Der Kaiserliche Gesandte am Königlich belgischen Hofe, Wirkliche Geheime Rath Graf von Alvensleben, ist von dem ihm Allerhöchst bewilligten kurzen Urlaub nach Brüssel zurückgekehrt und hat die Geschäfte der Gesandtschaft wieder übernommen.
Se. Hoheit der Erbprinz von Sachsen⸗Meiningen, Commandeur der 4. Garde Infanterie⸗Brigade, hat sich mit kurzem Urlaub nach Altenburg begeben.
Der Vize⸗Admiral Deinhard ist zur Abstattung persön⸗ licher Meldungen hier eingetroffen.
S. M. Kreuzer „Sperber“, Kommandant Korvetten⸗ Kapitän Foß, ist am 8. Januar c. in Sydney eingetroffen.
Danzig, 8. Januar. In der heute Nachmittag abge⸗ haltenen Sitzung der Stadtverordneten⸗Versammlung, welcher der gesammte Magistrat beiwohnte, wurde, wie „W. T. B.“ berichtet, der neu gewählte Erste Bürgermeister Dr. Baum⸗ bach durch den Regierungs⸗Präsidenten von Holwede feierlich in sein Amt eingeführt und von diesem, sowie vom Stadtverordneten⸗Vorsteher mit herzlicher Ansprache be⸗ grüßt. Dr. Baumbach charakterisirte in längerer mit Beifall aufgenommenen Rede seine neuen Aufgaben. Sein Wunsch, dem größten deutschen Staat als Bürger anzugehören, gehe heute in Erfüllung. Er hoffe, hier ein guter Preuße zu werden und ein guter Deutscher zu bleiben.
Mühlhausen i. Th., 8. Januar. Se. Majestät der Köniag von Dänemarkschenkte laut Meldung des „W. T. B.“ dem Offiziercorps seines hiesigen Thüringischen Ulanen⸗ Regiments sein lebensgroßes Bild in der Uniform des Regiments.
Koblenz, 9. Januar. Die hiesige Stadtverordneten⸗ Versammlung hatte der „Köln. Ztg.“ zufolge zar Ge⸗ dächtnißfeier Ihrer Majestät der Kaiserin Augusta eine Sitzung anberaumt, in welcher der Ober⸗Bürgermeister Schüller der hohen, heute vor einem Jahre verblichenen Frau warm empfundene Worte der Erinnerung weihte. Darauf wurde das folgende von Ihrer Königlichen Hoheit der Groß⸗ herzogin von Baden eingetroffene Telegramm zur Kenntniß der Versammlung gebracht:
An den Ober⸗Bürgermeister der Stadt Koblenz.
Berlin Palais, 7. Januar.
Der beutige Tag vereinigt mich in ganz besonderer Weise durch das Gefühl trauervoller Erinnerung mit der geliebten Stadt Koblenz,
deren Blumen ich an der Rubestätte derjenigen niederlegen werde, welche der Stadt eine so große Treue bewahrt hat und deren Herz so warm für Koblenz schlug. Gesegnet sei ihr Andenken!
. Luise, Großberzogin von Baden.
Hannover, 9. Januar. Der hannoversche Provinzial⸗ Landtag nahm in seiner gestrigen Sitzung die Ordnung für die Provinzial⸗Wittwen⸗ und Waisenkasse mit ge⸗ ringen Abänderungen und sodann die von der Kom⸗ mission zu dem Ausschußantrag für die Invaliditäts⸗ und Altersversicherungsanstalt Hannover gestellten An⸗ träge an und begann schließlich die Berathung des Antrages des Provinzialausschusses, betreffend Haushaltsplan des Provinzialverbandes, die Gehaltsverhältnisse der Provinzialbeamten und die Denkschrift über die Lage des Provinzialhaushalts.
Württemberg.
Stuttgart, 8. Januar. Gestern früh verstarb, wie der „St.⸗A. f. W.“ meldet, im Schlosse zu Waldenburg Ihre Durchlaucht die verwittwete Fürstin zu Hohenlohe⸗ Waldenburg, geborene Prinzessin zu Hohenlohe⸗Waldenburg⸗ Schillingsfürst, älteste Schwester des Kaiserlichen Statthalters in Elsaß⸗Lothringen Fürsten Clodwig zu Hohenlohe⸗ Waldenburg⸗Schillingsfürst, des Herzogs von Ratibor, des Kardinals Hohenlohe und des österreichischen Oberst⸗Hofmeisters Prinzen Hohenlohe.
1 Der Landtag ist gestern Mittag wieder zusammengetreten. Die Kammer der Abgeordneten wird morgen mit der Berathung der Verwaltungsreform beginnen.
Der vom Landesverein für das Wohl der arbeitenden Klassen vor einigen Wochen erlassene Aufruf zur Zeichnung 3 proz. Aktien zum Zwecke der Erbauung von billigen Arbeiterwohnungen hat, wie dem „Frankfurter Journal“ gemeldet wird, einen großen Erfolg zu verzeichnen. Es liefen in beträchtlicher Zahl Zeichnungen in der Höhe bis zu 20 000 ℳ ein, sodaß in nächster Zeit schon die vorläufig nöthige Summe von 500 000 ℳ beisammen sein dürfte. In erster Linie erfährt das Unternehmen reichste Unterstützung durch Ihre Majestäten den König und die Königin. Auch häben sich die meisten hiesigen großen Arbeitgeber mit Zeichnungen betheiligt. Bereits ist ein 15 Morgen großes Areal zwischen Stuttgart und der Vor⸗ stadt Berg in hübscher, freier Lage, nächst dem Wasserwerk angekauft worden, welches für Miether und Käufer der unteren
Stadt bestimmt ist. Weitere Terrainkäufe in den oberen Vorstädten sind dem Abschluß nah. 1 Schwarzburg⸗Rudolstadt.
Rudolstadt, 8. Januar. Se. Durchlaucht der Fürst Günther, welcher sich am 31. Dezember zum Besuche Höchst⸗ seiner Braut nach Altenburg begeben hatte, ist, wie die „Schwzb.⸗Rud. Lds.⸗Ztg.“ meldet, gestern Nachmittag wieder hierher zurückgekehrt. ͤ16“
Oesterreich⸗Ungarn.
