1890 / 288 p. 6 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 29 Nov 1890 18:00:01 GMT) scan diff

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voorläufiger Schätzung, mit . . .

gestalten werden. Beispielsweise können die in den Rohr⸗

zuckerländern stattfindenden Bemühungen zur Hebung der Zucker⸗

odukti in nicht ferner Zeit die Folge haben, daß erheblich e Rohrzucker am Weltmarkt erscheinen und die Preise rücken. Mütßte demnächst die unvermeidliche und keinesfalls noch ange aufschiebbare Beseitigung der Materialsteuer und der damit erbundenen Begünstigungen unserer Industrie bei ungünstigerer Lage der letzteren vorgenommen werden, so würde sie mit Recht Klage arüber erheben können, daß der frühere bessere Augenblick versäumt . 8 Bezug auf die künftige Gestaltung der Zuckersteuer und en Uebergang zu der neuen Einrichtung enthält der Gesetz⸗Entwurf olgende hauptsächliche Bestimmungen: his zum 1. August 1892 bleibt ie bisherige Besteuerung des Rübenzuckers von Bestand; von dem enannten Tage ab fällt die Materialsteuer hinweg und wird der Zucker ausschließlich durch eine Verbrauchsabgabe besteuert; diese bleibt nnerhoben für den zur Ausfuhr gelangenden Zucker, sofern derselbe 8 ch von der Herstellung bis zum Ueberschreiten der Zollgrenze unter Steuerkontrole befunden hat; eine Vergütung der Verbrauchsabgabe ei der Ausfuhr von Zucker aus dem freien Verkehr findet nicht tatt; die Verbrauchsabgabe beträgt während der drei Jahre vom August 1892 bis 31. Juli 1895 20,75 für 100 kg Zucker; nnerhalb dieser dretsäͤbrigen Periode werden für ausgeführten Zucker, velcher nach seiner Beschaffenheit in eine der jetzt für die Vergütung er Materialsteuer bestehenden drei Klassen gehört, Zuschüsse aus em Ertrage der Zuckersteuer gewährt, und zwar für Rohzucker 1 ℳ, für beste Raffinaden 1,75 ℳ, für Fermngere Raffigaden 1,40 ℳ, auf 100 kg; vom 1. August 1895 ab beträgt die Verbrauchsabgabe 22 für 100 kg Zucker. 1 8 Der definitive Satz der Verbrauchsabgabe von 22 geht über das dermalige Mas der Steuerbelastung des inländischen Zucker⸗ konsums nicht binaus, da der Erhöhung der jetzigen Verbrauchsabgabe um 10 die Entlastung des Konsums von der Materialsteuer gegen⸗ übersteht, welche wie bereits erwähnt der Konsument im Inlandspreise des Zuckers bis zur Höhe der Vergütungs⸗ ätze entrichtet. Es sind jetzt belastet: beste Raffinaden mit sit + 10,65) 22,65 ℳ, geringene Raffinaden mit (12 + 10) 22 ℳ, Robhzucker mit (12 + 8,50) 20,50 Die künftige Steuer⸗ belastung durh die Verbrauchsabgabe von 22 ist also für beste Raffinaden um 10,65 niedriger als die bisherige; die Belastung der geringeren Raffinaden bleibt unverändert; für Rohzucker ergiebt sich allerdings eine Mehrbelastung um 1,50 Letztere ist aber, da Rohzucker nur in kleiner Menge in den freien Ver⸗ kehr tritt, nahezu ohne Bedeutung und wird jedenfalls durch die Entlasung der bei uns in großem Umfang zum Konsum gelangenden besten Raffinaden mehr als aufgewogen. Hier⸗ nach stehen der Höhe des Verbrauchsabgabensatzes von 22 Bedenken im Interesse des inländischen Zuckerkonsums nicht entgegen. Anderer⸗ seits erscheint es nach Lage der Reichsfinanzen unthunlich, unter 22 herabzugehen. Eine niedrigere Bemessung um auch nur 1 bis 2 würde eine Mindereinnahme an Steuer um 4 ½ bis 9 Millionen Mark bedeuten, ohne daß damit für die inländischen Zuckerkonsumenten ein merkbarer Vortheil verbunden wäre.

Die Beibehaltung der Materialsteuer noch im Betriebsjahre 1891/92 und die Gewährung von Zuschüssen auf ausgeführten Zucker während der dann folgenden drei Jahre scheinen geeignet, unsere Zuckerindustrie mit ausreichender Schonung in die neuen Verhältnisse üͤberzuführen. Die vorgeschlagenen Zuschüsse sind nach ihren Sätzen ungefähr halb so hoch als die Steuervortheile, welche jetzt durch die zu hohe Bemessung der Sätze der Materialsteuervergütung an die Zuckerindustrie fließen.

Während der Uebergangsperiode wird die Gewährung der Zu⸗ schüsse für ausgeführten Zucker den Inlandspreis der betreffenden hee in gleicher Weise beeinflussen, wie jetzt die Gewährung der

aterialsteuervergütungen, d. h. der inländische Konsument wird im Zuckerpreise außer der Verbrauchsabgabe auch den Zu⸗ schuß nach dem entsprechenden Satze (1,75 ℳ, 1,40 oder 1 für 100 kg) zu zahlen haben. Mithin würde, wenn die Verbrauchsabgabe schon innerhalb der Uebergangs⸗ periode nach dem vollen Satze von 22 erhoben werden sollte, für diese Zeit gegenüber der jetzigen Höhe der Besteuerung eine nicht ganz unerhebliche Mehrbelastung des inländischen Konsums eintreten, und zwar insbesondere auch des Konsums von raffinirten Zuckern, während das Definitivum für diese eine Abminderung beziehungsweise die Bei⸗ behaltung der jetzigen Steuerbelastung in Aussicht nimmt. Zur Ver⸗ meidung der vorbezeichneten Folge ist auf die Dauer der Uebergangsperiode eine Ermäßigung der Verbrauchsabgabe bis auf den Satz von 20,75 vor⸗ gesehen. Auch dabei noch ergiebt sich für die Raffinaden der jetzigen Vergütungsklasse c eine Mehrbelastung von 15 für 100 kg (20,75 + 1,40 = 22,15 ℳ, gegenüber jetzt 22 ℳ); diese ist indessen wegen ihrer Geringfügigkeit kaum von praktischer Bedeutung. Andererseits würde eine noch niedrigere Bemessung des vorläufigen Verbrauchsabgabensatzes etwa auf 20,50 ℳ, bei Annahme eines Jahreskonsums von 4 500 000 Doppel⸗Centner inländischen Rüben⸗ zuckers, für jedes der drei Uebergangsjahre eine Mindereinnahme von 1 125 000 gegenüber dem Ertrage aus dem Satze von 20,75 zur Folge haben.

