auf den Geschäftsumfang von geringerer oder von keiner Bedeutung, da sie entweder kleinere Institute betreffen oder, wie bei den öffent⸗ lichen Feuerversicherungs⸗Anstalten, durch Verschmelzungen solcher Anstalten verursacht sind. Die Differenzen bei den Aktiengesellschaften beruhen im Wesentlichen und Allgemeinen auf inzwischen eingetretene Neugründungen, bei der Unfallversicherung auch auf der Neuaufnahme dieses Geschäftszweiges durch sogenannte gemischte Gesellschaften, welche schon 1881 für andere Versicherungszweige bestanden. Vergleicht man nun beide Tabellen für 1881 und 1888 in Bezug auf den Geschäftsumfang und die Ergebnisse, so stellt sich insgesammt eine Zunahme der Prämieneinnahmen für eigene Rech⸗ nung um 82 Millionen Mark oder nahezu ein Drittel heraus, wovon auf die Lebensversicherung allein rund 55,2 Millionen Mark oder 67 — 68 % entfallen. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, daß die Gewinnantheile der Versicherten in der Lebensversicherung im Jahre 1888 über 9 Millionen Mark mehr als im Jahre 1881 betrugen. Auch an der Steigerung der Zinseneinnahmen — welch' letztere 1888 überhaupt 48,7 Millionen Mark, bei den Gegenseitigkeits⸗ Gesellschaften 22,3 Millionen Mark, bei den öffentlichen Feuerver⸗ sicherungsanstalten 3,6 Millionen Mark betrugen — um 17 Killionen Mark oder 54 % hat die Lebensversicherung mit 14 Millionen (67 — 68 %) den hauptsächlichsten Antheil. In den übrigen Versicherungszweigen richtet sich bei den Gegenseitigkeitsanstalten die Höhe der Prämien (Beiträge) im Verhältniß zu den Versicherungs⸗ beständen großentheils nach der wechselnden Höhe der Schäden, sodaß die absoluten Zahlen über die Beitragssummen noch keinen zuver⸗ lässigen Maßstab für die Zunahme des Geschäftsumfanges abgeben. Bei den Aktiengesellschaften, deren Betriebsausdehnung jedoch über⸗ wiegend auf Rechnung ihres außerdeutschen Geschäfts zu setzen sein dürfte, haben sich die Prämieneinnahmen für eigene Rechnung im Ganzen um 52 Millionen Mark oder 36 %, in der Lebensversicherung im Besonderen um 25 Millionen Mark, das sind etwa 60 %, die Gewinnantheile der Versicherten gleichzeitig um 3 ½ Millionen Mark gehoben. Auf die Feuerversicherungs⸗Aktiengesellschaften entfällt eine Zunahme der Prämien für eigene Rechnung um 4,3 Millionen Mark, auf die Transportversicherung bei Aktiengesellschaften um 7—8 Millionen Mark, auf die Rückversicherung um 14—15 Millionen Mark, während für die anderen Versicherungszweige nur geringe Veränderungen bemerkbar sind. — Die Kapital⸗ und dergl. Reserven (bei den Gegenseitigkeitsanstalten das reine Ver⸗ mögen derselben), wozu in der Lebensversicherung auch die Reserven für die Gewinnantheile der Versicherten zählen, haben sich im Ganzen um 110 Millionen Mark oder 60 — 61 % gehoben, und zwar ins⸗ besondere in der Lebensversicherung allein um 40 Millionen Mark oder 58 %, bei den öffentlichen Feuerversicherungs Anstalten um 32,6, bei den Privat⸗Feuerversicherungsgesellschaften auf Gegenseitigkeit um 3,8, bei den Feuerversicherungs⸗Aktiengesellschaften um 10,9, bei den Transportversicherungsgesellschaften um 11,3 und bei den Rückver⸗ sicherungsgesellschaften um 4,5 Millionen Mark.
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ek. Das Berliner Pfandbrief⸗Institut in den Jahren 1885 bis 1888.
Die Benutzung des Berliner Pfandbrief⸗Instituts durch die Grundbesitzer war bis zum Jahre 1877 in beständigem Wachsen be⸗ griffen; seitdem nahm dieselbe bis zum Jahre 1884 fast stetig ab. Diese absteigende Bewegung hat sich in den Jahren 1885 bis 1888 fortgesetzt; denn während sich die den Inhabern der Pfandbriefe ver⸗ schriebene Summe im Jahre 1885 nach dem dritten Theil des „Berichts über die Gemeindeverwaltung der Stadt Berlin in den Jahren 1882 bis 1888“ noch auf 1 189 200 ℳ belief, betrug sie im Jahre 1888 nur noch 471 608 ℳ
In den ersten Jahren der Thätigkeit des Pfandbriefamts stand der Preis des Geldes so hoch, daß die Grundbesitzer, welche von dem Institut als Darlehn viereinhalbprozentige Pfandbriefe zum Nenn⸗ werth erhielten, dieselben, da ihr Courswerth unter pari stand, nur mit Verlust veräußern konnten. Dadurch wurde das Verlangen nach Emission fünfprozentiger Pfandbriefe hervorgerufen. Ihm wurde durch den am 30. November 1870 Allerhöchst bestätigten ersten Nachtrag zum Statut entsprochen. Als dann in den nächsten zehn Jahren der allgemeine Zinsfuß herunterging, wurde es im Interesse der Grundbesitzer liegend erachtet, für das Institut erst die — durch den dritten Nachtrag zum Statut vom 25. Juni 1879 gewährte — Ermächtigung zur Emission vier⸗ prozentiger, dann auch die — durch den vierten Nachtrag vom 14. August 1882 ertheilte — Ermächtigung zur Emission dreieinhalb⸗ prozentiger Pfandbriefe zu erlangen.
Dem Sinken des allgemeinen Zinsfuße; entspricht naturgemäß die fortschreitende Steigerung des Courswerthes der Berliner Pfand⸗ briefe, wie aus der nachstehenden Zusammenstellung ersichtlich:
Der Cours der Berliner Pfandbriefe bewegte sich bei den drei⸗ einhalbprozentigen: im Jahre 1885 zwischen 95,30 und 97,90, im Jahre 1886 zwischen 96,10 und 101,20, im Jahre 1887 zwischen 94,50 und 100,00 und im Jahre 1888 zwischen 99,00 und 102,70; bei den vier⸗ prozentigen: im Jahre 1885 zwischen 101,00 und 103,00, im Jahre 1886 zwischen 102,50 und 106,00, im Jahre 1887 zwischen 102,70 und 107,10 und im Jahre 1888 zwischen 104,00 und 107,00; bei den viereinhalbprozentigen: im Jahre 1885 zwischen 103,90 und 107,20, im Jahre 1886 zwischen 106,30 und 111,50, im Jahre 1887 zwischen 105,00 und 110,70 und im Jahre 1888 zwischen 109,60 und 113,75; bei den fünsprozentigen: im Jahre 1885 zwischen 109,30 und 114,00, im Jahre 1886 zwischen 112,60 und 120,20, im Jahre 1887 zwischen 114,00 und 118,90 und im Jahre 1888 zwischen 114,75 und 120,00.
