1890 / 297 p. 8 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 10 Dec 1890 18:00:01 GMT) scan diff

Geht man auf die einzelnen Regierungsbezirke über, so verschiebt

sich das Bild etwas, aber nicht in der Hauptsache. Es treten dort machtvoller hervor die Regierungsbezirke Posen, Bromberg, Orpeln, Marienwerder. Die Provinz Posen ist so stark mit ihrem Bedürf⸗ niß, daß, wenn man eine allgemeine Rechnung aufstellt, man sagen kann, sie beanspruche l aller Fälle, ½ aller Kosten und aller Beihülfen.2 Unmittelbar nach den genannten vier Regie⸗ rungsbezirken kommen sofort die Regierungsbezirke Kassel und Minden, und innerhalb der ersten Hälfte aller Regierungsbezirke erscheinen auch die Regierungsbezirke Trier, Koblenz und Arnsberg. Ich führe das nur an, damit Sie nicht etwa durch Nebengedanken sich von der Grundanschauung des Entwurfs Sver lassen. Es handelt sich um eine ganz obiektive Maßregel, we 8 überwiegend allerdings zur Geltung kommen wird in den ehemals polnischen Landestheilen und dem Regierungsbezirk Oppeln, darüber hinaus aber 9 ganze Monarchie gleichmäßig und sogar vielfach

des Westens. 8 Fünn.; man nun diesen großen Bedürfnissen gegenübersteht, so fragt sich natürlich, wie kann man Abbülfe schaffen. Es läßt sich nicht leugnen, daß der Staat durch seine Gesetzgebung außerordentlich beschränkt ist in der Möglichkeit, eine große Summe aufzuwenden, um das überall hervortretende Bedürfniß zu befriedigen. Die Herren erinnern sich alle, wie im Jahre 1885 die lex Huene hier entstand, wurde mit sehr warmen und eindringlichen Worten betont, daß die Kreise es ais ihre Pflicht anerkennen würden, aus ihren Ueberschüssen auch den Gemeinden in Bezug auf ihre Schulbaubedürfnisse entgegen Ich habe diese Hoffnung acceptirt; die zuständigen Minister haben durch Cirkularschreiben wiederholt dem Wunsche Aus⸗ druck gegeben, daß die Kreise sich verbunden erachten, nach der ange⸗ deuteten Richtung ihre Mittel zu verwenden. b

Ueber den Erfolg, meine Herren, karnn ich Ihnen in kurzen Worten Auskunft geben. In den Provinzen Ostpreußen, Westpreußen, Pommern, Brandenburg, Posen, Schlesien sind überhaupt Beträge für den angegebenen Zweck nicht verwendet worden (hört! links), überhaupt nur in vier Provinzen ist davon die Rede gewesen, und wenn man die Ziffern ansieht, so steht die Sache so: in den vier Jahren vom 1. April 1885 bis 1. April 1889 sind ungefähr 53 Millionen aus der lex Huene den Kreisen zugeflossen. Von dieser Summe sind für Schulzwecke, wenn man die weiteste Rechnung anstellt, vielleicht 200 000 verwendet, für Schulbauzwecke nur 50 000 ℳ, also kaum 1 pro Mille. Die Hoffnungen also, die an die Bereitwilligkeit der Kreise im Jahre 1885 geknüpft wurde, sind nicht in Erfüllung gegangen. Und doch, meine Herren, liegt es sehr nahe, daß bei der außerordentlichen Verschiedenheit der Ueberschüsse aus der lex Huene auf diese außerordentlichen Einnahmen außerordentliche Be⸗ dürfnisse abgewälzt werden mußten und daß die Kreise vielleicht noch mehr, als es geschehen ist, hätten vermeiden sollen, dauernde Ausgaben auf diese Antheile zu übernehmen. Nun liegt es ja sehr nahe, daß man sich vielleicht so die Entwickelung der Angelegenheit denkt, daß man ganz im Sinne der lex Huene einen ganz bestimmten Verwen⸗ dungszweck diesen landwirthschaftlichen Zoll⸗Ueberschüssen auferlegt, denn die lex Huene ist ja bekanntlich eine ganz provisorische, und es steht ausdrücklich in dem berühmten §. 4, daß der Verwendungszweck nur gelten soll bis zum Erlaß eines Spezialgesetzes. Es hätte also gar keine Bedenken, im Rahmen der alten lex Huene nun zu be⸗ stimmen, daß ein gewisser Prozentsatz, oder eine gewisse Summe, die über einen gewissen Betrag hinausgeht, zur Erleichterung der Schul⸗ lasten, der Schulbaulasten insonderheit verwendet werden solle.

Das wäre das Einfachste, und das würde vielleicht auch, wie Sie aus den Motiven sehen, von der Staatsregierung vorgeschlagen worden sein, wenn nicht eine ganz außerordentliche Differenz zwischen dem Bedürfniß und den Einnahmen aus der lex Huene vorläge. Wenn man die Regierungsbezirke als einzelne betrachtet, so verlangi beispielsweise der Regierungsbezirk Posen ungefähr das 22 ½ fache von dem, was er aus der lex Huene erhält, für seine Schulbaulasten, und der Regierungebezirk Bromberg noch annähernd das Doppelte von dem, was aus der lex Huene ihm zu Theil wird. Die anderen Provinzen haben bereits das Glück, daß sie aus der lex Huene mehr erhalten, als sie an Schulbaubedürfnissen liquidiren dürfen.

Also auf diesem Wege würde nach unserer Auffassung dem Uebel nicht gesteuert werden können, sondern der Gedanke, der zu Grunde liegt, ist der, ganz im Sinne der lex Huene gewisse Ueberschüsse der Finanzgebahrung zu verwenden nach Maßgabe des vorhandenen Be⸗ dürfnisses.

Ich will hier nicht auf die Erfahrungen eingehen, die mit der lex Huene gemacht sind es erzählen sich ja jett alle Zeitungen davon. Das kann man aber sicher, namentlich an der Hand meines Materials, aussprechen, daß die Differenzen zwischen der Finanzver⸗ waltung der einzelnen Kreise immer größer werden, und das kann sicherlich nicht im Interesse einer gesunden Entwickelung liegen.

