1890 / 250 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 17 Oct 1890 18:00:01 GMT) scan diff

Von 4 bis 7 Uhr erledigten Se. Majestät Regierungs⸗

geschäfte. Se. Majestät von 8 Uhr ab

eute Morgen arbeiteten ej d alein und e um 1 Uhr 10 Minuten Mittags den

spanischen Botschafter Grafen Rascon in feierlicher Abschieds⸗

Audienz 88

8 1 Ihre Majestät die Kaiserin Friedrich sowie Ihre Kön Ahehen die Erbprinzessin von Sachsen⸗ Meiningen und die Prinzessinnen Victoria und Margarelhe trafen gestern Nachmittag 3 Uhr zur Besichtigung des neuen Mausoleums in Potsdam ein.

öniglichen Hoheiten der Prinz und die Prin⸗ 1“ b dem Prinzen Waldemar trafen gestern Abend kurz nach 7 Uhr in Potsdam ein und nahmen im Neuen Palais Wohnung. hre Königlichen Hoheiten der Großherzog und die Gro ogin von Baden sind heute Vormittag 10. Uhr 55 Minuten auf dem Bahnhof Friedrichstraße hier eingetroffen uund im Königlichen bezw. Niederländischen Palais abgestiegen.

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Ein Militärposten bei dem Centralgefängniß in Kottbus hat unlängst gegen eine Person, welche auf bisher unaufge⸗ klärte Weise in den Gefängnißhof gelangt war und auf den wiederholten Zuruf des Postens nicht stehen blieb, mit tödt⸗ lichem Erfolge von der Schußwaffe Gebrauch gemacht. . Mit Bezug auf diesen Vorfall hat die „Berliner Börsen⸗Zeitung die Nachricht gebrach: Se. Majestät der Kaiser kund König habe dem Kriegs⸗Ministerium Allerhöchstsein lebhaftes Bedauern über die Angelegenheit ausgesprochen und dem dringenden Wunsche Ausdruck gegeben, daß derlei pein⸗ liche Zwischenfälle in Zukunft vermieden werden. Man gebe sich deshalb der Erwartung hin, daß auf Initiative des Kaisers Vorschriften erlassen werden, welche den zu Tage getretenen Uebelständen abhelfen werden. 8 .

Wir sind ermächtigt, die Nachricht der „Börsen⸗Zeitung von einer derartigen Aeußerung Sr. Majestät als völlig grundlos zu er⸗lären.

Der Bundesrath faßte in der gestern unter dem Vor⸗ sitz des Vize⸗Präsidenten des Staats⸗Ministeriums, Staats⸗ sekretärs des Innern Dr. von Boetticher abgehaltenen Plenarsitzung über Eingaben von Studirenden der Zahnheil⸗ kunde, betreffend die Ausführung des §. 4 Abs. 1 der Prüfungsordnung für Zahnärzte, sowie über die Wieder⸗ errichtung eines Neben⸗Zollamts II. Klasse zu Lützel Beschluß. Der Entwurf einer Verordnung über die Konsulargerichtsbarkeit in Samoa sowie der Ent⸗ wurf von Vorschriften über die Einziehung der von den Rhedern für die Invaliditäts⸗ und Altersversiche⸗ r ung der Seeleute zu entrichtenden Beiträge wurden den zuständigen Ausschüssen zur Vorberathung überwiesen.

Zwischen der Kaiserlichen Regierung und dem Sultan von Sansibar ist ein Einverständniß dahin erzielt worden, daß der Letztere sich verpflichtet hat, seine Hoheitsrechte über den der Ostafrikanischen

esellschaft verpachteten Küstenstrich gegen eine Ent⸗ schädigung von vier Millionen Mark abzutreten.

In verschiedenen Zeitungen wird ein Artikel der „Schle⸗ sischen Schulzeitung“ wiedergegeben, welcher „aus zu⸗ verlässigster Quelle“ (7) die Mittheilung zu bringen vorgiebt, daß im Interesse und Auftrage des „Verbandes katholischer Lehrer“ die Centrums⸗Abgeordneten von Schorlemer und von Huene eine Audienz bei dem Unterrichts⸗Minister

gehabt hätten, um letzteren zu einer veränderten Hal⸗ tung gegenüber dem gedachten Verbande zu bewegen. Der Verlauf der Unterredung wird näher geschildert und das Ergebniß der Verhandlung in der Erklärung des Ministers zusammengefaßt, daß er dem Verbande, wenn er sich der Form nach auflöse und einen neuen Verein bilde, unter den von den genannten Abgeordneten bezeichneten Voraussetzungen seine volle Unterstützung angedeihen lassen wolle. Dieser Artikel der „Schlesischen Schulzeitung“ enthält von Ansang bis zu Ende nur Unrichtigkeiten. Die behauptete Unterredung hat niemals stattgefunden.

eisenbahn⸗ fachwissenschaftlichen Vor⸗

gen werden im Winter⸗Halbjahr 1890/91 in folgender

In Berlin werden in den Räumen der Univerfität Vor⸗

lefungen über preußisches Eisenbahnrecht und über den Betrieb

der Ersenbahnen gehalten werden. Das Nähere, namentlich

auch bezüglich der Anmeldung zu den Vorlefungen, ist aus dem Anschlage in der Untversitüt ersichtlich.

In Breslau werden sich die Vorträge auf die vor⸗

bezeichneten Gegenstände und ferner auf die Nationalbkonomie

In der Ersten Beilage zur heutigen Nummer des „Reichs⸗ und Staats⸗Anzeigers“ veröffentlichen wir ein Verzeichniß wissenschaftlicher Beamten staatlicher Institute und Sammlungen, denen der Rang der Räthe der fünften Klasse der höheren Beamten der Provinzialbehörden Allerhöchst bei⸗ gelegt worden ist.