Diernach hatten die dreieinhalbprozentigen Pfandbriefe vom Jahre 1885 ab sich dem Paricours so erheblich genähert, daß seit dem Jahre 1886 ihr höchster Cours den Nennwerth überstieg.
Immerhin haben diejenigen Grundbesitzer, welche ein Darlehn in diesen Pfandbriefen nehmen wollen, sich zu vergegenwärtigen, daß sie in den ersten acht Jahren — wegen der statutenmäßigen Zahlungen an den Verwaltungs⸗, Reserve⸗ und Tilgungsfonds — 4 ½ % jährlich an das Institut würden zahlen müssen zu einer Zeit, wo sie Darlehne
mindestens von derselben Höhe, als sie das Institut gewähren darf, gegen erste Hypothek für 4, höchstens für 4 ½ % erhalten können. Dies ist der Grund, weßhalb sie die Individualhypothek dem Pfandbriefs⸗ darlehn vorziehen, und weßhalb sich die Thätigkeit des Pfandbriefamts in den letzten Jahren fast ausschließlich auf diejenigen Geschäfte bezogen hat, welche die Konvertirung höher prozentiger Pfandbriefe in solche mit niedrigerem Zinssatze und die Emission neuer Pfandbriefe bei Krediternegerung betrafen, weshalb bei stetig abnehmender Gewäh⸗ rung neuer Pfandbriefdarlehne und bei fortschreitender statutenmäßiger Tilgung von Pfandbriefen durch Verloosung die auf den bepfandbrieften Grundstücken ruhenden Pfandbriefsschulden seit Ende 1884, wo sie mit 59 238 000 ℳ die höchste Ziffer erreicht hatten, sich stetig ver⸗ mindert haben; denn es waren beliehen Ende 1885: 1140 Grundstücke mit 58 955 400 ℳ, Ende 1886: 1126 Grundstücke mit 58 495 800 ℳ, Ende 1887: 1087 Grundstücke mit 56 779 500 ℳ und Ende 1288: 1060 Grundstücke mit 55 101 600 ℳ
Ob dieser durch die allgemeinen Verhältnisse hervorgerufene Rück⸗ gang durch die mannigfachen Erleichterungen, welche der fünfte — am 26. Januar 1887 Allerhöchst bestätigte — Statutennachtrag in Bezug auf die Beleihungsgrenzen und einzelnen Verpflichtungen der Schuldner des Instituts gewährt, aufgehalten werden kann, wird bei der kurzen Zeit, in welcher diese neuen Bestimmungen in Kraft sind, erst die Zukunft lehren können. Wahrscheinlich ist es nicht, daß sie, so lange die allgemeinen Kreditver⸗ hältnisse im Wesentlichen unverändert bleiben, einen erheblichen Ein⸗ fluß auf die Neigung der Grundbesitzer zur Benutzung des Instituts üͤben werden. Aber andererseits ist es auch nicht wahrscheinlich, daß der jetzige niedrige Zinsfuß sich dauernd erhält, und es ist somit nicht ausgeschlossen, daß auch die Zeit wiederkommen kann, wo die Hülfe des Berliner Pfandbrief⸗Instituts den Berliner Grundbesitzern benso erwünscht sein wird, wie sie es in den siebziger Jahren war.
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ebäude und Miethsverhältnisse in Berlin im Jahre 1888. 8
Von den am 1. Januar 1889 in Berlin vorhandenen ertrag⸗ fähigen Grundstücken waren dem „Statistischen Handbuche für die Stadt Berlin“ zufolge 20 793 mit Gebäuden besetzt und 469 unbebaut, bez. als Holz⸗, Zimmer⸗, Ablageplätze und Gärten benutzt. Außerdem waren innerhalb des städtischen Weichbildes noch 129 an nicht regulirten Straßen belegene, als Aecker, Wiesen, Eärten, Plätze und Ablagestellen benutzte, und 1509 ertraglose Baustellen vorhanden. Die Zahl der miethsertragfähigen Grundstücke vermehrte sich in dem Berichtsjahre um 10,9 % Den stärksten Antheil an dieser Vermehrung hatten Moabit mit 49,3 % und die Tempel⸗ hofer Vorstadt mit 34,1 %0. Die Thiergarten⸗Vorstadt zählte nur ein Grundstück mehr als im Vorjahre. Eine Abnahme in der Zahl der Grundstücke trat in dem Berichtsjahre in der Alt⸗ stadt und in der Dorotheenstadt und außerdem in der diesseitigen Luisenstadt ein Am Stärksten war dieselbe in Alt⸗Kölln mit 55,7 ⁄%0 und auf dem Friedrichswerder mit 42,2 %. In der Friedrichsstadt blieb die Zahl der Gebäude eine unveränderte. Die Zahl der Wohnungen hat sich, mit Ausnahme der Friedrichs⸗Vorstadt, wo die Abnahme im oberen Theile 0,2 %, im unteren 6,8 %˙ betrug, in allen Stadttheilen vermehrt, am Meisten in der Thiergarten⸗ Vorstadt, um 211,8 %, und in Moabit, um 161,9 %°. Für ganz Berlin betrug die Vermehrung 49 %0. Die durchschnittliche Zahl der auf ein Grundstück kommenden Wohnungen stieg im Ganzen von 16,40 auf 17 02; am Stärksten in der Thiergarten⸗Vorstadt, von 6,19 auf 7,47, auf dem Friedrichswerder, von 7,99 auf 8,95, und in