1891 / 26 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 29 Jan 1891 18:00:01 GMT) scan diff

seien. Selbstverständlich mache sich bei dem vorliegenden Etat diese Erhöhung geltend. Bei der Bewilligung des Nachtrags habe der Reichstag zwei Resolutionen angenommen, deren erste die Regierung ersucht habe, das Verhältniß der etatsmäßigen Stellen zu den diätarisch beschäftigten Beamten allgemein einer Prüfung zu interziehen und vorhandenen Mißverhältnissen durch Vermehrung der etatsmäßigen Stellen abzuhelfen. Dieser Resolution sei Folge gegeben, denn das Hülfspersonal erfahre nur eine Zunahme von 15 %, während die Zunahme bei den etatsmäßigen Beamten 40 % betrage. Die zweite Resolution habe die Regierungen um Er⸗ wägungen ersucht, ob sich nicht eine allgemeine Einführung der Dienstaltersstufen für die Besoldung der etatsmäßigen Beamten empfehle. Nach den Erklärungen der Regierung in der Kommission sei dieselbe noch mit Erwägungen in dieser Richtung beschäftigt, ein Resultat liege also noch nicht vor. In der daran anknüpfenden Dis⸗ kussion sei hervorgehoben worden, daß sich die Alterszulagen in Preußen, speziell beim Eisenbahn⸗Etat, bewährt hätten, und daß auch der preu⸗ ßische Finanz⸗Minister darauf hingewiesen habe. In der Kommission habe ferner die Regierung die Grundsätze entwickelt, nach welchen möglichst für Sonntagsruhe der Beamten gesorgt und fast jedem Beamten die Möglichkeit des Kirchenbesuchs gegeben sei. Bezüglich der Sonntagsarbeit in der Reichsdruckerei habe die Regierung er⸗ klärt, sich dieselbe in der letzten Zeit nicht habe umgehen lassen, weil das Budget habe fertig gestellt werden müssen und gleichzeitig die Marken für die Invaliditäts⸗ und Altersversicherung eine be⸗ deutende Mehrarbeit erfordert hätten. Die Sonntagsarbeit in der Reichsdruckerei finde nur in unbedingt nothwendigen Fällen statt. G Abg Funck: Schon 1889 sei Seitens der Abgg. Schmidt (Elber⸗ feld) und Baumbach ausgeführt worden, daß eine weitere Herabsetzung der Gebühren und Abonnementsgelder für die Benutzung des Tele⸗ phons außerordentlich wünschenswerth sei. Man habe damals geglaubt, diese Herabsetzung zunächst auf Städte mit mindestens 150 000 Ein⸗ ohnern beschränken zu können. Eine solche Beschränkung scheine ihm aber nicht nothwendig, und auch der Staatssekretär habe damals gemeint, daß, wenn eine Herabsetzung eintreten sollte, diese für die gesammten Fernsprecheinrichtungen gelten müsse. Im Ganzen seien ie damaligen Anregungen aber resultatlos verlaufen. Jetzt sei aber seit geraumer Zeit nicht bloß in den Tagesblättern auf die Noth⸗ wendigkeit einer Herabminderung der Gebühren hingewiesen worden, ondern es hätten sich jüngst auch sämmtliche Handelskammern, die 1 die berufensten Vertreter der Verkehrsinteressen seien, dafür aas⸗ esprochen. Die Gebühren für den Fernsprechanschluß seien im Jahre 1884 von 200 auf 150 ermäßigt worden, ohne daß ein nennens⸗ verther Ausfall in den Einnahmen zu verzeichnen gewesen sei. Heute könnte der Satz sehr wohl auf 100 ermäßigt werden, denn die weitere Ausdehnung würde den Ausfall sofort decken. Auch die Einzelgebühr von 1 scheine ihm zu hoch. Die „Frankfurter Zeitung“ habe noch jüngst darauf hingewiesen, daß in Eng⸗ land die Einzelgebühr je nach der Entfernung 40—75 be⸗ age. Ferner wäre eine Verzichtleistung der Postverwaltung auf die arantie bei Neuanlage von Fernsprecheinrichtungen sehr wohl ange⸗ bracht, da ein Zurückgreifen auf diese Garantie doch bisher nicht stattgefunden habe. Die Neueinrichtung habe sich immer sofort so entabel erwiesen, daß die Garanten nicht weiter herangezogen werden brauchten. Wolle man aber die Forderung einer Garantie auch deiter aufrecht erhalten, so müßte man den Garanten, die doch nach der Ansicht der Postverwaltung ein Risiko übernähmen, auch einen kleinen Vortheil gewähren, was bisher nicht der Fall gewesen sei. Der Ausschuß des deutschen Handelstages habe im Dezember v. J. in Hamburg eine Resolution einstimmig angenommen, wonach eine solche Garantieforderung als nicht gerechtfertigt bezeichnet werde, Falls nicht nur Interessen einzelner Personen in Frage kämen, und daß eine solche Bestimmung die wünschenswerthe schnelle Ausdehnung des Telephonnetzes erschwere. Eine solche Resolution sei aber um so schwerwiegender, als sie als ein Extrakt der Ansichten sämmtlicher Handelskammern betrachtet werden könne. Eine etwas liberalere Anschauung der Postverwaltung könne überhaupt in verschiedenen F der Fernsprecheinrichtungen Platz greifen; so in der der Schwesterstädte Elberfeld⸗Barmen, Hannover⸗ nden, Frankfurt⸗Bockenheim. Die Genehmigung eeiner elephonverbindung der Umgegend Frankfurts mit der Stadt elbst habe der Staatssekretär allerdings in der letzten Zeit ertheilt, und er (Redner) hoffe, daß die Arbeiten sehr bald in Angriff genommen würden. Der Zuschlag von 100 für diejenigen, die bereits in Frankfurt einen Anschluß hätten, scheine ihm aber ein sehr hoher. Die Furcht vor einem Ausfall der Einnahmen für die Fernsprechbenutzung habe sich bisher nie als begründet erwiesen. Wie nach der Ermäßigung der Gebühren von 1884 in Folge der erweiterten Benutzung ein Ausfall nicht entstanden sei, so würde es auch heute nicht der Fall sein. Für den Anschluß an das Netz der Frankfurter Umgegend seien allein 170 Neuanmeldungen erfolgt, wofür also 42 500 an die Postverwaltung zu zahlen wären; rechne nan dazu die Einnahmen für das Stadtnetz, so ergebe sich eine Gesammteinnahme für Frankfurt und Umgegend von ca. 72 000 Die Postverwaltung habe nun die Kosten für jeden Anschluß auf 1000 berechnet, was also bei jenen 170 Anschlüssen 170 000 ℳ, höchstens vielleicht 200 000 ausmachen würde. Da sei doch eine Einnahme von jährlich 72 000 eine überreiche Verzinsung. Das Kabel in Berlin solle für 30 000 Anschlüsse genügen; da gegenwärtig nur 15 000 beständen und diese bereits die Anlage⸗ und Verwaltungskosten deckten, könnte doch bei einer weiteren Aus⸗ dehnung sehr wohl eine Ermäßigung eintreten, denn die übrigen 15 000 würden nur geringe Mehrkosten verursachen. Gerade bei der Post⸗ verwaltung sei das fiskalische Interesse am Allerwenigsten am Platze. Die kisherigen Gesammtausgaben für das Telephonnetz von 31 Mil⸗ onen hätten sich jederzeit aus den laufenden Einnahmen wieder decken lassen, und daß im Auslande die Gebühren theilweise höher seien, sollte doch für die deutsche Postverwaltung, die auf so vielen Gebieten bahnbrechend vorangegangen sei, kein Grund gegen eine rmäßigung sein. Man habe ja in Deutschland Einrichtungen ge⸗ schaffen, die, wie die Dampfersubventionen, durchaus unrentabel seien und doch dem Verkehrsinteresse nicht in dem Maße wie die Fern⸗