Breslau, 17. Oktober. Die heutige „Schlesische Zeitung“ meldet aus Rauden: Der Statthalter der Reichslande, Fürst zu Hohenlohe, dem vor 50 Jahren der Titel eines Prinzen von Ratibor und Korvey verliehen wurde, erhielt aus Hu⸗ bertusstock das nachstehende Handschreiben Sr. Majestät des Kaisers:

„Hochgeborener Fürst! Heute sind es 50 Jahre, daß Mein Ahne König Friedrich Wilhelm IV. bei der Huldigung in Berlin Eurer Liebden als erstem Besitzer des Mediat⸗Fürstenthums Corvey den Titel eines Prinzen von Ratibor und Corpey verliehen hat. Ich mag diesen für Sie und Ihre Nachkommen so bedeutungsvollen Tag nicht vorübergehen lassen, ohne Ihnen zu demselben Meine herzlichsten Glückwünsche auszusprechen. Ich kann es Mir nicht versagen, bei dieser Gelegenheit wiederholt Meiner Anerkennung für die ausgezeichneten Dienste Ausdruck zu geben, welche Eure Liebden in bewährter Treue und Anhänglichkeit an Mein Haus in hervorragenden Stellungen und seit fünf Jahren an der Spitze der Reichslande in erfolgreicher Wirksamkeit dem Vaterlande, Meinen Vorgängern an der Krone und Mir geleistet haben. Indem Ich Sie Meiner ferneren Huld versichere, verbleibe Ich mit besonderer Eurer Liebden 8 freundwillig

Hubertusstock, 15. Oktober 1890.“ Bei dem vorgestrigen Diner im Schlosse zu Rauden hob, der „Schlesischen Zeitung“ zufolge, der Herzog von Ratibor in einem Toast auf Se. Majestät den Kaiser die zahl⸗ reichen Gnadenbeweise hervor, die ihm von Preußens Königen in unverdienter Weise zu Theil geworden seien. Darauf nahm der Ober⸗Präsident von Seydewitz zu einem Thaß auf den Herzog das Wort. Die Gnaden⸗ beweise, so führte er aus, seien keineswegs unverdient gewesen; der Herzog sei immer ein Herzog im vollen Sinne des Wortes gewesen, er habe seine Mannen allzeit um sich ge⸗ schaart. Generallandschafts⸗Direktor Graf Pückler⸗Burghauß toastete auf den Statthalter von Elsaß⸗Lothringen, den Fürsten Clodwig, Bruder des Herzogs von Ratibor. Fürst Clodwig schilderte in beredten Worten das innige Ver⸗ hältniß zu seinem Bruder, der ihm nicht nur ein Bruder, sondern allzeit auch ein Freund gewesen sei; vor Allem aber sei er der Frau Herzogin Dank schuldig, die ihm das schöne Rauden stets zur Heimath gemacht, ihr weihe er sein Glas. Der Herzog von Ratibor leerte darauf sein Glas auf das Gedeihen der beiden Städte Ratibor und Gleiwitz, die ihn zum Ehrenbürger ernannt haben. Regierungs⸗Präsident Dr. von Bittertoastete auf die Familie des Herzogs. Erbprinz Victor von Ratibor dankte im Namen der Familie mit der Versicherung, daß das Haus Ratibor immer treu zu Oberschlesien halten werde. Die Reihe der Redner schloß Graf Frankenberg⸗Tillowitz mit einem Toast auf die abwesenden Geschwister des Herzogs, den Kardinal Fürsten Hohenlohe und die Fürstin Hohenlohe⸗ Waldenburg. 1 1 Unter den zahlreichen in Rauden eingelaufenen Glück⸗ wunsch⸗Telegrammen befanden sich auch solche vom Könige von Sachsen, dem Prinzen Georg von Preußen, dem Erbprinzen und der Erbprinzessin von Sachsen⸗Meiningen und dem Herzog Ernst Günther zu Schleswig⸗Holstein.

Köslin, 15. Oktober. Die Einweihung des Ka⸗ dettenhauses wird, nach der „N. A. Z.“, am 18. d. M. stattfinden, nachdem der Unterricht in der Anstalt schon am

NKontag, den 6. Oktober, eröffnet worden ist.

Sigmaringen, 17. Oktober. Die Königin von Rumänien wird, wie „W. T. B.“ meldet, ihren Aufenthalt hierselbst bis nach der auf den 21. d. M. festgesetzten Ent⸗ hüllung des Denkmals für den Fürsten Karl Anton ver⸗ längern.

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Wilhelm R.

Württemberg.

Stuttgart, 16. Oktober. Der Präsident a. D. von Werner ist gestern gestorben. Der Verschiedene bekleidete, wie wir dem „St.⸗A. f. W.“ entnehmen, von 1865 bis 1872 die Stelle des Direktors der landwirthschaftlichen Akademie Hohenheim und von 1876 bis 1890 die des Präsidenten der Centralstelle für Landwirthschaft. 1870 wurde von Werner zum lebenslänglichen Mitglied der Kammer der Standesherren ernannt und vertrat von 1878 bis 1881 den Wahlkreis Nürtingen⸗Kirchheim⸗Eßlingen im Reichstage.

Baden.

Karlsruhe, 17. Oktober. Ihre Königlichen Hoheiten der Kronprinz und die Kronprinzessin von Schwe⸗ den und Norwegen werden, wie die „Karlsr. Ztg.“ mittheilt, heute Abend Schloß Baden verlassen, sich zunächst an die oberitalienischen Seen begeben und Ende des Monats von Genua aus die Reise nach Egypten antreten, wo Höchst⸗ dieselben den ganzen Winter zu verweilen gedenken

Hessen.

der Ersenbahnen, insbesondere das Tarifwesen und auf die Verwaltung der Preußischen Staatsbahnen erstrecken. In Köln werden Vorlesungen üüber Preußisches Eisen⸗ bahnrecht und über Technologie im Verwaltungsgebäude der Königlichen Eisenbahn⸗Direktion (linksrheinischen) gehalten

Der General der Insamerie z. D. von BPoigts⸗Rhetz, sunse des Grenavier⸗Regiments Konig Wilhelm I.

