1890 / 300 p. 6 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 13 Dec 1890 18:00:01 GMT) scan diff

a E1“ I1I1n“ 3 eld, 13. Dezember. Der Rheintrajekt Spyck⸗ Weile auf der Strecke Kleve —Zevenaar ist, laut Meldung des W. T. B.“, von heute ab wegen Eisganges gesperrt. Die Reisenden nach und von Holland müssen über Kleve Nymwegen oder rechtsrheinisch über Emmerich fahren. München, 12. Dezember. (W. T. B.) Die Rhönbergbahn

öffnet worden. ist gestern 1urg, 13. Dezember. (W. T. B) „Der Postdam pfer

dia“ der Hamburg⸗ neengesellscha t hat, von

izard passirt. 1 Linee don, 12. Dezember. (W. T. B.) Der U nion⸗Dampfer „Moor“ ist heute auf der Ausreise von Southampton ab⸗ gegangen.

New⸗York kommend, gestern Abend

Theater und Musik.

Königliche Theater.

In der Montagsvorstellung des „Oberon“ im Opernhause sind die Damen Pierson, Staudigl, Herzog, Rothauser und Weitz, die Hrrn. Krauß, Lieban und Oberhauser beschäftigt. Am Mittwoch geht nhäuser“ in der Pariser Einrichtung mit den Damen Sucher

„Tan 2. 1 3 828 Leisinger, den Hrrn. Sylva, Betz, Krolop und Mödlinger von

in Scene. Neuem Gpielplan der Oper für die Zeit vom 14. bis 20. De⸗

zember lautet: Sonntag: „Tannhäuser“. Montag: „Oberon“. Dienstag: 5. Sinfonie der Königlichen Kapelle. Mittwoch: „Tann⸗ häuser”“. Donnerstag: „Oberon“ Freitag: „Die Hochzeit des Figarg*. Sonnabend: „Tannhäuser“.

ür das Schauspiel: Sonntag: „Wilhelm Tell“. Montag: „Die QOuitzows“. Dienstag: „Eine neue Welt“. Mittwoch: „Die zärtlichen Verwandten“. Donnerstag: „Die Jäger“. Freitag: „Preciosa“’. Sonnabend: „Ein Schritt vom Wege’“.

Deutsches Theater.

Se. Königliche Hoheit der Prinz Alexander von Preußen be⸗ suchte am Freitag die Aufführung des Lustspiels „Die Kinder der

ellenz“.

Cn. Die erste Aufführung von „Maria Stuart“ findet am Don⸗ nerstag statt. Sonntag wurden „Die Kinder der Exzellenz“ und Montag „Das Wintermärchen“ gegeben. Das weitere Repertoire der Woche ist folgendermaßen festgestellt. Dienstag, Mittwoch und Freitag: „Die Kinder der Exzellenz“; Sonnabend: „Maria Stuart“; Sonntag: „Die Kinder der Exzellenz“.

Berliner Theater. 1

Ihre Königlichen Hoheiten der Kronprinz und die Kronprinzessin von Griechenland, Se. Hoheit der Erbprinz und Ihre Königliche Hoheit die Erbprinzessin von Sachsen⸗Meiningen, sowie Ihre König⸗ Uiche Hoheit die Prinzessin Margarethe von Preußen beehrten gestern, Freitag, das Berliner Theater mit ihrem Besuch und wohnten der Vorstellung des „Demetrius“ bis zum Schlusse bei.

Der Wochenspielplan bringt am Montag, Mittwoch, Sonnabend und Sonntag Abend Wiederholungen von Franz von Schönthan’s und Gustav Kadelburg's „Goldfische“, Dienstag und Donnerstag wird „Kean“ gegeben. Für die sechzehnte Abonnements⸗Vorstellung am Freitag ist Fulda's „Wilde Jagd“ bestimmt, die zum ersten Male in dieser Saison in Scene geht. Am Sonntag Nachmittag um 2 ½ Uhr findet eine Vorstellung von „Kabale und Liebe“ statt.

Lessing⸗Theater. 3 für die neue Woche ist wie folgt festgesetzt: Montag: „Der Traum, ein Leben“; Dienstag: „Heimgefunden“’; Mittwoch: „Sodoms Ende“; Don⸗ nerstag: „Die Augen der Liebe“; hierauf: „Der Vielgeliebte“; Freitag: „Sodoms Ende⸗; Sonnabend: „Der Traum, ein Leben“. Wallner⸗Theater. 1

Von „Pension Schöller“ findet morgen die letzte Sonntags⸗ Vorstellung statt.

Victoria⸗Theater.

In den letzten Tagen besuchten die Direktoren aller großen Bühnen Deutschlands, die zum „Genossenschaftstag Deutscher Bühnen⸗ angehöriger“ nach Berlin gekommen waren, das Ausstattungsstück „Die sieben Raben“’. Die Herren wurden nicht müde, ihrem Kollegen Direktor Litaschy ihre Bewunderung über die prachtvolle Inscenirung auszudrücken. 8 Friedrich⸗Wilhelmstädtisches Theater.

Morgen, Sonntag Abend, gelt die „Fledermaus“ wieder in Scene. Der „Bettelstudent“ erleidet deshalb eine Unterbrechung, weil Frl. Elise Schmidt, die humorreiche Gräfin Palmatica, von einem Unwohlsein betallen wurde; jedoch wird die Künstlerin bis zur Auf⸗ führung von Sullivan’'s „Gondoliere“ am Sonnabend voraussichtlich wieder ihre Thätigkeit aufnehmen können. Als dritte Sonntags⸗ Nachmittagsvorstellung gehen morgen wieder „D.e „Puppenfee“ und „Die Jagd“ in Scene, während Abends zur „Fledermaus“ die Weih⸗ nachts⸗Balletpantomime „Sonne und Erde“ gegeben wird.

Belle⸗Alliance⸗Theater.

Morgen geht als Abendvorstellung zum ersten Male: „Ein toller Einfall“, Posse in 4 Akten von Carl Laufs, in Scene. Als Nach⸗ mittags⸗Kindervorstellung findet eine Wiederholuns des Weihnachts⸗ märchens: „Aschenbrödel oder der gläferne Pantoffel“ mit Gesang

id Tanz in 6 Bildern von C. A. Görner statt. Adolph Ernst⸗Theater.

