1890 / 296 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 09 Dec 1890 18:00:01 GMT) scan diff

Ipfufige Volkszählungsergebniffr. nnover 163 100 (gegen 139 741 i. J. 188

e 116 192 EEen,“

Kassel 71885 (64 088).

Kiel 68 827 (51 706). 1

Hildesheim 33 400 (29 380).

Göttingen 23 745 (21 661).

alle 100 131 (81 982).

Heecars 75 523 (65 988).

Stutigart 139 659 (125 901). Darmstadt 56 600 (51 302).

Würzburg 60 844 (65 010).

Ulm 36 210 (33 600).

AAbeck 63 556 (65 399).

Zur Arbeiterbewegung.

DPas „Berl. Volksbl.“ theilt folgendes Lelegramm des Depeschen⸗ bureaus „Herold“ aus Bochum mit: „Die Führer in der Berg⸗ warbeiter⸗Bewegung des rheinischewestfältschen Industriebezirks sind fast ausnahmslos bemüht, einen eventuellen Ausstand bis zum 1. Mai nächsten Jahres nieder zu halten und sie glauben, daß ihre Be⸗ mühungen, Erfolg haben werden Ob der Einfluß der leitenden Kreise bei dem Mangel einer geschlossenen Organisation der Meinung⸗ derselben entspricht, wird schon die nächste Zukunft lehren, denn die Bewegung beginnt an einzelnen Stellen bereits einen solchen Charakter anzunehmen, daß die Beurtheilung derselben nach Ziel und Stärke leichter wird. Daß die Führer gerade den 1. Mai fur den Ausstand bestimmt haben, haͤngt mit dem Pariser Berg⸗ arbeterkongreß zusammen, auf welchem man die internationale Organisatton wentgstens so weit zu fördern hofft, daß die einzelnen Bezirke in diesem Fall also der rheinisch⸗westfälische bei einem Ausstande der Unterstützung der übrigen sicher sind. Der Kongreß findet, um die letzten Vorbereitungen für den Ausstand noch genüßend erledigen zu können, bereits im März statt. Die Zeit bie dabin solh dem Ausbau des deutschen Bergarbeiter⸗Verbandet ge⸗ wibmet werden, und es sind bereits Schritte geschehen, auch in den übrigen Revieren die Bewegung im Sinne der rbeinischeweͤlischen Führer zu leiten DHie Hauptforderungen werden überall sein: Achtstündige Schicht und Lohnerhöhung.“ Hieran knübit, das sozialdemokratische Centralorgan die Bemerkung, daß das Telegramm in die Kategorie der Alarmtelegramme gehöre. GCs ehtbalte die gröbsten Unwahrheiteu. In Paris sei kein Berg⸗ arbeiteraudstand für den 1. Mat nächsten Jahres oder überhaupt für irgend einen Tag beschlossen worden, und die Führer der deutschen Bergarbeiter daäͤchten nicht daran, am 1. Mai einen Strike zu begiunen.

Aus Essen wird der „Köln. Ztg.“ telegraphirt, daß eine von den Knappschaftsäͤltesten einberufene zahlreich besuchte Berg⸗ arbetter⸗Versammlung sich einmüthig dafür erklärt hahe, daß die Knappschaftskasse als eigene Versicherungsanstalt für Alters⸗ und Invalidenversicherung eingerichtet werde.

Der „Mädb. Ztg.“ wird aus Berlin geschrieben: „Die beiden roßen Strikes der Ham burg⸗Altonger Eigarrenarbeiter und der Erfurter Schuhmacher sind der Sozialdemokratie aufs Aeußerste ungelegen gekommen; die Strikekassen sind leer und lett zu Weihnachten ist von den Arbeitern nicht viel herauszuschröpfen. Der Strike der Erfurter Schuhmacher ist so gut wie verloren, im Ganzen striken noch 476 Arbeiter mit 784 Kindern und 50 Ar⸗

beiterinnen. Nun hat sich die Sozialdemokratte für einen Schlag. entschieden, der, weil er wirkungelos bleiben muß, der soztaldemo⸗ fratischen Gewerkebewegung argen Schaden bringen wird. Die Soztaldemokraten haben nämlich über die Erfurter Schuhwaaren den BVopkott verhängt; in allen sozialdemokratischen Zeitungen sollen die Arbeiter aufgefordert werden, keine Schuhwaaren zu kaufen, welche in den Erfurter Fabriken produzirt sind. Dieser Boypkott wird sich als voll⸗ kommen versehlt erweisen und die Waffe des Boykotts immer mehr im Ansehen berunterbringen. Mit dem Strike der Tabacksarbeiter in Hamburg.Artona⸗SOttensen sieht es ebenfalls recht trübe aus, bitterste Notb berrscht unter den Strikenden, da die zu vertbeilenden Strike⸗ besträge ganz winzig geblitehen sind. Die Opferfreudigkeit der „Genossen“ soll nun auf alle mögliche Weise angespornt werden; die Agitatoren verbreiten überall, daß der Tischlerverein in Ham⸗ burg 1000 aus seiner Kasse für die Strikenden bergegeben und jedes der Mitglieder des Vereins (etwa 2000) sich verpflichtet habe, während der Dauer des Strikes wöͤchentlich je 1 zu zahlen. Dies Beispiel ist aber vereinzelt geblieben und ganz zweifellos wird der Hamburger Steike ebenfalls verloren gehben. Die Sozial demokratie, die in diesem Herbst und Sommer jeden Lohn⸗ kampf vermieden, sieht, was die Lohnbewegung anbetrifft, Angesichts der bevorstehenden Erfurter und Hamburger Niederlagen keineswegs freudig in die Zukunft, der 20. Februar batte die Sontal⸗ demokratte in einen Taumel versetzt, die verunglückte Feier des 1. Mai, die verlorenen Lohnkämpfe haben stark entnüchternd gewirkt.⸗

Aus Dortmund berichtet die „Rh. Westf. Ztg.“ über eine Baubhandwerker⸗Versammlung, die von etwa 200, darunter größtentheils Personen, welche anderen Arbeiterkategorien, keineswegs aber dem Stande der Baubandwerker angehörten, besucht war. Der Verlauf der Versammlung war ein sehr erregter. weil sich wwei Parteien gegenüberstanden, die sich redlich abmühten, Uede für sich den Sieg, davonzutragen. Es besteht nämlich in Hortmund eine Vereinigung der Maurer, Stuckateure ꝛc, welche indessen nach Ansicht des früberen Redacteurs der eingegangenen „Arbeiterzeitung“, des Hrn. Bölger, nicht energisch genug vorgeht. weshalb eine neue Vereinigung auf ausgesprochen soztal⸗ demokratischer Grundlange geplant wurde Hierüber wurde in der Versammlung vornehmlich diskuttrt, wodbei die Bälger’sche Partei den Sieg davontrug, indem die Statuten der neuen Vereinigung von der Versammlung genehmigt wurden.