Die zu erwartende jährliche Steueraufkunft während der Ueber⸗ gangsperiode läßt sich ungesähr folgendermaßen berechven:

Einnahme an Verbrauchsabgabe für 4 500 000 Doppel⸗Centner Zucker à 20,75 111“ 93 375 000

Davon gehen ab die Verwaltungskosten, nach

G““ 4 000 000

Es gehen ferner ab die Zuschüsse für ause.. eführten Zucker. Dieselben betragen, wenn die Aus⸗ wsseags nach dem Durchschnitt der 3 Betriebs⸗ jahre 1887/88 bis 1889/90 angesetzt werden, für 4 169 886 Doppel⸗Centner Rohzucker w11“ für 1 707 007 Doppel⸗Centner Raffinade I à 1,75 für 152 954 Doppel⸗Centner Raffinade II à 1,40 ℳ. 214 136 8 zusammen . 7 371 284 Hiernach verbleibt ein Reinertrag von. 82 003 716 Indessen ist es bei dem neuerdings stark hervortretenden Streben unserer Zuckerfabriken, die Steuervortheile durch größtmögliche Pro⸗ duktion in ergiebigster Weise auszunutzen, wahrscheinlich, daß die Zuckerausfuhr während der Uebergangsperiode den Durchschnitt der

2 987 262

letzten 3 Betriebsjahre übersteigen und sich ungefähr so hoch stellen wird wie im Jahre 1889/90. Dementsprechend würde die von dem v1611111414142A2A*₰*“ abgehende Ausgabe an Zuschüssen betragen: 8

89 375 000 für 4 938 309 Doppel⸗Centner Roh⸗ .˙ö—61686866868988 809 2b für 2 157 366 Doppel⸗Centner Raffi⸗ ˙˙776778—801 für 94 917 Doppel⸗Centner Raffi⸗ Ebe.“

8 132 884 zusammen Mithin ergäbe sich ein Reinertrag von.

Nichtamtliches. Amerika.

„„Vereinigte Staaten. Das Kabinet erörtert gegen⸗ wärtig, wie man der „Times“ meldet, die Finanznoth, um in der am nächsten Montag beginnenden Session des Fesesser Hülfsmaßregeln in Vorschlag zu bringen. Sämmt⸗ liche Minister stimmen in der Meinung überein, daß das

bleiben 89. 375 000

Schatzamt fortgesetzt über einen Goldreservefonds von 100 Millionen Dollars verfügen müsse. Der Sekretär des Schatz⸗ amts ist, wie verlautet, für die Ausgabe von 300 000 000 Doll. prozentiger Obligationen mit 30jähriger Lauffrist an Stelle der 4prozentigen. Die neuen Obligationen würden in kleinen Beträgen emittirt werden, um mehr Geld in kleinen Noten, die jetzt sehr knapp sind, zu beschaffen.

Der Kriegs⸗Minister Proctor hat dem „R. B.“ zu⸗ folge Nachricht erhalten, daß die Indianer am Cheyenne⸗ Fluß schon ihre Kriegstänze aufgegeben haben und nach der Indianer⸗Agentur ziehen, um ihre Rationen entgegen⸗ zunehmen. Der Kriegs⸗Minister hat den General Miles an⸗ gewiesen, die Indianer⸗Polizeimannschaft in Dacota auf 1200 Mann zu erhöhen. Die Leute erhalten 13 Doll. per Monat und dürfen die Armeeblouse tragen. Man hofft, daß diese 1200 Indigner günstig auf ihre Stammesgenossen einwirken werden. Alle diejenigen Personen, welche nichts auf den Reservationen zu thun haben, mit Ausnahme der Zeitungs⸗ berichterstatter, haben Befehl erhalten, dieselben zu verlassen.

Die Fleischschau sür alles aus den Vereinigten Staaten exportirte Vieh tritt allmählich in Wirksamkeit. Sie verursacht, wie die „A. C.“ meldet, viel Arbeit, da jedes Thier besonders markirt werden muß, damit man die Farm ausfindig machen könne, von welcher ein auf der Reise er⸗ kranktes Stück Vieh gekommen ist.

Argentinien. Wie „W. T. B.“ aus Buenos Aires meldet, sind die Gehälter der Re gierungsbeamten mittels Dekrets um 10 Proz. herabgesetzt und die Kammern su einer außerordentlichen Session auf den 15. Dezember ein⸗ berufen worden, um über die Beschaffung neuer budgetmäßiger Hülfsquellen und neuer Steuern zu berathen.

Afrika.

„Egypten. Das egyptische Budget wird in Kurzem veröffentlicht werden. Ein Telegramm der „Times“ aus Kairo macht bereits Angaben über die Einzelheiten: Die Schaf⸗ und Ziegensteuer, die Ockroiabgaben auf Baumwoll⸗ samen sowie die Marktgebühren würden danach abgeschafft und die Gesammtsteuern um über 50 000 Pfd. Sterl. größten⸗ theils zu Gunsten der ärmeren Klassen ermäßigt werden. Der in⸗ ländische Depeschentarif würde herabgesetzt werden. Das Budget würde einen Ueberschuß von 100 000 Pfd. Sterl. aufweisen, abgesehen von der durch die Konversion bewirkten Ersparniß, welche sich auf über 300 000 Pfd. Sterl. beziffere. Die Ver⸗ wendung dieses Ueberschusses hänge von den Unterhandlungen mit den Mächten, namentlich Frankreich, ab. Zur endgültigen Abschaffung der Frohndienste würden 150 000 Pfd. Sterl. erforderlich sein.

Statistik und Volkswirthschaft.

Zur Arbeiterbewegung.

Die Lohnkommissionen von Ham burg, Altona, Ottensen und Wandsbeck erlassen im „Berl. Volksbl.“ einen Aufruf um Unterstützung der im Ausstand befindlichen Hamburg⸗Altonager

igarrenarbeiter.

R Laut telegraphischer Meldung aus Gelsenkirchen ist der Redac teur Möller wegen Aufreizung zum Strike, begangen durch einen Artikel in dem Verbandsorgan der Bergarbeiter, verhaftet worden.