Am Montag findet die Jubiläums⸗Vorstellung der 100. Auf⸗ führung von „Unsere Don Juans“ statt. Wie bei den siebzehn früheren Jubiläums⸗Vorstellungen wird auch diesmal an die Besucher ein Fest⸗Souvenir, welches die beliebtesten Couplets der Gesangsposse sowie die Porträts der Darsteller des Adolph Ernst⸗Theaters enthält, zur Vertheilung gelangen.

Thomas⸗Theater.

Zu den Sonntags⸗Aufführungen des „Soldatenfreund ist der Andrang ein so großer, daß vorher bestellte Billets bis höchstens Sonntag Mittag um 1 ½ Uhr reservirt werden können. Da an den bisherigen Sonntagen die Abendkasse in Folge der vollständig aus⸗ verkauften Häuser bereits vm 6 ½ Uhr geschlossen werden mußte, so empfiehlt es sich morgen, wo der lustige Schwank wieder in Scene geht, die Billetlösung während der Vormittagsstunden zu erledigen.

Sing⸗Akademie.

Frl. Martha Siebold, eine jugendliche, sehr begabte Pianistin, gab gestern mit dem Philharmonischen Orchester und dem von Hrn. Prof. Scharwenka, ihrem Lehrer, geleiteten Frauenchor des Scharwenka'schen Conservatoriums ein Concert, in welchem sie zum ersten Mal vor dem biesigen Publikum erschien und Zeugniß ablegte von einer in seltener Weise entwickelten Technik ihres Spiels. Nicht nur die ungewöhnliche Kraft des Anschlags, die Sicherheit und Klarheit der oft in schnellstem Tempo dahinstürmenden Passagen des Chopin'schen Concerts (E-moll), sondern auch die Reife des Ver⸗ Kändnisses im Vortrag dieses Werkes, wie in demjenigen dreier Piecen von Schumann, Brahms und Liszt waren in hohem Grade bewundernswerth. Mit unermüdlicher Ausdauer spielte die Künstlerin noch das beliebte Concert ihres Lehrers (op. 56) und erntete mit allen Vorträgen reichen und wohlverdienten Beifall. Der Frauenchor führte eine anmuthige Scene aus Scharwenka'’s Oper „Mataswintha“ mit großer Präzision und dramatischer Lebendigkeit aus. Das darin enthaltene Alt⸗Solo hatte die bereits vortheilhaft bekannte Concertsängerin Frl. Schärnack an Stelle des verhinderten Frl. Asmann übernommen. Frl Schärnack trug außerdem noch Lieder von Kaufmann, Scharwenka und Franz vor, die mit großem Beifall aufgenommen wurden. Das Phil⸗ harmonische Orchester bewährte auch an diesem Abend wieder seine anerkannte Tüchtigkeit.

Concerthaus.

Für morgen hat Kapellmeister Meyder ein sehr interessantes Programm zusanm ggestellt. Es enthält Werke von Weber, Mozart, Beethoven, Flotow, Liszt, Schubert, Rossini zc., einen Walzer von Walt⸗ teufel, ein Potpourri von Conrabi und Soli für Harfe (Frl. Lem⸗ böck), Violine (Hr. Contertmeister Wolff) und Cornet à Piston (Hr. Richter). Am Montag veranstaltet Kapellmeister Meyder eine

Das Repertoire Sonntag: „Heimgefunden“;

rikanischen Packetfahrt⸗ gebende Ausdrucksweise - Bestätigendes

Indisposition schien an 9 Vortrag etwas zu beeinträchtigen. er aus zahlreich erschienenen Publikums erkennen ließ. Die Klavier sämmtlicher Gesänge befand sich wiederum in den des Hrn. José Vianna da Motta. der unter Anderem Schumann's: „Frauenlieb' und Leben“ zur Aus⸗

Sinfonie Nr. 5, Violin⸗Concert (dr Concertmeister Kramer), die Ouverturen „Die Weihe des Hauses“, „Leonore III“ u. s. w.

enthält. Philharmonie. 8

Frau Joach im trug gestern in ihrem ersten populären Lieder⸗ abend zwölf Lieder aus dem Schubert'schen Schwanengesang und den aus ebenfalls zwölf Liedern bestehenden Eichendorff'schen Liederkreis von Schumann vor. Ueber die allgemein bewunderte, tief ein⸗ der stets gern gehörten Künstlerin noch ist kaum erforderlich. Eine leichte Abend die gewohnte Freiheit Nichtsdestoweniger war bedeutender, wie sich Pelagebe ggengen des egleitung geschickten Händen Der zweite Lieder⸗Abend,

zu berichten, diesem

im Allgemeinen ein recht

Erfolg mitunter enthusiastischen

den

führung bringen wird, findet am 29. Januar 1891 statt. KarlSiegen’'s Neubearbeitung von Kleist’ 8.⸗Käthchen von Heilbronn“ ist nun auch in Bruͤnn, Innsbruck, Freiburg i. B. und Marburg a. d. Dr. mit glänzendem Erfolg zum ersten Male in Scene gegangen. 8

Cireceus Renz. Frl. Frida Cotrelly hat hiesigen Blättern zusfolge am Donnerstag Abend bei Ausführung der „olympischen Spiele“ dadurch einen Unfall erlitten, daß sie fehltrat, auf den Boden stürzte und von den unruhig gewordenen Pferden einige Zeit durch die Manege geschleift wurde. Der Versuch, die Vorstellung fortzusetzen, mißlang; vielmehr mußte die anscheinend nicht unbedeutend verletzte Künstlerin unter allgemeiner Theilnahme der Zuschauer hinausgeführt werden.

Mannigfaltiges.

Der Grundstein für das Kaiser Wilhelm⸗Denkmal in Schöneberg wird am 22. März n. J. feierlich gelegt werden. Das Denkmal wird seinen Platz vor dem neuen Amtshause an der Ecke der Kolonnen⸗ und Bahnstraße finden. Es soll aus einem 3,40 m hohen Sockel aus Granit und dem 2,60 m hohen Bronze⸗ standbilde bestehen. Den Sockel sollen Becken flankiren, in denen Wasser spielen. Die Ausführung hat die Firma Schäffer u. Walcker übernommen.

