1890 / 281 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 21 Nov 1890 18:00:01 GMT) scan diff

Ausgleichung der gerechtere. Im Uebrigen sind, wie ich gesehen habe, gegen die Steuersätze mannigfache Ausstellungen gemacht. Wenn die Zwischenräume zwischen den Steuerstufen verkleinert und die Steuer nach dem mittleren Ertrage innerbalb der Stufen berechnet wird, so hat dies den Zweck, das Einkommen möglichst individuell zu treffen. Ganz individuell kann man es nicht treffen, weil der Versuch, ohne Klassen⸗ und Stufeneintheilung lediglich das individuelle Einkommen zu fassen, in der Praͤxis solche Schwierigkeiten hervorrufen würde, daß man dadurch die ganze Veranlagung gefährden würde. Ob wir demnächst, wenn alle Behörden, die Steuerpflichtigen selbst auf der Grundlage der Deklaration unter schärferer Fassung des Ein⸗ kommens eine größere Uebung und Schulung in dieser Hinsicht erlangt haben, die Stufen fallen lassen können, wird die Zukunft zeigen. falls die Staatsregierung sich selber korrigiren und Heute jedenfalls muß die 8 1b auf das Stufensystem zurückgehen. Wird das Stufensystem aber bei⸗ behalten, so muß es so gestaltet sein, daß innerhalb der Stufen nicht zu große Zwischenräume vorhanden sind, weil es dann ohne jeden Grund vom Zufall abhinge, ob erhebliche Theile des Einkommens ganz von der Steuer frei blieben. b Meine Herren, ein solches Stufensystem mit geringen Zwischen⸗ räumen unter Bemessung des Prozentsatzes von dem mittleren Ein⸗ kommen führt unweifelhaft in einzelnen Fällen zu Unzuträglichkeiten und kann selbst dam führen, daß der prozentuale Beitrag in einer unteren Stufe böher ist als in irgend einer höheren Stufe. Wollen Sie Korrekturen sochen und können Sie Besseres vorschlagen, lo wird die Staatsregierung das gewiß wohlwollend prüfen; nur gebe ich zu bedenken, daß wesentiiche Veränderungen in dem Steuer⸗ tarif gerade in den mittleren Stufen sehr erheblich ins Gewicht fallen. Meine Herren, wir sind in Preußen nicht reich genug, um den alten Satz garz zu vergessen, daß es die Masse bringen muß. Also bitte ich, die finanzielle Seite bei allen diesen Versuchen, einen anderen Steuertarif aufzustellen, nicht gering zu achten. Erwägen wollen Sie auch ferner, meine Herren, daß wir die beiden unteren Stufen der Klassensteuer bereits ganz freigelasen haben, daß wir die Klassensteuer und die unteren Stufen der Einkommensteuer soweit reduzirt haben, daß der Staat dadurch einen Einnahmeverlust von 26 Millionen hat. Wenn wir heute nun noch einen Schritt weiter gehen und diesen selben Klassen 4 Millionen Mark rund Erleichterung gewähren, so darf man eben das, was in der Vergangenheit bereits an Erleichterungen gewährt ist, auch nicht ganz außer Acht lassen Aber, wie gesagt, das wird eine Frage sein, die in der Kommission weiter behandelt werden muß, und ich zweifle nicht, daß wir uns in dieser Be⸗ ziehung verständigen werden. Meine Herren, die Digression ist ein allgemein anerkanntes Be⸗ dürfniß; man ist einig darüber, daß sie gerecht ist. Sie geht von 9500 herab bis auf 900 ℳ, schließt mit einem Pro⸗ zentsatz des Einkommens von 0,62 An einer Stelle muß man mit der Digression anfangen, an einer aufhören; das sind Zahlen, worüber man streiten kann. Mehr oder weniger willkürlich ist jede Grenze. Sehen Sie sich aber die vom Entwurf vorgeschlagene Grenze an! Wenn man bis zu dem geringen Satz von 0,62 % heruntergehen und eine angemessen aufgehende Skala konstruiren wollte, so endete man gewissermaßen naturgemäß bei 9500 Meine Herren, so groß die Uebereinstimmung ist in Beziehung auf die Digression, so weit gehen die Ansichten auseinander in Be⸗ ziehung auf die progressive Natur der Steuer; finanziell wird die Be⸗ deutung es sind in dieser Beziehung auch in den Motiven einige Zahlen gegeben im Allgemeinen überschätzt. Aber sei dem, wie ihm wolle, welche Stellung man zu der Frage auch einnehmen möge, die Staatsregie⸗ rung hat schon, menn nicht aus anderen Gründen, so doch deswegen Abstand nehmen müssen, Ihnen eine progressive Steuer vorzuschlagen, weil wir über⸗ zeugt waren, daß sie ein Stein des Anstoßes werden würde in diesem Hause, daß eine Uebereinstimmung in dieser Frage nicht zu erzielen sein würde Wir haben uns bemüht, die möglichen Schwierigkeiten

u beseitigen und gewissermaßen auf der Basis der communis opinio den Gesetzentwurf aufzubauen.

Meine Herren, die Einkommensteuer kann aber nicht voll in ihren Wirkungen verstanden werden, wenn man nicht zugleich auch die beiden anderen Ihnen vorgeschlagenen Entwürfe mit in Betracht ieht. Ich weiß, meine Herren, daß die Erbschaftssteuer vielfach auf