Januar. An dem gestrigen Diner bei
Wien, 9. Se. Majestät dem Kaiser und König und Ihrer Majestät der Kaiserin und Königin nahmen dem „W. T. B.“ zufolge Theil: der Nuntius Msgr. Galimberti, die Botschafter Fürst Lobanow, Sir A. B. Paget, Merry del Val, die Ge⸗ sandten Graf Bray, Graf Wallwitz, Graf Jonghe d'Ardoye,
Dragumis und Oberst Grant mit Gemahlinnen. Zu dem gestern in Pest von dem ungarischen Minister⸗Präsidenten Grafen Szapäry gegebenen Diner waren auch der groß⸗ britannische und der italienische Konsul geladen.
Im niederösterreichischen Landtage wurde heute die Generaldebatte über das Armengesetz geschlossen. Der Statthalter Graf Kielmannsegg erklärte, die Re⸗ gierung stehe dem Gesetze sympathisch gegenüber.
1.“
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Bezüglich des von der Wiener Börse zu er⸗ hebenden Beitrages von 200 000 Fl. behalte sich die Regierung die Entscheidung vor, da die hierauf sich beziehenden Ver⸗ handlungen mit den Centralstellen wegen Kürze der Zeit noch nicht abgeschlossen seien.
Die Ausgleichs⸗Kommission des böhmischen Landtages beschäftigte sich in ihrer gestrigen Sitzung zu⸗ nächst mit der jüngst im Landtage verlesenen Zuschrift der Regierung. Abg. Dr. Rieger beantragte, diese Zuschrift sofort einer Berathung zu unterziehen. Die deutschen Mit⸗ glieber der Kommission sprachen sich gegen diesen Antrag aus und beharrten auf dem früheren Beschlusse der Kommission, nach welchem zunächst die Kurien⸗ Vorlage in Verhandlung zu ziehen sei. Nach einer längeren Debatte wurde ein Antrag „des Prinzen Schwarzen⸗ berg angenommen, wonach das Kuriengesetz ohne Rücksicht auf die Zuschrift der Regierung zu berathen sei und letztere inzwischen an eine Subkommission verwiesen werden solle. Die Deutschen stimmten gegen diesen Antrag, ebenso gegen einen Antrag des Abg. Dr. Mattusch, wonach die Subkommission ihre Berathungen so beschleunigen solle, daß die Zuschrift noch im Januar im Landtage verhandelt werden könne. Abgeordneter Schmeykal erklärte, die Deutschen würden sich an den Berathungen der Subkommission nicht betheiligen. Hierauf wurde die Generaldebatte über das Kuriengesetz be⸗ gonnen. Abgeordneter Scharschmied beantragte die Bestellung eines Berichterstatters. Abgeordneter Trojan (Jungchzeche) erklärte, seine Partei werde Mittel und Wege finden, um das Zustandekommen des Gesetzes zu vereiteln.
Das unter dem Kommando des Contre⸗Admirals Hinke stehende Uebungsgeschwader, bestehend aus dem Flaggen⸗ schiffe „Radetzky“, dem Schiffe „Frundsberg“ mit Sr. K. und K. Hoheit dem Erzherzog Leopold an Bord, und den Schiffen „Nautilus“ und „Albatros“ ist, wie die „Wien. Ztg.“ meldet, vorgestern von Pola in See ge⸗ gangen. .
Großbritannien und Irland.
Der Unter⸗Staatssekretär der auswärtigen Angelegenheiten
Sir James Ferguseson hielt, der „A. C“ zufolge, am 6. d., Abends, in Alloway, Ayrshire, eine politische Rede, in welcher er u. A. bemerkte, daß, nachdem die Niederlande ihre Ein⸗ wände zurückgezogen hätten, jetzt von in Afrika importirten Waaren gewisse Zölle erhoben werden würden, um die für die Operationen gegen den Sklavenhandel noth⸗ wendigen Fonds zu beschaffen. Mithin, fügte Sir James hinzu, eröffne das neue Jahr mit einem großen Triumph für die Civilisation, welcher die Lorbeeren, die Lord Salisbury gewonnen habe, bereichere. In Erwiderung auf eine Ansprache der Deputation der suspendirten Sparkassenbeamten, welche ihr Bedauern über das Verhalten dieser Beamten am letzten Freitag aus⸗ drückte, erklärte der General⸗Postmeister Raikes dem „W. T. B.“ zufolge, er sei mit den jetzt von der Depntation abgegebenen Versicherungen zufrieden; die Beamten könnten am Montag wieder ihren Dienst antreten.
Die Verhandlungen zwischen William O'Brien und Parnell in Boulogne wurden, wie schon gemeldet, am 7. d. zum Abschluß gebracht. Die an der Konferenz betheiligt gewesenen Mitglieder sind verpflichtet, Schweigen zu beob⸗ achten, aber es soll thatsächlich eine Verständigung erzielt worden sein. O'Brien habe die Vorschläge Parnell's ange⸗ nommen. Darnach soll erstens Parnell zeitweilig von einer aktiven Betreibung seiner Propaganda zurücktreten, man sagt, bis zu den allgemeinen Parlamentswahlen, worauf er vermuthlich wieder in den Vordergrund treten würde, um die nationalistischen Parlaments⸗Kandidaten aufzustellen. Zweitens soll Parnell von dem irischen Parteifonds 10 000 Pfd. Sterl. oder 15 000 Pfd. Sterl. auf O'Brien’s Conto übertragen, um Petzteren in den Stand zu setzen, seinen finanziellen Verpflichtungen gegen die Pächter von Tipperary nachzukommen. Andererseits verpflichtet sich O' Brien, erstens seinen Einfluß aufzubieten, um die Absetzung Justin MeCarthy’s herbeizuführen und zweitens die Führer⸗ schaft der wiedervereinigten zwei Theile der irischen Partei selber zu übernehmen. Schon am 15. d. M. soll eine Ver⸗ sammlung der ganzen irischen Partei zur Wahl eines neuen Führers stattfinden. O'Brien hat sich mit Justin MeCarthy bereits in brieflichen Verkehr gesetzt. Gladstone und die übrigen liberalen Führer haben sich den Verhandlungen zwischen O'Brien und Parnell gegenüber völlig passiv ver⸗ halten, obwohl sie dieselben, wie Healy, Davitt und andere verantwortliche Mitglieder der irischen Partei, nicht gern sahen.
