1890 / 297 p. 7 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 10 Dec 1890 18:00:01 GMT) scan diff

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Getreide angewiesen.

ärischen Stationen zu besetzen, um jede, dnung verhüͤten. die Anzeichen 1n. Verbesserung der wirthschaftlichen Verhältnisse in diesem Küstengebiete durchaus ümmerliche; selbst das Bischen Karawanenverkehr habe, wie das Weißbisch erzebe, in den letzten Menaten aufgehört. Von der Deutsch⸗Ostafrikanischen Gesell⸗ schaft und ihrer Wirksamkeit erfahre man sehr wenig. In dem einen Monatsbericht stehe, daß die Bestandtheile eines Hauses aus Europa angekommen seien; in dem nächsten heiße es, daß diese Bestandtheile dalägen, das Haus aber noch nicht errichtet sei. In dem letzten Be⸗ richte heiße es, daß jetzt das Haus in Tanga gebaut worden sei. Wozu es aber diene, habe er aus sämmtlichen Berichten nicht erseben können. Durch den Vertrag vom 20. November werde der Gesell⸗ schaft vom Reich aus den in Ost⸗Afrika ein Prä⸗ zipuum von 600 000 jährlich zugesichert; sie uͤbernehue dafür die Deckung der Entschädigung des Sultans von Sansihar. ader diese Kosten des Entschädigungskapitals betrügen noch nicht die 1vSeg dieser Summe. Erst die Zolleinnahmen über den Betrag von 600 000 hinaus könnten zur Deckung der militä⸗ rischen und Verwaltungskosten herangezogen werden. Er halte diesen Vererag materiell und formell für verkehrt. Wenn man vom Reichttage so hobe Zuschüsse für Deutsch⸗Ost⸗Afrika verlange, hätie man mit dem Abschluß eines Vertrages, der die ganze Organisation dort festlege und dem Reichstage nur die Rechnung für die Durch⸗ führung dieses Plans zu honortren überlasse, nicht einseitig vorgehen sollen *Die Gesellschaft lege heute durch ein Konsortium eine An⸗ leibe auf, aber mit ihren eigenen Mitteln würde es sehr schlecht sein, wenn nicht die Regieruvng ihr gewissermaßen diese 600 000 ver⸗ f Formell juristisch liege eine Reichsgarantie nicht vor, eene. 88 8enn zu werden, WI ebe man hier die Mitwirkung des Reichstages umgangen Für bbent atondh richtig könne er daber dieses selbständige Vorgehen der Reichsregierung nicht erachten. An dem deutsch englischen Vertrage babe seine Partei Nichts auszusetzen. Sie habe es gern ecgesfet daß man der Periode des Flaggenhissens ein Ziel ge eht habe, aber es wolle ihr fast scheinen, als ob man die erstörung eines Theils der Zukunftsträume der Kolonialenthusiasten dadurch auszugleichen suche, daß man um so mehr nach der anderen Seite das Reich in den ihm verbliebenen Kolonien enga⸗ aire und sogar die bisher innegehaltene Grenze überschreite. Bei den Finnahmen habe der Schatzsekretär richtig hervorgehoben, daß die ge⸗ steigerten Ueberweisungen mehr als ausgereicht hatten, um die Nach⸗ forderungen und die dadurch erhöhten Matrikularbeiträge zu decken. In Wahrbeit sei es um die Reichsfinanzen noch weit günstiger bestellt, As die mitgetbeilten Ziffern erkennen ließen. Es sei das nicht das Verdienst der Verwaltung, nicht ein Zeichen größerer Wohlhabenheit der Berölkerung, sondern einfach die Konsequenz der großen Bewilli⸗ gungen an neuen Steuern, welche 1887 im Voraus erfolgt seien, weit über das damals selbst Seitens der Mehrheit anerkannte Geldbedürfniß hinans. Die neuen Steuer⸗ und Zollgesetze zögen jetzt nach Ueber⸗ windung der Uebergangsperiode ihre vollen Konsequenzen. Wenn man die Einnahmen überall richtig schätze, so werde das Verhältniß zu den Einzelstaaten noch um weit über 30 Millionen günstiger. Wern man die Einnabmen aus den Zöllen richtig stelle, so sei man in der Lage, diejenige Zollpolitik zu treiben, welche seine Partei für die einzig richtige halte, indem sie die Getreidezölle ermäßigen und die Vieh⸗ und Fleischzölle aufheben wolle, und zwar sofort. Man würde das können, ohne neue Deckungsmittel aufzunehmen. Das im Jahre 1887 erlassene Zuckersteuergesetz, dessen dauernde finanzielle Konsequenzen erst 1888,89 hervorgetreten seien, ergebe ein Deßizit für das Reich von 20 Millionen. In Folge der Nachwirkung des neuen Zuckersteuergesetzes werde sich der regelmäßige Etat um 22 Millionen verbessern, um 20 Millionen, weil man kein Defizit zu decken habe, und um 2 ½ Millionen, weil ein solcher Ueberschuß schon für die jetzt abgelaufene Zeit an die Stelle trete. Der neue Etat bessere sich in Folge der neuen Zuckersteuer noch um etwa 10 Millionen, welche in diesem Jahre sich aus den neuen Verbrauchs⸗ abgaben ergäben. Dazu kämen noch die Zolleinnahmen des Jahres 1889/90. Im vorigen Jahre habe der Herr Schatzsekretär bestritten, daß die Zolleinnahmen von 1889/90 sehr erhebliche seien. Er (der Herr Staatssekretär des Reichs⸗Schatzamts) habe gemeint, das zweite Semester jenes Jahres würde den Ertrag des ersten Semesters von 158 Millionen nicht erreichen. Aber ganz umgekehrt habe das zweite Semester sogar 192 Millionen ergeben, sodaß man an Zoll⸗ einnahmen für 1889/80 ein Plus von 74 Millionen habe, welches um ebenso viel die Ueberschüsse der einzelnen Staaten er⸗ höhe. Daher seien in Preußen die Ueberweisungen an die Kommunalverbände aus der lex Huene auf 47 Millionen gestiegen, während Preußen trotzdem für 1889/90 mit einem Ueberschuß von 102 Millionen abgeschlossen habe, sodaß es möglich gewesen sei, das gesammte Milliardenkapital der Eisenbahnen um 3 ½ % zu tilgen.

