt, und er konnte sich alles genau merken und dem Ausschuß

zu dem Aufstande wird der

vom 16. September. 2

8

Wetterberi

essp. 12 8 8 1e

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Bar. auf 0 Gr u. d. Meeressp red. in Millim.

Temperatur

zeiten. von E. Hertel.

Stationen. tungsfest.

v. Moser.

Mullaghmore 754 Hugenotten.

Aberdeen 762 1 beer. Christiansund 768. Kopenhagen. 771. Stockholm. 770 767

t. Petersb. 767 Moskau 764

Cork, Queens⸗ 756

vn... Cherbourg. 763 766 769 769 winemünde 770 Neufahrwasser 770 Memel 1770 3 wolkig 10 aris 763. 1 wolkenlos 10 ünster. 767 4 wolkenlos 11 Karlsruhe. 766 NO 3 wolkenlos 12 Wiesbaden. 767. still wolkenlos 13 München 766 4 heiter 9 Chemniz. 768 1 wolkig 12 Berlin 769 O 3 wolkig 15 Wien 766 still bedeckt 12 Breslau 769 O 1 wolkenlos 10 Fee d'Aix . 764 NO 2 Nebel 15 izza 764 NO 4 halb bed. 15 Triest 763 ONO 2 balb bed. 17

Uebersicht der Witterung.

Die Wetterlage hat sich im Allgemeinen wenig verändert; der Kern des barometrischen Maximums liegt heute über Südskandinavien. Das Wetter ist über Central⸗Europa andauernd ruhig, vielfach heiter ohne erhebliche Niederschläge. Die Tempe⸗ ratur liegt in Deutschland durchschnittlich noch etwas unter der normalen. Ueber Neufahrwasser und Berlin ziehen die oberen Wolken aus Nordost. Deutsche Seewarte.

—m⸗⸗ß ů,wwwwwwwõwõwõwõwõwõwõwõwõẽõẽõõèõéèêèℛUᷓU]; Theater⸗Anzeigen.

Königliche Schauspiele. Mittwoch: Opern⸗ haus. 176. Vorstellung. Das schlecht bewachte Mädchen. Pantomimisch⸗komisches Ballet in

Anfang 7 Uhr. 2 wolkenlos 2 heiter l bedeckt 2 bedeckt

6 halb bed. 1 wolkenlos 15 nbecnles 12

ede ragt 2 Nebel 11 Freitag: 2 heiter 13 1 heiter 14

Lise.

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lerche. Wildenbruch.

stellertag.

Schauspiel

Gesicht

Nitounche.

Die

Gredelue.

veranlaßt, die Sitzung aufzuheben. Nach Wiederaufnahme der

Aufzügen und 3 Bildern von Paul Taglioni. ens 8 Uhr. Musik von P. Hertel. Tanz⸗Posm in 2 Akten und 4 Bildern Taubert und E. Graeb. Anfang 7 ¼½ Uhr. Schauspielhaus. Schwank in 3 Anfang 7 Uhr. 1 Donnerstag: Opernhaus. 177. Vorstellung. Die Große Oper in 5 Akten von Meyer⸗ Text nach dem Französischen des übersetzt von Castelli.

Schauspielhaus. Schauspiel in 5 Aufzügen von H. Hersch.

Anfang 7 Uhr.

Beutsches Theater. Mittwoch: Der Richter

von Zalamea. Donnerstag:

Das Wintermärchen.

Das Wintermärchen.

Sonnabend: Zum ersten Male: Die Hauben⸗ Schauspiel in 4 Aufzügen von Ernst von

Berliner Theater. Mittwoch: Der Schrift⸗

Donnerstag: Uriel Acosta. Freitag: 3. Abonnem.⸗Vorst. Eva.

Tessing-Theater. Mittwoch: Die Ehre. in 4 Akten von Hermann Sudermann. Anfang 7 Uhr.

Donnerstag: Zum ersten Male: Das zweite Lustspiel in 4 Akten von Oskar Blumen⸗

Wallner-Theater. Mittwoch: Zum 102. Male: Mamsell Nitouche. 4 Bildern von H. Meilhac und A. Millaud. Musik von M. Hervé. Anfang der Vorftellung 7 ¼ Uhr

Donnerstag und die folgenden Tage:

Bictoria-Thrater. Mittwoch: Zum 23. Male: Million. 12 Bildern von Alex. Moszkowski und Nathanson. Musik von C. A. Raida. Anfang 7 ½ Ubr. Donnerstag: Dieselbe Vorstellung.

