1890 / 231 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 25 Sep 1890 18:00:01 GMT) scan diff

wehr ist am 19. September Morgens 3 Uhr 35 Minuten nicht durch einen Einwohner des in Brand gerathenen Hauses, sondern durch einen Wächter alarmirt worden, welcher das Feuer von der Straße us bemerkt hatte. Bei der Ankunft der ersten Abtheilung der Feuer⸗ wehr schlug die Flamme bereits hoch über das Dach. Auf dem wurde erst ersichtlich, daß eine mächtige Feuersäule über

8 emporloderte und bis zum fünften

die Berliner 8 in B gesetzt hatte,

owie die daneben belegenen Fenster des Vorderhauses und Seiten⸗ ügels ergriff. Die sofort in den Seitenflügel eindringende Mann⸗ caft fand außerdem den vom Ber linr Zimmer des ersten Stocks zum Quergebäude führenden Korridor bereits in seiner ganzen Ausdehnung Das Eindringen des Qualms und

ie Uebertragung des Feuers vom Berliner Zimmer nach dem Korridor war dadurch berbeigeführt worden, daß die das Feuer entdeckende Er⸗ ieherin sowohl die nach dem Korridor führende Thüre ihres Zimmers ch die im rechten Winkel dicht danebenliegende Thüre des Berliner Zimmers, des Entstehungsortes des Brandes, offen gelassen hatte. Ebenso wie das Zimmer der Erzieherin stand von diesem Moment ab auch das von dem letzterem nur durch eine hochgenommene Portidre getrennte Kinderzimmer dem Eindringen des glühenden Qualms offen. Aus diesem Befunde in Verbindung mit der weiter feststehenden That⸗ sache, daß die Flammen zur Zeit der Entdeckung des Feuers durch die Er⸗ zieherin ale. erst das Fenster des Berliner Zimmers im ersten Stock gesprengt batten, also von der Straße aus noch gar nicht hatten bemerkt werden können, geht mit völliger Sicherheit hervor, daß bis zur Ankunft der ersten Feuerwehr⸗Abtheilung eine geraume Zeit ver⸗ strichen und die völlige Verqualmung des Korridors, des Kinder⸗ zimmers sowie des Dienstbotenzimmers bereits eingetreten war. Ueber die weiteren Vorgänge bei dem Brande ist eine eingehende Untersuchung im Gange, deren Ergebniß zu veröffentlichen ich mir vorbehalte. Berlin, den 24. September 1890. Der Polizei⸗

Präsident. Freiherr von Richthofen.“

Ueberschwemmungen. 8

. Dornbirn, 24. September. „W. T. B.“ meldet: Der mit großer Anstrengung geschlossene Seelachendamm zwischen Lustenau und Hohenems ist von dem in Folge des Föhnwindes neuerdings an⸗ geschwollenen Rhein abermals durchbrochen worden. Lustenau ist überschwemmt.

Aus Avignon unterm 24. September: Der durch die Ueber⸗ schwemmung angerichtete Schaden beträgt viele Millionen. In einer Ortschaft bei Privas ertranken 9 Menschen. Die im Bau begriffene Eisenbahn La Voulte Chaylard ist an mehreren Stellen zerstört. Das Wasser ist noch im Steigen.

Zillerthal, 22. September. Der „Schles. Ztg.“ wird ge⸗ schrieben: Die gestern Nachmittag erfolgte Einweihung des Fleidl⸗Denkmals nahm einen äußerst feierlichen Verlauf. Die Festtheilnehmer versammelten sich im Gasthofe „zum Zillerthale“, von wo aus um 3 Uhr der Festzug nach dem vor dem Thore des Friedhofes errichteten Denkmal seinen Ausgang nahm. An demselben betheiligten sich fast alle hiesigen Tiroler, zum Theil in ihrem Nationalkostüm, die Schuljugend, zahlreiche Gäste und Ehrengäste, darunter u. A. der Landrath Prinz Reuß und der Kreisdeputirte Hr. von Küster. Die Weihrede hielt der Ortsgeistliche, Pastor Thiesler, unter Zugrundelegung der Worte: „Ein’ feste Burg ist unser Gott!“ Landrath Prinz Reuß brachte ein Hoch auf Se. Majestät den Kaiser Wilhelm II. aus, dem die schlesischen Zillerthaler in An⸗ betracht der Wohlthaten, die sie von seinem Urgroßvater empfangen haben, zu unwandelbarer Treue verpflichtet seien. Opernsänger Bagg dankte im Namen der Nachkommen Fleidl's für die Aufstellung des Denkmals. Dasselbe ist ein Sandstein von ungefähr 10 Fuß Höbe. In der oberen Hälfte desselben befindet sich an der Vorderseite das Relief Fleidl's mit der Unterschrift: „Johann Fleidl“, darunter sind die Worte eingegraben: „Ein' feste Burg ist unser Gott!“ Die Rückseite zeigt folgende Widmungsschrift: „Zur Erinnerung an die Auswanderung der Tiroler 1837, gewidmet von seinen Landsleuten den 23. September 1890.“

Aus Baden, 21. September, schreibt man der M. „Allg. Ztg.“: Nach dem auf der Mannheimer Hauptversammlung der deutschen

Gustav⸗Adolf⸗Stiftung erstatteten Rechenschaftsbericht hat der Verein im Jahre 1889 mehr als eine Million Mark eingenommen, ein Betrag, welcher während der 60 Jahre des Bestehens der Stif⸗ tung noch nie erreicht worden war. Die Zahl der Zweigvereine hat sich von 1801 auf 1810, die der Frauenvereine von 446 auf 461 erhöht. In den letzten 5 Jahren sind Thätigkeit und Erfolge des Vereins in hohem Maße gestiegen. Die Stimmenzahl des Vereins ist von 153 auf 169 gewachsen; auf eine Jahreseinnahme von 5000 wird je eine Stimme gewährt. Im verflossenen Jahre hat der Verein 13 Kirchen, 8 Pfarr⸗ und 12 Schulhäuser gebaut; zu 12 Kirchen und 5 Pfarrhäusern wurde der Grundstein gelegt, bezw. deren Bau begonnen. Das Martinhaus in Wittenberg ist nahezu vollendet. Von den unterstützten Gemeinden sind 23 ausgeschieden, 94 Gemeinden sind neu hinzugekommen. Die gesammten Diaspora⸗ gemeinden haben eine Schuld von anderthalb Millionen Mark. Von den drei für das gemeinsame Liebeswerk vorgeschlagenen Gemeinden wurde Forchheim gewählt, welchem die große Liebesgabe im Betrage von 17 840 40 zugewiesen wurde, während dee beiden anderen Gemeinden, Ranischau in Galizien und Sierakowitz in Westpreußen, je 5605 erhielten. Die bei dem Festgottes⸗ dienst erhobene Kollekte im Betrage von 785 wurde der Gemeinde Kiebitz in Westpreußen zuerkannt. Zum Ort der nächstjährigen Versammlung wurde Görlitz gewählt. An Geschenken, bestehend aus Altardecken, Kruzifixen, Ta uf⸗ und Abendmahlsgeräthen, sind 126 zum Feste eingegangen, darunter ein prachtvolles Taufgeschirr von der Großherzogin von Baden, welches der Diasporagemeinde Staufen in Baden zugewiesen wurde. Der Grundsteinlegung zur

Protestationskirche in Speyer wohnten mindestens 10 000 Personen bei.