In Posen sand. wie wir dem „Pos. Tab Versammlung der Maurer von Posen und Umgegend statt, welche von ungefähr 140 Personen besucht war. Es wurde zunächst eine aus acht Mitgliedern destehende Lohnkommission eingesetzt, welche ende, von der Versammlung gefaßte Beschlüsse den Meistern und nternehmern noch vor Neujahr unterbreiten soll: 1) Für das Jahr 18o1 wird die tägliche Ardeitszeit auf 10 Stunden fest⸗ gesett. 2) Für die Arbeitsstunde wird ein Normallohn don 40 gezablt. §) In jedem, cinem Sonn oder Festtage vorangedenden Tage dört die Arbeit eine Stunde srüber auf ohre Verkürzung Lohnes. 4) Auf jedem Banplatze ist eine regelrechte Banbude aufn Unterdrivgung der Klcidungsstücke K. und zum Scha gegen Wind und Wetter wädrend der Pausen. 8 deträgt der Lobd 88 jr 50 A. 6) An Sonntas ders dringenden Fellen geardeitet werden; der Lo jede Stunde.

Dier in Berlin begarxmen gestern Vormittag des Kongresses sämmtlicher freien Hul „Boss. Ztg.“ zufelge warcn etwa 300 Delegirte Deutschlands erschienen, die ctmwa 600 Kassen Kongreß soll zu den Abẽ trägen für das Gesetz, betreffen die Krankenversicheranse der Arbeiter vom 15. Im 1883, Stehung nehmen. Der Versitzende der QLoekalceminsk, üsch Ber erüffertt die Versemmlum Bersitzende der Eind Krumifsicmn, Ti 1 (Hamdurg) tdeilte mit, daß er die dertsche Nrithkreg Keichstags⸗-Adacordneten sämmtlicher Frakmoenen in de cingeladen dade. Die freisinnigt Frakrirn dade schruftli demokratische Fraktion mündlich daß see 1 Kongteß cutsenden werden. Hr. Blumt (Hamdurg. lönsig zum Vorsibenden und Redacteur Imm ührer gewählt. Alsdann warde cine Mandatsprüfrnob⸗ und

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1“ entnehmen, eine

Tischler Nöske (Berk

Aus Wien wird telegrapbisch gemeldet: Der hier tagende Kongreß der Bergarbeiter, an dem auch einige Reichsraths⸗ Abgeordnete Theil nahmen, beschloß mwedrere R esolutionen betreffs des allgemeinen Wahlrechts und der Merbesserung der Lage der Berg⸗ arbeiter. Per VUsGergebhlfentag setzte ein Comite zur Ein⸗ fübrung der Organisatien ** Sirikes über die ganze Monarchie ein.

gur vage verfonedener Industriezweige wird aus Breslau geschrieben: Unter den der Leinenspinnerei noch immer am Besten, da der höhere Cours für österreichische Banknoten den Bezug böhmischer Garne erschwert und die heimischen Leinengarne in Folge dessen im Preise fest blieben. Dagegen hat die Baumwollspinnerei unter dem Druck des schlechten Geschäfts in buntgewebten baumwollenen Waaren ihre Preise nicht zu behaupten vermocht. Bleichen, Färbereien und Appreturanstalten waren im Ganzen gut beschäftigt. Die Porzellan⸗ und Spiegelalas⸗Industrie ist nicht zurückgegangen. Die Papierfabrikation klagt über verminderten Absatz und einen Preisdruck von Seiten einzelner Fabriken, die in der Lage sind, den ihnen sehr billig angebotenen schwedischen Holzstoff zu verarbeiten. Die Maschinenfabrikation ist, abgesehen von einem gewissen Stillstand in der Kesselfabrikation, meist regelmäßig beschäftigt, ebenso die Chamottefabrikation. Die Fabrikation von Chemikalien und Dungmitteln erfreut sich regen Absatzes. G 8

Förderung und Absatz von Steinkohlen.

Der Regierungsbezirk Breslau förderte im dritten Quartal 722 640 t Steinkohlen, d. h. 0,6 % weniger als im Vorvierteljahre. Der Absatz betrug 632 553 t (1,2 % weniger als im Vorvierteljahre). Gegen den gleichen Zeitraum im Vorjahre fand ebenfalls eine Ab⸗ nahme der Förderung und des Absatzes um 7,8 bezw. 13,1 % statt. Während der Rückgang in Förderung und Absatz sich gegen das dritte Vierteljahr des Jahres 1889 dadurch erklärt, daß im Vorjahre eine außergewöhnlich lebhafte Nachfrage aus Furcht vor neuen Arbeitseinstellungen sich geltend machte, bleibt der Rückgang gegen das Vorvierteljlahr um so auffallender, als sonst der Absatz vor Eintritt der höheren Winterpreise am 1. September sehr lebhaft und höher als im Sommer⸗Quartal zu sein pflegt. In der Hauptsache wird diese Erscheinung auf die Konkurrenz mit der billigeren oberschlesischen Steinkohle zurückzu⸗ fuͤhren sein; in zweiter Linie war die Unsicherheit der Gruben, ob nicht die achtstündige Schicht zur Einführung gelangen würde, von Einfluß auf die Kohlenverkaufsabschlüsse. Trotz des verminderten Absatzes sind die bisherigen hohen Kohlenpreise keineswegs zurück⸗ gegangen. Obwohl eine Ermäßigung der Preise zweifellos eine Wiederbelebung des Absatzes zur Folge haben und die Rentabilität der Werke nicht gesährden dürfte, ziehen die Grubenverwaltungen doch die Festhaltung der bisherigen Preise unter Einschränkung des Be⸗ triebes durch Einlegung von Freischichten vor.

Beförderung von Strafentlassenen nach den deutschen Kolonien.