Moabit, von 17,99 auf 19,92. Verringert hat sie sich in der oberen und unteren Friedrichs⸗ Vorstadt und in der Friedrich⸗Wilhelmstadt. Die im Jahre 1887 begonnene Vermehrung der leerstehenden Wohnungen dauerte auch im Berichtsjahre fort. Im ersten Quartal 1889 standen unbeutzt, 2,35 % sämmtlicher Wohnungen. Die stärkste Vermehrung fand im Spandauer Viertel, von 171 auf 374, und in Moabit, von 542 auf 806 statt. In der Friedrichsstadt, der Friedrichs⸗Vorstadt, der Tempelhofer Vorstadt, der diesseitigen Luisenstadt, dem Stralauer Viertel und auf dem Wedding nahm die Zahl der leerstehenden Wohnungen ab. Relativ die meisten Wohnungen standen leer in der Friedrichstadt (5,73 % aller), in Moabit (4,75 %), auf dem Friedrichswerder (4,73 %), und in Alt⸗Berlin (4,27 %); die wenigsten in der Rosenthaler Vorstadt (1,84 %), der jenseitigen Luisenstadt (1,65 %), dem Stralauer Viertel (1,50 %) und in der Oranienburger Vorstadt (1,44 0⁄%). Der Preis der vermietheten Wohnungen erhöhte sich von durchschnitt⸗ lich 641,88 ℳ im ersten Quartal 1888 auf 652,06 ℳ in 1889. Am Höchsten war derselbe im Durchschnitt in der Dorotheenstadt 2926 96 ℳ in der unteren Friedrichstadt 2303,74 ℳ, auf dem Friedrichswerder 1964,86 ℳ, in der Thiergarten⸗Vorstadt 1661,65 ℳ und in der Friedrichstadt 1635 90 ℳ; am Niedrigsten auf dem Wed⸗ ding 293,26 ℳ, in der Rosenthaler Vorstadt 354,07 ℳ und in der jenseitigen Luisenstadt 394,08 ℳ Im Durchschnitt hat sich der Miethpreis um 1,59 % erhöht, am Meisten in Alt⸗Berlin, um 6,92 % und in der Dorotheenstadt, um 6,62 %; verringert hat er sich in Moabit um 2,97 % und in der Thiergarten⸗Vorstadt um 13 ½8 %. Die in letzterer neu hinzugekommenen 302 Wohnungen hatten nur einen durchschnittlichen Miethspreis von 1189,10 ℳ, während im Vorjahre der durchschnittliche Miethspreis 1917,21 ℳ betragen hatte. Zieht man die Zahl der Wohnungen nach Miethsstufen in Betracht, so zeigt sich in allen Stufen eine wesentliche Vermehrung mit Ausnahme der untersten bis zu 150 ℳ, in welcher die Ver⸗ minderung 2123 betrug. Seit dem Beginn der Verminderung dieser Klasse von Wohnungen, etwa seit dem dritten Quartal 1883, ist die Zahl derselben auf 70 % ihrer damaligen Höhe zurückgegangen. Dagegen hat sich die Zahl der Wohnungen bis 500 ℳ in dem Berichts⸗ jahre um 4,45 %, die der Wohnungen bis 5000 ℳ um 4,88 % ver⸗ mehrt. Am Bedeutendsten war die Vermehrung der Wohnungen mit einem Miethsbetrage von 25 001 bis 30 000 ℳ, um 11,76 %, und der Wohnungen zum Preise von 4001 bis 5000 ℳ, um 11,03 %, ferner die der Wohnungen von 20 001 bis 25 000 ℳ, 4501 bis 5000 ℳ und über 30 000 ℳ, wo sie 9 bis 10 % betrug, sowie die der von 7501 bis 10 000 ℳ und 301 bis 500 ℳ, um 8 bis 9 %. Am Geringsten blieb die Vermehrung in den Klassen von 10 001 bis 15 000 ℳ, von 3501 bis 4000 ℳ und von 1001 bis 1100 ℳ, bei denen sie sich nur auf 4 bis 5 % belief. Die Zahl der unbe⸗ nutzten Wohnungen hat sich bis 500 ℳ Miet swerth um 12,03 %, bis 5000 ℳ Miethswerth um 13,15 % vermehrt. Von den Woh⸗ nungen mit einem Miethspreise von über 5000 ℳ hat nur die Klasse von 5001 bis 7500 ℳ eine Vermehrung der unvermietheten Woh⸗ nungen um 10,71 „% erfahren, in allen höheren Klassen ist die Zahl der unbenutzten Wohnungen die gleiche geblieben oder eine geringere geworden. Die Zahl der Miethserhöhungen hat im Jahre 1888 ab⸗ genome en und betrug nur 108,7 % der im Mittel des Jahres vor⸗ handenen Wohnungen gegen 132,9 % im Vorjabre; die Zahl der Er⸗ mäßigungen 6,1 %0 gegen 6,6 % in 1887. Die Zahl der Umzüge hat sich relativ verringert, vou 432,2 % im Vorjahre auf 429,8 im Berichts⸗ jahre, absolut hat dieselbe um 5620 zugenommen. Die Zahl der Miethserhöhungen war im Verhältniß zur Zahl der Wohnungen am Größten auf dem Wedding, nächstdem in der Rosenthaler und Oranien⸗ burger Vorstadt, am Geringsten in der Friedrichstadt und in der Alt⸗ stadt, die der Miethsermäßigungen am Größten in der Altstadt und der Friedrichstadt, am Geringsten im Spandauer Viertel und in der Oranienburger Vorstadt. Die Zahl der Umzüge zeigt nur in der Friedrich⸗Wilhelmstadt, in Moabit und in der Thiergarten⸗Vorstadt eine bedeutende Zunahme, in allen übrigen Stadttheilen eine Ver⸗ ringerung.
Die Konsumtionsverhältnisse in Berlin im Jahre 1888.