Bericht erstatten. Mittags nach 12 Uhr erschien der Herr wieder, diesmal von einigen Herren begleitet. Er ward freundlich eingelassen und gab dem Wärter ein Goldstück, und während dieser dasselbe er⸗ staunt anschaute, war er schon von einer Schaar umzingelt. Man hielt ihm einen Revolver vor und zwang ihn, das Arsenal zu übergeben. Nun schleppte man eilig Gewehre und Munition in die Stadt, bewaffnete die Mitverschworenen und begann Sturm zu läuten. Die Landjäger wurden zum Theil auf offener Straße gefangen ge⸗ nommen. Man packte und entwaffnete sie so plötzlich, daß sie sich nicht zur Wehr setzen konnten. Der Beschluß, Revolution zu machen, wurde am 31. August von den Delegirten mit 29 gegen eine Minderheit von 4 Stimmen gefaßt, welche wegen Verfassungs⸗ 9 beim Bundesrath rekurriren wollte; die Mehrheit verwarf den Rekurs, weil er doch fruchtlos sei. Im Geheimen wurden alle Vorbereitungen getroffen, die Gruppenführer wurden erst am Mitt⸗ woch Abend verständigt. Merkwürdig ist, daß das Gebeimniß vollständig gewahrt blieb. In Lugano meldete Nachmittags 2 Uhr ein Telegramm aus Bellinzona, daß die Revolution aus⸗ gebrochen sei. Sofort erklang die Alarmglocke, und es hieß, es sei bei der Speisewirthschaft Bariffi an der Brücke über den Cassarate ein Schadenfeuer ausgebrochen. Wirklich machte sich ein Theil des Polizeicorps und der Bevölkerung dahin auf den Weg. Unterdessen bemächtigten sich einige bewaffnete Bürger des Gendarmeriepostens, und als ein Theil der Gendarmerie zurückkehrte, wurde sie von den bewaffneten Bürgern verhaftet. Man erfuhr unterdessen, daß der Staatsraths⸗Präsident Respini sich im Hause des Advokaten Dr Reali befinde, und die Menge, in der namentlich auch das weibliche Geschlecht stark vertreten war, drang in das Haus Reali's ein und verlangte die Auslieferung Respini’'s. Dieser hatte sich in einer Kammer versteckt und konnte daher nicht gleich gefunden werden. Als er dann vom Hause Reali's zum Gefängniß geführt wurde, bekam er den ganzen Haß des Volkshaufens zu kosten. Die Leute höhnten ihn aus und schrien „der Dieb, der Dieb!“ Die Verhafteten wurden von Männern mit aufgepflanztem Bajonett eskortirt, und man hielt ihnen Revolver vors Gesicht. Staatsrath Bonzanigo war der Einzige, der entkam; er flüchtete ssich auf Urner Gebiet und rief die Inter⸗ vention der katholischen Kantone an. 8 b

Nach dem Einzuge des eidgenössischen Kommissars mit den beiden dorthin entsandten Berner Bataillonen in Bellinzona drohte sich die Lage zu einem Konflikt zuzuspitzen. Das eidgenössische Aufgebot war zwar von den Liberalen mit demonstrativem Jubel empfangen worden, und die bewaffneten Lazzaroni, die vorher die Straßen unsicher ge⸗ macht hatten, verschwanden mit einem Male. Aber die provisorische Regierung weigerte sich, den Weisungen des eidgenössischen Kommissars nachzukommen. Oberst Künzli theilte dem Bun⸗ desrath mit, er halte es für die öffentliche Sicherheit und das Leben der gefangenen Ultramontanen für nicht ungefährlich, die letzteren zu befreien und die provisorische Regierung aufzulösen. Der Bundesrath antwortete, der Kommissar habe beide Maßregeln sofort auszuführen und Bericht zu erstatten, ob und wann die alte Regierung im Falle sei, die Regierungsgeschäfte wieder auf⸗ zunehmen. Ferner wurde der Kommissar ermächtigt, den Tele⸗ graphenverkehr im Kanton zu beaufsichtigen, die Absendung von Depeschen zu verhindern, sowie die Abhaltung von Schützenfesten im ganzen Kanton zu verbieten. Der Kommissar setzte daraufhin der provisorischen Regierung eine Frist bis Sonnabend 11 Uhr für die Entlassung der Regierungsmilizen und bis 12 Uhr für ihren Rück⸗ tritt. Die Ultramontanen sammelten in Locarno Bewaffnete und wollten den Großen Rath dorthin einberufen. Der eidgenössische Kommissar untersagte Beides und ordnete zwei Compagnien der Berner nach Locarno ab. Da die Revolutionsregierung sich weigerte, dem eidgenössischen Kommissar die Regierungsgewalt ab⸗ zutreten, ließ Oberst Künzli um 11 ½ Uhr das Regierungsgebäude be⸗ setzen, ohne Widerstand zu finden. Abends wurde sodann die pro⸗ biferische Regierung aufgelöst unter Annullirung aller ihrer Akte und Anordnungen, die Gefangenen wurden in Freiheit gesetzt und der eidgenössische Kommissar erließ eine Proklamation, in welcher er die Uebernahme der Regierung anzeigt. (Das Weitere ist aus den Tele⸗ grammen des „W. T. B.“ bekannt.)

Türkei.

Konstantinopel, 16. September. (W. T. B.) Der österreichische Botschafter hierselbst Freiherr von Calice ist heute mit dreiwöchentlichem Urlaub nach Wien abgereist.

Der in der Provinz Brussa verhaftete und hierher trons⸗ portirte Kurden⸗Häuptling Mussa Bey ist hier eing troffen. .

1“ Serbien.

Belgrad, 15. September. (W. T. B.) Der Minister des Innern hat die nöthigen Verfügungen Behufs Errich⸗ tung einer achttägigen Kontumaz für Schweine rumänischer Provenienz getroffen.

Amerika. 8

„Vereinigte Staaten. Washington, 15. September.

Die Repräsentantenkammer hat, wie „W. T. B.“ meldet,

die vom Senat beschlossenen Abänderungen zu der Tarifbill abgelehnt.

Brasilien. Rio de Janeiro, 16. September. Die Wahlen zur Legislative sind, dem „W. T. B.“ zu⸗ folge, in vollkommener Ordnung vor sich gegangen. Unter den Gewählten befinden sich der Handels⸗Minister Glycerio, der Marine⸗Minister van der Holz, der Minister des Aus⸗ wärtigen Bocayura und der frühere Marine⸗Minister Ladario.

Nach Schluß der Redaktion eingegangene Depeschen.