Die Frage der Besörderung Strafentlassener nach den deutschen Kolonien wurde in der gestrigen Sitzung des Vereins zur Besse⸗ rung entlassener Strafgefangener vom Direktor des Moabiter Zellengefängnisses Hrn. Dr. Krobhne in Anregung gebracht. Selne Aussuͤhrungen lassen sich etwa dahin zusammensassen: Es ist hinlänglich bekannt, wie schwer es namentlich den Strafentlassenen wird, die längere Strafen verbüßt haben, wieder in der mensch⸗ Uichen Gesehlschaft festen Fuß zu fassen, und häufig werden. alle guten Vorsätze sehr bald binfällig, weil es den Entlassenen nicht gelingt, eine ihren Kenntnissen und der einstigen Lebensstellung entsprechende Beschästigung zu finden. In sehr vielen Fällen werden aber gerade diese Lute ein sehr geeignetes Material für die wirthschaftliche Ausnutzung unserer Kolonten ab⸗ geben. Die Leute sind im Gefaͤngniß beduͤrfnißlos geworden und vor Allem den geistigen Getränken entwöͤhnt und dabei zumeist in prak⸗ tischen Handfertigkeiten ausgebildet, die gerade in Kolonien von großem Werth sind. Es bandelt sich nun vor Allem um die Frage, wie die immerhin nicht unbedeutenden Mittel für die Uebersiedelung aufgebracht werden koͤnnten. Wie Direktor Dr. Krohne unter Hinweis auf einen ganz besonderen Fall betonte, würden die Gesängnißverwaltungen selbst in der Lage sein, innerhalb der Grenzen ibrer Befugnisse dierzu in gecigneten Fällen Zuschüsse zu gewähren, ein weiterer Theil der erforderlichen Summe könnte aus dem Arbeitsverdienst der Entlassenen genommen werden. Der Verein wird sich nun in einer späteren Sitzung darüber schlüssig machen, ob und wie weit er selbst finanziell die Sache unterstützen will.

Literatur. 1

Rechts⸗ und Staatswissenschaft. 1

Mlr. Jahrbuch für Entscheidungen des Kammer⸗ gerichts in Sachen der nichtstreitigen Gerichtebarkeit und in Strafsachen, herausgegeben von Reinhold Johow, Geheimer Ober⸗Justiz⸗Rath. Neunter Band. Berlin. 1890. Verlag von Franz Vahlen. 349 S. Preis geb. 6,20 Der vorliegende Band entbält unter 135 Nummern Urtheile und Beschlüsse aus den Jahren 1888—1890. Von allgemeinerer Tragweite dürste der Beschluß vom 28. Januar 1890 S. 3 ff. u. S. 86 werden, in welchem der Grundsatz aufgestellt wird, daß bei der Eintragung einer Hppothek der Gläubiger nur bei Handelsgesellschaften, nicht auch bei Einzelkaufleuten durch eine Firma bezeichnet werden koͤnne. Derselbe Beschluß enthält zugleich noch eine andere bemerkenswerthe Entscheidung. In dem gegebenen Falle hatte der von den Vorinstanzen abgewiesene Beschwerdeführer in der weiteren Beschwerde den generellen Antrag gestellt, das Amtsgericht anzuweisen, den in Frage kommenden Eintragungs⸗ bezw. Löschungs⸗ anträgen stattzugeben. Der Fassung dieses Antrages gegenüber hat das Kammergericht betont, daß die Beschwerde⸗Instanzen in Grundbuchsachen nur mit Erledigung bestimmter Parteianträge befaßt, zur Er⸗ theilung genereller Anweisungen an die Amtsgerichte gar nicht befugt scien, und daß auch das Kammergericht nur über landgerichtliche Beschlüsse zu befinden hade, cine sachliche Entscheidung daber nur insoweit treffen könne, als dieselbe dem angefochtenen landgerichtlichen Beschluß zu entnehmen sei. Von Bedeutung für die Praxis der Amtsgerichte ist serner die als Anhang beigegehene kleine Ab⸗ handlung üdber die „Kosten für gerichtliche Erbeserklärungen außer⸗ halb einer Nachlaßregulirung“, in welcher u. E. überzeugend nachgewiesen wird, daß bei der Ausstellung von Erbbescheinigungen „die einzelnen Erbeserklärungen (eidesstattliche Versicherungen), welche auch von den Notaren aufgenommen werden können, nicht in den Kreis der eigentlich richterlichen Tbätigkeit (Prüfung und Bescheinigung)“ fallen und daber als „selbständiges Rechtsgeschäft“ mit einem besen⸗ deren Kostenansa delegen sind. Einer Empfedlung bedarf das Jahrbuch nicht mehr. Es verdient aber wieder⸗ bdolt f hingewi in werden, daß der den mitge⸗ rheilten Entscheidungen in Grunde liegende. oft recht kom⸗ plizirte, ju ibtem Verständniß aber undedingt erforderliche Sachverhalt denselben in rper und zugleich ungemein klarer Fassung vor⸗ angestelit ist, n s Werk ganz besonders zu schnellem Ge⸗ ungen sich cisnet. Sehr dankenswerth cigegebene Gesetzesregister, welches auch

Bezug genommenen Gesetzescitate ent⸗

.

Mr. Der aufsichtfübrende Richter bei den preußischen

E“ Rechte und Pllichten. Eine systematische

Darf der für den aufsichtführenden evenee een“; Vorschriften der Iustizaufsicht und Iustizverwaltung von P. Magunna, auffichtführendem Richter bei dem Königlichen Amts⸗

8 ““ Spinnereien geht cs

gericht zu Schwetz a. W. Zweite, verbesserte Auflage. Berlin, 1890, Verlag von H. W. Mueller. 207 S. Preis broch. 4 Daß ron diesem immerhin nur für einen beschränkten Kreis von Lesern bestimmten Buch in der verhältnißmäßig sehr kurzen Zeit von 3 ½ Jahren eine zweite Auflage nothwendig geworden ist, beweist, daß es dem vorhandenen Bedürfniß nach einem derartigen Werk in bhervorragender Weise genügt hat. In der neuen Auflage sind die seit dem Erscheinen der ersten erlassenen neuen Bestimmungen aufgenommen, auch ist die Darstellung durch zweckmäßige Gruppirung der einzelnen Materien noch übersichtlicher geworden. Für diejenigen, welche mit der Arbeit noch nicht bekannt geworden sind, darf darauf hin⸗ gewiesen werden, daß als ein besonderer Vorzug der⸗ selben die bei aller Knappheit im Ausdruck vollständige Behandlung der den Amtsgerichten zugewiesenen Geschäfte der Justiz⸗ verwaltung zu erachten ist. Bei kleineren Amtsgerichten müssen häufig genug die Aufsichtsgeschäfte einem Richter von geringem Pienstalter übertragen werden, der früher wenig oder gar keine Gelegenheit hatte, sich mit den Angelegenheiten der Justizverwaltung zu befassen. Zur Einarbeitung in diesen oft recht schwierigen Theil seiner Berufs⸗ thätigkeit wird ihm die Arbeit Magunna’s von großem Nutzen sein.