Der neue Kreuzer „Mohawk“, das Pendant der untergegangenen „Serpent“, bestand am 6. d. seine Probe⸗ fohrt, welche aber nach Verlauf von drei Stunden aufgegeben werden mußte, da sich das Excentric zu stark erhitzte. Die „Mohawk“ wird nach Beseitigung dieser Mängel der west⸗ afrikanischen Flottenstation zugetheilt werden.
Das 1. Devonshire⸗Regiment wird am 29. Januar auf dem Transportschiff „Serapis“ nach Egypten segeln, um das 2. Suffolk⸗Regiment abzulösen, welches zur Dienst⸗ leistung in Indien abkommandirt ist.
Frankreich.
Paris, 9. Januar. Die Beisetzung des verstorbenen Herzogs Nikolaus von Leuchtenberg soll, dem „W. T. B.“ zufolge, am Sonnabend mit allen dem Range des Verstorbenen gebührenden Ehren stattfinden. Der Minister des Aeußern Ribot und andere Mitglieder der Regierung werden der Beisetzung beiwohnen.
Der niederländische Gesandte Stuers überreichte gestern dem Präsidenten Carnot sein Beglaubigungsschreiben. Der Präsident empfing ferner den Gesandten Bolivias B welcher sein Abberufungsschreiben über⸗ reichte.
Im Laufe der gestrigen Verhandlung mit den spanischen Delegirten in der Kommission zur Abgrenzung am Rio Mouni sprach der Minister des Aeußern Ribot die Hoffnung auf eine befriedigende Lösung der Angelegenheit aus.
Die Zollkommission der Deputirtenkammer nahm gestern ihre Arbeiten wieder auf und berieth den Bericht des Referenten Viette über die Besteuerung von Holz. Die Zölle auf gesägtes Holz von weniger als 35 mm Dicke von Fiche, Ulme, Nußbaum, Esche und Kastanie wurden im Maximaltarif auf 4 Fr., im Minimaltarif auf 3 Fr. festgesetzt; andere Holzarten zahlen 3 ½ Fr. resp. 2 ½ Fr. Die Kom⸗ mission setzte die Zölle auf Kastanienbretter auf 2 resp. 1 ½ Fr., diejenigen auf Bretter anderer Holzarten auf 1 resp. 0,75 Fr. fest. Die Handelsverträge, über deren Kündigung die Zollkommission heute berathen wird, sollen
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zufolge mit den Annerxtarifen voraus⸗ sichtlich derart gekündigt werden, daß die Regie⸗ rung für die Anwendung des neuen Generaltarifs vom 1. Februar 1892 ab volle Freiheit hat. Ferner sei die Zollkommission darüber einig, daß die Schiffahrts⸗, Niederlassungs⸗ und gekündigt werden sollen. Nur über die Meistbegünsti⸗ gungs⸗Verträge mit Rußland, Mexiko, Oesterreich⸗ Ungarn und anderen Staaten sei eine Debatte zu er⸗ warten. Es sei aber anzunehmen, daß die Kommission dem Minister des Aeußern Ribot beipflichten werde, welcher sich für die Nichtkündigung dieser Verträge aussprach; im
dem „Siecle“
entgegengesetzten Falle würde die Kammer vor dem 1. Februar
d. J., als dem letzten Termin für die Kündigung der Ver⸗ träge mit Mexiko und Rußland, befragt werden müssen. Nach einem Telegramm aus St. Louis am Senegal hat sich Oberst Archinard Nioros bemächtigt. Ahmadu solle auf der Flucht begriffen sein. Die Einnahme von Nioro
vervollständige das im vergangenen Jahre von Archinard
begonnene Werk; die Macht Ahmadus sei vernichtet, die Unterwerfung desselben wahrscheinlich. Archinard habe nur über 700 Mann verfügt. Die Artillerie sei mit Melinitgeschossen verseben gewesen. Die französische Posten⸗ linie zwischen dem Niger und Senegal sei nunmehr aus⸗ reichend gesichert.
Der „Sieècle“ bezeichnet die Einnahme von Nioro als die beste Sanktion der neuen französischen Einflußzone. Das „Journal des Débats“ meint dagegen, Falls Ahmadu neue Streitkräfte zu sammeln vermöchte, so würde Nioro, das nur mit einem größeren Truppenaufgebot gehalten werden könne, eine neue Verlegenheit bilden.
Rußland und Polen.
Die „Nowosti“ berichten, daß der Versuch, Aufnahme
prüfungen für den Eintritt in Gymnasien und Real⸗ schulen im Mai und nicht im August abhalten zu lassen, sehr gute Früchte getragen habe. Die Mai⸗Examinanden hätten sich, weil sie im Sommer genügend Erholung genossen, fast durchweg als die besseren Schüler erwiesen. Das Ministerium der Volksaufklarung beabsichtige denn auch, die Refo mkommission des Fürsten Wolkonski auf dieses Ergebniß aufmerksam zu machen. Dem „Rishkij Westnik“ wird aus St. Petersburg ge⸗ schrieben, daß durch das neue Tarif⸗Reglement, das im Finanz⸗Ministerium bearbeitet wird, unter Anderem ver⸗ schiedene Zollangelegenheiten berührt werden. So richtet z. B. das neue Reglement seine Aufmerksamkeit auf den Umstand, daß gleichartige aus dem Auslande importirte Gegenstände in verschiedenen Zollämtern nach denselben, und nicht nach verschiedenen Tarifsätzen behandelt werden, wie dies gegenwärtig oft geschieht. Außer⸗ dem soll auf Häfen die Regel angewandt werden, daß die Waaren sofort nach ihrer Löschung, ohne sie in die Speicher überzuführen, zu klariren sind. Hierum haben fast alle Börsen Comités unter Hinweis darauf supplicirt, daß die Ueber⸗ führung der Waaren in die Speicher für die Kaufmannschaft sehr nachtheilig sei, da sie nur Zeitverlust, Ausgaben für die Uebexführung und bisweilen den Verderb der Waaren berbesne
Italien.