Liegnitz, 16. September. (W. T. B.) Se. Majestät der Kaiser hatte Sich um 8 Uhr früh von Prinkendorf aus zu Pferde ins Manövergelände begeben und kehrte mit den Prinzen und Fürstlichkeiten um 1 Uhr 20 Min. hierher zurück. Die gestrige Ansprache des Ober⸗Bürgermeisters Oertel beantwortete Se. Majestät der Kaiser mit huldvollen Dankes⸗ worten und mit dem Ersuchen, diesen Seinen Dank auch den Bewohnern der Stadt kundzuthun.

Breslau, 16. September. (W. T. B.) Ihre Majestät die Kaiserin widmete den heutigen Vor⸗ mittag dem Besuch mehrerer Wohlthätigkeitsanstalten. Ihre Majestät erschien zunächst, vom Ober⸗Präsidenten von Seyde⸗ witz geführt, in der von der Gräsin Poninska geleiteten Klein⸗ kinder⸗Schule, wo mehrere Kinder Gedichte vortrugen und ein Hoch auf die Söhne Ihrer Majestät ausbrachten. Sodann begab Sch Ihre Majestät nach Mariahilf, wo Allerhöchstdieselbe von der Gräfin Stolberg begrüßt wurde, hierauf nach dem Augusta⸗Hospital des Vater⸗ ländischen Frauenvereins, welches unter dem Protektorat der Herzogin von Ratibor steht. Zum Schlusse wur⸗ den die evangelisch⸗lutherische Diakonissenanstalt Bethanien und die Diakonissenstation Bethlehem besichtigt. Für Nach⸗ mittag ist ein Besuch des Klosters der barmherzigen Brüder und des Klosters der Elisabethinerinnen in Aussicht ge⸗ nommen, wobei Fürstbischof Dr. Kopp die Führung über⸗ nimmt.

NKünchen, 16. September. (W. T. B.) Der hiesige Magistrat hat sich in dem von der Regierung ihm abver⸗ langten Gutachten auf das Entschiedenste gegen die von den hiesigen Brodfabrik⸗Besitzern beantragte Einführung eines Brodzolls in dem städtischen Bezirk ausgesprochen.

Madrid, 16. September. (W. T. B.) Nach Depeschen aus Granada brach gestern Abends 10 Uhr im Alhambra⸗ Palast Feuer aus, welches sich im Alberca⸗Hofe rasch verbreitete und trotz aller Anstrengungen der Hülfeleistenden die nächst⸗ liegenden Galerien ergriff. Das Feuer war bis heute Morgen

noch nicht gelöscht. (Fortsetzung des Nichtamtlichen in der Ersten Beilage.)

Hierauf: Die Jahres⸗

Direktion:! IJulius Fritzsche.

Musik von P.

Das Stif⸗ Aufzügen von G. aus Wien.

Puppenfee.

Haßreiter und Gaul. Musik

181. Vorstellung. Dirigent:

von Saragossa.

Scribe nach dem Französischen von

Tanz von Emil Graeb. Die Anna⸗

Hrn. Binder. Dirigent:

mann. Anfang 7 Uhr. Donnerstag:

Schwätzerin von Saragossa.

182. Vorstellung.

Sardou.

burg. Anfang 7 ½ Uhr.

Velle-Alliance-Theater.

Hasemann. Plätze wie gewöhnlich.

Adolph Ernst-Theater. 12. Male: in 4 Akten von Leon

Ferron. Anfang 7 ½ Uhr

Thomas-Theater. Alte

Vaudeville in 3 Akten und der Menschenfeind. in 3 Akten von Fertns Namfen Wenzel Müller. Anfang

Friedrich-Wilhelmstädtisches Theater.

26. Male mit durchaus neuer Ausstattung: Die Pantomimisches Divertissement von

Arrangirt von J. Haßreiter, K. K. Hofballetmeister Hr. Kavellmeister Knoll. ———

Vorher: Neu in Scene gesetzt: Die Schwätzerin S. Faäamilien⸗Nachrichten.

Komische Operette in 2 Akten

Musik von Offenbach. In Scene gesetzt vom Regisseur Hr. Kapellmeister Feder⸗

Die Puppenfee

Residenz-Theater. Direktion: Sigmund Lauten⸗ burg. Mittwoch: Zum 5. Male: Pariser Sittenbild in 4 Aufzügen von In Scene gesetzt von Sigmund Lauten⸗

Mittwoch: Ensemble⸗Gastspiel der Mit⸗ glieder des Wallner⸗Theaters: Madame Bonivard. Guten Morgen, Herr Fischer!

Unsere Don Inaus. Treptow. Couplets von

Gustav Görß. Musik von Franz Roth und Adolph Donnerstag: Dieselbe Vorstellung.

Mittwoch: Zum 12. Male: Der Alpenkönig und Romantisches Volksmärchen

Raimund. Musik von ½ Uhr. 1“ Donnerstag: Dieselbe Vorstellung.

Urania, Anstalt für volksthümliche Naturkunde. Am Landes⸗Ausstellungs⸗Park (Lehrter Bahnhof). Geöffnet von 12—11 Uhr. Täglich Vorstellung im Theater. Näberes die Anschlag⸗ jettel.

Mittwoch: Zum

von Jos. Beyer.

Carl Treumann. 1 Verlobt: Frl. Luise Buch mit Hrn. Ludwig Christian Kelber (Berlin Erlangen). Frl. Meta Germer mit Hrn. Kaufmann Hermann Lebbin (Berlin Magdeburg). Frl. Marvy Leser mit Hrn. Prem.⸗Lieut. Karl Bahl (Hamburg Konstanz) Frl. Helene Wagner mit Hrn. Arthur Tauscher (Chemnitz). Frl. Emma nieh mit Hrn. Ernst Pagels (Dörgelin Neu⸗ Ferréol. alen). V Victori Verehelicht: Hr. Otto Hillringhaus mit Frl. Helene Jamart (Berlin Barmen). Hr. Wilh. Tiedcke mit Frl. Mathilde Hertha (Parchim).