In Bezug auf den im Wesentlichen beendeten Strike der Sschuhmacher in Erfurt wird der „Voss. Ztg.“ unter dem 27. d. M. geschrieben: Die vereinigten Schuhfabrikanten machen bekannt, daß mit dem heutigen Tage ihre dem Ersten Bürgermeister Hrn. Schneider gegenüber abgegebene Erklärung, alle sich mel⸗ denden früheren Arbeiter, Falls sie den geforderten Revers unterzeichnen, wieder einzustellen, erlischt, und es jedem Ver⸗ einsmitglied überlassen bleibe, nach eigenem Ermessen frühere Arbeiter, wenn sie den Revers unterschreiben, wieder einzustellen. So endet, fügt das Blatt hinzu, der in frivolster Weise vom Zaune ge⸗ brochene Ausstand mit einer vollständigen Niederlage der Arbeit⸗ nehmer. Die „Modb. Ztg.“ theilt mit, daß am Mittwoch wieder eine Versammlung strikender Schuhmacher stattgefunden habe. Wie wenig man von einem Strike der Schuhmacher in Er⸗ furt noch zu reden berechtigt sei, beweise die Thatsache, daß kaum noch 200 Schuhmacher an der Versammlung Theil nahmen.

Der „Saale⸗Ztg.“ wird aus Berlin geschrieben: „Der so viel gerühmte Opfermuth der Sozialdemokraten wird jetzt durch ihre Führer auf eine recht harte Probe gestellt. In Folge der täglich wachsenden Arbeitslosigkeit und anderer Umstände wird es den Genossen sehr schwer, die üblichen „Bons“ zum Besten der Partei⸗ kasse regelmäßig abzunehmen und zu honoriren. Selbst in den großen Centren, wo die Parteidisziplin noch tiefer wurzelt als anderswo, bedarf es der ganzen Energie der mit diesem Geschäft betrauten Genossen, um die stetig zunehmende Lauheit nicht in offenen Widerstand ausarten zu lassen. Insofern ist seit dem Aufhören der Ausnahmegesetze ein für die Parteileitung recht pein⸗ licher Umschwung zum Besseren zu konstatiren. Daß der noch immer nicht beendigte Kampf zwischen Alten und Jungen dabei eine mit⸗ bestimmende Rolle spielt, kann ernsthaft nicht bestritten werden.“

Die „Mer. Ztg.“ meldet, der angekündigte Setzerstrike (vgl. Nr. 284 d Bl.) sei bereits vorzeitig am 24. November, zwei Tage nach erfolgter Kündigung, in der Lamp'schen Druckerei zu Imst zum Ausbruch gelangt. Ursache hierzu gab die Anstellung eines nicht dem Verbande angehörigen Schriftsetzers. Die politische Behörde verurtheilte die Strikenden wegen Kontraktbruchs zu je viertägigem Arrest.

Berliner Baugenossenschaft.

Am nächsten Mittwoch, 3. Dezember Abends 7 Uhr, wird in C. Keller’s Concertsaal, Köpnickerstraße 96/97, Ecke der Neuen Jacob⸗ straße, die ordentliche Generalversammlung der „Berliner Bau⸗ genossenschaft“ stattfinden. Auf der Tagesordnung steht 1) Geschäfts⸗ bericht, 2) Wahl von Vorstands⸗ und Aufsichtsrathsmitgliedern, 3) Abänderung des Statuts. Es mag bei dieser Gelegenheit von Neuem darauf hingewiesen werden, welch' gemeinnützigen Zweck die „Berliner Baugenossenschaft“ verfolgt. An ihrer Spitze steht der Reichstags⸗ Abgeordnete Karl Schrader und das Mitglied der Berliner Stadt⸗ verordneten⸗Versammlung, Baumeister Wohlgemuth; die Genossen⸗ schaft will nun in der Umgegend von Berlin kleinere Häuser ihren Mitgliedern bauen; die Häuser gehen gegen alljährliche Abzahlung allmählich in freies Eigenthum über, sodaß der Erwerber den Vortheil guten gesunden Wohnens genießt und gleichzeitig langsam eine wesentliche Verbesserung seiner Vermögensverhältnisse er⸗ reicht. Aus kleinen Anfängen hat sich die Genossenschaft im Verlaufe von vier Jahren bereits wesentlich emporgearbeitet, sodaß sie jetzt über 800 Mitglieder zählt, meist Arbeiter, kleine Gewerbetreibende, Handwerker und Beamte, die einen Wochen⸗ beitrag von nur 40 an die Genossenschaft zu zahlen haben, der verzinst wird und der ihnen außerdem das Recht auf den späteren Erwerb des Hauses sichert. Es war der Genossenschaft denn auch möglich, bereits 26 Häuser für ihre Mitglieder in Adlershof bei Köpenick zu erbauen, und am nächsten 14. Dezember sollen wiederum acht Häuser in Lichterfelde, nahe dem Bahnhef, vergeben werden, während ebendaselbst sechs Häuser gegen eine größere nzahlung für einzelne Genossen schon direkt gebaut sind. Zu jeder näheren Aus⸗ kunft über die Vereinigung ist bereit der Geschäftsführer der Ge⸗

posfenschane Hr. E. Syring, Steglitzerstraße 20 II, wochentäglich von r.

. Innungswesen. 8 „Die Delegirten des Innungsausschusses der vereinigten Ber liner Innungen traten gestern Abend unter Vorsitz jdes Obermeisters Meyer im Jordan'schen Restaurant zu einer Sitzung zusammen, um den Geschäftsbericht der ständigen Deputation entgegenzunehmen. Dem Bericht zufolge sind im Innungsausschusse zur Zeit 42 In⸗ nungen vertreten; neu eingetreten ist die Innung der Posamentter⸗ und Seidenknopfmacher, ihren Beitritt angemeldet hat die Innung der Gas⸗, Wasserleitungs⸗ und Heizungsfachmänner. Die Thätigkeit der ständigen Deputation ist eine sehr umfangreiche gewesen. Unterstützt ist diese Thätigkeit durch die Bereitwilligkeit der Behörden, den Innungsbestrebungen nach Möglichkeit ent⸗ gegenzukommen. Mit besonderer Befriedigung verwies der Bericht auf die Audienz, die den Innungsvertretern am Schlusse des dies⸗ jährigen Handwerkertages von Sr. Majestät dem Kaiser bewil⸗ ligt worden. Bei dieser Gelegenheit habe Se. Majestät seine wärmste Sympathie für das Handwerk ausgesprochen und ihm wieder eine Blüthezeit wie die des 14. Jahrhunderts gewünscht. Die in der Audienz überreichte Immediateingabe scheine bereits Folgen zu tragen, wenigstens sei man z. Z im Handels⸗ Ministerium, dessen Chef di Innungsvertreter gleichfalls empfangen, mit einer Prüfung des Be⸗ fähigungsnachweises beschäftigt. Alles dies gebe dem Handwerk neuen Muth, wenn man sich auch nicht verhehle, daß noch schwere Kämpfe bevorständen. Der Bericht gedachte auch des Handwerkertages und ging dann auf die speziellen Angelegenheiten der Berliner Innungen ein. Der Ausschuß selbst sei auch im letzten Jahr zur Abgabe verschiedener Gutachten aufgefordert worden. Auf Grund dieser Gutachten seien der Tapeziererinnung die Rechte des §. 100 e 3 und der Steinsetzerinnung die desselben §. 1—3 verliehen worden. Wenn die Böttcherinnung Eiche mit ihrem Gesuche um die Rechte der §§. 100 e und f abschlägig beschieden sei, so sei dies nur ge⸗ schehen, weil in Berlin noch eine 2. Böttcherinnung bestehe. Die Dachdecker⸗