Eine recht gut besuchte Vorstandssitzung der Deutschen Kolonialgesellschaft fand am 12. Dezember unter dem Vorsitz des Fürsten zu Hohenlohe⸗Langenburg statt. Unter Andern waren anwesend die Hrrn. Dr. Hammacher, von Bennigsen, von Kusserow, Graf Frankenberg, von Hofmann, Landtags⸗Abgeordneter Geheimer Rath Simon, General⸗Lieutenant von Teichmann⸗Logischen, Prinz von Arenberg, Professor Supan, Hofrath Dr. Credé und Major Liebert. Der konnte konstatiren, daß es gelungen sei, im Laufe des Jahres über 50 neue Abtheilungen zu bilden, an deren Spitze im politischen oder Geschäftsleben wohl erfahrene Männer stünden. Die Thätigkeit der Gesellschaft sei, wie der Vorsitzende des Längeren ausführte, keineswegs erschöpft; es gelte jetzt erst, neue Arbeitsgebiete in Angriff zu nehmen, da wir noch im Anfangsstadium unserer kolonialen Entwickelung stünden. Zu dem Etat, welcher mit 103 200 in Einnahmen und Ausgaben balancirt, hatten mehrere Abtheilungen Anträge gestellt, welche von der Gesellschaft feindlichen Seiten dahin interpretirt worden sind, als ob dadurch eine Auf⸗ lösung der Gesellschaft beabsichtigt worden sei. Es handelte sich vielmehr einfach um Organisationsvorschläge oder um solche zur Her⸗ beiführung größerer Ersparnisse zum Zweck einer praktischen Thätigkeit. Der Voranschlag der Centralleitung, welche bereits in weitgehender Weise Aenderungen vorgenommen hatte, z. B, hinsichtlich des Er⸗ scheinens der „Deutschen Kolonialzeitung“, welche zum Zweck größerer Ersparnisse in eine Monatsschrift umgewandelt wird, wurde nach längerer Debatte angenommen. Das praktische Arbeitsprogramm für 1891 betrifft einerseits Südwest⸗Afrika, wohin ein Geologe, Hauptmann a. D. Elterlein, gesandt werden soll, um besondere erzreiche Gebiete sowohl auf das abbauwürdige Vorkommen von edlerem Metalle als auf die Möglichkeit der Kolonisation mit Unterstützung des in Stolzenfels am Orangefluß ansässigen Hrn. Dominicus zu untersuchen, andererseits Ost⸗Afrika, da für Dr. Emin eine Schreibschrift hinausgesandt und ihm auch in anderer Weise, durch Lieferung nothwendiger zum Theil wissenschaftlicher Hülfsmittel u. s. w., Unterstützung gewährt werden soll. Was nun die politische Aktion des Vorstandes anbetrifft, so hat der bekannte Fall Hönigsberg fortgesetzt die Thätigkeit des Ausschusses in Anspruch genommen und der gegenwärtige Stand desselben zu der Annahme folgender Re⸗ solution geführt:

„Der Vorstand der Deutschen Kolonialgesellschaft, indem er Kenntniß nimmt von dem Stande der Angelegenheit des Händlers . Hönigsberg in Wachwitz bei Dresden, beauftragt das Präsidium, dem in seinem Besitzstand wie in seiner Existenz schwer Geschädigten in der weiteren Verfolgung seines Rechts bei dem Deutschen Reichs⸗ tage thatkräftig Beistand zu leisten.“

Hinsichtlich anderer kolonialpolitischer Fragen haben der Aus⸗ schuß und mehrere Abtheilungen Anträge eingebracht, welche sich be⸗ sonders auf Kamerun bezogen. Nach längerer Debatte, in welcher die Kamerunfrage, welche besonders behandelt werden soll und daher aus der Resolution ausschied, ihrer Bedeutung entsprechend, die voll⸗ kommenste Würdigung und Klarstellung fand, wurde das Präsidium beauftragt, in einer Eingabe an den Herrn Reichskanzler dahin vor⸗ stellig zu werden, daß

„I. in Ost⸗Afrika Behufs vollständiger Durchführung der zur Unterdrückung des Sklavenhandels und zum Schutz der deutschen Interessen unternommenen Maßregeln 1) die Schutztruppe dem Be⸗ dürfniß entsprechend verstärkt und 2) dem Dr. Emin Pascha die Mittel zur Ausführung seiner Vorschläge für die Einrichtung der Verwaltung im nördlichen Seengebiet zur Verfügung gestellt werden;

II. in Südwest⸗Afrika ebenfalls eine Verstärkung der Schutz⸗ truppe berbeigeführt wird, welche die dortigen Vertreter der Kaiser⸗ licen Schutzgewalt in den Stand setzt, dem jetzt herrschenden, die wirthschaftliche Entwickelung des Landes hemmenden und insbesondere die Besiedelung durch Deutsche verhindernden Zustande der Rechts⸗ unsicherheit ein Ende zu machen.“

Die Hrrn. Dr. Peters und Dr. Emin Pascha sind zu Ehren⸗ mitgliedern ernannt worden.

Das Deutsche Emin⸗Pascha⸗Comitsé nahm in seiner gestrigen Schlußsitzung die von dem geschäftsführenden Aus⸗ schuß vorgelegte Abrechnung über Einnahmen und Ausgaben der deutschen Emin⸗Pascha⸗Expedition entgegen und ertheilte sowohl dem Ausschuß wie Hrn. Dr. Peters Entlastung. Die eingegangenen Gelder sind bis auf einen Restbestand von un⸗

gefähr 6000 für die Zwecke der Expedition und für Emin Pascha be verwendet worden. Dieser Restbestand dient zunächst als Reservesfonds zur Deckung etwaiger Nachforderungen und soll, soweit er nicht hierzu verwendet wird, demnächst der Carl Peters⸗ Stiftung überwiesen werden. Indem das Comitsé seine Arbeiten schloß und sich auflöste, sprach es Hrn. Dr. Peters und dessen Genossen nochmals seinen Dank aus für die treue Hingebung, den Muth, die Thatkraft und die Ausdauer, mit welcher sie den zur Erreichung eines hohen, humanitären und nationalen Zieles übernommenen Verpfli

tungen nachgekommen sind.