Wenn auf der einen Seite die Kreise ordentlich nachdenken müssen, wie sie das Geld überhaupt noch verwenden, und auf der anderen Seite Kreise sind, welche nicht einmal ihre Passipzinsen abbürden können mit Hülfe der Ueberschüsse aus den lantwirthschaftlichen Zöllen, so darf man wohl sagen, es ist Aufmerksamkeit darauf zu richten, daß nicht durch immer weitere Zuführung größerer Suvmmen die Differenzen zwischen den einzelnen Theilen des Landes noch größer werden. Die Unterschiede zwischen den einzelnen Kreisen sind so ins Nuge fallend, daß, wenn Sie, wie wir das hoffen und wir sind dazu bereit, in der Kom⸗ mission in das Einzelne eingehen wollen, Sie dann sicherlich auf den Standpunkt der Königlichen Staatsregierung sich gern stellen werden. Das Vorgehen der Regierung im vorliegenden Fall ist um so klarer, meine Herren, wenn Sie sich vergegenwärtigen, wie die Entwickelung des Ueberschußwesens sich gestaltet hat.

Im ersten Jabre erhielten die Kreise nur 4 Millionen, im zweiten 6, im dritten 123,7, im vierten 29,5, zusammen ungefähr 53 Millionen, für das vorige Jahr sind bereits festgesetzt über 47 Millionen, Wenn Sie nun also annehmen, daß das vierte Jahr mit seinen 29 Millionen etwa das Normaljahr wäre, worauf bereits alle Kreise ihre Etatsverhältnisse geregelt hätten, so würkte sich daraus ergeben, vaß das fünfte Jahr schon ungefähr 19 Millionen mehr giebt, als sie

verwenden können. Und nach dem, was mir bekannt geworden, ist das laufende Jahr kaum niedriger zu veranschlagen als das vorige Jahr. Sie sehen, daß den reichen Kreisen immer reichere Mittel zugeführt werden, und die Gelder laufen immer Gefahr, in einer Weise ver⸗ wendet zu werden, die man zwar als eine nützliche bezeichnen kann, die aber doch den tiefen Bedürfnissen der Gemeinde auf vielen Ver⸗

zu kommen.

Der Gedanke ist also der, daß von dem Betrage, auf welchen verständige Kreise in ihrer Finanzverwaltung nicht haben rechnen können, eine gewisse Summe herausgenommen wird zu einer be⸗ stimmten Verwendung. Diese erfolgt nicht im Interesse des Fiskus, sondern einfach im Interesse der Gemeinde, nun aber nicht mehr nach Maßgabe der Leistungsfähigkeit. sondern umgekehrt nach dem Maß⸗ stabe des Bedürfnisses auf einem ganz bestimmten Gebiete.

Und wenn wir vorschlagen, das vorliegende und das nächste Jahr mit diesen Abstrichen zu versehen, so ist das auch klar. Denn einer⸗ seits sollen am 1. April 1892 alle die Gesetze in Kraft treten, mit deren Berathung Sie sich augenblicklich beschäftigen, namentlich soll am 1. April 1892 der Abstrich von 7 ½ Millionen eintreten, welcher in einem der Schlußparagraphen des Unterrichts⸗ gesetzes Ihnen vorgeschlagen ist. Ebenso können Sie bis zu diesem Zeitpunkt die Finanzverwaltung des Staats mit einiger Sicherheit übersehen, jedenfalls den Ertrag der landwirthschaftliche Zölle, weil bis zu dem Zeitpunkt alle die Unterlagen laufen, welche für die Höhenbemessung der Ueberschüsse aus den landwirthschaftlichen Zöllen als maßgebend zu erscheinen haben.

Sie werden daraus ersehen, daß nichts Ihnen zugemuthet wird, was als ein Opfer Seitens der Kreise zu betrachten wäre. Es soll vom Ueberschuß etwas abgenommen werden, und zwar zu Gunsten der Nothleidenden und Aermsten. Es wird von Ihnen, meine Herren, immer anerkannt werden, daß es Pflicht eines großen Staats ist, mit seinen Mitteln da einzutreten, wo die Noth am Größten ist. Und wenn das die Provinzen Posen und Westpreußen und der Bezirk Oppeln sind, und daneben einige Theile am Rhein, so werden Sie sicher mit uns anerkennen müssen, es ist eine zweckmäßige Maßregel, die wir Ihnen unterbreitet haben, und wir würden uns freuen, wenn in dieser oder einer anderen Gestalt die Vorlage Annahme findet.

Abg. Dr. Windthorst: Wenn man die lex Huene ganz auf⸗ hbebe, so werde dies im Lande große Unzufriedenheit erregen, denn die meisten Kreise hätten sich bereits an den Genuß der Einnahmen aus dem Gesetz gewöhnt. Die Kreise verwendeten dieselben aber vielleicht besser, als das Abgeordnetenhaus die Einnahmen des Staats. Auch für Schulbauzwecke sei bereits von den Gemeinden sehr viel geschehen. Früher hätten die einzelnen Kommunalverbände über das Maß der Bedürfnisse entschieden, jetzt solle ihnen durch die Willkür des Kultus⸗Ministers etwas zugemessen werden. Man wisse ja in Zukunft überhaupt noch nicht, wie groß einigermaßen die Ueberweisungen sein würden und befinde sich überhaupt jetzt in einer gewissen Krisis, und der gegenüber werde man festhalten müssen an dem Bestehenden. Die lex Huene habe segensreich gewirkt, und eine roße Anzahl von Kreisen sei dem Hause dankbar dafür. Deshalb foüe man die Verhandlungen über diesen Entwurf hinaus⸗ schieben bis zu der Zeit, wo man die ganze Lage der Zoll⸗ und Steuerpolitik besser übersehen könne. Am liebsten hätte er das ganze Gesetz einfach abgelehnt, aber er wolle sanftere Akkorde anschlagen und beantrage, das Gesetz an die Schulkommission zu überweisen. 1 3