Ein Privattelegramm aus Rom meldet der „Germania“, daß Belgien bereits offiziell die päpstliche Vermittelung in seinen Grenzstreitigkeiten mit Portugal am Congo nachgesucht habe. Portugal habe dies noch nicht gethan, beide streitenden Theile aber seien einig über folgende Punkte: nur an die Vermittelung des Papstes sich zu wenden, wenn es sich als unmöglich herausstellen sollte, direkt sich zu ver⸗ ständigen und die päpstliche Entscheidung als endgültig zu be⸗ trachten. Dagegen wird die Nachricht, daß Frankreich und Spanien sich an den Papst. mit der Anfrage gewendet hätten, ob er geneigt wäre, das Schiedsrichteramt betreffs der zwischen beiden Staaten schwebenden territorialen Streitfragen am Rio Muny zu übernehmen, von der „Pol. Corr.“ als un⸗ begründet bezeichnet mit dem Hinzufügen: es sei nicht aus⸗ geschlossen, daß dieses Auskunftsmittel zur Beilegung der An⸗ gelegenheiten von den Kabineten in Paris und Madrid ins Auge gefaßt werde, bisher sei aber ein Schritt dieser Art nicht erfolgt.
Aus Regierungskreisen erhält die „Perseveranza“ einige Andeutungen über die beabsichtigte Reduktion der Präfek⸗ turen. Denselben zufolge soll in Zukunft jede Präfektur mindestens 500 000, jede Unterpräfektur mindestens 100 000 Seelen umfassen, wodurch die Reduktion der Präfekturen auf 50 möglich sein würde; gleichzeitig sollen 50 Wahlkreise, die in Sektionen getheilt sind, unabhängig von dem geltenden Listenwahlsystem, errichtet werden. Nach den Berechnungen der Regierung würde diese Reform eine jährliche Ersparniß von 4 Millionen Lire ergeben.
Die vom Minister des Innern eingesetzte Kommission zum Studium der Wahlreform ist bereits eifrig an der Arbeit. Am 20. d. M. dürfte der Kammer der Bericht über die Anträge der Abgg. Bonghi, Nicotera und Martini zugehen, welche auf die Rückkehr zum Einzelwahlsystem hinzielen. Für den 5. Januar war nach der M. „Allg. Ztg.“ eine Sitzung der Generals⸗Kommission unter dem Vorsitz des Generals Pianelli in das Kriegs⸗Ministerium einberufen, .“ verschiedene militärische Fragen erörtert werden ollten.
Poringal. In Lissabon hat am Mittwoch zu Ehren des für Mozambique bestimmten Expeditions⸗Corps ein Bankett stattgefunden, welchem der König beiwohnte. In einem dabei von ihm ausgebrachten Toast hob der König dem „W. T. B.“ zufolge hervor: die Expedition ziehe nicht aus nach neuen Reichthümern und Eroberungen, sondern wolle ihren überseeischen Landsleuten helfen, Portugal Theile des Vaterlandes zu erhalten, die schon manches Opfer und manches Blut gekostet hätten. Die Mitglieder der Expedition sollten versichert sein, daß in Glück und Unglück gleich treue Herzen in der Heimath für sie schlügen; in diesem Sinne trinke er auf das Wohl der Expedition.
Schweiz.
Der Bundesrath berieth gestern wiederum die Tessiner Angelegenheit und machte die Regierung des Kantons Tessin auf die Unzulässigkeit einer größeren Anzahl Streichungen in dem Register der Stimmberechtigten für die Verfassungsrathswahlen aufmerksam, wies indessen die weiter⸗
—.,
gehenden Begehren der Freisinnigen ab.
vollständig
Fabrikmarken⸗Konventionen nicht
Niederlande.
Die Königin⸗Regentin Emma hat am 5. d. M. im Haag große Neujahrscour abgehalten. Wie nach der „Köln. Ztg.“ verlautet, würden während des Winters einige größere Hofgesellschaften gegeben werden, was in die seit mehreren Jahren durch die Abwesenheit des Hofes verödete Residenz wieder einiges Leben bringen dürfte. Die Königin⸗Regentin wird überdies während des ganzen Winters den Haag nicht verlassen. Wie man von dort meldet, läßt sich die Regentin über die Fortsetzung der staatlich angeordneten Untersuchung, betreffend die Arbeiterverhältnisse, für welche sie sich sehr interessire, fortlaufend genauen Bericht erstatten.
Während der Versuch, javanische Arbeiter in Surinam anzusiedeln, bis jetzt nicht den erwünschten Erfolg gehabt hat, haben der „Köln. Ztg.“ zufolge die in jüngster Zeit gemachten Anstrengungen, um die Reihen des Kolonialheeres durch Anwerbungen in Afrika zu verstärken, befriedigende Er⸗ gebnisse erzielt, da bereits eine sogenannte Freiwilligenlegion, die an der Küste von Liberia angeworben wurde, die Reise nach Indien angetreten hat. “ “
Türkei. “
Der „Agence de Constantinople“ zufolge haben am 7. d. M. im Palais der russischen Botschaft unter dem Vorsitz des Botschafters Nelidow Verhandlungen über den russisch⸗türkischen Handelsvertrag begonnen. Nach dem Austausch von Versicherungen beiderseitigen Entgegen⸗ kommens wurde zunächst ein modus procedendi für die Berathungen festgestellt. Als Delegirte der Pforte fungiren: der Unter⸗Staatssekretär des Aeußern Artin Pascha und der Generaldirektor der Bergwerke Bedros Effendi; als Delegirte Rußlands: Staatsrath Timariazew und der zweite Botschafts⸗Dragoman Kollegien⸗Rath Maximow. Der Sitzung folgte ein Diner, bei welchem der Botschafter Nelidow auf den Sultan und auf den Kaiser von Rußland toastete.
