b ehandelt habe, Ausdruck zu geben und dem Vorsitzenden e- Dank zu sagen. Dieser schloß danach Ver⸗ 1 sammlung. “
Bei der hahnamtlichen Untersuchung des Unfalls, welcher den Se 8 43 am 9. September d. J. 8 bei der Einfahrt in den hiesigen Anhalter Bahnhof be⸗
.“ 3 s festgestellt worden: G 8 bchetg . 1 Lokomotive, einem Gepäck⸗
und 8 Personenwagen; derselbe war mit Luftdruckbremse (Tarher h ausgerüstet und zwar waren der Tender und sechs Wagen mit Bremsapparaten, drei Wagen mit festen und der Gepäckbeiwagen mit loser Rohrleitung für die Preßluft versehen. (Lose Rohrleitungen werden in einzelnen Fällen verwendet, um nicht Wagen lin Züge einstellen zu können, welche mit 8 bremse gefahren werden.) Während der Zug auf den Vor⸗
beiwagen
sttationen, zuletzt in Luckenwalde, stets richtig gehalten hatte und
keinerlei Fehler an der Bremseinrichtung bemerkt war, wurde der⸗ selbe bei Feb er nbhe in den Anhalter Bahnhof (Kopfstation) nicht rechtzeitig zum Stillstand gebracht, sodaß die Lokomotive den Prellbock zertrümmerte und über den Querbahnsteig bis zur
gegenüberstehenden Mauer fuhr. Verletzungen von Personen
ind bis auf eine geringfügige Beschädigung des Heizers, b beng er fenf beim vorzeitigen Herabspringen von der Loko⸗ motive zugezogen hatte, glücklicher Weise nicht eingetreten. Der Lokomotivführer hat nach seiner Aussage den Zug in der Nähe der Yorkstraßen⸗Unterführung — etwa 1400 m vor der Stelle, an der die Züge im Bahnhof halten sollen, — gebremst, indem er den Bremshahn vorschriftsmäßig ganz geöffnet hat, er will jedoch keine Bremswirkung verspürt haben, sodaß er zuletzt noch Gegendampf gegeben habe. Das Bremssignal mit der Dampfpfeife hat der Führer nicht gegeben, wiewohl ihm bekannt war, daß mindestens die Packwagen⸗Bremse und die Schlußbremse, diese durch den Bremswärter, besetzt sein mußten. Der Heizer ist in der Halle von der Lokomotive gesprungen, ohne die Tender⸗ Handbremse festzulegen, ebenso ist der Bremswärter von der Schlußbremse abgesprungen, ohne weder den Bremshahn in
seinem Kupee zu öffnen, noch die Handbremse anzuziehen.
Das Zugpersonal in den Wagen hat nicht bemerkt, daß die as Zbg der Einfahrt gebremst sind, was sich durch ein eigenthümliches Gefühl und Geräusch leicht erkennen läßt. Bei der sofort vorgenommenen Besichtigung des Zuges wurden die sämmtlichen Bremsen fest vorgefunden, der Handhebel der Tenderbremse lag jedoch auf „lose“, die Luft⸗ leitung an dem Gepäckbeiwagen und einige Theile der zeinri der Lokomotive und dem Tender waren zerstört, der Bremshahn der Lokomotive stand auf „Bremsen
fest“, im Hauptluftbehälter befanden sich noch über acht Almosphären Druck, der Steuerungshebel der Lokomotive lag auf Rückwärtsfahrt. Bei der späteren genauen Untersuchung hat sich herausgestellt, daß die sämmtlichen Bremseinrichtungen in betriebstüchtigem Zustande sich befanden, daß die Luft⸗ leitungen nicht verstopft und insbesondere die Gummi⸗Verbin⸗ ungsschläuche im Innern von untadelhafter Beschaffenheit Die lose Rohrleitung am Gepäckbeiwagen war zwar zerstört, es konnten aber keine Merkmale gefunden werden, welche darauf schließen ließen, daß an derselben eine Verstopfung oder eine andere Beschädigung vorhanden gewesen sei.
Nach diesem Befunde und in Berücksichtigung der Aus⸗
sagen des Personals liegen nur die beiden Möglichkeiten vor, entweder, daß der Lokomotivführer, um eine eingetretene Ver⸗ spätung einzuholen, sehr schnell in den Bahnhof gefahren ist und zu spät gebremst, oder den Bremshahn instruktionswidrig und unsachgemäß gehandhabt hat und deshalb keine Brems⸗ wirkung erzielen konnte, — oder, daß durch eine nicht auf⸗ geklärte Ursache eine Verstopfung der Rohrleitung auf der Fahrt von Luckenwalde bis Berlin eingetreten ist. Welcher on beiden Fällen auch vorliegen mag, so steht doch so viel fest, daß der Lokomotivführer, wenn er wirklich in der Nähe er Yorkstraßen⸗Unterführung gemerkt hat, daß die Bremsen nicht wirkten, den Zug, wie angestellte Versuche ergeben haben, schon allein mit seiner Lokomotiv⸗ und der Tender⸗ bremse rechtzeiiig zum Stillstand hätte bringen können, während er durch Geben des Bremssignals die Bremswirkung noch verstärken konnte. Die Beamten, durch deren Ver⸗ chulden der Unfall anscheinend herbeigeführt ist, sind bis zum Abschluß der eingeleiteten gerichtlichen Untersuchung vom Personenzugfahrdienst zurückgestellt. Auf die an dieses Vorkommniß in gewissen Organen der Presse geknüpften Angriffe auf Betriebseinrichtungen der Staatsbahnen wird demnächst besonders zurückgekommen werden.
In der Ersten, Zweiten und Dritten Beilage zur heutigen Nummer des ‚Reichs⸗ und Staats⸗Anzeigers“ veröffentlichen wir den dem Bundesrath vorgelegten Entwurf eines Ge⸗ setzes über die Abänderung des Gesetzes, betreffend die Krankenversicherung der Arbeiter, vom 15. Juni 1883, nebst Begründung.