Darmstadt, 17. Oktober. Se. Königliche Hoheit der Großherzog wird sich, der „Darmst. Ztg.“ zufolge, heute Abend nach Potsdam begeben, um der Einweihung des für weiland Se. Majestüt Kaiser Friebrich erbauten Mausoleums

beizuwohnen. Mecdlenburg⸗Zchwerin. Schwerin, 16. Oktober. Das Befinden Ihrer König⸗ lichen Hoheit der Großherzogin⸗Mutter hat nach den Meck. Nachr.“ in der letzten Zeit weitere sehr erfreuliche Fortschritt⸗ zum Besseren gemacht.

12. Wespreußischen) Mr. 7, ist hier angekommen. Durch Allerhöchste Kabinets⸗Orore ist der General⸗ Pieutenant Evler von vder Planitz II.,, bisher Comman⸗ veur ver 14 Diwision, in gleicher Eigenschaft zur 2. Garbe⸗ Insjanterie⸗Diwiston versetzt worden. Der neuernanme Negierungs⸗

der Koniglichen Regierung zu Me

or von Duelong ist urg Uüberwiesen worden.

Tchwarzb lstadt. Rudolhadt, 16. Oktober, Se. Durchlaucht der Fürst

heute zum Besuch ver Furstlichen Hösfe nach Greiz und erg abgereist. z

Neutz j. 2. Gera, 16. Ottober. 2. Durchlaucht der Fürst ist,

ie 9. „Zig“ mittheilt, heute auf Schloß Osterstein 888 5 it das Fürstliche Hoflager von Schleiz

Oesterreich⸗Ungarn.

Wien, 17. Oktober. Wie der „Presse“ geschrieben wird wird der in der gestrigen Nummer des „R.⸗ u. St.⸗A.“ mit⸗ getheilte, in der Ausgleichekommission gestellte Antrag Schmeykal abgelehnt werden, da außer den Altczechen die Jungczechen gegen denselben stimmen werden. In altezechischen Kreisen erklärt man, dieser Beschluß bedeute keineswegs eine Gegnerschaft gegen die Kurienvorlage, vielmehr wolle man gerade dadurch das Zustandekommen derselben in der nächsten Session ermöglichen, weil man „bestimmt hoffe“, daß bis dahin die qualifizirte Majorität für den erwähnten Gesetzentwurf vorhanden sein werde. Heute bestehe dieselbe aber nicht, und die Annahme des Antrages Schmeykal wäre sohin in den gegenwärtigen Verhältnissen gleich⸗ bedeutend mit einem Scheitern des Ausgleichs. Man sei ge⸗ willt, in der jetzigen Session die Landeskulturraths⸗ Vorlage und den Gesetzentwurf, betreffend den Sprachengebrauch bei den autonomen Behörden, zu ge⸗ nehmigen, und es liege an den Deutschen, die Situation nicht weiter zu kompliziren.

Der Finanzausschuß des ungarischen Unterhauses begann vorgestern die Berathung des Budgets des Kultus⸗Ministeriums. Helfy beantragte die Errich⸗ tung einer orientalischen Akademie in Ungarn. Nach eingehender Debatte sprach der Ausschuß seine Ansicht dahin aus, daß er eine solche Errichtung nicht für nothwendig halte.

Großbritannien und Irland.