= Von der Sammlung amtlicher Veröffentlichungen aus dem „Reichs⸗ und Staats⸗Anzeiger“, welche Carl⸗ Heymann’s Verlag in Berlin veranstaltet, liegen uns gegenwärtig vor: Nr. 4, Entwurf eines Gesetzes, betreffend die Einkommen⸗ steuer, mit Begründung, Preis 1,50 ℳ; Nr. 5, Entwurf eines Ge⸗ setzes, betreffend Abänderung des Erbschaftssteuergesetzes, sowie über die Abänderung des Gesetzes vom 14. Mai 1885, Preis 0,50 ℳ; Nr. 6, Entwurf einer Landgemeindeordnung für die sieben östlichen Provinzen der Monarchie mit Begründung, Preis 2 ℳ; Nr. 7, Entwurf eines Gesetzes, betreffend die öffentliche Volksschule mit Begründung, Preis 2 und Nr. 8, Entwurf eines Gesetzes, betreffend die Gewerbesteuer mit Begründung, Preis 1,20 Die Nr. 1 enthielt die Denkschrift über die Beweggründe zu dem deutsch⸗englischen Abkommen, Preis 0,50 ℳ; Nr. 2 den Entwurf eines Gesetzes über die Abänderung des Gesetzes, betreffend die Krankenversicherung der Arbeiter vom 15. Juni 1883 mit Begründung, Preis 2 ℳ, und Nr. 3 den Entwurf eines Gesetzes, betreffend den Schutz von Gebrauchs⸗ mustern mit Begründung, Preis 0,60

Sozialpolitik.)

ck. Der Helferdienst der Schule bei Heilung der sozialen Schäden. Von Kreis⸗Schulinspektor Fr. Polack. Hüelefeld, Hei A. Helmich: Sammlung pädagogischer Vorträge von Mevyer⸗Markau. (Preis 75 Z.) Der Vortrag hat folgenden Gedankengang: Wer es wohl meint mit unserm Volk und seiner Zukunft, der muß auf der Wacht stehen, muß unsere besten Volks⸗ güter wahren und dem drohenden innern Niedergange wehren helfen. In den Bund der erhaltenden Mächte im Volksleben gehört die Schule. Nach Darlegung der Schäden und Gefahren des Volkslebens der Gegenwart und ihrer Quellen werden die Pflichten, welche die Schule zu erfüllen hat, um unsere gesellschaftlichen Schäden heilen und unsere sozialen Zustände sichern zu belfen, dahin zusammengefaßt: 1) Die Schule hat durch guten, von wahrhaft christlichem Geist getragenen Unterricht ihren Zöglingen eine harmonische Ausbildung des Verstandes, Gemuüͤths und Willens zu geben. Besonders soll der Unterricht in der Religion, im Deutschen, in der Geschichte und Hrimathskunde dem heranwachsenden Geschlecht eine christliche und vaterländische Weltanschauung geben und durch Gottesfurcht und Vaterlandsliebe die Widerstandskraft gegen die Gesahren und Verlockungen der Zeit stärken hbelfen. 2) In und außer der Schule muß der Charakter der Schüler durch einen achtsamen und stetigen, väterlich strengen und dabei liebepollen Zuchteinfluß ge⸗ läutert und befestigt werden. 3) Putz⸗ und Genußsucht, Neid und Mißgunst und jeder vorzeitige Genußanspruch der Jugend werde be⸗ kaämpft. Freude an ernster Arbeit sowie an Bethätigung der Nächsten⸗ liebe geweckt. „Arbeit und Liebe“ werde als bester Lebensinhalt er⸗ kannt Handsertigkeitsunterricht und Schulsparkassen. 4) Kirche, Schule und Haus müssen in innigere Beziehung treten und Hand in Hand bei der Jugenderziehung gehen. 5) Durch gewerb⸗ liche und ländliche Fortbildungsschulen soll nicht nur die Erwerbs⸗ fähigkeit erböht, sondern auch der Zuchteinfluß der Schule fortgesetzt und der salsche Unabhängigkeitsdrang der Flegeliahre in Schranken gehalten werden. 6) Durch gute Schüler und Volksbibliotheken muß dem Volke gesunde geistige Nahrung zugeführt und der gefaͤhr⸗ lichen Wirkung einer auflösenden und aufregenden Presse entgegen⸗ getreten werden. 7) Der Lebrerstand gebe durch ungesärbte Frömmig⸗ keit, treue Vaterlandsliebe, willigen Gesetzesgehorsam. gewissenhafte Pflichterfüllung, einträchtiges Zusammenstehen und untadeligen Wandel stets und überall der Jugend und dem Alter ein erziehliches Vorbild. Der Vortrag sei den betbeiligten Kreisen aufs Ange⸗ legentlichste empfoblen.

ck. Die Frrichtung von Unfallskrankenhäusern, ein Akt der Nothwehr gegen das zunehmende Simulantenthum. Von Professor Dr. Adolph Seeligmüller, Spezialarzt für Nerven⸗ frankbeiten in Halle a. S. Leipzig, Verlag von Georg D hieme. Die beiden Artikel: „Das Provinzial⸗Krankenbaus fuür Unfallverletzte“ und „Es giebt Simulanten, und zwar nicht wenige“, welche den In⸗ balt der vorliegenden Broschüre ausmachen, sind aus der Erwägung hervorgegangen, daß das soziale Reformwerk Gefahr läuft, durch das stetig zunehmende Simulantenwesen in seiner segensreichen Entwickelung aufgehalten zu werden. Zur Abhülfe dieses bereits große Volksklassen demoralisirenden Uebels macht der Verfasser unter eingehender Begrün⸗ dung solgende sieben Vorschläge: 1¹) Für jede Provinz des Deutschen Reichs wird ein Provinzial-Unfallskrankenbaus von ganz besonderer Einrich⸗ tung errichtet. 2) In dieses Haus muß auf besonderes Verlangen der Berufsgenossenschaft jeder Unfallverletzte, wenn er nicht auf eine Entschädigung von vornherein verzichten will, sobald es sein Zustand erlaubt, gebracht werden. 3) Hier wird während eines längeren oder kürzeren Aufenthalts unter genauer Beobachtung Seitens besonders angestelter Aerzte und Ueberwachung Secitens besonders geschulter Waͤrter der ieweilige Zustand und Grad der Erwerbsfähigkeit fest⸗ gestellt. 4) Bei seiner Intlassung wird dem Verletzten aufgegeben. sich nach einer gewissen Zeit wieder zu stellen zu wiederholter Untersuchung bezw. Beobachtung. 5) Mit dem Aerztekollegium des Krankenhauses steht eine Kommission von Berufsgenossen, Handwerksmeistern bezw. Fabrikanten, in fortwährender Verbindung, welche Aufklärung über technische Fragen, besonders aber über den Grad der derzeitigen Erwerbsunsähigkeit Auskunft geben können. 6) Wird ein angeblich Verletzter der Simulation mit Sicherheit überführt, so wird er streng bestraft. 1) Ist ein Verletzter irrthümlich für einen Simulanten ge⸗ halten und als solcher behandelt worden, so erhält er eine ent⸗ sprechende Genugtbuung und Entschädigung. Diese Vorschläge, welche sich auf die Erfahrungen stützen, die der Verfasser in seiner ärztlichen Praxris gemacht hat, werden nicht verfehlen, die Aufmerk⸗ samkeit und Beachtung der ärztlichen und berufsgenossenschaftlichen Fachkreise auf sich zu lenken.

