so klar wie möglich hervortreten zu lassen, daß es einen solchen Fall in keiner Weise zu decken und zu vertreten geneigt sei. Seine Partei werde sich durch die Ablehnung ihres Antrages nicht abbalten lassen, auf dieselbe Sache zurückzukommen, nicht wegen des Freiherrn von Lucius, sondern wegen der grundsätzlichen Bedeutung dieser Frage, wie sie in der öffentlichen Meinung angesehen werde. Sie könne in dem gegebenen Falle keine Remedur schaffen, sie könne nicht den Versuch machen, diesen Betrag nachträglich einzuziehen, es sei auch nicht anzunehmen, daß der Betrag freiwillig zurückgezahlt;z werde, aber eine gewisse Beruhigung für die Zukunft entnehme er daraus: das Verdikt der öffentlichen Meinung werde nicht aufgehoben durch den etwaigen Majoritätsbeschluß dieses Hauses, und dieses Verdikt werde alle Diejenigen, die Adlige seien, nicht bloß dem Namen nach, sondern der Gesinnung nach, in Ruͤcksicht auf den Satz „noblesse oblige“ künftig abhalten, Anträge auf einen solchen Stempelerlaß zu stellen, oder, wenn er ihnen angeboten werde, ihn anzunehmen. (Beifall links.)
Ein Antrag auf Schluß der Diskussion wurde angenommen.
Abg. Dr. Windthorst (persönlich): Der Abg. Richter habe ihn dafür verantwortlich gemacht, daß sein Antrag nicht einer Kom⸗ mission überwiesen werde. Wenn der Abg. Richter eine Kommissions⸗ berathung wolle, so möge er sie selbst beantragen; es sei seine Schuld allein, wenn er dies nicht beantrage. Der Abg. Francke habe übrigens erklärt, daß er von solcher Kommissionsberathung nichts wissen wolle. (Rufe bei den Nationalliberalen: Hat er nicht gesagt!) 8
Abg. Richter: Der Abg. Windthorst habe in seiner ersten Rede gesagt, er würde eine Kommissionsberathung beantragen, wenn er der Mehrheit dafür sicher wäre. Dazu habe er (Redner) lediglich be⸗ merkt, daß es nur an ihm liege, eine solche Mehrheit zu erhalten.
Ein Antrag auf Schluß der Diskuüssion wird angenommen.
Der Antrag Francke, die Regierung aufzufordern, von der bisherigen Praxis der Begünstigung der Bildung von Fideikommissen durch Erlaß der Stempelgebühren künftig thunlichst Abstand zu nehmen, wird mit schwacher Majorität abgelehnt, für denselben stimmen die Freisinnigen, National⸗ liberalen und ein Theil des Centrums.
Der Antrag Francke auf Erlaß eines Komptabilitäts⸗ gesetzes wird gegen die Stimmen der Konservativen und eines kleinen Theils der Freikonservativen angenommen.
Der Antrag Richter wird gegen die Stimmen der Frei⸗ sinnigen, der beiden Dänen und der Centrumsmitglieder Conrad und Dasbach verworfen.
Es folgt die Berathung des Antrags Richter:
Die Königliche Staatsregierung zu ersuchen, dem Landtage Uebersichten vorzulegen
a. über die Zahl der dienstfreien Tage im Jahre, welche dem Stations⸗, Strecken⸗, Fahr⸗ und Wasserwerkstaättenpersonal der Staatseisenbahnen zur Zeit gewährt werden;
d. über die Zahl und die Einkommensverhält⸗ nisse der diätarischen Beamten der Staatseisen⸗ bahnverwaltung, sowie über Lebensalter, Dienst⸗ alter und durchschnittliche Wartezeit derselben bis zur etatsmäßigen Anstellung.
Abg. Richter: Der Gegenstand sei ein durchaus unpolitischer. Er richte seine Spitze weder gegen die Regierung noch gegen irgend eine Partei des Hauses. Es lägen ihm Anschauungen zu Grunde, die seiner Partei, wie er annehme, mit der Regierung und allen Parteien gemeinsam seien. Seine Partei erhalte aus Beamtenkreisen großes Material in der Richtung dieses Antrages; anderen Parteien werde es ähnlich gehen. Um dieses Material würdigen zu können, wuͤnsche seine Partei auch von der Regierung zu erfahren, wie that⸗ sächlich die Verhältnisse lägen. Erst dann werde man sachgemäße Vorschläge zur Abhülfe machen können, soweit Mißstände sich heraus⸗ stellten. Der Antrag beschränke sich auf das Ressort der Eisenbahn⸗ verwaltung. Unter dienstfreien Tagen verstehe er solche, die den vollen Inhalt eines Tages umfaßten, also nicht bloß einen Tag, dem ein Nachtdienst vorangehe und ein Nachtdienst folge. Bezüglich der Post⸗ und Telegraphenverwaltung erhalte das Haus alljährlich eine umfassende Statistik über die dienstfreien Tage. Eine solche wünsche seine Partei auch für die Eisenbahnverwaltung. Er verkenne nicht, daß der Betrieb der Eisenbahnen von dem der Post sehr verschieden sei Mit dem Antrage solle nicht eine Verkehrs⸗ beschränkung angeregt werden. Was in Bezug auf den Güterverkehr möglich und zulässig sei, geschehe ohnehin schon jetzt, und eine Beschrän⸗ kung des Personenverkehrs am Sonntage würde eine durchaus falsche Maßregel sein. Daß die Eisenbahnbeamten am Sonntage mehr in Anspruch genommen würden, sei kein Grund, ihnen überhaupt die dienstfreien Tage zu beschränken. Man müsse ihnen dafür dienst⸗ freie Wochentage gewähren. In der Schweiz hätten diese Beamten 52 freie Tage, davon 17 Sonntage. Ein Gesetz sei in dieser Be⸗ ziehung nicht nöthig. Es handele sich also um keine Verkehrs⸗, sondern um eine Stellvertretungs⸗ und eine Geldfrage. — Der Resolution zu Gunsten der Vermehrung von etatsmäßigen Stellen habe sich der Finanz⸗Minister ja geneigt gezeigt. Man müsse aber auch weiter die Lage der Diätare verbessern. Der Finanz⸗Minister sollte erwägen, ob nicht die Grundsätze, die in Bezug auf die Arbeiter Anwendung gefunden hätten, auch in Bezug auf die Diätare zur Geltung zu bringen seien Ein junger Arbeiter von etwa 16 Jabren, der nach 5 Jahren Invalide werde, habe Anspruch auf Ver⸗ sorgung; der Diätar, der vielleicht 40 Jahre alt sei, nicht. Derartige Fragen gebe es noch mehrere. Der Antrag wolle in keiner Weise pröjudiziren, sondern nur die hauptsächlichen Thatsachen klarstellen.