Abg. von Meyer (Arnswalde): Er habe immer die lex Huene bekämpft, weil sie einmal die Finanzen des Staats ruinire, dann auch die Finanzen der Kreise, schließlich auch, was er bis vor einiger Zeit noch nicht sicher habe übersehen können, die Finanzen der Pro⸗ dinzen schädige. Dieses Letztere sei namentlich in Brandenburg geschehen, wo das Defizit fortwährend wachse. Was ihm bei der ganzen Vorlage nicht gefalle, sei, daß man nur für zwei Jahre den Kreisen einen großen Theil der Zuwendungen entziehe; warum thue man das nicht auf die Dauer? Es würde sich in der Kommission eine solche Erwägung empfehlen. Er würde aber nicht die Schulkommission, sondern eine andere Kommission empfehlen. 8 Abg. von Bülow (Wandsbeck): Er erkläre von vornherein, daß er hier nicht für seine Partei, sondern nur für einige seiner Parteifreunde spreche. Sie seien nicht der Meinung, daß die Ab⸗ schaffung der lex Huene, die wohl reformbedürftig sei, zur Zeit rath⸗ sam sei. Die Nachtheile derselben: die schwankenden Einnahmen und die verschiedenartigen Verwendungszwecke, ließen sich durch eine Novelle wohl abstellen, in welcher von den Gemeinden Rechenschaft über die Verwendung gefordert werde. Man könne die Ver⸗ wendungszwecke auf Schul⸗ und Wegebauten und auf die Armenunterstützung beschränken. Wenn die Beseitigung der lex Huene nöthig sei zur Ausführung des Volksschulgesetzes, so könne man ja das Zustandekommen des letzteren erst abwarten. Würden die Gelder jetzt ausschließlich zu Schulbauten bestimmt, so würden die Gemeinden schlecht wegkommen, welche schon jetzt für gute Schulbauten gesorgt hätten und die Zuwendungen nun nicht zu anderen Zwecken verwenden könnten, während bisher in Bezug auf Neubauten von Schulen säumige Gemeinden bevorzugt würden. Was zum Zu⸗ standekommen des Schulgesetzes nothwendig sei, würden seine Freunde bewilligen, vorläufig könnten sie der Vorlage in dieser Form aber

Finanz⸗Minister Dr. Miquel:

Meine Herren, ich glaube, wenn man eine richtige Ansicht über das Gesetz gewinnen will, dann muß man erst die Natur der Last, um welche es sich hier im vorliegenden Falle handelt, sich ganz klar vor Augen führen. Wie hat in Betreff der Konkurrenz bei Ueber⸗ nahme von Schullasten der Staat bisher verfahren? Alle die neueren Bestimmungen gehen von einem bestimmten Gesichtspunkt aus; sie sagen: die Schullast ist eine Zwangslast, die der Staat auf⸗ erlegt. Von allen Gemeinden ohne Ausnahme, mögen sie reich oder arm, leistungsfähig oder unfähig sein, fordert der Staat eine be⸗ stimmte Minimalleistung, er setzt ein Minimalgehalt der Lehrer fest, er will einen Minimalsatz der Pensionsbeträge für die Lehrer festsetzen, er stellt Minimalanforderungen in Bezug auf die Schulbauten und verlangt die Leistung dieser von ihm auferlegten Lasten von jeder Gemeinde.

In Folge dessen ergab sich von selbst, daß der Staat, wenn er die Gemeinden erleichtern wollte, nur nach Maßgabe der Minimal⸗ leistungen, die er selbst forderte, in prozentualen Sätzen einzuschreiten hatte. Meine Herren, wenn ein Schulhausneubau fuͤr eine Schule bestimmter Größe auf eine bestimmte Summe normirt wird, die unter allen Umständen für den Schulneubau in minimo aufzuwenden ist, so handelt der Staat rationell, wenn er nur zu dieser Minimal⸗ aufwendung Zuschüsse gewährt und den reicheren Städten, den reicheren Gemeinden es überläßt, mehr darüber hinaus aus ihren sonstigen Kräften zu prästiren. Wenn der Staat sagt, das Minimalgehalt eines Lehrers in der ganzen Monarchie soll beispielsweise 900 betragen, und der Staat schießt dazu die Hälfte zu, so leistet der Staat natürlich verhältnißmäßig für die⸗ jenigen Gemeinden, die wirklich ihren Lehrern nur 900 gewähren, mehr altz für diejenigen Gemeinden, die in der Lage sind, das Anfangs⸗ gehalt ihrer Elementarlehrer auf 1500 festzusetzen. Gewiß werden daburch also verhältnißmäßig die weniger leistungsfähigen, die weniger günstig ituirten Gemeinden vom Staat weniger unterstützt, als die besser situirten Aber das ist auch dem wahren Staatsprinzip ent⸗

sprechend.

wir haben die Thatsache vor uns, daß so gut wie kaum irgend nennenswerthe Beträge für diesen Zweck wirklich zur Verwendung gekommen sind. Wir haben es aber gerade mit einer Last zu thun, die diesen ebenbeschriebenen Charakter hat, die die Gemeinden tragen müssen, ob sie wollen oder nicht, die nicht Gegenstand der ein⸗ fachen Selbstverwaltung ist, der Diskretion wie ein Wegebau, den man unterlassen und ausführen kann, sondern mit einer Zwangs⸗ last, die der Staat allen Gemeinden auferlegt. Der Staat überweist auch nach der lex Huene schon für Schulzwecke diese betreffenden Mittel, er hat aber erlebt, daß für Schulzwecke diese Mittel nicht zur Verwendung gekommen sind. Da muß doch unmittelbar schon diese eine Seite der Sache auffordern, darüber nachzudenken, ob nicht eine Korrektur hier nothwendig ist. Nun aber auf der andern Seite. Als dies Gesetz gemacht wurde, waren die Kornzölle noch erheblich niedriger. In dem Jahre 1887/88 sind die Kornzölle bedeutend erhöht worden. In Folge dessen hat sich die ganze Grundlage des Gesetzes völlig verschoben, und ich möchte sagen, für uns, für Preußen, ohne daß wir dazu etwas gethan haben, durch Beschlüsse des Reichs.

Meine Herren, wenn Sie sehen, daß Preußen von den Korn⸗ und Viehzöllen im Jahre 1885/86 19 Millionen Mark ich will nur runde Summen nennen im Jahre 1886/87 21 Millionen, im Jahre 1887/88 28 700 000 ℳ, im Jahre 1888/89 44 Millionen und im Jahre 1889/90 62 Millionen bekommen hat, so ergiebt sich ja gleich, welchen Einfluß hier nicht passager, sondern dauernd die Reichs⸗ gesetzgebung ausübt. Freilich hängen diese Einnahmen in der Höhe, wie sie sich hier gestalten, auch wesentlich von unserer Ernte ab und von den Ernten der konkurrirenden Länder, aber das ist doch klar, daß hier die Reichsgesetzgebung durch die Erhöhung der Zölle ganz entschieden eingewirkt hat in einer Weise, wie das damals, als die lex Huene hier votirt wurde, gar nicht übersehen werden konnte.