Abneigung stößt. (Sehr richtig!) Das war mit der Einkommensteuer gerade so, und mit der Deklaration noch mehr der Fall. Man soll sich nicht von Gefühlen leiten lassen, wenn es sich um praktische Steuerreformen handelt. Diese Gefühle mögen in den Ländern Europas, in welchen die Erbschaftssteuer alle Erbfälle trifft, auch wohl ursprünglich vorhanden gewesen sein. Heute aber bestehen sie nicht mehr, und es ist gewissermaßen die Erbschaftssteuer dort wie schon im alten Rom als die vigesima hereditatum eingeführt worden, eine Steuer, welche leicht und gern ertragen wird. Schon die Römer bezeichneten diese Steuer als eine Steuer, welche den Charakter ptolerabile et facile“ verdiente. Meine Herren, im Mittelalter haben wir diese Steuer auch gehabt, sie ist nichts neues; denken wir nur an die gabella hereditatum, an die verschiedenen bei Todesfällen stattfindenden Abgaben aller Art. Eine neue Erfindung ist die Steuer nicht, aber, meine Herren, wir haben ja bereits eine Erbschaftssteuer; das Prinzip ist entschieden. Daß eine solche Steuer auf dem fun⸗ dirten Vermögen lasten soll, hat das Haus im Jahre 1873 genehmigt. Liegt denn nun in dieser Ausdehnung etwas so prinzipiell Verschiedenes, daß man sagen könnte, es handelt sich hier um eine ganz neue Steuer, um die erstmalige Entscheidung eines wichtigen Prinzips? Meine Herren, in Holland, in Belgien, in Großbritannien, in Oesterreich, selbst in Frankreich und Italien ist die Innigkeit der Familie, das Verhältniß zwischen Eltern und Kindern und der Ehegatten untereinander genau ebenso vorhanden, als in Deutschland. Eine Verletzung dieses inneren einheitlichen Familienlebens durch die Erbschaftssteuer wird dort nirgend behauptet oder empfunden. Warum sollte das in Deutschland anders sein? Wir wollen ja nur im Fall der Auflösung der Familie aus ihrem bisherigen Verbande die Erb⸗ schaftssteuer erheben. Selbst die Erbschaftssteuer der Ehegatten soll ja nicht erhoben werden, so lange der überlebende Ehegatte mit den Kindern die alte Familiengemeinschaft fortsetzt, sei es auf Grund der Gütergemeinschaft, sei es auf Grund des dem Ehegatten zustehenden Nießbrauchs und Verwaltungsrechts, sei es auf Grund Gewohnheits⸗ rechts oder Gesetzes oder auf Grund der Privatdisposition. Erst dn. wenn eine Erbauseinandersetzung stattfindet, wird die Abgabe ällig

Meine Herren, im Allgemeinen macht man doch die Erfahrung ich giaube bei dem Torso einer Erbschaftssteuer, wie wir ihn heute haben, haben wir diese Wahrnehmung auch gemacht —, daß eine prozentual geringe Abgabe, gezahlt von einem Anfall, der eine Vermögens⸗ vermehrung bedeutet, leichter ertragen wird, als eine jährlich erhobene Steuer. Ich glaube, diese Erfahrung würden wir auch machen, wenn Sie die Erbschaftssteuer in der vorgeschlagenen Weise ausdehnen. Gewiß, wir wollen keine Erbschaftssteuer erheben da, wo es sich um geringe Beträge handelt, wo gewissermaßen von der Nothdurft ge⸗ nommen wird. Es sollen ja die Erbschaftssteuerbeträge bis zu 1000 ganz frei bleiben. Wir wollen auch nicht in das Innere der 5 milienverhältnisse eindringen; wir lassen alle diejenigen Werthe außer Betracht, die gewissermaßen einen intimen, vertraulichen Charakter baben. Wir nehmen endlich von den Kindern und von den Ehegatten nur ½ %, weit weniger als in allen anderen Staaten, und von den Ascendenten 1 %, wie dies doch auch die bayerische Kammer an⸗ genommen hat. Es ist richtig, daß in den übrigen deutschen Landen diese Steuer noch nicht besteht mit Ausnahme von Elsaß⸗Lothringen, wo sie aber noch neuerdinas vom Landesausschuß neu revidirt und eingeführt wurde, also nicht von Alters her über⸗ kommen, sondern neuerdings durch die Landesvertretung gebilligt worden ist. In allen diesen Dingen ist Preußen doch nicht gewohnt, immer den anderen Staaten nachzugehen. Warum kann auf diesem

Gebiet Preußen nicht den ersten Schritt thun?

Meine Herren, man wäre nun wahrscheinlich auf die Erbschafts⸗ steuer doch nicht gekommen, wenn sie nicht in einem so innigen Zu⸗ sammenhang mit der Einkommenster stände. Daß die Erbschafts⸗ steuer, die Klarstellung der Verhältnisse der Erbschaft, ein sehr wich

tiges Kontrolmittel für eine ausgiebige wichtige Veranlagung der Einkommensteuer und der Deklaration ist, brauche ich nicht zu be⸗ weisen, das liegt auf der Hand. Sodann vergeblich werden Sie den fonst so berechtigten Versuch machen, das fundirte Einkommen in der Form der Einkommensteuer stärker zu belasten, als das unfundirte.

Und doch wäre ein solcher Versuch an sich in jeder Weise be⸗ rechtigt und begründet, denn daß die Leistungsfähigkeit in Bezug auf die Tragung der Staatslasten für das Einkommen aus fun⸗ dirtem Besitz eine größere ist, als für das Einkommen, welches mit dem Erwerbenden stirbt und nicht vererbt wird, das kann Niemand bestreiten. (Sehr richtig!)

Was in der Form der Einkommensteuer nicht möglich ist, soll nun in der vorsichtigsten und maßvollsten Weise in der Form der Erbschaftssteuer eintreten. Denn da treffen sie wirklich zwar nicht das Einkommen aus fundirtem Besitz, aber die Summe des Einkommens in Gestalt des fundirten Besitzes; sie erreichen alle das gleiche Resultat. Ich hoffe, bei unserer Betrachtung, wenn Sie diese Steuer als einen Theil des Ganzen ansehen, als den Ausbau eines großen harmonisch gedachten Gebäudes, werden Sie Ihre Abneigung, wo sie vorhanden sein sollte, gegen die Erbschaftssteuer überwinden, und wir werden uns auch hierüber noch verständigen.

„Miene Herren, wenn ich nun noch zwei Worte sagen soll über die Gewerbesteuer: sie liegt Ihnen vor; Sie sehen aus den Vor⸗ veranlagungen die Resultate; ich habe schon angedeutet, daß die Ge⸗ werbesteuer, die trotz aller Novellen noch wesentlich auf den Grund⸗ lagen des Jahres 1820 beruht, sich in das Gegentheil der damaligen Absicht der Gesetzgeber verkehrt hat. 8

Wenn das lohnende Gewerbe getroffen werden, das nichtlohnende freibleiben sollte, wenn das Gewerbe getroffen werden sollte, welches mit erheblichem Kapital arbeitet oder leichten Gewinn bringt ohne Kapital und ohne Vorbereitung, wie die Gastwirthschaft, so hat sich dieser Wille des Gesetzgebers heute in das Gegentheil verkehrt, weil die Entwickelung der Steuern nicht der Entwickelung der wirthschaft⸗ lichen und soztalen Verhältnisse gefolgt ist. Heute bezahlt der Groß⸗ betrieb ein Zehntel Prozent vielleicht, während der kleine Hand⸗ werker, der kleine Kaufmann zwei oder drei und selbst mehr Prozent zahlt. (Vielseitige Zustimmung.)