innung habe einen Antrag bezüglich der gleichen Rechte wieder zurück⸗-

gezogen. Der Bäckerinnung „Germania“ sei das Recht aus § 100 f bewilligt worden. Zur Veränderung der Reichs⸗Gewerbeordnung, be⸗ treffend die Sonntagsruhe u. dgl., habe das Handels⸗Ministerium ein Gutachten des Ausschusses erbeten und dieses auf Grund der Aeuße⸗ rungen der Innungen erhalten. Die Aenderungen des Krankenver⸗ sicherungsgesetzes wurden im Ausschuß aufs Wärmste begrüßt als ein Zeichen, daß man in maßgebenden Kreisen geneigt sei, gewissen For⸗ derungen auf Stärkung der Rechte der Innungen zu entsprechen. Der Kaiser⸗Wilhelmstiftung zur Unterstützung von Handwerksmeistern sind aus dem Erlös für die zum Bundesschießen beschafften Fest⸗ zeichen 1040 überwiesen. Unterstützt sind im letzten Jahre neun Personen mit je 30 ℳ, im nächsten Jahre werden zehn unterstützt werden können. Der neue Etat wurde mit 5172 in Einnahme und Ausgabe festgestellt.

8 Arbeiterwohnungen. Wie „W. T. B.“ aus Spandau meldet, hat die Militär⸗ behörde den Entwurf zum Bau von 1350 Wohnungen für Arbeiter der Staatsfabriken genehmigt.

Kunst und Wissenschaft.

Das Koch'’sche Heilverfahren. Eiiner der englischen Aerzte, die in diesen Tagen zum Studium des Koch'schen Heilverfahrens in Berlin 8”“ waren, hat, wie die „Nat.⸗Ztg.“ mittheilt, dem Kranken⸗ hause Bethanien 10 Pfd. (200 ℳ) übergeben „zur Ver⸗ wendung für arme Kranke, die sich dem Koch'schen Heilverfahren unterziehen wollen: in Anerkennung des liebenswürdigen Entgegenkommens, das er hier von ärzt licher Seite an allen Stellen gefunden und aus Mitgefühl. für die armen Tuberkulösen“. Hierzu bemerkt das genannte Blatt: „Möge dies kleine, aber charakteristische Zeichen eng lischer Großherzigkeit Vielen zum Beispiel dienen! Bis jetzt hat noch nicht verlautet, daß aus Anlaß der segensreichen Koch'schen Entdeckung auch nur die geringste Gabe aus Berlin den hiesigen Krankenhäusern zugeflossen ist. Und doch bedürfen die Krankenhäuser, besonders diejenigen, hinter denen nicht die großen Mittel der Stadt oder des Staats stehen, gerade jetzt der Unterstützung, wo sie bereitwillig ihre Pforten den zahlreichen hülfesuchenden Tuberkulösen öffnen und an ihnen das kostspielige Heilmittel zur Anwendung bringen dieselben soweit eben die Geldmittel reichen, unentgeltlich aufnehmen im Uebrigen aber selbstverständlich ohne Preis⸗ erhöhung zu dem bisherigen geringen, die Selbstkosten nicht deckenden Verpflegungssatze. Wer seine Begeisterung und Dankbarkeit für die segensreiche Entdeckung bethätigen will, kann es nicht besser thun, als wenn er die Hospitäler in ihrem Bemühen, das neue Heilverfahren möglichst vielen armen Kranken zugänglich zu machen, durch Geldmittel unterstützt.“

Durch Kriegs⸗Ministerialerlaß sind, wie die Blätter melden, für die ersten Tage des Dezember sämmtliche Corpsärzte der Armee zu einer Konferenz nach Berlin berufen, in welcher über die Frage verhandelt werden soll, wie das Koch'sche Heilverfahren für den Sanitätsdienst im Heere nutzbar zu machen sei.

Prof. B. Fränkel, der seit etwa 14 Tagen sieben Kranke selbständig nach dem Koch'schen Verfahren behandelt in früheren Fällen aus seiner Praxis wurde von Dr. Cornet injicirt —, hat jetzt über seine Erfahrungen in der Laryngologischen Gesellschaft sehr bemerkenswerthe Aeußerungen gethan. Prof. Fränkel widerräth, die Behandlung in den ersten Tagen ambulatorisch vorzunehmen. Bei Anwendung des Koch'schen Mittels reagirt der Kehlkopf ebenso auf Tuberkulose, wie der Lupus der äußeren Haut. Prof. Fränkel sah daher recht erhebliche Schwellungen. Was tuberkulöses Gewebe ist, schwillt an. Man muß sich unter diesen Umständen auf Laryngostenose (Verengerung des Kehl⸗ kopfes) gefaßt machen und ein Intubationsbesteck zur Hand haben. Der Kehlkopf muß mehr als früher beobachtet werden. Die Schwellungen gehen sehr rasch zurück und hinterlassen den Kehlkopf weniger geschwollen und besser aussehend, als vor der Anwendung des Koch'schen Mittels. An Stellen, wo vom Curettement (der früheren Behandlung) Narben zurückgeblieben sind, treten wieder Schwellungen auf, wenn man Koch's Verfahren anwendet. In einem Falle, wo durch starkes Curettiren eine Narbe entstanden war, die den Glottisschluß. nicht zu Stande kommen ließ, schloß das Stimmband wieder nach einer Einspritzung der Lymphe. Also war noch tuber⸗ kulöses Gewebe vorhanden gewesen. Professor Fränkel erklärte bestimmt: „Von der Kehlkopfschwindsucht hat uns Robert Koch befreit“ und gab der festen Ueberzeugung Ausdruck, daß das Mittel ein Spezifikum gegen Tuberkulose darstelle.