Der Herr Kultus⸗Minister hat ja schon die Summen, die den Kreisen überwiesen sind, die in ganz unverhältnißmäßiger Weise ge⸗ stiegen sind, genannt, während das Reservat des Staats aus der lex Huene von 15 Millionen immer nur dasselbe geblieben ist. Ist es nun unter diesen Umständen nicht ganz natur⸗ gemäß, daß man nun sagt: hier sind durch besondere, gar nicht vorhergesehene Umstände, auf der einen Seite die Nichtleistung der Kreise für Schulen, die doch in Aussicht genommen war, auf der anderen Seite das erhebliche Steigen der Ueberweisungen durch Um⸗ stände, die damals gar nicht berücksichtigt wurden, Verhältnisse ein⸗ getreten, an die Niemand gedacht hat, und deshalb ist es rathsam, hier eine Korrektur der Bestimmungen, wenn nur für ein vorüber⸗ gehendes Verhältniß, eintreten zu lassen.

Nun sagt man, warum denn nur vorübergehendes? Warum nur für zwei Jahre, warum denn die Sache nicht gleich dauernd heilen und grundsätzlich! Nein, meine Herren, das hängt ganz einfach mit der Steuerreform zusammen. Wir wollen ja die Frage, wie dauernd diese Ueberweisungen sich gestalten sollen, ob man diese schwankenden, ungleich vertheilten und unsicheren Einnahmen verwandeln soll in eine Herstellung definitiver, finanzieller Grundlagen der Gemeinden durch Ueberweisung von Grund⸗ und Gebäudesteuer, nach der ersten Ver⸗

den Zeitpunkt dieser vorübergehenden Beschränkung der Ueberweisungen auf zwei Jahre festgesetzt, weil dann diese Frage definitiv zu entscheiden sein wird. Deswegen kann ich auch nicht ersehen, warum verschiedene Herren so ängstlich bei der Sache sind, und namentlich habe ich in dieser Beziehung die Aeußerung des Hrn. Abg. Dr. Windthorst nicht acceptiren können. Er fürchtet, und ebenso ein Redner von jener Seite (rechts), daß man hier den Gemeinden allmählich die Wohlthaten der lex Huene abgewöhnen wolle. Nichts liegt uns ferner. Der Hr. Abg. Dr. Windt⸗ horst geht davon aus, daß hier der erste Einbruch in das System der landwirthschaftlichen Schutzzölle gemacht werden soll. Meine Herren, dafür liegt nicht das Mindeste vor. Wir können hier ja auf die landwirthschaftlichen Schutzzölle überhaupt nicht einwirken. Hier handelt es sich allein um die Art der Verwendung der Mittel, die Preußen aus denselben zufließen. Und wir sind ja Alle darüber einig, wie man sich auch zeitweilig und in diesem Augenblick zur lex Huene stellt, daß diese Frage dauernd erst geregelt werden kann, wenn wir an die eben bezeichnete Frage der Ueber⸗ weisung der Grund⸗ und Gebäudesteuer kommen. Also alle diese Befürchtungen treffen gar nicht zu. Nun sagt einer der Herren Vor⸗ redner: für die Schulen haben unsere Gemeinden in meinem Kreise alles Mögliche geleistet, und jetzt kommt die Staatsregierung und will uns die Mittel beschränken, die wir sehr gut hätten für andere Zwecke gebrauchen können, um damit solche Gemeinden, die ihre Pflicht in Bezug auf die Schule vernachlässigt haben, zu unterstützen. Wenn diese Frage einfach so gestellt wird, dann würde allerdings das Vorgehen der Staatsregierung ein durchaus irrationelles sein. So liegen aber die Sachen nicht. Die Staatsregierung hat nicht die Absicht, solche Gemeinden zu unterstützen, die nichts leisteten für die Schulen oder nichts Genügendes, obwohl sie leistungsfähig waren, sondern nur solche Gemeinden zu unterstützen, die nichts leisten konnten, weil sie nicht leistungsfähig waren. In der Kommission wird Ihnen darüber ja ein ausführliches Material gegeben werden, und wenn Sie dieses Material vor sich haben, so werden Sie sich über⸗ zeugen, daß es sich um solche Fälle handelt. Das wird immer zu⸗ treffen, bei jeder Vereinigung von Verbänden, bei jeder Uebernahme von Lasten von dem kleineren auf den größeren Verband, der Ausgleichung wegen wird das immer zutreffen, daß da einzelne Verbände mit Rück⸗ sicht auf die Vergangenheit in Nachtheil gerathen. Ganz wird man das überhaupt niemals vermeiden können; aber hier liegt die Sache, glaube ich, am Allereinfachsten. Wir haben hier eine große Anzahl von Gemeinden, bei welchen das Bedürfniß nach Schulbauten ganz unbestreitbar ist, bei denen ferner unbestreitbar ist, daß die Gemeinden selbst nicht im Stande sind, die Kosten aufzubringen; bei welchen ferner vorliegt, daß die Kreise ihnen nicht helfen, bei welchen also der Staat eintreten muß. Daher ist es in diesem Falle gerecht, auch die Einnahmen beim Staate zu behalten, damit er sie in gerechter Weise nach Maßgabe der Leistungsfähigkeit vertheilen kann. Man hat nun Bedenken getragen, dem Herrn Kultus⸗Minister Garantien einen solchen großen Dispositionsfonds zu wobei ich doch bemerken will, daß bei der Verwendung der Finanz⸗Minister mitzuwirken haben würde. Aber können Sie in dieser Beziehung noch Garantien, die die Sache selbst nicht berühren, in der Kommission finden, so wird die Staatsregierung gar nicht abgeneigt sein, Ihre Vorschläge in dieser Richtung zu prüfen. Es kommt uns nur auf die Sache an;

ohne überliefern,

Meine Herren, nun haben wir hier sehr erhebliche Beträge

waltungsgebieten nicht volkommen gerecht wird.

