1890 / 225 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 18 Sep 1890 18:00:01 GMT) scan diff

Der seit etwa Jahresfrist währende Umbau des Univer⸗ sitätsgebäudes ist nun soweit gedieben, daß mit Beginn des Winter⸗Semesters der östliche Flügel des Gebäudes der Benutzung übergeben werden kann. In die Parterreräume dieses Flügels sind alle Geschäftsräume und Verwaltungsbureaus der Universität, der Quästur, Registratur, Kasse, die Versammlungsräume der Universitätslehrer, Sprechzimmer des Rektors und der Dekane ꝛc. verlegt, während in der ersten und zweiten Etage, in denen früher wissenschaftliche Sammlungen untergebracht waren, neue Hörsäle geschaffen sind. Die Ausstattung der letzteren wird, der „Nat⸗Ztg.“ zufolge, geradezu eine komfortable; insbe sondere sind an Stelle der bisher üblich gewesenen engen Bänke neu konstruirte Sub⸗ sellien mit Klappsitzen und kleinen Schreibtischchen getreten, welche nach und nach auch in den anderen Auditorien eingeführt werden sollen. Die im Mitteltrakte des Gebäudes liegende Säulen⸗ halle, welche zum Aufenthalt der Studirenden in den Pausen dient, sich aber längst als zu klein erwiesen hat, ist durch Be⸗ seitigung zweier Auditorien um mehr als das Doppelte vergrößert worden und bildet nun von der Lindenfront bis zum Kastanienwäldchen einen einzigen gewaltigen Raum. An Stelle des niedergelegten kleinen Seitengebaudes an der Universitätsstraße wird ein Maschinenhaus zur Aufnahme der maschinellen Einrichtungen für die Centralheizung erbaut. Der Umbau des westlichen Flügels der Universität wird im Winter in Angriff genommen werden. Die Dauer des ganzen Umbaues sollte noch das Jahr 1891 in Anspruch nehmen, nach dem gegenwärtigen Stande der Arbeiten hofft man jedoch schon bis Mai 1891 fertig zu werden. Alsdann soll die ganze Fassade des stattlichen Gebäudes renovirt werden, so daß das ebemalige Prinz Heinrich⸗Palais, das nach den Angaben Friedrich des Großen durch den Holländer Johann Boumann und später durch den Baumeister Hildebrandt in den Jahren 1754

bis 1764 erbaut wurde, sich in einem völlig neuen Gewande präsentiren wird.

Im Monat Juli sind in Berlin 343 Proben von Nahrungs⸗ und Genußmitteln zur Untersuchung gelangt, die in 52 Fällen zu Beanstandungen geführt hat. Diese betrafen Olivenöl, Pfeffer, Macisblüthe, Ingwer, Cassia, Gries, Chokolade, Essig, Himbeerliqueur, Selterwasser, Rum, grüne Pfeffer⸗ gurken, amerikanische Scheibenäpfel und Wein. Besondere Erwähnung verdient im Vergleich zu dem vormonatlichen Befund, daß unter den 50 zur Untersuchung gelangten Butterproben nicht eine einzige sich als verfälscht oder der Verfälschung verdächtig erw iesen hat. Auch die Schmalzproben waren rein. Die Milchproben ent⸗ sprachen sämmtlich den Forderungen der Polizei⸗Verordnung. Sehr reichlich sind die Griesproben als unrein und mehr oder weniger stark verdorben befunden worden. Sie enthielten zum Theil sehr erheblich Milbenkoth und es wimmelten einige der Proben von Mehlmilben.

Ein prachtvolles Panoramabild prangt seit einigen Tagen an den Anschlagsäulen und erregt die Aufmerksamkeit der Passanten in außergewöhnlicher Weise. Dasselbe stellt zwei hervor⸗ ragend merkwürdige Gruppen aus dem Kolossal⸗Rundgemälde des National⸗Panoramas in der Herwarthstraße 4 aus dem Siegeseinzuge des römischen Imperators Constantin dar und zwar einerseits den ruhmgekrönten, mit dem Lorbeer geschmückten Cä⸗ saren in der mit vier herrlichen Schimmelhengsten bespannten gol⸗ denen Quadriga, und zweitens eine Gruppe geharnischter, helm⸗ geschmückter römischer Tuba⸗ und Posaunenbläser richtiger gesagt Militärmusiker —, welche von einer Mauerzinne herab dem in das ewige Rom einziehenden siegreichen Feldherrn und Kaiser Triumphfanfaren entgegenschmettern. Interessant ist bei diesen Bläsern, deren Armatur der Maler mit historischer Treue wiedergegeben, daß die Roßhaar⸗ büsche auf ihren Helmen die rothe Farbe zeigen, wie es noch beut zu Tage in der preußischen Armee der Brauch ist. Sr. Majestät dem Kaiser siel diese Analogie zwischen den römischen Kriegern aus dem vierten Jahrhundert und den modernen preußischen Truppen gleich beim ersten Besuche des Panoramas in die Augen.

Theodor Fontane, der treffliche Sänger und Pfadfinder der märkischen Heimath, ist jetzt in einer Straße in nächster Nähe von Berlin verewigt worden. Die neue Straße in Steglitz, die mit der Eisenbahn parallel in der Richtung nach Zehlendorf führt, hat, wie die „Nat.⸗Ztg.“ mittheilt, den Namen Fontanestraße erhalten.

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Einer kürzlich veröffentlichten Statistik entnimmt die „Voss. Ztg.“, daß Berlin im Jahre 1889 2 692 471 hl Bier getrunken hat. Die Einwohnerzahl Berlins beträgt rund 1 550 000 Köpfe, sodaß mithin auf jeden Kopf fürs Jahr 1 ½ hl Bier kommt, oder 150 l, was etwa 1⁄10 1 Bier für den Tag betragen würde. In München kommen auf jeden Einwohner täglich etwa 2.4 1.