Eine genaue Feststellung des Verbrauchs der wichtigeren Konsum⸗ tionsartikel für die Stadt Berlin ist bei der Ungewißheit hinsichtlich der Höhe der Konsumbevölkerung und des schnell sich erweiternden Gebiets, in welches derartige Artikel von Berlin aus gelangen, — man kann dasselbe als im Umkreise von 8 km belegen annehmen — nicht zu ermöglichen. Es haben daher die nachstehenden, dem „Statistischen Jahrbuche für die Stadt Berlin“ entnommenen Angaben, welche bei dem Fleische auf Grund der im städtischen Vieh hofe erfolgten Schlachtungen und des Nachweises der Ein⸗ und Ausfuhr auf den Eisenbahnen u. s. w., bei den übrigen Artikeln nur anf Grund letzterer aufgestellt sind, nur einen relativen Werth und dürften wohl als etwas zu hoch gegriffen anzusehen sein. Nach denselben würde sich für Berlin in dem oben genannten Jahre der Verbrauch von im Orte geschlachtetem frischen Fleisch auf 76 145 000 kg stellen. Hierzu kommt der Import von frisch geschlachtetem Fleisch, welcher auf Grund der Schätzung von Fleischschaubeamten auf 23 048 300 kg zu veranschlagen ist, sodann die Eisenbahn⸗Mehreinfahr an Fleisch und Speck von 4 882 500 kg, das mittels der Eisenbahn mehr eingeführte Geflügel und Wild im Gewicht von 2 936.100 kg, das Gewicht von Lungen, Lebern, Herzen u. s. w., welches ca. 3 807 206 kg ausmacht, und das zum Genuß zugelassene Fleisch von Pferden mit 171 100 kg. Es ergiebt dies einen Gesammt⸗ Fleischkonsum von rund 110 990 000 kg. Nicht zu bestimmen ist das Gewicht des ohne Eisenbahn eingeführten Geflügels und Wildes, sowie das des direkt von den Vorortsschlächtereien zum Konsum gelieferten Fleisches und das der per Post aus ferneren Gegenden be⸗ zogenen Fleischwaaren. Hiernach würde sich der Fleischkonsum der Berliner Bevölkerung im Jahre 1888 auf 76,9 kg pro Kopf stellen, während derselbe der nämlichen Berechnung zufolge im Jahre 1884 und 1885 70,9 kg, 1886 73,8 kg, 1887 74,0 kg betrug. An Fischen wurden im Jahre 1888 20 795 500 kg, 14,42 kg pro Kopf der Bevölkerung, dem Berliner Konsum zugeführt. Die Mehreinfuhr an Bier betrug 5 820 000 kg; rechnet man dazu die Berliner Pro⸗ duktion mit 273 715 0501, so ergiebt sich, 1 kg gleich 1,101 gerechnet, ein jährlicher Konsum von 194,24 1 pro Kopf, gegen 192,48 1 im Jahre 1887. Hierin dürfte aber weniger ein Beweis für die Er⸗ höhung des Berliner Konsums, als für die wachsende Aufnahme Berliner Bieres in die Vororte liegen. Dasselbe gilt wohl Wein, bei
dem die Mehreinfuhr 11 806 000 kg, oder 8,19 kg auf den Kopf der Bevölkerung betragen hat. An Spiritus, Spirituosen, Branntwein und Essig belief sich die Mehreinfuhr auf 22 670 500 kg gegen 29 033 000 kg im Vorjahre, pro Kopf 15,72 kg gegen 20,94 kg; an Kaffee, Kaffeesurrogaten, Cacao und Thee auf 4 169 500 kg, 2,89 kg pro Kopf; an Petroleum 44 746 500 kg, 31,03 kg pro Kopf; an Brennholz 206 358 500 kg, 143,10 kg pro Kopf; an Torf, Holz⸗ kohlen und Lohkuchen 13 983 500 kg, 9,70 kg pro Kopf; an Stein⸗ kohlen, Koks und Braunkohlen 1 957 416 500 kg, 1357,30 kg
pro Kopf.
Wirthschaftliche Vereine.
Die Vereinigung der Steuer⸗ und Wirthschaftsrefor⸗ mer wird ihre Generalversammlung am 16. Februar im Architekten⸗ hause abhalten; es werden zur Verhandlung kommen: 1) Zolleinigungen und die deutsche Landwirthschaft; 2) die Vertretung der Landwirth-⸗ schaft. — Zur Theilnahme an den Verhandlungen sind Vertreter der landwirthschaftlichen Vereine und der Bauernvereine willkommen und werden Eintrittskarten von dem „Bureau der Steuer⸗ und Wirth⸗ schaftsreformer“, Berlin SW. 47, Hagelsbergerstraße 18, auf Ver⸗ langen zugesandt. — Am folgenden Tage, den 17. Februar 1891, wird dann der „Kongreß deutscher Landwirthe“ zu seiner 22. Hauptversammlung ebenfalls im Architektenbause zusammentreten. Berathungsgegenstände desselben sind: 1) Die Sozialdemokratie und die ländliche Bevölkerung; 2) die Eisenbahntarife. — Eintrittskarten sind vom Sekretär Stephan, Berlin SW. 47, Hagelsbergerstraße 18, zu erhalten.
3 Zur Arbeiterbewegung. “
Von Arbeitervereinen, welche den Geburtstag Majestät des Kaisers besonders festlich begingen, seien noch die evangelischen Arbeitervereine in Dortmund und Weidenau erwähnt.
Das Centralorgan der sozialdemokratischen Partei „Vorwärts“ schreibt: Der Beschluß der Fraktion, betreffend die Maifeier, wurde mit allen gegen eine Stimme gefaßt. (Vgl. die gestrige Nr. 26 d. Bl.) Einmüthigkeit herrschte in Bezug darauf, daß von einem Feiern der Arbeit am 1. Mai unter keinen Um⸗ ständen die Rede sein kann und daß von jedem Versuch, ein Feiern der Arbeit herbeizuführen, im Interesse der Arbeiter und der Partei nachdrücklichst abgerathen werden muß. Waren schon im vorigen Jahr die wirthschaftlichen Verhältnisse derart, daß die Arbeiter selbst da, wo sie am Besten organisirt waren, ein allgemeines Feiern der Arbeit nicht durchzusetzen vermochten, so hat sich seitdem die wirthschaftliche Lage für die Arbeiter noch sehr verschlimmert. Den Arbeitgebern unter solchen Verhältnissen einen Tag der Arbeitsruhe aufzwingen wollen, wäre ein aussichtsloses Beginnen, bei dem nur die Feinde der Arbeiter zu gewinnen hätten. Wie gesagt, in Bezug hierauf herrschte und herrscht in der Fraktion abfolute Uebereinstimmung, und wir sind überzeugt, daß in der ganzen Partei keine abweichende Meinung vor⸗ handen sein wird. Die Gründe, welche die Fraktion dazu bestimmte, von einer Vorfeier am 1. Mai, wie eine solche durch den Halleschen Beschluß vorgesehen war, abzustehen und die ge⸗ sammte Feier auf den ersten Sonntag des Mai zu verlegen, waren rein praktischer Natur und werden in dem Aufruf der Fraktion klar entwickelt werden. Erwähnt sei nur, daß der 1. Mai diesmal auf einen Freitag fällt, und daß Freitag und Sonntag zu nahe zu⸗ sammenliegen, als daß eine Feier des einen Tages nicht die des anderen beeinträchtigen müßte.