enn wir es nun unternommen haben, hier Wandel zu schaffen, wenn wir die Großbetriebe nicht über lasten wollen, sondern nur in gleicher Weise wie die kleinen Betriebe be⸗ lasten wollen, während es doch eher gerechtfertigt wäre, sie etwas schärfer heranzuziehen, da doch der Kleinbetrieb unter der Konkurrenz des Großbetriebes vorzugsweise leidet wenn hiervon die Folge ist, daß der Großbetrieb mehr wird zahlen müssen als bisher, so kann gleichwohl der Großbetrieb sich nicht beklagen, denn er thut nur seine Schuldigkeit, zu welcher ihn die Gesetzgebung lange Zeit nicht heran⸗ gezogen hatte. (Sehr richtig!)

„Der Staatsregierung liegt jede Absicht fern, einseitige Sozial⸗ politik treiben zu wollen. In welchen Provinzen, in welchen Kreisen, in welchen Klassen, in welchen Berufsarten, in welchen Steuerobjekten das ist der Staatsregierung vollkommen gleich; wir machen keine Agrarpolitik und nicht das Gegentheil. Die Staatsregierung ist erfreut über die Wohlfahrt und den Wohlstand in allen Kreisen; das Einzige, was wir verfolgen, ist die ausgleichende Gerechtigkeit (Bravo!); aber die ausgleichende Gerechtigkeit führt mit Nothwendigkeit zu dieser unaufschiebbaren Reform der Gewerbesteuer, die den kleineren und mittleren Gewerbebetrieb, der heute unter der ganzen Entwickelung der Dinge schon an sich so schwer leidet, entlastet und die Großbetriebe, wie gesagt, nicht überlastet, sondern nur in gerechter Weise heranzieht.

Ich bin überzeugt, meine Herren, wer auch in diesem Saal Gegner des Gesammtplans der Staatsregierung ist, wer auch von dem Wunsch ausgeht, der Regierung weniger zu helfen oder Schwierig⸗ keiten zu bereiten (Rufe: Obo!) bestreiten wird doch Niemand, daß diese Reform der Gewerbesteuer in sich so berechtigt und so dringend ist, daß sie nicht länger umgangen werden kann. Wenn Sie die Gesammtsumme aber der Entlastungen in Betracht ziehen wollen, dann müssen Sie diese verschiedenen Steuern zusammennehmen. Denn eine Menge Einkommensteuerpflichtige sind zugleich Gewerbesteuerpflichtige. Wenn wir ein Drittel der ganzen gewerblichen Betriebe gänzlich frei lassen, wenn wir die unteren Klassen wesentlich entlasten, so thun wir für sie dasselbe, als was wir im Steuerkarif der Einkommensteuer thun.

Meine Herren, die früheren Gesetze ich habe mich aus den Verhandlungen davon überzeugt sfrd so sehr erschwert worden durch die uübermäßig gründliche Behandlung von Einzelfragen. Ich bitte Sie dringend, vergessen Sie nicht das große Ganze darüber; sonst kommen wir bei den Massen von Einzelfragen, die in diesen Dingen stecken, nicht zu Ende, und ich bin überzengt, meine Herren, Sie wollen selber zu Ende kommen, und Ihre eigenen Kommittenten wollen auch zu Ende kommen. (Sehr richtig!)

Meine Herren, schwer ist ja das Werk; es verletzt viele An⸗ schauungen und Gewohnheiten, viele Interessen. Aber in einer Be⸗ ziehung ist es leicht: es ist kein Werk einer politischen Partei, mit welchem wir es hier zu thun haben. Alle Parteien sind gleichmäßig berufen, mitzuwirken, alle Parteien wollen die Steuerreform, alle Parteien müssen sich daher gleichmäßig berufen halten, mitzuhelfen. Meine Herren, es ist ein Werk ausgleichender Gerechtigkeit ich bezeichnete es schon als solches und wenn die Gerechtigkeit auf⸗ gerufen wird, so darf es nicht geben und giebt es, Gott sei Dank, in Deutschland keine Partei. (Lebhaftes Bravo.)

Meine Herren, ich bin überzeugt und die Staatsregierung mit mir, daß das Haus in diesem Geiste und in diesem Sinne die Be⸗ rathungen pflegen wird; und darauf steht unsere Hoffnung, daß dies Werk diesmal zu einem gedeihlichen Abschluß gelangt. (Lebhaftes Bravo.)

„Der Präüsident theilt nun die Rednerliste mit: gegen die Vorlage haben sich 6 Abgg. zum Worte gemeldet, Frei⸗ sinnige, Mitglieder des Centrums und von Meyer⸗Arnswalde; für die Vorlage 19 Abgg.

Abg. Dr. Reichensperger: Wenn er gegen die Vorlage spreche, so liege ihm dabei nichts serner, als, wie der Minister angedeutet habe, der Regierung Schwierigkeiten zu bereiten. Er halte an dem altbewährten Grundsatz fest, den bei der Steuerberathung von 18814 der Regierungs⸗Kommissar, General⸗ Direktor der indirekten Steuern Burghart, dessen Qualifikation der Minister so ehrenvoll anerkannt habe, ausgesprochen habe: wenn man nicht überzeugt sei, etwas absolut Besseres zu machen, so solle man an der bestehenden Steuerveranlagung nicht rühren. Und etwas absolut Besseres sei zu se nem Bedauern dieser Entwurf nicht. Er werde allerdings bei dieser Be⸗ rathung keiner Belehrung unzugänglich sein und spreche auch in einigen Punkten nomine proprio, nicht für seine Freunde. Eine Verbesserung erkenne er darin, daß die Einkommensteuer bis 900 frei bleibe und daß nicht wiederum eine Kapital⸗ rentensteuer vorgeschlagen werde, sondern daß diese stillschwei⸗ gend beseitigt sei. Für einen bedauernswerthen Fehler müsse er es erklären, daß man wiederum zu dem Deklarationszwang gegriffen habe, den früher die Regierung selbst bei der Ein⸗ kommensteuer perhorreszirt habe und nur bei der Kapital⸗ rentensteuer habe einführen wollen. Für ihn liege die oberste Anfor⸗ derung an ein Einkommensteuergesetz darin, daß es das fundirte Einkommen stärker heranziehe, als das unfundirte. Gegen eine solche Unterscheidung liege kein praktisches Bedenken vor. Das persönliche Einkommen möchte er sagen —, wie es der Vorlage zu Grunde liege, entspreche nicht dem technisch fest⸗ zuhaltenden Begriff des Einkommens, es sei nur die zur Lebenshaltung nöthige Leibrente. Er möchte vishen, ob irgend ein denkender Mann werde behaupten können, daß ein Beamter, Arzt oder Künstler mit einem Einkommen von 10 000