Ueberschwemmungen. 6

Dem „Dr. Journ.“ wird unterm 14. September aus Böhmen geschrieben: Schrecklich verwüstet sind die Uferfelder und Wiesen an der Elbe, Moldau, und stellenweis auch an der Eger. Der Druck des Wassers hat in den Obstplantagen, deren Blüthenpracht in jedem Frühjahr das Auge des Reisenden erfreut, arg gehaust. Viele Bäume sind entwurzelt, viele andere sind von herangetriebenen Hölzern und Fahrzeugen schwer beschädigt und angesplittet. Die Kartoffel⸗ und Rüben⸗ felder sind zerrissen, verschiammt, und wie niedergetreten sehen auch die Heu⸗ und Gemüsegärten der kleineren Leute aus. Oft kann man nicht erkennen, was auf dem versandeten und durch das Wasser ein⸗ geebneten Boden überhaupt gestanden hat. Das Flachland am Fuß des böhmischen Mittelgebirges gleicht heute noch einer Reihe großer Seen, so langsam verläuft sich das Wasser und noch ist der Verkehr zwischen einzelnen Nachbardörfern auf weite Umwege gewiesen. Die Mauern der inundirt gewesenen Gebäude triefen noch vor Feuchtigkeit, ein großer Theil der Wohnräume ist natürlich durchaus unbewohnbar und wochenlanger trockener und warmer Witterung wird es berürfen, ehe dieselben ohne Gefahr für die Gesondheit bewohnt werden können. Die Verluste an Kleinvieh und Wild sind sehr bedeutend; das Wasser ist so plötzlich gekommen, daß häufig an ein Retten gar nicht zu denken war und die Menschen froh sein mußten, wenn sie sich selbst noch in Sicherheit bringen konnten So war beispielsweise eine in der Nähe der Landwehrkaserne bei Leitmeritz übende Abtheilung von Landwehrleuten derart vom Hochwasser überrascht worden, daß sie hatte schleunigst und auf großen Umwegen das Feld räumen müssen.

Aus Pest, 16. September, schreibt die „Wien. Abdp“: Der Wasserstand vermindert sich fortwährend. Seit gestern beträgt die Abnahme 6 cm. 1

„W. T. B.“ meldet aus Sofia, 17. September: Der Bahn⸗ verkehr mit Konstantinopel ist seit gestern Abend in Folge der durch fünftägige Regengüsse hervorgerufenen Ueberschwem⸗ mungen zwischen Hermanli und Adrianopel unterbrochen. Der zwischen Sofia und Konstantinopel laufende Postzug mußte gestern nach Tirnowa zurückkehren.

Saarbrücken, 16. September. Ueber das in Nr. 223 d. Bl. gemeldete Grubenunglück auf Zeche Maybach schreibt man der „Germania“: Das Unglück geschah auf der sogenannten Wetter⸗ fohle, wo dieser Tage nur 26 Leute arbeiteten. Die übrigen, noch ca. 570 Leute, welche sich ebenfalls in der Grube befanden, konnten gerettet werden. Wie in ähnlichen Fällen, so zeigte sich auch hier der Muth und die Unerschrockenheit der Bergleute zur Rettung ihrer Kameraden im glänzendsten Lichte; auch das Beamtenversonal war zahlreich vertreten und theilte in der aufopferndsten Weise die Ge⸗ fahren und Mühen der Rettungsmannschaften; Aerzte waren sowohl von Friedrichstbal als Sulzbach herbeigeeilt. Natürlich umringte und füllte den Platz auch eine zahlreich berbeigeströmte Menschenmenge, werunter besonders das Weinen und Schluchzen Derjenigen ergreifend war, die einen Angehörigen in der Arbeit wußten oder bereits von einer Trauerbotschaft ereilt wurden. Alle 10—15 Minuten sahen wir Rettungsmannschaften den Schacht binabsteigen, die dann nach kurzer Arbeit von den giftigen Schwaden überrascht, wie todt ans Tageslicht gefördert wurden, um durch kalte Douche, Bäder und andere ärztliche Orerationen zu Athmung und Bewußtsein gebracht zu werden. Wie wir von einem Augenzeugen erfahren, lag auch Direktor Stapenhorst bewußtlos in der Strecke und wurde durch Hrn. Bergrath Kreuser zu Tage gebracht, wo er sich bald wieder erholte und seine weiteren Anordnungen traf. Auch Hr. Bergrath Kreuser ist bei seinen Rettungsarbeiten von mehrmaliger Ohnmacht heimgesucht worden. Die Arbeiten dauerten die ganze⸗Nacht hindurch; sämmtliche Todte sind in einem nahe gelegenen Schuppen niedergelegt. Auch die katholische Geistlichkeit der umliegenden Pfarreien war zur Stelle, um nöthigenfalls einem Sterbenden die Sterbe⸗ sakramente spenden zu können. So bot die traurige Katastrophe andererseits das erhebende Bild der allgemeinen Theilnahme und auf⸗ opferungsvollster Hülfeleistung. Die meisten lder Verunglückten sind

verheirathet. Unter den Verunglückten befinden sich zwei Brüder Klein von Altenwald ferner zwei Brüder Bauer aus Holz, die Mutter derselben ist Wittwe und verlor schon früher durch ein Grubenunglück ihren Mann. Sämmtliche Todte waren total verbrannt und glichen nur mehr Skeletten. Die Gerichtspersonen begaben sich heute früh an die Unglücksstätte. .

Die „Saarbr. Ztg.“ schreibt: „Ueber die Ursache der Schlag⸗ wetterentzündung laufen die verschiedentlichsten Gerüchte um; aller Wahrscheinlichkeit nach ist dieselbe dadurch hervorgerufen worden, daß durch einen Sprengschuß eine mit Schwefelwasserstoffgas geschwängerte Kluft aufgeschossen und entzündet wurde, wobei, wie allgemein ange⸗ nommen wird, die Wirkung durch Entzündung von Kohlenstaub noch beträchtlich vermehrt wurde.“

Hadersleben, 5. September. Bei der in Nr. 224 des „R.⸗ u. St.⸗A.“ gemeldeten Enthüllung des Denkmals für Kaiser Wilhelm I wurde von den versammelten Festtheilnehmern aus Stadt und Land ein Ergebenheits⸗Telegramm an Se. Majestät den Kaiser abgesandt. Schon am 13. Nach⸗ mittags traf, der „Kiel. Ztg.“ zufolge, tolgendes Antwort⸗ Telegramm ein: „Breslau, den 13. September 1890. Se. Majestät der Kaiser und König lassen der gestern zur Enthüllung eines Denk⸗ mals für Se. Majestät den hochseligen Kaiser Wilhelm I. versammelt gewesenen Festversammlung für das telegraphische Gelübde unver⸗ brüchlicher Treue und Anhänglichkeit herzlich danken und beauftragen Sie, dieses den Festtheilnehmern bekannt zu machen. Im Aller⸗ höchsten Auftrag der Geheime Kabinels⸗Rath von Lucanuse.

4 ——

Pach Schluß der Redaktion eingegangene Depeschen.

Kiel, 18. September. (W. T. B.) An dem öster⸗ reichischen Panzerschiff „Kronprinz Erzherzog Rudolph“ ist die Reparatur beendet; es hat heute seine erste Probefahrt gemacht.