Der Magistrat hat, wie hiesige Blätter melden, in Bezug auf die Errichtung von sogenannten „Urania⸗Säulen“ (Wetter⸗ säulen ꝛc.) dem Vorschlage der von ihm eingesetzten Subkommission entsprechend beschlossen, auf Grund der mit dem Unternehmer noch weiter zu führenden Verhandlungen über Zahl und Aufstellung dieser

Auf dem Terrain zwischen Stadtbahn und Charité wird der Bau der Baracken, welche dem Geheimen Regierungs⸗Rath Pro⸗ fessor Koch für die Behandlung von Infektionskrankheiten zur Verfügung gestellt werden sollen, mit aller Macht betrieben. Wie die „Voss. Ztg.“ schreibt, ist die Königliche Bauverwaltung be⸗ strebt, die Baracken so schnell wie möglich fertig zu stellen. Sogar des Abends wird bei elektrischem Licht auf dem weiten Bauplatz ge⸗ arbeitet. Gegen hundert Erdarbeiter sind beschäftigt, das Terrain zu ebnen, Erde auszuschachten und fortzubewegen. Sogar eine schmal⸗ spurige Schienenbahn für den Betrieb mit kleinen Lowries ist gelegt. Ein Cement⸗Mörtelwerk ist in vollster Arbeit. Zwei Baracken sind auf hochgemauerten Ziegelsplinthen im Holzfachwerk bereits hoch⸗ geführt und werden gegenwärtig in den Gefachen mit Gipssteinen au gemauert und auf den Dächern mit Gipsplatten abgedeckt. Für die dritte Baracke, welche als größte zwischen den beiden erst⸗ erwähnten errichtet wird, sind die Fundamente ebenfalls schon gelegt.

Ueber die Brückenbauten der Stadt Berlin giebt Hr. Stadt⸗Bauinspektor Pintenburg in der „Dtsch. Bauztg.“ wieder einige Mittheilungen. Für die dem Weiterbau der Fischer⸗ brücke im Wege stehenden Hinterhäuser der Fischerstraße ist danach der Stadtgemeinde vor Kurzem das Enteignungsrecht verliehen worden. Im großen Gerinne ist die Fundirung der nördlichen Hälfte der Brücke beendet und sind die eisernen Mittelstützen für die soeben im Entwurf ferjig gestellte Eisenkonstruktion bereits aufgerichtet. Nach Freigebung dieses Gerinnes für den Durch⸗ fluß des Oberwassers konnte das kleine mittlere gesperrt und auch hier mit dem Abbruch der alten Gewölbe begonnen werden. Die eiserne Bogenkonstruktion über die Schleuse ist bereits zur Vergebung gelangt. Von der Fundirung dieser Schleuse, deren Her⸗ stellung Sache des Fiskus ist, hat der zwischen dem Mühlengebäude Eund dem Hause Poststraße 16 gelegene Theil bereits fertiggestellt werden können. Für den Ausbau der Mühlengebäude ist die städtische Hochbauverwaltung mit der endgültigen Feststellung der bezüglichen Pläne eifrig beschäftigt. Die Vollendung aller dieser Bauten am Mühlendamm wird noch eine Reihe von Jahren beanspruchen. Mit dem Bau der Spreebrücke im Zuge der in Moabit ge⸗ legenen Paulstraße soll in Kurzem begonnen werden. Die Moltke⸗ Brücke wird in diesen Tagen vollständig freigegeben. Bis zum Frühjahr sollen dort noch die beiden am Oberstrom geplanten Treppen hergestellt werden, sodaß im kommenden Sommer nur noch die Ufer⸗ mauern und die Ladestraßen zu vollenden sind. Bezüglich des in Vor⸗ bereitung begriffenen Neubaues der Kurfürstenbrücke wird betont, daß die äußere Gestaltung der Brücke doch insofern eine Aenderung er⸗ leidet, als in Rücksicht auf die Schiffahrt vier Oeffnungen zu zwei zusammengezogen werden müssen, sodaß die neue Brücke eine kleine mittlere Oeffnung Behufs Errichtung des Standbildes des Großen Kurfürsten und je eine seitliche für die durchfahrenden Schiffe besitzen wird. Der Bau einer Interimsbrücke an jener Stelle wird während des Neubaues nicht zu umgehen sein. Von besonderem Interesse ist, daß in Folge des Dombaues das linksseitige Ufer der Spree bei der Friedrichsbrücke derart in den Fluß vorgeschoben wird, daß der dortige Brücken⸗Neubau auch nur drei Oeffnungen erhält. An sonstigen ge⸗ planten Neubauten sind hervorzuheben: jener der Waisenbrücke, welche aus Stein und drei Oeffnungen, von 15, 20 und 18 m und in einer Breite von 20 m für eine Million Mark hergestellt wird, ferner jener zu 700 000 veranschlagte der Ebertsbrücke, welche eine große Mittelöffnung von 30 m Spannweite und mit eiserner Bogen⸗ konstruktion sowie im Anschluß daran auf jeder Seite eine kleinere gewölbte Oeffnung erhalten soll, und jener der Weidendammer Brücke. Letztere soll erst in Angriff genommen werden, wenn die Ebertsbrücke vollendet ist.

Noch vier katholische Kirchen sollen, wie die „Tägl. Rdsch.“ schreibt, in Berlin gebaut werden, und zwar zunächst im Osten die „Pius⸗Kirche“ auf dem Grundstück Pallisadenstraße 73. In den Halleschen Thorbezirken sammelt man ferner für den Bau der Win⸗ fried⸗Kirche, deren Grundstein bereits im kommenden Sommer gelegt werden soll. Sodann ist in der Fehrbellinerstraße ein Grundstück für die Herz⸗Jesu⸗Kirche angekauft, endlich soll auch in der Porkstraße statt der Nothkapelle ein größeres Gotteshaus erbaut werden. In Friedrichsberg⸗Lichtenberg ist man bereits mit dem Bau der Mauritius⸗ Kirche beschäftigt. Auch Köpenick erhält im nächsten Jahre eine größere katholische Kirche. Für die Errichtung dieser Gotteshäuser wird in ganz Deutschland gesammelt.

Der Weihnachtsmarkt ist gestern auf dem Schloßplatz, im Lustgarten und auf dem Arkonaplatz aufgebaut worden. Es sind gerade 140 Jahre her, schreibt das „D. Tgbl.“, daß dieser Markt in der Breitenstraße eröffnet wurde, nachdem er sich bis zum Jahre 1750 in der Heiligengeiststraße und in der Gegend des Molkenmarkts befunden hatte. Aus dem genannten Jahre ist ein Immediatgesuch vorhanden, in welchem der Polizei⸗Direktor und Stadt Präsident Carl David Kircheisen aus Verkehrsrücksichten um Verlegung des Weihnachtsmarkts nach der Breitenstraße nachsucht. Unter dem 30. November wurde daß Gesuch vom König genehmigt. So wurde denn am 11 Dezember 1750 der Weihnachtsmarkt nach der Breitenstraße verlegt und breitete sich von hier aus immer weiter über den Schloßplatz und die anstoßenden

Straßen aus.