London, 23. September. Der Pastor der Christuskirche

Birmingham hat, laut Mittheilung der „A. C.“, die tele⸗

phonische Verbindung des Gotteshauses mit Privat⸗ wohnungen gestattet, damit namentlich Kranke, welche den Gottes⸗ dienst nicht besuchen können, in ihrem Hause die Predigt anhören können.

Florenz, 23. September. Auf der elektrischen Straßen⸗ bahn nach Fiesole fand heute ein Unfall statt, indem ein Schaffner, der die Fahrt beschleunigen wollte, in einen anderen Wagen hineinfuhr. Der „Nat. Ztg.“ zufolge befindet sich unter den Ge⸗ tödteten, deren Zahl 6 beträgt, während 12 verwundet wurden, auch Dr. Bergeest, ein deutscher aus Hamburg stammender, jetzt in Florenz ansässiger Arzt. König Humbert besuchte am Abend des 23. September die bei der Katastrophe Verwundeten im Hospital und sprach jedem Einzelnen Trost zu.

New⸗York, 24. September. Ueber den in Nr. 230 des „R. u. St.⸗A.“ gemeldeten Brand in Colon giebt die „A. C.“ folgende nähere Mittheilung: Sämmtliche Gebäude am Meeresufer und in den anstoßenden Straßen sind niedergebrannt. Die Bureaux der Panama⸗Eisenbahn⸗Gesellschaft sind sammt 16 befrachteten und 4 leeren Güterwaggons ebenfalls ein Raub der Flammen geworden. Dreiviertel der Stadt sind gänzlich eingeäschert worden. Das Feuer brach um Mitternacht aus, und erst um 7 Uhr Morgens gelang es, die Flammen zu bewältigen. Es verlautet, daß 90 Wagen⸗ ladungen mit wesnstigges verbrannten, aber daß die Werft sowie die Schiffe unversehrt blieben. Die abgebrannten Häuser waren meist aus Holz gebaut. In Folge des aufrührerischen Verhaltens eines Haufens Plünderer war das Militär gezwungen, auf sie zu feuern, wodurch mehrere der Marodeure entweder getödtet oder ver⸗ wundet wurden. Dem neuesten Telegramm zufolge ist die Ruhe in der Stadt wieder hergestellt. Von Panama wurden Verstärkungen von Polizeimannschaften sowie Lebensmittel für die Obdachlosen ab⸗

gesandt.

Rio de Janeiro, 24. September. „W. T. B.“ meldet: Der Dampfer „Orion“ kam beim Einlaufen in den hiesigen Hafen mit dem Hamburger Dampfer „Paranagua“in Kollision. Die Mannschaften und sämmtliche Passagiere wurden gerettet. Man hofft, auch den größeren Theil des Kargo zu retten.

t vom 25. September,

Wetterberich Morgens 8 Uhr.

Wind. Wetter.

emperatur in ° Celsius

T T

Bar. auf 0 Gr zu. d. Meeressp

Anfang 7 Uhr

3 S red. in Millim

—22ö2ͤö2ͤö22 SSSSSŃISʒ FS”SSISE

Mullaghmore Aberdeen.. Christiansund Kopenhagen. Stockholm Haparanda. St. Petersb. Moskau.. 771 heiter

Cork, Queens⸗ V toww. 771 halb bed. Cherbourg. 771 2 Helder 768 Sylt 1765 Hamburg. 769 Swinemünde 769 Neufahrwasser 769 Memel 168. 2 wolkig') aris 773 still heiter Münster J770 3 wolkenlos Karlsruhe.. 772 Wiesbaden. 771 1 wolkig München 771 3 Dunst Chemnitz 770 still bedeckts Berlin 770 still wolkig? Wien.. 769 W Breslau 770 O bedeckt

Ile d'Aix. 775 NNO 2 beiter Nizza 8

halb bed.

3 halb bed. ¹) halb bed.

1 bedeckt¹)

ves I11 stillsbedeckt Ten. Süan

¹) Dunst. ²) Neblig. ³²) Thau. ⁴¹) Thau. ⁵) Gestern Nachm. Regen. ⁶) Nebel. ⁷) Nebel.

Uebersicht der Witterung.

Während über Ost⸗Europva der Luftdruck ab⸗ genommen hat, hat sich über dem Biscayischen Busen ein barometrisches Maximum ausgebildet, welches

märchen.

Barometerstandes ist in Central⸗ Europa, welches zwischen zwei Gebieten hohen Luftdrucks liegt, das Wetter trübe, im Norden theilweise neblig, im Süden vielfach regnerisch. Die Temperatur liegt in Deutschland durchschnittlich um etwa 2 Grad über

der normalen. Deutsche Seewarte

8

Theater⸗Anzeigen.

Königliche Schauspiele. haus. 185. Vorstellung. h Markt zu Richmond. Romantisch⸗komische Oper Vorstellung 7 ¼ Uhr. in 4 Akten von Friedrich von Flotow. Text (theil⸗ weise nach dem Plane des St. Georges) von W. - Friedrich. Dirigent: Musikdirektor A. Wegener. Male).

bedeckt Schaufpielhaus. 190. Vorstellung. Der Sturm. Renen veeeeasn o.h. eeger von Sbeiospeargr Die Million