München, 18. September. (W. T. B.) Das Ge⸗ meindekollegium beschloß heute einstimmig, nochmals die Aufhebung der Viehsperre zu fordern und gegen jene landwirthschaftlichen Vereine Stellung zu nehmen, welche die Sperre vertheidigen. 8

Mannheim, 18. September. (W. T. B.) In der heutigen Sitzung des Gustav⸗Adolph⸗Vereins wurde nach dem Bericht des D. Hagemann (Halle) über die drei für die große Liebesgabe von rund 18 000 vorgeschlagenen Gemeinden Forchheim in Bayern, Ranischau in Galizien und Sierakowitz in Westpreußen in namentlicher Abstimmung der Betrag für Forchheim bestimmt.

Dublin, 18. September. (W. T. B.) Die Depu⸗ tirten William O'Brien und Dillon sind heute

Rorgen verhaftet und unter starker militärischer Escorte nach Tipperary abgeführt worden. Verhaftsbefehle sind gleichzeitig gegen die Deputirlen Patrick O'Brien, Sheehy, Condon und den Priester Homphreys erlassen. Die Ursache dieser unerwarteten Maßnahmen ist bis jetzt unbekannt; man vermuthet, daß sie mit dem Versuch, den irischen Feldzugsplan in Tipperary aufrechtzuerhalten, in Verbindung stehen. 8

Bern, 18. September. (W. T. B.) Der eidgenössische Kommissar im Kanton Tessin hat das an ihn gestellte Begehren Respini's und der anderen Staatsräthe auf Uebernahme der Regierung abgewiesen, bis der Bundesrath Entscheidung getroffen habe. Die Abge⸗ wiesenen sind mit der Abfassung einer Deklaration beschäftigt.

(Fortsetzung des Nichtamtlichen in der Ersten Beilage.)

Wetterbericht vom 18. September.

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Bar. auf 0 Gr.

1. d. Meeressp red. in Millim emperatur

nfang 7 Uhr.

in 2 Celsius

50 C. = 40R.

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burg.

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4 Regen 3 bedeckt 2 Nebel

Mullaghmore Aberdeen Christiansund

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des Prosper Mörimse. Dirigent: Kapellmeister Kahl. Schauspielhaus. 3 von Messina, oder: Die feindlichen Brüder. Trauerspiel in 4 Aufzügen von Schiller. Die zur gehörige

Sonnabend: O 1 hänser und der Sängerkrieg auf der Wart⸗ Große romantische Oper in 3 Akten von Richard Wagner. Sächsische Kammersängerin, als Gast.)

Tanz von Paul Taglioni Anfang 7 Uhr.

Die Braut Julius Fritzsche.

183. Vorstellung. Direktion 8

Puppenfee. Haßreiter und Gaul.

Musik von B. A. Weber.

pernhaus. 179. Vorstellung. Tann⸗ Dirigent:

aus Wien. von Saragossa.

Malten, K nach dem Französischen von

(Elisabeth: Frl. 1 Anfang

Hrn. Binder.

Friedrich-Wilhelmstädtisches

28. Male mit durchaus neuer Ausstattung: Die Pantomimisches Divertissement von Musik von Jos. Bevyer. Arrangirt von J. Haßreiter, K. K. Hofballetmeister Hr. Kavpellmeister „Knoll. Vorher: Neu in Scene gesetzt: Die Schwätzerin Komische Operette in 2 Akten Carl Treumann. Musik von Offenbach. In Secene gesetzt vom Regisseur Dirigent: Hr. Kapellmeister Feder⸗

Krania, Anstalt für volksthümliche Naturkunde.

Am Landes⸗Ausstellungs⸗Park (Lehrter Bahnhof). Geöffnet von 12 11 Uhr. Täglich Vorstellung im wissenschaftlichen Theater. Näberes die Anschlag⸗ zettel.

Familien⸗Nachrichten. Verlobt: Frl. Margarethe Knüppel mit Hrn.

Theater.

Freitag: Zum

9 —0

zurück, auf dem wir wohnen.

Königl. Reg.⸗Baumeister A. Reiße (Magdeburg). Frl. Adele Harff mit Hrn. Charles Weerts (M.⸗Gladbach— Tilburg). Frl. Mathilde Lors⸗

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2 wolkenlos 2 Nebel still Nebel 1 wolkenlos 1 halb bed. 1

Kopenhagen. Stockholm. aparanda. t. Petersb. Moskau..

Cork, Queens⸗ toww.. 1 2 1 heiter V Cherbourg 2 bedekt der. ... 2 wolkenlos 3 wolkenlos 3 wolkenlos 3 wolkenlos still wolkenlos 2 wolkig ONO 2 wolkenlos NO 1 heiter still heiter still wolkenlos still wolkenlos Berlin OSO 3 wolkenlos V Wien.. 70 still wolkenlos Breslau 772 OSO 2wolkenlos Jle d'Aix. 763 NO 3 Regen NMizza 767 O 2 heiter O 3 wolkenlos

Uebersicht der Witterung.

Ein barometrisches Maximum über 775 mm liegt über dem Finnischen Busen, ein Minimum unter 754 mm westlich von Schottland. Das ruhige, trockene, vorwiegend heitere, ziemlich kühle Wetter dauert in Central⸗Europa fort. Die Temperatur sank in der Nacht in Kaiserslautern und München auf + 5 Grad. Herrmannstandt meldet + 3 Grad. Deutsche Seewarte.

—ömm-nmłCõMmmmmnʒ— Theater⸗Anzeigen. Königliche Schauspiele. Freitag: Opern⸗

haus. 178. Vorstellung. Carmen. Oper in 4 Akten von Georges Bizet. Text von Henry

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amburg.. winemünde Neufahrwasser Memel... 2.ʒ ünster... Karlsruhe.. Wiesbaden. München.. Chemnitz..

S 6009 6 8

7 Uhr.

Schauspielhaus. 184. Vorstellung. Die Jour⸗ nalisten. Lustspiel in 4 Aufzügen von Gustav Freytag. Anfang 7 Uhr.

Heutsches Theater. Freitag: Das Winter⸗ märchen.

Sonnabend: Zum ersten Male: Die Hauben⸗ lerche. Schauspiel in 4 Aufzügen von Ernst von Wildenbruch.

Sonntag: Die Haunbenlerche.

Verliner Theater. Freitag: 3. Abonnem.⸗Vorst. Eva. Sonnabend: Kean. 8 Sonntag: Nachmittags 3 Uhr: Die Räuber. Abends 7 ½ Uhr: Eva.