spprecheinrichtungen dienten. Daß diese letzteren nicht nur für die

„oberen Zehntausend“ seien, zeigten doch schon die 15 000 Berliner;

aaußerdem gebe es heute schon noch 53 000 Anschlüsse. Die Ausdehnung

würde eine ungeahnte sein, wenn die Postverwaltung sich zu Er⸗ mäßigungen verstehen würde. Wenn sich früher auch der Abg. Singer gegen eine Ermäßigung der Telegraphengebühren ausgesprochen habe, so übersehe er, daß doch auch dem Arbeiter die Einrichtung Vor⸗ theile bringe. Einen Ausfall an Telegraphengebühren würde eine Ermäßigung der Telephongebühren nicht zur Folge haben, denn der Charakter beider Einrichtungen sei ein veerschiedener. er Telegraph diene einer schriftlichen Fixirung von Mittheilungen, das Telephon dem mündlichen Gedankenaustausch und der Wechsel⸗ rede. Da bei allen Erleichterungen des Verkehrs, für die seine politischen Freunde eingetreten seien, bisher nie ein finanzieller Aus⸗ fall sich ergeben habe, so sollte man auch in Zukunft die Post weniger als Erwerbsanstalt, mehr als Verkehrsanstalt betrachten. Abg. Wilisch: Angesichts des Ueberschusses der Postverwaltung, der in den ersten neun Monaten dieset Etatsjahres 21 Millionen Mark statt 17 Millionen in dem gleichen Zeitraum des Vorjahres betragen habe und am Ende des Jahres wahrscheinlich ein Mehr von 5 Millionen ergeben werde, sei es um so mehr zu bedauern, daß der Staatssekretär des Reichs⸗Postamts den Wünschen von 234 Zei⸗ tungen auf Ermäßigung der Telegrammgebühren für Zeitungen nicht Rechnung getragen habe. Gesetzt auch, der Ausfall an Telegraphen⸗ gebühren wäre so hoch, wie der Staatssekretär ihn berechnet habe, so würde doch der zehnfache Ersatz dadurch geboten, daß auch den kleineren Blättern möglich würde, sich telegraphische Depeschen kommen zu lassen. Den Standpunkt, daß es einerlei sei, ob man eine Nachricht einen Tag früher oder später erhalte, theile man hier wohl nicht. In Schweden, Norwegen, Dänemark, England, Oester⸗ reich, Spanien, sogar in Argentinien genössen die Zeitungen einen Vorzugspreis. Er (Redner) hoffe, daß der Staatssekretär voch ein⸗ mal in eine eingehende Erwägung dieser Frage eintreten werde. So⸗

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dann möchte er (Redner) die Einführung verschlossener Postkarten, die sich in anderen Staaten sehr gut bewährt hatten, anregen; ferner die Herabsetzung des Porto für die grauen Postaufträge, die nicht eine Idee mehr Mühe machten, als die viel benutzten grünen, und doch 70 kosteten, während die grünen nur 30 kosteten. Die grauen Postaufträge würden, weil zu kostspielig, jetzt wenig benutzt; würden dafür auch nur 30 erhoben, so würde dem Verkehr dadurch ein erheblicher Gewinn entstehen. Sodann bitte er, diejenigen Post⸗ sekretäre, die die sog. abgekürzte Sekretärprüfung gemacht hätten, den andern Sekretären gleichzustellen; sie beklaaten sich, hintangesetzt zu werden und niemals das Maximalgehalt zu erreichen. Endlich sollte den Postinspektoren in den mittleren und kleineren Postämtern zur Aufgabe gemacht werden, die Dienstverhältnisse angemessener zu ordnen. Abends seien Beamte und Publikum zu bedauern, der Beamte in erster Linie: vorn werde er von einer großen Menge von Leuten, hinten von dem Unterbeamten in Anspruch genommen. An manchen Orten seien die Zustände unerträglich. Wo Mangel an Beamten sei, sollten wenigstens in den Abendstunden Aushülfskräfte eintreten.