Einkommern

in derselben Höhe. Dieses persönliche Einkommen müsse dazu dienen, um für den Fall des Todes oder der Minderung d

8 8 g der Kräfte des Arbeiters

Lücke in der Unterscheidung zwischen fundirtem und unfun⸗

dirtem Einkommen habe 1884 durch die Kapitalrentensteuer

ausgefüllt werden sollen. Er sei damit einverstanden daß dieser Gesetzentwurf nicht wieder vorgelegt sei, aber er halte es nicht für gut, daß man das damals erstrebte Ziel einer stärkeren Heranziehung des Einkommens aus

Kapitalien nicht auch bei der Einkommensteuer wieder auf⸗

genommen habe. Das würde durchaus nicht unmöglich sein. Eine Analogie liege ganz in dem §. 18 der Vorlage, nach welchem eine Herabsetzung des wirklichen Einkommens der zulässig sei, wenn sie so und so viel Kinder haben. Es könnte ja vielleicht für das fundirte Einkommen ein höherer Prozentsatz genommen werden. Es sei aber absolut unmöglich, das Einkommen, fundirtes oder unfundirtes, über⸗ haupt mit aller Sicherheit zu berechnen. Durch §. 18 solle gesetzlich festgestellt, nicht bloß diskretionär für zulässig erachtet werden, daß die Familienverhältnisse der Staatsbürger mit berücksichtigt würden. Das verstehe sich auch von selbst Der Fiskus, der die Gewalt über den Geldbeutel der Staatsbürger habe, müsse dabei wenigstens die Familien⸗ verhältnisse berücksichtigen. Im §. 18 werde zu seiner Freude dieses Prinzip festgestellt. In der praktischen Verwirklichung scheine es aber absolut nicht durchgeführt werden zu können. Wenn ein Familienvater in der Steuerstufe von 2700 bis 3000 mit 3000 eingeschätzt sei und für 6 Kinder je 50 davon abziehen könne, so blieben 2700 Er bleibe also in derselben Stufe und bezahle ebenso viel, als wenn er bei einem Einkommen von 2700 gar keine Kinder hätte. Es sei überhaupt nicht gerecht, die Wohlthat des §. 18 auf die Einkommen bis 3000 zu beschränken. Damit sei noch lange nicht das relative Existenzminimum gesichert, welches eine Be⸗ achtung erheische. Ein Einkommen von 3000 könne weniger genügend für die Bedürfnisse einer Familie sein als ein solches von 1000 für einen einzeln stehenden Mann. Bis zu 6000 und noch darüber hinaus müßten hierbei die Einkommen in Betracht kommen. Der Professor Adolf Wagner sagte in einem Aufsatz: „Die Zahl der Familienmitglieder muß bis zu hohen Einkommen berücksichtigt werden.“ Er (Redner) hoffe, daß in der Kommission der §. 18 noch werde erweitert werden. Sein schwerstes Bedenken gegen die Vorlage bestehe aber in der wiederum beantragten Selbsteinschätzung und Dekla⸗ rationspflicht. Die Regierung habe 1884 selbst diese Noth⸗ wendigkeit nicht anerkannt. Er sei überzeugt, daß die Dekla⸗ rationspflicht die Volksmoralität schädigen werde. Gegenüber dem Vorwurf, daß dies die Ansicht eines Reaktionärs sei, erinnere er daran, daß bereits 1849 im Vereinigten Landtag die Deklarationspflicht mit 390 gegen 141 Stimmen ab⸗ gelehnt sei. Er bezweifle überhaupt, ob der Dekla⸗ rationswang gegenüber der Landwirthschaft und dem Gewerbe aufrecht erhalten werden könne. Die im Hinter⸗ grunde der Deklarationspflicht stehende eidesstattliche Ver⸗ sicherung enthalte ein schweres Mißtrauen gegen das sittliche Bewußtsein der Censiten. Man sollte die Einschätzung mit diesem Odium nicht belasten. Der Ehrliche und Gewissenhafte werde ohnehin richtig deklariren, gegen den Gewissenlosen aber helfe auch der Eid nicht. Das Beispiel anderer Länder zeige, zu welchen Unbequemlichkeiten und prozessualen Streitigkeiten ein solches Verfahren führe. Sodann müsse er bedauern, daß das politische Wahlrecht der dritten Wahlklasse durch dieses Gesetz eine Einbuße erfahren folle. Das Dꝛeiklassenwahlsystem sei ohnehin schon ein ungerechtes, Fürst Bismarck habe es das allerelendeste der Welt genannt, und er begreife nicht, wie die Regierung selbst das Wahlrecht der dritten Klasse verkürzen wolle, während ihr doch an der Regierungsfreund⸗ lichkeit dieser Klasse am Meisten liegen müsse. Durch dieses Gesetz werde das ganze Wahlsystem gestört, es müsse danach das Wahlrecht neu gestaltet werden, zumal da⸗ von auch die Kommunalwahl nach diesem Gesetz abhänge. Was sei denn bei den Ueberweisungen an die Kommunen herausgekommen! Man habe noch nicht erlebt, daß irgendw eine Steuererleichterung eingetreten sei. Die Kommunen und Kreise hätten wohl große Luxusbauten errichtet, die Beamten gehälter enorm erhöht, aber von einer Steuererleichterun sei trotz der Ueberweisungen immer noch nicht die Rebe. enn er trotz dieser Bedenken das Zustandekommen dieses Gesetzes erhoffe, so rechne er dabei auf das Entgegenkommen d Ministers. Möge es seiner hohen Begabung gelingen, die vorhandenen Bedenken und Hindernisse so weit zu beseitigen daß ein allseitig befriedigendes Gesetz zu Stande komme. (Beifall im Centrum).