Tessing-Theater. Freitag: Das zweite Gesicht. Lustspiel in 4 Akten von Oskar Blumen⸗ thal Anfang 7 Uhr. 8

Sonnabend: b zweite Gesicht

Wallner-Theater. Freitag: Vorletzte Woche der Aufführungen von Mamsell Nitonche. Vaude⸗ „ville in 3 Akten und 4 Bildern von H. Meilhac und A. Millaud. Musik von M. Hervé. Anfang der Vorstellung 7 ¼ Ubr.

Sonnabend und die folgenden Tage: Mamsell Nitonche. 1“

88 Victoria-Theater. Freitag: Zum 25. Male: Die Million. Modernes Ausstattungsstück in 12 Bildern von Alex. Moszkowski und Rich. Nathanson. Musik von C. A. Raida. Ballet Gredelue. Anfang 7 ½ Ubr. S be Dieselbe Vorstel ung. 8

mann. Anfang 7 Uhr. Sonnabend: Die Puppenfee. Schwätzerin von Saragossa.

Vorher: Die

Residenz-Theater. Direktion: Sigmund Lauten⸗

burg. Freitag: Zum 7. Male: Ferréol.

Pariser Sittenbild in 4 Aufzügen von Victorien

Sardou. In Scene gesetzt von Sigmund Lauten⸗

burg. Anfang 7 ½ Uhr. Sonnabend: Dieselbe Vorstellung.

Belle-Alliance-Theater. Direktion: W. Hasemann. Freitag: Ensemble⸗Gastspiel der Mit⸗ glieder des Wallner⸗Theaters: Madame Bonivard. Schwank in 3 Akten von Alex. Bisson und Antonie Mars. Deutsch von Emil Neumann. Hierauf: Guten Morgen, Herr Fischer! Vaudeville⸗ Burleske in 1 Akt nach Lockrop von W. Friedrich. Musik von Ed. Stiegmann. Preise der Plätze wie gewöhnlich. Anfang 7 ½ Uhr. 1

Sonnabend und folgende Tage: Madame Boni⸗ vard. Guten Morgen, Herr Fischer!

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18 8 8

Adolph Ernst-Theater. Freitag: Zum 14. Male: Unsere Don Inanus. Gesangsposse in 4 Akten von Leon Treptow. Couplets von Gustav Görß. Musik von Franz Roth und Adolph Ferron. Anfang 7 ½ Uhr. 1“

Sonnabend: Dieselbe Vorstellung.

8

Thomas-Theater. Alte Jakobstraße 30. Freitag: Zum 14. Male: Der Alpenkönig und der Menscheufeind. Romantisches Volksmärchen in 3 Akten von Ferdinand Raimund. Musik von Wenzel Müller. Anfang 7 ½ Uhr.

Sonnabend: Dieselbe Vorstellung.

bach mit Hrn. Ger.⸗Assessor Hans Blome (Lipp⸗ stadt Verden). Frl. Hedwig Dammann mit Hrn. Gymnasiallehrer Richard Zehender (Halle a. S Hagen, Westpr.). Frl. Agnes Bernick mit Hrn. Franz Guerlin (Berlin). 8 Verehelicht: Hr. Stadtrath August Kalkow mit Frl. Emma Hupe (Magdeburg). Hr. Heinrich Schwarz mit Frl. Toni Rahn (Königsberg). Hr. Ober⸗Stabsarzt Dr. Schultze mit Frl. Eli⸗ sabeth Keil (Saargemünd, Lothr. Königshütte

Geboren: Ein Sohn: Hrn. Paul Noack (Berlin). Hrn. D. Dräger (Nienburg a. d. Weser). Hrn. W. Ruser (Kiel). Hrn. C. Drescher (Breslau). Eine Tochter: Hrn. Prem.⸗Lieut. John Freyend (Goldap). 2 Amtsrichter Dr. Jonientz (Nicolai). Hrn. Prem ⸗Lieut. Sommer (Gnesen). Hrn. Dr. med. Karl Roese (Hamburg). Hrn. Rechtsanwal Zdralek (Kupp). 1

Gestorben: Hr. Königl. Kanzlei⸗Rath a. D. Rudolph Lingner (Schweidnitz). Hr. Oskar Brandt (Singapore). Hr. Königl. Amtsgerichts⸗ Rath a. D. Hermann Wahle (Zobten a. B.) Hr. Dr. Octavio Schröder Tochter Emmy (Ham⸗ burg). Hr. Oekonomie⸗Rath Karl Anton Lebste (Wettmershagen). Hr. Amtshauptmann Wil⸗ helm von Sprewitz (Neustadt). Hr. Königl. Rechnungs⸗Rath a. D. Wilhelm Bonneß (Berlin). Frau verw. Dr. Gertrud Brehmer, geb. Misch

(Görbersdorf).

Redacteur: Dr. H. Klee.

Berlin: Verlag der Expedition (Scholz).

Druck der Norddeutschen Buchdruckerei und Verlags⸗

Anstalt, Berlin SW., Wilhelmstraße Nr. 32. Vier Beilagen e(eiinschließlich Börsen⸗Beilageh),

und die Winter⸗Fahrpläne für die Bezirke der Königlichen Eisenbahn⸗Direktionen zu

Meilhac und Ludovic Halévy, nach einer Novelle

Elberfeld und Frankfurt a. M.

zum Deutschen

225.

Reichs⸗A

Erste Beil 1 1114“”“ nzeiger und Königlich Preußischen Staats⸗Anzeiger.

Berlin, Donnerstag, den 18. September

1890.

Umschau über die Ergebnisse der Naturforschung. Auf der Versammlung der Gesellschaft deutscher Natur⸗