Die Summe von 66 Millionen Mehrüberweisungen an die Einzel⸗

staaten, welche der Staautssekretär des Reichs⸗Schatzamts erwähnt habe, habe im Hause scheinbar keinen Eindruck gemacht. Diese Summe bleibe aber hinter der Wirklichkeit noch weit zurück. Nach den Ergebnissen der ersten sieben Monate des laufenden Jahres sei eine Zolleinnahme von 373 Millionen zu erwarten. Elatisirt sei diese Einnahme mit 285 Millionen, sodaß ein Plus von 88 Millionen sich ergebe. Der Staatssekretär des Reichs Schatzamts rechne für die fünf Monate einen hinter den fünf Monaten des

Vorjahres um zwanzig Millionen zurückbleibenden Betrag, und

dabei komme er auf die 66 Millionen, während nach seiner (des Redners) Rechnung im Ganzen 100 Millionen vom Reiche an die Einzelstaaten mehr vertheilt würden. Die Matrikularbeiträge seien in diesem Sommer um 37 Millionen erhöht worden. Während in diesem Jahre die Zolleinnahmen 352 Millionen betragen hätten, während jetzt schon in diesem Jahre 21 Millionen binzugekommen seien, seien in dem vorliegenden Etat die Zolleinnahmen auf 314 Millionen geschätzt. Das bleibe aber noch hinter der Wirklichkeit zurück. Wenn man nun wisse, daß 10 % unserer Bevölkerung sich von ausländischem Getreide ernähre, so sei unser ganzer Zuwachs an Bevölkerung auf das ausländische Die natürliche Volksvermehrung werde also eine Erhöhung des Ertrages der Getreidezölle bewirken. Dasselbe gelte auch von der Tabacksteuer und dem Zoll auf Petroleum. Der Zuwachs der Berölkerung müsse also bei der Veranschlagung mit berücksichtigt werden, was bis jetzt nicht geschehe, während man den Zollanschluß Hamburgs ein einmal vorgekommenes Ereigniß, in Rechnung gezogen habe. Eine geordnete Finanzlage müsse durch Richtigstellung der Einnahmen und durch eine mäßige Abschätzung der Ausgaben berbeigeführt werden, es werde dann möglich sein, die Einzelstaaten im Verhältnisse zum Reiche viel besser zu stellen, als es in diesem Etat vorgesehen sei, mon werde donn eine andere Zoll⸗ politik berbeiführen können. Er halte es auch für die nächsten Jahre gar nicht für nothwendig, dem Reiche neue Einnahmen zuzuführen. Bei einem Etat von 1 120 000 000 genüge schon die natürliche Steigerung der rorhandenen Einnahmegnellen zur Deckung der Ausgaben. Man habe nicht die mindeste Veranlassung, jetzt neue Steuern für spätere Jabre, wie es verlangt sei, zu kewilligen zur Deckung von Ausgaben, die sich in späteren Jahren vielleicht ergüäben. Man müsse Eimabmen und Ausgaben gegenüberstellen und erwägen, ob es nüt⸗ licher sei, Ausgaben zu machen, oder eine neue Einnahme zu be⸗ schließen. Dem neuen Zuckersteuergesetz ständen seine Freunde so gegenüber, baß sie vie Mat⸗ria steuer gan aufgehoben wissen wollten, ebenso die 252N— Ein⸗ Aufbebung der Materialsteuer werde keinen Ausfall berbeiführen. Die Materialsteuer steigere die Einnahmen um 8 Millionen. Wenn durch Aufbebung dieser Steuer der Zucker, wie die Regierung annebme, um 10 pro Centner billiger würde, so were in Folge deßen der Konsum zunehmen, und es werbe an Vecbrauchesteuern so viel mehr herauskommen, daß der Ausfall der acht Millionen reichlich gedeckt werve. Nachdem seiner Zeit vie nethwendigen Lebenzmittel, wozu der Zucker auch gehöre, so vertheueit worden seien, sei es endlich an der Zeit, die Lebensmittel auf soiche Weise billiger zu machen, besonders wenn, wie in diesem Halle, der Stoatgtasse kein Ausfall vaburch erwachse. Pieser Zuckersteuer⸗Gesczertwurf gehe Larzauf hin, daß die Einnahmen