EbZ“ 6 Ceberhebnn von 12 Bildern von Alex. Moszkowski und Rich. wissenschaftlichen Theater. B vom Direktor Dr. Otto Devrient. wolkig 2 Direktion: Herr Steinmann. Anfang 7 Uhr. bedeckt Sonnabend: Opernbaus. 186. Vorstellung. Der Vampyr. Romantische Oper in 3 Aufzügen von Heinrich Marschner. 1 gesetzt vom Ober⸗Regisseur Tetzlaff. Anfang

r

Besetzung. Sir Humphrey, Laird von Davenaut, Herr Mödlinger. Malwina, seine Tochter, Fräulein Puppenfee. Hiedler. Edgar Aubry, ein Anverwandter des Haßreiter und Gaul. Hauses Davenaut, Herr Kraus. Lord Ruthwen, Arrangirt von J. Haßreiter, K. K. Hofballetmeister Herr Bulß. Sir Berkley, Herr Schmidt. Janthe, aus Wien seine Tochter, Fran Herzog. George Dibdin, in

3 Regen . r. Michaels. ibdin's Braut, Frl. Weitz.

James Gadshill, Richard Scrop, Robert Green, mann. Anfang 7 Uhr

Landleute, Hr. Krolop, Hr. Ernst, br Krasa,

llig Hr. Richter. Suse, Blunt's Frau,

halb bed. mert. Ein Haushofmeister des Laird von Da⸗

venaut, Hr. Braunschweig. Ein Diener des Sir

Berkley, Hr. Selle.

Deutsches Theater. Freitag: Das Winter⸗

Sonnabend: Die Haubenlerche. Sonntag: Die Haubenlerche.

Verliner Theater.

sich nordwärts auszubreiten scheint. Trotz des hohen Vorstellung: Wallenstein’s Tod.

Sonnabend: Maria Stuart.

Sonntag: Nachmittags 3 Uhr: Der Veilchen⸗ fresser.

Abends 7 ½ Uhr: Kean.

Nach Schluß der Redaktion eingegangene Depeschen.

Merseburg, 25. September. (W. T. B.) Se. Majestät der Kaiser hat dem Regierungs⸗Präsidenten von Diest unter dem Ausdruck herzlicher Antheilnahme 5000 zur Linderung der drückendsten Noth in der von den Ueberschwemmungen heimgesuchten Elbe⸗-Niederung telegraphisch überwiesen.

Kiel, 25. September. (W. T. B.) Se. Hönigliche Hoheit der Prinz Heinrich übernahm Vormittags das Kommando der 1. Matrosen⸗Division. Der Vize⸗ Pan t Knorr begab sich zur Inspizirung der Werft nach

anzig.

Köln, 25. September. (W. T. B.) Wie die „Köln. Volks⸗Ztg.“ meldet, wird Anfang Oktober ein gemein⸗ sames Hirtenschreiben aller deutschen Bischöfe über die soziale Frage erscheinen.

Stuttgart, 25. September. (W. T. B.) Die zweite öffentliche Versammlung des evangelischen Bundes hat im Anschluß an den Vortrag des Professors Beyschlag über die Reformation und die soziale Frage eine Resolution angenommen, in welcher sie sich zu der Ueber⸗ zeugung bekennt, daß nur durch die im Prinzip der Refor⸗ mation liegenden geistigen und sittlichen Mächte die christliche Gesellschaftsreform herbeigeführt und der Sozialismus überwunden werden könne.

Wien, 25. September. (W. T. B.) Von den Land⸗ gemeindewahlen zum niederösterreichischen Land⸗ tage sind bisher 12 Resultate bekannt; davon sind 3 liberal, 9 antiliberal.

Pola, 25. September. (W. T. B.) Der Stapellauf des Torpedo⸗Rammschiffes „Kaiserin Elisabeth“ ist heute Vormittag im Beisein des Admirals Freiherrn von Sterneck glücklich vor sich gegangen. Ihre Kaiserliche und Königliche Hoheit die Erzherzogin Marie Valerie vollzog im Namen der Kaiserin den Taufakt.

Paris, 25. September. (W. T. B.) Der Minister⸗

rath setzte heute die Eröffnung der außerordentlichen

Kammersession auf den 20. Oktober fest.

Für die Ueberschwemmten der südlichen De⸗ partements wurde ein Kredit von 300 000 Frcs. er⸗ öffnet. Die Lage im Süden hat sich so gebessert, daß der Minister der öffentlichen Arbeiten Ypes Guyot auf die von ihm geplante Reise dorthin verzichtete.

Rom, 25. September. (W. T. B.) Die von der eng⸗ lischen Regierung zu den Verhandlungen mit Italien, be⸗ treffend die Abgrenzung der englisch⸗italienischen Besitzungen in Afrika, entsendeten Delegirten, Sir Evelyn Baring und General Grenfell, sind gestern hier eingetroffen und Nachmittags von dem Minister⸗Präsidenten Crispiempfangen worden, welcher die Vertreter der italienischen Regierung vorstellte. (S. unter Großbritannien.)

Bern, 25. September. (W. T. B.) Der National⸗ rath hat heute mit 49 gegen 45 Stimmen beschlossen, im Falle der Einführung des proportionalen Wahlsystems im Nationalrathe die Frage zu prüfen, ob der Ständerath umzu⸗

estalten sei. Alsdann wurde mit 78 gegen 16 Stimmen be⸗ schlossen, es bei beiden Räthen bei der jetzigen Wahl⸗ art zu belassen. 8

(Fortsetzung des Nichtamtlichen in der Ersten Beilage.)

Freitag:

Modernes

Gredelue. Anfang 7 ½ Uhr.

Text von Wohlbrück. In

Direktion: Julius Fritzsche.

ranzösischen von Toms Blunt, Hrn. Binder.

rau Lam⸗ Schwätzerin von Saragossa.

191. Vorstellung. Wilhelm burg.

burg. Anfang 7 ½ Uhr.

Velle-Alliance-Theater.

Hasemann.

Freitag: 4. Ab Deutsch von Emil Neumann.

lletzten Male.)

NAdolph Ernsi-Theater.

Anfang 7 ½ Uhr.

Wallner-Theater. Letzte Woche! Zum 111. Male: Mamsell Nitounche. Vaudeville Direktion: Emil Thomas. Freitag: Zum sweiten Opern⸗ in 3 Akten und 4 Bildern von H. Meilhac und Male: Der Raub der Sabinerinnen. Schwank Martha, oder: Der A. Milland. Musik von M. Hervé. Anfang der in 4 Akten von Franz und

Sonnabend: Mamsell Nitouche. Sonntag: Mamsell Nitonche (zum vorletzten

Seenecgeseßt Nathanson. Musik von C. A. Raida. Ballet von zettel. ————V Sonnabend: Dieselbe Vorstellung.