Ueber die Versendung der Koch'schen Lymphe und über die Injektionsspritzen wird der Münchener „Allg. Ztg.“ aus Würzburg geschrieben:

Der Versand der Lymphe erfolgt in Glastuben zu 25 cem Inhalt durch das Königlich preußische Kultus⸗Ministerium. Die Koch'sche Lymphe erscheint als bräunliche, klare Flüssigkeit, die einen eringen Geruch, an Fleischbouillon⸗Extrakt erinnernd, besitzt. Zur Fnjektion werden 0,1 cem der Koch'schen Lymphe mit 10,0 cem reiner

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½ % Karbolsäurelösung (0,5 Karbolsäure auf 100,0 destillirtes Wasser) verdünnt; es entsteht dadurch eine 1 % Lösung der Koch'schen Lymphe. Die Prawaz'schen Spritzen, die zur Injektion verwendet wurden, fassen 1 cem Flüssigkeit, also vollständig gefüllt 0.01 = 1 Centigramm der Koch'schen Lymphe. Die Glasröhren der Spritzen tragen Theilstriche von 1—10, sodaß man beispielsweise bei einer Füllung bis zu Theilstrich vier 0,4 cem Flüssigkeit und damit 0.004 = 4 Milligramm der Koch'schen Lymphe in die Spritze einziehen kann. Die Porzellanschalen zur Herstellung der Injektionsflüssigkeit, sowie die Spritzen werden vor dem Gebrauch sterilisirt. Injektionen werden in die Rückenmuskulatur zwischen den beiden Schulterblättern gemacht, nachdem vorher die betreffende Stelle mit antiseptischer Lösung gereinigt ist. Die Einstichstelle wird mit 1.“*“ überstrichen und dann ein leichter Verband auf⸗ gelegt.

Auch im Garnison⸗Lazareth in Hannover hat die Be⸗ handlung mit Koch'scher Lymphe jetzt begonnen. Sämmtliche an Phthisis Leidende des ganzen Armee⸗Corps sollen dort gemeinsam behandelt werden.

Das bayerische Staats⸗Ministerium des Innern hat an die Vorstände der Königlichen Universitätskliniken, die und praktischen Aerzte nachstehende Bekanntmachung erlassen:

Aus Anlaß vielfacher Anfragen und Berichte hinsichtlich der Ausübung des Koch'’schen Heilverfahrens bei Tuberkulose wird bekannt gegeben, daß für Zustellung Koch'scher Flüssigkeit vorerst in der Weise Vorsorge getroffen ist, daß den Kliniken der drei Landes⸗ Universitäten und den städtischen Krankenhäusern zu Nürnberg, Bamberg und Augsburg unmittelbar durch die Central⸗Abgabestelle in Berlin nach Maßgabe des vorhandenen Vorraths die ent⸗ sprechende Menge der benannten Flüssigkeit zugehen wird. Dabei wird aufmerksam gemacht, wie es als nothwendig erachtet werden muß, daß jene Aerzte, welche sich mit den Koch'schen Heilversuchen zu befassen gedenken, vor der Anwendung desselben sich durch Selbst⸗ anschauung über die Einzelgaben des Mittels. über die Methode und über die Wirkungen an einer Anstalt, welche die Koch'sche Flüssigkeit bereits in versuchsweisen Gebrauch genommen hat, genau unterrichten.

Der Großherzog von Hessen hat seinen Leibarzt Dr. Eigenbrodt zum Studium des Koch'schen Heilmittels nach Berlin entsandt.

Gestern beschloß die Stadtverordnetenversammlung von Braunschweig, den Magistrat zu ersuchen, baldmöglichst in Berlin Koch’sche Lymphe zu erbitten, ferner zwei Aerzte nach Berlin behufs Kenntnißnahme des Koch’'schen Verfahrens und Anschaffung von Mitteln zur Behandlung tuberkulöser Kranken zu schicken.

Auch in Meran hat die Behandlung mit Koch'scher Lymphe begonnen. Die dortigen Kurärzte sind im Begriff, die große und renommirte Pension Neuhaus an der Stefanie⸗ Promenade in ein Sanatorium umzuwandeln, in welchem die Koch'sche Heilmethode ausgeübt werden wird. Die Kranken⸗ pflege in diesem Sanatorium wird von den Kreuzschwestern ausgeübt werden. Als Prinzip soll streng klinische Einrich⸗ tung bei billigen Preisen gelten. Sobald für die Kranken eine sorgfältige ärztliche Aufsicht nicht mehr nothwendig ist, sollen sie das Sanatorium verlassen und in ihren Privatwohnungen, resp. Hotels und Pensionen die Nachkur und Rekonvalescenz absolviren.

Im King's College zu London vollzog am 26. d. M. der erst vor wenigen Tagen von Berlin mit einer kleinen Quantität Lymphe zurückgekehrte Dr. Watson Cheyne in Gegenwart einer großen Anzahl von Aerzten und Studenten, Impfungen nach der Koch'schen Methode. Von den vier männlichen Patienten, welche geimpft wurden, litt einer an Tuberkulose an der Hüfte, der zweite an einem bösen Lupus⸗ der dritte (ein zweijähriger Knabe) an Phthisis und der vierte an Tuberkulose des Fußes. Nach der Impfung wurden die Patienten zu Bett gebracht und streng beobachtet. 4 oder 5 Stunden nach der Impfung stellte sich Fieber ein, die Temperatur stieg auf 105 Grad, Er⸗ brechen folgte und ein Patient, der eine starke Dosis bekommen, verlor das Bewußtsein. Der Rath des Königlichen Kollegiums von Thierärzten bewilligte in einer am Mittwoch abgehaltenen Sondersitzung die Summe von 250 Pfd. Sterl. für eine wissenschaftliche Untersuchung, ob Koch's Heilverfahren auf an Tuberkulose leidende Thiere, insbeson⸗ dere Kühe, anwendbar sei. Ein hervorragender Thierarzt wird nach Berlin gesandt werden, um Koch’s Heilverfahren zu studiren. Zu Zweck hat das Trinity College in Dublin Dr. John Purser, Professor der Medizin, und Dr. Bennett, Professor der Chirurgie, nach Berlin gesandt.

Im Hospital Saint Louis zu Paris wurden gestern in der Klinik des Professors Péan in Gegenwart zahlreicher Aerzte die Impfungen mit Koch'scher Lymphe fortgesetzt. Es wurden zwölf Kranke geimpft und insbesondere die Affektionen der Haut verfolgt. Bei zwei von den am Tage vorher in Behandlung genommenen Patienten war bereits gestern die Reaktion deutlich hervorgetreten. Unter den Kranken, an denen am Donnerstag Impfungen mit der Koch'schen Lymphe gemacht wurden, befand sich ein mit Covxalgie stark behafteter junger Mann. Drei Stunden nach der Einspritzung war die Temperatur des Kranken um mehrere Grad gestiegen, ein leichtes Kopfweh hatte sich eingestellt sowie eine Vermehrung der Schmerzen an der kranken Stelle. Bei der gestrigen Untersuchung des Kranken durch Professor Péan in Gegenwart von zahlreichen Aerzten und Journalisten wurde eine wesentliche Besserung der tuber⸗ kulösen Affektion festgestellt, auch hatte die Eiterung während der vergangenen 24 Stunden bedeutend abgenommen. Die Resultate der Impfungen erregten lebhafte Bewegung unter den anwesenden Aerzten.