Aus Erfurt wird der „Madb. Ztg“ geschrieben, daß die Auf⸗ reizungen der dortigen Sozialdemokraten zwischen den Meistern der Baugewerke eine Solitarität geschaffen haben, ähnlich der Vereinigung der Erfurter Schuhfabrikanten. Der Zweck des Zu⸗ sammenschlusses ist die gemeinsame Abwehr gegen eventuell aus⸗ brechende, besonders gegen muthwillig vom Zaun gebrochene Arbeits⸗ einstellungen.
Aus Leipzig berichtet die „Lpz. Ztg.“, daß der dortige „Verein sämmtlicher in der Papierbranche beschäftigten Frauen und Mädchen“ sich wegen Mangels genügender Betheiligung auf⸗ gelöst habe. Der Verein stellte den ersten und bisher einzigen Versuch der Leipziger sozialdemokratischen Partei dar, Fachvereine mit ausschließlich weiblichen Mitgliedern zu bilden. — In einer Versammlung von Schneidergehülfen erstatteten am Mittwoch die Werkstattdelegirten Bericht über die Verhältnisse in den einzelnen Werkstätten. Neben mancherlei gerügten Mißständen wurde vielfach auch anerkannt, daß die Unter⸗ bringung und Behandlung der Gehülfen eine recht befriedigende sei. Man beschloß, die Ermittelungen in den Werkstätten noch fortzusetzen sodann aber einer größeren Versammlung die Abstellung der vor⸗ gefundenen Uebelstände zunächst auf dem Wege götlicher Verein barung mit den Arbeitgebern in Vorschlag zu bringen.
Die zum Knappschaftsverband des Bergreviers Frei⸗ berg gehörigen Beamten und Arbeiter, deren Lohn die Höhe von 24 ℳ wöchentlich nicht übersteigt, erhalten, wie das „Chemn. Tgbl.“ mittheilt, auch dies Jahr aus dem Bergmagazinfonds in Rücksicht auf ie hohen Preise aller Lebensbedürfnisse für das erste Quartal Geld unterstützungen, und zwar jeder verheirathete Bergmann. wöchentlich 40 ₰, jedes arbeitslose Bergmannskind 10 ₰, der unverheirathete Bergmann 25 ₰ und so fort, sodaß z. B. ein verheiratheter Mann mit fünf Kindern im Quartal 11 ℳ 70 ₰ außerordentliche Unter⸗ stützung erhält 8
Wie der „Mgadb. Ztg.“ aus Prag telegraphirt wird, haben in der Zuckerfabrik von Siegfried Elbogen in Schönprieser sämmtliche Arbeiter nach Ankündigung einer Lohneinschränkun am Dienstag die Arbeit niedergelegt. Von arderen Arbeitern schlossen sich über hundert dem Ausstand an. Die Fabrik kündigte die Ein stellung des Betriebs für den heutigen Freitag an, wodurch 600 Familien brotlos werden.
Die Londoner „Allg. Corr.“ theilt die vom Abgeordneten für Glamorganshire Abraham im britischen Parlament eingebrachte Achtstunden⸗Bill mit, welche wörtlich lautet: „Niemand so während eines vierundzwanzigstündigen Tages unter de Erde in einem Bergwerke länger als acht Stunden vo der Zeit an, wo er die Erdoberfläche verläßt, bis zu der Zeit, wo er wieder an dieselbe gelangt, beschäftigt sein, abgesehen vom Falle eines Unglücks. Sobald ein Arbeitgeber oder dessen Beauftragter Jemanden gegen dieses Gesetz beschäftigt oder beschäftigen läßt, so soll er eine Buße von nicht über 40 Sh. für jede Uebertretung zahlen Diese Buße ist in derselben Weise ein zutreiben, wie die Bußen der Fabrik⸗ und Werkstätten⸗Akte einge trieben werden.“
Aus London schreibt man der „Köln. Ztg.“ unter dem 27. d. M.: Die Caledonian Eisenbahn hat seit Anfang des Aus⸗ standes 267 ihrer alten Arbeiter wiederangestellt, und gestern nahmen etwa ein Dutzend die Arbeit wieder auf. Das thatkräftige Vorgehen der North British Eisenbahn, welche auf gerichtlichem Wege von dem Vorstande des Arbeitervereins 20 000 L. Schadenersatz fordert und einstweilen die Hülfskasse des Vereins mit Beschlag belegt, giebt
8.
den Arbeitern ernstlich zu denken und macht viele dem Ausstande ab- 8
wendig. Dieser Mittheilung entsprechend berichtet ein Wolff'sches Telegramm aus Glasgow vom gestrigen Tage, der Ausstand der Bediensteten der „North British Railway“ gelte als be⸗ endet; die Ausständigen werden die Arbeit wieder aufnehmen.
Aus Rom wird dem Berner „Bund“ telegraphirt, daß am Montag unter den dortigen Bäckergesellen ein Ausstand ausge⸗ brochen sei und die Ausständischen gegen die arbeitenden Gesellen in den Straßen thätlich vorgegangen sind.
Aus Sosnowice wird der „Voss. Ztg.“ telegraphirt, daß der erste Ausstand, der in Russisch⸗Polen und in Rußland überhaupt ausgebrochen war, bald beigelegt worden ist. (Vgal. Nr. 21 d. Bl.) Etwa zweitausend Bergleute hatten in den Kohlenbergwerken bei Sosnowice die Arbeit niedergelegt. Da ihnen aber die geforderte Lohnerhöhung bewilligt worden ist, sind sie gestern Alle angefahren.
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Berlin, Freitag, den 30. Januar
Anzeiger und Königlich Preußischen Staats⸗An
Haus der Abgeordneten. 23. Sitzung vom 29. Januar 1891. Der Sitzung wohnen der Minister des Innern Herr⸗ furth und der Finanz⸗Minister Dr. Miquel bei.
Das Gesetz, betreffend die Emeritirungs⸗ ordnung für die evangelisch⸗lutherische Kirche der Provinz Schleswig⸗Holstein, wird in dritter Berathung ohne Diskussion angenommen.
Es solgt die erste Berathung des Gesetzentwurfs, betreffend die Ausdehnung einiger Bestimmungen der Novelle zum Pensionsgesetz auf mittelbare Staatsbeamte.
Abg. von Schenckendorff richtet an die Regierung die Bitte, daß die von dem Minister des Innern im Herrenhause in Aussicht gestell te Vorlage an den Reichstag, betreffend die Anrechnung der Militärdienstzeit bei der Pensionirung der Gemeindebeamten, recht bald eingebracht werden möge.