35. Male mit vücsem seaer ee Die antomimisches vertissement von ; Musik von Jos. Beyer. Verehelicht:

Dirigent: Hr. Kapellmeister Knoll. . Vorher: Neu in Scene gesetzt: Die Schwätzerin Davenaut's Diensten, Herr Julius Lieban. John Perth, von Saragossa. Komische Operette in 2 Akten Verwalter auf dem Gute des Earl von Marsden, nach dem Emmy, seine Tochter, George Musik von Offenbach. In Scene gesetzt vom Regisseur

Carl Treumann.

Sonnabend: Die Puppenfee.

nesidenz-Thrater. Direktion: Sigmund Lauten⸗

Schauspielhaus. Freitag: Zum 14. Male: 7689 ORO 5 halb bed. Tel. Stzauspiet in 6 Rusßügen von Schüler. Laeiset Screnzen in nftügen von Pfeorien, ardou. In Scene gesetzt von Sigmund Lauten⸗

Sonnabend: Dieselbe Vorstellung.

Direktion: W.

Freitag: Gastspiel von Mitgliedern

des Wallner⸗Theaters: Letzte Woche der Auf⸗ fübhrung von Madame Bonivard. Schwank in 3 Akten von Alex. Bisson V,58 Füns re Frau Oekonomierath Krüger, geb. Opitz, von nfang r. Sonnabend: Madame Bonivard. Sonntag: Madame Bonivard.

1 1 888 Freitag: Zum Tesfing-Theater. Freitag: Das zweite 21. Male: Unsere Don Inaus. Gesangsposse Druck der Norddeutschen Buchdruckerei und Verlags⸗ Gesicht. Lustspiel in 4 Akten von Oskar Blumen⸗ in 4 Akten von thal. Anfang 7 Uhr. Sonnabend und Sonntag: Das zweite Gesicht. Ferron. ——— Sonnabend: Dieselbe Vorstellung. (einschließlich Börsen⸗Beilage).

Leon Treptow. Couplets von Gustav Görß. Musik von Franz Roth und Adolph

Freitag: Thomas-Theater. Alte Jakobstraße 30.

aul von Schönthan. In Scene gesetzt vom Ober⸗Regisseur August Kurz. Anfang 7 ½ Uhr.

Sonnabend: Dieselbe Vorstellung.

hr. Ta Näheres die Anschlag⸗

Familien⸗Nachrichten.

Friedrich-Wilhelmstädtisches Theater.é Verlobt: Frl. Meta Culemann mit Hrn. Reg.⸗

Baumeister August Weidlich (Helmstedt). Frau Klara Hoffmann, geb. Plate, mit Hrn. Wilh. Schatz (Magdeburg).

Hr. Königl. Domänen⸗Rath Ernst Böhmer mit Frau Pauline Struensee (Amt Storkow). Hr. Prem.⸗Lieut. Florian von Lieber⸗ mann mit Frelin Leontine von Kektler (Lattnitz). Hr. Sec⸗Lieut. Gerhard von Bülow mit Frl. Marie von Kessel (Berlin). Hr. Pastor Hein⸗ rich Stolzenburg mit Frl. Toni Geppelt (Leifers⸗ dorf O.⸗L.).

Freitag: Zum

Dirigent: Hr. Kapellmeister Feder⸗ Geboren: Ein Sohn: Hrn. Prof. Dr. Wil⸗

helm Seibt (Berlin). Hrn. Prem.⸗Lieutenant Fritz von Pentz (Oldenburg). Hrn. Dr. med. Müller (Schweina i. Thür). Hrn. Erbpächter H. Beese (Elmenhorst). Hrn. Georg Windeck (Witten). Hrn. Rittmeister Zimmer (Quedlin⸗ burg). Eine Tochter: Hrn. von Blücher (Jürgensdorf). Hrn. Aporhekenbesitzer H. Becker (Marlow). Hrn. Hauprmann Wolfgang Frei⸗ herr von Nordenflycht (Schwerin i. M.). Gestorben: Hr. Eduard Adolf Willy von Thielen (Rosenthal b. Peine). Hr. Gymnasial⸗ Oberlehrer Dr. Karl Foerster (Güstrow). Hr.

Vorher: Die

11““

Ferréol.

Usedom, geb. von Tresckow (Zirmeißel). Hr. Hauptmann a. D. Hermann Schmidt (Demmin). Hr. Pastor emer. F. A. Cunz (Osterweddingen). Hr. Rentier Karl Bock (Nieder⸗Schönhausen).

Boberfeld (Witoslaw).

(Zum vor⸗ Redacteur: Dr. H. Klee.

Verlag der Expedition (Scholz).

Berlin:

Anstalt, Berlin SW., Wilhelmstraße Nr. 32. Fünf Beilagen

1 Aranin, Anstalt für volksthümliche Naturkunde. victoria-Cheater. Freitag: Zum 32. Male: Am Lundes⸗Auestelunas⸗ park (eebeter Bahnöof).

Ausstattungsstück in Geöffnet von 12—11 ich Vorstellung im

C. Harder (Barkow). Frau Elisaheth von

E a,

2*

Erste Beilage

Anzeiger und Königlich Preußisch

iger.

Rekursentscheidungen des Reichs⸗Versicherungsamts.

(877.) Ein Arbeiter, welcher bei einem Betriebsunfall einen Schenkelbruch erlitten hatte, behauptete, dabei auch ein mit Taubheit verbundenes Ohrenleiden davon getragen zu haben. Nachdem die Be⸗ weisaufnahme ergeben hatte, daß das letztere Leiden in gleichem Um⸗ fang bereits vor jenem Unfalle vorhanden gewesen war, hat das Reichs⸗Versicherunggamt unterm 21. Oktober 1889 dahin entschieden, daß eine Rente nur für die durch den Schenkelbruch herbeigeführte Erwerbsunfähigkeit zu gewähren sei. Jedoch wurde bei Bemessung des Grades dieser Erwerbsun⸗ fähigkeit das Ohrenleiden immerhin im Hinblick auf den Umstand in Berücksichtigung gezogen, daß der damit behaftete Arbeiter die Folgen jener anderen Verletzung schwerer empfinden werde, als ein sonst ge⸗ sunder Arbeiter, da das ihm offenbleibende Feld der Erwerbsthätigkeit bei dem Zusammenwirken beider Schäden ein noch beschränkteres sei (vergleiche die Entscheidung 673, „Amtliche Nachrichten des R.⸗V.⸗A.“ 1889 Seite 162).