London, 17. Oktober. In Beantwortung einer brieflichen Anfrage erklärte Lord Salisbury, dem „W. T. B.“ zufolge, daß eine Untersuchung in Betreff der Nie dermetzelung des deutschen Ansiedlers Küntzel und seiner Genossen in Witn bereits eingeleitet sei. Wie verlautet, sellen zur Bestrafung der Mörder zwei englische Kriegsschiffe nach Witn abgehen, welche unter den Oberbefehl des Admirals Free⸗ mantle gestellt werden. Der Staatssekretär für Irland Balfour hat bereits vor einigen Tagen in einem Briefe erklärt, daß die von den Parnelliten abgegebenen Erklärungen über eine be⸗ vorstehende Hungersnoth in Irland sehr übertrieben seien. Die „Times“ publizirt nun eine Zuschrift des Hrn. Tuke, der als eine Autorität in irischen landwirthschaft⸗ lichen Fragen angesehen werden kann. Dieser er⸗ klärt auf Grund angestellter sorgfältiger Nachfor⸗ schungen in den übervölkerten westlichen Gegenden Ir⸗ lands, daß, da auf vielen Stellen die Kartoffelernte noch nicht erfolgt, es nicht möglich sei, mit Gewißheit zu sagen, wie der Ertrag sein werde. Genug sei aber festgestellt, um die Sicherheit zu gewähren, daß erstens die Gefahr einer Hungersnoth nicht vorhanden, zweitens der Flächenraum, wo ein Mißwachs existirt, auf wenige westliche Gegenden beschränkt ist und nicht so ausgedehnt zu sein scheint wie 1879 80. Den jetzigen Zustand mit der schrecklichen Zeit von 1846 zu ver⸗ gleichen, könne nur auf völliger Unkenntniß der damaligen Verhältnisse beruhen. Ferner besähige auch der allgemeine Zustand des Volkes in den übervölkerten Distrikten dasselbe, den Verlust der Kartoffelernte besser zu ertragen als 1879 —80. Endlich sei es wichtig, zu bedenken, daß der Kartoffelertrag überall in Irland, außer in den bereits erwähnten Distrikten, gut sein soll und zu sehr mäßigen Preisen verkauft wird. Selbst in Clifden ist der Preis der Kartoffeln am Markte 3 ½ d per Stein. Er empfiehlt schließlich, den Leuten gute Saatkartoffeln zu geben, damit sie die ihrerseits für die Aussaaten aufgesparten Kartoffeln verbrauchen können. Aber er befürwortet dringlich, daß die Leute hier und in Amerika, welche Hülfe leisten wollen, damit warten, bis die Bedürfnisse klar festgestellt sind. Die „Times“ bespricht den Brief Tuke's in ihrem Hauptleitartikel und unterstützt energisch seine Rathschläge. Der drohende Mangel treffe, wie Tuke zeige, eine Bevölkerung, die in jeder Hinsicht besser vorbereitet sei, ihm zu begegnen, als bei früheren Gelegenheiten: „Die Viehpreise sind hoch; der Haferertrag war allgemein reichlich und vorzüglich; die Löhne, welche wandernde Tagelöhner erhalten, waren unge⸗ wöhnlich hoch und was vielleicht die Hauptsache ist die irischen Massen hängen nicht länger, wie vor 50 Jahren oder selbst bis zu einem gewissen Grade vor 10 Jahren, von Kar⸗ toffeln für ihre tägliche Nahrung ab.“ Bei den vorgestrigen Gerichtsverhandlungen in Tipperary wurde das Verhör der Polizisten fortgesetzt. Das schon erwähnte Telegramm, welches der Vertheidiger der An⸗ geklagten Abgeordneter Healy erhalten hatte und welches meldete, das Dillon und O'Brien vorgestern Morgen in Cherbourg angekommen seien, verursachte die größte Auf⸗ regung. William O'Brien hat dem „United Ireland“ eine Depesche zugesandt, in welcher er seine und Dillon's Flucht nach Frank⸗ reich erzählt. Die wurde danach von dem 10 Meilen von Dublin entfernten Dalkey unternommen. Die beiden Ab⸗ geordneten ruderten am Mittwoch voriger Woche um Mitternacht nach der zwei Meilen vom Ufer entfernt liegenden Nacht. Die Depesche berichtet dann weiter: 1 „Am nächsten Morgen befanden wir uns 90 Meilen weit fort nach der wallisischen Küste zu. Es wehte eine leichte östliche Brise. Freitag und Sonnabend war das Wetter völlig ruhig. Am Sonn⸗ abend Morgen segelten wir um Kap Lands End. Der Wind hörte auf, und wir mußten zwei Meilen vom Ufer in dem schönsten Sonnenschein beilegen. Ein Trinity House Kutter fuhr dicht an uns vorbei, und die Mannschaft der „Royal Adelaide“ wechselte auf der Höhe von Falmouth wirtlich Geüße mit unseren Seeleuten. Auch ein Dubliner Dampfer fuhr dicht an uns vorbei. Sonntag Nacht lagerte sich ein dichter Nebel über der Gee. Am Morgen hatten wir den Lizard hinter uns und segelten per fran⸗ zösischen Küste zu. Am Montag Morgen aber herrschte wieder solche Winbstille, daß wir den Kanal hinauffahren mußten. Montag Nacht endlich erhob sich ein scharfer Wind. Alz wir Guernsey nach Mitternacht passirten, wurden wir anscheinend einige Stunden von einem Zonkutter verfolgt, welcher aber dem Sturm nict gewachsen schien und deshalb die Ver⸗ folgung aufgab. Heute (Mittwoch), Morgen um 11 Uhr lanbeten wir in Cherbourg. Wir hatten schon unseren gefammten Wasservorrath erschbpft. Dank der Umsicht eines hervorragenben Dubliner Bürgert waren alle Vorkehrungen vortrefflich.“ 1 Am Donnerstag Vormittag sind Dillon und O'Brsen, wie „W. T. B.“ melbet, ganz d. phpft in Paris eingetroffen. Einem Interviewer gegenüber erklärten sie, sie beabsichtigten sich am 25. Oktober in Havre e’inzuschiffen, zunächst in Amerita eine viermonatliche Campagne zu Gunsten ihrer irlänhischen Landsleute zu unternehmen und sobann nach England zurück⸗ zukehren, um sich dem Gericht zu stellen. Die englische Kronkolonle Ratal ist in letzter seit her

cingeiro vqhbe Herher verlas worben

Schauplatz einer sehr lebhaften Wahlbewegung gewesen. Es

K 1u“ 8

Kegierung zu

für die Kolonie eine verantwortliche chaffen. Wie nun der „A. C.“ aus Pietermaritzburg gemeldet wird, sind die Wahlen zum gesetzgebenden Rath von Natal im Sinne der für eine ver⸗ antwortliche Regierung agitirenden Partei ausgefallen. Der gesetzgebende Rath besteht aus 24 Mitgliedern, und von diesen 24 Sitzen hat die Partei 14 errungen.

Frankreich.

Paris, 17. Oktober. Der Präsident Carnot empfing, nach einer Meldung des „W. T. B.“, gestern die Mitglieder des Amerikanisten⸗Kongresses.

In dem gestern Vormittag abgehaltenen Ministerrath wurde der von der Budget⸗Kommission ausgesprochene Wunsch, das Gleichgewicht des Budgets durch weitere Ersparnisse herzustellen, erörtert. Es wurde die Unmöglichkeit kon⸗ statirt, neue Herabminderungen der Ausgaben vorzunehmen, jedoch als thunlich anerkannt, die Aus⸗ führung gewisser öffentlicher Arbeiten zu vertagen. Nach⸗ mittags theilte der Finanz⸗Minister Rouvier der Budget⸗Kommission die Entscheidung des Minister⸗ raths mit. Die Kommission beschloß trotzdem eine neuerliche Prüfung des Ausgabe⸗Budgets, um noch weitere Ersparungen zu versuchen.

heandelt sich darum,

Einer Meldung der „Liberté“ zufolge würde die Regierung, Falls bei Zusammentritt der Kammern der Schlußbericht der Budget⸗Kommission noch nicht vollendet wäre, verlangen, daß die Kammer sich bis Donnerstag vertage.