Minister des Innern Herrfurth:
Meine Herren! Es ist zweifellos, da rechnung der Militärzeit bei der Pen munalbeamten von sehr hoher Bedeutung wünschenswerth, daß die Anrechnung in irgend einer werde. Aber andererseits werden Sie auch zugeben, betreffenden Stadtgemeinden eine sehr erhebliche Mehrbelastung mit sich bringt, und diese Anrechnung steht überdies im Widerspruch mit dem bisher allgemein besolgten Grundsatz, daß bei der Berechnung der Pension nur diejenige Dienstzeit in Anrechn ing gebracht wird, welche demjenigen geleistet wird, der die Pension zu zahlen hat. In wie weit es möglich sein wird, auf Grund der bereits eingeleiteten Verhandl. im Wege der
Reichsgesetzgebung Abhülfe zu schaffen, kann ich heute noch nicht über⸗ sehen. Ich meinerseits stehe, was diese Frage selbst anlangt, durch⸗ aus auf dem Standpunkt des Hrn. von Schenckendorff. Ich möchte noch erwähnen, daß im Wege der Landesgesetzgebung Abhülfe nicht geschaffen werden kann, sondern nur im Wege der Reichsgesetz⸗ gebung.
Abg. von Risselmann fragt, ob auch den Kommunal⸗Forst⸗ beamten die Vortheile dieses Gesetzes zu Theil werden würden.
Minister des Innern Herrfurth:
Ich kann die Frage des Hrn. Abg. von Risselmann nur bejahen. Selbstredend wird diese Bestimmung, Falls sie für sämmtliche Kommunalbeamte in Aussicht genommen wird, auch für Kommunal⸗ forstbeamte Anwendung finden. Für letztere Beamte liegt die Sache aber verhältnißmäßig noch günstiger.
Es ist in letzter Zeit von dem Landgericht in Koblenz ein Erkenntriß ergangen, wonach die Kommunalforstbeamten schon jetzt das Recht hätten, die Anrechnung der Millitärdienstzeit bei ihrer Pensionirung zu verlangen mit Rücksicht darauf, daß diese Zeit zu ihrer Ausbildung zum Dienst als Forstbeamter nothwendig wäre. Allerdings — das will ich zugeben — steht dieses Erkenntniß im Widerspruch mit der bisherigen Praxis und mit früher ergangenen gerichtlichen Erkenntnissen; und auf dieses landgerichtliche Erkenntniß allein hin wird man die Praxis nicht ändern können. Ich nehme an, daß bei der nächsten Gelegenheit diese Frage zur Entscheidung des Reichsgerichts kommen wird.
Die kommunalen Forstbeamten werden nach dieser Richtung hin sogar noch eine bevorzugte Stellung bekommen, und wenn irgend einer Kategorie von Beamten diese Anrechnung zugestanden wird, so werden jedenfalls die Kommunalforstbeamten die Ersten sein, welche sie erhalten werden.
Abg. Schlabitz tritt dem Wunsche des Abg. von Risel⸗ mann bei.
Damit schließt die erste Lesung. In zweiter Berathung wird die Vorlage ohne Abänderung und ohne Debatte an⸗ genommen.
Es folgt die erste Lesung der Vorlage, betreffend die Erhöhung des Höchstbetrags der Hundesteuer in den älteren Landestheilen der Monarchie.
Abg. von Schalscha giebt zu erwägen, ob nicht bei dieser Ge⸗ legenheit eine verschiedene Besteuerung der Hunde und Hündinnen ein⸗ zuführen sei. Die Vermehrung der Tollwuthfälle rühre vielfach daher, daß es zu viel Hunde, aber zu wenig Hündinnen gebe. Man könne durch eine geringere Besteuerung der Hündinnen auch hier vorkehren.
Minister des Innern Herrfurth:
Die Einführung der Hundesteuer in den Gemeinden ist nicht obligatorisch vorgeschrieben, sondern nur fakultativ. Es steht also in dem Belieben der Gemeinden, ob sie ihrerseits bei der Auf⸗ stellung des Hundesteuerregulativs eine derartige Verschiedenheit, wie sie der Herr Vorredner empfohlen hat, einführen wollen, und ich glaube, es ist nicht nöthig, daß wir in dem Gesetz irgend eine der⸗ artige Bestimmung treffen, sondern wir können diese Maßnahme der Autonomie der Gemeinden ruhig überlassen.
Nach einigen Bemerkungen der Abgg. Schlabitz und von Schalscha wird die Vorlage in erster und zweiter Lesung an⸗ genommen.
Es folgt die dritte Berathung der Vorlage, betreffend die Abänderung und Ergänzung einiger Bestim⸗ mungen wegen der Wahl von Stadtverordneten.
Abg. Tschocke: Der Gesetzentwurf fülle eine fühlbare Lücke in der Städteordnung aus und entspreche den Beschlüssen des Landtages in verschiedenen Sessionen. Eine mit diesem Gesetzentwurf in Zu⸗ sammenhang stehende und von 35 Breslauer Stadtverordneten aus⸗ gehende Petition wünsche nun im § 14 den Absatz 1 dahin abzuändern, daß statt „Gehören zu einer Abtheilung mehr als 500 Wähler, so kann die Wahl derselben nach dazu gebildeten Wahlbezirken geschehen“ gesagt werde: „so hat die Wahl derselben nach dazu gebildeten Wahlbezirken zu geschehen“, und daß folgender Zusatz gemacht werde: „Ist eine Abtheilung in Wahlbezirke zerlegt worden, so müssen auch die anderen Abtheilungen in Wahlbezirke zerlegt werden, und zwar gleich viel, ob diese Abtheilungen mehr oder weniger als 500 Wähler umfassen. Die Zahl der Wahlbezirke muß in allen Abtheilungen die gleiche sein’.. Zur Begründung führten die Petenten an, daß jetzt in Breslau in der zweiten und dritten Abtheilung 17 Wahlbezirke beständen, während in der ersten bis vor Kurzem nur ein Wahl⸗
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ersten Male in zwei Bezirken gewählt — bestanden hätte, daß dadurch eine Verkümmerung des Wahlrechts in der zweiten und dritten Ab⸗ theilung zu Gunsten der ersten statifinde, und daß unter Umständen sogar einem Bürger, der einen Wohnungswechsel vor⸗ nehme, die Möglichkeit, einen Stadtverordneten zu wählen, ö— hinaus entzogen werden könne. Eine solch erhebliche Anomalie verlangt wohl eine Deklaration des betreffenden Para⸗ graphen der Städteordnung. Um nicht den vorliegenden sehr will⸗ kommenen Gesetzentwurf mit ciner neuen Zugabe zu belasten, beantrage er nicht, Gesetzentwurf und Petition einer Kom nission zu überweisen sondern begnüge sich, die Aufmerksamkeit des Hauses auf die Petition zu lenken, die eine gründliche Prüfung verdiene, und empfehle im Uebrigen die Annahme des Gesetzentwurfs.