des Reichs im nächsten Jahre um 20 Millionen und von 1895 ab um mindestens 30 Millionen erhöht würden. Das gegenwärtige Spstem der Ausfuhrprämien gereiche nicht nur den Zuckerfabrikanten zum Vortheil, sondern auch den Engländern, die dadurch in die Lage gesetzt würden, billigeren Zucker essen zu können, weil der Zucker auf dem Weltmarkt dadurch billiger werde. Das Programm seiner Partei sei, die Materialsteuer abzuschaffen und die Ausfuhrprämiengz schon jetzt vollständig aufzuheben. Dadurch werde der inländische Konsum verbilligt werden und ein größerer Absatz herbeigeführt. Durch die sofortige Aufhebung der Ausfuhrprämien und die veeee. der Roh⸗ steuer würden die Zuckerfabrikanten in solide, geordnete T erhältnisse kommen, während sie jetzt in Hangen und Bangen angewiesen seien auf das, was die Majorität des Reichstages und jeweilige Minister über die Zölle und Ausfuhrprämien dächten. Aber diese Zuckerfabriken betrachteten die Gewährung der Ausfuhrprämien als ihr wohl⸗ erworbenes Recht, während es sich doch um ein himmelschreiendes Un⸗ recht handle, da 30 Millionen Mark für Zuckerprämien von den Steuerzahlern aufgebracht werden müßten, damit die Zuckerfabriken eine höhere Dividende geben könnten. Im Interesse der Zuckerfabriken würde es auch sein, wenn eine Uebergangszeit beschlossen würde. (Der Präsident ersucht den Redner, sich näher an den Etat zu halten.) Wenn man unn mehrere Jahre noch die Summe von 19 000 000 an Ausfuhrprämien gewährt, so werde die Folge davon sein, daß die Zuckerfabrikanten sich in dieser Uebergangszeit auf das Aeußerste für einen gesteigerten Export einrichten würden, während auf der andern Seite die andern Länder sich umsomehr bemühen würden, am Ende der Uebergangszeit eine Masse Zucker auf den Weltmarkt zu bringen. Am Ende der Ueber⸗ gangszeit wuͤrde eine große Krisis in der; uckerindustrie entstehen, während, wenn die Ausfuhrprämien sofort aufgehoben würden, die Zuckerindustrie auf dem Weltmarkt höhere Preise erzielen würde. Seine Partei begrüße die Verhandlungen, die jetzt mit Oesterreich⸗Ungarn begonnen hätten, mit Freude, aber nur in dem Sinne, daß sie die Anbahnung ähnlicher Verhandlungen auch mit den andern Nachbarstaaten erwarte, denn andernfalls würde man mit diesen in einen Zoll⸗ krieg gerathen und sie würden mit Repressalien kommen. üben und drüben müsse bei Tarifverhandlungen die Er⸗ enntniß vorhanden und leitend sein, daß es ch nicht bei jeder einzelnen Tarifermäßigung um ein Opfer handle, welches man dem anderen Staate bringe, und daß man nicht solche Opfer und Vortheile mathematisch gegen einander abwägen solle, sondern hüben und drüben müsse die Erkenntniß maßgebend sein, daß, indem man eine solche Zollermäßigung zugestehe, man nicht etwa nur dem Aus⸗ lande eine Konzession mache, sondern daß sie zunächst den inländischen Konsumenten zu Gute komme und den internationalen Waarenaus⸗ tausch erleichtere, der im gleichmäßigen Interesse Aller liege. Bei Beginn der Session am 6. Mai habe seine Partei beantragt, die Reichsregierung aufzufordern, zunächst die Getreidezölle auf den alten vor 1887 gültigen Satz zu ermäßigen und dann eine gänzliche Auf⸗ hebung gewisser Zölle mit der Zeit herbeizuführen. Was sie forderte, sei heute ein noch dringlicheres Gebot als damals. Die Roggenpreise seien seitdem um 15 gestiegen und hätten jetzt 180 überschritten, einen Se. von dem in den Verhandlungen von 1887 von konser⸗ vativen Rednern zugegeben worden sei, daß bei einem solchen Stande selbstverständlich eine Ermäßigung der habe. Und diese hohen Preise müßten gezahlt werden, obwohl für Preußen nach der amtlichen Statistik eine Mittelernte anzunehmen sei und dieselbe die vorjährige Ernte um 13 % übertreffe. Er⸗ schwerend geselle sich zu den erhöhten Kornpreisen ein Ausfall an der Kartoffelernte, dazu komme die Fleischtheuerung, die allerdings in jüngster Zeit etwas nachgelassen habe. Berlin habe mit einer Ver⸗ minderung des Fleischverbrauchs um 20 % zu rechnen, was gerade die ärmere Klasse treffe. Die Ermäßigung der Viehsperre, die erst in die jüngstvergangenen Tage falle, haͤtte viel früher erfolgen müssen, denn was der amtlichen Aufsicht heute möglich sei, das hätte sie auch vor Monaten schon leisten können und müssen. Weiter bestehe schon seit 1883 das Einfuhrverbot gegen amerikanischen Speck und Schmalz, welches vor sieben Jahren „auf Zeit“ erlassen worden sei. Eingeführt sei es nicht zum Schutz des armen Mannes gegen die amerikanische Trichine, sondern, gegen die ausdrückliche Erklärung der Deputation für das Me⸗ dizinalwesen, nur zu Gunsten derer, welche höhere Preise erzielen wollten zu Gunsten der Viehzucht des reichen Mannes. Also, was der Antrag seiner Partei vom 6. Mai ausspreche, seien heute erst recht dringende Forderungen. Die Steigerung der Löhne habe aufge⸗ hört, man höre vielmehr vielfach über Arbeitsmangel klagen, der Winter habe hart eingesetzt, die Kohlen seien theuer, und da solle man sich doppelt hüten, die Entbehrungen, die der Arme sich auflegen müsse, noch von Staatswegen zu steigern. Seine Partei sei entschlossen, allen unberechtigten Forderungen aus Arbeiterkreisen entgegenzutreten, ihnen gegenüber die bestehende Gesellschaftsordnung aufrecht zu halten; um so größer werde aber dann ihre Verpflichtung, auch die Ver⸗ theuerungspolitik zu bekämpfen, welche die wirthschaftlich Schwachen bedrücke. Je entschiedener der Bruch mit der Bismarck'’schen Wirth⸗ schaftspolitik sei und je schneller die Rückkehr zu der alten bis 1879 befolgten Wirthschaftspolitik erfolge, um so segensreicher werde es sein für Volk und Vaterland. (Lebhafter Beifall links.)