Wie die genannte „Agence“ ferner meldet, ist zwischen der Pforte und dem Patriarchat ein Kompromiß über den wesentlichsten Differenzpunkt geschlossen worden. Derselbe bestimmt, daß letztwillige Verfügungen der Christen keiner gericht⸗ lichen Untersuchung unterliegen, sondern von allen Gerichten anzuerkennen seien, wenn sie vom Patriarchen oder Metropoliten oder deren Stellvertreter legalisirt sind. Erbrechtliche Streitig⸗ keiten seien in Konstantinopel von dem gemischten Nationalrath und in den Provinzen von den Metropolitanräthen zu erledigen. Diese Urtheile könnten sofort vollstreckt werden. — Es wurde ein Irade, welcher den Kompromiß genehmigt, erlassen, doch verlautet gerüchtweise, das Patriarchat sei der Ansicht, das Irade entspreche nicht vollkommen den Beschlüssen der gemischten Kommission. 8 .
1“
Amerika. Vereinigte Staaten. Der Senat hat die Debatte über die Finanzbill fortgesetzt und gedachte heute (Freitag) zur Abstimmung darüber zu schreiten.
Der „New⸗York⸗Herhld“ veröffentlicht eine Depesche aus Washington, welche die Nachricht dementirt, das amerikanische Marine⸗-Departement wolle ein starkes Geschwader im nörd⸗ lichen Stillen Ocean wegen der mit England drohenden Verwicklungen konzentriren. Die Behringsmeer⸗Streitig⸗ keit liege im Gegentheil jetzt günstiger als jemals seit dem letzten Mai, wo der Befehl zur Beschlagnahme britischer Robbenfänger ergangen sei.
Der Sekretär des Schatzamts Windom erließ ein Rundschreiben an die Zollbehörden, demzufolge alle Artikel, die in den Vereinigten Staaten für den alleinigen Zweck, in der Weltausstellung zu Chicago ausgestellt zu werden, importirt werden, zollfreien Zulaß erhalten sollen.
Ueber die Indianer⸗Unruhen liegen folgende Mel⸗ dungen vor, welche die schon mitgetheilten Telegramme des „W. T. B.“ vervollständigen. Aus Pine Ridge vom 7. Januar wird berichtet: Die längs der Elk Horn und
Kissouri Valley-Eisenbahn in Nebraska ansässige Bevölke⸗ rung fürchtet für ihr Leben und Eigenthum große Gefahr, Falls die erwartete Schlacht mit den Indianern in diesem Distrikt ungünstig für die Truppen der Vereinigten Staaten ausfallen sollte. Tausend Mann der Miliz von Nebraska stehen bereits im Felde, und es sind Verstärkungen im Anmarsch. Oberst Cody (Buffalo Bill), welcher bei der Miliz ist, hält eine Schlacht innerhalb weniger Tage für fast gewiß; selbst wenn die Indianer geschlagen werden sollten, dürften sie sich in kleinere Banden auflösen und ungeheuren Schaden anrichten. Eine Abordnung von fünf Häuptlingen und fünf „Braves“ kam gestern (6.) nach Pine Ridge, um mit General Miles zu konferiren. Letzterer sagte ihnen, sie müßten sich bedingungslos ergeben; bezüglich ihrer Beschwerden könnten sie sich nach Washington wenden. Die Indianer erklärten, daß fast alle „Braves“ in dieser Reservation fried⸗ lich gesinnt seien und die Agentur zu betreten wünschten. Die Nez Perces⸗Indianer, deren Reservation sich bei Moscow in Idaho befindet, haben jetzt auch Kriegstänze begonnen. Der Landbevölkerung in der Gegend hat sich große Angst bemächtigt. General Schofield hat Namens des Präsidenten Harrison den General Miles auf dem Drahtwege ermäch⸗ tigt, die Indianer⸗Agenturen unter militärische Kontrole zu stellen. Ein Telegramm des „R. B.“ aus Kansas City, vom 7. Januar, meldet: Der Gouverneur von Missouri hat dem 3. Miliz⸗Regiment den Befehl ertheilt, sich zum sofortigen Ab⸗ marsch bereit zu halten. Die Bundesregierung soll die Staaten Kansas und Missouri aufgefordert haben, Truppen an die westliche Grenze des Indianer⸗Territoriums zu senden, Falls dort Verstärkungen nöthig sind. B 1“
Chile. Der Sekretär der chilenischen Gesandtschaft in London erklärte, dem „R. B.“ zufolge, auf eine an ihn ge⸗ richtete Anfrage: Er glaube an die Nachricht von dem Aus⸗ bruch einer Revolution in Chile (vgl. die gestern nach Schluß d. Bl. eingegangene Depesche des „W. T. B.“ aus Paris) nicht. Er habe ein Telegramm des chilenischen Gesandten in Paris erhalten, in welchem dieser mittheile, daß nach einer am 6. d. M. ein⸗
egangenen Kabeldepesche die Ordnung nicht gestört und das ee angenommen worden sei. Der Sekretär äußerte dann noch: in Valparaiso hätten in den Straßen leichte Ruhestörungen stattgefunden, die jedoch nur als geräusch⸗ volle Kundgebungen des Pöbels anzusehen seien und durchaus keine Bedeutung hätten.
Afrika.
Sansibar. Der englische Vize⸗Konsul Berkeley begab sich dem „W. T. B.“ zufolge am Donnerstag an Bord des Kriegsschiffs „Kingfisher“ nach Lamu, um über die jüngsten Ruhestörungen, bei welchen (wie in Nr. 4 d. Bl. gemeldet)
zwei Soldaten getödtet wurden, eine Untersuchung einzu⸗ leiten. Das Kanonenboot „Redbreast“ und der Dampfer „Somali“ brachten Soldaten des Sultans zur Verstärkung nach Lamu.
Parlamentarische Nachrichten.