Unterhaltungsliteratur.

Die „Deutsche Jugend', Unterhaltungs⸗ und Belehrungs⸗ schrift für Knaben und Mädchen (herausgegeben von Julius Loh⸗ meyer; Hamburg, Verlags⸗Anstalt und Druckerei A.⸗G., vor⸗ mals J. F. Richter) beginnt mit dem Oktoberheft 1890 ihren 20. Jadrgang. Gelegentlich dieses Jubiläums machen wir auf die an dieser Stelle öfter empfohlene vortreffliche Jugendzeitschrift wiederholt aufmerksam. Das neue Heft wird eingeleitet durch ein Gedicht an den Kaiferlichen Kronprinzen, das von dem Herausgeber verfaßt und mit einer reizrollen Vignette von Alexander Zick geziert ist. Dann folgt eine spannende Erzählung von F. von Bülow, betitelt „Der Schatz des Indiers“, welche in Ost⸗Afrika spielt und mit einem großen farbigen Swie mehreren Texbildern von A. von Rößler illustrirt ist. Ein trisches Märchen, „Die Seejungfrau von Gollerus“ von Arete Go⸗ garten, bat Hermann Vogel, eine komische Thiergeschichte von Jo⸗ bannes Trojan der bekannte Humorist Fedor Flinzer mit sehr gelungenen Zeichnungen ausgestattet. Ferner finden wir in dem Heft u. a. eine schwungvolle Ballade von Felix Dahn, Räthsel, Ver⸗ standesübengen ꝛc. Für die nächsten Hefte stellt die Redaktion in

der Pspchologischen Gesellschaft. 1 Siegismund. Der wissenschaftliche Ausschuß der Psychologischen

Namen zu nennen.

Aussicht: Beiträge von Georg Lenz, Julie Ludwig, Felix Dahn, Johannes Trojan, J. Scheffel (der Mutter des berühmten Dichters), Fmil Frommel, G. Villinger, Frida Schanz, Edmund Straeter, J. Wilbelmi, Fritz Fernau, Julius Lohmeyer und Anderen, ferner Anleitungen zu Weihnachtsarbeiten von M. Laudien und Anna ränkel. Diese Mitarbeiter der Zeitschrift gewähren hinreichende Fenmfchaft dafür, daß die belfebte Jugendschrift, die sich seit beinahe wei Jahrzehnten wachsender Verbreitung in Haus und Familie sowie er Anerkennung in pädagogischen Kreisen erfreut, ihre Bestimmung, der Jugend eine zugleich belehrende und unterhaltende gute Lektüre zu bieten, so musterhaft erfüllen werde, wie bisher. Die Zeitschrift erscheint von jetzt ab in halbmonatlichen Heften, am 1. und 15. jeden Monats, und kostet vierteljährlich nur 1,50

Aus dem gleichen Hamburger Verlage ging uns der den Titel Buntes Jahr“ tragende Kinder⸗Kalender auf das Jabr 1891 (Pr. 1 ℳ) zu. Auch dieses Unternehmen erfreut sich in Fa⸗ milienkreisen stetig wachsender Beliebtheit. Der vorliegende 5. Jahr⸗ gang des von D. Duncker herausgegebenen Kalenders enthält eine große Zahl kleiner Erzählungen für jedes Alter von einer Reihe nam⸗ hafter Schriftsteller und Schriftstellerinnen, Gedichte, Lieder, Klavier⸗ stücke, Bewegungsspiele für das Haus und draußen, Räthsel und andere unterhaltende. Aufgaben ꝛc. Sehr drollig ist der Briefwechsel mit den Kindern über die Lösung des letzten Preisräthsels, deren auch der neue Jahrgang wieder eines mit 10. verlockenden Prämien aufgiebt. Der illustrative Schmuck ist trotz des niedrigen Preises von wirklich künstlerischem Werth, was nicht nur von den allerliebsten 12 bunten Monatsbildern von E. Elias, sondern auch von den meisten Textbildern gilt, an denen sich sogar mehrfach die Meister⸗ hand Paul Thumann’s betheiligt hat.

ck. Auteurs Français. Sammlung der besten Werke der französischen Unterhaltungsliteratur mit deutschen An⸗ merkungen, herausgegeben von Dr. Richard Mollweide, Ober⸗ lehrer am Lyceum zu Straßburg i. Els. Straßburg i. Els. Straß⸗ burger Druckerei und Verlagsanstalt vormals R. Schultz u. Co. Die vorliegende Sammlung, bei deren Bearbeitung der Verfasser die in der Kabinetsordre Sr. Majest ät des Kaisers über den Unterricht in den neueren Sprachen aufgestellten Grundsätze vor Augen gehabt hat, ver⸗ folgt ganz besonders praktische Zwecke, indem sie eine unterbaltende, be⸗ lehrende und die Kenntniß der französischen Sprache fördernde Auswahl aus der französischen Unterhaltungsliteratur bietet. Nur sittlich Un⸗ anstößiges findet in der Sammlung Aufnahme, und sorgfältig wird Alles ferngehalten, was verhindern könnte, die einzelnen Bändchen jüngeren Leuten beiderlei Geschlechts ohne Bedenken in die Hand zu geben. Die unter dem Texte stehenden Anmerkungen machen den lästigen, zeitraubenden und ermüdenden Gebrauch des Wörterbuchs ganz oder doch wenigstens zum größten Theil überflüfsig und sollen auch solchen, die nur geringere Kenntniß der französischen Sprache besitzen, die Möglichkeit bieten, ohne besondere Anstrengungen einen fran⸗ zösischen Schriftsteller zu verstehen. Da viele von den Sammlungen französischer Schriftsteller in ihrer inneren und außeren. Ausstattung zu wünschen übrig lassen und in dieser Hinsicht den schärfsten Tadel verdienen, so dürfte die vorliegende einer beifälligen Aufnahme sicher sein. Der soeben erschienene zweite Band enthält: Rodolphe Töpffer, Nouvelles genevoises; Favier de Maistre, Le Lépreux de la Cité d'Koste. Die Ausstattung ist eine geschmack⸗ volle und gediegene, sodaß der Preis von 1 als ein außergewöhnlich niedriger zu bezeichnen ist.