Reichskanzler von Caprivi:

Es ist heute nicht meine Absicht, dem Herrn Vorredner auf das Gebiet der Kolonialpolitik zu folgen, indem ich von der Voraussetzung ausgehe, daß die dunklen Schatten, die er auf sein Bild geworfen hat, schon aus dem Hause selbst bei Fortsetzung der Debatte zum großen Theil werden entfernt werden. Es ist auch nicht meine Ab⸗ sicht, ihm auf das Gebiet der Zölle, die vielleicht dereinst geändert werden könnten, zu folgen; ich will mich auf die Bemerkung beschränken, daß das, was er heute sprach, einen ähnlichen Klang hatte, wie das, was ich wochenlang in der freisinnigen Presse gelesen habe, und ich kann mich auf die Versiche⸗ rung beschränken, daß derartige Expektorationen nicht geeignet sind, die Ver handlungen mit fremden Regierungen zu erleichtern. (Sehr wahr! rechts.) Auch in Bezug auf das Seuchengesetz nur ein einziges Wort. Diese Politik der Beschränkung, die wir vom Fürsten Bis⸗ marck übernommen haben, und die den Zweck hat, krankes fremdes Vieh auszusperren, schildert der Abg. Richter als eine schlechte und begrüßt mit Freuden den gewissen Nachlaß, der darin eingetreten ist. Ich weiß nicht, ob er den Moment günstig gewählt, ob er das Telegramm gelesen hat, welches gestern von Beuthen kam, daß von 107 eingeführten russischen Schweinen 30 krank gewesen sind. (Hört! Hört! rechts. Zuruf links.)

Was mich veranlaßt, jetzt das Wort zu nehmen, sind die Aeußerungen, die der Abg. Richter über das Alters⸗ und Invaliditäts⸗ gesetz und dessen Einführung zum 1. Januar gemacht hat. Ich will mich darüber jetzt äußern, da ich glaube, daß das eine Spezialität des verehrten Herrn Abgeordneten ist, und es mir zweifelhaft scheint, ob von anderer Seite auf dies Thema im Laufe der Generalbebatte zurückgekommen werden wird. Der Herr Abgeorbnete bemängelt den Beschluß der Regierungen, den 1. Januar als ven Termin zu fixiren, an dem das Gesetz zur Ausführung kommen soll. Er bemängelt aber zugleich das Gesetz selbst, er be⸗ zeichnet et als ein Gesetz, welches Unzufriedenheit in den weitesten Kreisen hervorbringen wird.

Was das Gesetz selbst angeht, so kann ich mich einer Kritik ent⸗ halten. Ich bin der entgegengesetzten Ansicht; ich glaube, daß das Gesetz noch manche Verbesserung wird erfahren können; ich halte et aber für den ersten Schritt auf einer glücklichen und segensvollen

Bosis, Ich glaube aber, ich brauche das hier nicht weiter auszu⸗

der Getreidepreise ganz Getreidezölle zu erfolgen

Klassengesetzgebung der

führen; denn wenn die verbündeten Regierungen und dies hohe Haus nicht derselben Ansicht gewesen wären, so würde dies Gesetz

nicht Gesetz geworden sein. (Sehr gut! rechts. Bewegung links.) Wir sind uns über die Schwierigkeiten, die mit der Einführung dieses Gesetzes verbunden sind, keinen Augenblick im Unklaren gewesen; wir waren namentlich darüber nicht im Zweifel, daß die höchsten An⸗ forderungen an die Beamten werden gestellt werden müssen. Wir sind aber davor nicht zurückgeschreckt; wir haben diese Anforderungen ge⸗ stellt, weil wir uns gesagt haben: das Gesetz ist ein segens reiches, auf das die Augen von Tausenden schon ge richtet sind, und wir wollen diese Wohlthat den Volke nicht einen Tag später zu Theil werden lassen, als eine absolut Nothwendigkeit vorliegt. (Bravo! rechts.)

Der Hr. Abg. Richter hat auf die Möglichkeit und Nothwendig⸗ keit einer Verbesserung der Lage der Militärinvaliden hingewiesen Die Militärverwaltung wird von seinen Worten gern Akt nehmen Ich wünschte aber, er hätte dasselbe warme Herz für die Invaliden der Arbeit, wie er es hier für die validen des Heeres gezeigt hat. (Sehr gut!

Dann würde er sich mit mir freuen, wenn der erste Arbeiter, der erste Invalide, der erste Alte nach dem Jahre 1870 eine Pension aus diesem Gesetz bezieht. (Sehr gut! rechts.)