Eine Versteigerung von Sing⸗ und Ziervögeln wird am Montag, Abends 8 Uhr, im Ausstellungslokal der „Ornis“, am Spittelmarkt 2, abgehalten werden. Es kommen hier diejenigen Vögel zum Verkauf, welche bei der Ausstellungslotterie übrig ge⸗ blieben sind.

Der Geschäftsbericht über das 10. deutsche Bundesschießen ist der „N. A. Ztg.“ zufolge jetzt endgültig festgestellt. Die Ein⸗ nahme betrug 861 312 ℳ, die Ausgaben beliefen sich auf 855 044 ℳ, sodaß am 24. November ein Kassenbestand von 6267 verblieb Dieser Betrag ist indessen nicht als Nettoüberschuß anzusehen, viel⸗ mehr sind daraus noch ungefähr 4000 zu zahlen, sodaß der Ueber⸗ schuß sich auf die runde Summe von 2000 belaufen dürfte.

Im verflossenen Etatsjahre ist der „Germ.“ zufolge der Feuer⸗ kassenwerth der städtischen Gebäude Berlins, soweit sie der Hochbauverwaltung unterstellt sind, von 79 492 457 auf 90 532 132 ℳ, d. h. um mehr als 11 Millionen Mark gestiegen.

Im Monat November d. J. haben der „N., Pr. Z.“ zufolge in Berlin im Ganzen 2772 polizeiliche Milchrevisionen stattgefunden, wobei etwa 42 000 1 Milch untersucht wurden. Beanstandet wurden 712 1, und in 106 Fällen wurde das Strafverfahren eingeleitet.

Für den Direktor des Zoologischen Gartens wird, laut Meldung der „N. Pr. Z.“, jetzt ein Wohnhaus im Garten erbaut Bisher wohnt er außerhalb des Gartens zur Miethe.

Ein von Oran nach Algier fahrende⸗ meldet, bei St. Cyprien ent“⸗ Unter den Ver⸗

Paris, 12. Dezember. Personenzug ist, wie „W. T. B.“ gleist, wobei fünfzehn Personen verwundet wurden. wundeten befindet sich auch der Deputirte Bourlier.

Dünkirchen, 12. Dezember. Das Gericht von Dünkirchen hat laut Meldung des „W. T. B.“ auf Antrag der Wittwe des bei dem Zusammenstoß des deutschen Dampfers „Capri“ mit einer Fischerschaluppe ertrunkenen Fischer⸗ die Beschlagnahme des Dampfers „Capri“ angeordnet. st⸗

ine Untersuchung zur Feß fiehan der Veräntwortlichkeit und der Höhe der Schadensumme ist eröffnet.

Säulen der Stabtverordneten⸗Versammlung eine Vorlage zu machen.

„Beethoven⸗Feier“ deren Programm die herrliche C-moll

ichs⸗Anzeiger und Königlich Preu

Zweite Beilag e

Berlin, Sonnabend, den 13. Dezember

ischen Staats

8 Deutscher Reichstag. 40. Sitzung vom 12. Dezember, 11 Uhr.

Am Tische des Bundesraths: Der Reichskanzler von Caprivi und die Staatssekretäre Dr. von Boetticher, Freiherr von Maltzahn und Freiherr von Marschall.

Zur ersten Berathung des am 26. August d. J. zwischen dem Reich und der Türkei abgeschlossenen Freundschafts⸗, Handels⸗ und Schiffahrtsver⸗ trages erhält das Wort:

Abg. Dr. Siemens: Die Bedeutung des Vertrages sei nicht sowohl eine kommerzielle als eine politische. Der Vertrag, wenn man ihn genau ansehe, enthalte keine gegenseitige, sondern nur eine ein⸗ seitige Bindung der Türkei im Tarif für Einfuhrzölle, während eine Bindung Deutschlands in dem Vertrage nicht Platz greife. Hinsichtlich der gegenseitigen Bindung durch die Einräumung des Meistbegünstigungs⸗ rechtes habe man sich auf das Versprechen einer gleichmäßigen Behandlung der Angehörigen beider Nationen und ihrer Bewegungs⸗ freiheit, sowie auf die Einräumung des Meistbegünstigungsrechts binsichtlich der Ausfuhrzölle beschränkt. Was die türkischen Zölle und deren Höhe betreffe, so seien diese abgestuft, und man könne wohl sagen, daß für einzelne wesentliche Erzeugnisse der deutschen Industrie, z. B. für die Eisen⸗ und die chemische Industrie, eine erheblich bessere Situation eingetreten sei. Die Türkei habe früher acht Prozent des Werthes von der Einfuhr er⸗ hoben, jetzt seien die Sätze verschieden normirt, bei einem Theil niedriger, für andere höher. Für Spiritus und Branntwein, der bekanntlich den Muhammedanern verboten sei, trete eine Erhöhung bis zu 20 % ein. Hinsichtlich dieser Punkte seien Licht und Schatten jiemlich gleichmäßig vertheilt oder glichen sich wenigstens aus. Aber die Bedeutung des Vertrages liege auf anderem Gebiet. Die kürkische Regierung habe sich in den letzten Jahren in. einer jiemlich abnormen Lage befunden. Die Entwickelung des inneren Steuersystems durch direkte Steuern sei in Folge der mangelhaften Organisation ihrer Bureaukratie eine krankhafte gewesen, und das Land sei für die Erhebung und Aufbringung der Mittel zu seiner Verwaltung im Wesentlichen auf die Zölle angewiesen gewesen. Die Abstufung der Zölle sei wieder eine solche gewesen, daß sie nicht genügende Erträge gebracht habe und anderer⸗ seit doch den Ruin einer alten, großen und berühmten Industrie, der Wirk⸗ und Webeindustrie, im Großen und Ganzen her⸗

vorgerufen habe. Die Folge sei gewesen, daß man sich bestrebt habe,

durch lokale Durchgangsabgaben diesem Zustand abzuhelfen und da⸗ durch habe man eine ungeheure Unsicherheit in den Handelsverkehr mit der Türkei gebracht. Es sei ein großer Vorzug dieses Ver⸗ trages, daß man dieses System der lokalen Durchgangsabgaben ver⸗ nichtet oder wenigstens durchbrochen habe. Zu gleicher Zeit aber mache man der Türkei das Zugeständniß, daß sie die Vorbereitungen für die Einführung mehrerer Monopole, des Zündhölzchen⸗, Cigaret⸗ tenpapier⸗, und Petroleummonopols u. dergl. treffen könne. Denn die Möglichkeit einer Steuererhöhung in diesem verhältnißmäßig wenig bureaukratisch organisirten Lande liege in der Einführung und Ver⸗ werthung der Monopole. Der Vertrag erhöhe also die finanzielle Leistungsfähigkeit der Türkei und damit ihre politische Kraft. Das Deutsche Reich sei der erste unter den westlichen Staaten, der jetzt, nachdem das System der bisherigen türkischen