Abg. von Rauchhaupt: Diese Vorlage sei der Abschluß einer langjährigen mühevollen Arbeit des Parlaments wie des Finanz⸗Ministeriums. Die konservative Partei könne sich wirklich rühmen, daß sie an diesem Werk freudig mitgearbeitet habe, trotz manchen Undankes und manchen Refus aus dem Hause. Als sie 1882 ihr Programm ausgearbeitet habe, habe sie es ausgesprochen, die Steuerreform erfordere eine Erleichte rung und gerechtere Vertheilung unserer gesammten direkte Steuern, bei der Klassen⸗ und Einkommensteuer durch eine Befreiung respektive niedrigere Belastung der unteren Stufen und Einführung eines Einschätzungsverfahrens, welches bewirke, daß das Einkommen aus Kapitalsvermögen möglichst heran gezogen werde, bei der Grund⸗ und Gebäudesteuer Ermäßigung durch Ueberweisung an die Kreise oder Kommunen. Ferner habe si eine Entlastung des Handwerks und des kleinen Gewerbestandes verlangt. Als sie 1883/84 diese Forderung in Form eine Resolntion wiederholt habe, habe sie vom Negierungstisch eigent lich etwas Spott geerntet, während das Haus aus formalen Gründen den Antrag abgelehnt habe. Seine Partei werde es aber an ihrer Mithülfe und Mitarbeit nicht fehlen lassen, um das Reformwerk zu vollenden. (Zustimmung rechts.) In den großen Hauptgesichtspunkten sei sie mit der Regierung ein verstanden. Auch sie wolle die Einkommensteuer zur Hept⸗ trägerin der staatlichen Steuerlast machen. Sie verkenne keineswegs die Schwierigkeiten, welche der Abg. Dr. Reichens⸗ perger vorgeführt habe, aber sie glaube, daß dieses System immer noch das vollkommenste sei, was man machen könne und was gerade auf dem sittlichen Boden des Volks erreicht werden müsse. Die Einkommensteuer habe den Vorzug, daß der Einzelne individuell nach seinen Leistungen, seiner Steuer⸗ kraft zur Steuer herangezogen werden könne. Sie sei deshalb auch für die Deklarationspflicht. Man sehe, wie in ganzen Landestheilen, namentlich in den Industriebezirken, thatsächlich subjektive Wallkür an Stelle des Gesetzes getreten sei, wie statt des gesetzlich vorgeschriebenen Steuersatzes von 3 Proz. ½ bis ⅛, ja 1⁄⁄0 des wirklichen Einkommens wirklich besteuert werde.

(Schluß in der Zweiten Beilage) 1

die nöthige Reserve zu ergeben. Die

Zweite Beilage

zum Deutschen Reichs⸗Anzeiger und Königlich Preußi

281.

Berlin, Freitag, den 21. November

Haus der Abgeordneten. (Schluß aus der Ersten Beilage.)

b die Beamten würden bis zum letzten Groschen eingeschätzt. EI schon vor 10 Jahren ausgesprochen, daß der gegen⸗ wärtige Grundsatz der Steuergesetzgebung, welcher verbiete, in das Einkommen des einzelnen Censiten lästig feinzugreifen, professionelle Lügner erziehe. Man habe gerade in der gegen⸗ wärtigen Einschätzung die Erfahrung gemacht, daß Jeder abwarte, bis er von der Einschätzungskommission ge⸗ stoßen werde, sein Einkommen anzugeben. Freiwillig thue er es nicht. Diesem Zustande gegenüber schaffe die Deklaration allerdings Luft. Nun gebe er zu, daß die Deklaration allein nicht zur richtigen Einschätzung führe. Es sei unbedingt nothwendig, daß in der ersten Zeit die Hülfe der Einschätzungskommission zur Seite stehe. Im Königreich Sachsen und im Herzogthum Anhalt bestehe die Selbstdekla⸗

ration seit Jahren, und die Bevölkerung habe sich jetzt daran

gewöhnt, auch in Preußen werde man schließlich über die Unbequemlichkeiten hinwegkommen. Die Selbsteinschätzung nach Kategorien sei leichter, als man glaube. Wenn es aber in den allgemeinen Grundsätzen heiße, daß von dem Einkommen in Abzug zu bringen seien die von den Steuerpflichtigen zu zahlenden Schuldenzinsen und Renten, so sei ihm das bedenk⸗ lich. Man werde sich in der Kommission ver⸗ ständigen müssen, wie das gemeint sein solle. Es würde zu weit gehen, wenn der Censit am Schluß der Einnahmeberechnung plötzlich seine gesammten Schulden angeben solle. Es solle hier nur der Grundbesitzer geschützt werden, der sage: „so und so viel habe ich Schulden und so und so viel Einnahmen, es bleibt das und das“. Er sei damit einverstanden, daß man die Einschätzung durch Orts⸗, Kreis⸗ und Bezirkskommissionen vornehmen lasse, er sei auch damit einverstanden, daß die Organe der Ortsbehörden das Material zusammentrügen und die Listen bei dem Vorsitzenden der Kreiskommission eingereicht würden. Hier fingen aber seine Bedenken an. Wenn man die Steuerfestsetzung in der Kreis⸗ instanz dem Vorsitzenden der Kreis⸗ und der Veranlagungs⸗ kommission überlasse, laufe man Gefahr, in 500 verschiedene

Kreisgrundsätze bei der Einschätzung hineinzugerathen. Der

genügendes Kor⸗

Finanz⸗Minister halte es für ein Mitglieder auch

rektiv, daß die von ihm ernannten außerhalb des Bezirks wohnen dürften. Die heutigen Er⸗ lärungen des Finanz⸗Ministers hätten ihn (Redner) belehrt, daß die ernannten Mitglieder ganz wildfremde Per⸗ onen sein könuten. Das vermindere bei ihm den Werth diefer anzen Bestimmung. Er wolle die Hände der Kommission rei machen von der Wahl ihrer Gemeinden und verhindern, daß Derjenige, welcher seine Schuldigkeit bei der Einschätzung hue, bei der nächsten Einschätzung nicht wieder gewählt werde, nd daß Gevatterschaft und Brüderschaft in der Kommission äße. Aber er habe nicht geglaubt, daß die Staatsregierung us wildfremden Distrikten die Hälfte der Mitglieder als so⸗ enannte Stempelfiskale in die Kommission setzen werde. Was die Betheiligung des Landraths an der teuereinschätzung betreffe, so spreche man von dem olitischen Einfluß, den der Landrath durch dieses Gesetz ekommen solle. Das Odium, welches ihm daraus erwachsen erde, sei viel größer. (Zustimmung rechts.) Der Landrath müsse aber dieses Odium auf sich nehmen im Interesse einer ichtigen Steuereinschätzung, das sei er dem Staate schuldig. Aus seinen (des Redners) Erfahrungen heraus sage er, man nmüsse die Vorbereitung der Einschätzung neben dem Landrath mehr in die Hände von wirklichen Steuerfiskals legen, als es etzt der Fall sei. Es handele sich um die Arbeit eines ganzen 8. Fange man damit erst in den letzten vier Wochen