Abg. Singer: Der Abg. Funck irre, wenn er meine, daß sein (des Redners) Widerspruch gegen die Ermäßigung der Fernsprech⸗ gebühren nicht im Einklang stehe mit seiner sonstigen Forderung der möglichsten Durchbrechung der Verkehrsschranken. Wenn der Abg. Funck das Telephon als allgemeine Wohlfahrtseinrichtung allen Bürgern zugänglich machen wollte, so würde er ihn (den Redner) an seiner Seite finden. Was der Abg Funck aber hier erstrebe, sei doch zunächst eine Gebührenermäßigung, die im Wesentlichen einer kleinen Anzahl von Mitbürgern zu Gute komme, dafür aber die Gesammt⸗ heit mehr belasten würde. Das stehe doch fest, daß es den Leuten, die heute im Stande oder gezwungen seien, sich einer Fernsprechstelle zu bedienen, ziemlich gleichgültig sei, ob sie sie mit 100 oder 150 bezahlten. Für die Großindustrie und die Privatleute, die eine Fern⸗ anlage sich einrichten, ließen, seien 50 gar keine wirthschaftliche Erleichterung. Den kleineren Gewerbetreibenden aber, denen sie eine solche seien, würde man sie gönnen können, wenn der Einnahmeausfall nicht von den großen Massen getragen werden müßte. Aus ähnlichen Gründen sei er gegen die Ermäßigung der Telegraphengebühren für Zeitungen. Einer allgemeinen Verbilligung würde er gerne zustimmen, aber er sehe nicht den geringsten Grund dafür, zu Gunsten der Zeitungsverleger einen billigeren Tarif einzu⸗ richten. Man könne keine Zeitung nennen, die sich deshalb keine Depeschen schicken lasse, weil das Wort 5 koste, und sie sich schicken lassen würde, wenn es nur 3 kostete. Eine Reihe von Zeitungen sei allerdings finanziell nicht im Stande, die Telegraphen⸗ gebühren zu zahlen, und deren Leserkeis leide unter der Mangel⸗ haftigkeit ihrer Nachrichten. Aber das seien nicht die 300 Zeitungen, die unter der Petition ständen. Die gehörten zu den allerbest Situirten, und ihre Herren Verleger könnten die Motive des Vor⸗ redners für sich nicht in Anspruch nehmen. Ueber diese Frage seien innerhalb seiner Fraktion keine Beschlüsse gefaßt, er habe nur seiner persönlichen Auffassung Ausdruck gegeben. Bei den alljähr⸗ lichen Beurlaubungen der Postbeamten sollte auf die Postunter⸗ beamten mehr Rücksicht genommen werden. Ihm seien Klagen zuge⸗ gangen, daß, während ihr Dienst erheblich länger und schwerer sei als der der höheren Beamten, sie auf eine Urlaubsbewilligung nicht zu rechnen hätten. Die Wirkung des Alters⸗ und Inva⸗ liditätsversicherungsgesetzes erstrecke sich bekanntlich auch auf die der Post unterstehenden nicht angestellten Leute. Ihm lägen nun Nr. 45 und 46 der „Deutschen Verkehrszeitung“ vom vorigen Jahre vor, welches Blatt zwar nicht amtliches Organ der Postverwaltung sei, aber die Auffassung derselben im Allgemeinen zum Ausdruck bringe, in weiten Kreisen der Postverwaltung gelesen und an den amtlichen Stellen der Post zu finden sei. Darin finde sich eine Reihe von Mittheilungen, die unter der Voraussetzung, daß sie zu⸗ treffend seien, die Reichsverwaltung in ein eigenthümliches Licht zu stellen geeignet seien. Die Postoerwaltung scheine danach als ihre Aufgabe zu betrachten, die Verhältnisse der in nicht amtlicher Stellung Beschäftigten derartig zu ordnen, daß eine möglichst eringe Be⸗ lastung der Post durch das Invaliditätsgesetz hergestellt werde. Zu diesem Zweck habe man in der Postverwaltung eine ganz neue Kategorie von Angestellten geschaffen, „Beamte auf Widerruf“. Man habe dadurch, daß man eine Anzahl von Leuten mit einem Gehalt unter 2000 ℳ, die also versicherungspflichtig wären, aus der Klasse der Arbeiter herausgenommen und in die Kategorie der Beamten auf Widerruf gesetzt habe, sie und zugleich die Postverwaltung selbst von der Versicherungspflicht befreit, sie aber andererseits auch nicht mit der Beamtenqualifikation belegt. Die zitirte Zeitung signalisire im November eine Verfügung der Postverwaltung, welche am 1. Januar jedem Beamten übergeben werden solle, etwa dahin: „Sie werden hierdurch als überzähliger Postbeamte u. s. w. wider⸗ ruflich angenommen und haben als solcher die Pflichten und Rechte eines Reichsbeamten“; und am 1. Januar seien, wie ihm (dem Redner) mitgetheilt worden set, die betreffenden Leute in der That zusammen⸗ gerufen und sei ihnen eine derartige Verfügung vorgelesen worden, daß ihre bisherige Stellung in die eines Beamten auf Widerruf umgeändert worden. Diese Verfügung seien sie zu unterschreiben veranlaßt worden. Derartige wichtige Verfügungen sollten überhaupt nicht auf dem Wege der Verlesung zur Kenntniß gebracht werden; jeder der Beamten sollte ein Exemplar in die Hand bekommen. Jedenfalls müßte den Leuten Gelegenheit gegeben werden, besser den Sinn der Verfügung studiren zu können, als wenn ein Vor⸗ gesetzter in schnell sprechender Weise sie vorlese und die Leute gerade so klug von ihm fortgingen, wie sie vorher gewesen seien. Die Vortheile, welche die Alters⸗ und Invaliditätsversicherung den Ar⸗ beitern, wenn auch in geringem Maße, gewähre, würden durch jenes Verfahren für die bei der Post beschäftigten Arbeiter ganz illusorisch werden. Er möchte den Staatssekretär um Auskunft bitten, ob diese Verfügung und in welchem Sinne sie erlassen worden sei, und ob namentlich Fürsorge getroffen sei, daß für alle diejenigen Leute, welche in der Postverwaltung beschäftigt würden und nach dem Invaliditäts⸗ gesetz versicherungspflichtig seien, die Beiträge von der Postver⸗ waltung gezahlt würden, sodaß diesen Leuten die Ansprüche, welche das Gesetz ihnen zugedacht hat, auch zu Theil würden.

Staatssekretär Dr. von Stephan:

Ja, meine Herren, es ist ein altes Wort: Wer Vieles bringt, wird Jedem etwas bringen! Die Diskussion hat sich über so man⸗ nigfaltige Gegenstände, betreffend die verschiedensten Titel des Etats er⸗ streckt, daß es mit den Anforderungen der Klarheit und Logik schwer vereinbar ist, alle diese Gesichtspunkte zu einer einzigen Erwiderung zusammenzufassen. Uebersehen haben wir keinen; es wird auch jeder beantwortet werden. Ich bitte aber um die Erlaubniß, mich mit den Hauprgegenständen jetzt beschäftigen zu dürfen, die auch zunächst den ersten Titel betreffen, und werde mir dann von dem Herrn Präsidenten das Wort für die Herren Kommissare erbitten, um die einzelnen Punkte, z. B. den letzten, der zur Diskussion kam, dann zu erledigen.

Ich fange also an mit der Hauptsache, mit dem Antrag, der von Hrn. Abg. Funck befürwortet worden ist, auf Ermäßigung der Fernsprechgebühren. Nun, meine Herren, diese Frage ist in der Kommission sehr ausführlich erörtert worden. Wie der Herr Referent nachher beim Abschluß des Referats bestätigen wird, hat sich, nachdem die Gründe, die gegen eine solche Ermäßigung zur Zeit sprechen, angeführt waren, keine Sympathie irgend welcher Art in der Budgetkommission für diesen Antrag gezeigt. Im Gegentheil, man hat sich mit überwiegender Mehrheit dahin ausgesprochen, daß die Zeit noch nicht gekommen sei, um eine Ermäßigung eintreten zu lassen.

Die Postverwaltung verhält sich niemals absolut ablehnend gegenüber Anträgen auf Ermäßigung von Gebühren. Es würde ja auch sehr unweise sein, in dieser Art sich für die Zukunft zu engagiren.