forsche und Aerzte in Bremen hielt der Geheime Regierungs⸗

ath Professor A. W. von Hofmann, wie bereits in Nr. 223 d. Bl. kurz erwähnt, am Montag, 15. September, einen Vortrag über „Einige Ergebnisse der Natur⸗ forschung seit Begründung der Gesellschaft deutscher Naturforscher und Aerzte“, den wir hier nach der „Weser⸗Zeitung“ in seinen Haupttheilen folgen lassen. Der Redner begann mit einem Rückblick auf die Astronomie und führte in dieser Beziehung aus: 8 An die wunderbare Vervollkommnung der Teleskope und die mit ihrer Hülfe gelungene Bestimmung der Entfernung der Firsterne durch Bessel und Struve, an die zahlreichen Expeditionen zur Beobachtung der Venusdurchgänge in den Jahren 1874 und 1882 Behufs genauerer Bestimmung der Sonnenentfernung will ich nur flüchtig erinnern. Bei einem Ergebniß der astronomischen Forschung, welches man fast ein Ereigniß nennen könnte, muß ich aber einen Augenblick verweilen. Diejenigen meiner Zubörer, welche das mittlere Alter überschritten haben, erinnern sich ohne Zweifel der lebhaften Theilnahme, mit welcher der Planet Neptun bei seiner Entdeckung begrüßt worden ist. In Folge von Unregelmäßigkeiten, welche man in den Bewegungen des Uranus beobachtet hatte, waren Leverrier in Paris und Adams in Cambridge fast gleichzeitig veranlaßt worden, Bahn und Masse eines noch unbekannten Planeten zu be⸗ rechnen, dem man die Störungen in der Bewegung des Uranus zuschreiben konnte. Am 23. September 1846 erhielt Galle, Obser⸗ vator der Berliner Sternwarte, einen Brief Leverrier's, in welchem ihm der französische Astronom das Ergebniß seiner Rechnungen mit⸗ theilte, und schon in der darauf folgenden Nacht entdeckte Galle den allerdings schon von Manchem geahnten, aber erst von Leverrier mit Bestimmtheit angekündigten, die Sonne in weitester Entfernung um⸗ kreisenden Planeten an der von seinem Errechner bezeichneten Stelle. Mit der Entdeckung des Neptuns hatte die Wissenschaft einen Triumph gefeiert, wie er ihr seit langer Zeit nicht beschieden gewesen war. Mit der Auffindung des Neptuns begann die überraschende Vervoll⸗ ständigung unserer Kenntniß derjenigen Gruppe von Planeten, von welcher hier in Bremen Olbers durch die Entdeckung der Pallas und der Vesta zwei nicht unwichtige Glieder kennen gelehrt hatte. Wenn die Entdeckun des Neptuns stets als eine der glänzendsten Errungenschaften des Zeitraumes, auf den wir hier zurückblicken, gelten wird, so muß daran erinnert werden, daß die Astronomie des Unsichtbaren doch auch be⸗ reits vor dieser Entdeckung wichtige Erfolge zu verzeichnen gehabt hat. Wir denken hier an die unsichtbaren Begleiter des Sirius und des Procyon, deren Kenntniß wir den letzten Arbeiten Bessel's ver⸗ danken. Ausgiebigste Verwerthung hundertjähriger Ortsbestimmungen für die sichtbaren Sterne hat es möglich gemacht, die Bahnen auch ihrer unsichtbaren Begleiter mit großer Annäherung zu berechnen, und einer dieser Begleiter, der des Sirius, ist denn auch mit dem ersten der neuen amerikanischen Riesenteleskope thatsächlich aufgefunden worden. Zu den größten Erfolgen, welche die moderne Wissenschaft zu verzeichnen hat, gehört Niemand wird es bezweifeln die Spektral⸗Analyse. Zunächst nur für die Erforschung der physikalischen Beschaffenbeit der Himmelskörper verwandt, hat sie sich in letzter Zeit mit der Photographie verbündet, um den Astronomen die Messung auch der Bewegung der Firxsterne zu gestatten. Weiter führte der Redner aus: 1 Aber kehren wir aus den Regionen der Gestirne zu dem Planeten Von besonderer Wichtigkeit für die Entwickelung der Geologie ist die Einführung der Mikroskopie in das Studium der Gesteine gewesen. Der Geologe ist nicht mehr ausschließlich auf die Ergebnisse der chemischen Analyse beschränkt, wenn er sich Aufschlüsse über die in die Zusammensetzung der Erd⸗ kruste eintretenden Mineralien verschaffen will. Indem es gelang, aus diesen Körpern Platten zu schleifen, hinreichend dünn, um sie im durchfallenden Lichte beobachten zu können, war zu den bisherigen Beobachtungsmethoden eine neue hinzugetreten, welche sich bald zu einer besonderen Disziplin, der Mikrofkopie in ihrer An⸗ wendung auf Petrographie, ausbilden sollte. Als ein weiterer erheblicher Fortschritt muß die genauere Unter⸗ suchung der geschichteten, versteinerungsführenden Gebirgsarten und ihres organischen Inhaltes bezeichnet werden. Lücken im paläon⸗ tologischen System füllten sich mehr und mehr aus, theils durch die Entdeckung ganzer fossiler Faunen und Floren, theils durch die Auf⸗ findung wunderbarer Formen (wie die des Archaeopteryx z. B.), welche manche scheinbar weit auseinanderliegende Klassen und Ordnungen von Thieren und somit auch die Erdschichten, in denen sie auftreten, in näheren Zusammenhang bringen. Unsere Kenntniß verschollener Thierformen hat bereits einen solchen Umfang und eine solche Sicher⸗ heit gewonnen, daß die Geologen schon jetzt durch das Studium einer kleinen Anzahl fossiler Thiere, die ihnen von irgend einem Theile der Erde zugehen, in der Regel im Stande sind, das relative Alter dieser Thiere und damit die Formation, der sie angehören, genau zu be⸗ stimmen, ein Triumph, dessen sich die geologische Forschung mit vollem Rechte rühmen darf. 88 1 Mit der Geologie in nächster Verbindung steht die Minera⸗ logie. Die Mineralogie ist im Wesentlichen Physik und Chemie in ihrer Anwendung auf Erkenntniß der Mineralien. Um das Bild eines Minerals zu gewinnen, studiren wir seine physikalischen Eigen⸗ schaften, Aggregatzustand, Krystallform, optisches Verhalten, Kohäsion, e untersuchen wir seine chemische Natur, d. b. wir bestimmen eine qualitative und quantitative Zusammensetzung. Jeder Fort⸗ schritt auf mineralogischem Gebiet ist daher nur auf physikalischem oder chemischem Wege denkbar, ganz einerlei, ob er in einer schärferen Erkenntniß alter Mineralien oder in der Auffindung neuer besteht. Wenn wir heute die Krystallformen, die optischen Eigen⸗ schaften einer großen Anzahl derselben weit besser kennen, als es gegen die Mitte des Jahrhunderts hin der Fall war, so verdanken wir dies einerseits den außerordentlich verbesserten Meßapparaten, andererseits den neuen Beobachtungsmethoden, welche die Physiker ersonnen haben: wenn heute die Zusammensetzung einer ganzen Reihe von Mineralien mit größerer Sicherheit ermittelt ist, so sind es wieder die uns gegen⸗ wärtig zur Verfügung stehenden vollkommeneren Hülfsmittel der chemischen Analyse gewesen, deren Anwendung die Vertiefung und Erweiterung unserer Kenntnisse ermöglicht hat. Welchen Ansehens sch gerade die Bundesgenossenschaft der chemischen Forschung in den ugen der Mineralogen erfreut, wird unzweideutig durch die That⸗ sache bekundet, daß ihren modernen Klassifikationsbestrebungen fast ausnahmslos die chemische Zusammensetzung zu Grunde liegt. Auch ist sich die Mineralogie der Dienste wohlbewußt, welche die chemische Analyse, insbesondere während der 875 Jahre, für die Erkenntniß zahlreicher, zumal bei genauerer Durchsuchung der norwegischen und nordamerikanischen Gebirge aufgefundener neuer Mineralien ge⸗ leistet hat. Allerdings haben sich solche Dienstleistungen auch für die Aufgaben der Chemie in hohem Grade fruchtbringend erwiesen, insofern sie eine Reihe neuer lemente zu Tage gefördert haben, deren Studium vielleicht Aufschlüsse über die Natur der Elemente im Allgemeinen verspricht. Im Hinblick gerade auf die letztgenannten Erfolge kann es in der That zweifelhaft erscheinen, ob wir hier nicht eher einem Fottschritt