Regierungskommissar Geh. Reg.⸗Rath Gerlach: Die Staats⸗ regierung sei zur Auskunft bereit. Die Materialien müßten aber erst auf Grund ziemlich weitgehender Ermittelungen beschafft werden. Es werde einer genaueren Prüfung in der Budgetkommission bedürfen, um festzustellen, welches Material für die Zwecke, denen der Antrag dienen solle, erforderlich sei. Die Frage der dienstfreien Tage sei nicht einheitlich geregelt, weil die Betriebsverhältnisse auf den einzelnen Strecken verschieden seien. Die Provinzialbehörden stellten die Pläne auf, und aus ihnen sei das Material zu gewinnen. Das Werkstättenpersonal werde der Regel nach jetzt an Sonntagen nicht beschäftigt. 1
Abg. Hitze weist darauf hin, daß es sich nicht um die Auf⸗ stellung einheitlicher Grundsätze für die Sonntagsruhe hier handle. Funächst sollten nur Ermittelungen angestellt werden. Der freie
ag in der Woche könne den freien Sonntag nie ersetzen. Abg. Simon (Waldenburg) bemerkt, daß einiges von dem im Antrage geforderten Material bereits vorliege. Der Antrag gehe also in seiner Fassung zu weit, und es empfehle sich die Berathung desselben in der Kommission, damit die Punkte, über welche noch Ermittelungen nothwendig seien, festgestellt würden. 8— Abg. Cremer C(eltow) empfiehlt der Regierung größere Fürsorge ür die Eisenbahnbeamten. 8 Abg. Dr. Sattler beantragt die Berathung des Antrages in
der Budgetkommission. 1 Abg. Graf zu Limburg⸗Stirum: Es müsse einen pein⸗ lichen Eindruck machen, wenn die freisinnige Partei einen solchen An⸗ trag einbringe, der doch Geld koste, und andererseits diese Partei jedes⸗ b es sich um Geldbewilligungen handele, sich ablehnend e.
Die Diskussion wird geschlossen. Im Schlußwort bemerkt
„Abg. Richter, daß der Antrag auch ohne neue Steuern durch⸗ werden könne. Angesichts der Ueberschüsse des Eisenbahn⸗ 8 t sollte es doch möglich sein, auch ohne neue Steuern die ienstfreien Tage zu gewähren und die Diätare aufzubessern. Die saßses Mehrausgaben aber aufzubringen, werde er dem Hause Ge⸗ egenheit geben, da er im Laufe der Session noch einen Antrag, be⸗
8
treffend die Ermäßigung der Reisekosten der Beamten und Abgeord⸗ neten auf die wirklichen Ausgaben beantragen werde. Die Anträge werden der Budgetkommission überwiesen.
Schluß 3 ½ Uhr.
Die Betriebsergebnisse der für Rechnung des preußischen Staates verwalteten Eisenbahnen im Betriebsjahre 1889 90.
II.
Die Gesammteinnahmen stiegen von 782 546 897 ℳ in 1888/89 auf 856 038 231 ℳ in 1889/90, also um 73 491 334 ℳ oder 9,4 %. Davon kommen auf den Personenverkehr 212 544 758 ℳ, auf den Güterverkehr 604 054 648 ℳ und auf sonstige Einnahmen 39 438 825 ℳ in dem Berichtsjahre gegen bez. 194 722 936 ℳ, 559 319 202 ℳ und 28 504 759 ℳ im Vorjahre. Es hat somit eine Vermehrung der Einnahmen aus dem Personenverkehr um 9,2 %, aus dem Güterverkehr um 8 % und aus den sonstigen Einnahmen um 38,4 % stattgefunden. Die Vermehrung der Verkehrseinnahmen ist theilweise der Vergrößerung des Bahnnetzes, der Hauptsache nach aber der weiteren günstigen Gestaltung der Verkehrsverhältnisse und der in Folge dessen eingetretenen Steigerung des Personen⸗ und Güterverkehrs zuzuschreiben; die Steigerung der sonstigen Einnahmen war namentlich die Folge der mit dem 1. April 1889 eingetretenen Neuregulirnng des Beamtenpensions⸗Kassenwesens. Auf ein Kilometer durchschnittliche Bahnlänge kamen im Berichtsjahre 34 053 ℳ gegen 36 213 ℳ im Vorjahre, also 6,3 % mehr. b 8 Die Gesammtausgaben stellten sich auf 470 846 338 ℳ in 1889/90 gegen 419 365 733 ℳ in 1888/89 oder um 51 480 605 ℳ ( Auf 1 km mittlere Betriebslänge kamen im Be⸗ richtsjahre 19 936 ℳ gegen 18265 ℳ im Vorjahre, auf 100 000 Wagenachs⸗Kilometer 5503 ℳ gegen 5301 ℳ und auf 1000 Loko⸗ motiv⸗Kilometer 2354 ℳ gegen 2276 ℳ Bei der Vertheilung der Ausgaben, ausschließlich des Pachtzinses und der Kosten für erhebliche Ergänzungen, kamen auf die allgemeine Verwaltung 49 654 746 ℳ oder 10,8 %, auf die Bahnverwaltung 118 230 849 ℳ oder 28,6 % und auf die Transportverwaltung 293 843 104 ℳ oder 63,6 %, gegen bezw. 43 392 349 ℳ oder 10,5 %, 108 580 188 ℳ oder 26,3 % und 261 113 630 ℳ oder 63,2 % in 1888/89.