Minister des Innern Herrfurth:
Meine Herren! Diese soeben erwähnte Petition ist auch mir gestern Abend zugegangen. Ich habe mir sofort gesagt, daß es absolut nicht möglich sein würde, diesem Wunsch der Herren aus Breslau zu entsprechen. Ich erlaube mir, daran zu erinnern, daß nirgends dieses Prinzip, das hier obligatorisch gefordert wird, zur Zeit besteht. Die Ausführung Albezirks⸗Eintheilung ist nur da thunlich, wo es sich vm eine größere 2 n Wählern handelt. Nun haben wir wohl nirgends eine größere Anzahl von Wählern, als hier in Berlin, und hier in Berlin die Stadtbehörden nach einem anderen Hrinzip verfahren; sie Klasse in zweiundvierzig Wahlbezirke g weite und erste aber nur in vierzehn. Was die Petenten wollen, ist meines Erachtens zum Theil nicht ausführbar; denn wenn es sich um eine kleinere Stadt handelt, in welcher vielleicht nur fünf⸗ bis sechshundert Wähler vorhanden sind, und wenn Sie dann in dieser Stadt Wahlbezirke einführen, so ist die Möglichkeit gegeben, daß überhaupt nur zwei oder drei hoch⸗ besteuerte Wähler in der ersten Klasse vorhanden sind, und wi wollen Sie diese drei Wähler in vier Wahlbezirke eintheilen?
Meine Herren, diese Frage kann meines Erachtens, wenn überhaupt zur Erörterung gebracht werden soll, nur bei iner Revision der Städteordnung zur Erledigung gebracht e gehört nicht in dieses Gesetz, welches sich lediglich auf die for male
e der Abgrenzung der Wahlbezirke bezieht, und ich bitte Sie,
iese Petition zu berücksichtigen, den Gesetzentwurf unverändert
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men. Ohne Spezialdiskussion wird die Vorlage in zweiter Lesung unverändert angenommen. Gesetzentwurf, betreffend die liche Armenlast, wird vom Dr. Krause in der Fassung des Herrenhauses zur unver⸗ Annahme empfohlen. Der Gesetzentwurf führe eine außer⸗ 1 Entlastung der Gemeinden herbei und diene gleichzeitig em Maße der Humanität. b on Tzschoppe empfiehlt auch seinerseits die Vorlage, ihre Erörterung in einer Kommission von 14 Mit⸗ gliedern. Redner macht noch einige Erweiterungs⸗ bezw. Abänderungs⸗ vorschläge zum Gesetzentwurf und zum Ausführungsgesetz zum Reichsgesetz, betreffend den Unterstützungswohnsitz. Abg. von Rauchhaupt hält gleichfalls Kommissionsberathung für nothwendig. Die Provinzialverbände als Landarmenverbände hätten bisher die Verpflichtung, für alle Geisteskranken die Für⸗ sorge zu übernehmen, nicht; diese Verpflichtung solle jetzt aus⸗ gesprochen werden, und damit vermehrten sich die Kosten für die Prooinzen ganz außerordentlich. enn die Zahl der nicht gemein⸗ gefährlichen Geisteskranken, die der Anstaltspflege bedürften, sei eine sehr erhebliche. Ferner sei zweifelhaft geblieben, was ein Idiot sei; der Begriff schwanke. Alle diese Punkte bedürften genauer Erörterung in einer Kommission. Noch schwieriger liege die Frage der Epileptiker. Auch die Frage: Was denn Hülfsbedürfniß im Sinne dieses Gesetzes sei, sei nicht klar beantwortet. Minister des Innern Herrfurth: Die Frage der geschäftlichen Behandlung dieser Vorlage muß ich selbstredend der Entscheidung des hohen Hauses lediglich anheimstellen. Von meinem Standpunkte als Abgeordneter würde ich mich aller⸗ dings den Auffassungen der beiden Herren Vorredner nur vollständig anschließen können. Die Vorlage ist keineswegs so einfach, wie sie aussieht; sie hat im Herrenhause eine große Reihe von Ver⸗ änderungen erfahren auf Grund einer mündlichen Berichterstattung und einer sehr eingehenden Diskussion; über letztere liegen die stenographischen Berichte vor, über die Verhandlungen in der Kommission aber nur das Referat des Herrn Referenten. Von meinem Standpunkt als Staats⸗Minister aus will ich zunächst anerkennen, daß das, was mit Zustimmung der Staats⸗ regierung in dem Herrenhause an diesem Gesetze geändert worden ist, durchaus als zweckmäßig und erwünscht anzusehen ist. Diese Aende⸗ rungen sind einmal eine Klarstellung des Gedankens, von dem die Königliche Staatsregierung ausgegangen ist, sie enthalten aber auch noch einige Ergänzungen, eine Ausfüllung von Lücken, die bei der praktischen Ausführung desselben vielleicht hervorgetreten sein würden, und sie enthalten endlich die von dem Abg. Krause bereits hervorgehobene Abänderung, welche als eine wesentliche Ver⸗ besserung anzusehen ist, nämlich die Einschiebung des Kreises als des prinzipaliter Verpflichteten. Nach dieser Richtung hin möchte ich in Erwägung dessen, was der Hr. Abg. Dr. Krause gesagt hat, hervorheben, daß diese Veränderung sich als eine Verbesserung namentlich auch nach der Richtung hin charakterisirt, daß in Zukunft die bei Ausführung dieses Gesetzes ent⸗ stehenden Streitigkeiten immer von ein und derselben Instanz schließlich entschieden werden. Nach der Konstruktion der Regierungsvorlage würde theilweise in solchen Fällen das Bundesamt für Heimaths⸗ wesen zur letztinstanzlichen Entscheidung berufen gewesen sein, nämlich wenn es sich handelte um Streitigkeiten zwischen Landarmenverbänden und Ortsarmenverbänden über das Drittel, welches der Ortsarmen⸗ verband nach der Regierungsvorlage dem Landarmenverband zu erstatten hat. Dagegen würde das Ober⸗Verwaltungsgericht zu ent⸗ scheiden haben, wenn Streitigkeiten entstehen zwischen dem Land⸗ armenverbande und dem Kreise oder zwischen dem Ortsarmenverbande und dem Kreise über dasjenige, was der Kreis zu leisten resp. zu empfangen hat. Daß diese Duplizität der letztinstanzlichen Ent⸗
außer⸗