Morgen werden wir eine Zusammenstellung des bisherigen Gesetzes mit dem neuen Entwurf zur Veröffentlichung bringen.
Auf Grund Ermächtigung des Reichskanzlers hat der Minister für Landwirthschaft, Domänen und Forsten, wie der
Hannoversche Courier“ mittheilt, die Einfuhr von lebenden Schweinen aus Bielitz⸗Biala und Steinbruch (Ungarn) über Oderberg und Dzieditz nunmehr auch in die öffentlichen ee zu Hannover,? Hildesheim und e unter bestimmten Kontrorvorschriften widerruflich gestattet.
Der Königlich württembergische Gesandte am hiesigen
Allerhöchsten Hofe von Moser ist vom Urlaub nach Berlin
zurückgekehrt und hat die Geschäfte der Gesandtschaft wieder bernommen.
S. M. Kanonenboot „Wolf“, Ko andant Korvetten⸗
Kgapitän Credner, ist am 8. Oktober von Kagoshima nach
Nagasaki zurückgekehrt.
In der Dritten Beilage veröffentlichen wir -g eine
Uebersicht der in den deutschen Münzstätten bis Ende September 1890 stattgehabten Ausprägungen von Reichsmünzen. 1
Der heutigen Nummer des „Reichs⸗ und Staats⸗ Anzeigers“ liegt eine „Besondere Beilage“ (Nr. 5), enthaltend Entscheidungen des Reichsgerichts, bei.
1—
Aus Wilhelmshaven, 4. Oktober, wird der ‚Kieler Ztg.“ geschrieben: Mit dem heutigen Tage gelangte bei der Kaiserlichen Werft hierselbst die 2. Torpedoboots⸗ Division zur Außerdienststellung. Die Division, aus dem Torpedo⸗Divisionsboote D5 und mehreren Schichaubooten bestehend, war erst wenige Tage zuvor von Kiel aus hierher zurückgekehrt und hatte dabei den äußerst gefährlichen Weg über Kap Skagen genommen. Trotz der heftigen Aequinoktial⸗ stürme, die in den letzten Tagen auf offener See so viel Unheil angerichtet, gelang es den kleinen Torpedobooten, wohlbehalten den hiesigen Hafen zu erreichen.
Sachsen.
Dresden, 8. Oktober. Ihre Königlichen Hoheiten der PrinzArthur von England, Herzog von Connaught, und Gemahlin sind heute Vormittag von Berlin hier ange⸗ kommen und auf dem Albrechtsschlosse abgestiegen.
Württemberg.
Stuttgart, 8. Oktober. Se. Majestät der König hat unter dem 3. d. die Stelle des Vorstands der Betriebs⸗ abtheilung der Generaldirektion der Posten und Tele⸗ graphen dem Ersten Vorstand dieser Generaldirektion und Vorstand der seitherigen Postabtheilung Präsidenten von Weizsäcker und die Stelle des Vorstands der Verwaltungs⸗ abtheilung der Generaldirektion der Posten und Telegraphen dem tit. Direktor von Schrag, Vorstand der seitherigen Telegraphenabtheilung übertragen. 8
““
Detmold, 8. Oktober. Ueber die vorgestern im Land⸗ tage fortgesetzte Berathung des Regentschaftsgesetzes wird dem „Hann. Cour.“ berichtet:
Zunächst ist ein interessanter Zwischenfall hervorzuheben, da Abg. Schnittger sich darüber beschwerte, daß in das Protokoll der vorigen Sitzung sein Vorschlag, doch in Lippe einen republikanischen oder sozialistischen Staaf einzurichten, nicht aufgenommen sei. Auf die Entgegnung des Protokollführers, daß doch diese Aeußerung gewiß nicht ernstlich gemeint sei, verlangt Schnitt⸗ ger die Aufnahme, da diese Aeußerung durchaus seine wahre Ansicht sei. Hierauf erfolgt die Wahl der Finanz⸗ und Petitions⸗ kommission; die Wahl erfolgt mit Akklamation, indem die alten Mitglieder wiedergewählt werden. — Bei der zweiten Lesung des Regentschaftsgesetzes wird zunächst der erste Paragraph in folgender Fassung angenommen: „Die im Mannesstamm des Lippischen Regentenhauses nach dem Rechte der Erstgeburt und der agnatischen Linealfolge erbliche Thronfolge und die Nachfolge in das Haus⸗ fideikommniß geht nach dem Tode des jetzt regierenden Fürsten auf den Prinzen Alexander über.“ Durch diesen Paragraphen soll entgegen dem gemeinen Recht auch dem dauernd ceistes⸗ kranken Prinzen Alexander die Nachfolge gesichert werden §. 2 er⸗ hält folgende Fassung: „Wenn derselbe beim Antritt der Regierung wegen körperlicher oder geistiger Schwäche nicht im Stande ist, die Regierung zu führen, oder so lange derselbe in diesem Zu⸗ stande ist, tritt eine Regentschaft ein.“ Ein Antrag Asemissen, ein formelles Verfahren auf dauernde Entmündigung einzuleiten, und infolge dessen in das Gesetz den Ausdruck „dauernd geistesunfähig“ aufzunehmen, findet keinen Anklang, da man die Möglichkeit, daß der Prinz wieder regierungsfähig werden könnte, nicht außer Acht lassen möchte. Außerdem sei der Zustand des Prinzen z. B. mit dem des Königs von Bayern nicht überein⸗ stimmend; es dürfte sich wohl kein ärztliches Attest beibringen lassen, daß der Prinz dauernd geisteskrank sei. Eine sehr lange Debatte entspinnt sich bei dem §. 3, in welchem dem Fürsten die Befugniß
der Ernennung eines Regenten zugesprochen wird. Abg. Asemissen