Handelsverträge seinem Ende entgegengehe, den neuen Weg eingeschlagen habe, und es werde sich dadurch ohne Zweifel starke Sympathien im Orient gewinnen, auf die er (der Redner) noch einen besonderen kom⸗ merziellen Werth lege, weil sie dem Deutschen Reich auf kommerziellem Gebiet erheblich zu Statten kommen würden. Seit einigen Jahren habe das deutsche Kapital begonnen, sich in einer mehr organisirten Form nach dem Orient zu begeben: durch den Bau von Gasanstalten, Eisenbahnen u. dergl. beginne es, die dortigen Gebiete zu erschließen. Früher sei es nach dem Auslande mehr in einer dienenden Form gegangen. Es sei in Deutschland Gewohnheit gewesen, daß man sich bei englischen und französischen Unternehmungen betheiligt, d. h. alle fremden Risiken mitgetragen habe, die Führung aber habe man den fremden Nationen überlassen und damit auch der fremdländischen Industrie die Einheimsung aller mit solchen Unternehmungen ver⸗ bundenen Vortheile gestattet und sogar das eigene Geld ihr zugeführt.

Ferner sei von politischer Bedeutung Art. XXII des Vertrages, durch den zu gleicher Zeit durch eine Parallelisirung des Vasallen⸗ Fürstenthums Bulgarien und Egyptens die Möglichkeit eines Ab⸗ schlusses direkter Handelsverträge mit Bulgarien vorbereitet werde. Das Deutsche Reich, die deutsche Nation habe im Orient nichts zu erobern und nichts zu wünschen. Es habe nur ein Interesse an der Stabilisirung der dortigen Verhältnisse, und er begrüße es mit Freuden, daß man diesen gerade dazu dienenden Schritt gethan habe. Er möchte nur den Wunsch aussprechen, daß die anderen westlichen Nationen dem Deutschen Reich auf diesem Gebiet folgen möchten. Er empfehle daher die Annahme des Vertrages und wünsche der Diplomatie zu der Art, wie sie sich dieser Frage gegen⸗ über gestellt habe, seinerseits Glück. (Beifall links.)

Da eine kommissarische Berathung des Vertrages von keiner Seite beantragt wird, tritt das Haus sofort in die zweite Berathung ein und genehmigt ihn in allen seinen Theilen.

Es folgt die erste Berathung des Gesetzentwurfs, beireffnb die Besteuerung des Zuckers.

„Staatssekretär des Reichs⸗Schatzamts Freiherr von Maltzahn:

Meine Herren! Dem Gesetzentwurf, der Ihnen vorliegt, ist eine eingehende und umfangreiche Begründung beigegeben; dennoch bitte ich, mir zu gestatten, die Diskussion, in welche Sie eintreten wollen, mit einigen Worten einzuleiten, weil der Gegenstand ein so wichtiger, die geplante Maßregel eine so einschneidende ist, daß ich mich doch verpflichtet halte, zu Beginn der Verhandlungen im Reichstage Ihnen gang kurz die Haupterwägungen hier vorzuführen, welche die ver⸗ bündeten Regierungen zu dem Entschluß bestimmt haben, Ihnen einen Gesetzentwurf vorzulegen, durch welchen das bisherige System unserer Zuckerbesteuerung von Grund aus umgestaltet werden soll.

Mit diesem Gesetzentwurf, wenn Sie ihn durch Ihre Zustimmung zum Gesetz machen, wird in Deutschland die Materzalbesteuerung als ursprünglich alleinige, später theilweise Grundlage der Be⸗ steuerung des Zuckers fortfallen. Unter der Herrschaft des bisherigen Steuersystems und unterstützt durch dessen Gestalt hat die deutsche Zuckerproduktion es verstanden, den inländischen Markt sich zu sichern, * dem Weltmarkt den ersten Platz zu erringen. Sie hat große Kapitalien n das Land hereingebracht, Wohlstand in weiten Kreisen in verschiedenen Fhnse unseres Landes geweckt und gehoben, und sie hat diesen

utzen nicht etwa nur einem kleinen Kreise von Industriellen gebracht,

den allergrößten Nutzen und Vortheil verschafft. Diejenigen Güter, denen es nach der örtlichen Lage und den Absatzverhältnissen und nach sonstigen Umständen möglich gewesen ist, ihre Wirthschaft auf den Anbau der Zuckerrübe zu gründen, zeichnen sich für jeden Landwirth weitaus in ihrem gesammten Kulturzustand vor den übrigen Wirth⸗ schaften Deutschlands aus.

Dieses Ziel ist erreicht nicht durch die Besteuerungsform allein, sondern in erster Linie durch andauernden Fleiß von Generationen von Landwirthen und Technikern, durch äußerste Anspannung des Nachdenkens geistig bedeutender Menschen und durch Verwendung großer Kapitalien. Es ist dadurch erreicht, daß die deutsche Rübe eine hohe Vollkommenheit gewonnen hat, sodaß mit Recht in einer der letzten Eingaben, die uns und auch dem Reichstage vorliegen, von den sachverständigsten Leuten, den Magdeburger Zuckerinteressenten, die Behauptung aufgestellt werden kann, daß die deutsche Zuck errübe jetzt ihrem Zuckergehalte nach dem besten Rohr ebenbürtig sei.