Verschiedenes.

eck. Aufzeichnungen über Sitzungen mit Daniel Douglas Home von William Crookes, Mitglied der Royal⸗ Societv von England. Autorisirte Uebersetzung, herausgegeben von Berlin W. Verlag von Karl

Gesellschaft in München begründet die vorliegende Veröffentlichung durch den Hinweis auf das hervorragende wissenschaftliche Ansehen, welches der Verfasser genieße, und auf das aus all seinen Versuchen ersichtliche Bestreben, die exakte Forschungsmethode mit möglichster Genauigkeit überall zur Anwendung zu bringen, zumal es keinem Zweifel unterliege, daß der Bericht eine der genauesten Darstellungen sei, welche jemals über sog. „spiritistische Phänomene“ bherausgegeben wären. Jedoch bindet sich die Psvpchologische Gesellschaft als solche an⸗ keinerlei Erklärungsweise der berichteten Wahrnehmungen, sondern überläßt es jedem ihrer Mitglieder, sich selbständig ein Urtheil zu bilden.

Weihnachts⸗Literatur.

„Drei Märchen für Alt und Jung“. Von Georg Ebers. Mit dret Lichtdruckbildern von C. Leinweber. Deutsche Verlagsanstalt; Stuttgart, Leipzig, Berlin, Wien, 1891. Der als Egyptologe bekannte, als Romandichter in den weitesten Kreisen be⸗ liebte Verfasser legt zum diesjährigen Weihnachtsfest seinen zahlreichen Verehrern, welche bei dieser Gelegenheit stets auf eine neue Gabe von ihm rechnen dürfen, drei Märchen auf den Geschenktisch. „Die Nüsse“, „Das Elixir“ und „Die graue Locke“ lauten die Titel der anspruchslosen und doch gehaltvollen Erzählungen, welche meist in glücklicher Weise den naiven Ton für derartige Dichtungen treffen und durch ihre flüssige anziehende Form denjenigen auch schon rein äußerlich zu fesseln vermögen, dem der ethische innere Gehalt nicht ebenso schnell erkenntlich ist; sie sind also wirklich „für Alt und Jung“ wohlberechnet. Das erste, „Die Nüsse“, ist durch einen Zusatz ganz speziell als Weihnachtsmärchen bezeichnet und illustrirt durch eine sinnig erfundene kleine Geschichte, wie man bi dem an diesem schönen Fest gebräuchlichen Geschenkgeben und „Nehmen zu denken und zu handeln habe. Wenn man gebe, so lautet die beherzigenswerthe Moral, solle man es im Gedanken nur mit rechter Liebe thun, und wenn man nehme, auch bei der kleinsten Gabe nur fragen, wie sie gemeint sei, denn auch aus der kleinsten Gabe könne reiche und mannigfaltige Frucht erwachsen, wenn nur rechte Liebe sie spende. Das zweite Märchen handelt von einem wunderbaren Elixir, einem Wahrheits⸗Elixir, das ein alter Hof⸗ apotheker in Leipzig entdeckt, das aber mit der zerbrochenen Phiole verschüttet wird und das, nachdem er in der Aufregung darüber, ohne das Rezept der Zusammensetzung zu hinterlassen. gestorben, seinem Sohn wieder zu entdecken gelingt. Es war, wie Ebers erzählt, eine Essenz, mit Hülfe deren man zwar nicht die volle und ganze Wahrheit als solche zu enthüllen vermochte, der aber die Kraft beiwohnte, jeden, der sich ihrer bediente, das heißt an der Phiole roch, zur Wahrhaftigkeit gegen den Nächsten zu zwingen. Das Elixir vererbte sich von Nach⸗ kommen zu Nachkommen, brachte aber der Familie keinen Segen. Die meisten ihrer Mitglieder wurden der Anmaßlichkeit und Selbst⸗ überhebung, der Rechthaberei und bitterer Streitsucht bezichtigt; viele hatten sich auch den Nächsten durch kränkende Urtheile und harte An⸗ klagen lästig und feindlich erwiesen, sich selbst aber durch ein wunder⸗ liches zur Schau tragen der eigenen Fehler zu Schaden gebracht. Sie ernteten daher viel Abneigung und Feindseligkeit und auch ihr Wohlstand nahm ab. Einer der Erben, ein Künstler, eine durchaus lautere Natur, erkannte endlich den Grund, und zwar in dem forglich bewahrten Familienschatz, dem Elixir. Er durchschaute die schwere Gefahr, die von diesem drohke, weil es in der Seele die Zuversicht weckte, daß sie der vollen Wahrheit ver⸗ mittels eines Zaubers theilhaftig sei, während ihr doch nur die Fähigkeit innewohnte, sie zu suchen; weil es dazu verleitete, Anderen aus voller Ueberzeugung aufzudrängen, was der Besitzer für wahr hielt, sie zu verachten und zu strafen, wenn sie sich zu abweichenden Meinungen bekannten. Auch ihm hatte das Elixir nicht nur das Ver⸗ mögen verliehen, sondern ihn mit unwidersteblicher Macht genöthigt, die Wahrheit laut zu verkünden und die Ungerechtigkeit beim rechten Aber er macht zugleich die Erfahrung, daß „der Mensch, der in dieser Welt, wo Alles sich verbirgt und seine

Rede bemäntelt, allein gezwungen ist, zu erkennen zu geben, was er

für wahr hält, einem Streiter gleicht, der ohne Schild und Harnisch gegen Gepanzerte kämpft“. Und darum beschließt er, das Elixir zu