Bei der gestern im 5. Arnsberger Wahlkreise (Bochum⸗ Gelsenkirchen) stattgehabten Stichwahl zum Reichstage wurde dem „W. T. B.“ zufolge Müllensiefen (natlib.) mit 26 869 Stimmen gegen Vattmann (klerikal) mit 25 667 Stimmen gewählt.
Die Kommission des Reichstages zur Vorberathung der Novelle zum Patentgesetz, welche, wie gemeldet, gestern wieder zusammentrat, berieth nach einer kurzen Generaldebatte, in welcher besonders die Frage des Vorprüfungsverfahrens, dessen Beseitigung in Petitionen vielfach gefordert wird, und der Be⸗ griff der „Erfindung“ erörtert wurden, zunächst §. 1 des bestehenden Gesetzees, da hier der Abg. Münch den Ausdruck „Ver⸗ werthung“ durch „Verwendung“ ersetzen wollte. Nach längerer Debatte wurde der Antrag zurückgezogen, ebenso ein Antrag des Abg. Goldschmidt zu §. 2, welcher als öffentliche Druck⸗ schriften nicht solche gelten lassen will, deren Urheber der Patent⸗ anmelder selkst ist, wenn seit ihrer Veröffentlichung nicht mehr als sechs Monate verstrichen sind. Dagegen wurde ein Antrag des Abg. Freiherrn von Buol angenommen, hinter dem Wort „Druckschriften“ einzufügen „aus den letzten 50 Jahren.“ — Für §. 3 schlägt die Novelle eine neue Fassung vor, welche wie folgt lautet: „Auf die Ertheilung des Patents hat derjenige Anspruch, welcher die Erfindung zuerst nach Maßgabe dieses Gesetzes angemeldet hat. Eine spätere Anmeldung kann nur insoweit den Anspruch auf ein Patent begründen, als die Erfindung nicht Gegenstand des Patents des früheren Anmelders ist. Ein Anspruch des Patentsuchers auf Ertheilung des Patents findet nicht statt, wenn der wesentliche Inhalt seiner Anmeldung den Beschreibungen, Zeichnungen, Modellen, Geräthschaften oder Einrichtungen eines Anderen oder einem von diesem angewendeten Verfahren ohne Einwilligung desselben ent⸗ nommen und von dem Letzteren aus diesem Grunde Einspruch er⸗ hoben ist.“ Hier wurde folgender Zusatzantrag Münch⸗Kauffmann angenommen: „Meldet dieser (sc. der Einspruch Erhebende) innerhalb vier Wochen nach Rechtskraft der dem Einspruch stattgebenden Ent⸗ scheidung dieselbe Erfindung mit dem Antrage auf Ertheilung des Patents an, so steht die Veröffentlichung dieser Erfindung, die durch das Patentamt in Folge der Anmeldung durch den Entnehmer be⸗ wirkt ist, sowie eine nach dieser Veröffentlichung erfolgte öffentliche Beschreibung oder offenkundige Benutzung der Erfindung der Erthei⸗ lung des Patents nicht entgegen.“
In dem Hause der Abgeordneten ist von dem Abg. Richter und Gen. folgender Antrag eingebracht worden:
„Das Haus der Abgeordneten wolle beschließen, die Koͤnigliche Staatsregierung zu ersuchen, dem Landtage Uebersichten vorzulegen 1) über die Zahl der dienstfreien Tage im Jahr, welche dem Stations⸗, Strecken⸗-, Fahr⸗ und Werkstättenpersonal der Staats⸗ eisenbahnen zur Zeit gewährt werden; 2) über die Zahl und die Ein⸗ kommensverhältnisse der diätarischen Beamten der Staats⸗ eisenbahn⸗Verwaltung, sowie über Lebensalter, Dienstalter und durch⸗ schnittliche Wartezeit derselben bis zur etatsmäßigen Anstellung.
— Die Wildschadengesetz⸗Kommission des Hauses der Abgeordneten, welche unmittelbar nach der gestrigen Plenarsitzung gewählt wurde, hat sich konstituirt und zum Vorsitzenden den Abg. Strutz, zu dessen Stellvertreter den Abg. Kletschke gewählt.
— Das III. Verzeichniß der bei dem Hause der Abgeordneten eingegangenen Petitionen umfaßt 286 Nummern, von denen 34 der Kommission für Petitionen, 13 der Kommission für die Agrarverhältnisse, 13 der Kom⸗ mission für das Justizwesen, 5 der Kommission für das Gemeindewesen, 13 der Kommission für das Unterrichtswesen, 19 der Budgetkommission, 16 der Kommission zur Vorberathung des Entwurfs eines Einkommensteuergesetzes, 99 der Kom⸗ mission zur Vorberathung eines Gewerbesteuergesetzes, 3 der Kommission zur Vorberathung des Entwurfs einer Gemeinde⸗ ordnung und 71 der Kommission zur Vorberathung eines Ge⸗ setzes, betreffend die öffentliche Volksschule, überwiesen worden sind.
— Auf der Tagesordnung der am Montag, den 12. Januar, Nachmittags 1 Uhr, stattfindenden 16. Plenar sitzung des Hauses der Abgeordneten stehen folgende Gegenstände: 1) Berathung des Rechenschaftsberichts über die weitere Ausführung des Gesetzes vom 19. Dezember 1869, betreffend die Konsolidation preußischer Staatsanleihen. — 2) Entgegennahme von Vorlagen der Königlichen Staats⸗ regierung.