Dann noch eine kurze Bemerkung. Es hat bei dem Hrn. Abg Richter gemunkelt von sehr bedeutenden weiteren Forderungen für das Militär. Es munkelte im vorigen Jahre auch so. Ich weiß nicht, wo er es her hat. Ich kann mich auf die Bemerkung beschränken, daß die Quellen, die er in dieser Beziehung gehabt haben muß, sehr schlechte waren; denn es ist mit einer solchen Vermehrung der Aus⸗ gaben für das Heer nichts! (Bravo! rechts und links.)

Abg. Bebel: Das Budget sei im Wesentlichen abhängig von der Richtung der ganzen wirthschaftlichen und politischen Zustände Er gehöre nicht zu den Vertheidigern des Invaliditätsgesetzes, und seine

Partei habe gegen das Gesetz gestimmt, nicht weil sie das Prinzip desselben für falsch halte, weil die Leistungen vee pr

den deutschen Arbeiter im Gegensatz ständen zu den Opfern, die es M

aufbringen müsse, sie müsse aber anerkennen, daß das Reich mit diesem Gesetz einen Weg betreten habe, den die moderne Entwicke lung nothwendig nehme. Allerdings sei das Invaliditäts⸗ gesetz nur ein erster Schritt, aber man werde weiter ge⸗ drängt werden. Die allgemeine wirthschaftliche Krisis, die ö wieder im Anzuge sei, werde gewiß eine Dauer und Härte annehmen, wie sie früher nicht dagewesen sei. Diese fort⸗ währenden Erschütterungen des wirthschaftlichen Organismus wiesen darauf hin, daß mit den gegenwärtigen Mitteln der Staat und die gesellschaftliche Ordnung nicht weiter zu erhalten seien. Wenn darauf hingewiesen sei, daß gegenwärtig die auswärtige Politik etwas langweilig geworden sei und daß kein trübendes Wölkchen am Himmel stehe, so sehe man trotzdem die fortgesetzten Ansprüche der Militär⸗ verwaltung und militärischen Rüstungen und Vorbereitungen zu dem späteren Kampf, der ungeahnte Dimensionen anzunehmen drohe. Während man im Verkehr, Gewerbewesen, Industrie, Handel und Wissenschaft zwischen den verschiedenen Nationen allmäblich ein freund schaftliches Verhältniß sich anbahnen sehe, erblicke man im politischen Leben eine Abschließung, einen Nationalitätenhaß, der die gegenseitigen Rüstungen ins Riesenhafte steigern müsse. Ohne tiefgehende Gegen sätze im sozialen und ökonomischen Leben bei allen Kulturvölkern seien

solche politischen Mißverhältnisse nicht möglich. Nur eine Gesellschaftsklass

gebe es, die in allen Ländern gemeinsam zum Frieden rufe, die Arbeiterklasse In dem Etat von 1887/88, als auch bereits die neue Heeresverstärkun eingetreten gewesen sei, hätten sich die Ausgaben für das Reichshee auf 359 Millionen Mark belaufen. 412 Millionen Mark; also ein Plus von 53 Millionen Mark. Ein ähnliche Steigerung zeige die Marine von 39 Millionen Mark im Jahre 1887/88 auf 43 Millionen Mark, und man sei noch lang nicht am Ziele. Der Pensionsfonds sei seit 1887/88 von 26 Millionen auf 41 Millionen Mark gewachsen. Naturgemäß müßten deshalb die Ausgaben für die Verzinsung in gleicher Weise wachsen; 1887/88: 21 Millionen Mark; heute: 53 ¾ Millionen Mark. Es wiese also diese vier verschiedenen Budgetposten innerhalb der letzten fünf Jahre eine Vermehrung der laufenden Ausgaben um 104 Millionen Mark auf. Die einmaligen Ausgaben hätten in den letzten fünf Jahren die Summe von 940 Millionen erreicht. Das be⸗ stehende Steuersystem laste nicht allein auf den Arbeitern sondern es gebe den 2 e Klassen auch materiell Vortheile. Die ganze teuergesetzgebung sei eben eine allerschärfsten Art, Vortheile für die Reichen, Lasten für die Armen. Unter den Haupteinnahmen be⸗ fänden sich 314 Millionen Mark Zölle, und auch diese Summe sei noch bedeutend zu niedrig veranschlagt. 1887/88 hätten sie nur 251 Millione Mark betragen. Welche Zustände durch die gegenwärtige Zollgesetz gebung ermöglicht worden seien, zeige ein Jahresbericht des Hörder Berg⸗ und Hüttenvereins. Das Werk habe von dem Absatz im Inlande einen Ueberschuß von 600 000 ℳ, der aber bis au

240 000 sich verflüchtigt habe, weil man nach dem Auslande mit

360 000 Schaden zu verkaufen für gut befunden habe. Die König⸗ liche Eisenbahndirektion Frankfurt a. M., zahle 145 für di Eisenbahnschienen, währtend Krupp an die rumänische Bahn fre