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Inhalts des Gesetzes selbst auch zu Schulzwecken zu verwenden, und

wir wollen nur den leistungsunfähigen Gemeinden in der ihnen von

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anlagung der Einkommensteuer erst entscheiden, und darum haben wir 8

8 W auferlegten Zwangslast helfen. Wenn beispielsweise gesagt

ss, daß jedes Jahr über die Art der Verwendung dem Landtage Mit⸗

sein würde, so wird dagegen, wie ich glaube, nicht

u machen theilung Nur um Eins möchte ich Sie

das geringste Bedenken vorliegen.

bitten, nicht zu versuchen, die Verwendung dieser Beträge, wenn auch

in fixirter Weise, nach Maßgabe des in den einzelnen Kreisen vor⸗ handenen Bedürfnisses den Kreisen aufzuerlegen. Denn, meine Herren, damit nützen Sie der Sache gar nicht. Gerade diejenigen Kreise, in welchen die größten Bedürfnisse an Schulneubauten sind und wo die Gemeinden am Wenigsten leistungsfähig sind, sind auch meistens die sonst am Geringsten leistungsfähigen Kreise. Wollen Sie also eine Ausgleichung haben, so bleibt hier nicht Anderes übrig, als die Vertheilung dem Staate zu überlassen. Meine Herren, wir Aelteren, die die Verhandlungen über die Dotationen miterlebt haben, wissen ja Alle, daß die mechanische Vertheilung von bestimmten Summen an beliebige Verbände nach fest angenommenen Maßstäben, beispielsweise nach Land und Leuten oder nach dreiviertel Grund⸗ und Gebäudesteuer und der Bevölkerung, sehr ungleich gewirkt hat. Ich habe schon damals als Abgeordneter offen, obgleich ich aus dem Westen war, den Gedanken ausgesprochen, daß bei diesem Maßstabe der Osten am Schlechtesten wegkommen würde, weil die dem Staat zur Disposition stehenden Summen in größerem Maße nach Maßgabe des wirklichen Bedürfnisses und der mangelnden Leistungsfähigkeit ver⸗ theilt wurden, als dies nach solchen festen mechanischen Maßstäben möglich war. Diese Uebelstände haben sich hier nach meiner Meinung noch verdoppelt, und Sie werden auch in der Beziehung eine ganz vortreffliche Korrektur erreichen, wenn Sie das Gesetz im Wesent⸗ lichen, wie es hier vorgelegt ist, annehmen. Ich empfehle Ihnen asselbe dringend und bin überzeugt, daß jeder Landesvertreter sich immer gegenwärtig halten wird, daß er nicht bloß Pflichten gegen den engeren Verband hat, sondern auch gegen den gesammten Staat; man muß aber das lokale Interesse, welches ja sehr stark ist und bei uns Deutschen vor Allem, in vielen Fällen doch überwinden, dem man sich bewußt bleibt, daß man ein Glied des größeren Staatsganzen ist, und alle Provinzen, alle Kreise, alle Gemeinden ein Ganzes bilden. (Bravo!)

Abg. Rickert: Durch die Stellung für oder gegen dieses Gesetz sei in keiner Weise die Entscheidung über die lex Huene gefallen. Für das vorliegende Gesetz nehme ihn ein, daß nothwendig etwas Wesentliches für die Volksschulbauten geschehen müsse. Nur möchte er genauer wissen, wie man die 20 Millionen Mark später verwenden wolle. Er halte es für eine der folgenschwersten Thaten unserer Gesetzgebung, daß sie durch die lex Huene aus den Zöllen für die nothwendigsten Lebensmittel Summen an die Kreise überwiesen habe, die zum Theil in ganz verkehrter Weise verwendet worden seien. Wenn die armen Gemeinden des Ostens nach dem vorliegenden Gesetze besser wegkämen, als die reichen Industriebezirke des Westens, so sei das kein Unglück, denn der Osten habe in den großen Kriegen am Anfang des Jahrhunderts sich fast zu Tode geblutet, um die Existenz des Vaterlandes aufrecht zu erhalten. Man dürfe deshalb nicht jeden Pfennig, den der Osten mehr bekomme, aufrechnen. Nur würde er wünschen, daß nicht allein die Schulbureaukratie, sondern auch die Volksvertretung über das Bedürfniß von Schulbauten entscheiden könne. Deshalb wünsche er auch eine Nachweisung über die bisherige Verwendung der den

Kreisen überwiesenen Gelder. Das Gesetz an die Schulkommission zu überweisen, würde einem anständigen Begräbniß gleichkommen, denn es könne dann nur nach dem Volksschulgesetz hier zur Berathung kommen, dessen Zustandekommen ihm sehr problematisch scheine. Er wünsche aber lebhaft den vorliegenden Gesetzentwurf zum Gesetz er⸗ hoben zu sehen, weil derselbe die Mißstände der lex Huene zum Theil beseitige und den weniger leistungsfähigen Provinzen Mittel zu noth⸗ wendigen Schulbauten gebe. Er werde deshalb eine besondere Kom⸗ mission oder wenigstens die Budgetkommission vorschlagen.

Abg. Dr. Sattler: Wenn die Kommission einige Bedenken zerstreue, werde seine Partei der Vorlage nichts entgegensetzen. Eine Nach⸗ weisung, wie sich im Einzelnen die Bedürfnißfrage stelle, würde aber dem Hause gegeben werden müssen. Man nehme allen Kreisen einen Theil ihrer bisherigen Einnahmen und gebe nur einer kleinen Anzahl etwas zu Schulbauzwecken zurück.

Abg. Dr. Arendt: Viele Kreise hätten mit den Mitteln der lex Huene sehr Segensreiches geschaffen. Warum wolle man jetzt den Kreisen Mittel entziehen und sie den Gemeinden geben, die bisher uch für Schulzwecke hätten mehr aufwenden können? Für letztere

könnte man vielleicht besser auf dem Wege der Anleihe etwas thun.

Er werde aber trotzdem für das Gesetz stimmen, weil er den Zweck für einen heilsamen halte, obgleich er lieber die lex Huene nicht

ngetastet wissen wolle.

Abg. Graf zu Limburg⸗Stirum: Man müsse die Schulbauten

auf dem Lande durchaus nicht nach denen in den Städten beurtheilen, denn die Ansprüche der Eltern und Kinder auf dem Lande an die Schulräumlichkeiten seien viel niedriger. Man mache den Kreisen Vorwürfe über die Verwendung der Gelder, ohne daß man die ge⸗ ringsten Beläge dafür habe. Aber auch seine Partei erkenne an, daß später eine Reform des Gesetzes werde eintreten müssen. Gegen die

Vorlage nehme ihn ein, daß dadurch der ganzen Steuerreform in der Richtung fortwährender Ueberweisungen präjudizirt werde. Die Mehrzuwendungen nach der letzten Erhöhung der Getreidezölle könne man für diese Vorlage nicht ins Feld führen, denn die Erhöhung der Zölle sei an und für sich nothwendig gewesen. Die Beunruhigung im ganzen Lande sei Angesichts der sich erhaltenden Gerüchte über eine Herabsetzung der Zölle eine sehr große; denn die Landwirthschaft sei durchaus noch nicht aus ihrer schlechten Lage heraukzs.