Der Ueberschuß der Betriebseinnahmen über die Betriebs⸗ ausgaben betrug in 1889/90 385 191 893 ℳ gegen 303 181 164 ℳ in 1888/89, hat somit in dem Berichtsjahre um 22 010 729 ℳ oder 6,1 % zugenommen. Im Verhältniß zum Anlagekapital ergiebt der Ueberschuß eine Verzinsung von 6,26 % gegen 6,02 % im Vorjahre. Die in 1888/89 aus dem Personen⸗ und Gepäckverkehr erzielten Einnahmen von 194 722 936 ℳ haben sich im Berichtsjahre auf 212 544 758 ℳ, also um 17 821 822 ℳ oder 9,2 % erhöht, wäh⸗ rend die durchschnittliche Betriebslänge sich um 2,9 % vermehrt hat. An den Gesammteinnahmen istedie Einnahme aus dem Personenver⸗ kehr im Berichtsjahre wie im Vorjahre mit 24,9 % betheiligt. Auf ein Kilometer durchschnittliche Betriebslänge kam im Berichtsjahre eine Einnahme von 9210 ℳ gegen 8682 ℳ im Vorjahre. Auf 1000 Achs Kilometer der Personen⸗ und Gepäckwagen zurückgeführt, ergiebt sich gegen die Durchschnittseinnahme des Vorjahres von 115 ℳ eine solche im Berichtsjahre von 113 ℳ Es beruht dies Ergebniß, neben der erweiterten Ausgabe von Arbeiter⸗Tages⸗ und Wochenkarten und der Ermäßigung der Fahrpreise auf einzelnen früheren Privatbahnen, hauptsächlich auf der größeren Ausdehnung des Rückfahr⸗ und Rund⸗ reiseverkehrs. Von den Gesammteinnahmen aus dem Personen⸗ und Gepäckverkehr entfielen auf die Personenbeförderung 206 904 084 ℳ gegen 189 574 560 ℳ im Vorjahre, auf die Beförderung von Gepäck und Hunden 5 281 527 ℳ gegen 4 877 328 ℳ im Vorjahre und auf sonstige Einnahmen (Lagergelder, Strafgelder u. s. w.) 359 147 ℳ gegen 271 048 ℳ im Vorjahre. Auf die einzelnen Wagenklassen ver⸗ theilt kommen auf die I. Klasse 9 840 276 ℳ, auf die II. Klass 54 488 038 ℳ, auf die III. Klasse 86 983 762 ℳ, auf die IV. Klasse 50 312 549 ℳ und auf die Militärbeförderung 5 279 459 ℳ, während sich die betreffenden Einnahmen in 1888/89 auf 8 368 801 ℳ, 80 093 753 ℳ, 80 895 137 ℳ, 45 470 530 ℳ und 4 746 339 ℳ stellten. An der Gesammtmehreinnahme ist am Stärksten die III. Klasse mit 6 088 625 ℳ hetheiligt, demnächst die IV. Klasse mit 4 842 019 ℳ, die II. Klasse mit 4 594 285 ℳ, die I. Klasse mit 1 471 475 ℳ und die Militärbeförderung mit 533 120 ℳ Die Gesammtzahl der be⸗ förderten Personen, welche in 1888/89 207 857 296 betrug stieg in 1889/90 auf 235 134 714, mithin um 13,1 %. Die IV. Klasse war in der Gesammtvermehrung der Zahl der Reisenden mit 12 538 038 Personen betheiligt; auf die III. Klasse kamen 11 811 811, auf die II. Klasse 2 531 440, auf die Militärbeförderung 271 965 und auf die I. Klasse 124 164 Personen. Der Antheil an der Gesammtbeförderung ist bei der IV. Klasse von 33,8 auf 35,3 % ge⸗ stiegen, bei der III. Klasse von 53,8 auf 52,5 %, bei der Militär⸗ beförderung von 1,9 auf 1,7 % zurückgegangen, bei der I. und II. Klasse aber unverändert geblieben. Die Zahl der zurückgelegten Personen⸗ tilometer hat sich von 5 950 709 765 in 1888/89 auf 6 706 420 811 in 1889/90 vermehrt. Die vorhandenen Plätze wurden im Durch⸗ schnitt aller Linien des ganzen Netzes und aller Jahreszeiten in der I. Klasse mit 9,7 % gegen 9,2 % im Vorjahre, in der II. Klasse mit 19,7 % gegen 20,4 %, in der III. Klasse mit 23,8 % gegen 23,6 %, und in der IV Klasse mit 33,7 % gegen 32,2 % benutzt. Die auf jede Fahrkarte durchschnittlich zurückgelegte Wegestrecke ist von 28,63 km im Vorjahre auf 28,52 km im Berichtsjahre zurückgegangen, ebenso hat sich die durchschnittliche Wegestrecke der Reisenden der II. Klasse von 45,28 km auf 45,04 km, die der Reisenden IV. Klasse von 30,75 km auf 30,10 km verringert. Dagegen ist bei der I. Wagenklasse eine unahme der durchschnittlichen Wegestrecke von 98,51 km auf 104,62 km, bei der Militärbeförderung von 80,81 km auf 83,98 km und bei der III. Wagenklasse von 21,72 km auf 21,76 km eingetreten. Die An⸗ zahl der rerausgabten Rundreisehefte stieg von 188 992 im Vorjahre auf 220 550 im Berichtsjahre, also um 16,7 %. Dabei hat die III Klasse die erheblichste absolute Steigerung erfahren, indem bei derselben die Zahl der verkauften Hefte um 15 653 oder 15,8 % zu⸗ genommen hat, während bei der II. Klasse eine Zunahme von 15 068 Heften oder 17,3 % und bei der I. Klasse eine solche von 842 Heften oder 27,5 % eingetreten ist. Auch der Schlafwagenverkehr hat nicht unerheblich zugenommen und stiegen die Einnahmen aus demselben von 385 400 ℳ im Vorjahre auf 501 234 ℳ im Berichtsjahre. Bei der Beförderung von Gepäck und Hunden stiegen die Einnahmen von 4 877 328 ℳ auf 5 281 527 ℳ, die sonstigen Einnahmen brachten gegen das Vorjahr einen Mehrertrag von 88 099 ℳ, indem sie von 271 048 ℳ auf 359 147 ℳ stiegen.
Der Gesammtgüterverkehr brachte im Berichtsjahre eine Einnahme von 604 054 648 ℳ, um 8 % mehr als im Vorjahre, wo sich die Einnahmen daraus auf 559 319 202 ℳ stellten. Der Antheil des Güterverkehrs an der Gesammteinnahme betrug im Berichtsjahre 70,6 % gegen 71,5 % im Vorjahre. Die auf 1 km der durchschnitt⸗ lichen Betriebslänge entfallende Einnahme stieg von 24 449 ℳ in 1888/89 in 1889/90 auf 25 669 ℳ Von der Gesammteinnahme des Güterverkehrs entfielen auf den Binnenverkehr des gesammten Staats⸗ bahnnetzes 72,4 %, auf den Verkehr mit fremden Bahnen, einschließ⸗ lich des Durchgangsverkehrs 27,6 %.. Von der Gesammteinnahme entfielen auf Frachtgut 528 223 636 ℳ oder 87,4 % gegen 490 396 332 ℳ oder 87,4 % im Vorjahre, auf Militärgut, Leichen, frachtpflichtiges Dienstgut und Nebenerträge 43 228 934 ℳ oder 7,1 % gegen 38 914 355 ℳ oder 7 % im Vorjahre; auf Vieh 19 176 792 ℳ oder 3,2 % gegen 17 610 116 ℳ oder 3,1 % im Vorjahre; auf Eil⸗ und Expreßgut 12 479 555 ℳ oder 2,1 % gegen 11 614 038 ℳ oder 2,1 % im orjahre, und auf Postgut 945 731 ℳ oder 0,2 % gegen 784 361 ℳ oder 0,1 % im Vorjahre.
Statistik und Volkswirthschaft.
Der Ausschuß des Centralvereins für Hebung der deutschen Fluß⸗ und Kanal⸗Schiffahrt
berieth gestern über die Nothwendigkeit, Einrichtungen von Lösch⸗ und
Ladeplätzen an der Spree in Berlin herzustellen, und beschloß, eine
Kommission einzusetzen, welche eine Denkschrift hierüber aus
arbeiten soll. v1““
Zur Arbeiterbewegung.