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Man kann auch nicht vorher wissen, welche Entwickelung des Ver⸗

kehrs und der ganzen sonstigen Verhältnisse stattfinden wird; auch die Finanzlage läßt sich nicht voraussehen. Kurz, Sie werden finden, daß, wenn ich öfter in der mir selber nicht erfreulichen Lage gewesen bin und wahrscheinlich auch noch künftig sein werde, mich zunächst ab⸗ lehnend aussprechen zu müssen, ich immer die Worte hinzusetzte: augenblicklich, oder: zur Zeit, oder: unter den gegen⸗ wärtigen Umständen, oder einen sonstigen gleichbedeutenden Ausdruck. So liegt es jetzt ebenfalls. Der Hr. Abg. Funck hat ganz richtig bereits herausgerechnet, daß, wenn wir die Fernsprech⸗ gebühren von 150 auf 100 herabsetzen, dieses bei einer Anzahl von 54 000 Abonnenten, die wir jetzt im Reichspostgebiet haben, einen Ausfall ergiebt von 2 700 000 Rechnen Sie dazu die noch neu hinzutretenden Abonnenten, ehe die Maßregel zur Ausführung kommen würde, ferner den allerdings nicht unbedeutenden Ausfall an Telegraphen⸗ gebühren, so handelt es sich um einen Betrag von jährlich etwa 3 Millionen Mark. Der Ersatz, den Sie in Aussicht stellen, ist mir sehr zweifelhaft. Ganz etwas Anderes ist es mit einer Ermäßigung der Porto⸗ und Telegrammgehühren u. s. w., die sofort eine gange Menge neuer Sendungen hervorruft. Aber ob auf dem Fernsprecher mehr Gespräche geführt werden oder nicht, ist ganz gleichgültig, da die Sätze für das ganze Jahr dieselben bleiben. Es ist ja eine Abonne⸗ mentsgebühr. Nun haben Sie gesagt: es werden aber mehr Abonnenten kommen; Sie haben aber dabei übersehen, daß auch mehr Anlagen einzurichten sind. Und Sie haben auch von der Vermehrung der Betriebskosten nicht gesprochen: dies Alles löst doch den Gewinn zum großen Theil auf. Nun frage ich Sie, ist die Finanzlage so, daß wir um der oberen Zehntausend willen ich wiederhole, was ich in der Kommission gesagt habe —, natürlich ist es nur eine metaphorische Redensart, denn es sind etwa die oberen 54 000, was will das aber be⸗ sagen bei den 40 Millionen, die das Reichs⸗Postgebiet umfaßt? eine solche Ermäßigung eintreten lassen können und jährlich 3 Millionen aus den Taschen der Steuerzahler nehmen sollen? Das hat der Hr. Abg. Singer ganz richtig ausgeführt, und ich freue mich, daß ich mit ihm hier auf demselben Standpunkt stehe. (Heiterkeit) Volksthümlich ist diese Sache ganz gewiß nicht. Zu allerletzt sage ich, wenn wir Gebühren ermäßigen wollen, so weiß ich ganz andere Kategorien derselben, deren Ermäßi⸗ gung dem Allgemeinen zu Gute kommen würde.

Ich möchte darauf aufmerksam machen das hat der Hr. Abg. Funck bereits erwähnt —, daß bereits eine Gebührenermäßigung beim Fernsprecher stattgefunden hat von 200 auf 150 “ℳ Das war ganz im Anfang, als wir uns es mar das ein neues Institut, dessen Entwickelung Niemand genau bemessen konnte, dessen Kosten auch noch nicht klar lagen über den Tarif schlüssig machen mußten. Damals hatten wir 200 vorsichtig angenommen, wir überzeugten uns bald, daß der Satz zu hoch war, da das eine Verzinsung im Mittel von ca. 14 % ergab, und wir haben deshalb aus freien Stücken den Satz auf 150 heruntergesetzt. Wie wenig Anlaß dazu ist, eine weitere Ermäßigung jetzt vorzunehmen, zeigen die Zahlen aus anderen Ländern. In Belgien bestehen verschiedene Sätze, weil verschiedene Privatgesellschaften bestehen und daneben noch Staats⸗ betrieb existirt. Es sind Sätze von 160, 130 und 200 In Dänemark, Privatbetrieb, 100 ℳ, in Frankreich 320 in Paris (anstatt 150 bei uns), 240 in den Provinzen, in England 400 und 300 ℳ, in Italien 200 In den Nieederlanden ist ein variirter Tarif zwischen 40 und 200 ℳ, in Oesterreich 200, in Rußland 600 u. s. w. Ich habe heute Morgen hier diese polytechnische Zeitschrift aus Amerika bekommen, sie nennt sich „Electrical World“. Da steht wörtlich Folgendes drin ich werde es deutsch verlesen —:

Angesichts der hohen Gebühren, mit welchen der Telephon⸗ verkehr in dieser Stadt es ist New⸗York; da kostet das Abonnement 600 belastet ist, kann man nicht umhin, mit einem gewissen Neide die Resultate zu betrachten, welche unter der Verwaltung der Regie⸗ rung in Deutschland erreicht worden sind. Der Telephonverkehr Berlins ist sehr ausgedehnt und hat sich im Ganzen für die Theil⸗ nehmer befriedigend gestaltet. Die Stadt selbst erreicht bekanntlich nahezu die Größe New⸗Yorks; sie ist entschieden weniger zusammen⸗ hängend gebaut, und doch beträgt die von der Regierung festgesetzte Fernsprechgebühr nur 150 anstatt 600 in New⸗York. Es ist doch eigenthümlich, daß die Stimmen, welche die deutschen Verwaltungseinrichtungen anerkennen, meist vom Auslande kommen; vom Inlande hört man gewöhnlich nur Tadel trotz aller Anstrengungen, die Einrichtungen so gut zu machen, wie es möglich ist.

Bei der Gelegenheit möchte ich protestiren gegen das, was die freisinnigen Zeitungen jetzt immer wiederholen, daß die Postverwaltung träge werde im Reformiren, daß der starke Anlauf, den sie im Anfang genommen habe, nicht mehr vorhanden sei und sie auf ihren Lor⸗ beeren ruhe. Das ist total unrichtig; es ist niemals schneller vorge⸗ gangen worden als im letzten Jahre. Wir haben das Drucksachen⸗ porto ermäßigt, die Waarenproben erleichtert, die Nachnahme⸗ sätze herabgesetzt; wir haben so den Telegraphentarif er⸗ heblich ermäßigt; und nebenher bedeutende Ermäßigungen fast im gesammten Telegraphenverkehr mit dem Auslande erwirkt; auch die Bestellgelder aufs Land sind ermäßigt worden. Es ist soviel geschehen, daß ich im Augenblick gar nicht einmal vollständig weiß, was in den letzten Jahren alles ermäßigt worden ist. (Heiterkeit.) Die freisinnigen Zeitungen fahren aber fort, in bekanntem Tone die Verwaltung anzugreifen. Meine Herren, meine Stellung befestigen sie damit bloß; das kann ich Ihnen sagen, und wenn sie mich gehörig angreifen, so gewährt mir diese Feindschaft Genug⸗ thuunng, nach dem alten bekannten Spruch: Recht haben sie damit doch nicht, und wenn sie es täglich wiederholen; denn hundert Jahre Unrecht sind noch nicht eine Stunde Recht.