will den Zusatz „aus den zunächst successionsberechtigten Agnaten“, damit nicht ein Regent gewählt werden könne aus einer anderen Linie als der, welcher der zukünftige Fürst nach dem Tode des Prinzen Alexander entstamme. Von anderer Seite wird dieser Zusatz für bedenklich gehalten, da eben ein Streit darüber bestehe, wer der zunächst berechtigte Agnat sei. Präsident von Lengerke beantragt einen Zusatz, nach welchem in dem Falle, daß der Fürst keinen Regenten ernannt hat, oder der ernannte Regent die Regentschaft nicht antreten will oder kann oder aber stirbt, der Landtag einen neuen Regenten aus den Agnaten zu wählen hat; zu diesem Behuf soll der Landtag drei Wochen nach Eintritt der Vakanz zusammen⸗ treten und die Wahl nach absoluter Majorität vornehmen. Kabinets⸗ Minister von Wolffgramm nimmt seine Stellung zu den verschiedenen Amendements, den Antrag von Lengerke aber hält er für zu weitgehend, da dem Landtage ein Wahlrecht überhaupt nur zugestanden werden könnte, wenn kein Agnat mehr vorhanden sei. Abg. Asemissen stellt folgenden Antrag: „Die den Contutoren nach dem Pactum tutorium eingeräumten Rechte werden auch durch vom Land⸗ tage gewählte Vertreter ausgeübt. Wegen der Befugnisse, die den Vertretern eingeräumt, muß später eine Verständigung zwischen Re⸗ gierung und Landtag festgesetzt werden. Die Rechte der Contutoren sollen in einem besonderen Gesetz bestimmt werden.“ Gegen diesen Paragraphen spricht eifrig Kabinets⸗Minister von Wolff⸗ gramm, der die Contutoren für durchaus unmonarchisch hält. Zwei Contutoren, die der Fürstin Pauline gestellt seien, hätten bald ihr Amt wieder niedergelegt, da sie das Ueberflüssige und Nutzlose ihrer Stellung eingesehen hätten. Präsident von Lengerke hält die Contutoren mit voller Regierungsgewalt gleichfalls nicht mehr für unsere Zeit passend, sie müßten nur Befugnisse erhalten in Fragen des Domaniums und eltwaiger Thronfolge Angelegenheiten, damit der Regent, welcher einer der streitenden Linien angehöre, keine Thron⸗ folge⸗Aenderung durchsetzen könne, die zu Gunsten seiner Linie sei. Um 8 Uhr wird die Sitzung vertagt.
Auch die gestrige Sitzung wurde ausschließlich durch die Diskussion über §. 3 der Regentschaftsvorla e in An⸗ spruch genommen. Kabinets⸗Minister von Wolffgramm erklärte im Verlaufe derselben (wie schon telegraphisch kurz gemeldet), das Verlangen, daß die Contutoren nicht bloß be⸗ rathende, sondern auch entscheidende Mitwirkung bei der Regentschaft haben sollten sei für die Regierung gänzlich un⸗ annehmbar. ’
Heute wurde, dem „W. T. B.“ zufolge, der Paragraph, nach welchem dem Fürsten Waldemar die Ernennun des Regenten zusteht, genehmigt mit dem Zusatz, da ein Regentschaftsrath einzusetzen sei, dessen Befugnisse der Verständigung zwischen Regierung und Landtagworbehalten bleiben sollen. 1 8
Bremen.
Bremen, 9. Oktober. Die Bürgerschaft beschlo ihrer gestern Abend stattgehabten Sitzung, dem General⸗Feld⸗ marschall Grafen von Moltke anläßlich seines bevorstehen⸗ den 90. Geburtstages für die dem Vaterlande geleisteten un⸗ vergeßlichen Dienste eine Dankadresse durch den Senat überreichen zu lassen 8—
Deutsche Kolonien.
In der englischen Presse liegen heute zwei Stimmen vor, welche der Rührigkeit der Deutschen in den Kolonien ein anerkennendes Zeugniß ausstellen und die Engländer er⸗ mahnen, es auch ihrerseits an Thätigkeit nicht fehlen zu lassen. So veröffentlicht die „Times“ ein Eingesandt eines “ über die „Entwickelung Neu⸗Guineas“, in der es heißt:
„Es ist traurig, es sagen zu müssen, aber die Wahrheit muß an den Tag, daß die deutschen Kolonisten in jenem Theile Neu⸗Guineas, welcher hinfort den Namen Kaiser Wilhelms⸗Land führen wird, an trotzigem Unternehmungsgeist die seichten, halbherzigen Ansiedelungs⸗ versuche im Britischen Guinea weit in den Schatten stellen. . An der Küste von Kaiser Wilhelms⸗Land befinden sich schon 6 Häfen mit bedeutendem Handel und Plantagen. Die Deutschen benutzen ihre Aussich⸗ ten in einer solch fruchtbaren Gegend, besonders da ihre Regierung sie in jeder möglichen Weise unterstützt. Der Kaiserin Augusta⸗Fluß ist über 100 Meilen weit landeinwärts schiffjbar für Ozeandampfer. Es ist möglich, daß die Eingeborenen sich nicht so wohl im Kaiser Wil⸗ helms⸗Land befinden, als in Britisch Neu⸗Guinea, aber es würde ungerecht sein, das schlechthin zu behaupten. Vielleicht gelingt den Deutschen Beides, die Eingeborenen zu Christen zu machen und die Hülfsguellen des Landes zu entwickeln.⸗ 88
Und aus Sansibar, 6. Oktober, wird dem „Standard“ geschrieben: 1