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bezirk — erst im letzten November habe die erste Abtheilung zum
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Da ich wohl annehmen darf, daß nach dem Vorschlage der beiden letzten Herren Redner eine Kommissionsberathung beschlossen werden wird, so glaube ich, mich daher auf eine Reihe von kurzen Bemerkangen gegenüber den letzten beiden Herren Vorrednern beschränken zu dürfen. Dem Hrn. A’5g. von Tisvboppe möbte ich bemerken, daß aller⸗ dines es nicht Absicht dieses G setz's gewesen ist, in dem Begriff der Hülfsbedürftigkeit in dieser’ Frage des Umfanges der Armenpflege ein: Aenderung herbeizuführen. Der Begriff der Hülfsbedür tigkeit ist zunächst auf Grund der reichsgesetzliben Vor⸗ schei ten durch die Judikatur einer Rechtsbehörde, des Buandesaents für Heimatösw sen festgestellt. Daran würden wir überhaupt gar nichts ändern können; aber es ist amch nicht nöthig, an dem Un⸗ fang der zue Armenpflege gehörenden Leistungen etwas zu ändern, denn — und hier komme ich auf das, von Rauchhaupt einge⸗ wendet hat — es sind hie Zunächst gesetzes über den n des preußischen muß derselbe der zweite Kriterium, was no die im Herrenhause erfolgte Klarstellung dieses den Motiven der Re⸗ gierung klar erhellt, der aber in dem Texte nicht den scharfen Aus⸗ druck gefunden hatte, welchen er jetzt nach der Aenderung im Herren⸗ hause hat, ist es ganz zweifellos, daß z. B. Blinde und Taubstumme nur dann in die Anstalt geb
So⸗
t worden sind, sich
Mehrzahl der g icherweis “ vört natürlich die Verpflichtung 1 b
iben substituirt hat. Denn für die Mehrzahl der Provinzen trifft
zwar zu, daß der Landarmenverband mit der Provinz coinecidirt, es
trifft aber nicht zu in Hessen Nassau und in Ostpreußen, wo der
Kreis auch Landarmenverband ist und die Provinz nur als ein
ußerer zweiter Landarmenverband für gewisse Leistungen darüber chwebt. Den Hrn. A chte ich
eiten der Entscheidun ist, im einzel
bg. von R aufmerksam machen, daß
Frage entschieden klar gewiesen.
Diese Frage kann streitig werden einmal zwischen dem betreffenden Hülfsbedürftigen, also dem Idioten, Taubstummen und Blinden und dessen Angehörigen einerseits und dem Octsarmenverband anderer⸗ seits, — dann hat der Kreisausschuß darüber zu beschließen im Beschlu zverfahren, ob und in welcher Weise die Armenpflege zu gewähren ist. Die Frage kann aber auch streitig werden zwischen dem Ortsarmenverband und dem Landarmenverband, indem der Erstere sagt: hier ist Anstaltspflege nöthig, während die Letztere dies leugnet, dann ist nach dem Zuständigkeitsgesetz darüöder im Ver⸗ waltungsstreitver fahren zu entscheiden.
Also die Frage kann in den einzelnen Fällen sehr zweifelhaft sein, der Weg, wie sie entschieden wird, ist aber i bezeichnet.
Was die Frage der Erstattung des ein
Bemeinde an den Kreis anlangt, so ist die⸗
daß die Gemeinde unbedingt verpflichtet
erstatten, daß aber natürlich dem Kreis überlassen ist, ob er von seiner Berechtigung, das Drittel zu verlangen, Gebrauch machen will oder nicht, oder ob er von der Gemeinde einen geringeren Theil nehmen will; nur darf er nicht mehr wie ein Drittel verlangen.
Wenn nach den Mittheilungen des Hrn. von Rauchhaupt bisher hier oder dort die Hälfte gefordert worden ist, so wird hier im Gesetz festgestellt, daß mehr als ein Drittel der nach Abzug der General⸗ kosten verbleibenden sonstigen Kosten der Ortsarmenverband nicht zu erstatten braucht.
Der Zusatz, den der Abg. von Tzschoppe in Vorschlag gebracht hat, scheint mir doch etwas bedenklich. Wenn ich seinen Wortlaut richtig aufgefaßt habe, so würde es zwar nicht dahin kommen, daß man den Kreis als Armenverband konstituirt, aber er würde in Betreff der Geltendmachung der Ansprüche doch einem Armenverbande gleichstehen. Man würde also dazu kommen, die Entscheidung dieser Streitigkeiten in letzter Instanz dem Bundesamt für Heimathswesen zu übertragen, und das ist unzulässig, denn die Handelsgesetzgebung kann die Kompetenz einer Reichsbehörde nicht ausdehnen.
Was endlich die Frage des Hrn. Abg. von Rauchhaupt in Betreff des Tarifs anlangt, so ist, glaube ich, nach dieser Richtung hin irgend eine Aenderung nicht nothwendig; denn es wird hier ge⸗ sagt: es ist ein Tarif aufzustellen bezüglich derjenigen Kosten, welche zu erstatten sind, und das sind also die Kosten, welche übrig bleiben nach Abzug der Generalkosten. Nun liegt aber die Sache so: die sämmtlichen Kosten hat vorab die Provinz zu tragen und sie be⸗ kommt einen bestimmt tarifirten Satz zurück, und der Rest ist eben der Betrag, der auf die allgemeinen Kosten verrechnet wird; ich glaube, in praxi wird sich das dahin regeln, daß die Provinz den⸗ jenigen Theil endgültig zu tragen hat, für welchen eine Erstattung nach dem Tarif vom Kreise nicht beansprucht werden kann.
Im Uebrigen glaube ich, den wohlwollenden Ausführungen der sämmtlichen Herren Vorredner mich nur dankbar anschließen zu können. Ich glaube auch, es ist ein sehr bedeutungsvoller Schritt, den wir hier zur Regelung einer Last thun, welche für eine große Anzahl von Gemeinden eine überaus schwere gewesen ist, und ich glaube, auch für Fragen, die sonst in Betreff der Regelung der Armenlast, z. B. bei der Landgemeindeordnung und bei der Bildung von Zweckverbänden,
scheidung beseitigt worden ist, erkenne ich al ntschiedene Ver⸗ besserung an. 8 . b
sich demnächst ergeben werden, wird eine wesentliche Erleichterung in
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