Dem soeben erschienenen Kommissionsbericht des Reichstags über das Arbeiterschutzgesetz entnehmen wir folgende, auf die Arbeitseinstellungen im Deutschen Reich bezüglichen Mit⸗ theilungen: 8 In der Zeit vom 1. Januar 1889 bis Ende April 1890 haben im Deutschen Reiche im Ganzen 1131 größere gewerb⸗ liche Arbeitseinstellungen, d. h. folche, bei welchen mehr als zehn Ar⸗ beiter betheiligt waren, stattgefunden. Es waren bei diesen Arbeits. einstellungen in dem erwähnten sechszehnmonatlichen Zeitraum 394 440 Ar⸗ beiter ausständig. Von diesen entfallen auf Preußen: 289 283, Elsaß⸗ Lothringen: 32 390, Hamburg: 26 002 und Sachsen: 22818 In den übrigen deutschen Staaten hatten die Arbeits⸗ einstellungen einen wesentlich geringeren Umfang. ausständigen Arbeitern waren 264 407 oder gegen 67 % kontrakt⸗ brüchig. In Preußen belief sich die Zahl der kontraktbrüchigen Arbeiter auf 210 664 oder gegen 73 %. Hier waren von den nicht kontraktbrüchigen Arbeitern 46 299 kontraktlich zur jederzeitigen Einstellung der Arbeit berechtigt. In Preußen haben somit nur 32 320 Arbeiter die Arbeit nach erfolgter Kündigung eingestellt, d. h. etwa 11 % von den 289 283 Arbeitern, die überhaupt ausständig waren. Unter den
394 440 im Deutschen Reich aus ändigen Arbeitern konnten 43 412,
d. h. etwa 11 % Minderjährige ermittelt werden. Jedoch war die wirkliche Zahl der minderjährigen ausständigen Arbeiter noch größer da bei vielen Arbeitseinstellungen die nachträgliche Feststellung ihrer Zahl nicht mehr zu bewirken war. Was das Ergebniß der 1131 Arbeitseinstellungen anlangt, so haben in 187 Fällen die Arbeiter ihre Forderungen gänzlich, in 468 Fällen zum Theil und in 420 Fällen
arnicht durchgesetzt. Das Ergebniß der übrigen Ausstände war zur “
eit der Beschaffung des Materials für die Zusammenstellung noch nicht bekannt. Von der Gesammtzahl der Ausständigen im Deutschen Reich entfielen 8 190 357 oder gegen 48 % auf den Bergbau, 72 186 oder gegen 18 % auf das Baugewerbe, 47 166 oder en 12 % auf die Textilindustrie, 16 665 oder en 4 % auf die Metallindustrie,
68 066 oder g 17 % auf die übrigen Gewerbe.
Für Preußen konnte festgestellt werden, daß, nach den ver⸗ schiedenen Gewerben berechnet, die Arbeit nach erfolgter Kündigund eingestellt haben:
von den Bergarbeitern nicht ganz .. %
die übrigen 99 ¾ % waren kontraktbrüchig, 8 von den Arbeitern der Metallindustrie .... von den im Baugewerbe beschäftigten Arbeitern 16 von den Textilarbeitern . . . ... 343 von den in den übrigen Gewerben thätigen ẽ 11114X“]
7½
42 ½ 0
In Prenzlau hat eine Versammlung nach einem Vortra des soztaldemokratischen Stadtverordnetn Klein aus Berlin die Grün⸗ dung eines Arbeiter⸗Bildungsvereins beschlossen. Nach dem
Bericht des „Vorwärts“ („Berl. Volksbl.“) ließen sich sofort 150 Personen als Mitglieder einschreiben. . 8
Aus Kattowitz wird der „Mgdbg. Ztg.“ telegraphirt, daß der Ausstand auf den benachbarten polnischen Gruben ein 8 großen Umfang angenommen hat. Die Ausständischen verlangen eine schriftliche bindende Zusicherung von Lohnerhöhungen. 8
In Dresden fand am Montag eine nark besuchte sammlung der Arbeitslosen statt, in welcher der „Frkf. 8 zufolge mitgetheilt wurde, daß gegenwärtig in Dresden und Umgebung angeblich achtzehn Tausend Beschäftigungslose vorhanden sein sollen.
In Offenburg fand am letzten Sonntag eine von sozial demokratischer Seite einberufene Volksversammlung . in welcher „der geistige Kampf des Landtags⸗ Abgeordneten Muser gegen das Programm der Sozialdemo⸗ kratie auf der Tagesordnung stanb. Von sozialistischer Seite sprachen Rechtsanwalt Guttenstein aus Karlsruhe und Redacteur Adolf Geck aus Offenburg als Referenten. Nach der Darstellung der „Frkf. Ztg.“ hat Rechtsanwalt Muser, der persönlich in der Versammlung erschien und seine Sache führte, einen ent⸗ schiedenen Erfolg gehabt, insofern er die sozialistischen Ideen sie grei bekämpfte und den Beifall der Versammlung gewann.
Der Londoner „Allg Corr.“ zufolge will der Dockarbeiter⸗ verein seine Agitation auf dem flachen Lande, welche den Zweck hat, den Zugang der landwirthschaftlichen Arbeiter nach der Hauptstadt zu verhindern, zunächst in Oxfordshire und Hampshire beginnen. Die landwirthschaftlichen Arbeiter sollen gegen Zahlung eines Beitrags von 3 Penny die Woche in den Dockarbeiterverein aufgenommen werden und die Eintrittsgebühren sollen nur 1 Schilling betragen. — Den Reden John Burns' ist es gelungen, 61 Angestellte der Glasgow und South Western Eisenbahn zum Ausstand zu bewegen, welcher somit in eine neue Phase tritt. Auch unter den Bediensteten dieser Bahn hat es schon lange gegährt. Bisher hatte die Glasgow und South Western von dem Lohnstreit der drei anderen schottischen Bahnen nur Nutzen gezogen. Jetzt wird sich die Solida⸗ rität der Interessen auch ihr aufdrängen. — Ein weiterer großer Eisenbahnstrike droht auf der englischen Great Western Eisenbahn auszubrechen. Das Direktorium hat die Forderung seiner Angestellten auf zehnstündige Arbeitszeit, Sondervergütung für Sonntagsarbeit und Ueberzeit abgelehnt. Die einzige Konzession, welche der Verwaltungsrath zugestanden hat, ist, daß die Zugführer der Güterzüge elf Stunden statt zwölf beschäftigt sein sollen. Die Delegirten der Beamten haben am Sonnabend in Camarthen getagt und beschlossen, eine namentliche Abstimmung ö um zu entscheiden, ob ein Strike begonnen werden soll, oder nicht.
Verkehrs⸗Anstalten. “
Laut Telegramm aus Duisburg ist die englische Post über Vlissingen vom 21. Januar, 8 Uhr Vm., aus⸗ geblieben. Grund: Zugverspätung auf der Strecke Vlissingen — Venlo; längerer Aufenthalt in Boxtel.
Laut Telegramm aus Verviers ist die zweite und dritte englische Post über Ostende vom 20. Januar, 11 Uhr 5 Min. Vm. und 8 Uhr 20 Min. Nm. ausgeblieben. Grund: Vollständige Sperrung der belgischen Strecke zwischen Aus und Louvain seit 3 Uhr Morgens durch Schnee; die Strecke sollte vor Abend nicht frei werden.
Laut Telegramm aus Köln ist die erste englische Post über Ostende vom 21. Januar ausgeblieben. Grund: Verspätete Abfahrt von Ostende und Zugverspätung auf belgischer Strecke wegen Schneeverwehungen.