„Die Zukunft Sansibars erscheint durchaus nicht so erfreulich, wie sie noch vor Kurzem betrachtet wurde. Sansibar steht jetzt freilich unter britischem Schutz; welcher Vortheil darin aber für die Eng⸗ länder, welche Sansibar zu dem gemacht haben, was es ist, liegt, werden die nächsten zwei oder drei Jahre zeigen oder vielleicht gar eine fürzere Zeitspanne. Sansibar ist seit vielen Jahren der Centralmarkt für die verschiedenen kleineren Häfen des gegenüberliegenden Festlandes gewesen. Alle diese kleineren Häfen verschiffen ihre Robprodukte, Gummi, Elfenbein, Häute u. s. w. nach Sansibar, von wo aus sie in alle Theile der Welt befördert werden. Als Entgelt erhält Sansibar Manchester⸗ Baumwollenwaaren und andere Industrieerzeugnisse, welche schließlich ihren Weg in das Innere des dunklen Erdtheils finden. Dieses Alles wird sich aber jetzt ändern und Sansibar wird nicht lange mehr die geschäftige und bluüͤhende Stadt bleiben, welche es gegenwärtig ist, wenn nicht weitere Ereignisse dem Einhalt thun. Die Chance, welche die Insel unter den schützenden Arm Großbritanniens stellte, hat auch ihrer Wohlfahrt einen gewaltigen Schlag zugefügt. Denn ob⸗ gleich die große deutsche Gesellschaft sich aufs Festland zurückziehen und ihr Hauptquartier in Dar⸗es⸗Salaam aufschlagen muß, so hält sie doch noch die Trumpfkarte in der Hand, welche, wenn sie geschickt ausgespielt wird, ihren Gegnern einen schweren Hieb versetzen kann. Ohne Zweifel besitzt das deutsche Küstengebiet die reichsten Orte, welche jetzt mit und mittels Sansibars Handel treiben. Die Gesellschaft ist aber entschlossen, diesen Handel in der Hand zu behalten und alle Waaren, welche früher auf den Markt von Sansibar gelangten, unmittelbar nach Europa auszuführen. Ebenso wird die Ges ellschaft Industriewaaren unmittelbar einführen und natürlich den deutschen Erzeugnissen den Vorzug geben. Auf diese Weise wird Sansibar des größten Theils seines Handels beraubt werden. Das britische Kapital unterstützt außerdem die deutsche Gesellschaft in ihrem Plünderungssystem (spoliation), indem die einzige auf der
„Infel befindliche Bank eine englische ist, welche aber als Agenten
eine deutsche Firma hat, die naturgemäß ihren Landsleuten in ihren Plänen
hilft. Erwägt man alle Punkte der Sache, so hält es nicht schwer, das
Ende von alledem einzusehen. Auf der einen Seite steht die mächtige deutsche Gesellschaft, deren Gebiete die reichsten Stücke dieses Theiles der ostafrikanischen Küste enthalten und einen regelmäßigen Postdampferdienst nach Europa und allen Theilen der Welt besitzen, auf der anderen Seite steht die britische Gesellschaft, deren nördlicher gelegene Häfen nur geringen Handelsverkehr haben, wä rend ihre bedeutendste Stadt, Mombassa, kaum den Namen einer Handels⸗ stadt verdient. Falls die britische Gesellschaft daher sich nicht auf⸗ rafft und etwas mehr thut, als Verbesserungen in Mombassa unter⸗ nimmt, wird sie den Kürzeren in dem Kampf ziehen und „auf allen Punkten von den energischeren Deutschen geschlagen w rden.
11“ 8 8
Oesterreich⸗Ungarn.
Wien, 9. Oktober. Se. Majestät der Kaiser und König, Se. Majestät der König von Sachsen, Se. Kaiserliche und Königliche Hoheit der Großherzog von Toscana und Se. Königliche Hoheit der Prinz Leopold von Bayern trafen gestern Abend 7 Uhr 55 Minuten in Pensing ein und begaben sich dem „W. T. B.“ zufolge von dort nach Schönbrunn. Wie die Pariser Blätter melden, ist Ihre Majestät die Kaiserin und Königin am in Ajaccio angekommen. 8
hre Kaiserlichen Hoheiten der Großfürst und die Großfürstin Michael Nikolajewitsch sowie der Großfürst Alexander trafen gestern Abend aus Ulm hier ein.
Die Handelskammer in Olmütz hat in ihrer vor⸗ gestrigen Sitzung, einem der Wiener „Presse“ zugegangenen Telegramm zufolge, einen Antrag des Kammer⸗Raths Siegl angenommen, demzufolge eine Petition an das Handels⸗ Ministerium wegen eines gemeinschaftlichen Vor⸗ gehens Oesterreichs und Deutschlands gegen die amerikanische Zollbill gerichtet werden soll. — 1
Vorgestern haben in Budapest, wie wir der „Wien. Ztg.“ entnehmen, unter Vorsitz des Ministerial⸗Raths Stephan von Lipthay die Verhandlungen zwischen den serbischen Delegirten und den Vertretern des Handels⸗Ministe⸗ riums, betreffend die Feststellung einzeler auf die Einfuhr von Borstenvieh aus Serbien bezughabender Durch⸗ führungsbestimmung, ihren Anfang genommen. Da⸗ die serbischen Delegirten bezüglich einiger, übrigens unwesentlicher Fragen noch die Informationen ihrer Regierung einzuholen wünschten, wurde die Konferenz bis heute vertagt.
Der Generalkonvent der ungarischen evange⸗ lischen Kirche Augsburgischer Konfession ist gestern in Budapest eröffnet worden; die neugewählten Bischöfe Zelenka (Theiß⸗Distrikt) und Baltik (Donau⸗Distrikt) be⸗ tonten in ihren Antrittsreden unter lebhaftem Beifall die Einigkeit aller vier Distrikte der evangelischen Kirche Ungarns in Erfüllung aller Pflichten, sowohl der Kirche wie dem Vaterlande gegenüber. “ .
u der von dem italienischen Minister⸗Präsidenten Crispi gestern in Florenz gehaltenen Rede (siehe unter Italien) bemerkt der „Pester Lloyd“, sie habe wohl in erster Linie dem Irredentismus gegolten, jedoch auch gleich⸗ eitig die Gründe gezeichnet, welche Italien zum Ausharren in der Tripel⸗Allianz geradezu zwängen. Im Anfang habe Italien aus der Noth eine Tugend gemacht, heute jedoch walte das Bewußtsein positiver Interessengemeinsamkeit vor. Der „Nemzet“ bezeichnet die Rede Crispi's als eine große staatsmännische Arbeit, es sei zu wünschen, daß die⸗ selbe die gehörige Wirkung ausübe. 18
Großbritannien und Irland.