Galatz mit ungefähr 112 verkaufe. Die Zuckersteuer ermögliche,

daß den Fabrikanten bei der Ausfuhr 30 Millionen Mark mehr gezahlt würden, als sie an Steuer entrichteten. Selbst wenn de schon etwas gerechtere neue Gesetzentwurf zu Stande komme, werde jeder unserer 400 Zuckerfabriken noch immer jährlich eine Summe von 37 500 aus den Mitteln der Steuerzahler zu gezahlt werden. Die außerordentlichen Prämien in Folge der differenziellen Besteuerung der Branntwein⸗Brennereien beliefen sich auf 30 Millionen Mark. Der Ertrag der Salzsteuer sei nicht in dem Maße, wie es die Zunahme der Bevölkerung erheische, gewachsen. Der Grund dafür liege in einem Salz⸗ ringe, der wiederum nur den reichen Klassen auf Kosten de Armen zu Gute komme. Unter den steigenden Einnahmen der Zöll ständen in erster Linie die Getreidezölle. 1888 hätten sie nur 16 ½ Millionen, im letzten Jahre rund 100 Millionen gebracht. Der Herr Staatssckretär des Reichs⸗Schatzamts habe erwähnt, daß noch in den ersten vier Monaten dieses Jahres gegen den gleichen Zeitraum des Vorjahres ein Mehrertrag von vier Millionen zu ver zeichnen sei. Seine Partei habe sich bisher immer ablehnend gegen das Budget verhalten, denn sie könne nicht Ausgaben bewilligen, die auf eine so ungerechte Art aufgebracht seien. In Preußen werde jetz der Versuch gemacht, die reicheren Klassen durch ein neues Einkommen und Erbschaftssteuergesetz heranzuziehen, weil man auch innerhalb de Staatsregierung nicht mehr die bestehenden Ungerechtigkeiten zu leugnen vermöge. Seine Partei sehe eine dreiprozentige Einkommensteuer noch al durchaus ungenügend an. Da der Arbhbeiter an indirekten Steuerr 10, 12 ½, 15, ja bei einer zahlreichen Familie 20 % seines Einkommens zahlen müsse, sei eine Eirkommensteuer von 3 % kaum eine Anstands⸗ steuer. Die Kririk, die vas Erbschaftssteuergesetz im Abgeordneten⸗ haus erfahren habe, zeige uns aber, wie wenig man geneigt sei eine gerechtere Besteuerung der Reichen eintreten zu lassen. er Finanz Minister Dr. Miquel habe das Erbschaftssteuergesetz als ein Korrela für die Einkommensteuer betrachtet, weil allein durch eine Erbschafts Uher die richlige Bestenerung des Erblassers festgestellt werden öbnne. Die Ablehnung der Erbschaftssteuer werde zeigen, daß man von Seiten der heerschenden Klassen eine gerechtere Felnapunf nicht wünsche. Seine Partet werde zwar denjenigen Punkten des Etats, die Kulturinteressen förderten, zustimmen, aber den ganzen Etat, der im Grunde kultur⸗ und menschheitfeindlich sei, ablehnen. 8 Ein Vertagungsantrag wird angenommen. Schluß nach 4 Uhr

Diesmal fordere der Anschlag

8

H2 2

. 2

Zusammenstellung der pro Oktober⸗Termin 1890 durch die Provinzial⸗

Rentenbanken erzielten Resultate.

Am 1. Oktober 1890 sind an Renten übernommen:

Die Berechtigten haben dafür Abfindungen erhalten:

zu 2/⁄10 des Betrages der vooellen Rente

u“ (4 ½ /%) 3 zu Bezeichnung

von den Ver⸗ pflichteten

aus der Staatskasse

Summa

9/10 des Betrages der vollen Rente (4 ½ %)

b.

ämmtli e für die

Renten Privat⸗

rente

. lien, belche Die im von den

Renten⸗ Mai 97 20 mi em Ablösungs⸗ 8 L —2 Be⸗ 421 geloosten, rage der Kapitalien ente an die

sind ;. 8 77

1. Oktober eingezah

pro Oktober⸗ sind und wo⸗

Termin 1890 1890 2 Be⸗

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See. Abfindungen resp.

eingezahlt

baar S

(Kapital⸗

fälligen

Renten⸗ in Renten⸗“

langt haben,

betragen betragen

1. Königsberg. . 19 702, ö1öö11“] 218/90 ͤbb111“ 951— Magdeburg und zwar: I1 aus der Provinz Sachsen 692 80 1 8 Hannover „Münster und zwar: aus Westfalen und Rhein⸗ aus der Provinz Hessen⸗ Nassau Iveeö“ Stettin und zwar: aus der Provinz Pom⸗

. . . . .*

w166“ aus der Provinz Schleswig⸗ Holstein.

3 462,30 3 764 4 1 229 1 229 1 509 20 515 1 11570% 1115 70 423 22 5 369 —-— 5 792 ö“

445 445 500 4 299 5 370 20 700 20 700

15 300 22 155 29 670

V

75 675 82 275

44 100 44 100 10 950 11 100

24 660 24 660

309

8 1b 128 595

327 900 1 056 600 612 750%

508 39

449 490 222 % 5 509 44 % 21 133 33

15 395 55 %

29 689

25 800

314 625 223 475

83 645

44 209,11 11 53355

294 065 63

433 55 ½ 779 488/43

133 33 301 11 ½

24 793 33 % 29 400 69 y306 420

128 896 11 ½ 57 872 88 228 540 8 464 50

8 Summa 1 098 33 249 90 22 aus den früheren

Uebernahmeterminen . . . 1 347 204

32 528 19 270 902 62 618 106 29 1 310 554,4021 928 660 69 29 918 2207152 271 63

782 955 807 270 82 189 850

8 2 549,40 36 898] 20 24 315

8

mmgmuumgtt:ẽœnfff6;

2 201 377 17 ½484 391 227 17 8⁄½22 282 156/ 18135819870]26 944 083 50 b ab 5 553 58— von rückgängig gewor⸗ denen Ablöfungen.