vernichten. Er schüttet die Essenz in den Tiber, „an dessen Ufern so viel nach Wabrheit gesucht worden“, und füllt die hiol- mit Faite und einem Tropfen stark duftender Myrrhen; das Wasser aber nimmt er aus der Fontana Trevi, dem bekanntlich die Kraft gegeben sein soll, Sehnsucht zu erwecken zunächst nur nach der ewigen Stadt, dann aber auch vielleicht, wie er meint, nach der ewigen Wahrheit. „Hegt nur in dankbarer Brust das Kleinod der lauteren Wahrheit, Freut euch der herrlichen Macht, die sie zu reden euch zwingt. Wahr sei, was ihr auch denkt, doch achtet der Lehre des Alten: Weislich verschweiget auch viel, was als wahrhaftig ihr schätzt.“ Diesen Spruch beftet er auf das Fläschchen, überzeugt davon, die Nachkommen würden sich desselben mit größerem Nutzen bedienen als des Elixirs der Ahnen, wenn nur die Sehnsucht nach der Wahrheit in ihnen wach erhalten werde. Denn das Wahre der Familie-Ueberhell, das nämlich, was der Einzelne für wahr halte, sei doch nur ein nichtiges und, wenn man darauf poche, ein gefahrbringendes Ding. Nicht ohne Absicht scheint der Dichter dabei den Namen „Ueberhell“ gewählt zu haben, denn er knüpft an die obige Moral einen sehr verständlichen Seitenhieb gegen die Helllichtmaler und Naturalisten in der heutigen Kunst. Er legt seinem Künstler die bedeutungsvollen Worte in den Mund: „Nur wo der Geist aus den flüchtigen Erscheinungen in der Natur und im Leben ein Gesetz ziehe, entgehe er der Gefahr, das hinfällige und wechselnde Wirkliche für die unvergängliche und sich ewig gleichbleibende Wahrheit zu halten. Er habe damit auch für seine Enkel, die zu Künstlern werden sollten, die Gefahr beseitigt, dem Irrthum zu verfallen, das Höchste sei ihnen gelungen, wenn es ihnen nur glückte, ein Ding, ganz wie es ihnen zufällig in der Wirklichkeit begegnete, mit all seinen Flecken und Schäden treu nachzubilden; das besorge das geistlose Spiegelglas. Um ein echtes und im höheren Sinne wahres Kunstwerk zu schaffen, bedürfe es anderer Kräfte.“ Man wird aus dieser kurzen Inhaltsangabe ersehen, daß die Idee des Märchens sehr geistvoll erdacht ist und ein werth⸗ volles Stück prakrischer Lebensphilosophie enthält. Die kleine Er⸗ zählung gehört, trotz ihrer Unscheinbarkeit, nach Inhalt und Form unstreitig zu dem Besten und Reifsten, was Ebers geschrieben hat. Das letzte Märchen, „Die graue Locke“, schildert an den sehr ver⸗ schiedenartigen Schicksalen zweier prinzlichen Zwillingsbrüder Schein und Wesen menschlichen Glücks. Der Dichter hat darin den Ton und die ganze Art der Darstellung und Erzählung, wie sie den alten Sagen der „Deutschen Volksbücher“ eigen ist, mit Glück nach⸗ zuahmen gesucht. Trotzdem die Fabel aber in ein mittelalterliches Gewand gekleidet ist, durchwebt sie eine durchaus moderne praktische Lebensanschauung Das kleine Buch ist elegant ausgestattet und mit drei zart und duftig ausgeführten Lichtdruckbildern geziert; es dürfte den damit Bedachten eine willkommene Gabe sein.

²◻ Die reich illustrirte Ausgabe des „König von Sion“ von Robert Hamerling, welche von der Verlagsanstalt und Druckerei Aktiengesellschaft (vormals J. F. Richter) in Hamburg besorgt wird und auf die wir schon öfter aufmerksam machten, nähert sich ihrem Ende und verspricht ein Prachtwerk ersten Ranges zu werden. Die beiden Künstler Adalbert von Roeßler und Hermann Dietrichs haben den schönsten Wetteifer entfaltet und die Hauptepisoden der groß⸗ artigen Wiedertäufer⸗Dichtung in einer Reihe theils bewegter, figuren⸗ reicher Scenen, theils phantasie⸗ und stimmungsvoller Architektur⸗ und Landschaftsbilder veranschaulicht. Aus den neuesten Heften seien besonders hervorgehoben: die vandalischen Scenen des Bildersturms, der roman⸗ tische mondumglänzte Popanzthurm, die phantastisch geschilderte Halle, an deren Ende in einer Nische Divara auf üppigem Ruhebette liegt, dann der prächtige Aufzug des Königs zu Pferde mit seinen Frauen und die Gesandtschaft der Weiber von Sion, welche gegen die Einführung der Vielweiberei protestiren. Die prägnant beziehungsreichen, mit Feinsinn und Geschmack komponirten großen Titelbilder zu den einzelnen Gesängen rühren wie die schwungvollen Initialen und Schlußvignetten von Dietrichs her. Dem „König von Sion“ dürfte in dieser vornehmen Ausstattung eine ebenso beifällige Aufnahme be⸗ schieden sein wie der im gleichen Verlage erschienenen Prachtausgabe des „Ahasver in Rom“ von Hamerling, zu dessen gewaltigsten dichterischen Schöpfungen die beiden Werke gehören.

Gesundheitswesen, Thierkrankheiten und Absperrungs⸗ Maßregeln. 8 Ibversicht über die Verbreitung der Maul⸗ und Klauenseuche

in Preußen zu Ende des Monats November 1890.

Die Seuche herrscht in

Gemeinde⸗ (Guts⸗) Bezirken.

Kreisen. V

Königsberg . . Danzig. 3 Marienwerder. Potsdam. Frankfurt a. O. Posen Bromberg.

Breslau.

Liegnitz

Oppeln.

Magdeburg

Merseburg

Erfurt

Hannover

Hildesheim

Münster.

Kassel .

Wiesbaden

Koblenz

17-J

Trier .. 1 Aachen .. öö Sigmaringen . . . u“

. . .

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Co.nnenSe

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zusammen . 101 Am Schlusse des Monats Oktober 189. waren vesenh 100 318 Berlin sowie die Regierungsbezirke Gumbinnen, Stettin, Köslin, Stralsund, Schleswig, Lüneburg, Stade, Osnabrüͤck. Aurich, Minden, Arnsberg und Düsseldorf sind im November von der Maul⸗ und Klauenseuche verschont geblieben.

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8 Oesterreich⸗Ungarn. 6“ .

Durch Verfügung der K. und K. Seehehörde zu Triest ist die gegen Herkünfte von der sprischen Küste bestehende Quarvantäne auf die ganze Nordküste von Mersina bis einschließlich Alaia ausgededat worden.

Egypten. Der internationale Gesundbeitsrath zu Alexandrien dat zm 18. November 1890 beschlossen, die gegen die sprische Küste destedenden Cholera⸗Quarantäne⸗Maßregeln bies einschließlich Salefke auszuded und die Ankünste von der Küste zwischen Belrut und Jaffa einer ärztlichen Besichtigung zu unterwerfen.

Cypern. Gegen Ankünfte ven der karamanischen und serischen KAde zwischen den Haͤfen Adalia und Beirut, sedech mit Ausschluß den

Letzteren, ist OQuarantäne angeordnet werden.

L2 Griechenland.

Ueber alle aus syrischen und kleinasiatischen Häfen zwischen Beirut und Mersina ankommenden Schiffe, welche seit dem 18. November d. J. unterwegs sind, ist Quarantäne verhängt. Letztere ist auf Delos abzuhalten.