London, 8. Oktober. Prinz Franz Joseph von Battenberg ist in .hgL zum Besuche seines Bruders, es Pri inrich, einget
Am 21. d. findet auf der Hoe in Plymouth die feierliche Enthüllung des Armada⸗Denkmals durch den Herzog von Edinburg statt.
Der Kriegs⸗Minister Stanhope hielt, der, Voss.⸗Z.“ zufolge, gestern in Horncastle eine Ansprache an eine konservative Arbeiterversammlung. Im Verlaufe der⸗ selben sagte er, die Hungersnoth in Irland bestehe nur in der Einbildungskraft der parnellitischen Führer. Von Hungersnoth könne keine Rede sein, aber in vielen Bezirken Irlands stehe man aller⸗ dings vor einem großen fürchterlichen Mißrathen der Kartoffelernte. Die Regierung würde jedoch alle zur Bewältigung des drohenden Nothstandes erforderlichen Hülfs⸗ maßregeln ergreifen, und den ärmeren Bezirken, deren örtliche Hülfsquellen erschöpft werden dürften, würde die Reichskasse unter die Arme greisen.
In Irland sollen, wie die „A. C.“ meldet, in der nächsten Zeit umfangreiche Kasernenbauten ausgeführt werden. 100 000 Pfd. Sterl. sollen für Kasernen in Belfast, 420 000 Pfd. Sterl. für Kasernen im Lager von Curragh, 206 000 Pfd. Sterl. in Dublin und 50 000 Pfd. Sterl. in Enniskillen verausgabt werden.
Bis zum Ende dieses Jahres wird die europäische Infanterie der indischen Armee mit 30 000 Magazin⸗ gewehren bewaffnet werden, während bis zum gleichen Zeit⸗ punkt 80 000 Henry⸗Martini⸗Gewehre unter die eingeborenen Fußtruppen vertheilt sein werden. Die Patrone ist die gleiche
für beide Gewehre.
Frankreich.
Paris, 9. Oktober. Der Marine⸗Minister läßt, wie „W. T. B.“ meldet, in dem Arsenal von Toulon ein submarines Schiff bauen, welches an Dimensionen alle bisher gebauten derartigen Fahrzeuge übertreffen und mit einem vollständigen militärischen Apparat versehen werden soll.
Bei einem in Algier von dem dortigen Gouverneur Tirman zu Ehren der englischen Geschwader⸗Divi⸗ sion gegebenen Diner toastete Tirman auf die Königin Victoria. Der englische General⸗Konsul Oberst⸗Lieutenant Playfair erwiderte mit einem Toast auf die französische Republik.
Wie die Blätter melden, würden die Deputirten Millevoye und Gauthier bei dem Zusammentritt der Kammer einen Gesetzentwurf Betreffs Verschärfung der gegenwärtig für Spionage festgesetzten Strafen beantragen; insbesondere solle für Spione französischer Nationalität, welche öffentliche Aemter bekleiden oder ehemals Offiziere resp. Unteroffiziere waren, die Todesstrafe bestimmt werden.
Wie aus Nizza gemeldet wird, errichteten italienische Soldaten während der Manöver im Thale Vinadio eine Schutzhütte an einer Stelle, welche nach Ansicht des französischen Generalstabes nicht mehr zum italienischen Gebiet gehört. In Folge Unterhandlungen wurde die Schutzhütte wieder abgetragen. Zur Feststellung der Grenze wurden von beiden Regierungen Delegirte dorthin abgesandt.
Rußland und Polen. 8
8
St. Petersburg, 9. Oktober. Ueber eine Verwundung des Generals von Werder meldet, „W. T. B.“ zufolge, der „Warschawsky Dnewnik“: „Am 22. September a. St. (4. Oktober) wurde auf der Jagd bei Spala der General⸗Adjutant Sr. Ma⸗ jestät des Kaisers Wilhelm, General der Infanterie von Werder, durch einen Streuschuß des Leibchirurgen Hirsch am Bein oberhalb des Knies leicht verwundet; der Knochen ist nicht be⸗ schädigt. Der nach Spala gerufene Professor Kossiaskij fand, daß die Wunde keine Bedeutung habe. Der Kaiser hatte dieser Jagd nicht beigewohnt.“
Gutem Vernehmen der „St. Pet. Ztg.“ nach verläßt Baron Marochetti seinen Posten als italienischer Botschafter am Hofe und soll, wie es heißt, durch den derzeitigen italienischen Botschafter in Konstantinopel, Baron de Blanc, ersetzt werden. — Der „Now. Wr.“ zufolge wird binnen Kurzem ein Delegirter des italienischen Finanz⸗ Ministeriums hier eintreffen, um wegen einiger Fragen bezüglich einer Besserung der russisch⸗italienischen Handelsbeziehungen zu verhandeln.
Dem Londoner „Daily Chronicle“ wird gemeldet:
Ein reichhaltiges Kohlenlager, dessen Kohlen den besten engli⸗ schen gleichkommen sollen, ist letzthin im Usuri⸗Distrikt in Südost⸗ Sibirien entdeckt worden. Der Befevlshaber des russischen Ge⸗ schwaders im Stillen Ocean, Vize⸗Admiral Nachinow, versucht die Kohlen auf seinen Kriegsschiffen. Die Auffindung von Kohlen in diesem Theile des russischen Reichs wird der russischen Flotte in Kriegszeiten sehr zu Statten kommen.
Italien.