Finanz⸗Minister Dr. Miquel:

Meine hochgeehrten Herren! Gestatten Sie mir, noch ein Wort zu erwidern auf die Bemerkung des Hrn. Grafen Limburg⸗Stirum in Bezug auf das Verhältniß des Gesetzes zur Frage der Steuerreform und deren konsequenten Durchführung. Der Herr Abgeordnete fürchtete, daß, wenn wir gegenwärtig die Ueberweisung an die Kreise vermindern, uns damit die Mittel fehlen würden, zu einer Ueberweisung der Grund⸗ und Gebäudesteuer unter Zuhülfenahme der hier fraglichen Mittel aus den landwirthschaftlichen Zöllen zu gelangen. Diese Befürchtung trifft ja aber offenbar nicht zu, weil wir hier nur ein Gesetz für zwei Jahre machen und nach Ablauf der zwei Jahre das ganze Gesetz mit dem Bedürfniß, welches es hervorgerufen hat, hinwegfällt, folglich in der Zeit, wo wir aller Wahrscheinlichkeit nach erst an die dauernde Regelung dieser ganzen Frage der Ueberweisungen an die Kommunen kommen können, das Gesetz gar nicht mehr in Kraft ist. Eine solche Befürchtung kann also, glaube ich, diesem Gesetz nicht entgegenstehen, und ich würde persönlich mich wahrscheinlich dem Gesetz nicht ange⸗ schlossen haben, wenn ich eine solche Befürchtung nur irgendwie hätte hegen müssen.

8 Wenn nun weiter Hr. Graf Limburg⸗Stirum gemeint hat, meine

uffassung, daß hier eigentlich nichts geschehe, was mit den ursprüng⸗

ichen Intentionen der sogenannten lex Huene in Widerspruch steht, sondern nur eine bloße Korrektur, die sich aus den inzwischen ver⸗ änderten Verhältnissen ergebe, vorliege, sei nicht zutreffend, weil dieses Gesetz prinzipaliter Erleichterung der Kreisausgaben und Wegebauten nur nebenbei und eventuell auch die Ausgaben für die Erleichterung

der Schullasten ins Auge faßt, und es sei nothwendig, vorher uachzuweisen, daß die Kreise in dieser Beziehung den Intentkonen des Gesetzes entsprechend nicht gehandelt haben, so will ich Ihnen ganz offen sagen, daß nach meiner Auffassung innerhalb dieses Gesetzes von 1885 gar nichts Anderes herauskommen konnte, als herausgekommen ist. Wer das Gesetz durch⸗ liest und die Kreisverwaltung und ihre Bedürfnisse und die Interessen kennt, die da maßgebend sind, müßte sich von vornherein sagen: aller Wahrscheinlichkeit nach werden die Verwendungen für Schulzwecke nur auf dem Papier stehen bleiben. Meine Herren, das liegt auch aus anderem Grunde in der Natur der Sache. Wie disponirt denn unsere Verfassung über Schullasten? Sie kennt in dieser Beziehung die Kreise nicht, sondern vertheilt die Schullast zwischen der Gemeinde, die prinzipaliter verpflichtet ist, und dem Staatsganzen, welches eventuell verpflichtet ist; natur⸗ gemäß gingen also die Kreisvertretungen bei den Verwendungen aus der lex Huene von dem Gedanken aus: wenn wir nichts thun für die Schulen, so wird der Staat schon eintreten. Das ist die immer stärker werdende Neigung, Alles dem großen Staatsganzen zuzuweisen. Das wäre auch vollkommen berechtigt, wenn nicht die Mittel, um die es sich hier handelt, vom Staate den Kreisen über⸗ wiesen würden. Hier handelt es sich nicht um Mittel, die aus der Steuerlast der Kreise hervorgehen, sondern um Zuwendungen aus dem Staatsganzen, und daher war hier die Forde⸗ rung des Staats, auch für die Schule solle etwas gethan werden, durchaus berechtigt. Nun wissen wir aber aus der Er⸗ fahrung, daß davon nichts eingetreten ist oder doch so gut wie gar nichts, und wir bleiben daher innerhalb der ursprünglichen Intentionen der lex Huene, wenn wir etwas nachhelfen und für kurze Zeit wenigstens, um ein überhandnehmendes Bedürfniß zu decken, die be⸗ treffenden Beiträge reserviren. Dazu komme! noch, daß diese Ueber⸗ weisungen über Erwarten groß geworden sind, und zwar in einem Maße, wie es Niemand damals denken konnte. So kann ich nicht zugeben, daß wir hier einen Einbruch in das System der lex Huene machen, daß wir etwas thun, aus dem Sie die Befürchtung her leiten könnten, daß man überhaupt mit den Ueberweisungen der lex Huene an die Kreise aufhören wollte. Wenn nun aber weiter darauf hin⸗ gewiesen wird, man solle doch einfach den Kreisen diese außerordent⸗ lichen Zuwendungen lassen und das Bedürfniß decken durch eine An⸗ leihe des Staates, so glaube ich doch nicht ich kann mich in dieser Beziehung auf die Herren von der Budgetkommission stützen —, daß, während wir in Preußen als die erste Grundlage unseres Finanz⸗ wesens festzuhalten gesucht haben, wenn wir nicht durch die Noth anders gezwungen wurden, die extraordinären Ausgaben aus den laufenden Mitteln zu decken, man sich bier wird entschließen können, einen solchen Antrag zu stellen, ein derartiges Bedürfniß, welches doch als ein im Wesentlichen nur aus der laufenden Ver⸗ waltung entstandenes anzuerkennen ist, durch eine Anleihe zu decken. Diejenigen Herren aber, die sich auf diesen Standpunkt nicht stellen, welcher ja noch weiter geht als die lex Huene, denn sie entbinden ja gegenüber dem Inhalte der lex Huene die Kreise dann von ihrer wenn auch nur sehr subsidiären Verpflichtung ganz, auch etwas für die Schullasten zu thun, ich sage, diejenigen Herren, die soweit nicht geben, die in dieser Beziehung die alte Finanztradition fest⸗