— Die Kommission des Hauses der Abgeordneten zur Vorberathung der Landgemeindeordnung beschäftigte sich heute zunächst nochmals mit § 42: „Das Gemeinderecht steht jedem selbst⸗ ständigen Gemeindeangehörigen zu, welcher 1) die preußische Staats⸗ angehörigkeit und 2) die bürgerlichen Ehrenrechte besitzt, 3) seit einem Jahre in dem Gemeindebezirk seinen Wohnsitz hat, 4) keine Armenunterstützung aus öffentlichen Mitteln empfängt, 5) die auf ihn entfallenden Gemeindeabgaben gezahlt hat und außer⸗ dem 6) entweder a ein Wohnhaus in dem Gemeindebezirk besitzt und von seinem gesammten innerhalb des Gemeindebezirks belegenen Grundbesitz einen Jahresbetrag von mindestens 3 ℳ an Gebäude⸗ und Grundsteuer entrichtet oder b. zur Staats⸗Einkommensteuer oder nach einem fingirten Steuersatz von mindestens 4 ℳ veranlagt ist. Steuerzahlungen aus Grundbesitz der Ehefrau werden dem Ehemann, Steuerzahlungen aus Grundbesitz der minderjährigen und der in väterlicher Gewalt befindlichen Kinder werden dem Vater angerechnet. In den Fällen, wo ein Wohnhaus durch Vererbung auf einen Andern uͤbergeht, kommt dem Erben bei Berechnung der Dauer des einjährigen Wohnsitzes die Besitzzeit des Erblassers zu Gute. Als selbständig wird nach vollendetem vierundzwanzigsten Lebensjabre ein Jeder betrachtet, welcher einen eigenen Hausstand hat, sofern ihm nicht das Verfügungsrecht über die Verwaltung seines Vermögens durch richterlichen Beschluß entzogen ist. Inwiefern über die Er⸗ langung des Gemeinderechts vom Gemeindevorsteher eine Urkunde zu ertheilen ist, bleibt den statutarischen Anordnungen vorbehalten.“ Die Debatte wendete sich der Nr. 6b. zu. Die Abgg. Lamprecht und Barth sprachen sich gegen die Festsetzung des Betrages von 4 ℳ aus. Ersterer beantragte, einen Steuersatz von mehr als 4 ℳ fest⸗ zusetzen. Der Minister des Innern Herrfurth erklärte sich gegen diesen Antrag, ebenso der Abg. Rickert. Der Abg. Frentz befürwortete dagegen den Antrag Lamprecht. Der Abg. von Helldorff⸗Zing st verwahrte sich gegen die Ausführungen des Abg. Rickert. Der Abg. Schmidt beantragte den neuen Zusatz: „Wenn ein Wohnhaus im Mitbesitz Mehrerer steht, so wird das Stimmrecht nur von Einem und zwar Demjenigen ausgeübt, der den größten Theil besitzt. Bei gleichen Antheilen wird durch das Loos des Gemeinde⸗ vorstehers entschieden, wer das Stimmrecht auszuüben hat. Die Kommission lehnte den Antrag Lamprecht ab, nahm jedoch den Antrag Barth an, am Schlusse von 6b. zu setzen „veranlagt ist und herangezogen ist“, mit achtzehn gegen sieben Stimmen, ebenso die ganze
Nummer 6. Der Minister bemängelte die Fassung. Nachdem den Ausführungen des Ministers Rechnung getragen worden war, wurde Nr. 6 in folgender Fassung angenommen: Steht ein Wohnhaus in getheiltem oder ungetheiltem Miteigenthum Mehrerer, so kann das Gemeinderecht auf Grund dieses Besitzes nur von einem derselben ausgeübt werden. Falls die Miteigenthümer sich über die Person des Berechtigten nicht einigen können, ist Derjenige, welcher den größten Antheil besitzt, befugt, das Gemeinderecht auszuüben, und bestimmt sich beil gleichen Antheilen die Person des Berechtigten durch das Loos, welches durch die Hand des Gemeindevorstehers gezogen wird. Damit war der ganze Paragraph, da Alinea 3 und 4 unverändert ange⸗ nommen wurde, erledigt. Der §. 43, welcher Personen, die vor dem Inkrafttreten des Gesetzes das Gemeinderecht nach Maßzabe der Ortsverfassung erworben haben, wahrt, auch wenn bei ihnen die Vor⸗ aussetzungen des §. 42 unter 6, die wie oben mitgetheilt, nicht zu⸗ treffen, wird gestrichen, §. 44, wonach das Gemeinderecht in eine andere Landgemeinde umziehenden Gemeindegliedern vor Ablauf eines Jahres ertheilt werden kann, unverändert angenommen. Zu §. 45, Verlust des Gemeinderechtes, beantragt der Abg. von Strom⸗ beck das erste Alinea des Paragraphen wie folgt zu fassen: „Das Gemeinderecht geht verloren, sobald eines der in §. 42 unter 1, 3 und 6 zu dessen Erlangung vorgeschriebenen Erforder⸗ nisse nicht mehr zutrifft,“ und den letzten Absatz des Paragraphen, wonach die Ausübung der Gemeinderechte eines Gemeindegliedes, das in Konkurs verfallen, bis zur Beendigung des Konkurses ruht, also zu fassen: „Die Ausübung der Gemeinderechte ruht: a. So⸗ bald ein Gemeindeglied in Konkurs verfällt, bis zur Beendigung des Verfahrens; d. Wenn ein Gemeindeglied Armenunterstützung empfängt, auf ein halbes Jahr nach Empfang der Unterstützung; (dazu wird ein Unterantrag des Abg. Eberty, die Fassung der des §. 10 des Reichsgesetzes über die Ge⸗ werbegerichte konform zu gestalten, angenommen); c. Sobald ein Gemeindeglied die auf dasselbe entfallende Gemeindeabgabe nicht ent⸗ richtet hat, auf so lange, bis dieselbe entrichtet ist. Der Abg. Ave⸗ narius will das Gemeinderecht nicht aufheben, so lange nur eine Anklage vorliegt. Der Antrag wurde abgelehnt.
— Die Kommission des Abgeordnetenhauses zur Vor⸗ berathung des Antrags Conrad (Pleß), auf Annahme eines Wild⸗ schaden⸗Gesetzentwurfs, begann heute Mittag ihre Berathungen.