Gestern hat der Minister⸗Präsident Crispi auf dem ihm zu Ehren gegebenen Banket in Florenz die angekündigte Rede gehalten. Es liegt darüber folgendes Telegramm des „W. T. B.“ vor: —
Florenz, 8. Oktober. Das heute zu Ehren des Minister⸗ Präsidenten Crispi in der Politeama stattgehabte Banket begann um 7½ Uhr Abends. Die Minister waren sämmtlich zugegen. Crispi trat, geleitet von dem Bürger⸗ meister, in den Saal und wurde mit brausenden Hochrufen und den Klängen der Königshymne empfangen. Die un⸗ gefähr 360 Theilnehmer von dem Banket bestanden aus Senatoren, Deputirten, Präfekten und Bürgermeistern der bedeutenderen Städte sowie den Vertretern der italienischen und ausländischen Presse. Während des Bankkets hielt Crispi eine Ansprache, in welcher er sagte:
Die Rede, welche man von ihm heute erwarte, und welche einen Kampf verkünden solle, zu welchem das Land nicht berufen sei, könne er und dürfe er heute hier nicht halten. Aber ein Staatsmann habe dem Lande immer etwas Nützliches mitzutheilen, wenn das Parlament seit drei Monaten feiere. Seit einiger
eit versuche man, unter der Bevölkerung eine gefährliche
timmung zu erregen, die dahin strebte, gewisse italienische Landestheile, welche nicht mit dem Königreich vereinigt seien, als italienisches Besitzthum zu verlangen. Scheinbar umgeben von der Poesie des Yaterlandes, sei der Irredentismus heute nichts desto we iger einer der schädlichsten Irrthümer in Italien, der die Existenz der Nation sogar gefährden könnte. Das Prinzip der Nationalität könne in seinem äußersten Ausdruck nicht immer die ausschließliche Regel des diplomatischen Rechts sein. Sei es denn statthaft, Italien an den Rand des Verderbens gerathen zu lassen durch Uebertreibung desjenigen Prinzips über jede vernünftige Grenze
hinaus, dem das Land seine politische Existenz verdanke? Der Irredentismus müßte alle Regierungen gegen Italien auf⸗ bringen, da er dem Willen verschiedener Völkerschaften Gewalt anthun würde. Die drei Schweizer Kantone lieferten den Beweis, daß Nationalität nicht immer allein hinreiche, um Völker dem einen politischen Staatswesen zuzuweisen anstatt dem andern. Deutschland mit Oesterreich verbündet und unter seinem neuen bereits hochver⸗ dienten Reichskanzler nach andern Ruhmesthaten strebend, habe dadurch, daß Kaiser Wilhelm erklärt habe, Helgoland bilde die leste deutsche Rückerwerbung, gezeigt, daß in der Gegenwart sich die Regierungen des Nationalitätsprinzips mit weiser Mäßigung bedienten. Die schließliche unvermeid⸗ liche Konsequenz irredentistischer Politik wäre der Krieg, der das Land unvorbereitet finden würde, denn der zweite Ruf der Irredentistischen laute „Entwaffnung“. Krieg und Frieden schlössen aber einanber aus. Der un⸗ mittelbare Zweck der irredentistischen Agitation sei das Zerreißen des Dreibundes, ihre Fahne wende sich aber nur gegen die Ostgrenze. Die Irredentisten verständen zwar nicht, unterstützten aber die Pläne einer Partei, welche in Innern sich als Feind Italiens aufhalte. Es sei natürlich, daß eine Partei, welche die weltliche Macht für sich in Anspruch nähme, die Auflösung des Dreibundes wünsche in der Hoffnung, den Bund der katholischen Mächte wieder herzustellen zum Nutzen des Vatikans, sobald Oesterreich nicht mehr der Freund und Alliirte Italiens sein würde. Könne eine derartige Politik des Krieges mit dem Auslande und der Zersplitterung im Innern diejenige Italiens sein?
Crispi wandte sich sodann gegen die Politik der Isolirung, welche das schlecht verhehlte Ideal der Agitation sei. Der Grundsatz, daß man mit Jedem Freund sein müsse, ohne jedoch Bündnisse für die Zukunft zu schließen, und daß man nur Bündnisse für kurze Zeit und begrenzte Zwecke schließen dürfe und nur dann, wenn Gefahr drohe, sei wohl eine Theorie, welche in normalen Zeiten anwendbar sei, aber nicht, wenn Europa die Lösung wichtiger Fragen erwarte.
Der Berliner Kongreß sei ein Unglück für Italien gewesen wegen der Politik der Isolirung, welche es bis dahin befolgt habe. Italien sei gezwungen gewesen, die einzige Politik zu der seinigen zu machen, die noch zu seiner Verfügung stand, nämlich diejenige der Bündnisse; es sei ihm nichts übrig geblieben, als zu dem österreichisch⸗deutschen Einvernehmen zugelassen zu werden. Italien habe dies in Berlin erreicht, nachdem es in Wien seine Absichten dargelegt habe. Der Vertrag habe zuerst keine Frucht getragen, die Zweifel, die man Italiens wegen gehegt habe, seien in Wien und Berlin noch nicht zerstreut worden. Das Vertrauen habe in der zweiten Periode ein Bündniß zu Stande gebracht, welches in den letzten drei Jahren zu einem aufrichtig freund⸗ schaftlichen geworden sei. Die Existenz Oesterreichs und
“ sei für die Grenzen Italiens eine Garantie, wie
ie für das europäische Gleichgewicht eine Nothwendigkeit sei. Man müßte, wenn er nicht schon bestände, einen Staat schaffen, wie Oesterreich, welches von so vielen Nationalitäten bewohnt sei und verhindere, daß eine einzelne die Oberhand gewinne.