Es ist durch den Anbau der Zuckerrübe zugleich in den be⸗ theiligten Gegenden der Körnerbau und der gesammte Ertrag der Güter gefördert; es ist ferner die Technik der Entzuckerung auf das bisher überhaupt erreichte höchste Maß der Vollkommenheit gebracht. Alles dies ist unterstützt durch das bisher geltende System unserer Zuckerproduktion, welches auf die Besteuerung des Rohmaterials begründet war. In diesem System lag der Antrieb, ein möglichst vollkommenes Rohmaterial zu erzielen und aus diesem Rohmaterial mit den denkbar geringsten Kosten den höchsten Prozentsatz Zucker zu gewinnen. Dieser Anreiz lag in dem System von Anfang an, und in den ersten Jahren der deutschen Zuckerindustrie gewann man die Vortheile dadurch, daß man aus einem möglichst geringen Quantum besteuerten Rübenmaterials möglichst viel Zucker für den inländischen Absatz gewann. In den späteren Jahren ist der Vortheil dieser Industrie auch in der anderen Foem zugeflossen; nachdem man dazu übergegangen war, für den exportirten Zucker die Rüben⸗ steuer zu erstatten, indem man pro Centner Zucker ein gewisses Ouantum der Steuer zurückerstattete, ging das Trachten der Zuckerindustrie, von ihrem Standpunkt vollkommen mit Recht, dahin, die Zuckerproduktion auf den Morgen angebauter und zur Verarbeitung kommender Rüben auch deshalb zu steigern, um auf diese Weise in der Exportvergütung nicht nur die wirklich gezahlte Steuer erstattet zu erhalten, sondern darüber hinaus noch eine Bonifikation.

Nun, meine Herren, ein solches System, unter dem eine große Industrie unseres Landes aufgeblüht ist, unter dem unser Land auf einem Gebiet der Weltproduktion die führende Stelle erworben hat, unter dem weite Gegenden unseres Landes zu erhöhtem Wohlstand gelangt sind, ein solches System zu verlassen, ist nur gerechtfertigt, wenn ganz überwiegende Gründe dafür sprechen. Derartige über⸗ wiegende, ja zwingende Gründe, eine solche Maßregel überhaupt und im gegenwärtigen Moment vorzunehmen, liegen aber nach der Ansicht der verbündeten Regierungen in der That vor.

Die Begünstigung, welche zur Zeit die deutsche Zuckerprodu ktion genießt, trägt einen völlig singulären Charakter innerhalb unserer Ge⸗ setzgebung. Es handelt sich nicht, wie bei den Schutzzöllen, darum, einem Produktionszweig die ausschließliche Beherrschung des in⸗ ländischen Markts zu ermöglichen. Diesen Markt beherrscht die Zuckerindustrie seit langem ausschließlich; denn der geringe Import wesentlich von Kandiszucker, den wir haben, fällt nicht ins Gewicht. Diese Beherrschung würde ihr aber auch nach Annahme des neuen Entwurfs völlig gesichert bleiben; denn der neue Entwurf enthält einen starken Schutzzoll, welcher verhindern soll, daß die aus⸗ ländische Industrie etwa mit ihren Produkten auf den inländischen Markt kommen könnte, wenn sie überhaupt einen derartigen Gedanken nach Lage der Verhältnisse fassen sollte. Es handelt sich auch nicht darum, der deutschen Zuckerproduktion die lastenfreie Fabrikation für den Auslandsmarkt zu sichern, denn auch diese bleibt ihr nach dem neuen Gesetz vollkommen gesichert. Der Zucker, den die deutsche Industrie für das Ausland produziren wird, ist mit keinem Zoll belegt, auch wenn Sie diesen Entwurf zum Gesetz machen. Es handelt sich nur darum, zu einem bestimmten Zeitpunkt den thatsächlich eingetretenen Zustand zu beseitigen, daß jetzt für allen exportirten Zucker dem deut⸗ schen Zuckerproduzenten ein direkter Zuschuß aus den allgemeinen Reichsmitteln, welche durch die Steuern aufkommen, gewährt werden muß und daß in Folge davon die Zuckerproduktion im Stande ist, auch im Inlande den Konsumenten einen Preis zu machen, in dem ihr ebenfalls ein entsprechender Vortheil zufließt, sodaß der inländische Konsument thatsächlich durch unser Zuckerbesteuerungssystem ebenso hoch belastet ist, wie er es bei Annahme des neuen Gesetzes sein würde, nur mit dem Unterschiede, daß, wenn der Gesetzentwurf Gesetz würde, die ge⸗ sammte Steuerbelastung des inländischen Konsumenten der Reichskasse zu Gute kommen und darum für die übrigen Steuerzahler zur Ent⸗ lastung dienen würde, während jetzt ein erheblicher Theil dieser In⸗ landssteuerbelastung den Produzenten zu Gute kommt. Derartige singuläre Begünstigungen tragen, mögen sie absichtlich eingeführt sein oder, wie es hier der Fall ist, sich thatsächlich entwickelt haben, in sich selber den Keim des Todes. Es ist undenkbar, daß ein derartiges System für alle Zeit aufrecht erhalten wird. Man wird, wenn ein solches Verhältniß sich herausgebildet hat, mit Recht dasselbe aufrecht erhalten, solange es für die betreffenden Kreise nothwendig ist, wenn nicht in diesem Fall ein absolut zwingender Grund zu seiner Abschaffung besteht. Man kann es aber auch, wenn es aufgehört hat nothwendig zu sein, noch bestehen lassen, solange zwei Bedingungen

geringer Schädigung vorhandener oder noch entstehender Interessen durchgeführt werden kann.

Nun sind die verbündeten Regierungen der Meinung, daß betreffs der Besteuerung des Zuckers die Nothwendigkeit der Fortdauer des bisherigen Systems nicht mehr besteht, daß das System auf dem Punkt angelangt ist, wo es aufhört oder wenigstens leicht aufhören kann, nützlich zu wirken. Und es kommt dazu das überwiegende Interesse des Restes der übrigen deutschen Reichsangehörigen und Steuerzahler, die Aufhebung des Systems zu fordern. Die verbündeten Regierungen sind daher der Meinung, daß auf lange Zeit das jetzige System nicht aufrecht zu erhalten ist; sie sind ferner der Meinung, daß der augen⸗ blickliche Moment verhältnißmäßig der günstigste ist, mit einer solchen 2 Maßregel vorzugehen.