— Die Einkommensteuer⸗Kommission des Hauses der Abgeordneten nahm heute den Abschnitt über Beschwerze (§§. 44 — 51) in Angriff. Die Nationalliberalen hatten zu §. 44 beantragt, an die Stelle des Steuergerichtshofs das Ober⸗Verwaltungs⸗ gericht zu setzen. Die Kommission lehnte diesen Antrag mit zwölf gegen elf Stimmen ab und nahm §. 44 nach der Regierungsvorlage mit großer Mehrheit an. Die §§. 45 — 51 wurden sodann unverändert genehmigt. Damit sind die Bestimmungen über die Beschwerde erledigt. Die Kommission ging alsdann zu den Bestimmungen, betreffend die Ober⸗
ufsicht über und nahm §. 52 unverändert an.
Suvmissionen im Auslande.
8 Niederlande. 1) 13. Januar 1891. Het Bestuur der Landbouwers-Vereeni- ging „Landbouwbelang“ in Bruinisse (Provinz Zeeland): Aieeferund von mindestens 63 800 kg Superphosphat, 27 600 kg 1 Chili⸗Salpeter und 7000 kg Peru⸗Guano. Auskunft an Ort und Stelle. 2) 16. Januar 1891. Het Bestuur der Vereeniging „Land- bouwbelang“ in Tholen (Provinz Zeeland): Lieferung von etwa 7000 kg Peru⸗Guano, 2000 kg Chili⸗ Salpeter und 100 000 kg Superphosphat. AUAuskunft an Ort und Stelle. 3) 2. Februar, Mittags 12 Uhr. (Technisch-Bureau) im Haag: 8 Loos Nr. 111: Lieferung des Eisenwerks für zwei Eisenbahn⸗ Viadukte und neun Hülfsbrücken (für den Dienst der Staats⸗ Eisenbahnen auf Java). Bedingungen käuflich für 9 Fl. beim Buchhändler Mart. Nyhoff im Haag. — Einschreibung muß durch in den Niederlanden wohnhafte Personen erfolgen.
Ministerie van Kolonien
Theater und Mufik.
G“ 144““ Auf Allerhöchsten Befehl findet am Montag im Opern⸗ hause eine Théatre paré⸗Vorstellung mit aufgehobenem Abonnement statt, für welche Lortzing's komische Oper „Der Waffenschmied“ in Aussicht genommen ist. Hr. Bulß wird darin zum ersten Mal in der Rolle des Grafen von Liebenau auftreten. Ueber die Plätze der Fremdenlogen und des I. Ranges einschließlich der Dienst⸗ und Freiplätze ist Allerhöchst verfügt. Zum Parquet werden die Eintrittskarten nur unter der Bedingung verkauft, daß die Damen in heller Abendtoilette, die Herren in Frack und weißer Binde erscheinen. Die Vorstellung beginnt um 7 ½ Uhr; das Foyer bleibt an diesem Tage für das Puble kum geschlossen. Königliches Opernhaus. 8 1 In der Königlichen Oper beging gestern „Der fliegende Holländer“ von Richard Wagner das Jubiläum der hundertsten Aufführung. Am 7. Januar 1844 war das Werk des damaligen sächsischen Hof⸗Kapellmeisters hier zum ersten Mal gegeben worden. Die Oper fand eine günstige Aufnaͤhme, aber dennoch verschwand sie bald wieder vom Revertoire, vielleicht weil sie, wie der Dichter⸗Komponist meint, von zu bestimmter individueller Stimmung war, um dem großen Publikum bequem und sympathisch zu sein. Um so höher war der Muth anzuschlagen, mit dem er im Vertrauen auf die Richtigkeit seiner künstlerischen Ansichten und darin gestärkt durch die Zustimmung gewichtiger Einzelpersonen, die davon einen tiefen Eindruck erhalten hatten, auf seiner Bahn weiter fort⸗ schritt. Hatten sein „Rienzi“ und der „Fliegende Holländer“ noch enge Berührung mit der Oper alten Stils, so näherte er sich mit dem „Tann⸗ häuser“, der im Winter 1844 — 1845 vollendet wurde, seinem Ideal immer mehr. Er fühlte freilich, daß er sich dem damaligen Publikum da⸗ mit völlig entfremden würde, und that die charakteristische Aeußerung: mit diesem Werk habe er sich sein „Todesurtheil“ geschrieben. Wie sehr sich inzwischen der mustkalische Geschmack ge⸗ ändert hat, ist nichts deutlicher zu illustriren geeignet als die große Popularität, der sich gerade der „Tannhäuser“ erfreut. Erst nach den großen Erfolgen dieses Werks erinnerte man sich auch des „Fliegenden “ wieder und begann die darin verborgenen Schönheiten mehr zu würdigen. Kaum ein anderes Werk von Wagner zeigt eine so innige Vermählung des musikalischen mit dem dichterischen Geist. Es ist ein tief ergreifendes Seelengemälde, ein düsteres, nordisches Stimmungsbild, das uns der Dichter⸗Komponist bietet. Das mehr balladenmäßige als dramatische Werk wendet sich mehr an das Gemüth als an die äußeren Sinne, es will empfunden, mit Hingebun empfangen, nicht nur gehört und gesehen sein. Daß es daher nicht glei zur Repertoire⸗Oper wurde, kann eigentlich nicht verwundern. Wir in Berlin sind in der glücklichen Lage, für den Titelhelden einen vorzüglichen Interpreten zu besitzen, Hrn. Betz. Dieser ausge⸗ zeichnete Sänger ist es denn auch gewesen, der dem Werk mit seinen herr⸗ lichen Stimmmitteln, seiner hinreißenden Gesangskunst und seiner für— diese Rolle ganz besonders geeigneten, ruhig vornehmen Art der Darstellung zu dauerndem Erfolge verholfen hat. Im Laufe der Jahre hat seine Leistung noch an innerlicher Vertiefung gewonnen, sodaß er wohl jetzt als der vollendetste lebende Darsteller des „Holländers“ zu gelten ein Recht haben dürfte. Das erhärtete die gestrige Jubel⸗ vorstellung, in der neben ihm aber auch alle übrigen Darsteller mit Einsetzung ihres ganzen Könnens sich bestrebt zeigten, dem Werk eine musterhafte Gesammtdarstellung zu geben. Frau Pierson als Senta, Frau Lammert als Mary, Hr. Krolop als Daland, Hr.