8

auf chemischem als auf mineralogischem Gebiete gegenüberstehen. Ganz dieselbe Frage aber drängt sich auch einer anderen e sen gegenüber auf. Der Analyse der Mineralien ist in der großen

ehrzahl der Fälle die Synthese derselben auf dem Fuße gefolgt. Unmittelbar nach Gründung der Gesellschaft gelang es Mitscherlich, den Augit und den Olivin künstlich zu erzeugen. Seitdem sind fast sämmtliche in der Kruste unseres Planeten von den Mineralogen aufgefundenen Verbindungen auch aus dem Schmelztiegel des Chemikers hervorgegangen. Diese künstliche Bildung von Mineralien hatte bisher ausschließlich ein wissenschaftliches Interesse beansprucht; neuerdings aber fangen diese synthetischen Ergebnisse an, auch eine praktische Bedeutung zu gewinnen. Allbekannt ist der prachtvolle Schmuckstein, welchen die Juweliere mit dem Namen Rubin bezeichnen. Die Zusammensetzung des Rubins war von den Chemikern seit langer Zeit festgestellt. Seit Jahresfrist aber läßt sich dieser Edelstein durch einen chemischen Prozeß in Krystallen er⸗ halten, welche von den in der Natur vorkommenden nicht zu unter⸗ scheiden sind. In den Werkstätten der Juweliere ist der künstliche Rubin mit dem natürlichen allerdings noch nicht in Wettbewerb ge⸗ treten; allein meine verehrten Zuhörerinnen wird es interessiren, zu erfahren, daß Hr. Frémy, dem wir diese Errungenschaft danken, seiner Gattin aus künstlichen Rubinen einen Schmuck hat anfertigen lassen, dessen Schönheit nichts zu wünschen übrig läßt.

„Die Botanik und Zoologie sind durch die Ausbildung der Mikroskopie in überraschende Bahnen gedrängt und von Erfolg zu Erfolg gekommen. Die Zellenlehre, so führt der Redner aus, ist ganz eigentlich der deutschen Wissenschaft entsprossen. Sie wurde in dem zweiten Jahrzehnt des Bestehens unserer Gesellschaft für die Pflanze von Schleiden, für das Thier von Schwann entwickelt. Auf erstgenanntem Gebiet ist sie später von Pringsheim in seinem Werke: „Grundlinien einer Theorie der Pflanzenzelle“ mit größtem Erfolge weiter ausgebaut worden. Nun sind allerdings anatomische und histologische Untersuchungen der Gewächse auch schon vor Aufstellung der Zellenlebre, ja selbst schon vor Einführung achromatischer Objektive in die mikroskopische Beobachtung ausgeführt worden; allein ein befriedigender Einblick in den Bau und die histologische Gliederung der Pflanzen war doch nicht denkbar, so lange man das Elementarorgan nicht kannte, welches in diesem Organismen eine so wichtige Rolle spielt, und so lange die mikroskopische Technik nicht, wie dies heute der Fall zu sein scheint, die äußerste Grenze der optischen Wahrnehmung erreicht hatte. Erst mit der Zelltheorie als Wegweiserin, erst durch die Wunderleistungen der modernen Optik geschärft, vermochte das Auge des anatomischen Forschers bis in die verborgendsten Vorgänge des Pflanzenwachsthums einzudringen und die verschiedenen Entwicke⸗ lungsstufen desselben klarzulegen. Die so gewonnene Erkenntniß ist aber auch eine nahezu erschöpfende gewesen. Wir wissen heute, wie das Baumaterial des Pflanzenorganismus die Zelle gebildet wird, wie sie wächst und sich vermehrt. Wir kennen die Prozesse, in denen nach bestimmten Theilungsregeln Gewebe entstehen, wie diese Urgewebe durch Wachsthum, Struktur⸗ und Formveränderung in Gewebe höherer Ordnung übergehen, bis nach und nach die Gestalt des Pflanzenkörpers in die Erscheinung tritt. An der Hand des anatomischen Forschers sind wir, Schritt für Schritt, in den Bau dieses Pflanzenkörpers eingetreten, seine Architektur ist freigelegt, wir finden uns in demselben zurecht wie im eigenen Hause, dessen An⸗ ordnung wir kennen, das wir vor unseren Augen Stein um Stein sich haben erheben sehen. Aber schon begnügt sich die Pflanzenanatomie nicht mehr mit der Lösung der rein morphologischen Aufgabe, die sie sich ursprünglich gestellt hatte; sie will sich heute zu einer Physiologie der Gewebe gestalten. Im Anlauf auf ein solches Ziel werden Physik und Chemie mit ihren reichen Hülfsmitteln als Bundesgenossen angerufen. Bereits sind auch in dieser neuen Richtung, welche die Forschung eingeschlagen hat, nicht unerhebliche Ergebnisse zu verzeichnen, insofern man aus Inhalt, Struktur und Anordnung Andeutungen über die eigenthümlichen physiologischen Funktionen der verschiedenen Gewebesysteme gewonnen hat. So ist denn das Gebäude der Pflanzenanatomie weit über die Dimensionen hinausgewachsen, die ihm zunächst bestimmt schienen, und in dem Umfang desselben, in dem Reichthum seines Inhalts und der Vollendung seiner Theile würde sich die erste Anlage aus dem 17. Jahrhundert, aus den Zeiten von Malpighi und Grew, den Begründern der Pflanzenanatomie, kaum mehr erkennen lassen.