Meine Herren, wir sind mit den Fernsprecheinrichtungen noch nicht auf der Höhe der Entwickelung angelangt und müssen deshalb bei Tarifermäßigungen sehr vorsichtig sein. Ich wiederhole: ich widerrede es ja nicht, nicht für alle Zeiten, nicht für längere Zeit. Wir werden den Moment schon wahrnehmen, wenn er gekommen sein wird. Wir sind aber noch nicht zu Ende mit der praktischen und technischen Entwickelung; fast jeder Tag bringt noch neue Erfindungen, Veränderungen an den Apparaten, die sehr kostspielig durchzuführen sind, Aenderungen im Leitungsmaterial, Aluminiumbronze, Uebergang zum Bronzedraht, die Silicium⸗

das hat bedeutende Ausgaben in dem einen Jahre allein 2 Millionen für die Verbesserung von Leitungsmaterial. Dann müssen wir übergehen zu unterirdischen Leitungen; in Berlin haben wir jetzt die unterirdische Leitung gelegt; 30 000 Theilnehmer berechnet, während wir jetzt in Berlin 15 000. haben, nebenbei ebenso viel wie ganz Frankreich, Paris, Lyon, Rouen u. s. w. eingeschlossen. unterirdische Drähte angeschlossen worden; es sind über vier Millionen Kilogramm eiserne Röhren in die Erde versenkt worden, und das hat einen Kostenaufwand von 1 800 000 verursacht. und Grundstücke, Alle diese Kosten müssen

sie ist auf etwa

Berlin sind also 30 000

Dazu kommt der kostspieliger die Organisation selbständiger Fernsprechämter ꝛc. in Berechnung ziehen, und es würde leichtsinnig von uns wir bei einem Institut, das noch derart in den Geburtswehen liegt, einer Ermäßigung der Gebühren im Interesse bestimmter Wir können uns das vorbehalten, Jetzt, wo wir uns an den preußischen Landtag und mit der Zuckersteuer und sonstigen Finanzreformen beschäftigen, wenn ich da zum Herrn Schatzsekretär komme und sage: Ich möchte Er⸗ n in den Post⸗ und Telegraphengebühren treffen glauben Sie, daß mein Herr Kollege mir erwidern wird: Ja wohl, mein lieber Herr General⸗Postmeister, sehr gern, das macht mir Vergnügen: Das fällt ihm gar nicht ein, sondern das gerade Gegentheil. vergessen die Herren hier und nicht minder die Zeitungen, die i den General⸗Postmeister angreifen, während er bei den Entscheidungen in diesen Dingen nicht allein steht, sondern auf den Finan angewiesen ist.

Nun komme ich auf

skreise übergehen wollten. bis eine bessere Lage der Finanzen kommen wird. uergesetzen ich erinner

den Punkt der Garantie da hat sich die Budgetkommission auch überzeugt, daß dies Prinzip gerade vor⸗ theilhaft für die Herren ist, die neue Fernsprechanlagen haben wollen. Es meldet sich eine Anzahl Geschäftshäuser Die Hecren wollen Fernsprechver⸗ sie uns nach, sich betheiligen wollea. Darauf rechnen wir heraus auf Heller und Pfennig, was das kostet 150 mal 20 Einnahme und dagegen die von Anlage und Betrieb sowie den Verlust von Telegraphen⸗

Wie ist der Vorgang? sagen wir in Chemritz. bindung mit Leipzig haben. 20 Firmen

Nun weisen Unternehmen

und was das einbringt:

Handelskammer Seid so freundlich und schafft

Chemnitzer oder wer sonst an der Spitze steht: noch mehr Theilnehmer, oder, wenn das nicht der Fall ist, dann garantirt uns den Ausfall, der hier genau nachgerechnet ist. handeln diese Antragsteller nach meiner Meinung unklug, wenn sie auf ein solches Angebot nicht eingehen. Fernsprecher garnicht, wer zwingt uns, ihn anzulegen? ürfniß; wir haben unsere Register, verkehr zwischen Leipzig trägt nicht diese kostspieligen Anlagen, die aus den Taschen sämmt⸗ licher Steuerzahler gemacht werden müssen. nehmer sich gemeldet haben, ist ja der beste Beweis, daß ein Be⸗ dürfniß nicht vorliegt. richtung sollt Ihr haben, wenn diese Summe garantirt wird. handelt es sich meist nur um geringe Summen von 6000, 7000, 12 000 jährlich, die überdies fast niemals in Anspruch genommen auch in der Budgetkommission von allen Seiten an⸗ erkannt worden, daß die Garantieeinrichtung gerade im Interesse des Verkehrs ist, um diesen verschiedenen Abonnenten Fernsprecher über⸗ haupt zu verschaffen.

Wenn Sie von Frankfurt⸗Bockenheim und von Elberfeld⸗Barmen gesprochen haben, so ist das erstere erledigt; es ist genehmigt, daß ort ein Fern sprechnetz eingerichtet wird, im Rheingau auf dem rechten

Man hat auch Wünsche geltend gemacht für das Natürlich, meine Herren, sowie Rüdesheim angeschlossen, dann kommt fofort auch Bingen, und wenn Bingen kommt, hernach auch Kreuznach, und so geht es weiter. Es ist das kein Wunder; man kann sich über diese Regsamkeit freuen. führung? Da liegt der Rhein dazwischen; wir können mit so vi nicht durch den Rhein hindurch, um alle diese Orte in die Anlage ein⸗ zubeziehen. Es muß also ein besonderes Netz hergestellt werden für die linke Rheinseite, das wird auch geschehen mit dem Mittelpunkt von Mainz und da werden diese Orte hineinkommen, und Wünsche, die geäußert worden sind, und deren Grund ich nicht verkenne, wird damit erfüllt sein. Sodann was Elberfeld Barmen betrifft, des Wunsches kangängig; wenn Elberfeld⸗Barmen allein auf der Welt wäre, dann würde sich darüber reden lassen. Hamburg⸗Altona, und Cölln sich Vororte befinden, die nicht eingemeindet sind; ich erinnere nur an die Umgebung von Berlin, Leipzig, Frankfurt ꝛc. Das wäre, was die Fernsprecher betrifft.