Die heutigen Pariser Morgenblätter melden dem „W. T. B.“ zufolge, Professor Péan habe bei dem gestrigen Vortrage in seiner Klinik das Vorgehen Koch's, die Herstellung der Lymphe vorläufig geheim zu halten, ausdrücklich und vollständig gebilligt; eine unkontrolirte und unkontrolirbare, eilige und secche Herstellung der Lymphe könnte Koch's

eilverfahren arg kompromittiren. veih [en sehe egierung hat beschlossen, die Aerzte Gimeno und Cervera zum Studium des Koch'schen Heil⸗ verfahrens nach Berlin zu entsenden.

Wie der „Köln. Ztg.“ aus Bern gemeldet wird, hat Oberst Scherz aus Bern im Großen Rath eine Interpellation angekündigt wegen der baldigen rationellen Einführung des Koch'schen Heilverfahrens.

Der Berliner Magistrat hat auf Antrag der gemischten Deputation für die innere Ausschmückung des Ratbhauses beschlossen, der Stadtverordneten⸗Versammlung den Ankauf des Porträts Kaiser Wilhelm Stgn für den Preis von 14 000 für unsere Stadtgemeinde zu empfehlen.

Ein neuer kleiner Planet Nr. 301 ist, wie die

„Nat.⸗Ztg.“ mittheilt, am 16. November von Dr. J. Palisa auf

der Wiener Sternwarte entdeckt worden. Da der Planet nur so viel Licht aussendet, wie ein Stern 13. Größe, so ist er nur in sehr großen und lichtstarken Fernröhren sichtbar. Gleichzeitig kommt die Kunde von der Entdeckung zweier neuer Kometen. Am 15. No⸗ vember, Abends 10 Uhr, wurde auf der Sternwarte in Palermo von dem dortigen Astronomen Zona ein ziemlich heller Komet etwa am nördlichen Rande des Sternbildes des Fuhrmanns entdeckt, und es liegen bereits aus Rom, Mailand, Dresden, Berlin und Paris Beobachtungen dieses Objektes vor. Die Berliner Beobachtungen sind auf der Sternwarte der Urania angestellt. Ferner ist in nahezu gleicher Himmelsgegend von dem Wiener Astronomen Spitaler ein schwacher neuer Komet, der mit dem vorerwähnten nicht identisch ist, am 17. November entdeckt worden. Von diesem Kometen liegen bisher keine weiteren Beobachtungen vor.

Hofrath Prof. William Preyer, der bekannte Physiologe, beging, wie wir der „Post“ entnehmes, am 28. November sein fünf⸗ undzwanzigjähriges Dozenten⸗Jubiläum.

Dem cand. phil. et archaeol J. Thiemann, Studiosus an der Akademie zu Münster i. W., ist es, wie die „N. A. 68 mittheilt, gelungen, ein hochinteressantes und werthvolles Stück mittel⸗ alterlicher Kleinkunst in seinen Besitz zu bringen. Das Kunstwerk ist nichts Geringeres als Dr. Martin Luther's eigenhändiges Betrachtungsbuch über das Leiden Christi. Von der berühmten Goldschmiede⸗, Kupferstecher⸗ und Malerfamilie Aldegrever in Soest im Auftrage des Kurfürsten Joachim von Branden⸗ burg in den Jahren 1522 24 angefertigt, wurde es dem Reformator geschenkt und im Jahre 1525 mit seinem eigenhändigen Namenszug versehen. Das Buch hat Klein⸗Oktavformat. Den aus prachtvoll geschnitztem Elfenbein hergestellten Deckeln dient als Unterlage eine Silberplatte. Auf dem oberen Deckel befindet sich das Bildniß des Geschenkgebers, des Kurfürsten Joachim. Der Rücken des Buches besteht aus massivem Silber, in welches der Titel „Leiden Christi“ und eine Heiligenfigur eingravirt sind. Das Kunstwerk enthält 27 Blätter, und zwar 14 Silber⸗ und 13 Pergamentblätter. Die Silberplatten sind am Großartigsten ausgestattet und zeigen neben eingravirten Gebeten, Betrachtungen und Gesängen höchst kunstvolle Darstellungen aus der Leidensgeschichte des Er⸗ lösers. Die Pergamentblätter zeichnen sich durch äußerst saubere Federzeichnungen aus. Besonders bemerkenswerth ist die Darstellung der vier Evangelisten, des Heilandes, mehrerer weiblicher Heiligen und des Bildnisses von Luther. Für den Kunstkenner ergeben sich aus der Vergleichung der Monogramme die Namen von deei oder vier Gebrüdern Aldegrever, welche an dem Werk gemeinschaftlich arbeiteten. Dieses Ergebniß wird für die Kunstgeschichte insofern von der größten Wichtigkeit sein, als bis jetzt sämmtliche, unter dem Namen Aldegreyer bekannten Kunstwerke einem einzicen, nämlich dem Heinrich Aldegrever, zugeschrieben werden. In geschichtlicher Hinsicht bekundete die Widmung durch Joachim die große Zuneigung, welche dieser Kur⸗ fürst dem Reformator entgegengebracht hat. Von großem Werth ist das Werk für die Religionsgeschichte, da der Inhalt der Gebete und Darstellungen noch theilweise einen katholischen Charakter trägt. Für die Sprachwissenschaft ist es außerdem ein Denkmal ersten Ranges. Wie bestimmt verlautet, wird das Kunstwerk vorläufig noch nicht verkäuflich sein, da es einer wissenschaftlichen Bearbeitung unterzogen werden soll. Den Kunst⸗ und Alterthumsfreunden wird Gelegenheit geboten werden, das Werk zu besichtigen.

Die Erinnerungstafel an Heinrich von Kleist wird der „Staatsb. Z.“ zufolge gegenwärtig in der Gladenbeck'schen Gießerei zu Friedrichshagen gegossen. Auch diese Bronzetafel mit der üblichen Inschrift wird von der Stadt Berlin gestiftet und erhält demnächst, wie schon gemeldet, ihren Platz an dem Hause Mauer⸗ straße 53, wo der Dichter gewohnt hat.

Land⸗ und Forstwirthschaft.

Der Weinbau im preußischen Staat während des Jahres 1889.