Niemand denke, könne jemals denken an ein Europa ohne die Mission jenes Frankreich, welches der sympathischste Ausdruck der modernen Civilisation und dessen Anziehungs⸗ kraft unwiderstehlich sei. Zwischen diesen beiden Ländern gelegen, könne Italien nur beider Freund sein und habe nichts Anderes von ihnen zu erbitten, als die Herrschaft zu vergessen, welche sie lange Zeit diesseits der Alpen ausgeübt. Der Vatikanismus täusche sich in dem Glauben, es genüge, den Dreibund zu zerstören, um jedes Hinderniß für die Wiederherstellung der weltlichen Herrschaft zu beseitigen; denn er bedenke nicht, was der Wille der Italiener, was ihre Armee vermöchten. Ein Krieg, den man gegen Italiens Ein⸗ fluß versuche, würde, wenn er geführt werde, nur Schaden bringen. Habe man nicht während Italiens Isolirung ge⸗ sehen, wie der Mann, welcher mit Recht alle Mittel und Wege für die Größe seines Landes versuchte, die preußische Gesandtschaft beim Vatikan wiederherstellte als Symptom gegenseitiger Annäherung? Nach dem Abschluß des deutsch⸗ italienischen Bündnisses, nach dem die politischen Bande wischen den beiden Regierungen stärker und die Freund⸗ schaft zwischen den beiden Völkern eine herzlichere geworden sei, habe der junge Kaiser zweimal die „Roma intangibile“ begrüßt. Nicht weniger loyal, wenn auch nicht so demonstrativ sei die Stellung des katholischen Oesterreichs Italien gegen⸗ über gewesen. Die Irredentisten täuschten sich, wenn sie glaubten, sie könnten die Grundlagen der Monarchie unter⸗ graben, welche sie beschuldigen, eine antinationale Politik zu verfolgen. Die Grundlagen seien zu fest gefügt. Die Inter⸗ essen Iraliens seien identisch mit denen der Monarchie.
Crispi schloß seine Rede, welche häufig durch stürmischen Beifall unterbrochen wurde, mit folgenden Worten: „Trinken Sie auf das Wohl des italienischen Volkes, welches Sie so würdig repräsentiren, und auf die Dynastie, welche es so edel in der Welt vertritt. Und möge in meinem Hoch auf Italien und auf seinen König der heilige Wille ausgesprochen sein, stets nur das Gute für Beide zu erstreben.“
Crispi wird morgen wieder in Rom erwartet.
u den englisch⸗italienischen Verhandlungen über Afrika, welche am 6. Oktober wieder aufgenommen wurden, wird der „Nat.⸗Ztg.“ aus Rom, 5. Oktober, ge⸗ schrieben:
Die Sitzungen waren wegen der Frage von Cassala unterbrochen worden. Der italienische Minister⸗Präsident hatte folgende Erklärung abgegeben: „Im Interesse der Sicherheit unserer Besitzungen und der unter unseren Schutz gestellten Stämme ist es nothwendig, daß in Cassala eine starke, civilisirte Regierung bestehe, um die Einfälle der Derwische zu ver Wir würden sehr froh sein, wenn England Cassala okkupirte, weil dann unsere Besitzungen keinerlei Gefahr mehr ausgesetzt sein würden. Wir wollen nicht, daß Italien Cassala besetze, und haben von diesem unserem Vorsatz augenscheinliche Probe gegeben, indem wir den General Orero, der aus eigner Befugniß gegen Cassala marschirte, zum Stillstand zwangen und nach Italien heimberiefen. Wir müssen indessen in loyaler Weise erklären, daß, wenn die Derwische die unter unserem Schutze stehenden Stämme von Neuem angriffen, die italienischen Truppen sich nicht darauf beschränken würden, sie zurückzu⸗ treiben, sondern sie bis nach Cassala hinein verfolgen würden. Italien wünscht nur vor neuen Angriffen der Derwische sicher zu sein. Wenn dieser Zweck mit der Okkupation Cassalas durch England erreicht wird, wünscht es sich nichts Besseres.“ In Folge dieser Erklärung Crispi's baten die englischen De⸗ legirten um Aufschub, um neue Informationen einzuholen.
ESpanien. 8 Aus Madrid, 5. Oktober, wird der „Neuen Preuß. Ztg.“ geschrieben: 8 „Das neueste Werk der Regierung ist die Veröffent⸗ lichung der Pläne zur Armee⸗Reorganisation, welche dex Kriegs⸗Minister, General Azcarraga innerhalb zweier Mnate ausgearbeitet hat. Die wesentlichsten Punkte dieses großartigen Programms sind sofort als Königliche Dekrete definitiv eingeführt, während die übrigen Theile des Programms den hierzu ernannten Militär⸗Kommissionen zur weiteren Berathung überwiesen sind. Die Pläne umfassen das ganze Gebiet welche durch die Vorlage auf einen den mittel⸗ europäischen Staaten durchaus ebenbürtigen Stand erhoben werden soll. Der wichtigste Punkt ist die Proklamirung der allgemeinen Wehrpflicht, welche für jeden Spanier auf der Halbinsel zwölf Jahre, in den Kolonien vier Jahre be⸗ trägt. Befreit vom Militärdienst sind nur die körperlich oder geistig Untauglichen und diejenigen, die infolge des Todes des Familienoberhauptes zum Unterhalt ihrer Angehörigen bei⸗ zutragen haben. Jede Stellvertretung und jede Loskaufung ist künftig verboten. Die aktive Dienstpflicht dauert vier ahre; Dispensationen sind bis zur Reduktion dieser Faßh auf die Hälfte zulässig bei Erkrankung der Familien⸗ mitglieder und bei guter Führung. Zum Einjährig⸗ Freiwilligendienst werden diesenigen zugelassen, welche im Besitz von Zeugnissen über ihre wissenschaftliche Befähigung sind, und Handwerker, Künstler und Andere, welche ein Diplom für außerordentliche Leistungen von amtlichen Prüfungs⸗ behörden erhalten haben. Für sämmtliche Mannschaften und Unteroffiziere wird der Sold erhöht und dem in Frankreich üblichen gleichgestellt. Der Effektivbestand der Armee ist vorläufig auf die verfassungsmäßige Zahl von 85 000 zu erhöhen, die Feld⸗Artillerie ist soweit zu verstärken, daß auf je 100 Mann des bisherigen Standes nun⸗ mehr 256 Mann entfallen. Die Gebirgs⸗Artillerie wird auf 50 Batterien verstärkt, welche für die in Aussicht genommenen umfangreichen Befestigungen der Pyre⸗ näen und der nördlichen Küste bestimmt sind. Für die Ver⸗ theidigung der Ost⸗ und Südküste sind ebenfalls wesentliche Verstärkungen vorgesehen, deren genauere Bestimmung einer außerordentlichen Kommission für die Landes⸗ und Küstenver⸗ theidigung übertragen wird. Für die Oberaufsicht über die Durchführung der Reformen ist eine weitere Kommission ernannt, welcher zugleich sämmtliche Armee⸗Inspektoren angehören. Eine dritte Kommission hat den militärischen Fachunterricht in allen Lehranstalten zu einem einheitlichen zu gestalten, und es sind Preise in Geld und Ehrenzeichen angesetzt für alle Diejenigen, welche wissen⸗ schaftliche Arbeiten über militär⸗technische Fragen oder kriegs⸗ geschichtliche Themata fertigstellen; auch für Uebersetzungen aus der militärischen Fachliteratur des Auslandes sind Beloh⸗ nungen und Auszeichnungen zugesichert. — Die Vollendung aller dieser Pläne und deren detaillirte Bearbeitung in den Kommissionen ecrwartet die Regierung bis Ende Januar des nächsten Jahres, damit bei der Eröffnung der neu zu wählenden Cortes die Heeresreform bereits als vollendete Thatsache vor dem Lande stehen und die Rekrutirungen im nächsten Frühjahr nach den neuen Reglements vorgenommen werden können.“ 1
„ 8 VPortugal.