Italien. 8

Rom, 17. Oktober. Der „Opinione“ zufolge heißt es: es werde kein Ministerrath zur Erwägung der Frage Betreffs Auflösung oder Wiedereinberufung der Kammer mehr stattfinden, vielmehr werde der Minister⸗Präsident Crispi unter eigener Verantwortlichkeit hierüber entscheiden. Das Dekret über Auflösung oder Einberufung der Kammer solle am Sonnabend oder Montag erscheinen.

Der „Capitan Fracassa“ bringt unter der Ueberschrift „Cavallotti und Cairoli“ einen Artikel, in welchem nach⸗ gewiesen wird, daß der radikale Deputirte Cavallotti, welcher bekanntlich die Florentiner Rede Crispi's beantwortet hat, allen bisherigen Regierungen Italiens dieselben Fehler und Sünden vorwarf. Die Klage, daß die Regierung das Land zu Grunde richte, haben von Cavallotti auch Sella, Minghetti, Depretis und Cairoli hören müssen. Hinsichtlich der auswärtigen Politik könne Cavallotti mit einer unbestän⸗ digen Wetterfahne verglichen werden.

Zwischen der „Riforma“ und dem päpstlichen Organ „Osservatore Romano“ war ein Streit wegen angeblicher Versuche des Vatikans, die angeblich bevorstehende Er⸗ neuerung des Dreibundes zu verhindern, entstanden. Jetzt glaubt nun wie „W. T. B.“ meldet die „Riforma“ in der Lage zu sein, Folgendes mittheilen zu können: Der Staatssekretär Kardinal Rampolla habe am 15. September an den Nuntius in Wien eine Note gerichtet, in welcher er in der Annahme, daß die Tripel⸗ Allianz bereits erneuert oder doch in der Erneuerung begriffen sei, sein Bedauern darüber ausgesprochen habe, daß der Nuntius dies nicht gemeldet habe. Er habe letzteren be⸗ auftragt, der österreichischen Regierung die Ungeheuerlichkeit eines Unternehmens begreiflich zu machen, welches die Verneinung des gemeinen allgemeinen Rechts bedeute. Der Nuntius habe bei Beantwortung der Note mitgetheilt, daß in kompetenten Wiener Kreisen jetzt von der Erneuerung der Tripel⸗Allianz nicht esprochen werde, daß er aber, Falls es ihm nicht gelingen⸗

llte, die Erneuerung der Tripel⸗Allianz zu verhindern, nach Möglichkeit dafür Sorge tragen werde, daß dem Papst in keiner Weise präjudizirt werde. Man könne in der römischen Frage, sofern es nicht zu einem Kriege komme, auch dann auf

esterreich nur wenig oder garnicht rechnen, wenn die Tripel⸗ Allianz wirklich aufhören würde zu bestehen.

Ueber den Streitpunkt, welcher zu dem Abbruch der englisch⸗italienischen Verhandlungen führte, wird der „Nat.⸗Ztg.“ aus Rom geschrieben:

Das unüberwindliche Hinderniß ist Kassala gewesen, das. nach den englischen Delegirten als egyptische, nach den italienischen Delegirten als abyvssinische Dependance angesehen werden muß. Während der Verhandlungen versuchten die italienischen Blätter zu beweisen, daß der Distrikt Taka, dessen Hauptort Kassala ist, dem König von Abyfsinien überlassen sei Kraft der Zusatzartikel zum Ver⸗ trage Hewett. Zu diesem Zweck wurden an den verstorbenen König Johannes gerichtete Briefe veröffentlicht, in denen gesagt ist, daß Egypten auf seine Rechte auf Kassala verzichte.

Nichtsdestoweniger erklärte der Minister⸗Präsident Crispi offen, daß Italien die Besetzung Kassalas nicht wünsche, was durch die Zurückberufung des Generals Orero genügend dargethan sei, und daß es vollständig zufrieden sei, wenn England Kassala besetze. Italien wünschte Kassala in den Händen einer civilisirten Regierung zu sehen, damit neue Raubzüge der Derwische gegen die unter italtenischem Schutze stehenden Stämme verhindert würden. In späteren Sitzungen machte Crispi neue Zugeständnisse; er gab zu, daß England ausdrücklich die Rechte Egyptens auf Kassala vorbehalte, die nach der Wiedereroberung des Sudans diskutirt werden sollten. Mit anderen Worten, England konnte erklären, daß die Rechte ECgyptens nicht beeinträchtigt würden durch die Thatsache einer eventuellen italienischen Besetzung der Provinz Taka, als einer ausschließlich militärisch⸗defensiven Maßregel.

Auf dieser Grundlage schien ein Einvernehmen erzielt, als Sir Baring in letzter Stunde forderte, daß für den Fall dieser etwaigen Besetzung Italien sich jetzt schon förmlich verpflichtet, Kassala ohne Weiteres an Egypten zurückzugeben, wenn dieses bereit wäre, seine alten Provinzen zurück⸗ zuerobern. Durch diese Forderung war die Geduld Crispi's er⸗ schöpft, und sich erhebend, sprach er: „Ihr möchtet, daß Italien für Egypten die Kastanien aus dem Feuer hole. Das ist zu viel.“ So wurden die Verhandlungen abgebrochen.