Die für den Weinbau geeigneten Gebiete des preußischen Staats sind im Verhältnisse zur Gesammtfläche desselben nicht sehr umfang⸗ reich. Dagegen machen sie in einzelnen Gegenden des Landes erheb⸗ lichere Bruchtheile der Kulturflächen aus, und der von denselben erzielte Ertrog ist im Ganzen nicht unbedeutend, wie folgende, dem schon neulich angezogenen Hefte 110 der „Preußischen Statistik⸗ entnommenen An⸗ gaben erkennen lassen. Die für 1889 mit 281 313 hl ermittelte Weinkreszenz wurde in 678 Gemeinden und Gutsbezirken der Pro⸗ vinzen Brandenburg, Posen, Schlesien, Sachsen, Hessen⸗Nassau und Rheinland von einer mit Reben bestockten Fläche von 17 182 ha ge⸗ keltert, und zwar mehr als neun Zehntel (93,3 %) oder 262 673 hl. in Hessen⸗-Nassau und der Rheinprovinz. Wie sich die Anbaufläche, der Hektar⸗ und Gesammtertrag auf die überhaupt Weinbau treibenden zwölf Regierungsbezirke des Staats vertheilt, veranschaulicht nach⸗ stehende Uebersicht: Es mit F 1 Hektolit

; ektar mit einem Ertrage von Hektoliter

im Regierungsbezirk läche überhaupt Hektar Frankfüͤurt 445 3 846 8 8,64 ““ 112 Bromberg 3 141169 Mersehutee 643 8;“ 14 Wiesbaden. 27925 64 226 Köblen 6897 134 787 898Z“ 292 213 Iriee 60 316 I“ F“ 38

Der Hopfenbau im preußischen Staat während des Jahres 1889.

Unter den Handelsgewächsen, deren Erträge alljährlich durch die preußische Erntestatistik festgestellt werden, ist nächst dem Raps der Hopfen besonders hervorzuheben. Derselbe bestockte, nach den An⸗ gaben des soeben ausgegebenen Heftes 110 der „Preußischen Statistik im Jahre 1889 in 88 Kreisen oder 873 Gemeinden und Gutsbezirken eine Fläche von 3905 ha, von denen 15833 Doppel⸗Centner Hopfendolden, d. s. 4,05 Doppel⸗Centner vom Hektar, gepflückt wurden. In 677 Erhebungsbezirken blieb die mit dieser Frucht bepflanzte Fläche unter 5 ha, während eine solche von 5 bis 10 ha für 106 Bezirke, von 10 bis 20 ha für 56, von 20 bis 30 ha für 14, von 30 bis 40 ha für 7, von 40. bis 50 ha für 5 und von über 50 ha für 8 Erhebungsbezirke nach⸗ gewiesen wurde. Der Hopfen wird hauptsächlich in den Provinzen Posen und Sachsen gezogen, da hier im Jahre 1889 auf 1847 bezw. 931 ha zusammen 10 943 Doppel⸗Centner oder 69,1 % der gesammten Hopfenernte gewonnen wurden gegen 10 873 Doppel⸗Centner oder 69,0 % im Jahre 1888. Mit 22,4 % an der Gesammternte oder 3528 Doppel⸗Centnern waren ferner noch die Provinzen Ostpreußen, Hohenzollern und Hessen⸗Nassau betheiligt, während sowohl in 1889 wie im Vorjahre in Westfalen gar kein Hopfenbau betrieben wurde.

Gesundheitswesen, Thierkrankheiten und Absperrungs⸗ Maßregeln. Oesterreich⸗Ungarn. 1 Der Königlich ungarische Handels⸗Minister hat mit Verfügung

16. November 1890 die siebentägige Quarantäne für Provenienzen 30 beg Rothen Meer aufgehoben und dafür strenge ärztliche Unter⸗

angeordnet. “““ Spanien.

Am 18. November 1890 sind die spanischen Provinzen Valencia und dn 1lo, rmittels Köni lichen Dekrets für seuchenfrei erklärt

worden.

Tägliche Wagengestellung für Kohlen und Koks an der Ruhr und in Oberschlesien. 1 An der Ruhr sind am 28. November gestellt 7221, nicht recht⸗ zeitig gestellt 1976 . weil die Zuführung des Hochwassers wegen nicht erfolgen konnte. 1 In Oberschlesien sind am 27. d. M. gestellt 4165, nicht rechtzeitig gestellt keine Wagen.

Berlin, 28. November. (Amrliche Pretsfeststellung für Butter, Käse und Schmalz.) Butter: Hof⸗ und Genossen⸗ schaftsbutter Ia. 113 115 ℳ, IIa. 110 112 ℳ, IIIa. —, do. abfallende 103 108 ℳ, Land⸗, Preußische 90 95 ℳ, Netzbrücher 87 93 ℳ, Pommersche 90 95 ℳ, Polnische 85 90 ℳ, Bavyerische Sennbutter ℳ, do. Landbutter 85 90 ℳ, Schles. 93 98 ℳ, Galizische 75 80 Margarine 40 70 Käse: Schweizer, Emmenthaler 93 98 ℳ, Bayerischer 75 80 ℳ, do. Ost⸗ und West⸗ preußischer, 1a. 72 78 ℳ, do. II 9. 65 70 ℳ, Holländer 80 90 ℳ, Limburger 42 48 ℳ, Quadratmagerkäse 25 30 Schmalz: Prima Western 17 % Ta. 39,50 ℳ, reines, in Deutsch⸗ land raffinirt 43,00 46,00 Berliner Bratenschmalz 45,50 49,50 Fett, in Amerika raffinirt 38,00 ℳ, in Deutschland raffinirt 41 43 Tendenz: I vvb Geschäftsgang blieben Preise behauptet. chmalz: Tendenz etwas fester.

Die „Köln. Ztg“ meldet: Der Aufsichtsrath der Stadt⸗ berger Hütte schlägt die Vertheilung einer Dividende von 7 %, derjenige der Bergischen Brauerei einer solchen von 5 % vor.

Die neue Firma Baring Brothers, Limited in London ist nunmehr in das Aktiengesellschaftenregister eingetragen. Das Kapital der Commandite beträgt 1 000 000 Pfd. Sterl. in 2000 Aktien von je 500 Pfd. Sterl. Der Uebertragungsurkunde zu⸗ folge sind die Mitglieder der alten Firma befugt, zu jeder Zeit innerhalb der nächsten fünf Jahre das Geschäft gegen Zahlung einer Summe von 120 % des eingezahlten Kapitals zurückzukaufen. Mr. Thomas Charles Baring, der Chef der neuen Firma, hat nicht nur Aktien im Betrage von 200 000 Pfd. Sterl. gezeichnet, son⸗ dern sein ganzes Privatvermögen im angesehenen Betrage von 1 250 000 Pfd. Sterl. der Firma zur Verfügung gestellt. Uater den Aktionären befinden sich ferner Lord Hillingdon, B. W. Currie, W. B. Beaumont, S. G. Smith, E. A. Hambro und F. C. Le Marchant. 8