(878.) In einer Unfall⸗Versicherungssache hatte neben der Wittwe des verunglückten Arbeiters die Krankenkasse, der dieser ange⸗ hört und welche der Wittwe das statutarische Sterbegeld gewährt hatte, Rekurs eingelegt mit dem Antrage, die Berufsgenossenschaft zur Erstattung des Sterbegeldes zu verurtheilen. Das Schiedsgericht hatte die von der Krankenkasse rechtzeitig eingelegte Berufung gegen den ab⸗ lehnenden Bescheid der Berufsgenossenschaft mit der Begründung zurückgewiesen, daß die Verfolgung der in Gemäßheit des §. 8 des Unfallversicherungsgesetzes auf Armenverbände, Krankenkassen ꝛc. über⸗ gegangenen Entschädigungsansprüche nicht in dem durch dieses Gesetz geordneten Verfahren erfolgen könne. Das Reichs⸗Versicherungsamt hat dem mit dem Hauptrekurse verbundenen und daher gemäß Ent⸗ scheidung 636 („Amtliche Nachrichten des R.⸗V.⸗A.“ 1888 Seite 348) zulässigen Rekurse der Ortskrankenkasse in dem Urtheil vom 12. Mai 1890 aus folgenden Gründen stattgegeben: Die Auffassung des Schiedsgerichts gehe zu weit. Allerdings würden die ordentlichen Gerichte zur Entscheidung solcher Streitigkeiten berufen sein, welche zwischen den Berufsgenossenschaften und den Kranken⸗ kassen ꝛc. oder zwischen diesen und den an erster Stelle Bezugs⸗ berechtigten (Verletzten ꝛc.) darüber entstehen, ob und eventuell in welcher Höhe die an sich dem Grunde und der Höhe nach feststehenden Bezüge der Letzteren auf die Krankenkassen ꝛc. übergegangen seien (zu vergleichen Bescheid 146, 182, 233, Rundschreiben vom 11. Sep⸗ tember 1886 Ziffer 3, „Amtliche Nachrichten des R.⸗V.⸗A.“ 1886 Seite 57, 132, 275 und 159). Bestehe aber, wie im vorliegenden Falle, zwischen den Betheiligten allein Streit über die für diesen Rechtsübergang grundlegende Frage, ob und eventuell in welcher Höhe dem Hauptberechtigten ein Anspruch gegen die Berufs⸗ genossenschaft zustehe, während sie sämmtlich über den gegebenenfalls nach §. 8 des Unfallversicherungsgesetzes begründeten Rechtsübergang selbst einig seien, so hätten über diese Streitfrage unbedenklich die Gerichte des Unfallversicherungsgesetzes in dem durch §§. 62, 63, 88 Absatz 1 Satz 2 des Unfallversicherungsgesetze; vorgeschriebenen Ver⸗ fahren zu entscheiden (zu vergleichen §. 76 Absatz 3 des Invaliditäts⸗ und Alterversicherungsgesetzes und der letzte Absatz der Begründung zu dem dem §. 76 dieses Gesetzes entsprechenden §. 64 des Entwurfs zu demselben, sowie der Kommissionsbericht dazu Stenogr. Be⸗ richte über die Verhandlungen des Reichstages 7. Leg.⸗Per. IV. Session 1888/89 Band IV. Seite 86, Band V. Seite 926 —; ver⸗ gleiche auch die Urtheile des Reichsgerichts vom 14. Mai 1887 und vom 5. Juli 1888, Entscheidungen des Reichsgerichts in Civilsachen Band 19 Seite 67 ff. und Band 21 Seite 75 ff.). In einem solchen Falle könne daher auch den Krankenkassen ꝛc. das Recht nicht versagt werden, die für ihren Erstattungsanspruch grundlegende Feststellung neben dem Hauptberechtigten oder selbständig für denselben be⸗ ziehungsweise statt desselben in dem durch die Unfallversicherungs⸗ gesetze vorgeschriebenen Verfahren zu betreiben (vergleiche Entschei⸗ dungen 499 und 636, „Amtliche Nachrichten des R.⸗V.⸗A.“ 1888 Seite 196 und 348), und es stehe nichts entgegen, dann in diesem Verfahren auch den zu erstattenden Betrag der Höhe nach festzusetzen und die Berufsgenossenschaft zur Zahlung desselben an die Kasse zu verurtheilen.

(879.) Im Anschluß an die Rekursentscheidungen 429, 467, 484 und 546 („Amtliche Nachrichten des R.⸗V.⸗A.“ 1887 Seite 357, 1888 Seiten 84, 177 und 280) hat das Reichs⸗Versicherungsamt unter dem 28. Januar 1890 ausgesprochen, daß es zur Wahrung wie der Berufungs⸗, so auch der Rekurspflicht genüͤge, wenn innerhalb der Frist irgend eine die Unzufriedenheit der Partei mit der Vorentscheidung kundgebende Erklärung an die zuständige Stelle gelange, während die nähere Angabe beziehungsweise Begründung der Rechtsmittelansprüche erst später erfolgt (zu vergleichen Entscheidung 540, „Amtliche Nach⸗ richten des R.⸗V.⸗A.“ 1888 Seite 276). In dem betreffenden Falle wurde ein Gesuch des Verletzten an den Vorsitzenden des Schiedsgerichts, in welchem er erklärte, er werde Rekurs einlegen und bitte um Be⸗ lehrung, wie dies zu geschehen habe, als genügend erachtet, nachdem es von dem Vorsitzenden an das Reichs⸗Versicherungsamt abgegeben und bei letzterem vor Ablauf der Frist eingegangen war (§. 63 Ab⸗ satz 1 des Unfallversicherungsgesetzes, §. 10 der Kaiserlichen Verord⸗ nung vom 5. August 1885).

(880.) Ein Baugewerbetreibender, welcher im Jahre 1888 nicht regelmäßig, d. h. an 250 Tagen (Tagewerken) wenigstens einen Lohn⸗ arbeiter beschäftigt hatte, war auf Gr und des §. 2 Abs. 2 des Bauunfall⸗ versicherungsgesetzes in Verbindung mit den betreffenden Vorschriften des Statuts beziehungsweise Nebenstatuts der zuständigen Baugewerks⸗ Berufsgenossenschaft zur Versicherung seiner Person herangezogen worden und hatte die Prämien für dieses Jahr und die Folgezeit entrichtet. Als er Ende 1889 von einem Betriebsunfall betroffen wur de, hatte die Versicherungsanstalt die gesetzliche Entschädigung abgelehnt, weil der Gewerbebetrieb des Verletzten im Jahre 1889 bereits vor dem Unfall⸗ tage die für die Versicherungspflicht bestehende Grenze überschritten gehabt, und daher die Versicherung erloschen sei. Diese Auffassung hat das Reichs⸗Versicherungsamt in einer Rekursentscheidung vom 7. Juli 1890 mißbilligt und dabei folgendes ausgeführt: Wenn auf der einen Seite die Zwangsversicherung der kleinen selbständigen Baugewerbe⸗ treibenden der Arbeiterversicherung darin gleicht, daß sie unabhängig von einer formalen Begründung (durch Aufnahme in das Ver⸗ zeichniß der Selbstversicherer) entsteht und besteht, wenn und solange die Voraussetzung für sie die nicht regelmäßige Beschäftigung wenigstens eines Lohnarbeiters gegeben ist (zu vergleichen die