Hugo Gerber mit Frl. Anna Fleischer

Vorher: Die

n 1 .Djese r. esneeseg 8 .. dug0 Felgehcburs i. Schl). Hr. Gustav

8 Wilsky mit Frl. Hedwig Lettow (Tessin). W Geboren: Ein Sohn: Hrn. Otto Wienecke 8 (Berlin). Hrn. Amtsrichter Guenther (Herrn⸗ stadt). Hrn. Beuß (Kiel). Hin Albert Baetcke (Gr. Köthel). Hrn. Anton Neumeister (Chemnitz) Eine Tochter: Hrn. Reg.⸗ Assessor Dickhuth (Stade). Hrn. Apotheker H. Balthaser (Breslau). Hrn. Herm. Behrens (Ebstorf).

Gestorben: Hr. Pastor emer. Leopold Hollmann (Hackenberg). Hr. Geh. Baurath a. D. Albrecht Pralle (Hannover). Frau Amtsgerichts⸗Rath Dr. Bleich (Berlin). Hrn. Gymnasiallehrer Dr. Kühn Tochter Elisabeth (Breslau). Frau Christiane Friederike Ahme (Chemnitz). Hr. Erbpächter Johann Höft (Kritzkow).

Direktion:

Preise der

Mittwoch: Zum Gesangsposse

Jakobstraße 30. Redacteur: Dr. H. Klee.

Verlag der Expedition (Scholzz.

Berlin:

Anstalt, Berlin SW., Wilhelmstraße Nr. 32.

Ausstattungsstück in Rich. Ballet von

Modernes Concert-Haus.

Karl Meyder⸗Concert.

Concert⸗Anzeigen.

Eröffnung der 24. Concert⸗ Saison am Donnerstag, den 18.

Vier Beilagen (einschließlich Börsen⸗Beilage),

und die Inhaltsaugabe zu Nr. 5 des öffent⸗

Erstes lichen Anzeigers (Kommanditgesellschaften anf

September.

vom S. bis 13. September 1890.

Druck der Norddeutschen Buchdruckerei und Verlags⸗

Aktien und Aktiengesellschaften) für die Woche

nachstehend abgedruckt:

No. 223.

Er st e B ei la ge

zum Deutschen Reichs⸗Anzeiger und Königlich Preußischen Staats⸗Anzeiger

Berlin, Dienstag, den 16. September

nC

Deutsches Reich.

Zwischen der Deutschen Witu⸗Gesellschaft und der Britisch⸗Ostafrikanischen Gesellschaft waren im Jahre 1888 Differenzen über die Pachtung der Zollerhebung und Verwaltung der dem Sultan von Sansibar gehörigen Insel Lamu entstanden. Die Entscheidung in dieser Ange⸗ legenheit wurde durch die deutsche und englische Regierung dem Schiedsspruch des belgischen Staats⸗Ministers Baron

ambermont unterbreitet. Der Schiedsspruch, welcher unter dem 17. August 1889 gefällt wurde, ist zu Ungunsten der Witu⸗Gesellschaft ausgefallen. Der Wortla esselben ist

Schiedsspruch, betreffend die Insel Lamu

8

„Wir, Baron Lambermont, Staats⸗Minister Sr. Majestät des Königs der Belgier,

Niach Uebernahme des Schiedsrichteramts, das uns von der Re⸗ gierung Sr. Majestät des Deutschen Kaisers, Königs von Preußen, und von der Regierung Ihrer Majestät der Königin von Groß⸗ britannien und Irland, Kaiserin von Indien, in Betreff einer zwischen der Deutschen Witu⸗Gesellschaft und der Kaiserlichen Englisch⸗ Ostafrikanischen Gesellschaft entstandenen Streitigkeiten übertragen worden ist;

Mit dem aufrichtigen Wunsche, durch eine gewissenhafte und unparteiische Entscheidung dem Vertrauen zu entsprechen, das uns die beiden Regierungen bezeigt haben;

„Nach gehöriger Prüfung und reiflicher Erwägung der von beiden Seiten beigebrachten Dokumente;

„Und Willens, über das Streitobjekt, nämlich die Pachtung der Zollerhebung und Verwaltung der an der Ostküste Afrikas gelegenen Insel Lamu, Entscheidung zu treffen;

„Ihndem die Eine der Parteien für die Deutsche Witu⸗Gesellschaft die Priorität des Rechtes auf diese Pachtung geltend macht;

Während die Andere behauptet, daß der verstorbene Sultan und der jetzige Sultan von Sansibar sich verpflichtet haben, an die Kaiserliche Englisch⸗Ostafrikanische Gesellschaft diese selbe Pachtung ab⸗ zutreten, und daß die von Seiten Deutschlands erhobenen Einwen⸗ dungen nicht von der Beschaffenheit seien, den Souverän der Insel Lamu zu verhindern, die von seinem Vorgänger und von ihm selber gegen diese Gesellschaft Verpflichtungen zu erfüllen.