Ein Ergebniß von allgemeinster Bedeutung, welches die Biologie der Entwickelung der Zellenlehre verdankt, ist endlich der Nachweis der Gleichwerthigkeit des Protoplasmas in den vegetabilischen Zellen mit der sogenannten kontraktilen Substanz, welche in den Infusorien auftritt. Da diese beiden Materien die Träger der Lebensfunktionen, die eine in der Pflanze, die andere in dem niederen, Thier, darstellen, so erblickt man in der Uebereinstimmung der ana⸗ tomischen Substrate der physiologischen Thätigkeiten, wie dies schon oben angedeutet worden ist, Anhaltspunkte für die Annahme eines der Pflanze und dem Thiere gemeinsamen Stammbaues. Auf das Licht, welches die mikroskopische Forschung über das Gebiet der Kryptogamenkunde ausgegossen hat, ist ebenfalls bereits hingewiesen worden, aber die der Lösung des kryptogamischen Räthsels gewidmeten Bestrebungen, welche während des in den Rahmen unserer Betrachtung fallenden Zeitraums mehr als ein Menschenalter lang in dem Mittelpunkt der wissenschaftlichen Bewegung in der Botanik

gestanden haben, sind so erfolgreich gewesen und haben zumal auch auf

den Entwickelungsgang der Anatomie und Morphologie der Pflanzen einen so tiefgreifenden Einfluß geübt, daß wir noch einen Augenblick bei ihnen verweilen müssen.

Bei unserem Eintritt in den Neubau der Kryptogamenkunde, auf dessen Schwelle Pringsheim’'s Versuche über Algenbefruchtung und Algenkeimung die Blicke fesseln, erkennen wir sofort, daß hier nicht eine Erweiterung, sondern eine völlige Umgestaltung des Vorhandenen stattgefunden hat. Mit der Entdeckung der Sexualität der Krypto⸗ gamen war die Kluft zwischen geschlechtlichen und vermeintlich un⸗ geschlechtlichen Wesen überbrückt; was in der Vissenschaft lange als Dogma gegolten hatte, war ein überwundener Standpunkt geworden. Dem heutigen Forscher ist Sexualität Grund⸗ bedingung des organischen Lebens. Das Mikroskop hat sie bis in die untersten organischen Kreise verfolgt und gezeigt, daß selbst die histologischen Geschlechtselemente, welche bei dem Thiere beobachtet werden, in der Pflanze wiederkehren. Wir wissen heute, daß der Feugungsvorgang in der ganzen organischen Natur ein gleich⸗ artig verlaufender ist, daß sich die beiden charakteristischen Geschlechts⸗ elemente, Samenkörper und Ei, bei den höchsten thierischen Wesen und bei den niedrigsten pflanzlichen Organismen in gleicher Weise wiederfinden. So hat denn auch die Forschung auf kryptogamischem Gebiet durch Feststellung der sexuellen Uebereinstimmung im ganzen Bereich der organischen Schöpfung nicht wenig dazu beigetragen, der Auffassung eines gemeinsamen Ursprungs der animalischen und vegeta⸗ bilischen Natur Vorschub zu leisten. 8

Zu derselben Erkenntniß führen aber auch die Untersuchungen in anderen Zweigen der Kryptogamenkunde. Die glänzende Entdeckung des Generationswechsels der Moose und Farne durch Hofmeister, die sich daran anschließenden umfassenden Beobachtungen im Bereich der Embryogenie der Gymnospermen, die Auffindung der Symbiose bei den Flechten durch de Bary und Schwendener, die lückenlose Dar⸗ legung endlich einer vollständigen Reihe von Entwickelungsstufen, von Zelle zu Zelle, vom Ei bis wieder zum Ei welche dem aus⸗ dauernden Studium des Lebensprozesses der Algen und Pilze gelungen

ist, alle diese Untersuchungen haben den Entwickelungsplan im Bau und in der Organisation der Pflanzen in den verschiedensten Abthei⸗ lungen des Gewächsreichs klargelegt und die verwandtschaftlichen Be⸗ ziehungen zu dem Entwickelungsplan der Thiere aufgebellt.

Daß im Verfolg der Morphologie und Biologie der Name Charles Darwin's glänzend hervortritt, bedarf kaum einer Erwähnung. Zur Physiologie übergehend, führt der Redner aus: Im Jahre 1836 theilte. Schwann der Versammlung unserer Gesellschaft, welche damals in Jena tagte, einen hochinteressanten Versuch mit. Er hatte gefunden, daß Fleisch, welches in einem ge⸗ wöhnlichen Luftstrom schon nach kurzer Zeit in Fäulniß übergeht, sich wochenlang unverändert erhält, wenn der Luftstrom, ehe er mit dem Fleisch in Berührung kommt, durch ein glühendes Rohr gestrichen ist. Fast gleichzeitig zeigte Franz Schulze, daß man zu ähnlichen Ergeb⸗ nissen gelangt, wenn man die Luft, statt durch ein glühendes Rohr, durch konzentrirte Schwefelsäͤure leitet. Die Schlußfolgerung, zu welcher diese Versuche führten, war eine sehr einfache. Das Fleisch geht nicht von selbst in Fäulniß über. Die Fäulniß wird durch die Keime von Organismen bedingt, welche aus der Luft hinzutreten und durch Glüh⸗ hitze oder Schwefelsäure vernichtet werden können. Was aber für die galt, das mußte sich für zahlreiche ähnliche Prozesse bewahr⸗

eiten. Die Weingährung insbesondere wurde von Schwann und Cagniard⸗Latour als die Wirkung einer Alge, des heute so gründlich erforschten Hefepilzes, erkannt. Die Versuche von Schwann und

Schulze, welche ursprünglich nur den Zweck hatten, die Unhaltbarkeit der Annahme einer Urzeugung darzuthun, sollten schon bald den Anstoß zu einer Reihe höchst wichtiger Forschungen auf medizinischem Gebiet geben. Schon wenige Jahre später (1840) sprach Henle mit erneuter Zuversicht die Ansicht aus, daß bei der Entstehung und Uebertragung von Infektionskrankheiten die Keime ähnlicher, in Luft und Wasser verbreiteter Mikroorganismen eine Rolle spielen. Das Contagium animatum der alten Aerzte war plötzlich wieder zu Ehren gekommen.