Rekursentscheidung 830, „Amtliche Nachrichten des R.⸗V.⸗A.“ 1890 Seite 451), so ist sie andererseits insofern der freiwilligen Unter⸗

nehmerversicherung ähnlich, als sie, einmal formal begründet, in der Regel so lange besteht, bis sie ausdrücklich zur Aufhebung gelangt. Diese Aufhebung setzt eine nachweislich dauernde Erweiterung des Betriebsumfanges über die für die Selbstversicherungspflicht gezogene Grenze voraus (zu vergleichen Bescheide 675 und 721, Amtliche Nachrichten des R,⸗V.⸗A.“ 1889 Seite 163 und* 324). Sie erfordert der Regel nach eine ausdrückliche Abmeldung des Gewerbetreibenden §. 5 Absatz 4 des Normalnebenstatuts, „Amt⸗ liche Nachrichten des R.⸗V.⸗A.“ 1887 Seite 333 —, kann aber auch daneben von der Verwaltung der Versicherungsanstalt von Amtswegen verfügt werden; in diesem Falle ist jedoch die Aufhebung dem Ge⸗ erbetreibenden unter Bezeichnung eines in der Zukunft liegenden g. für die Beendigung der Zwangsversicherung förmlich zu eröffnen

Berlin, Donnerstag, den 25. September

Die Photographie und die bildenden Künste.

Der Festrede des Vorsitzenden Sekretars der Königlichen Akademie der Wissenschaften Du Bois⸗Reymond zur Feier des Leibniz'schen Gedächtnißtages am 3. Juli d. J., worin er über Kunst und Wissen⸗ schaften sich aussprach, und die jetzt in den Sitzungsberichten der Akademie veröffentlicht wird, entnehmen wir folgende Erörterung über die Photographie und ihre Bedeutung:

Die Photographie ist für die bildenden Künste von größter Be⸗ deutung geworden. Nicht allein erleichterte sie die Arbeit des Architektur⸗, Intérieur⸗ und Vedutenmalers, und machte, sogar für Rundsichten, die Camera elara überflüssig, sondern sie gab auch vielfach nützliche Fingerzeige in Betreff von Licht und Schatten, Reflexen und Halbdunkel, und überhaupt der Art, körperliche Gebilde in einer Ebene möglichst naturgetreu hervortreten zu lassen. Sie lehrte Felsen mit geologischer, Pflanzenwuchs mit botanischer Treue wieder⸗ geben, und Gletscher darstellen was noch kaum versucht worden, jedenfalls nicht gerathen war. Das Bild der Wolken hielt sie fest, wenn es ihr auch dazu etwas an Ueberblick des Himmels fehlte. Endlich den Bildnißmaler unterstützte sie, ohne seinen Neid zu erregen, denn indem sie nur einen einzelnen, oft langweilig gespannten Aus⸗ druck auffing, war sie seiner Aufgabe nicht gewachsen, ein mittleres Bild des Menschen herzustellen, und die ungefällig starre photogra⸗ phische Physiognomie wurde fast sprichwörtlich für ein schlechtes Porträt. Aber sie lieferte ihm doch in vielen Fällen eine unersetzliche, wenn auch von ihm erst künstlerisch zu belebende Unterlage.

Allein die neuere Gestaltung der Bildnißphotographie ist geeignet, die Aufmerksamkeit des Künstlers nach mehreren Richtungen zu be⸗ anspruchen. Die Augenblicksphotographie faßt Gesichtsausdrücke und Stellungen während eines so kurzen Zeitraums auf, daß sie dadurch wieder gut macht, was sie in Bezug auf den mittleren Ausdruck entbehren läßt, und zu höchst werthvollen Wahrnehmungen führt. Duchenne und Darwin haben die Lehre vom Gesichtsausdruck in den Leidenschaften neugeschaffen, ersterer, indem er durch elektrische Reizung der Gesichtsmuskeln die verschiedenen Ausdrücke nachahmte, letzterer, indem er ihrer phylogenetischen Entwickelung in der Thier⸗ reihe nachging. Beide haben den Künstler mit photographischen Abbildungen solcher Gesichtsausdrücke beschenkt, neben welchen die demselben Zwecke dienenden Vorlegeblätter der Kunstschulen völlig ver⸗ altet erscheinen. Seitdem ist der englische Anthropologe Mr. Francis Galton auf den Gedanken gekommen, photographisch eine Aufgabe zu lösen, welche dem Künstler gerade so unzugänglich war, wie dem Photographen die Wiedergabe des mittleren Gesichtsausdrucks einer Person, nämlich die mittlere Gesichts⸗ und Schädelbildung einer be⸗ liebigen Anzahl von Menschen von gleichem Alter, Geschlecht, Beruf, gleicher geistiger Bildungsstufe oder von gleichen verbrecherischen Nei⸗ gungen in Einem tvpischen Bilde zusammenzufassen. Dies geschieht, indem auf demselben Negativ die schattenhaften Bilder aller dieser Gesichter zur Deckung gebracht werden. Professor Bowditch von der Harvard Medical School hat auf diese Art das mittlere Bildniß oder den Typus von amerikanischen Studenten und Studentinnen, von Pferdebahnkutschern und Schaffnern aufgenommen. Im letzteren Falle ist es sehr auffallend, wie der Schaffnertypus den Kutschertypus an geistigem Ausdruck überragt. Das wäre etwas für Lavater und Gall gewesen.

Selbst die Pathologie drängt sich hier in den Dienst der bildenden Kunst. Hr. Charcot hat in den photographisch festgehaltenen krampf⸗ haften Stellungen und Gesichtsverzerrungen der Hysterischen die klassischen Darstellungen von Besessenen wiedererkannt. Das Merk⸗ würdigste in dieser Beziehung ist wohl, den sonst nur im Idealen verweilenden Rafael auf seiner Transfiguration bei der Figur des besessenen Knaben so realistisch verfahren zu sehen, daß man aus der Magendie'schen Augenstellung des Kranken mit einiger Sicherheit ein centrales Leiden diagnostiziren kann.