In Erwägung, daß die von der Kaiserlich deutschen Regierung eingereichte Denkschrift an erster Stelle das Recht der Witu⸗Gesell⸗ schaft aus der am 29. Oktober und am 1. November 1886 zwischen Deutschland und England abgeschlossenen Uebereinkunft und aus der Bedeutung, die diesem Abkommen Seitens der kontrahirenden Mächte beigelegt werden sollte, herleitet;

In Berücksichtigung, daß die besagte Uebereinkunft das Gebiet, auf dem sie innerhalb der ausdrücklich festgesetzten Grenzen in An⸗ wendung kommen soll, abgegrenzt hat, nämlich, vom Meere ausgehend durch den Rowuma im Süden und durch den Tama im Norden;

daß dieselbe darauf diese Strecke in zwei Zonen getheilt hat durch eine dem Wanga oder Umbe folgende Demarkationslinie;

daß von diesen beiden Zonen die Eine ausschließlich dem sich im Süden der Demarkationslinie geltend machenden deutschen Einfluß und die Andere ausschließlich dem sich im Norden dieser Linie geltend machenden englischen Einfluß zugewiesen worden ist;

daß die bezüglichen Grenzen der beiden Interessen⸗Zonen in dieser Weise klar fixirt sind und durch die Demarkationslinie und den Um⸗ riß gebildet werden, über den hinaus sie sich nicht ausdehnen können, ohne das durch das Abkommen bestimmte Territorium zu verlassen;

In Berücksichtigung, daß, um aus dem Geist oder Sinn der Uebereinkunft eine Folgerung zu ziehen, die nicht aus ihrem Wortlaut hervorgeht, und die Deutschland eine ausschließliche Aktionsfreiheit hinsichtlich der nördlich vom Tana gelegenen Territorien verleihen würde, zu diesem Behufe eine besondere neue Verständigung zwischen den kontrahirenden Mächten hätte getroffen werden und gehörig zum Ausdruck kommen müssen;

daß jedoch kein das Vorhandensein einer solchen Verständigung erweisendes Dokument beigebracht ist;

daß dieser Erweis sich nicht aus der Note der britischen Regie⸗ rung vom 7. September 1888 ergiebt, da unter Anerkennung, daß die englische Interessen⸗Sphäre sich nicht bis an den Osifluß erstreckt, dieses Dokument völlig mit den Bestimmungen des Abkommens von 1886 übereinstimmt, das seine Anwendung auf die zwischen dem Ro⸗ wuma und dem Tana eingeschlossenen Territorien beschränkt,

Aus diesen Gründen:

Erachten wir, daß unbeschadet der Klausel, welche den Küsten⸗ streifen zwischen Kipini und dem äußersten Norden der Mandabucht als zu dem Witulande gehörig anerkennt, das englisch⸗deutsche Ab⸗ kommen vom 29. Oktober und 1. November 1886 ebenso wenig

8 jenseits des Tana als jenseits des Rowuma Geltung hat und Keiner

der Parteien ein Vorzugsrecht auf die Pachtung der Zollerhebung und

Verwaltung der Insel Lamu giebt, da diese außerhalb der Grenzen belegen ist, innerhalb deren diese Abmachung nach ihren eigenen Aus⸗

drücken zur Anwendung kommen 5 I

In Erwägung, daß nach der deutschen Denkschrift die Inseln der Mandabucht vom geographischen Gesichtspunkte aus zu dem Witu⸗

lande gehören und dessen Verlängerung bilden würden; daß in kom⸗

.

merzieller Hinsicht die Insel Lamu der Stapelplatz der aus dem Witulande kommenden und der für diese deutsche Besitzung bestimmten Waaren ist, und daß noch endlich nach juridischer oder politischer Seite hin ihre Abhängigkeit vom Festland aus den viel⸗ fachen Beziehungen der Insulaner zu dem Festlande und den sich daran knüpfenden Fragen eigenthumsrechtlicher und kultureller Natur erhellt, indem diese Thatsachen zusammen bewiesen, daß die Verwaltung der Insel denjenigen Händen anvertraut werden müßte, welche die des Festlandes inne bätten; 8

In Erwägung, daß die englische Denkschrift ihrerseits die Insel

Lamu als einen seit langer Zeit bestehenden Stapelplatz für den

8

britischen Handel, als einen Anlaufshafen für die die Verbindung mit Ost⸗Afrika herstellenden Dampfer der Britisch⸗Indischen Compagnie

und als ein Handelscentrum darstellt, das sich fast ausschließlich in den

8

Händen englischer Geschäftsleute befindet; 8

In Berücksichtigung, daß eine sich auf die Nachbarschaft des Festlandes gründende Schlußfolgerung Betreffs der Insel Lamu gegen die förmliche Klausel des englisch⸗deutschen Abkommens vom 29. Ok⸗

tober und 1. November 1886 nicht durchzudringen vermöchte, welches

diese Insel zu den Besitzungen rechnet, für welche das Hoheitsrecht des Sultans von Sansibar anerkannt worden ist, und daß, wenn Erwägungen, die sich auf das wirthschaftliche und

administrative Interesse oder auf politische Zuträglichkeit stützen, zwar

die Vortheile oder die Unzuträglichkeiten, die eine den Absichten der

Einen oder der Anderen der Parteien entsprechende Lösung darbieten

würde, zu beleuchten vermögen, solche Gründe doch nicht die Bedeu⸗ ung eines völkerrechtlich anerkannten Erwerbsmodus haben, * b Aus diesen Gründen:

Erachten wir, daß weder die geographische Abhängigkeit noch die

kommerzielle Abhängigkeit, noch das rein politische Interesse Eine der Pagteien in den Stand setzt, von Rechtswegen die Abtretung der ollerhebung und der der Insel Lamu zu beanspruchen.