Die englische Auffassung von dem Streitfall findet sich in einem Schreiben des Afrikareisenden Sir Samuel W. Baker an die „Times“ niedergelegt; es heißt darin:

„Italien verlangt den Schlüssel zum Sudan, Kassala. England kann es nicht abgeben, und dies aus dem einfachen Grunde, weil es ihm nicht gehört, sondern einen Theil Egyptens bildet. .. . Die Schlüssel zum Sudan sind Kassala, Berber und Dongola. Die Macht, welche Berber besetzt hält, beherrscht Khartum. Berber aher kann von Kassala aus angegriffen werden, und deshalb darf es niemals gestattet werden, daß Kassala in fremde Hände übergeht Kassala ist ein strategischer Miltelpunkt ersten Ranges. nahe Granit⸗ felsen erhebt sc 1800 2000 Fuß hoch und bildet einen trefflichen Beobachtungspunkt. Die Umgegend hat reichliche Weiden für Kameele und Vieh. Die Wüste hört bei Kassala auf und der Boden ist fruchtbar. Die Egypter kennen sehr wohl die Bedeutung Kassalas, obglei das englische Volk sehr wenig davon gehört hat. Es ist einfach uamöglich für England, einen solchen. Pla⸗ auszuhändigen, selbst nicht einem so guten Hunesesgede wie Italien, da England das Vertrauen der Egypter einbüßen und entweder als Schurke oder als Thor betrachtet werden würde.“

85 8 Portugal. 8 Lissabon, 15. Oktober. Die Regenerador⸗ und Fortschrittsparteien beschlossen, wie man der „Times“ meldet, in einer gigen abgehaltenen Versammlung, eine ab⸗ wartende und wohlwollende Haltung gegen das neue Mi⸗ nisterium zu beobachten. Es heißt, einer der ersten Schritte des neuen Kabinets werde die Unterdrückung der schmähenden Auslassungen Seitens der republikanischen Presse sein Schweiz. Bern, 16. Oktober. An den heutigen Verstän⸗ digungs⸗Konferenzen zwischen den Delegirten beider Parteien aus dem Kanton Tessin nahmen außer den 17 Tessiner Delegirten auch die Bundes⸗Räthe Ruchonnet, Hammer und Droz Theil. Den Vorsitz führte der Bundes⸗ Rath Ruchonnet. In der ersten Sitzung am Vormittag wurde die Frage, ob der Verfassungsrath nach den jetzigen oder nach den früheren Wahlkreisen zu wählen sei, erörtert. Eine Verständigung wurde noch nicht erzielt. In der zweiten, Nachmittags 5 Uhr abgehaltenen Sitzung wurde die Berathung fortgesetzt. Die Vertreter der konservativen Partei erklärten, wie „W. T. B.“ berichtet, das Resultat der Abstimmung vom 5. Oktober so lange nicht anerkennen zu können, als die Rekursfrist nicht abgelaufen und als der wahrscheinlich dagegen eingehende Rekurs nicht erledigt sei; im Uebrigen zeigten sie sich geneigt, zur Wahl einer gemischten Re⸗ gierung, einer gemischten Steuerkommission und zur Ver⸗ ständigung für die Nationalrathswahlen die Hand bieten zu wollen. Von jeder Partei wurden drei Delegirte bezeichnet, welche an einer eventuellen späteren Konferenz Theil nehmen sollen. Die Verhandlungen sind sonach als vorläufig gescheitert zu betrachten.

Niederlande.

Der „Köln. Ztg.“ wird aus Amsterdam, vom 15. d. M., geschrieben:

Gestern ist im Haag ein Ministerrath abgehalten worden, in welchem auf Grund des von den Aerzten abgegebenen Gut⸗ achtens die Frage über die Wahrnehmung der Regierung behandelt wurde. Die Verfassung schreibt nämlich vor: Art. 38: „Wenn die Chefs der Ministerien in gemeinschaftlicher Be⸗ rathung der Meinung sind, daß der König nicht mehr im Stande ist, die Regierung wahrzunehmen, so melden sie diesen Be⸗ fund dem Staatsrath und ersuchen ihn, innerhalb einer bestimmten Frist sein Gutachten abzugeben.“ Art. 39: „Bleiben sie nach Ablauf der bestimmten Frist bei ihrem Urtheil, dann rufen sie die General⸗ staaten zu einer gemeinschaftlichen Sitzung zusammen, um denselben unter Vorlage des Gutachtens des Staatsraths, wenn dies schon ab⸗ gegeben ist, über den anhängigen Fall Bericht zu erstatten.“ Art. 40: „Sind die Generalstaaten in vereinigter Sitzung der Meinung, daß der in Art. 38 vorgesehene Fall (Unfähigkeit des Königs zur Regierung) eingetreten ist, so erklären sie dies durch einen Beschluß, welcher vom Präsidenten der Ersten Kammer, der bei einer gemeinsamen Sitzung die Verhandlungen leitet, verkündet wird und am Tage der Verkündigung in Wirkung tritt.“ Außer⸗ dem bestimmt Art. 45 die Art und Weise, in welcher bis zur Ein⸗ setzung einer endgültigen Regentschaft für die Wahrnehmung der Regierung gesorgt wird, und zwar übt dann der Staatsrath die Königliche Machtbefugniß aus, aber er ist verpflichtet, innerhalb eines Monats nach Besitzergreifung der Königlichen Gewalt den Generalstaaten einen die Einsetzung einer Regentschaft betreffenden Antrag zu unterbreiten. Bei der letzten Krankheit des Königs im vorigen Jahre, während deren es bekanntlich nicht zur Einsetzung einer Regentschaft kam, ist die Regierung durch den Staatsrath geführt worden. Voraussichtlich wird man auch dieses Mal mit der Bestellung einer förmlichen Regentschaft, an deren Spitze dann die Königin treten würde, keine besondere Eile haben, denn innerhalb der Monatsfrist, welche dem Staatsrath zur Ausarbeitung und Vorlage des Antrages auf die Einsetzung einer Regentschaft bleibt, wird die Hauptfrage, um die es sich handelt, wohl entschieden sein.

Belgien. Brüssel, 16. Oktober. Die Regierung beschloß,

wie man der M. „A. Ztg.“ meldet, die Anerkennung der Republik Brastlien. Türkei.

Konstantinopel, 16. Oktober. Die „Agence de Con⸗ stantinople“ meldet, daß gestern alle griechischen Kirchen im ganzen Reich in Folge einer bezüglichen Anordnung des Patriarchats geschlossen waren. Diese Maßregel werde mit den zwischen der Pforte und dem Patriarchate be⸗ stehenden Differenzen in Verbindung gebracht.