Noch nach einer anderen Seite hat die Entwicklung der Photo⸗ graphie der Kunst wichtige Aufschlüsse gegeben. Im Jahre 1836 stellten die Gebrüder Wilhelm und Eduard Weber in ihrem berühmten Werk über die „Mechanik der menschlichen Gehwerkzeuge“ einen gehenden Menschen in den theoretisch erschlossenen Stellungen dar, welche er während der Dauer eines Schrittes folgweise einnehmen muß. Dabei zeigte sich das Sonderbare, daß zwar zu Anfang und zu Ende des Schrittes, wo der Mensch eine kurze Zeit auf beiden Füßen ruht, die Abbildung vollkommen richtig aussah, so, wie schon immer die Maler gehende Menschen darzustellen gewohnt waren, daß aber in der Mitte des Schrittes, wo das sogenannte Spielbein am Standbein vorbeipendelt, der fremdartigste, ja lächerlichste Anblick sich darbot; der Mensch schien, wie ein betrunkener Dorfmusikant, über seine eigenen Füße zu stolpern, und nie hatte Jemand einen gehenden Menschen in solcher Lage gesehen. Die Gebrüder Weber schlagen auf der letzten Seite ihres Werkes zwar vor, die Richtigkeit ihrer schematischen Zeichnungen mit Hülfe der sogenannten strobo⸗ skopischen Scheiben dvon Stampfer und von Plateau zu prüfen, welchen sie übrigens schon die vortreffliche, uns erst vor wenigen Jahren als eine Neuigkeit aus Amerika unter dem Nam en „Zootrop“ oder wohl gar „Vivantoskop“ zugekommene Form geben, doch ist mir nicht bekannt, daß dieser Vorschlag wirklich ausgeführt worden sei.

Hr. Wilhelm Weber aber hat erlebt, daß nach fast einem halben Jahrhundert die Augenblicksphotographie ihm und seinem Bruder vollkommen Recht gab. Mr. Muybridge in San Francisco wandte sie zuerst an, um die aufeinanderfolgenden Stellungen von Pferden in verschiedenen Gangarten aufzufassen. Dabei zeigte sich dasselbe wie an den Weber'’schen schematischen Zeichnungen, es kamen Bilder zum Vorschein, wie sie in Wirklichkeit Niemand ge⸗ sehen zu haben glaubte. Auf Straßenscenen, Aufzüge u. d. m. ge⸗ richtet, fing die Camera häufig Bilder von Menschen in ebenso wunderlichen Stellungen auf, wie die, welche die Gebrüder Weber ihnen aus theoretischen Gründen ertheilt hatten. Nicht anders ver⸗ hält es sich mit den wunderbaren Reihen von Bildern eines fliegenden Piehe welche Hr. Marey mittels seiner photographischen Flinte er⸗ zielt hat.

Die Erklärung ist bekanntlich gewesen, daß, wenn ein Gegen⸗ stand mit periodisch veränderlicher Geschwindigkeit sich bewegt, wir einen stärkeren und dauerhafteren Eindruck davon in den Lagen er⸗ halten, in welchen er länger verweilt, einen schwächeren und flüchtigeren in den Lagen, die er schnell durchläuft. Auch ohne dies Gesetz zu kennen, wird kein Maler die Schwarzwälder Uhr in einer Bauernstube mit senkrecht herabhängendem Pendel darstellen, da jeder Beschauer fragen würde, warum die Uhr stehe. Weil nämlich das Pendel, wenn es auf einer Seite ausgeschwungen hat und zur Umkehr sich anschickt, nothwendig einen Augenblick stillesteht, prägt sich uns diese abgelenkte Lage stärker ein, als die, wo das Pendel mit dem Maximum der Geschwindigkeit durch seine Gleich⸗ gewichtslage hindurchgeht. Ganz ebenso ist es mit den abwechselnd pendelnden Beinen des gehenden Menschen; in der Stellung, wo er auf beiden Beinen ruht, verharrt er länger als in jeder anderen, am kürzesten in der, wo das Spielbein am Standbein vorbeischwingt. Die letztere Stellung und die ihr benachbarten machen uns deshalb so gut wie gar keinen Eindruck, wir stellen uns einen gehenden Menschen vor, und der Maler stellt ihn demgemäß dar, in der Stellung, wo er zwischen zwei Schritten den Boden mit beiden Füßen berührt

Bei dem Schnelllauf des Pferdes ereignet sich aber noch etwas

1890.

Besonderes. In wie dichtgedrängten Augenblicken man auch das Pferd aufnehmen mag, nie erhält man das Bild eines wettrennenden oder jagenden Pferdes, wie es in den besonders aus England uns zukommenden und zur Zeit der Rennen und Hetzjagden an den Schaufenstern der Bilderläden ausgehängten Darstellungen zu sehen ist, und wie es uns selber beim Anblick so bewegter Pferde in die Augen fällt. Darin unterscheidet sich der Fall von dem am Men⸗ schen, wo unter den zufällig oder methodisch gewonnenen Bildern neben den mit bloßem Auge, so zu sagen, nie gesehenen auch solche vorkommen, welche dem gewohnten Anblick. gehender Menschen ent⸗ sprechen. Der Unterschied beruht darauf, daß am wettrennenden Pferde der Augenblick, in welchem die vorgestreckten Vorderbeine länger verweilen, nicht zusammenfällt mit dem, in welchem dies die nach hinten gestreckten Hinterbeine thun, sondern ihm um eine kleine Zeitgröße voraufgeht. Dem Auge prägen sich diese beiden Lagen vorzugsweise ein und verschmelzen zu dem gewohnten Bilde 8 die Augenblicks⸗Photographie faßt ihr Nachein⸗ ander auf.

Eine illustrirte amerikanische Zeitung brachte 1882 das Bild eines Jagdrennens mit Hindernissen, wo alle Pferde in lauter wirklichen, den Muybridge'schen Photographien entlehnten Stellungen erscheinen, wie nur die schnell empfindliche Platte sie sieht. Hr. Professor Eder in Wien hat uns in einer Schrift über Momentphotographie diese sinnreiche Skizze zugänglich gemacht, und ein mehr fremdartiger Anblick läßt sich nicht denken. Hr. Ottomar Anschütz aber, welcher bei uns die Augenblicksphotographie mit besonderem Geschick hand⸗ habt und dessen Thierstudien für den Thiermaler ein unschätzbarer Quell der Belehrung sind, hat die stroboskopischen Scheiben in seinem „elektrischen Schnellseher“ zu höchster Vollkommenheit gebracht, und mit diesem Apparat den Gedanken der Gebrüder Weber verwirklicht, die gleichsam in Differentialbilder zerlegte periodische Bewegung wieder zum Gesammteindruck zu integriren. Nun sieht man Menschen und Pferde scheinbar wieder verständig gehen, laufen und springen; man sieht den Speerwerfer in den verschiedenen Stadien seines gewalt⸗ samen Schwunges, bis zuletzt das der Hand entflogene Geschoß noch im Bilde erscheint: denn es kann sich nicht schneller bewegen als die Hand im Augenblick, wo sie es entließ.