„Nachdem in dieser Weise über die Fragen präjudizieller Natur entschieden ist und die Streitigkeit noch auf das Gebiet der angeblich von den Sultanen Sansibars gegen beide Parteien eingegangenen Verpflichtungen beschränkt bleibt;

In Erwägung, daß es angezeigt ist, zu untersuchen, ob und bis zu welchem Punkte die von beiden Parteien angezogenen Verpflich⸗ tungen die zur Rechtfertigung ihres Bestehens und ihrer Gültigkeit nothwendigen Bedingungen erfüllen;

Betreffs der Deutschen Witu⸗Gesellschaft:

In Erwägung, daß der deutsche General⸗Konsul und Hr. Töppen, Vertreter der Witu⸗Gesellschaft, am 10. Dezember 1887 vom Sultan Said Bargasch in Audienz empfangen worden sind, über welche Audienz der General⸗Konsul seiner Regierung einen Bericht abgestattet hat, der zwar nicht beigebracht worden ist, dessen Inhalt jedoch die deutsche Denkschrift in folgender Weise angiebt: „Das Ergebniß der eingehenden Unterredung faßt sich dahin zusammen, daß der Sultan nach Abschluß des anderen Abkommens mit der Deutsch⸗ Ostafrikanischen Gesellschaft zur Ertheilung der Konzession für die Inseln der Mandabucht an die Witu⸗Gesellschast sich sofort bereit erklärte und nur wegen Festsetzung der Geldentschädigung in der einen oder andern Weise noch freie Hand zu haben wünschte.“; und daß der General⸗Konsul in seinem Brief an den Sultan Said Khalifa vom 16. November 1888 sich folgendermaßen ausdrückt: „Ich erlaube mir darauf hinzuweisen, daß unter Seyyid Bargasch bereits Ver⸗ handlungen über die Ertheilung einer Konzession für die Inseln der Mandabucht an die deutsche Witu⸗Gesellschaft, deren Vertreter Kurt Töppen in Lamu ist, geführt worden sind; Seyyid Bargasch hat Herrn Töppen in meiner Gegenwart in Audienz empfangen und seine Bereitwilligkeit, ein derartiges Abkommen zu treffen, ausgesprochen, sobald der Vertrag mit der Deutsch⸗Ostafrikanischen Gesellschaft zum Abschluß gelangt sei“;

„In Berücksichtigung, daß die Ausdrücke, deren sich der Sultan bedient hat, in ihrem natürlichen Sinn die Absicht einschließen, eine Uebereinkunft zum Abschluß zu bringen;

daß, um diese Absicht in ein einseitig verpflichtendes Versprechen (promesse unilatérale) von der Kraft einer Uebereinkunft umzu⸗ wandeln, die Willensübereinstimmung sich in dem ausdrücklichen Ver⸗ sprechen Einer der Parteien, verbunden mit der Annahme der Anderen, hätte manifestiren müssen, und daß diese Willensübereinstimmung sich auf die wesentlichen, den Gegenstand der Uebereinkunft bildenden Be⸗ standtheile hätte erstrecken müssen;

In Berkcksichtigung, daß in dem hier vorliegenden Fall die Pachtung der Zollerhebung und der Verwaltung eines Territoriums oder eines Hafers ein zweiseitig verpflichtender Vertrag (contrat synallagmatique) sein müßte, der auf Seiten des Verpächters die Abtretung der Ausübung der Hoheitsrechte enthält, die hinsichtlich ihres Gegenstandes und ihrer Dauer sehr verschiedenartig formulirt werden können, auf Seiten des Pächters in einem entweder als Fixum oder als Tantième zu entrichtenden Zinse besteht;

daß in den dem Sultan zugeschriebenen Worten, so wie sie in der deutschen Denkschrift resümirt und in dem Brief des deutschen General⸗Konsuls vom 16. November 1888 wiedergegeben sind, die wesentlichen Bedingungen des einzugehenden Vertrages sich nicht be⸗ stimmt finden; 8 —Ighn Berücksichtigung, daß, wenn auch kein Gesetz eine bestimmte Form für die Uebereinkommen unabhängiger Staaten vorschreibt, es nicht minder den internationalen Gepflogenheiten entgegen ist, Ver⸗ feage⸗ von solcher Art und von solcher Wichtigkeit mündlich zu be⸗

ießen;

daß die Annahme der schriftlichen Form sich besonders bei den Beziehungen zu den Regierungen wenig civilisirter Völker empfiehlt (s'impose), welche oft nur den in feierlicher oder schriftlicher Form abgegebenen Versprechungen verbindliche Kraft beilegen;

daß, besonders vorliegenden Falls, das Bestehen einer mündlichen Uebereinkunft aus förmlichen Stipulationen resultiren müßte, und daß man dasselbe nicht ohne schweren Nachtheil für die Sicherheit und Leichtigkeit des internationalen Verkehrs aus der einfachen Erklärung würde herleiten können, daß man bereit sei eine Konzession zu be⸗ willigen;

In Berücksichtigung, daß andere Schriftstücke aus der in Frage kommenden Zeit nicht beigebracht sind als nur der Brief vom 21. November 1887, in welchem der deutsche General⸗Konsul dem Sultan Said Bargasch den Vorschlag des Herrn Töppen übersandt hat, und die von demselben Tage datirte, zur Hauptsache sich nicht auslassende Empfangsbestätigung des Sultans;

daß zwischen dem 10. Dezember 1887, dem Tage der angeblichen Versprechung des Sultans, und dem 28. März 1888, dem Tage seines Todes, kein Dokument, keine, weder schriftliche noch mündliche, von Sr. Hoheit ausgehende Aeußerung beigebracht worden ist, worin Seine Zustimmung zu dem Vorschlage des Vertreters der Witu⸗ Gesellschaft bestätigt oder enthalten wäre;