Wie gesagt, ich wiederhole, daß in der Budgetkommission man doch von der durchschlagenden Bedeutung dieser Gründe sich überzeugt hat, namentlich, daß unsere Gebühren viel mäßiger sind, als die in

den meisten anderen großen Staaten, und daß jetzt bei dem mangeln⸗ den Abschluß einer Entwickelung des Fernsprechnetzes und auch bei der Finanzlage gewiß nicht der Zeitpunkt da ist, vollends in einem Jahre, wo die Postverwaltung ohnehin 11 Millionen für Beamten⸗ besoldungszulagen hat ausgeben Ermäßigung des Fernsprechtarifs

Noch eigenthümlicher kommt Anzahl Zeitungen gestellt worden im Telegraphentarif.

Denn dann bekommen sie den

Telegramm⸗ und Chemnitz

Daß nur 20 Theil⸗

Gleichwohl sagen wir: eine solche Ein⸗

Ifer des Rheins.

ein Theil der

so wäre die Erfüllung

Aber hernach kommen

Köln⸗Deutz, Nürnberg⸗Fürth,

müssen, mit solchen Anträgen auf zu kommen. mir vor der Antrag der von einer ist auf ein besonderes Privilegium Es ist das ja ein dicker Band von Zustimmungs⸗ erklärungen, meistens, soweit ich es habe in aller Eile übersehen können, von freisinnigen Zeitungen. imponiren Sie uns nicht, mit einem solchen großen Bande voll Jede Petition enthält blos 3 Zeilen, worin es heißt: Ich schließe mich dem Gesuch an den Reichstag auf Ermäßigung der Telegraphengebühren für Zeitungen an.

Noch korrekter wäre es ja, zu sagen: „für meine Zeitung“. Das würde eigentlich in der Logik liegen, die hierbei vorgeherrscht hat. Es ist ja nichts leichter als solche Petitionen zusammenzubringen. Wem wären solche Erleichterungen nicht bequem, wenn er sie mit drei Zeilen und einer Unterschrift erlangen kann? Ich möchte sehen, wer sich da nicht anschließen wollte; aber daß wir auf solche Demonstra⸗ tionen keinen übertriebenen Werth legen können, das nehmen Sie uns uns meiner Ansicht nach gar nicht möglich. Die

nicht übel, das ist

Regierung ist sich vollkommen der Bedeutung der Presse be⸗ wußt, sie unterschätzt sie nicht, geschweige denn, daß sie sie verkennt. Ich glaube auch, es wird nicht behauptet werden können, daß es bei der Postverwaltung irgendwie an Ent⸗ gegenkommen gegen die Zeitungen gefehlt hat. Ich habe hier ein berühmtes Buch aus neuerer Zeit, von dem bekannten Schriftsteller Sir Sidney Whitman, „Imperial Germany“. Sie werden es meistens auch gelesen haben. Da habe ich eine Stelle ge⸗ funden, wo er über die Posteinrichtungen spricht in Deutschland und namentlich über die Zeitungseinrichtungen, und wörtlich sagt ich werde es wiederum deutsch verlesen:

Das System, nach welchem alle Zeitungen in Deutschland bei der Post bestellt, bezahlt und bis ins Haus gebracht werden können, leistet bewunderungswerthes works admirably.

also wieder eine Stimme des Auslandes, die das anerkennt. Ja, meine Herren, es hat ja schon der Hr. Abg Wilisch erwähnt, welch' große Erleichterungen die Zeitungen hier von der Post haben. Da haben wir Zeitungen, die dreimal täglich erscheinen, und die für jedes Exemplar blos ¼¹⁄ 0 Pfennig der Post be⸗ zahlen. Dafür werden sie durch das ganze Deutsche Reich befördert; Andere, die nur ¼ bezahlen, Andere einen halben Pfennig, die 234 Mal in einem Vierteljahr erscheinen, nämlich 18 bis 19 Mal in der Woche. Diese bedeutende Leistung besorgt ihnen die Post für jenen ganz minimalen Betrag. Was wmollen die paar telegraphischen Depeschen sagen, für die in Spanien, Italien, Griechenland Argen⸗ tinien, glaube ich, wurde auch genannt (und was sonst Alles der deutschen Postverwaltung als Muster hingestellt wurde) Erleichterung gewährt wird. Unser Pablikum sollte einmal die Posteinrichtungen jener

Länder haben und die theuren Zeitungsbeförderungspreise, wie z. B.

bei der englischen Post, da würden Sie ganz anders sich beklagen und jedenfalls mit mehr Grund. Wohlthaten, die täglich erwiesen werden, werden immer verkannt oder als selbstverständlich hinge⸗ nommen. (Zuruf links)

Ja, das ist der Welt Lauf, und Sie werden darin auch Nichts ändern. Wenn die Postverwaltung nicht ein so großes Entgegen⸗ kommen gegen die Zeitungen hätte, würde vielmehr geklagt werden. Ich will beispielsweise nur Einzelnes hervorheben: Die telegraphischen Depeschen für die Zeitungen werden von unseren Beamten absichtlich in weitläufigen Zeilen geschrieben, damit man da, wo das Tele⸗ gramm weniger verständlich ist, in der Redaktion etwas hineinschreiben kann, und die großen Zeitungen haben erklärt, sie wollen keine weiteren Erleichterungen, als die bestehenden, die genügten. Nun frage ich: ist denn wirklich ein Bedürfniß vorhanden, die Telegraphengebühren für Zeitungen exceptionell herabzusetzen? Ich bestreite auch das. Wenn man die Zeitungen ansieht, so hat man eher das Gesühl, es sei eine wahre Ueberschwemmung an telegraphischen Depeschen vorhanden, anstatt einer Telegrammdürre; ganze Spalten füllen diese telegraphischen Depeschen aus, und es wird zum Theil herzlich Unwesentliches telegraphirt. (Sehr richtig!) Z. B. habe ich gestern ein Telegramm gelesen, daß die Sonne einige Zeit in Köln durch die Wolken gebrochen ist. (Heiterkeit) Heute steht ein Telegramm in der Zeitung, daß ein betrunkener Tischler in Rom einen Stein gegen ein Wappen geworfen hat; oder es meldet uns ein anderes Telegramm das bedeutungsvolle Ereigniß, daß zwei Schullehrer aus Warmbrunn ungeachtet des meterhohen Schnees eine Tour auf die Heinrichsbaude gemacht hätten. (Heiterkeit.)