Bulgarien. Sofia, 17. Oktober. Die Sobranje ist, wie „W. T. B.“ meldet, auf den 27. Oktober einberufen worden. Die in dem Befinden des Minister⸗Prä ten Stambulow hält an. Amerika. -““ Vereinigte Staaten. Washington, 14. Oktober. Der Graf von Paris hat vorgestern die Schlachtfelder von Fredericksburg besucht und ist heute in Gettysburg an⸗ gekommen, wo er morgen in Begleitung mehrerer Generäle der Union das Schlachtfeld besichtigen wird.

Parlamentarische Nachrichten.

Das Gesammt⸗Präsidium des Reichstages wird, wie die „Nat.⸗Ztg.“ erfährt, den Grafen Moltke am 26. d. M. zu seinem 90. Geburtstage persönlich Namens des Reichstages beglückwünschen.

Im I. Danziger Wahlbezirk (Elbing⸗Maxienburg) ist an Stelle des zum Verwaltungsgerichts⸗Direktor beförderten Land⸗ raths Doering der Hofjägermeister Graf Richard Dohna⸗ Schlobitten, konservativ, mit 281 gegen 171 Stimmen, welche der Justiz⸗Rath Paleske in Tiegenhof, freisinnig, er⸗ halten hat, zum Mitglied des Hauses der Abgeordneten gewählt worden.

Königliche Theater. In der Sonntags⸗Vorstellung des „Lohengrin“ im König⸗ lichen Opernhause wird Frl. Hiedler die Elsa, Fr. Staudigl die Ortrud singen. Die Titelpartie giebt Hr. Kraus, den Telramund Hr. Betz, den Koͤnig Hr. Stammer.

8 8 Berliner Theater. 8 Schiller s romantische Tragödie „Die Jungfrau von Orleans“ gelangte gestern Abend zur ersten Aufführung gad fand

scenische Ausstattung verwandt worden war, nirgends bemerkte man ein aufdringliches Zuviel in der Prachtentfaltung der Aufzüge und in der Massenentwicklung der Kampfseenen; Alles fügte sich an einander in glücklicher Harmonie, bis auf das Schlußbild man wäre versucht zu sagen Schlußapotheose —, in welchem die Vision der sterbenden Johanna vor unsere leiblichen Augen tritt und die Himmels⸗ königin mit flammender Krone, ungeben von den himmlischen Heerschaaren, in den Wolken erscheint. Die „Jungfrau von Orleans“ ist dem Boden der Romantik entsprossen; man muß das göttlich erleuchtete Wundermädchen, wie es Schiller in seinem Prolog gezeichnet hat, gläubig als Mittelpunkt der Handlung hinnehmen; aber wenn man diese romantisch⸗zauberische Voraussetzung als Thatsache anerkannt, dann baut der Dichter sein Werk in streng realistischen Zügen weiter auf; aus Johanna's innerer reiner Empfindung entspringt ihr siegreicher Heldenmuth, ihre Schuld und ihre Buße; und wenn sie als gott⸗ begeisterte Prophetin sterbend den Himmel offen sieht, so braucht dem Publikum diese Vision nicht in stark romantischer Ausschmückung greifbar vorgeführt zu werden. An und für sich betrachtet bot die Erscheinung der Mutter Gottes mit dem Kinde, mit den auf Wolken thronenden Engeln auf dem lichten Hintergrunde ein Bild von großer Schönheit, dessen Reiz noch durch den Gegensatz der in trübes irdisches Licht gebüllten Sterbescene Johanna's erhöht wurde. Bis auf dieses etwas opernhafte Schluß⸗ bild war aber das ganze Werk so würdig und den Absichten des Dichters so völlig entsprechend in Scene gesetzt, daß man seine auf⸗ richtige Freude an der Aufführung haben konnte.

Ebenso bot die Darstellung viele treffliche Einzelleistungen. Die Titelrolle führte Frl. Hruby mit warmer, zärtlicher Empfin⸗ dung und glühender Begeisterung durch, doch vermochte sie die Helden⸗ gestalt des Mädchens weniger zur Geltung zu bringen als die zarte Hirtin mit der milden Seele. Der Gestalt der Darstellerin gebricht es an der Kühnheit und Schnelligkeit der Bewegungen, welche den männ⸗ lich stürmenden Heldengeist verrathen; die Bewegungen waren mehr zierlich und unentschlossen, was nur in einzelnen Momenten künst⸗ lerische Berechtigung hat. Die größte Wirkung der Johanna lag daher in den Scenen, in welchen die weiche Empfindung in Wort und Spiel beredten Ausdruck gewann, in der Kirchgangscene, als sie schweigend duldet, und in dem stummen, leidenschaftlich erschreckten Blick, als sie Lionel tödten will. Auch der Monolog zum Beginn des vierten Aktes enthüllte ein echtes mädchenhaftes Empfinden, welches natürlich und einfach er⸗ schien. Den König von Sgee in seiner unmämlichen Schwäche, in seinem weichlichen aber gutmüthigen Empfinden charakterisirte Hr. Stahl treffend. Hr. Kraußneck führte als 5 von Burgund seine glänzende Beredsamkeit ins Treffen und

r. Freiburg spielte den Grafen Dunois mit edlem Anstand, und wirklicher jugendkräftiger Leidenschaft. Der Lionel des Hrn. Stoack⸗ hausen könnte etras mehr Freibeit und Ungezwungenheit dar Rede vertragen, um das jugendliche Feuer klarer durchleuchten zu lassen. Frl. Tondeur sah als Agnes Sorel sehr schöa aus, lie aber jegliche natürliche Empfindung vermissen. Sehr glücklich waren die Massenscenen geordnet; das begeistert vor Johanna herstürmende Volk, als sie das erste Mal vor den König tritt, wirkte durch die leidenschaftlichen Bewegungen und das schnell anwachsende Aufbrausen der Stimmen machtvoll; die größeren Kampf⸗ scenen spielten sich im Hintergrunde in schnellem Fluge ab und ließen die vordere Bühne für die redend in die Handlung eingreifenden Per⸗ sonen frei.