daß nach den wiederholentlich sowohl dem deutschen als dem englischen Generalkonsuxl abgegebenen Versicherungen des jetzigen Sultans weder in den Archiven des Sultanats noch in den Erinne⸗ rungen der Beamten irgend eine Spur einer solchen Einwilligung an den Tag gekommen, und daß, falls man die eben erwähnten Schrift⸗ stücke aufgefunden hätte, die Empfangsbescheinigung des Sultans be⸗ zeugt haben würde, daß Se. Hoheit an dem Tage ihres Datums nichts entschieden hatte;

daß demnach, welchen Sinn man auch den Worten des Sultans beilegen möchte, allein der Beweis der Eröffnung der Verhandlung erbracht ist; daß hinsichtlich des Vertragsabschlusses selber, wie er in dem vom deutschen Generalkonsul an den Sultan geschriebenen Brief vom 16. November 1888 erwähnt wird, und wie er in der von demselben Geschäftsträger an seine eigene Regierung in Folge der Audienz vom 10. Dezember 1887 gerichteten Depesche gemeldet wird, die Frage nach der bona fides ganz bei Seite gesetzt, auf internationalem wie auf jedem andern Gebiete der Grundsaß gelten muß, daß Niemand sich selbst einen Rechtstitel schaffen kann;

In Berücksichtigung endlich, daß, wie vertrauenswürdig auch der konsularische Beamte sei und seine bona fides ganz außer Betracht gezogen, die Worte des Sultans Said Bargasch arabisch gesprochen und von einem Dragoman entgegengenommen und übersetzt sind, ohne daß es möglich ist, die Treue dieser Uebersetzung zu prüfen und ohne daß ihre Auslegung vom verstorbenen Sultan genehmigt oder von seinem Nachfolger anerkannt ist,

Aus diesen Gründen:

Erachten wir, daß der Nachweis der Verpflichtung, welche der Sultan Said Bargasch am 10. Dezember 1887 in Betreff der Ver⸗ pachtung der Zollerhebung und der Verwaltung der Insel Lamu eingegangen sein soll, nicht als in rechtsverbindlicher Weise erbracht gelten kann; 3

daß in Folge dessen die besagte Gesellschaft kein Vorzugs⸗ oder Prioritätsrecht auf die Erklärungen des Sultans in der an jenem Tage stattgehabten Unterredung gründen kann; 8 3

In Erwägung, daß es angezeigt ist, zu prüfen, ob nicht die thatsächlichen Ereignisse seit dem Regierungsantritt des jetzigen Sultans dazu angethan sind, das Wohlgegründete der obigen Schluß⸗ folgerungen zu ändern;

In Berücksichtigung, daß nach der deutschen Denkschrift der Sultan Said Khalifa im Juni 1888 dem deutschen General⸗Konsul erklärt haben soll, daß er keine Konzession mehr bewilligen würde, ohne sich mit den Vertretern Englands und Deutschlands verständigt zu haben, und daß nach dem Brief des deutschen General⸗Konsuls an den Sultan vom 16. November desselben Jahres dieser Letztere ihn versichert haben soll, daß englischerseits noch kein Antrag gestellt sei und daß er in solchem Falle vorgängig den deutschen General⸗Konsul um seine

Meinung befragen würde; 8

In Berücksichtigung, daß Said Khalifa in seinem Brief vom 12. Januar 1889 an den gedachten General⸗Konsul in Abrede stellt, daß er diese Erklärungen abgegeben habe oder habe abgeben können, indem der Irrthum nach seiner Meinung von einem dem Dragoman zuzuschreibenden Mißverständniß herrühren könne und daß Se. Hoheit in seinem der englischen Denkschrift beigefügten Briefe an den eng⸗ lischen General⸗Konsul seine Ableugnungen wiederholt hat;

daß man, ohne die bona fides der Parteien in Frage zu stellen, anerkennen kann und muß, daß die betreffenden Erklärungen an und für sich der Witu⸗Gesellschaft kein Recht auf die Insel Lamu haben verleihen können; daß dieselben im Uebrigen, was ihre Bedeutung nach anderer

Seite hin angeht, hinsichtlich ihrer Form unter die Anwendung de oben entwickelten Grundsätze fallen, 3

1 Aus diesen Gründen: 8

Erachten wir, daß die Thatsachen, welche nach der Unterredung vom 10. Dezember 1887 eingetreten sind, die Bedeutung der Letzteren so wie sie in den vorgehenden Auseinandersetzungen bestimmt ist, nicht geändert haben; 1 5

Was die Kaiserliche Englisch⸗Ostafrikanische Gesellschaft betrifft:

In Erwägung, daß nach der Darstellung der englischen Denk⸗ schrift die Sultane von Sansibar seit 1877 die Abtretung der di Insel Lamu einschließenden Territorien Herrn William Mackinnon dessen Associés und der künftigen Britischen Gesellschaft beständig zur Annahme bereit gehalten hätten, daß besagte Abtretung, weit entfernt, zurückgewiesen oder zurückgezogen zu werden, von Zeit zu Zeit gewisse Theile dieser Territorien angenommen worden sei, während der Rest und insbesondere Lamu der fernerweiten Verfügung der besagten Personen und der besagten Gesellschaft vorbehalten worden;

In Berücksichtigung, daß der zur Begründung dieser Ver⸗ sprechungen erforderliche Abtretungsvertrag sich als ein bloßer Ent⸗ wurf ohne Datum und ohne Unterschrift erwiesen hat; 3

daß man denselben in dieser Form nur als ein dem Sultan ge⸗ machtes Anerbieten anseben kann, und nicht erwiesen ist, daß dasselbe in eine Abtretung Sr. Hoheit an Herrn Mackinnon oder in ein all⸗ gemeines Versprechen, die Verwaltung des Sultanats an die Englische