Hamburg, 21. Januar. (W. T. B.) Der Postdampfer „Markomannia“ der Hamburg⸗Amerikanischen Packet⸗ fahrt⸗Aktiengesellschaft hat, von New⸗York kommend, heute 2 Uhr Morgens Lizard passirt. — Der C“ „Saxonia“ derselben Gesellschaft ist, von Hamburg kommend, heute 1 Uhr Nachmittags in Prawle Point eingetroffen.
London, 21. Januar. (W. T. B.) Der Union⸗Dampfer „Tartar“ ist auf der Heimreise von Madeira abgegangen.
Von den 394 440
zum Deutschen
zeiger und Königlich Preu
Berlin, Donnerstag, den 22. Januar
1891.
Kunst und Wissenschaft.
8 AS8. 8b * 8₰ 8 . Das Germanische Museum in Nürnberg Seitens Ihrer Königlichen Hoheit der Großherzogin Sophie von Sachsen⸗ Weimar sowie von Sr. Hoheit dem Herzog Georg von Sachsen⸗ Meiningen die Zusage jährlicher Beiträge von 200 bezw. 100 ℳ erhalten. Der „Anzeiger“ des Museums veröffentlicht in seiner neuesten Nummer (6 für November⸗Dezember 1890) ferner ein statt⸗ liches Verzeichniß neu angemeldeter Jahresbeiträge von Stadt⸗ gemeinden, Korporationen, Vereinen, Aastalten und Privatversonen. Namhafte Stiftungen haben ferner gemacht: Fabrikbesitzer Johannes Zelter in Nürnberg (85, ℳ für die Vermehrung der Sammlungen im Allgemeinen), Kommerzien⸗Rath A. Probst in Immenstadt (400 ℳ für Zwecke des Handelsmuseums) und Legations⸗Rath Freiherr Heinrich von Tucher, Königlich bayerischer Geschäfts⸗ träger in Paris (100 ℳ zur Tilgung der durch den Ankauf der Sulkowski'schen Sammlung erwachsenen Schuld.) Unter den neueren Erwerbungen verdient besondere Hervorhebung der Ankauf eines Bildes von Rembrandt, das als die Perle der reiherrlich von Bodeck⸗Ellgau’'schen Gemälde⸗Galerie galt. Diese Jugendarbeit des großen Künstlers stellt den tief in Gedanken ver⸗ sunkenen heiligen Paulus dar. Die Galerie des Museums hat dadurch eine werthvolle Bereicherung erhalten. In den „Mittheilungen“ des Museums setzt Dr. Wendt die Publikation der Kaiserurkunden aus dem Archiv des Germanischen Museums fort; die neue Serie umfaß die Urkunden vom Tode Rupprecht's bis zur Wahl Carl's V. (1410 bis 1519). Ferner liegen der Nummer des „Anzeigers“ die Schluß⸗ “ des Katalogs der Originalskulpturen nebst vier Holzschnitttafele azu bei
ha
h Mannigfaltiges. 1
Das Geburtsfest Sr. Majestät des Kaisers und Königs wird von der Universität am 27. Januar, Mittags 12 Uhr, im großen Hörsaale des Universitätsgebäudes, von der Königlichen Technischen Hochschule (Charlottenburg, Berliner Straße Nr. 151) am 26. Janua ds, in der Aula durch einen Festakt gefeiert werden 8 “ .“
8 1 In einem experimentellen Vortrag machte gestern Hr. Paul Spies in der Urania den Versuch, einem gebildeten Laienpublikum die Beziehungen zwischen Licht und Elektrizität zu erklären Da alle Naturerscheinungen auf Kräfte und diese auf die Bewegung und zwar auf die Wellenbewegung zurückzuführen sind, so machte der Vortragende an Versuchen mit einem Seil und einer Spiral⸗ feder die Zuhörer erst mit der Art der Bewegungen der Wellen bekannt. Er gab eine Erläuterung von den Begriffen von Thal und Berg bei den Wellen und zeigte, wie je nach der Stärke und der Schnelligkeit der Einwirkung auf das Seil, auf die Spiralfeder u. s. w. die Wellenbewegung eine einfache oder mehrfache sein kann Ueber⸗ gehend zu den Wellenbewegungen des Wassers, des Schalles, der Wärme und des Lichtes wies er darauf hin, daß alle Wellen⸗ bewegungen sich nach demselben Gesetz richten, daß sie in demselben Winkel von einer Wand zurückgeworfen werden, in dem sie gegen dies Wand treffen. Weiter. ging er auf die Größe der Wellen ein und erwähnte, daß die Wärmewellen einige Tausendstel Millimeter groß, alio etwa von der Größe der kleinsten Bakterien, die Lichtwellen aber noch viel kleiner seien. Hr. Spies kam sodann auf die Elektrizität zu sprechen und führte aus, daß auch diese Kraft sich auf die Bewegung in Wellen oder Schwingungen zurückführen lasse. Die elektrischen Schwingungen sind theoretisch zuerst von Helmholtz vor etwa fünfzig Jahren an⸗ gegeben, von Feddersen experimentell untersucht worden. Faraday dagegen ist der Erste, welcher Beziehungen zwischen Licht und Elek⸗ trizität entdeckt zu haben glaubte, Hertz hat diese Theorie weiter ausgebildet und die Identität von Licht und Elektrizität be⸗ hauptet; der endgültige Beweis für diese Identität, so wahrscheinlich sie auch sei, stehe indeß, wie Hr. Spies bemerkte, noch aus. Die Hertz'schen Versuche haben gezeigt, daß die wellenartige Wirkung der elektrischen Schwingungen sich fortpflanzt in einer Ge⸗ schwindigkeit von 300 Millionen Metern oder 40 000 Meilen in der Sekunde, mit derselben Geschwindigkeit also wie das Licht, während die Wärmewellen nur eine Geschwindigkeit von 50 000 Metern in der Sekunde haben, und daß bei der Elektrizität überhaupt analoge Versuche wie beim Licht möglich sind. Danach scheint es erwiesen, daß die Licht⸗ und Wärmestrahlen mit ben elektrischen ein einheitliches Gebiet bilden im Gegensatz zur Mechanik und dem Schalle. Alle wissenschaftlichen Behauptungen des Redners wurden durch zweckentsprechende und wohlgelungene Versuche erläutert und bewiesen, so daß der Vortrag gleichzeitig als in hohem Grade be⸗ lehrend und unterhaltend bezeichnet werden kann. Durch allgemeinen lauten Beifall wurde Hrn. Spies der Dank der Zuhörer ausgedrückt.