an, so komme man nicht vorwärts. Andererseits müsse aber auch der Landrath mit der Einschätzung befaßt werden, denn onst habe er nicht den nothwendigen Einblick in die Steuer⸗ ähigkeit seines Kreises. Aber was sollten da in den Kom⸗ nissionen einzelne Finanzräthe, die von irgend woher kämen, hne Kenntniß der lokalen Verhältnisse der betreffenden Zensiten, Er warne dringend davor, diesen Weg u gehen; man erreiche nichts damit, iel mehr aber nit der Ernennung von Mitgliedern aus dem betreffen⸗ en Einschätzungsbezirk. Was den Steuergerichtshof anbetreffe, er in oberster Instanz zur Ausgleichung der Einschätzung ein⸗ esetzt werden solle, so frage er: Glauben Sie, daß der Gerichtshof für die materielle Einschätzung Bedeutung haben kann? Dann würden Sie ihn ja zu einer materiellen dritten Instanz machen, und das können Sie nicht wollen. Was sei denn überdies bestehendes Recht in Bezug auf die Steuer⸗ einschätzung? Jede falsche Einschätzung würde als Verletzung des bestehenden Rechts angefochten werden. Was er ferner für nicht in Ordnung halte, sei, daß der betreffende Be⸗ schwerdeführer gleich beim ersten Bescheid auch Kosten bezahlen solle. Der Gerichtsvorsitzende müsse wie der Finanz⸗Minister unbegründete Beschwerden zurückweisen können, ohne daß dem Betreffenben Kosten erwüchsen. Alles in Allem müsse er aber anerkennen, daß der Entwurf gegen den von 1883 wesentliche Ver⸗ besserungen enthalte, und daß Schwierigkeiten, über welche man sich 1883/84 in der Kommission vergeblich die Köpfe zerbrochen habe, glänzend gelöst worden seien. Ein wahrer Segen sei die vorgeschlagene Form der Besteuerung der Ausländer, eine sehr billige Ausgleichung die Freilassung der 3 Proz. bei den Aktiengesellschaften, jedenfalls der beste Ausweg, den man aus diesem schwierigen Gebiete der Besteuerung sinden könne. Mit Freuden begrüße er auch den Vorschlag, daß für jedes Kind unter 14 Jahren von Einkommen unter 3000 50 in Abzug gebracht werden sollten. Ein glücklicher Gedanke sei auch die Fixirung der Durchschnittsziffer von 2,40 für die Ausgleichung des Wahlrechts der untersten Stufen. Dagegen habe er mehrfache Bedenken gegen Einzelbestimmungen. Er freue sich, daß die Regierung mit so dankenswerther Offenheit die; Vorlage als den ersten Theil eines umfassenden Planes bringe und das Haus damit vor die Frage stelle, ob es diesem Plan beitreten wolle oder nicht. Cbenso offen komme er mit seinen Bedenken. Es könne ihm nicht gefallen, der sogenannte Aufwandsparagraph als gesetzgeberischer Grundsatz fixirt werden solle; der Sinn der Vorschrisft, die ja ein Motiv für die Einschätzung sein könne, werde in dieser

Wer sei leistungsfähiger als der, t kapital habe? Der Grundbesitzer werde mit 4—5 Proz. Grund⸗

Fixirung ein anderer. Ferner habe er erhebliche Bedenken gegen die Skala. Der Finanz-Minister lege eine Skala vor, die von 10 000 und 3 Proz. degressiv werde, über 10 000 aber bei 3 Proz. verbleibe. Die Kommission von 1883/84 sei allerdings denselben Weg gegangen. Thatsächlich hätten aber die zwischen 10 000 und 3000 eingeschobenen Stufen überall eine Erhöhung der Sätze erfahren. Sei es gerechtfertigt, in einer Steuervorlage, die die mittleren und unteren Einkommen entlasten solle, die Einkommen von 9000 bis 3600 höher zu belasten als bisher? Ueber dieses Bedenken würde man nach der Ansicht der Konservativen hinwegkommen, wenn man das wünsche wenigstens die große Mehrzahl seiner Partei die Depres⸗ sion höher hinaufschiebe und von 5 Proz. anfange. Bei einem Einkommen von 4000 steige die Steuer um 9, bei einem solchen von 40 000 um 90 ℳ;: sei das eine Progression, wie man sie wollen müsse? Er sei nicht für eine progressive Einkommensteuer, das lehne er weit von sich ab; aber etwas

höher könne man da greifen, denn das sei doch Aller Mei⸗ ; nung, daß dasjenige Einkommen, welches über den reichlichen