Auch auf im Sturm brandende Wellen ist die Augenblicks⸗ photographie, wie Jedermann weiß, mit überraschendem Erfolg an⸗ gewandt worden. Doch müßte bei Benutzung solcher Bilder der Seemaler nicht vergessen, daß unser Auge auch die Wellen nicht so zu sehen vermag, wie die schnellempfindliche Platte, und daß er dabei leicht in den Fall käme, uns von den Wellen ein in gewisser Be⸗ ziehung ebenso unrichtiges Bild vorzuführen, wie das der scheinbar stehenden Uhr oder des über seine Füße stolpernden Menschen.

Uebrigens hat Hr. von Brücke in einem besonderen Aufsatz die Regeln entwickelt, die sich aus dem Allen für „die Darstellung der Bewegung durch die bildenden Künste“ ergeben, und, gleich den Ge⸗ setzen der Farbenstellung, von den Meistern stets schon unbewußt befolgt wurden. Von der Photographie in natürlichen Farben, von der Künstler und Laien noch immer träumen und Großes hoffen, ist leider nicht bloß für die nächste Folgezeit, sondern aus theoretischen Gründen, welche die Erfahrung schwerlich Lügen strafen wird, auch für alle Zukunft so gut wie nichts zu erwarten.

Statistik und Volkswirthschaft.

Zur Arbeiterbewegung.

Das „Berl. Volksblatt“ theilt einen im Auftrage der „gemaß. regelten Tabackarbeiter und Arbeiterinnen“ in Eschwege erlassenen Aufruf mit, welcher die Hülfe der Kollegen und anderer Arbeiter in Anspruch nimmt. In dem Aufruf wird u. A. angeführt, daß die Zahlstelle des Unterstützungsvereins deutscher Tabackarbeiter, welche früher in Eschwege bestand, im Jahre 1887 auf Grund des Sozialistengesetzes verboten wurde. Die Mitglieder blieben jedoch dem Verein treu, zahlten ihre Steuern als einzelne Mitglieder direkt nach Bremen und die Zahl derselben nahm während dieser Zeit um das Dreifache zu. Jetzt stellt sich der in Eschwege gebildete Fabri⸗ kantenbund den Mitgliedern entgegen und verlangt durch Namens⸗ unterschrift den Austritt aus dem Verein. Weil dieses die Arbeiter verweigerten, ist ca. 400 männlichen, wie weiblichen Arbeitern ge⸗ kündigt worden. Die Kündigungszeit läuft somit am 27. September bei ca. 300 Personen ab, bei den übrigen am Sonnabend, den 4. Oktober. Es sind hiervon ca. 100 150 Personen, welche erst dem Verein beitraten, als die Fabrikanten den Austritt von den Mit⸗ gliedern forderten.

Aus Elsaß⸗Lothringen wird der „Magdb. Ztg.“ geschrieben, die sozialdemokratische Partei, welche zuerst in Mülhausen festen Fuß gefaßt und einen Wahlerfolg erzielt habe, suche nun auch anderweitig an Boden zu gewinnen. In den letzten Tagen habe sie zu Colmar einen „Verein zur Herbeiführung volksthümlicher Wahlen“ ins Leben gerufen. 3

Aus Eisleben wird der „Rh.⸗Westf. Ztg.“ über eine von den früheren Bergleuten Bunte und Siegel geplante Bergarbeiter⸗ versammlung berichtet, welche am Sonnabend daselbst abgehalten werden sollte. Nachdem die genannten früheren Bergleute bereits am Freitag im Stillen zu agitiren versucht hatten, wurde für Sonnabend durch den als Sozialdemokraten bekannten Tischler Johne eine Berg⸗ arbeiterversammlung zusammenberufen, wozu jedoch, da die Ver⸗ sammlung zu spät angemeldet worden, die polizeiliche Erlaubniß ver⸗ sagt wurde. Trotzdem fanden sie sich in Begleitung einer Anzahl bekannter Sozialdemokraten Maurer und Tischler ein, wurden aber von den Bergleuten, welche sich in großer Anzahl eingefunden hatten, mit derartigem Hohngelächter und theilweise sogar thätlichen Begrüßungen empfangen, daß sie die Flucht ergreifen mußten.

In Leipzig hielten am Dienstag die im graphischen Ge⸗ werbe beschäftigten Arbeiter und Arbeiterinnen, als Buchdrucker, Schriftgießer, Steindrucker, Lithographen, Notenstecher, Buchbinder, Xylographen, Graveure, Punktirerinnen, Falzerinnen, sowie alle Hülfsarbeiter und Hülfzarbeiterinnen, eine öffentliche zahl⸗ reich besuchte Versammlang ab. Der Zweck der Versammlung war, wie wir der „Lpz. Ztg.“ entnehmen, die Mittel zur Hebung der Lohn⸗ und Arbeitsverhältnisse der im graphischen Gewerbe beschäftigten Arbeiter und Arbeiterinnen zu besprechen. Es traten eine große Anzahl Redner und Rednerinnen auf, welche die im genannten Gewerbe herrschenden Mißstände besprachen, 2 Organisation der Arbeiter und Arbeiterinnen aufforderten und sich für Einführung der achtstündigen Arbeitszeit erklärten. Aus den Ausführungen eines Redners war zu entnehmen, daß die Buchdrucker im Jahre 1889 allein für die Unterstützun Arbeitsloser 123 776 aufgewendet haben. Es gelangte schließlich eine Resolution zur Annahme, nach welcher die Einführung der achtstündigen Arbeitszeit als dringend geboten bezeichnet wurde und alle Arbeiter und Arbeiterinnen in ihrem Kreise die nöthigen Vorbereitungen zur Durchführung dieser Forderungen treffen, nament⸗ lich aber, soweit dies noch nicht geschehen sei, sich organisiren sollen, damit später auf dem Boden der Organisation nachhaltig für die aufgestellte Forderung eingetreten werden könne. Das Bureau wurde zum Schluß noch beauftragt, für die nächste Zeit eine öffent⸗ liche Versammlung aller Arbeitslosen des graphischen

Gewerbes einzuberufen.