Einer Lissaboner Depesche der „Times“ zufolge hat Großbritannien eine unverzügliche Lösung der Fragen, die aus der Beschlagnahme des der afrikani⸗ schen Seengesellschaft gehörigen Dampfers „James Stevenson“ entstanden sind, verlangt und beansprucht eine Schadloshaltung für dieses Verfahren. 88
Schweiz.
Bern, 8. Oktober. Der Bundesrath hat in Betreff der Wiedereinsetzung der Regierung im Tessin noch nicht Beschluß gefaßt, da die definitive Verifikation des Abstim⸗ mungsergebnisses noch nicht erledigt ist. Inzwischen ver⸗ anstalteten die Liberalen im Kanton Tessin bereits groß⸗ artige Kundgebungen, über welche dem „Bund“ bezw. der „N. Zürch. Ztg.“ folgende Berichte vorliegen:
Bellinzona, 6. Oktober. Die Feier der Liberalen von Bellinzona zu Ehren des gestrigen Tages fand heute, Abends 5 ½ Uhr, statt. Die beiden Musikcorps der Stadt zogen durch alle Straßen des Orts, gefolgt von den liberalen Bürgern. Auf dem Platz vor dem Gemeindehaus, Piazza nosetto, sammelte sich die Menge zur Demonstration. Germano Bruni erschien auf dem Balkon und hielt eine mit vielem Beifall auf⸗ genommene Rede. Zum Schluß derselben verlas er eine Ein⸗ 85 an den Bundesrath, in welcher verlangt wird, daß die alte
egierung nicht wieder eingesetzt werde, daß die eidgenössische Sanktion dem Riformino (Verfassungsdekret vom Januar 1880) zu entziehen sei und daß das gegenwärtige Regime des Bundes bis zur Neubestellung der kantonalen verfassungsmäßigen Behörden fortbestehen solle. Darauf zerstreute sich die Menge, bis Pegen 8 Platz “ 88 Stadtmusik begann.
ahlrei Wamen die Bürger mit ihren Familien auf den Platz und scharten sich um die Musik 8—
Lugano, 7. Oktober. Die Stadt ist mit Flaggen und Fahnen geschmückt, die Mauern sind mit X Feresenn des 1— Comités und der Munizipalität bedeckt, welche die Bürgerschaft dazu einladen, den Sieg der Liberalen in ihrer Hauptstadt zu feiern. Gestern fand eine frohlockende und lärmende Kundgebung statt, an der sich den ganzen Tag über namentlich auch die ländliche Bevölke⸗ rung aus der Umgegend betheiligte.
Um fünf Uhr Nachmittags wurde eine zweite großartige Volks⸗ oen auf dem Reformplatz abgehalten. Nachdem or Manzoni eine feurige Rede gehalten, wurde durch folgende Tagesordnung angenommen: 8
1) Das Volk, in einer großen und freien Versammlung vereinigt, nimmt Kenntniß von dem Ergebniß der Abstimmung über die theil⸗ weise Revision der Verfassung. 2) Es bestätigt und proklamirt aufs Neue den Fall einer Regierung, welche die Verfassung ver⸗ letzte, und protestirt gegen deren Wiedereinsetzung, die un⸗ möglich geworden ist, wie aus dem feierlichen und unappellirbaren Verdikt der Abstimmung von gestern deutlich hervorgeht. 3) Es ver⸗ langt die Annullirung des Verfassungsdekrets vom 8. Januar 1880, weil dasselbe mit dem Volkswillen im Widerspruch steht. 4) Es verlangt, daß das Dekret vom 24. November 1876 wieder in erklärt werde, da es den Rechten und Wünschen des Volkes entspricht. 5) Es verlangt, daß die Wahl des Verfassungsraths nach den alten Wahlkreisen geschehe. 6) Es verlangt die provisorische Fortdauer des gegenwärtigen Zustandes, d. h. der Regierung durch die ssische Behörde bis zur Erneuerung der verfassungsmäßigen Regierung. 7) Es verlangt, daß die alte Regierung, welche die Versassung verlette, in Anklagezustand versetzt werde.
„Eine Abschrift dieser Tagesordnung wurde gestern Abend telegra⸗ phisch dem Bundesrath mitgetheilt. Heute ist hier Markttag; die Geschützsalven dauern fort und ebenso der Zufluß von Leuten aus allen Gegenden rings um die Stadt. Eine ganze Reihe von Orten
der Landesvertheidigung,