Summa 1 348 303 Außerdem sind an Rente 8 übernommen und haben die Berechtigten dafür an Schuldverschreibungen er⸗ halten:

a. von der Paderborner Tilgungskasse.. b. von der Eichsfeldschen Tilgungskasse ..

19 304 152 [20 652 455

1 313 103/802 1 965 558 89 ½29 942 535]453 054 585148:

6 090 000 3 437 745

1 128 970

22 37[140700555[26 966 061/50

6 098 936704 1 015 D73 80 6 090 000 3 437 745 439 456,16]1 2 143 695

8 936 04

Ueberhaupt 1 348 303

09 ½/ 1 313 10380122 337 683 3129 942 53518453 054 5851492 524 865

2 217 337 887½24494 742 202 88 %25 235 601 131148994250]26 966 061 50

wWebeisisht über die von den Provinzial⸗Rentenbanken seit

ihrem Bestehen bis zum 1. Oktober 1890 aus⸗ gegebenen und ausgeloosten Rentenbriefe.

An Rentenbriefen sind bis zum 1. Oktober 1890

Mithin sind am 1. Oktober 1890 noch unverloost im Umlauf gewesen

8. 111“X“ 8 Bezeichnung der Provinzen

in 8

77 334 900 20 722 275

50 997 705 10 169 280 109 080 360 41 237 850 63 270 420 19 112 610 4 801 920 588 150

34 515 870 13 356 945 5 745 300 636 975 53 932 560 18 017 760 ommern . . . 41 407 875 10 433 640 Schleswig⸗Holstein 41 910 210 6 485 070

Zusammen 482 997 120 140 760 555.

56 612 625

40 828 425 67 842 510 44 157 810

4 213 770

21 158 925

5 108 325 35 914 800 30 974 235 35 425 140

342 236 565

Brandenburg .. Ost⸗ und West⸗ preußen . Schlesien. Sachsen. Hannover.. Westfalen und Rheinprovinz essen⸗Nassau. 1“

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Haus der Abgeordneten. 14. Sitzung vom 9. Dezember 1890.

Der Sitzung wohnen bei: der Minister der geistlichen ꝛc. Angelegenheiten Dr. von Goßler, der Minister des Innern serfurc der Finanz⸗Minister Dr. Miquel und der Minister ür Landwirthschaft ꝛc. von Heyden.

Auf der Tagesordnung steht die erste Berathung des Gesetzentwurfs, betreffend die Abänderung des Gesetzes vom 14. Mai 1885, betreffend die Ueber⸗ weisung von Beträgen, welche aus landwirth⸗ . Zöllen eingehen, an die Kommunal⸗ verbände (lex Huene).

Minister der geistlichen ꝛc. Goßler:

Meine Herren! Indem die Königliche Staatsregierung Ihnen⸗ das vorliegende Gesetz unterbreitet, ist sie vollkommen davon durch⸗ drungen, daß eine sogenannte populäre Maßregel Ihrer Berathung nicht unterbreitet wird. Aber diese Thatsache kann die Königliche Staatsregierung nicht abhalten, Maßregeln, die sie für richtig hält und für nützlich, Ihrer Berathung zu unterbreiten, und ich hoffe, es wird der weitere Verlauf der Berathungen einige Momente ergeben, welche Ihnen nicht allein den Standpunkt der Staatsvegierung ver⸗

Angelegenheiten Dr. von

stehbar erscheinen lassen, sondern wie wir hoffen, Sie veranlassen

werden, Ihre Kraft dem Sinne und der Absicht, welche der Gesetzes⸗ vorlage zu Grunde liegt, zu widmen.

Es handelt sich um eine Maßregel, welche ja zweifellos hervor⸗ gerufen ist und ihre Entstehung verdankt dem Gesetz über die Volks⸗ schule, aber andererseits eine Maßregel, welche völlig unab⸗ hängig auch von dem genannten Gesetz gedacht wird, und selbst wenn das Gesetz über die Volksschule in dieser Session nicht Gesetz werden sollte, so würde die Königliche Staatsregierung es doch für richtig halten, das vorliegende Gesetz zur Beschlußfassung und Verabschiedung zu bringen.

Ueber das Bedürfniß, meine Herren, welches hier befriedigt werden soll, das Bedürfniß des Volksschulbauwesens, brauche ich hier im Hausfe wohl nur wenig Worte zu verlieren. Jahrjährlich haben wir davon gesprochen, jahrjährlich sind berechtigte Klagen von allen Seiten nach dieser Richtung erhoben; Sie wissen Alle, meine Herren, daß die Staatsregierung früher keinen Schulbaufonds gehabt hat, und daß ein folcher erst vor einigen Jahren in Höhe von einer halben Million eingesetzt ist und daß er jetzt 800 000 beträgt. Sie wiffen außer⸗ dem, daß durch außerordentliche Bewilligungen einige Zuschüsse für diesen Zweck gegeben sind, einmal aus Anlaß der oberschlesischen Ueberschwemmungen, das andere Mal aus Anlaß der Maßregeln, welche zur Erhaltung des Deutschthums in den ehemals polnischen Landestheilen getroffen sind. Der Fonds für die letzteren Zwecke ist, wie ich das hier öfters ausgeführt habe. zwar an und für sich ein sehr segensreicher, insofern, als er das dort schwer darniederliegende Volksschulwesen fördert, hat aber eine unbequeme Beschränkung insofern, als nur deutsche Schulen aus diesem Fonds Unterstützungen erhalten können, und wenn ich auch, wie ich das oft hier ausgeführt habe, alle meine Dispositionsfonds, so weit es irgend geht, zu Gunsten von Posen und Westpreußen ver⸗ wende, so kann ich doch nicht leugnen, daß die polnischen Schulen im Wesentlichen jetzt gegen die deutschen zurückstehen.