Italien.

Durch Verordnung des Königlich italienischen Ministeriums des Innern vom 24. November 1890 ist, nachdem die Cholera in Massovah und Umgegend erloschen, die Verordnung vom 18. Sep⸗ tember 1890 („R.⸗A.“ Nr. 238 vom 3. Oktober d. J.), aufgehoben worden, sodaß Schiffe, welche aus Massovah in itallenischen Häfen ankommen, vom Tage der Verordnung ab zum freien Verkehr u⸗ gelassen werden. 8

Der Gesundheitsstand in Berlin blieb während der Woche vom 23. bis 29. November ein günstiger und auch die Sterblich⸗ keit eine kleine (von je 1000 Einwohnern starben, aufs Jahr berechnet, 18,0). Erheblich seltener als in der Vorwoche kamen akute Entzün⸗ dungen der Athmungsorgane zum Vorschein und endeten auch in selteneren Fällen tödtlich. Desgleichen haben akute Darmkrankheiten weniger Erkrankungen und Sterbefälle als in den Vorwochen hervorgerufen, so daß auch die Theilnahme des Säuglingsalters an der Sterblichkeit eine kleinere als in den vorhergegangenen Wochen war; von je 8

10 000 Lebenden starben, aufs Jahr berechnet, 53 Säuglinge. Das

Vorkommen der Infektionskrankheiten blieb meist ein beschränktes. Masern und Scharlach riefen nur eine mäßige Zahl von Erkrankungen hervor und zeigten sich in keinem Stadttheil in nennenswerther Zahl. Die Zahl der gemeldeten Erkrankungen an Unterleibstyphus betrug 522 Erkrankungen an Diphtherie, die am Häufigsten aus dem Strglauer Viertel, aus der Tempelhofer Vorstadt und aus Moabt. zur Anzeige kamen, haben gleichfalls gegen die Vorwoche abgenommen. Nur Erkrankungen an Kindbettfieber und an rosen.⸗ artigen Entzündungen des Zellgewebes der Paut kamen nicht felten in aͤrztliche Behandlung. Erkrankungen an Keuchhusten haben abge⸗ nommen, die Zahl der Sterbefälle sank auf 6. Etwas häuffger als in der Vorwoche kamen Erkrankungen an rheumatischen Beschwerden aller Art zum Vorschein b

((LF) Kopenhagen, 7. Dezember. Unter den Pferden des usaren⸗Regiments und der Artillerie ist die Influenza in ziemlich edeutendem Grade aufgetreten; eine Escadron des Husaren⸗Regiments hat die Reitübungen ganz einstellen müssen. In dem Dorfe Kildebrönde ist ein neuer Fall von milzbrandartiger Rose unter den Schweinen konstatirt worden. 1

Handel und Gewerbe.

Tägliche Wagengestellung für Kohlen und Koks an der Ruhr und in Oberschlesien. .

An der Ruhr sind am 8. d. M. (kath. Feiertag) gestellt 3960, nicht rechtzeitig gestellt keine Wagen.

Berlin, 6. Dezember. (Wochenbericht für Stärkte, Stärke fabrikate und Hülsenfrüchte von Max Sabersky.) Ia. Kartoffelmehl 23 24 ℳ, Ia. Kartoffelstärke 22 ½ 24 ℳ, IIa. Kartoffelmehl⸗ und Stärke 21 22 ¾ ℳ, feuchte Kartoffel⸗ stärke loco und Parität Berlin 12,80 ℳ, Fabriken bei Frank⸗ furt a. O. zahlen frei Fabrik 12,50 ℳ, gelber Syrup 26— 27 ℳ, Capillair⸗Export 28 29 ℳ, Capillair Syrup 27 ½ 28 ℳ, Kartoffelzucker Capillair 27 ½ 28 ½ ℳ, do. gelber 26 27 ℳ, Rum⸗Couleur 35 36 ℳ, Bier⸗Couleur 35 36 ℳ, Dertrin, gelb und weiß, Ia. 32 33 ℳ, do. sekunda 28 29 ℳ, Weizenstärke (kleinst.) 39 40 ℳ, Weizenstärke (großst.) 42 ½ 43 ½ ℳ, Hallesche und Schlesische 42 ½ 43 ½ ℳ, Schabe⸗Stärke 35 36 Mais⸗ Stärke 30 31 ℳ, Reisstärke (Strahlen) 45 ½ 47 ℳ, do. (Stücken) 43 44 ℳ, Victoria⸗Erbsen 20 24 ℳ, Kocherbsen 16 21 ℳ, grüne Erbsen 19 22 ℳ, Futtererbsen 14 ½ —15 ℳ, Leinsaat 21 23 ℳ, Linsen, große 32 44, do. mittel 20 32, do. kleine 14 20 ℳ, gelb. Senf 20 26 ℳ, Kümmel 36 40 ℳ, Buchweizen 15 16 ℳ, Mais loco 14 14 ½ ℳ, Pferdebohnen 14 15 ℳ, inländische weiße Bohnen 21 23 ℳ, breite Flachbohnen 22 26 ℳ, ungarische Bosnen 18— 21 ℳ, galizische und russische Bohnen 17 20 ℳ, Wicken 14 15 ℳ, Hanfkörner 18 20 ℳ, Leinkuchen 16 17 ℳ, Weizenschale 10 10 ½ ℳ, Roggenkleie 9 ½ 11 ℳ, Rapskuchen 13 ½ 14 ½ ℳ, is 68 76 ℳ, do. blauer 50 56 ℳ, Hirse, weiße 20 23 100 kg ab Bahn bei Partien von mindestens 10 000

Berlin, 7. Dezember. (Wollbericht d. Ctrtl. f. d. 1 Ind.) Das Geschäft der letzten acht Tage war durch die Anmesenheit

2 einiger größerer Käufer etwas belebter. Der dringende Bedarf ciner⸗

seits und andererseits die richtige Voraussetzung, daß der Rückgang der Preise für die Kolonialwollen die Eigner dentscher Wollen ver⸗ anlassen werde, ihre Forderungen zu ermäsigen, bemog eine Anzahl Fabrikanten der Lausitz und aus Sachsen, dem hiesigen Plase erbhr Aufmerksamkeit zuzuwenden. Dieselben erwarden ca. 1000 aller Gattungen und fanden überall groß Seiten der Verkäufer, da diese gern di Vorräthe zu verkleinern. Tendenz, welche sich in de etablirt hat, hier seine Wirk

Das „G bebl on der Königlichen Ceutral gart, hat in der Nr. 49 des Neubearbeitung des von Mix u. Genest (D. 2 Ausstellungswesen. ( Tesam Beilage:

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