Meine Herren, ich tadle das gar nicht, mir paßt das schon, denn wir verdienen Geld damit, aber ich führe das nur an, weil es ein Beweis dafür ist, daß die Depeschengebühren wirklich schon recht niedrig sind. Und überdies werden viele dieser Depeschen das weiß ich und Sie wissen es auch gar nicht durch den Telegraphen befördert bis dahin, wo sie ge⸗ druckt werden; manche haben niemals einen Draht gesehen, sondern nur das Postkariol oder den Rücken der Botenfrau. Aber in der Zeitung erscheinen sie stets unter dem Titel: Telegraphische Depeschen! und es scheint auch hier zu heißen: die Flagge deckt die Ladung. 8

Nun möchte ich Sie noch auf Eins aufmerksam machen. Ver⸗ langen Sie nicht jetzt für sich das, was Sie so oft tadelnd angreifen, nämlich einen Ausnahmetarif, eine Ausnahme⸗ stellung. Die Zeitungen sind ebenso gut Gewerbebetriebe und Unternehmungen wie viele andere und wenn man sagt, sie haben einen öffentlichen Nutzen, so bin ich dafür sehr empfänglich. Es giebt aber auch andere Institute, die zum Theil ein noch höheres Maß öffentlichen Nutzens haben; und da müßten denn z. B. Porto⸗ und Telegraphenermäßigungen auch eingeführt werden für Kirchensachen, Schulen, Universitäten, Buchhandel, für Wohlthätigkeits⸗ und Humanitätszwecke, die die ganze Menschheit angehen, für wissenschaftliche und Kunstinstitute die das Ideale fördern, ganz anders als die Zeitungen. Und wenn Sie sagen, die Handels⸗ und Verkehrsnachrichten in den Zeitungen haben für Jedermann einen großen Werth, soweit er Handel treibt, so sage ich, dann müßten Sie konsequenter Weise auch der Börse halbe Telegraphengebübren ge⸗ währen und den Schiffsmeldestationen und allen anderen Centren und Organen, die sich mit der Verbreitung von Handels⸗ und Verkehrsnachrichten beschäftigen. Wo würde das enden? Wir würden eine große Fluth von solchen Telegraphenermäßigungen wieder bekommen, wie sie seiner Zeit in dem Portofreiheitswesen wucherten, das der Reichstag des Norddeutschen Bundes zum großen Segen der Postverwaltung nicht allein, sondern überhaupt des ganzen öffentlichen Interesses beseitigt hat. Nein, meine Herren, das ist ein Abweg, und ich glaube, wenn die Herren, die diese zweihundert⸗ fünfzig Zeitungen, oder wie viel es sind, vertreten und die diese Petitionen gefertigt haben, sich früher überlegt hätten, wie sie gerade

das zu fordern im Begriff sind, was sie Anderen vorwerfen, nämlich für sich eine Ausnahme, ein Privilegium, einen Porto⸗ oder Stempel⸗ erlaß gewissermaßen (große Heiterkeit), also die Verletzung der Rechts⸗ gleichheit vor dem Gesetz sind wir alle gleich! —, wenn die Herren sich diese Folgerung gezogen hätten, dann würden sie wahr⸗ scheinlich zu der Ueberzeugung gekommen sein, daß es in ihrem eigenen Interesse und im Interesse der Würde der Presse gewesen wäre, einen solchen Antrag zu unterlassen. (Lebhaftes Bravo! rechts.)

Abg. Dr. Lingens erkennt an, daß die Postverwaltung in der letzten Zeit in Bezug auf die Sonntagsruhe und Heiligung ihren Beamten gegenüber erfreuliche Fortschritte gemacht habe. Nur sei zu wünschen, daß der Sonntag, welcher auf einen Nachtdienst folge, als freier Tag betrachtet und von den betreffenden Beamten im eigenen Interesse und im Interesse ihrer Familien verwendet würde.

Eine Generalverfügung habe in dieser Beziehung an gewissen Stellen zu dem Zweifel Anlaß gegeben, ob der Sonntag zur Halfte oder ganz angerechnet werden könne.

Direktor im Reichs⸗Postamt Fischer: Eine irrthümliche Auf⸗ fassung der Generalverfügung Seitens der Provinzial⸗ und Lokal⸗ behörden sei ausgeschlossen, denn sie kennten das Wohlwollen, welches der Chef der Reichs⸗Postverwaltung für alle Maßregeln habe, welche auf eine Sonntagsheiligung und ⸗Ruhe abzielten. Eine willkürliche Auslegung der Verfügung würde von der Centralstelle aus auch sofort gerügt werden. Die Einführung von 1 ℳ⸗Marken, gerade jetzt, wo die Post mit den Marken für die Alters⸗ und Invaliditätsversicherung so viel zu thun habe, scheine nicht am Platze. Er wende sich zu dem Abg. Singer. Der §. 4 des eben genannten Gesetzes schließe Beamte von der Versicherung geradezu aus. Es sei also an die Postverwaltung die Frage herangetreten, in welcher Weise der Kreis der Personen, die als Versicherungs⸗ pflichtige unter das Gesetz fielen, abgegrenzt werde von denjenigen, die als Beamte nicht unter das Gefetz fielen. Die Postverwaltung