Unterhalt hinaus das Material zu neuer Kapitalbildung liefere, zu einem höheren Prozentsatz herangezogen werden müsse. (Sehr richtig! rechts.) Ohne also in den sehr be⸗ denklichen Fehler der progressiven Steuer zu verfallen, müsse man versuchen, ob es nicht möglich sein werde, eine Skala zu konstruiren, die mit 5 Proz. bei einem höheren Punkt beginne. Die Vorlage berücksichtige nicht hinlänglich die Leistungsfähig⸗ keit des Einzelnen. Der Entwurf von 1883 habe bei Ein⸗ kommen bis 1800 im Bedürfnißfall die gänzliche Befreiung von der Steuer, und bei Einkommen bis 10 000 die Be⸗ freiung bis zur Hälfte der Steuer zugelassen. Der gegen⸗ wärtige Entwurf wolle die Berücksichtigung der Leistungs⸗ fähigkeit nur bei Einkommen unter 6000 ℳ, und auch da immer nur um zwei Stufen. Man müsse ein weiteres Herz für die durch Krankheit, durch größere Kinderzahl u. dergl. Bedrängten haben. Andererseits müsse das fundirte Ein⸗ kommen mehr herangezogen werden; es könne sich nur um den Weg handeln, wie das zu geschehen habe. Man unterscheide beim fundirten Kapital Grund⸗, Renten⸗, Gewerbe oder Betriebskapital. Der Gewerbesteuerentwurf mache nun wiederum einen Unterschied nach dem Ertrags⸗, Betriebs⸗ oder Anlagekapital, ziehe aber die Schuldenzinsen nicht ab. Man müsse, ehe man an den Gewerbesteuerentwurf gehe, das Resultat des Einkommensteuergesetzes abwarten. Wenn ein Gewerbetreibender durch besondere Intelligenz bei geringem Kapital ein Einkommen von 6—8000 erziele, so werde er nach dem vorgelegten Gewerbesteuerentwurf einfach doppelt besteuert. Man besteuere hier die eigene Arbeitskraft. Diese Form der Ertragssteuer habe sich aber, wie der Finanz⸗Minister selbst sage, überlebt. Wenn man das fundirte Vermögen stärker hecanziehen wolle, wo bleibe die Rentenkapitalsteuer? der ein einfaches Renten⸗

steuer, der Gewerbetreibende mit der neuen Gewerbesteuer getroffen, während der Rentenbesitzer frei bleibe. Das sei keine gerechte Vertheilung der Steuerlast. Es möge schon zweifelhaft sein, ob mit Grund der Gewerbetreibende weniger als der Grundbesitz belastet werden dürfe, jeden⸗ falls dürfe man aber den Rentenbesitzer nicht ganz frei jassen. Die Erbschaftssteuer bei ihrer Geringfügigkeit könne doch keinen Ersatz für oie Kapitalrentensteuer bilden. In den

Mcooctiven heiße es, daß die Erbschaftssteuer das fundirte Ver⸗ mögen treffen solle. Sie treffe doch auch die, die schon Grund⸗

und Gebäudesteuer zahlten. Bei dem Gewerbesteuerentwurf werde er sich bemühen, soviel herauszuschälen, daß nicht bloß der Ertrag getroffen werde. Ohne Rücksicht 9 das Resultat der Einkommensteuer könne auch der Gewerbesteuerentwurf nicht festgestellt werden. Er halte es auch für bedenklich, daß die Ueberschüsse der Einkommensteuer zunächst zu einem Fonds angesammelt würden. Besonders bedenklich sei der Zusatz, soweit nicht der Staatshaushalt darüber Verfügung trifft. Seine Partei vertraue dem Minister, daß er ein gerechtes Steuergesetz geben wolle. Er habe das Talent dazu und werde es zur Ausführung bringen. Er spreche nochmals die Versicherung aus, daß seine Partei Alles aufbieten werde, um das Ganze fertig zu machen, nicht aber ein Gesetz. Ob das in diesem Jahre möglich sein werde, darüber müsse er aller⸗ dings die größten Zweifel hegen. (Lebhafter Beifall rechts.) Ein Antrag auf Vertagung wird um 3 ¼ Uhr gegen eine große Minderheit abgelehnt. Abg. Rickert: Die Reform der direkten Steuer sei in Preußen sehr dringlich und von dem Abgeordnetenhause wiederholt verlangt worden. Die Landgemeindeordnung sei noch dringlicher und von der Staatsregierung durch den Mi⸗ nister von Eulenburg 1869 auch versprochen; ihr Erlaß sei für die Linke damals die Voraussetzung dafür gewesen, daß sie die Kreisordnung zum Abschluß gebracht habe. Daß das Schulgesetz von Dringlichkeit sei, habe schon vor 40 Jahren die Verfassung gesagt. Kein einziger Minister habe eine derartig weitgehende Vollmacht über die Angelegenheiten, die er an höchster Stelle zu verwasten habe, und über solche Pauschquanta, wie der Kultus⸗Minister zdas freilich habe seine Partei nicht denken können, daß ein Schulgesetz, welches die Regierung vorlege, sich darauf beschranken werde, dieses Be⸗ lieben und diese weit gehende Vollmacht dauernd zu sanktioniren. Einen anderen Sinn habe die Vorlage für ihn nicht. Seine Partei werde die Mitarbeit an den drei Reform⸗ gesetzen nicht versagen. Auch sie stimme dem Programm des Minister⸗Präsidenten unbedingt zu, daß es die Aufgabe der Gesetzgebung sei, die Liebe zum Vaterlande zu fördern und zu bewirken, daß Jeder sich im Vaterlande heimisch fühle und mit Herz und Kopf daran theilnehme, die Zwecke des Staats zu fördern. Seine Partei werde sich aber der Verpflichtung nicht entziehen können, zu prüfen, inwieweit die Vorlagen der Staatsregierung geeignet seien, diese Liebe zum Vaterlande zu bestärken und dieses Sichheimischfühlen herbeizuführen. Das Bedürfniß nach der Steuerreform sei vorzugsweise durch die Vorgänge im Reich stark geworden. Man fühle die Ver⸗ pflichtung, endlich einen Ausgleich zu sinden gegenüber der Belastung der schwächeren Schultern durch das Reich. Jede