Gesellschaft abzutreten, umgewandelt worden ist, welches Versprechen diese Gesellschaft nach und nach für verschiedene Theile der dem Sultan gehörigen Territorien angenommen haben soll; 1

daß keines der späteren, von der Englischen Gesellschaft allegirten Dokumente direkt und deutlich dieses Entwurfs, dessen Ausführung nie versucht worden, Erwähnung thut;

daß nach der in der englischen Denkschrift enthaltenen beeideten Zeugenaussage des Generals Mathews, Commandeurs der Sultans⸗ truppen, vom 23. Januar 1889 vor etwa neun Jahren Verhandlungen angeknüpft und bis zum Beginn des Jahres 1887 fortgeführt worden, aber kein Vertragsabschluß während dieser Zeit zu Stande gekommen;

daß die von dem Sultan Said Bargasch dem englischen

General⸗Konsul in feierlicher Form zugestellte Schrift vom 6. De⸗ zember 1884 unnütz gewesen wäre, wenn der Entwurf von 1877 die Kraft eines kontraktlichen, für den Sultan bezüglich der Kaiserlichen Englischen Gesellschaft absolut verbindlichen Versprechens gehabt hätte; daß es nicht möglich ist, auf Grund der beigebrachten Dokumente die Verhandlungen, welche im Frühjahr 1887 durch Herrn Mackinnon wieder aufgenommen worden, direkt mit jenem Entwurf dermaßen zu verknüpfen, daß sich dieselben als Vollziehung einer früheren voll⸗ ständigen und gültigen Uebereinkunft darstellen würden;

In Berücksichtigung, daß der Sultan Said Bargasch am 22. Februar 1887 an Herrn Mackinnon ein Telegramm richtete, in welchem Se. Hoheit sich bereit erklärte, ihm die Konzessionen zu be⸗ willigen, welche er (Mackinnon) früher vorgeschlagen, und daß auf dies Anerbieten am 24. Mai der Abschluß eines der Kaiserlichen Englischen Gesellschaft den Küstenstrich vom Wanga bis Kipini ab⸗ tretenden Abkommens erfolgt ist;

daß in diesem Abkommen nirgends der nördlich von Kipini be⸗ legenen und die Insel Lamu einschließenden Territorien Erwähnung geschieht;

daß rücksichtlich dieser die Kaiserliche Englische Gesellschaft sich darauf beschränkt, das Zeugniß des Generals Mathews anzurufen, welcher erklärt, daß seines Wissens diese Territorien Herrn Mackinnon vom Sultan im Jahre 1887 angeboten sind; daß er immer ange⸗ nommen, dieselben seien dem Wunsch des Herrn Mackinnon geas einer fernerweiten Abtretung vorbehalten worden, und da er als Vertreter des Sultans abgesandt worden, um Herrn E. N. Mackensie, Beamten der Kaiserlichen Englischen Gesellschaft, eine mündliche Mittheilung zu machen, die ihn ermächtigen sollte, Herrn Mackinnon davon zu unterrichten, daß alle Territorien im Norden von Kipini ihm im Voraus (de préférence) angeboten werden würden, wenn sie zur Verpachtung oder Abtretung kommen würden;

In Berücksichtigung, daß in diesem mündlichen Auftrage, mit dem der General Mathews betraut worden, welche Bedeutung auch sein Zeugniß verdienen mag, die Bestandtheile eines wirksamen und positiven Versprechens einer Abtretung, deren wesentliche Bedingungen genügend bestimmt wären, nicht gefunden werden können, und

daß die vorbehaltene oder anticipirte Annahme des Herrn

Mackinnon auf einer rein persönlichen Annahme des Generals beruht;

In Berücksichtigung, daß das Zeugniß des Generals Mathews mit dem oben angezogenen Telegramm des Sultans Said Bargasch bezüglich der Absicht, mit den Engländern zu verhandeln, überein⸗ stimmt, und daß diese Absicht sich in dem Brief seines Nachfolgers an den englischen General⸗Konsul vom 26. August 1888 findet und zum Ausdruck kommt;

daß jedenfalls, wenn dieser letzte Brief ein Abkommen von Re⸗ gierung zu Regierung begründet, die Verwaltung des Sultanats keinem Anderen als Unterthanen des Sultans oder Engländern oder Herrn Mackinnon hinsichtlich Sansibars und Pembas abzutreten, darin noch nicht das direkte und wirksame Versprechen, alle nördlichen Häfen der Kaiserlichen Englischen Gesellschaft selbst abzutreten, enthalten ist;

In Berücksichtigung, daß die Absicht, mit den Engländern zu verhandeln, andrerseits in dem Briefe Said Khalifas an den deutschen General⸗Konsul vom 12. Januar 1889 in überzeugender Weise zum Ausdruck gebracht ist, und daß es nicht angezeigt ist, bei der Ein⸗ wendung zu verharren, daß diese Entschließung wegen falscher Vor⸗ aussetzung ungültig sei, weil nämlich der Sultan Said Khalifa zu derselben nur in der Annahme gelangt sei, daß sein Vorgänger der Englischen Gesellschaft eine Versprechung gemacht habe, indem die Bekanntschaft mit der Mittheilung seines Vorgängers vom 22. Februar 1887 sowie die im Namen des⸗ selben erfolgten Schritte des Generals Mathews mit Recht seinen Entschluß hätten beeinflussen können; und in Anbetracht, daß der Sultan sich überdies nicht in Veranlassung eines einzigen Motivs hat entscheiden können, wie es aus dem gedachten Brief an den deutschen General⸗Konsul und den im Laufe desselben Monats an