Von der Monats⸗Ausgabe des „Centralblatt für die Textil⸗Industrie“ liegt das III. Heft vor, welches wie die ersten Hefte geschmackvoll ausgestattet ist und auch an Werth und Reich⸗ haltigkeit des Inhalts nicht hinter jenen zurücksteht. Aus dem In⸗ haltsverzeichniß des III. Heftes heben wir Folgendes hervor: „Alte und neue Textilkunst“ von dem als Autorität auf diesem Gebiete bekannten Kunstgewerbe⸗Schuldirektor Friedrich Fischbach. Berechnung der durch den Draht entstandenen Verkürzung des Fadens und deren Einwirkung auf den Verzugswechsel, von Professor H. Brüggemann. Es folgen nun die einzelnen Rubriken, und zwar finden wir folgende interessante Abhandlungen in der Spinnerei: Verbesserte Ringspinnmaschine für Kette und Schuß. Spindel zum Feinspinnen auf Ringspinnmaschinen. Kämm⸗Maschine mit neuer Zugflor⸗Verdichtung. Maschine zur Bearbeitung des Baumwollabfalls. Differential⸗Flyer. Spindel⸗ antrieb für Spinn⸗, Zwirn⸗ und Duplirmaschinen. Mule⸗Fein⸗ spinnmaschine mit Fangwalze für gebrochene Fäden. In dem Ab⸗ schnitt Weberei sind besonders die neuen Muster zu erwähnen. Diesen schließen sich dann an: Anwendung von Elektrizität als Triebkraft für mechanische Webstühle. Die Herstellung der Doppelsammet⸗ und Plüschgewebe auf mechanischen Webstühlen. Schaftmaschine für Hoch⸗ und Tieffach. Schaftmaschine für mechanische Webstühle. Verfahren und Einrichtung zur fehler⸗ freien Herstellung von Doppelsammet mit Köpergrund und Wollflor. Verfahren und Einrichtung zur Herstellung doppelfloriger Plüsche. Verfahren und Einrichtung zur Herstellung von Smyrna⸗Teppichen auf mechanischem Wege. Schußwächter für mechanische Webstühle. Unter Wirkerei und Strickerei: Französischer Rundwirkstuhl mit selbstthätigem Waarenabzug. Das Gebiet der Appretur, Bleicherei, Färberei ist ebenfalls durch bemerkenswerthe Abhandlungen vertreten. Außer sonstigen kleinen Abhandlungen und Referaten ziehen wieder die dem Hefte beigefügten, in Farbendruck ausgeführten drei Vor⸗ lagen für Gewebemusterung die Aufmerksamkeit auf sich. Diese drei Vorlagen stellen dar: Borte und Stoffmuster im Stil des XVIII. Jahrhunderts, eine Tischdecke und ferner ein Damenstoff⸗ muster.

Das „Gewerbeblatt für das Großherzogthum Hessen“, Zeitschrift des Landesgewerbvereins, hat in Nr. 48 folgenden Inhalt: Von der Landesbaugewerkschule. Von der Gewerbe⸗ und Industrie⸗Ausstellung zu Heppenheim. Verschiedene Mittheilungen. Patente von im Großherzogthum Hessen wohnenden Erfindern. Feuer⸗ sichere und wetterfeste Holzbedachung. Von der Lahnkalk⸗Industrie. Aus den Ortsgewerbvereinen. Bad⸗Nauheim. Literatur. Zum 25jährigen Bestehen der „Modenwelt“. Die Invaliditäts⸗ und Altersversicherung im Deutschen Reich.

Essen a. d. Ruhr, 29. November. (W. T. B.) Der „Rhein.⸗ Westf. Ztg.“ zufolge sind viele Zechen wegen ganzer oder theilweiser Sperrung der Eisenbahnwagen⸗Zufuhrlinien durch Ueberschwemmung und in Folge dessen eingetretenen Mangels an Eisenbahnwagen genöthigt, ihren Betrieb erheblich einzu⸗ schränken. Auf mancher Zeche feiert aus diesem Grunde ein größerer Theil der Belegschaft. Freitag konnten von 9197 angeför⸗ derten Doppelwagen 1976 Wagen nicht gestellt werden.

München, 29. November. (W. T. B.) In der gestrigen Aufsichtsraths⸗Sitzung der Bayerischen Landesbank wurde mit⸗ getheilt, daß mit namhaften Instituten Sanirungsverhand⸗ lungen angeknüpft sind, und daß bis zum Jahresschluß zweifellos ein Erfolg zu erhoffen sei. Die Generalversammlung findet im Februar 1891 statt. .

Leipzig, 28. November. (W. T. B.) Kammzug⸗Termin⸗ handel. La Plata. Grundmuster B. pr. Dezember 4,30 ℳ, pr. Januar 4,30 ℳ, pr. Februar 4,27 ½ ℳ, pr. März 4,27 ½ ℳ, pr. April 4,27 ½¼ ℳ, pr. Mai 4,27 ½ ℳ, pr. Juni 4,27 ½ ℳ, pr. Juli 4,27 ½ ℳ, pr. August 4,27 ½ ℳ, pr. September 4,27 ½ ℳ, pr. Oktober 4,27 ½ Umsatz 100 000 kg. Fest.

London, 28. November. (W. T. B) Wollauktion. Preise unverändert, lebhaftere Betheiligung.

An der Küste 1 Weizenladung angeboten.

Manchester, 28. November. (W. T. B.)

7, 30r Water Taylor 9 ¼, 20r Water Leigh

Clayton 8 ½ 32r Mock Brooke 8 ¾, 40r Mayoll 9 ¼, 40er Medio Wilkinson 10 ½, 32r Warpcops Lees 8 ½, 36r Warpcops Rowland 9 ¼, 40r Double Weston 9 ⅛, 60r Double Courante Qualität 12 ½, 32“9 116 yds 16 % 16 grey Printers aus 321/46r 174. Stetig.

Glasgow, 28. November. (W. T. B.) Die Vorräthe von Roheisen in den Stores belaufen sich auf 608 444 Tons gegen 961 256 Tons im vorigen Jahre. 8 *

Die Zahl der im Betriebe befindlichen Hochöfen beträgt 6 gegen 88 im vorigen Jahre. 8

New⸗York, 28. November. (W. T. B.) Baumwollen⸗ Wochenbericht. Zufuhren in allen Unionshäfen 249 000 Ballen, Ausfuhr nach Großbritannien 89 000 Ballen, Ausfuhr nach dem Kontinent 79 000 Ballen, Vorrath 662 000 Ballen.

Verkehrs⸗Anstalten.

Von den preußischen Staatseisenbahnen in Folge der Beschädigungen durch Hochwasser noch rrt: . 1) Im Direktionsbezirk Erfurt: die Strecke Naumburg—Artern, 2) Im Direktionsbezirt Hannover die Strecke Lippstadt Benteler. 8