Die Darsteller mußten nach dem jedesmaligen Fallen des Vor⸗ hangs vor den Zuschauern erscheinen. Der um die Aufführung hoch verdiente Direktor Ludwig Barnay wurde nach dem vierten und fünf⸗ ten Akte wiederholt vom Publikum stürmisch hervorgerufen. Die Proben zu Theodor Hirzl's „Bernhardiner“ haben begonnen und werden so gefördert, daß die Novität voraussichtlich bereits am Ende der nächsten Woche in Scene gehen kann. Thomas⸗Theater. In das Berlin der dreißiger Jahre versetzte am gestrigen Abend Hr. Direktor Thomas seine Gäste, indem er 14 die alte Angely’'sche Posse „Die Reise auf gemeinschaftliche Kosten“ vorführte. Das Vergnügen, mit welchem das Publikum den Abenteuern des Hrn. Liborius und der Kommerzien Räthin Baldini von Berlin bis Löwenberg folgte, bewies, daß der Gedanke, ein Stück Leben aus der Zeit unserer Großeltern ihren Nachkommen im Bilde vorzuführen, ein recht glücklicher war. Freilich gehört ein Schauspieler von dem Range des Hrn. Thomas dazu, um eine Figur, wie die des Kammerdieners Brennicke, wirkungsvoll de zustellen. Eine Probe davon hat Fr. Thomas schon s. Z. gegeben, als noch auf dem Central⸗Theater von ihm „Das lachende Berlin“ zur Aufführung gebracht wurde; dieser Poss enrundschau war auch der vierte Akt der „Reise auf gemeinschaft⸗ liche Kosten“ eingefügt und erregte durch die treffliche Leistung des für die Nacht auf zwei Holzschemeln kampirenden Brennicke (Thomas) die ausgelassensten Beifallsbezeugungen. Auch gestern war dieser Akt der wirkungsvollste und ließ die drastische Komik des Hrn. Thomas wieder einmal im glänzend⸗ sten Lichte erscheinen. Die übrigen Mitwirkenden gaben sich die redlichste Mühe, ihre Leistungen mit derjenigen des Direktors auf gleiche Höhe zu bringen, doch war es eigentlich nur Frl. Martha Körnig als Susanne, die den richtigen Ton traf. Pr. Wirth als Liborius und Frl. Sieger als Kommerzien⸗Räthin waren schon zu modern. Die einaktige Posse „Cassis Pascha“ von C. Treumann, welche den Beschluß des Abends machte, ging am Thomas⸗Theater zum ersten Mal in Scene, ist aber schon älteren Datums. Sie bot Hrn. Wellhof erwünschte Gelegenheit, sein Talent in einer burlesken Rolle zu ver⸗ werthen, und das geschah von ihm denn auch in der ergiebigsten Weise. Ausgezeichnet war Frl. Gisela Fischer als Amme, frisch und flott sang sie ihre drolligen Liedchen. Die Hrrn. Guthery, Schindler und Mevyer sowie die Damen Corbach und Schneider trugen nach besten Kräften zu dem Heiterkeitserfolge bei, den die aus⸗ gelassene Posse erzielte.

Sing⸗Akademie. Am Donnerstag gaben die bereits früher hier gehörte Altistin Frl. E. Exter und die Pianistin Frl. P. Hofmann ein gemein⸗ chaftliches Concert. Erstere trug mit recht wohlklingender Stimme rien und Gesänge von Händel, Beethoven, Rheinberger, Schumann u. A. vor, in deren Ausführung nur mehr Wärme des Ausdruckes zu wünschen blieb. Die Pianistin spielte die große Sonate von Beet⸗ hoven (C-dur) mit technischer Sicherheit und richtigem Verständniß. Dasselbe Lob gebührt auch dem Vortrag der Fantasie (op. 29) von Chopin, sowie dem einiger kleinerer Stücke von Schubert und Jadassohn. Das nicht sehr zahlreich erschienene Publikum zollte beiden Künstlerinnen lebhafte Beifallsbezeugungen.

Pbilharmonie. Das Concert der „Berliner Liedertafel“, welches gestern unter Direktion des Hrn. Zander und unter Mitwirkung des König⸗ lichen Kammersangers Hrn. Scheidemantel von der Hofoper zu Dresden stattfand, war sehr zahlreich besucht. Auber einer großen Anzahl gut gewählter vier⸗ und mehrstimmiger Chorgesänge wurden auch Chor⸗ und Sologesäänge unter Mitwirkung des Philharmonischen Orchesters ausgeführt. Die fünf Troubadour⸗Lieder für Bariton und Orchester von Deinrich Hofmann, sowie das schon früher hier Ebort⸗ Werk „Harald d Brautfahrt“ für Bariton, Männerchor und Orchester waren die umfangreichsten und künstlerisch bedeutendsten Kompositionen dieses Abends. Beide hochpoetischen Werke machten durch die sinnreich durchgeführte Wiedergabe ihrer schönen Dichtungen einen sehr nachhaltigen Eindruck auf die Zuhbrer. Dem Komponisten sowohl wie dm Chor und dem vortrefflichen Solisten Hrn. Scheidemantel wurden die ehrendsten Beifallsbezeugungen zu Theil. Auch das Orchester leistete wiederum sehr Vorzügliches. Der Chor sang noch mehrere Lieder von Mietz. Schumann und Pacius capella. Ein sehr wirkungsvolles siebenstimmiges Chorlied „Abend⸗ glocken“ von dem Dresdner Komponisten Reinhold. Becer, sowte zwei von Zander für EChar eingerichtete

wohlverdienten Beifall.

in der dort gebokenen Besetzung und Inscenirung stürmischen und

sie große Sorgfalt auch auf die ¹

und die sest bostisch gehattene Frühlingssahr