Es kann meine Aufgabe nicht sein, Schritt für Schritt den vielverschlungenen Forschungen zu folgen, welche der Anfangs un⸗ beachtet gebliebenen, später mit Hartnäckigkeit bekämpften Ansicht von Henle schließlich einen sicheren Boden gewonnen haben. Mächtigen Vorschub haben derselben zumal die wichtigen Untersuchungen Pasteur's geleistet, welche die den verschiedenen Gährungs⸗ prozessen zu Grunde liegenden Mikroorganismen zu unter⸗ scheiden gelehrt haben. Die der jüngsten Vergangenheit an⸗ gehörigen epochemachenden Arbeiten von Robert Koch sind noch frisch in Aller Erinnerung. Es sind zumal die Untersuchungen Koch's und seiner Mitarbeiter, welche nicht nur den unwiderleglichen Beweis geführt haben, daß Infektionskrankheiten durch Mikro⸗ organismen wirklich übertragen werden können, sondern auch im Stande gewesen sind, die einzelnen in diesen Krankheiten auftretenden Bakterien in bestimmter Weise zu charakterisiren. Nach einander erscheinen der Bacillus von Milzbrand, Febris recurrens, Tuberkulose, Rotz, Typhus und Diphtherie auf der Bildfläche, bis wir endlich dem höchsten Triumph der bakteriologischen Forschung, dem Komma⸗ bacillus der Cholera, gegenüberstehen.

Die Bakteriologie hat, wie jede neue Wissenschaft, Reihe von Entwickelungsphasen durchlaufen. Die lange Zeit streitige Frage, ob unter verschiedenen Bedingungen auftretende Bakterien, wie die höheren pflanzlichen Organismen, bestimmte, unveränderliche Arten darstellen, ist jetzt Dank der Vervollkommnung der optischen Hülfsmittel, der Verbesserung des Verfahrens der Reinzüchtung, der Einführung der Bakterienfärbung die Anilinfarben haben dabei eine nicht unwichtige Rolle gespielt in der Affirmative entschieden. Ebenso zweifelt heute Niemand mehr daran, daß wir in den Bak⸗ terien nicht etwa wie man früher geglaubt hat einfach di Begleiter, sondern die wirklichen Erreger von Krankheiten vor u haben. Ja selbst die lange völlig erfolglos gebliebenen Bestrebungen, durch Vernichtung der Bakterien im Organismus den Krankheiten die Spitze abzu- brechen, dürften heute nach Mittheilungen, welche der jüngste internationale Kongreß erbracht hat, nicht mehr so ganz aussichtslos wie ehedem erscheinen. Aber wenn sich diese Hoffnungen auch nicht so bald ver wirklichen sollten, in einer Versammlung, in welcher das Element so stark vertreten ist, brauche ich auf den Ge winn, welcher der Medizin und Gesundheitspflege aus dem Studium der Bakterien bereits erwachsen ist, kaum hinzuweisen. Die antiseptische Behand- lung der Krankheiten ist eine Frucht dieser Studien. Seit Ein führung der Schutzpockenimpfung durch Jenner ist der Mensch heit keine größere Wohlthat zu Theil geworden, als diejenige, welch sie aus Lister's Händen empfangen hat. Der Lister'sche Verban in seinen verschiedenen Abstufungen, vom Karbolsäuresprührege bis zur Beschränkung auf peinlichste Reinlichkeit, hat ungezählte Tausenden von Verwundeten das Leben erhalten, ganze Krank heitskategorien sind man könnte sagen heute nahezu ausgestor ben. Aber auch ganz abgesehen von diesen großartigen Erfolgen welche zu den schönsten Errungenschaften der modernen Forschung zählen, hat die bakteriologische Wissenschaft bereits zahlreiche Dienste geleistet. Niemand wird leugnen wollen, daß die Gegenwart über umfassende Hülfsmittel der Diagnose von Infektionskrankheiten ge bietet, von denen eine nicht weit zurückliegende Vergangenheit kein Ahnung hatte, und daß wir heute, wenn Epidemien drohen, in de Lage sind, weit sicherer als ehedem die Nothwendigkeit prophylaktische Maßnahmen zu erkennen und ibre Gestaltung zu bestimmen. Und die epochemachenden Ergebnisse der Pasteur'schen Versuche über die Hundswuth, welche einen neuen Gedanken in die Medizin hinein⸗ geworfen haben, gehören doch schließlich gleichfalls in den Kreis der hier betrachteten Erscheinungen.

Allein auch die Volkswirthschaft hat aus der bakteriologischen Forschung bereits recht erhebliche Vortheile gezogen. Mit den erweiterten und vertieften Einblicken in das Wesen der Desinfektion, welche sie vermittelt hat, stehen wir den ver⸗ heerenden Seuchen, welche nur zu oft den Viehbestand unserer Landwirthe gefährden, weit besser gerüstet gegenüber. Ganze Heerden werden nicht mehe rücksichtslos geopfert, wenn wir die Ausbreitung der Krankheit auf dem Wege der Desinfektion verhindern können. Wir verschwenden nicht mehr endlose Summen fur Desinfektions⸗ mittel, nachdem wir gelernt haben, mit wie geringem Aufwand häufig der beabsichtigte Zweck bereits erreicht wird. Auch die Konservirung der Nahrungsmittel ist in eine neue Phase eingetreten. Das Appert'sche Ver⸗ fahren, seit mehr als einem halben Jahrhundert mit Erfolg geübt, aber ganz falsch gedeutet, ist plötzlich verständlich geworden. Die ent⸗ wickelunghemmende, beziehungsweise keimtödtende Wirkung der Kälte, der Hitze, der chemischen Agentien ist klargelegt, und wir be- dienen uns der einen oder der anderen Methode je nach den obwal⸗ tenden Umständen, je nach den erstrebten Zielen. Auch hier sind volkswirthschaftliche Erfolge von nicht zu unterschätzender Bedeutung zu verzeichnen. Dank der verbesserten Methode der Konservirung steht heute der Freischrerbähem einer anderen Hemisphäre der fleisch⸗ bedürftigen Bevölkerung Europas zur Verfügung. Aber die bakte⸗ riologische begnügt sich schon nicht mehr, nur den Auf⸗ gaben der Ernährung zu Hülfe zu kommen; schon beginnt sie bei der Herstellung auch unserer Genußmittel eine Rolle zu spielen. Es ist bekannt, welche Dienste sie der Reinzucht der Bierhefe geleistet hat.

In der Physik hat die Spektralanalyse zu ebenso be⸗- deutungsvollen Ergebnissen geführt, wie in der Astronomie, und

and in Hand mit der wachsenden Experimentirkunst gehen die pekulativen Forschungen, welche vor Allem die Namen Robert