Vängesammelt werden und die Bürgerschaft ob ber hizrichneten Um⸗ stände nicht auf Seiten der Strikenden stehen würbe. ist von den des hiesigen Kohlenreviers ein Strilt ein völlig resultatloses Unternehmen bezeichnet. v In Recklinghausen fand am Montag eine vom bergmännischen Verein Glückauf einberufene Bergarbeiter⸗Wtsammlung statt, welche sehr stark besucht war und sich der köln. Volksztg.“ zufolge mit der Verschmelzung der beiden Verbände beschäftigte. Eine aus Mitgliedern beider Theile bestehende Kommission hat sich mit der Frage beschäftigt, und es hat sich herausgestellt, daß der Vereinigung vorläufig noch große Schwierigkeiten im Wege stehen. Der neue Verband will vor Allem die Beseitigung des jetzigen Central⸗Verbandes (des alten Verbandes) und statutarische Fest⸗ setzung, daß die Vorstandsmitglieder und Berollmächtigten sich inner⸗ halb und außerhalb des Verkandes jedweder politischen Agitation zu enthalten hätten; daneben müsse die Organisation eine neue, der jetzigen Lage mehr entsprechende sein. Der gegenwärtige bFarfivg edß alten Verbandes hat sich persönlich zu jedem Entgegenkommen heret erklärt. Darin war die Versammlung einig, daß die bisherigen Raꝛi⸗ bereien aufhören und beide Verbände schon jetzt in allen bergmänni⸗ schen Fragen Hand in Hand geben müßten. Die Versammlung erklärte sich damit einverstanden, daß eine am Sonnabend in Essen für diesen Zweck aus dem Vorstande des neuen Verhandes gewählte Kommission mit dem Vorstande des alten Verbandes Behufs Ver⸗ ständigung über die aufzustellenden Forderungen in Unterhandlung treten soll. Sämmtliche Forderungen sollen sich auf dem gesetzmäßigen Boden halten. Im Anschluß an diese Versammlung fand Abends eine gleichfalls gut besuchte Bergarbeiter⸗Versammlung in Bruch statt. Den Hauptgegenstand der Tagesordnung bildete wiederum die beab⸗ sichtigte Annäherung der beiden Verbände. Das Ergebaiß der sehr eingehenden Erörterung war, daß die Vertreter des christlich⸗patriotischen Verbandes sich bereit erklärten, event. sofort mit dem alten Verbande dem allgemeinen deutschen Bergarbeiter⸗Verbande beizutreten, wenn man hier wie dort jede sozialdemokratische Agitation ausschließe. Die nächste, vor dem 1. Januar stattfindende Vorstandswahl müsse darüber Klar⸗ heit schaffen; an den Wahlen werde man sich betheiligen. In allen Gebieten sollen unverzüglich Kommissionen gebildet werden. welche die Vorstände über die Lage der Belegschaften zu unterrichten haben. Ein sozialdemokratischer Wortführer, der sich den Wünschen des Vorsitzenden nicht fügen wollte, mußte den Saal verlassen. In Leipzig beschäftigte sich der „Lpz. Ztg.“ zufolge am Montag eine von etwa 200 Personen besuchte Versammlung der Litho⸗ graphen und Steindrucker mit dem für den 25., 26. und 27. Dezember einberufenen Kongreß der deutschen Litho⸗ graphen u. s. w. Ein Hr. Preuß aus Berlin erläuterte den Zweck dieses Kongresses und trat namentlich für die Gründung einer centralen Organisation ein. Die Kongreß⸗ tagesordnung wird als Hauptpunkte noch die Einrichtung eines Central⸗ Arbeitsnachweises, die Regelung des Lehrlingswesens und die Ver⸗ kürzung der Arbeitszeit aufweisen. Die Versammlung beschloß die Beschickung des Kongresses und wählte je einen Lithographen, Stein⸗ drucker und Kupferdrucker zu ihrer Vertretung. Hier in Berlin fand, wie die „Voff. Ztg.“ berichtet, am Montag eine zahlreich besuchte Volksversammlung statt, welche über die „Wahl eines Schiedsgerichts in Sachen der Frau Gubela“ berieth. Frau Gubela war seit mehreren Jahren die Vorsitzende des Allgemeinen Arheite⸗ rinnenvereins und nahm auch fonst eine unbestrittene Führerinnenstellung in der Arbeiterinnenbewegung ein. Ihr wird nun zum Vorwurf gemacht, „ihre Alleinherrschaft durch allerlei unlautere Mittel sich gesichert zu haben“. Es wurde ein aus fünf Frauen und vier Männern bestehendes Schiedsgericht gewählt. Das⸗ selbe hat den „Fall Gubela“ zu untersuchen und den Urtheilsspruch demnächst öffentlich zu verkünden. Wie aus Wien telegraphisch gemeldet wird, nahm der öster⸗ reichische Bergarbeitertag eine Resolution an, der zufolge der Strike, obwohl eine unentbehrliche Waffe, nur dann anzuwenden sei,

halten wollen, die aber das hier vorliegende Bedürfniß anerkennen, werden, wenn sie mir kein anderes Deckungsmittel zeigen können, als das hier vorgeschlagene, sich hoffentlich doch entschließen, auf den Boden dieses Gesetzes zu treten.

Abg. von Tiedemann (Labischin): Die Aeußerungen des Abg. Grafen zu Limburg⸗Stirum über die Getreidezölle werde gewiß jeder seiner (des Redners) Fraktionsgenossen gern unterschreiben, die Be⸗ denken über diese Vorlage theile er nicht im ganzen Umfange, denn die Kreise würden dadurch an ihrem Rechte in keiner Weise beschrränkt.

Die Diskussion wird geschlossen und die Vorlage an die Schulgesetzkommission verwiesen.

Es folgt die Berathung des Antrages des Abg. Schultz (Lupitz), betreffend die Errichtung einer Versuchs⸗ anstalt für Pflanzenschutz.

Abg. Schultz (Lupitz) begründet seinen Antrag zunächst durch Hinweis auf das häufige Vorkommen der Kartoffelkrankheit und der Reblauskrankheit, die einen großen Theil des Nationalvermögens ge⸗ fährdeten. Die Mittel für die Erforschung dieser und anderer Krank⸗ heiten durch die Landwirthschaftlichen Institute reichten nicht mehr aus. In Nordamerika bestehe eine ähnliche Anstalt, die bereits für die dortige Landwirthschaft die besten Erfolge aufweisen könne.

Nachdem noch Abg. Cremer (Teltow) den Antrag befürwortet hat, wird derselbe auf Antrag des Abg. Schultz (Lupitz) an die Agrarkommission verwiesen.

Damit ist die Tagesordnung erledigt.

Der Präsident von Koeller erbittet und erhält vom Hause die Ermächtigung, den Termin der nächsten Sitzung mit der Tagesordnung nach eigenem Belieben festzusetzen, da außer dem Antrag Conrad, betreffend Wildschadenersatz, kein weiteres Material für Plenarsitzungen vorliege und es nöthig sei, den Kommissionen nicht nur den Abend, sondern auch den ganzen Vormittag für ihre Sitzungen frei zu lassen.