Die Uebersichten, die schon wiederholt über die Bedürfnisse des Volksschulbauwesens gemacht sind, sind zum Theil in Ihren Händen; in allen Statistiken, die ich im Laufe der letzten zehn Jahre habe unterbreiten können, finden Sie darüber einschlagende Bestimmungen und auch die gegenwärtige Nachweisung, auf welcher das Gesetz beruht, welche aus dem Frühsommer dieses Jahres hervorgegangen ist, giebt Ihnen meines Erachtens ganz sichere Zahlen. Die Regierungen be⸗ richten, daß sie nur die nothwendigsten Fälle angeführt haben, und daß. wenn man noch tiefer in die Materie einsteigt, man zu noch größeren Bedürfnißzahlen gelangt. Die Zahl der Baunfälle, wie Sie aus den

Theilung von überfüllten Klassen, und nur in 180 Fällen ist es als nothwendig bezeichnet, im Interesse der Abkürzung der weiten Schul⸗ wege, die vorhandenen Schulbezirke zu theilen und neue Schulen ein⸗ zurichten. Sie sehen alfo, daß es sich mehr um Deckung von Schulden, als um Verbessernng des gegenwärtigen Zustandes handelt.

Wie in allen diesen Fällen, wird natürlich auch hier die Frage nicht ausbleiben: wie verhalten sich diese Ziffern in Beziehung auf die Kon⸗ fession? Auch diese Frage ist geprüft, und von diesen Ihnen vorgeführten 2178 Fällen betreffen katholische Schulen 955, evangelische 1052, paritätische 44, jüdische 1, die ostpreußischen Fälle sind leider nicht in Beziehung auf die Konfession gesondert; sie betragen 126. Aber Sie sehen jedenfalls, daß die katholischen Schulen nahezu dieselbe Ziffer erreichen, wie die evangelischen, während bekanntlich die katholischen Schulen zu den evangelischen sich verhalten wie 1 zu 2. Die Erklä⸗ rung ist sehr einfach, wenn man die Einzelheiten der Nachweisung ansieht und erkennt, daß namentlich die Provinzen Posen und West⸗ preußen, Regierungsbezirk Oppeln, diejenigen Landstriche enthalten, in denen das Volksschulbauwesen am meisten Noth leidet.

Bei einer früheren Gelegenheit, bei Berathung der Steuergesetze, ist hier in diesem hohen Hause der Auffassung Ausdruck ge⸗ geben, als ob die hier vorliegenden zweimal zehn Millionen wesentlich den Gutsbesitzeen zu Gute kommen follen, denn im Osten sind die Träger der Schulbaulast vielfach die Guts⸗ besitzer. Es hat dies damals großen Beifall erregt. der Bei⸗ fall ist richtig, alles Uebrige ist falsch. Nach der Nachweisung, welche vorliegt, ist die Frage nach dem Bedürfniß gar nicht zu beantworten an der Hand der Gutsbesitzer und Nichtguts⸗ besitzer, sondern einfach an der Hand der geschichtlichen Entwickelung und der Bedürfniss e. Wenn ich hier die Uebersicht ansehe über die Provinzen zwölf Provinzen ohne die Hohenzollernschen Lande so gestaltet sich die Reihenfolge in Bezug auf die Schulbaufälle und die dazu für erforderlich gehal tenen Kosten folgendermaßen: Es kommt Posen. Schlesien, Pommern, Westprenßen. Rheinprovinz, Westfalen. Also die beiden Westprovinzen, die sogenannten reichen Provinzen. welche immer auf Kosten des Ostens bluten sollen, sind bereits in der oberen Hälfte der bedürftigen Provinzen. Geht man auf die Schulbaulasten zurück, die erforderlich sind, so ist die Reihenfolge diese: Posen. Schlesien. Rheinprovinz. Westpreußen. Westfalen. Pommern; und geht man auf die nöthigen Beihülfen über. so erlangt man folgende Reihenfolge: Posen. Schlesien. West⸗ prenßen, Rheinprovinz, Pommern, Westfalen. Also nach allen drei

Gesichtspunkten finden Sie die beiden Westprovinzen in den ersten sechs Nummern der Provinzen. Nimmt man nun die Rheinprovinz, welche

Motiven ersehen, welche einer dringenden Abhülfe bedürftig sind, erreicht die Ziffer von 2178, und davon sind nicht etwa die Neuhauten die Mehrzahl, sondern umgekehrt. Die Zahl der einfachen Ersatz⸗ bauten heträgt 1443, die Zahl derer, welche nothwendig sind, um an Miethswohnungen definitive Einrichtungen zu setzen. heträgt 120, die Wiederherstellung von durch Elementarereignisse zu Grunde gegan⸗ gener Schulen beträgt 33; nur bei 402 Schulen handelt es sich um

ungefähr 1 300 000 für ihre Schulbauten in Anspruch nehmen würde, als Norm an und vergleicht damit die übrigen sechs Provinzen, so findet man, daß Brandenburg nur don der Summe der Rheinprovinz gebraucht, Ostpreußen nur ½, Sachsen nur ½, Schleswig⸗Holstein nun b. Sie sehen also daraus, daß mit diesem Stichwort, daß der Westen für den Osten Opfer bringen foll. hier nicht viel zu machen ist.

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