Reform sei deshalb ein Halbes, wenn sie nicht in Zusammen⸗ hang gebracht werde mit den indirekten Steuern im Reich. Der gegenwärtige Zustand sei geradezu unerträglich. Die Finanzen des Reichs und der Einzelstaaten würden und müßten in Unordnung gerathen, wenn die bisherige Finanz⸗ wirthschaft weiter geführt werde. Aus dem Reich habe man große schwankende Ueberweisungen an die Einzelstaaten und aus den Einzelstaaten wieder an die Kommunalverbände, und eine Verbindung zwischen Reich und Staat namentlich mit den Organen, die es möglich machten, eine Reform aus einem Guß herbeizuführen, existire nicht. Wenn man davon spreche, daß es sich hier um eine Entlastung der am meisten belasteten Schultern handele, so sei dem gegenüber auf die Thatsache hinzuweisen, daß im Reich jetzt 400 Millionen mehr erhoben würden, als vor zehn Jahren, und daß es andererseits kaum mehr möglich sei, eine solche Entlastung herbeizuführen, da drei Viertel der Bevölkerung überhaupt kein direkten Steuern zahlten. Was an Entlastung übri bleibe in Bezug auf die Kommunalfinanzen, sei nicht der Rede werth. Jede Steuerreform, welche unter der Devise Entlastung der ärmeren Klassen auftrete, könne keinen Embruck machen, wenn man nicht zu gleicher Zeit im Reich mit einer Er mäßigung der Lebensmittelzölle Ernst mache. Eine Gegen leistung für die große Belastung der unteren Bevölkerung durch die Zölle sei nirgends zu erblicken. Die Aufhebung des Schulgeldes liege allerdings in dieser Richtung, aber von de ärmeren Klassen sei auch schon früher das Schulgeld nicht er hoben worden. Nach der lex Huene seien den Kreisen im letzten Jahre 47 ½ Millionen überwiesen worden, jetzt solle man ein Pauschquantum von 10 Millionen zur einfachen Ver⸗ theilung an Gutsbesitzer und Gemeinden hingeben, ohne daß das Parlament eine Nachweisung darüber erhalte. Die vor⸗ liegenden drei Gesetzentwürfe würden eine ganz andere Zug kraft gehabt haben, wenn zugleich eine Ermäßigung der Lebens mittelzölle in Aussicht gestellt worden wäre. All Sozialpolitik, über die nun schon Jahre gesprochen werde, habe keinen richtigen Hintergrund, wenn neben ihr eine Lebens⸗ mittelvertheuerung bestehe, wie sie kein zivilisirtes Land habe. (Widerspruch.) Auch in den mittleren Kreisen der Bevölkerung würden die Vorlagen besser aufgenommen sein, wenn ihrer Mehrleistung eine wirkliche Entlastung der Arbeiterkreise gegen⸗ überstände. Da eine Minderung der Lebensmittelzölle immer nothwendiger werde, dürfe man am Wenigsten hier Steuer⸗ quellen verstopfen, die Ersatz bieten könnten. Der Ueberschuß des vergangenen Jahres sei erst heute vom Finanz⸗Minister kundgegeben worden; in Zukunft aber möchte er (Redner) bitten, daß die Zahlen solcher Ueberschüsse nicht so lange geheim gehalten würden. Obgleich die Ueberschüsse in dem Staatshaushalts⸗Etat seit 1886/87, wo sie nur 16 Millionen betrugen, langsam gewachsen seien, sei doch die gegenwärtige Zeit durchaus nicht geeignet, die Steuer⸗ kräfte noch weiter anzuspannen. Die Motive des Gesetz⸗ entwurfs sprächen von einer wünschenswerthen Erleichterung des Grundbesitzes. Allerdings sei dieser durch das Invaliditäts⸗ und Altersversicherungsgesetz in eine schlimme Lage ge⸗ kommen. Ein westpreußischer großer Gutsbesitzer habe die ihm aus diesem Gesetz erwachsenden Mehrausgaben auf 2000 jährlich veranschlagt. Um solche Ausgaben auf der anderen Seite wieder zu decken, müßten schon starke Getreide⸗ zölle erhoben werden. Aber die Regierung habe andere Mittel, dem Grundbesitz zu helfen. Die Staatsregierung be⸗ haupte, daß eine Vermehrung der Steuern durch das vor⸗ liegende Einkommensteuergesetz nicht beabsichtigt werde. Das Gesetz sei aber für seine Partei unannehmbar, weil es nicht die absolute Garantie dafür biete. Hervorragende Finanzpolitiker schätzten das Plus auf 20 25 Millionen. Es müsse im ganzen Lande Wunder nehmen, wenn man eine solche Summe in den Staatsschatz legen und dann nach drei Jahren nach Maßgabe eines dann erst zu machenden Gesetzes verwenden wolle. Es sei ihm ganz unerklärlich, wie die Re⸗ gierung auf den Gedanken komme, neue Steuern zu verlangen und den Betrag in den Kasten zu legen. Das werde der Tod ihrer ganzen Finanzreform sein, und alle ihre schönen Reden werden nicht helfen. Die Erbschaftssteuer solle eine Kontrole zur Deklarationspflicht sein; weshalb beginne sie dann aber schon mit 1000 ℳ, da doch die Deklarationspflicht erst mit 3000 beginne, die Erbschastssteuer köͤnnte dem⸗ zufolge erst mit 10—20000 beginnen, sie werde aber wohl in der Kommission ganz begraben werden. Er bekenne sich als einen unbedingten Anhänger der Selbsteinschätzung. Was die Deklarationspflicht betreffe, so werde sie sich recht wohl durchführen lassen auch beim Grundbesitz, und die Herren Grundbesitzer würden lernen, sich selbst einzuschätzen, wenn sie es jetzt noch nicht könnten. Die Selbsteinschätzung sei der beste Weg der Steuerveranlagung. Sie sei auch eine wirthschaft⸗ liche Schule für den Censiten, den sie zwinge, sein Einkommen genau zu berechnen. Eine richtig veranlagte Einkommensteuer gebe auch erst einen Einblick in die Verhältnisse eines Landes und sei daher ein wichtiges Hülfsmittel der Gesetzgebung. An einer Forderung aber müsse seine Partei festhalten: kein Steuergesetz, wenn dadurch auch nur ein Pfennig mehr als nöthig erhoben werde. Damit hänge die Quotisirung zu⸗ sammen, ein Recht, welches immer noch verweigert werde, wiewohl alle Parteien mit Ausnahme der rechtskonser⸗ vativen dasselbe forderten. Er hoffe, daß der Finanz⸗Minister dem Hause in diesem Punkte noch entgegenkommen werde. Was Einzelheiten anbetreffe, so glaube er vor allen Dingen, daß in dem Einkommensteuerentwurfe die mittleren Stufen zu scharf herangezogen würden, und hoffe er, daß hier noch eine Aenderung eintreten werde. Auch müßten namentlich bei höheren Einkommen größere Zwischenräume für die Abstufung genommen werden, weil es da kaum möglich sei, bis auf hundert Mark das Einkommen festzustellen. In Bezug auf das Wahl⸗ recht stimme er dem Abg. Reichensperger zu. Es sei überhaupt die höchste Zeit, daß dieses elendeste aller Wahl⸗ systeme aufgehoben werde, jedenfalls aber müsse dafür gesorgt werden, daß das Wahlrecht nicht noch mehr verkümmert werde. Was die Steuerfreiheit der Reichsunmittelbaren anbetreffe, so verlange seine Partei allerdings auf das Eatschiedenste, daß dieses privilegium odiosum abgeschafft werde. Die Art der vorge⸗