Der Verein zur Speisung armer Kinder und Noth⸗ leidender hielt gestern Nachmittag unter Vorsitz der Frau Agnes Blumenfeld im Bürgersaale des Rathhauses die sechzehnte Jahres⸗ versammlung ab. Dem von Hrn. Blumenfeld erstatteten Geschäfts⸗ bericht zufolge befanden sich in der Pflege des Vereins im letzten Jahre über 800 Familien, welche insgesammt für 487 ℳ warme Speisen, für 4998 ℳ Lebens⸗ und Stärkungsmittel und für 213 ℳ sonstige Unterstützungen erhielten. Volksküchenmarken sind weniger als bisher vertheilt, dagegen haben sich die Aufwen⸗ dungen für Naturalien wesentlich erhöht. Kinder und Rekon⸗ valeszenten erhielten Milch, außerdem wurden Decken und Stroh⸗ säcke vertheilt, und zwar namentlich auch an Fomilien mit Kranken, um etwaige Ansteckungsgefahr zu vermeiden. Die ungewöhnlich strenge Kälte dieses Winters hat den Vorstand endlich auch veranlaßt, Heizmaterialien zu vertheilen, doch bedarf gerade dieses neue Gebiet der Vereinsthätigkeit noch sehr finanzieller Unterstützung. Die seit 1883 eingeführte Frühstücksvertheilung an Gemeindeschüler findet jetzt in 140 Schulen statt und verursachte eine Ausgabe von 3240 ℳ Ganz nüchtern zur Schule kommende erhalten Milch, Suppe oder Kaffee, zum Frühstück selbst giebt es Schrippen oder Brot. Gerade diese Frühstücksvertheilung hat den günstigsten Einfluß auf den Fleiß, die Aufmerksamkeit und den pünktlichen Schulbesuch geäußert. Andere Städte abmen in Folge dessen diese Art der Wohlthätigkeit nach. Seit dem 1. Mai v. J. vertheilt der Verein auch Mittagessen an diejenigen Blinden der städtischen Blindenschule und an diejenigen Zöglinge der Volkskindergärten in der Gräfe⸗ und in der Bartenstraße, welche den ganzen Tag über in den Anstalten verbleiben. Die Ausgaben hierfür betrugen 534 ℳ Die so entstandenen Gesammtausgaben belaufen sich auf 14 428,49 ℳ% Zu ihrer Deckung bedurfte es auch in diesem Jahre wieder besonderer Veranstaltungen. An Beiträgen von 600 Mitgliedern und an Geschenken standen 3246, an Zinsen 874 ℳ zur Verfügung. Der von Ihrer Majestät der Kaiserin, Ihrer Majestät der Kaiserin Friedrich und Ihren Königlichen Hoheiten den Prinzessinnen Victoria und Margarethe unterstützte Bazar brachte 4718 ℳ, die Hauskollekte 7815 ℳ Der Vaterländische Frauenverein bewilligte einen Beitrag von 300 ℳ Die Gesammteinahme belief sich auf
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16 821,90 ℳ, an Vermögen besitzt der Verein 26 300 ℳ — Im neuen Jahre hofft der Verein durch die Zusendungen von Skat⸗ spielern, deren erste Gaben heute eingegangen sind, neue Einnahmen zu erhalten. Ertbeilung von Decharge und Wiederwahl des Vor⸗ standes schlossen die Versammlung. .“
Die Volks⸗Kaffee⸗ und Speisehallen⸗Gesellschaft eröffnete am 27. Januar 1889 in der Niederwallstraße 31 ihre erste Halle zu dem ausgesprochenen Zweck, durch deren Betrieb diejenigen Erfahrungen zu sammeln, nach denen derartige Anlagen in größerem Maßstabe hier einzurichten wären, ähnlich wie solche in anderen deutschen und namentlich englischen Städten mit großem Nutzen für die minder begüterte Bevölkerung seit Jahren bestehen. Schon die Erfahrungen des ersten Betriebsjahres veranlaßten die Gesellschaft ein Grundstück anzukaufen, um einen Neubau für ihre Zwecke auf⸗ zuführen, der soweit vorgeschritten ist, daß die Eröffnung der zweiten, aber ersten großen Volks⸗Kaffee⸗ und Speisehalle im April erfolgen kann. Nunmehr liegen auch die Ergebnisse des Um⸗ satzes in der ersten (Versuchs⸗) Halle, Niederwallstraße 31, für das zweite Betriebsjahr vor. Dort wurden verkauft: 306 547 Tassen Kaffee, 38 869 Gläser Milch und Buttermilch und 211 Tassen Thee zu je 5 ₰; ferner 7637 Tassen Chokolade, 2369 Tassen Fleischbrühe und 1094 Satten saure Milch zu je 10 ₰. An sonstigen Getränken wurden umgesetzt 17 410 Seidel Bier à 0,4 1 zu 10 ₰ und 83 753 Seidel à 0,2 1 zu 5 ₰, 3284 Flaschen Weißbier zu 10 ₰ und 2033 Gläser Apfelwein zu 5 ₰. Im Vergleich mit dem Vorjahre wurden 24 500 Getränke, darunter 13 000 Tassen Kaffee mehr um⸗ gesetzt. An Gebäck betrug der Umsatz: 137 781 trockene Brötchen und Schrippen zu 2 ½ ₰, 102 236 geschmierte zu 5 ₰ und 18 617 belegte zu 10 ₰, ferner 96 290 Stücken Kuchen Einige kalte Speisen, wie gekochte Eier, marinirte Heringe, Kartoffelsalat, Sülze, Wurst und Käse, übergehend, verzeichnen wir noch, daß an warmem Essen Mittags 102 882 Portionen zu 30, 20 und 10 ₰, wobei die halbe Portion zu 20 ₰ mit 71 394 die Hauptrolle spielt, an Abendessen, zu Preisen von 25 bis 5 ₰ 61 442 Por⸗ tionen verabreicht wurden, endlich 62 000 Cigarren und 23 000 Cigaretten — Dieser enorme, unter immerhin schwierigen Betriebsverbaͤltnissen erzielte Umsatz rechtfertigt vollkommen daß die Gesellschaft bereits mit der Eingangs erwähnten Einrichtung einer großen Halle in verkehrsreichster Gegend vorgegangen ist, der fernere folgen sollen. Die Gesellschaft selbst gewährt keinerlei Almosen, ihre Preise und Leistungen sind so bemessen, daß eine mäßige Verzinsung des Anlagekavitals stattfinden kann; um aber Anderen zu ermöglichen, durch ihre Vermittelung Wohlthaten zu erweisen, ver⸗ kauft sie Speisemarken zu 30 und 20 ₰, welche in der Halle, Nieder⸗ wallstraße 31 und Unter den Linden 12 II bei Hrn. E. Minlos zu kaufen sind.