Schluß nach 2 Uhr. Nächste Sitzung unbestimmt.

Statistik und Volkswirthschaft.

8. Vorläufige Volkszäblungsergebnisse.

Elberfeld 125 830 (gegen 106 499 in 1885).

Chemnitz 138 855.

Glauchau 23 500 (21 700).

Weimar 24 404 (21 565).

Mülhausen i E. 76 413 (69 670).

Colmar 29 649 (26 524). Zur Arbeiterhewegung.

Die „Dortm. Ztg.“ erhält eine Zuschrift aus Bergarbeiter⸗ kreisen, in der es heißt: In letzter Zeit wird das Publikum durch das Gerede von einem nahe bevorstehenden Bergarbeiterstrike in Aufregung versetzt. In dem hiesigen Kohlenreviere sind die An⸗ sichten der Bergarbeiter jedoch ganz andere, es sei denn, daß dieselben don einer anderen Seite noch nicht genügend „aufgeklärt“ seien. Wohl giedt es eine kleine Zahl von Bergarbeitern, welchen der Lohn noch lange nicht auskömmlich erscheint, wohl giebt es auf verschiedenen Zechen noch Uebelstände zu beseitigen, über welche man sich vor dem Mai⸗ Ausstande zu deschweren berechtigt fühlte, trotzdem denkt die Mehrzahl der hiefigen ordentlichen Arbeiter sohald nicht wieder an einen Bergmanns⸗Ausstand wie im Mai 1889. Daß durch einen Bergmanns „Ausstand auch eine Preissteigerung der Kohlen eintreten würde, liegt auf der Hand, und auch dieses wäre wiederum für die ganze Bevölkerung ein nicht erfreuliches Resultat, welches von jedem rechtschaffenen und ordnun sliebenden Bergmann erwogen wird und werden muß. Da nun dur

wenn die Lage des Markts und die eigene Stärke Erfolg versprächen und überhaupt kein anderes Mittel mehr helfe. Ferner wurde beschlossen. den nächstjährigen internationalen Bergarbeiter⸗Kongreß in Paris zu beschicken, und erklärt, der Bergarbeitertag stehe auf dem Stand⸗ punkte der internationalen sozialdemokratischen Partei. Die Delegirten wurden jedoch aufgefordert, im Falle von Maßrege⸗ lungen durch die Arbeitgeber unbedingt auf dem Boden des Gesetzes zu verharren und Ausschreitungen zu verhüten.

Aus Budapest berichtet die Wiener „Presse“: Die unga⸗ rische Arbeiterpartei hielt am 7. d. M. einen Parteitag ab. Derselbe nahm Resolutionen an gegen den eingebrachten Gesetz⸗ entwurf über die Arbeiter⸗Krankenversicherung, für den achtstündigen Arbeitstag, betrefzs des Verbots der Arbeit von Kin⸗ dern unter vierzehn Jahren, betreffs des Verbots der Nachtarbeit, ausgenommen dort, wo der Betrieh der Natur nach einen ununterbrochenen Geschäftsgang erfordert, endlich betreffs einer min⸗ destens 36 Stunden umfassenden Sonntagsrube.

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Kunst und Wissenschaft. Das Koch’sche Heilverfahren. Für Berlin ist mit Rücksicht auf die durch das Koch' Heilverfahren in eine neue Phase getretene Behandlung der Tuberkulose folgende Polizeiverordnung vom 8. Dezem⸗ ber erlassen worden: 4 Die Polizeiverordnung vom 7. Februar 1887, betreffend Desinfektion bei ansteckenden Krankheiten, wird durch folgende Be⸗ stimmungen ergänzt: §. 1a. Zu den im §. 1 genannten ansteckenden Krankheiten, welche unbedingt die vorschriftsmäßige Desinfektion erheischen. treten alle Erkrankungen und Sterbefälle an Lungen⸗, Kehlkopf⸗ und Darm⸗Tuberkulose hinzu, welche in dem öffentlichen Verkehr dienenden Aufenthaltseinrichtungen vorkommen. §. 1 b. Zu den Haushaltungs⸗Vorständen bezw. Stellvertretern (in Änstalten die Leiter, Verwalter, Hausväter ꝛc.), welche zur Desinfektion verpflichtet sind, gehören auch die Unternehmer von Privat⸗Krankenanstalten, sowier die Besitzer und Leiter aller dem öffentlichen Verkehr dienenden Aufenthaltscinrichtungen, wie: Gasthöte, Logirhäuser, Herbergen, Pensionate, Chamdregarntes, Schlafstellen und dergl. m. §. 1 c. Aerzte, welche an Lungen⸗- Kebhlkopf⸗ und Darm⸗ Tuberkulose Erkrankte in den vorbezeichneten Aufenthaltseinrich⸗ tungen ꝛ. behandeln oder aus denselben anderweitig übernehmen, sind verpflichtet, hiervon der Sanitätskommission binnen 24 Stunden auf den üblichen Meldekarten Anzeige zu machen. b In der morgen zur Ausgabe gelangenden Nummer der Deutschen Medizinischen Wochenschrif Santtäts Rats Dr. S. —2q —— erlin und Leipzig) erscheinen u. A. folgende Artikel: Aus dem Hygienischen Institut des Derrn Geheimen Raths Koch in Berlin. Weitere Mittheilungen über das Zustandekommen Diphtherie⸗Unempfänglichkeit, von Dr. Behring, Affistenten am Institut. Weitere Mittheilungen über die mit dem Kuch schen Heilmittel gewonnenen Ergehnisse. Aus der chirurgischen Aniversitätsklinik in Greifswald don Professor Dr. Helferich. Aus der Brehmer'schen Heilanstalt in Görhersdorf, von dem Direktor Dr. Wolff. Aus den allgemeinen Krankenhäusern in Hamburg, von den Hern. Kast. Schede. Arning. Maes. Thost. Eine zusammen⸗ sassende Revue üder veröffentlichte Erfahrungen der Hern. P. Guttmann, von Jolsch (Prag). Kahler (Wien), Cornil und Pean (Paris), Heron und Whatson Chevyne (London). Wie aus Paris gemeldet wird, haben sich die Mit der medizinischen ezmie in der gestrigen ebenso wie das konsultative hogienische Comnte für die Fortsetzung der Versuche mit scher Lymphe aus⸗

aus keine Fonds für etwaige ernste Zeiten disponibel sind und auch keine Herder

gesprochen, trotz deren Charakters als