wie andere Verwaltungen glaube er (Redner) die Auf⸗ fassung verfolgt, daß dies der Anlaß wäre, um den Personen, die bisher in einem arbeiterähnlichen Verhältniß sich befunden hätten, auch die Beamteneigenschaft beizulegen⸗ Sie sei sich klar gewesen, daß sie damit eine nicht unerhebliche Last auf sich nehmen würde, denn einem solchen Manne eröffne sich mit der Beamtenqualität auch die Aussicht auf etatsmäßige Anstellung, auf besondere Versorgung in Krank⸗ heitsfällen u. s. w. Es könne also nicht behauptet werden, daß die Postverwaltung sich einer Last entziehen wolle, sie übernehme vielmehr eine sehr erhebliche Last auf das Reich. Auf die Behauptung, daß die Postverwaltung sich der Verpflichtung entziehe, für ihre versicherungspflichtigen Beamten die Bei⸗ träge für die Alters⸗ und Invaliditätsversicherung sei er gar nicht gefaßt gewesen; sie habe ihn in s Erstaunen versetzt. Aber diese Auffassung steh 1 Er sei fest überzeugt, daß unter den Tausenden von P vom 1. Januar ab in der Postverwaltung Beamteneigens hätten, auch nicht eine sei, die nicht die di damit erwiesen werde, in vollem Singer befinde sich wohl in einem Mi Beiträge für die Alters⸗ und Invalidi⸗ habe auch nicht im Allerentferntesten dafür gesorgt, daß alle im Nihrer Versicherungspflicht genügten, und alle diese die Versicherungsbeiträge. Wenn der Staatssekretär meine, die Petition von 22 Interesse der Würde der Presse besser unt en, so könnten die Anschauungen darüber sehr verschieden sein. Er (Redner) könne es der Presse vollständig über⸗ ihre eigene Würde zu wahren und zu entscheiden, öb es igt erscheine im Interesse der Würde, eine Petition zu erlassen, 1 einem Rechte Gebrauch zu machen, das einem jeden eatschen zustehe. Wenn die Postverwaltung sich nie ablehnend gegen Anträge auf Ermäßigungen verhalte, so ine hoffentlich auch noch der Zeitpunkt, wo die Postverwaltung gegen diesen Antrag nicht mehr ablehnend verhalten werde. Der Staatssekretär habe sich die Petition ja nur flüchtig angesehen. Es handle sich da nicht nur um freisinnige Zeitungen, sondern sämmtliche Richtungen, mit Ausnahme der Sozꝛlialdemokraten, seien in der Petition vertreten. Daß die Telegraphengebühren in anderen Ländern viel niedriger seien für Zeitungen, habe der Staatssekretär nicht wider⸗ legt. In der Kommission sei die Einnahme aus Zeitungstelegrammen auf 153 000 beziffert worden, aber das Wolff'sche Telegraphen⸗ bureau vertelegraphire allein für 300 000 Die Hauptsache sei, wie sich die Staatskasse dabei stelle. Die Postverwaltungen anderer Länder wollten doch mit den niedrigen Sätzen für Zeitungen auch auf ihre Rechnung kommen und nicht mit Verlust arbeiten. Und dann seien doch die Verkehrsanstalten im Dienste der Allgemein⸗ heit da und müßten ihr zugänglich gemacht werden. Der St selbst habe hervorgehoben, daß mit der Verbilligung der steigere. Die Verbilligung des Portos sei auch nicht zum der Staatskasse gewesen. Eine allgemeine Verbilligung der gebühren wünsche er auch; sie sei aber zur angängig, weil erst die Wirkung der neuen Ermäßigung, die zum 1. Februar eintrete, abgewartet werden müsse. Der

Staatssekretär habe von einem Privilegium gesprochen, das die

Zeitungsunternehmer füͤr sich in Anspruch nähmen. Das deutsche eitungswesen sei hoch entwickelt, genieße aber nicht die Beach⸗ tung wie in andern Ländern. Seine Partei wünsche freilich nicht, daß für die Direktoren der Blätter Freikarten auf den Eisenbahnen ausgestellt würden, wie 3 B. in Frankreich. Aber die Zeitungen seien nicht bloß Geschäft. Kürzlich habe die Regierung selbst den Blättern durch die Rose Vorstellungen gemacht, weil sie nicht genügend für eine Belehrung des Volkes über die Invaliditäts⸗ versicherung ins Zeug gelegt hätten. Dann müßte die Regierung ihnen auch entgegenkommen. ie Vergünstigung der Presse komme dem ganzen Volke zu Gute. Die Verleger würden sich mehr tele⸗ graphiren lassen, aber keinen Profit haben. Der Staatssekretär habe einmal von den „paar“ Depeschen und dann von einer Ueberschwemmung mit Depeschen gesprochen. Das widerspreche sich. Die „paar“ De⸗peschen würden keine Ueberschwemmung veranlaßt haben. Darüber, ob monche Depeschen unnöthig seien, seien die Begriffe verschieden. Ein Vergleich mit anderen Instituten, Universitäten, Woblthätigkeitsanstalten u. s. w. treffe nicht zu; denn was hätte eine Wohlthätigkeitsanstalt wohl in die Welt hinaus zu telegraphiren! (Zuruf.) Gewiß könne es mal vorkommen, aber es handle sich nur um einzelne, bei der Presse um fortgesetzte Fälle. Auch vom Standpunkte des Geschäfts behandle man feste Kunden coulanter als andere. Daß die Depeschenbureaux gute Kunden seien, bewiesen die 300000 des Wolff'schen Bureaus. Manche Zeitungen bezögen monatlich für 2200 Depeschen, und die gemietheten Leitungen während der Parlamentszeit würfen jetzt monatlich 600 ab. Wenn der Staatssekretär von einem Privilegium der Presse gesprochen habe, so leide gerade die Presse unter einem an⸗ deren Privilegium, nämlich dem, welches das Wolff'sche Telegraphen⸗ bureau genieße. Dasselbe genjeße, wenn die Mittheilungen in der Petition der 234 Zeitungen richtig seien, ein Vorrecht vor allen, die sogenannte A. C.⸗Berechtigung, d. h. daß die gelben Formulare des Wolff'schen Bureaus vor jeder andern Depesche befördert würden, also gleichständen den Staatsdepeschen. Gerade diese Bevorzugung des Wolff'schen Bureaus involvire eine vollständige Abhängigkeit fast

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der gesammten Presse von demselben, weil andere Depeschen liegen blieben und auch der gewandteste Arbeiter die Frucht seiner Arbeit nicht genieße, weil die Wolff'schen Depeschen eher befördert würden. Das Wolff'sche Bureau habe auch einen eigenen Rohrpoststrang: er wisse nicht, ob dieser aus Privatmitteln hergestellt sei oder auf Staatskosten und welche Gebühr derselbe bezahle. Auch sei das Wolff’'sche Bureau mit dem Postlokal durch einen Aufzug verbunden, während Postlokale abgeschlossen sein sollten. Darüber sei eine Aufklärung sehr erwünscht, ebenso darüber, ob es richtig sei, daß dem Wolff'schen Bureau Bürstenabzüge des „Reichs Anzeigers“ zur Verfügung gestellt würden, sodas gleichzeitig mit dem Erscheinen des „Reichs⸗Anzeigers“ auch die Depeschen draußen seien. Ueber alle diese Punkte würde eine Aufklärung sehr günstig wirken, denn es wäre sehr leicht möglich, daß besonders bei der Zu⸗ sammensetzung der Aktionäre des Wolff'schen Bureaus, unter denen ganz hervorragende Finanznamen sich befänden, die Vermuthung entstehen könnte, daß das, was in vertraulicher Weise in dem Wolff⸗ schen Bureau mitgetheilt sei, auch vielleicht einen gewissen Einfluß auf Finanzzwecke haben könnte. (Hört, hört!) Bei der jetzigen Ent⸗ wickelung des konstitutionellen Lebens, wo von allen Seiten sich die Blicke dahin lenkten, wo überhaupt über Wohl und Wehe des Landes berathen werde, nach den parlamentarischen Körperschaften, sei es auch für den gemeinen Mann wünschenswerth, schnellstens Aufklärung zu erhalten. Möze deshalb das Organ. das eine solche Einwirkung auf das öffentliche Leben habe, die Presse, eine entsprechende Unter⸗ stützung bei der Regierung finden. (Beifall.)