Die 18. allgemeine Geflügelausstellung der „Cypria“ wird morgen in den Räumen der zweiten Etage des Equitable⸗Palastes eröffnet werden. Schon heute früh traten die Preisrichter zusammen um die Aufgabe der Beurtheilung möglichst noch vor der Eröffnung der Ausstellung zu beenden. Die Schau giebt mit ihren 1573 Num⸗ mern ein überraschendes Bild von der hohen Entwickelung der Ge⸗ flügelzucht; nicht nur Deutschland mit allen seinen landwirthschaftlich maßgebenden Gebieten, auch Oesterreich⸗Ungara, Belgien und Enz⸗ land sind durch auserlesene Thiere der geschätztesten Rassen vertreten. Insgesammt haben 235 Aussteller die Schau beschickt. Die Aus⸗ stellung bleibt bis zum 27. Januar geöffnet. 18
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Die hiesige Innung der Pfefferküchler und Konditoren beging gestern in den Gesammträumen der Theerbusch'schen Ressource die Weihe der neubeschafften Fahne Die Fahne ist aus blauer und weißer Seide und ebenso reich wie geschmackvoll gestickt. Auf dem weißen Felde sieht man das Innungswappen, den Bienenkorb mit dem Bär, dem fackeltragenden Adler und der Sonne; darüber steht der Wahlspruch der Innung: „Non soli cedit“; Eichenlaub umrahmt das Ganze. T111.““ den ö“ 86 Krone, darunter den Be r Boᷓ nd zu Seiten derselben die Jahreszahle 725 z rselben die Jahreszahlen 1725
Verkehrsstörungen durch Schneefall und Eis.
Danzig, 20. Januar. Die Eisbrechdampfer „Ossa“ und „Weichsel“ liegen der „D. Z“ zufolge jetzt im Winterhafen zu Dir schau. Die Weichsel ist unterhalb der Brücke so versandet, daß der Dampfer „Weichsel“ verankert wurde, um dann den Dampfer „Nogat“ zurch Taue und Dampfwinde über eine Sandstelle zu schleppen. Das Kerneis an der Dirschauer Weichselbrücke hat eine Staͤrke von 72 cm.
as Schlammeis ist etwa 2 m dick. Hirschberg i. Schl., 22. Januar. Wie das Eisenbahn⸗ Betriebsamt Görlitz meldet, ist der Güterverkehr in vollem lenanse G aufgenommen worden.
Lattowitz, 20. Januar. In Oberschlesien herrschen nach der „Madb. Z.“ Schneestürme. Die Sonntag wieder eröffnete ge der linie Jägerndorf —Ratibor ist abermals schneeverweht und ge⸗ sperrt. Auf den anderen Linien kommen kolossale Stockungen vor. In Galizien wurde der Bahnverkehr auf mehreren Linien gänzlich eingestellt.
„Altona, 21. Januar. Das Köntgliche Eisenbahn⸗Be⸗ triebsamt macht bekannt: Die Strecke Neumünster —Asche⸗ berg ist in Folge Schneeverwehung bis auf Weiteres gesperrt. „Bochum, 21. Januar. In Folge Schneefalles ist laut Meldung des „D. B. H.“ der Eisenbahnverkehr auf vielen Strecken gehemmt. Der Schnee liegt an manchen Stellen 4 Fuß hoch. Kdöln a. Rh., 21. Januar. Seit 24 Stunden herrscht nach einem Telegramm des „W. T. B.“ hier, mit nur kurzen Unter⸗ brechungspausen, heftiges Schneetreiben, alle ankommenden Züge haben bis zu 4 ½ Stunden Verspätung, der Pariser Abend⸗Schnellzug ist bei Herbesthal im Schnee stecken geblieben. Die Ruhrzechen melden daß ein Kohlenversand unmöglich sei. Aachen, 21. Januar. In Folge starker Schneeverwehungen mußte, wie das „W. T. B.“ meldet, der Betrieb auf den Strecken Würselen —Stolberg, Alsdorf — Höngen, Aachen —Rothe Erde und Rothe Erde — Brand heute eingestellt werden. Die Wieder⸗ aufnahme des Betriebs erfolgt voraussichtlich morgen früh. Kehl. Mit jedem Tage mehren sich die Nachrichten über das Zufrieren von Flüssen und Seen; nachdem schon seit Wochen die kleineren und mittleren Flusläufe fest zugefroren sind, ist nun auch der Rheinstrom auf viele Meilen zum Stehen gekommen und steht bei Fortdauer der jetzigen strengen Kälte eine weitere Ausdeh⸗ nung der Eisbildungen auch auf dem Oberrhein zu erwarten; mußte doch wegen starken Eisganges am 19. d. M. die Eisenbahn⸗Schiff⸗ brücke bei Maxau abgefahren werden. Nicht ohne schwere Besorgnisse sehen daher die Uferbewohner dem Eintritt des Thau⸗ wetters und dem Aufbrechen des Eises entgegen. „Mit um so leb⸗ hasterem Dank“, schreibt die „Karlsruher Ztg.“, „wird es daher aller⸗ orts von der in erster Linie bedrohten Bevölkerung in der Nähe der Flußläufe begrüßt werden, daß auf unmittelbaren Befehl Sr. Majestät des Kaisers bei der Ausführung der zur thunlichsten Abwendung der Eisgefahr zu ergreifenden Maßnahmen Pionier⸗ Kommandos möglichst ausgiebig mitwirken und Falls erforderlich,
schon jetzt an die bedrohten Stellen entsandt werden sollen.
Demgemäß ist das Badische Pionier⸗Bataillon in Kehl Seitens des General⸗Kommandos des XIV. Armee⸗Corps angewiesen worden, den Wasserbaubehörden auf deren Ersuchen entsprechende Kommandos für die Vornahme der erforderlichen Sicherungsarbeiten zur Verfügung zu stellen. Außerdem sind die Wasserbaubehörden von der Militärverwaltung ermächtigt worden, bei eintretendem Eisgange einen augenblicklichen größeren Bedarf an Arbeitskräften durch tele⸗ graphische Requisition bei dem nöchsten Garnisons⸗Kommando zu decken. Von dem dankenswerthen Entgegenkommen der Militärbehörde wurde bereits Gebrauch gemacht, indem um Entsendung eines Pionier⸗Kom⸗ mandos zu den für den⸗Schutz der Neckarbrücken in Mannheim, bei Ladenburg und in Heidelberg schon eingeleiteten Eislösungsarbeiten im Neckar gebeten worden ist. Die gleiche Maßnahme ist für die Murg in Aussicht genommen So kann, Dank der voraussehenden Fürsorge des Kaisers, die Bevölkerung des Landes mit dem be⸗ ruhigenden Gefühle, daß im Falle der Gefahr Hülfe in ausreichendem Maße zur Stelle sein, und daß von unseren Truppen unter der Leitung ihrer Offiziere das Mögliche zum Schutze und zur Erhaltung von Leben und Eigenthum geleistet werden wird, der Stunde entgegen⸗ sehen, wo die Eisdecke unserer Flüsse sich löst, und die gewaltigen Eismassen sich in Bewegung setzen.“
Braunschweig, 21. Januar. In Folge der wehungen mußte nach einer Meldung des „W. T. B.“ auch d Braunschweigische Landeseisenbahn auf einzelnen Strecken den Betrieb einstellen. Der gesammte Verkehr auf der Bahnstrecke Hildesheim — Goslar ist eingestellt. Der in der letzten Nacht bei Woltwiesche im Schnee stecken gebliebene Zug wurde heute Mittag freigemacht. Die Linie Braunschweig — Hildesheim ist wieder frei, wird jedoch noch nicht für Eilzüge benutzt. Nach allen Richtungen sind bedeutende Zugverspätungen. Jetzt ist Thauwetter eingetreten.