Meine Herren, ich habe gesagt, die Nothwendigkeit der Aufrecht⸗ erhaltung des jetzigen Systems besteht nicht mehr für die deutsche Zuckerproduktion. Ich führte bereits an, und es ist allgemein bekannt, daß die deutsche Rübe den ersten Platz in Bezug auf ihren Zucker⸗ gehalt jetzt einnimmt, daß die Technik der Entzuckerung in Deutschland auf der größten Höhe steht, die bisher über⸗ haupt erreicht ist, daß die deutsche Zuckerindustrie den Inlands⸗ markt vollkommen beherrscht und auf dem Weltmarkt den ersten Platz einnimmt. Wenn das unter der Hexrschaft des bisherigen Systems erreicht ist, so kann man doch wirklich sagen: es ist Alles erreicht, was man bei absichtlicher Einführung Hieses Systems hätte als dessen erziehlichen Zweck ansehen können. . 8

Nun besteht ja die Befürchtung, daß, wenn Sie den jetzigen Ent⸗. wurf zum Gesetz erheben, in Bezug auf einen Theil dieser günstigen Verhältnisse der Zuckerproduktion, nämlich bezüglich der Absatz⸗ verhältnisse im Auslande, eine ungünstige Wirkung eintreten würde. Es wird die Behauptung aufgestellt, die deutsche Produktion werde in Zukunft nicht mehr konkurrenzfähig sein. Diese Behauptung be⸗ streite ich. Die Gründe, die dagegen angeführt werden können, sind in den Motiven des Gesetzes zum Theil niedergelegt; ich erwarte den weiteren Gang der Diskussion hier oder, wenn Sie das Gesetz in eine Kommission verweisen, in der Kommission, um diese Frage weiter zu erörtern.

Ich weise nur noch einmal darauf hin, was ich vorher bereits gesagt habe, daß der Gesetzentwurf Bestimmungen enthält, welche die absolute Konservirung des Inlandsmarktes und welche die steuerfreie Produktion für den Auslandsverbrauch auch in Zukunft unserer In⸗ dustrie zu sichern bestimmt sind. Hat sie diese beiden Begün⸗

stigungen, so wird bei der hervorragenden Begabung und Erfahrung unserer deutschen Techniker, bei der Vollkommenheit unserer Maschinen, bei dem Umstand, daß die ganze Industrie sich in altgewohnten Formen bewegt —, die deutsche Industrie doch im Stande sein, den ersten Platz überall zu behaupten.

Ich habe aber weiter gesagt und dies wird mehr bestritten werden —, wir seien an dem Zeitpunkt angekommen, wo es fraglich sei, ob das jetzige System noch nützlich sei. Ich persönlich bin in Bezug auf diese Seite der Frage vor Jahr und Tag noch nicht so sicher in meiner Ueberzeugung gewesen, als ich heute bin. Von Monat zu Monat, von Woche zu Woche, je mehr ich mich mit dieser Sache beschäftigt habe, desto fester bin ich gerade von der Richtigkeit dieses Arguments durchdrungen worden.

Meine Herren, die Zuckerindustrie war ursprünglich gedacht und war auch ursprünglich ein landwirthschaftliches Gewerbe; sie hat sich in neuerer Zeit immer mehr und mehr ent⸗ wickelt zu einer industriellen Großexportfabrikation, bei der das Verhältniß sich beinahe umgekehrt hat, sodaß bei einer Reihe von neuen Zuckerfabriken man eher sagen könnte, die Landwirthschaft sei das Nebensächliche gegen die Zuckerfabrikation. Was für Interessen hat nun die Landwirthschaft selber am Gedeihen der Zuckerindustrie, abgesehen davon, daß den Landwirthen diejenigen Vortheile zufließen, welche ihnen als Aktienbesitzern etwa gebühren? Sie hat das Interesse, ein möglichst großes Quantum ihres Areals unter Rübenkultur zu bringen und dadurch den Kulturstand zu erhöhen, und zwar unter Bedingungen, die die Anbaukosten lohnen und dem betreffenden Landwirth noch einen nennenswerthen Ueberschuß gewähren. Das ist für die Landwirthschaft mindestens gleichgültig. ob die Zuckerindustrie einen Doppel⸗Centner Zucker aus 7 oder 10 Doppel⸗Centnern gewinnt; im Gegentheil hätte die Landwirth⸗ schaft eher das Interesse, daß sie 10 Doppel⸗Centner Rüben dazu anbauen müßte, denn dann würde sie ein größeres Areal unter Hack⸗ kultur nehmen können. Ich kann daher nicht sagen, daß ich es durchaus im Interesse der Landwirthschaft liegend halte, wenn mehr und mehr auf die Verfeinerung der Rübe Seitens der Zuckerfabriken gedrängt werde, wenn mehr und mehr die Vilmorinrübe an die Stelle der Wanzlebener treten sollte. Die Landwirthe selber haben sich in richtiger Erkenntniß dieser Sachlage auch der Einführung der Vilmorinrübe bekanntlich widersetzt. Es erhellt das daraus. daß viele neue Zuckerfabriken, namentlich in Gegenden, wo die Zuckerindustrie erst neu eingeführt wurde, zunächst den Landwirthen, die sich daran betheiligen wollten, selbstverständlich die Bedingung stellten, daß sie ihren Rübensamen von der Fabrik nehmen müßten. doß aber, wenn die Landwirthe sagten: wir wollen aber Wanzlebener bauen und nicht Vilmorin man ihnen antwortete: wir gehen euch auch keine Vilmorin, sondern Wanzlebener, aber gleichzeitig wurde der Wanzlebener Same von den Herren Gebrüder Dippe und den übrigen Herren, die auf diesem Gebiete die Leitung übernommen haben, von Jahr zu Jahr in Bezug auf den Zuckergehalt der Rübe

erfüllt sind: solange nämlich erstens das System noch fortdauernd nützlich wirkt und solange zweitens nicht überwiegende Gründe, hergenommen aus dem Interesse der übrigen Angehörigen des be⸗ treffenden Landes oder Reiches, es fordern, dem Spstem ein Ende zu machen. Tritt aber aus solchen Rücksichten die Nothwendigkeit ein, in absehbarer Zeit ein solches System zu beseitigen, so ist es Pflicht einer fürsorgenden Regierung, die Maßregel in einem Augenblick in Vor⸗

verbessert, und die Wanzlebener Rübe der Vilmorinrüde ähnlicher. Ich brauche auf die gärtnerisch⸗technischen Manipulationen hierhei wohl kaum einzugehen; ich erwarte, ob einer der den Verhältnissen näher stehenden Herren vielleicht aus seiner desseren Kenntniß heraus diese meine Behauptung als einen Irrthum darzustellen versuchen wird. Es kommt aber vom Standpunkt der Landwirthschaft noch dinzu. daß es für sie auch kein Vortheil ist, wenn die Fabriken riesengroß

sondern sie hat auch der Landwirthschaft in den betheiligten Gegenden

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schlag zu bringen, wo der Uebergang in die neaen Verhältnisse mit möglichst

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sind. Für die Landwirthschaft an und für sich sind Fabriben die