„Braunschweig, 22. Januar. während der vergangenen Nacht isr die Strecke Braunschweig — Hildesheim noch gesperr:. Die Blitzzüge Köln — Berlin werden über Hannover befördert. Auch die Bahnstrecken Eilsleben — Neubaldensleben und Elze —Hameln mußten wegen Schnee⸗ verwehungen den Betrieb einstellen. Blankenburg, 22. Januar. n Folge von erneuten heftigen Schneestürmen ist lal ung des „W. T. B.“ der Verkehr im Harz und dessern ängen fast gänzlich unter⸗ brochen. Auf der Strecke § erstadt — Blankenburg mußte der Verkehr ebenfalls wieder eingestellt werden. Sogar die Posten sind an vielen Orten nicht zu beförd
Warnemünde, 22. Januar. D im Eis befindliche Dampfer „Goetheborg“ von Marstrand wurde, wie das
„W. T. B.“ berichtet, gestern Mittag von dem hiesigen Lootsen⸗ Kommandanten Jantzen und einundzwanzig Hülfsmannschaften, die mit Boot, Schlitten und Geräthen drei Stunden über Eis gegangen waren, erreicht. Mit ihrer Hülfe gelang die Freimachung des Schiffes; dasselbe konnte am späten Nachmittag alsdann rückwärt;z aus dem Eise kommen. Der Dampfer beabsichtigt, in Trelleborg Kohlen zu nehmen, um Kolberg zu erreichen.
Lübeck, 21. Januar. Durch Schneestürme sind laut Mel⸗ dung des „W. T. B.“ große Verkehrsstörungen hervorgerufen.
Alle Züge treffen bedeutend verspätet ein. Der Betrieb zwischen Oldesloe und Neumünster ist gefährdet. Die hiesigen Pferde⸗ bahnen haben den Betrieb eingestellt. 8 1
Cuxhaven, 22. Januar. Ueber die Eisverhältnisse ent⸗ nehmen wir dem „Hamburger Correspondenten“ Folgendes: Der
Hafen ist mit einer festen Eisschicht bedeckt, eine Bewegung der Eisschicht durch Ebbe und Fluth ist nicht mehr wahr⸗ zunehmen. Für kleine mit schwachen Maschinen ausgerüstete Dampfer ist das Fahren durch das dichte Eis des Hafens nicht mehr rathsam, da selbst im Falle des Durchkommens sowohl der Rumpf wie auch die Maschine des Schiffs sehr stark mit⸗ genommen werden, wie man dies gegenwärtig an verschiedenen an den Werften liegenden Fahrzeugen beobachten kann Die Schrauben und Steuer der Schiffe leiden ebenfalls ganz bedeutend bei dem gewalt⸗ samen Vorwärtsarbeiten in dem dichten und sehr harten Eise. Die besten Gußstahl⸗Propeller gehen verloren, sobald sie mit voller Kraft auf große treibende Schollen schlagen, was bei der Dicke der Eis⸗ massen, stellenweise im Hafen 5—6 und noch mehr Fuß, selbst bei der größtmöglichen Belastung der Fahrzeuge nicht zu verhindern ist. Viele Dampfschiffsbesitzer, selbst einige größere Bugsirgeschäͤfte haben Schrauben aus Kompositionsmetall bestellt, welchen eine größere Haltbarkeit als den eisernen oder stählernen nachgerühmt wird. Ein Verbiegen der einzelnen Flügel ist jedenfalls auch hier nicht ausgeschlossen. Von Cuxhaven und Brunshausen, sowie von dem ganzen unteren Revier lauten die Nachrichten über die Eisverhältnisse sehr ungünstig. Der „Eisbrecher II“ erlitt Schaden an der Maschine, in Folge dessen dieser jetzt so nöthige Dampfer zur Reparatur nach Stülken's Dock geschafft werden mußte. „Eisbrecher I“ und der „Atlas“ sind freilich noch im Betriebe, ob diese aber den sich ihnen bietenden Schwierigkeiten noch lange gewachsen sind, ist kaum anzunehmen, da das Eis bei Altenbruch ihnen schon den Weg für einige Zeit versperrte. Die „Oceana“, welche neben der „Auguste Victoria“ bei Blankenese fest⸗ saß, ist aufgekom men, ebenso kam Dampfboot „Lincoln“ an die Stadt. „Pinnas“, von Sunderland kommend, versuchte in den Cuxhavener Hafen einzulaufen, die treibenden Eismassen verhinderten dies jedoch. Das Dampfschiff „Orient“, welches auf Kratzsand auf Grund war, ist flott geworden. Dampfer „Plover’ brachte vier Mann der gestrandeten Bark „Eragon“ und weitere vier Leute von dem „Senator Iken“ vom ersten Feuerschiff nach Cuxrhaven. Dem Schlepper „Centaur“ gelang es, den von seiner Vertäuung losgerissenen und im Cise treibenden Dampfer „Hansa“ aufzupicken und in den Hafen zu bugsiren. Der „Jacob Prosoroff“ mußte drei Schlepper zu Hülfe nehmen, um in Sicherheit zu kommen. Das von London kommende Boot „Swan“ wurde beim ersten Feuerschiff von den Eismassen ins Treiben gebracht. Die gestrandete englische Bark „Kinfauns“ ist von sechs Leuten aus Duhnen besetzt, also als Strandgut betrachtet worden. Das Schiff „Arcturus“, welches bei einer Kollision im Eise mit der „Kinfauns“ beschädigt wurde, signa⸗ lisirte um Hülfe. Bei Brunsbüttel sitzt das Dampfboot „Norman Prince“ noch immer hülflos im Eise. — Die aufkommenden Schiffe sind mit Rücksicht auf die schweren Eisverhältnisse von dem Einlaufen in den Quarantänehafen bei Cuxhaven entbunden. Die Commandeure der Hafenpolizei haben die Befugniß erhalten, den Schiffen nach Ein⸗ sichtnahme der Papiere ohne Hinzuziehung eines Arztes die Erlaubniß zum Passiren zu ertheilen.
Hamburg, 21. Januar. Wie große Schwierigkeiten Frost und Schnee neben anderen Verkehrsstörungen dem Eisenbahn⸗ verkehr bereiten können, beweist, wie wir der „N. Pr. Z.“ ent⸗ nehmen, die Erzählung eines Reisenden, der am Sonnabend mittels Schnellzuges von Leipzig nach Hamburg fuhr. Danach fuhr der Schnellzug mit sechs Wagen von Leiprig ab, kam aber nur mit einem Wagen in Hamburg an. Die übrigen Wagen waren durch Reifenbrüche und sonstige Beschädigungen unterwegs zur Weiterbenutzung untauglich geworden und mußten ausgesetzt werden Die „Hamburgische Börsenhalle“ berichtet: Bei sehr starkem Barometerfall ist leichtes Thauwetter eingetreten. Bei Cuxhavon ist der Strom ganz, bei Brunshausen zur Hälfte eisfrei. Es ist Aussicht vorhanden, daß die Schiffahrtsverhältnisse sich günstiger
Wegen starken Schneefalls
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gestalten werden.