1891 / 27 p. 6 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 30 Jan 1891 18:00:01 GMT) scan diff

der praktischen Ausführung erzielt werden, wenn die Ortsarmen⸗ verbände durch dieses Gesetz von der überaus schweren Last befreit werden, die ihnen bisher erwachsen ist durch die Fürsorge für Geistes⸗ kranke, Idioten, Sieche u. s. w. in denjenigen Provinzen, wo die Landarmenverbände von der ihnen bisher nach dem Gesetz zustehenden Befugniß keinen Gebrauch gemacht haben. Ich glaube, es war mit Rücksicht auf die Weigerung zur freiwilligen Uebernahme der außerordentlichen Armenlast, die wir von verschiedenen Land⸗ armenverbänden und in neuester Zeit auch von einer ganzen Reihe von Kreisen erfahren haben, nothwendig, daß diese Befugniß in eine Verpflichtung gesetzlich umgewandelt werde; und das ist der Zweck dieser Vorlage, welche ich dem hohen Hause zur Annahme empfehle. (Bravo!)

Das Haus überweist den Entwurf einer Kommission von 14 Mitgliedern. 8

Es folgt die erste Berathung der Vorlage, be⸗ treffend die Vereinigung der Insel Helgoland mit der preußischen Monarchie.

Abg. Peters: Er möchte der Freude Ausdruck geben, von der hier Alle erfüllt seien, über die Thatsache, daß es gelungen sei, die früher zu Deutschland gehörige Insel für Deutschland wiederzuge⸗ winnen. (Bravo!) Die Uebertragung landwirthschaftlicher Befugnisse auf einen Hülfsbeamten, wie es die Vorlage vorschlage, sei nicht ohne Bedenken, jedenfalls bitte er die Regierung, bei der Auswahl desselben besondere Sorgfalt walten zu lassen; derselbe dürfe nicht allzu bureaukratisch auftreten, denn das würde leicht eine Entfremdung der neu gewonnenen preußischen Staatsbürger bewirken. Er müsse auch mit ausreichendem Gehalt dotirt werden, um seine Stellung voll und ganz auszufüllen. Für den Verkehr mit dem Festlande zu sorgen und gleichzeitig den Insulanern ihre bisherigen Er⸗ werbsquellen zu belassen, werde ebenfalls Aufgabe der Regierung sein, ebenso die Sorge für die Fischer, die eines Hafens dringend bedürften. Gegen die Angliederung an Schleswig⸗Holstein und an den Kreis Süderdithmarschen habe er nichts einzuwenden. Den Antrag des Abg. Ritter, der dem Hause soeben zugegangen sei, und der die Errichtung eines eigenen Amts⸗ gerichts dort bezwecke, könne er nicht billigen; für einen Amtsrichter in Helgoland finde sich genügende Beschäftigung nicht. Die Zulegung zum Amtsgericht Altona und die Abhaltung von Gerichtstagen auf der Insel sei völlig zweckentsprechend und ausreichend. Die Vorlage könne ohne Kommissionsberathung im Plenum erledigt werden.

Abg. Dr. Arendt schließt sich den Einzelwünschen des Vor⸗ redners an, nur in Bezug auf den Antrag Ritter weiche er von ihm ab, indem er den Antrag empfehle. Er stimme dem Vorredner auch in der Freude über die Erwerbung Helgolands zu. Gerade er (Redner) habe seit Jahren für die Erwerbung Helgolands durch Deutschland seine Thaͤtigkeit eingesetzt; damals habe man noch seine Bestrebungen als Phantasien eines Kolonialfanatikers bezeichnet. Für England sei die Abtretung Helgolands kein großes Opfer ge⸗ wesen; aber was Deutschland dafür gezahlt habe, sei thatsächlich ein neuer Anzug gewesen, gegen den man einen Hosenknopf eingetauscht habe, wie man es zutreffend bezeichnet habe. Bedauerlich sei, daß auf diese ei der Sache im Reichstage nicht genügend nachdrücklich hingewiesen sei. Dort habe der Abg. Richter im Gegentheil die Politik der Re⸗ gierung gelobt und hinzugefügt, es würde sehr gut sein, wenn irgendwo noch ein kleines Inselchen zu finden sei, wofür Deutschland andere Kolonien mit Anstand loswerden könnte. Auch diese Aeußerung sei bedauerlicherweise ohne Rüge hingegangen; Namens weiter Kreise weise er (Redner) diesen Hohn mit der gebührenden Schärfe zurück.

Leider sei wegen unserer Kolonien eine eigentliche Beschluß⸗ fassung des Reichstages nicht möglich, ebensowenig auch über den Abschluß des deutsch⸗englischen Abkommens. Wäre er (Redner) im Reichstage, so würde er gegen jede Kolonialforderung stimmen, so lange auf diesem Gebiete im Wege der Versassungsänderung nicht Wandel geschaffen worden sei. Zum ersten Male habe er bedauert, bei der Reichstagswahl durchgefallen zu sein, denn er würde gern ein öffentliches Wort über diese Sache gesprochen haben. Große Fehler

seien in der Reichspolitik gemacht worden. Der Aufstand in Ost⸗

Afrika sei auch ganz wesentlich durch Verschulden der Regierungsorgane

mit herbeigeführt worden. Er wolle deswegen den verflossenen Reichs⸗

kanzler nicht angreifen, wie ihn diese Fehler überhaupt nicht hinderten,

jenem den schuldigen Zoll der Dankbarkeit zu entrichten. Die Hetze

gegen den früheren Reichskanzler sei nichts, was die Nation besonders

ehren könne. Die jetzige Regierung scheine nicht auf allen Gebieten

diejenige Stärke und Kraft zu zeigen, die zu wünschen sei; man

müsse ihr zurufen: Landgraf, werde hart! Hoffentlich werde der

Fürst Bismarck noch die Genugthuung erleben, daß ein junger, that⸗

kräftiger Staatsmann in den Rath der Krone eintret oße

Heiterkeit.)

Minister des Innern Herrfurth:

Meine Herren! Ich muß es mir wohl versagen, auf die eigen⸗ thümlichen Ausführungen des Herrn Vorredners näher einzugehen. Ich halte mich dazu überhaupt nicht für berechtigt, denn er hat ja selbst anerkannt, daß alle diese Ausführungen nicht hierhergehören, sondern vor den Reichstag; und der Umstand, daß er, wie er uns erzählt hat, bei der Reichstagswahl durchgefallen ist (Heiterkeit), mag für ihn vielleicht persönlich einen Anreiz geben, hier diese Sachen vorzubringen; aber deshalb gehören sie doch nicht in dieses Haus. (Sehr richtig!)

Mich hat bei seinen Ausführungen nur eines befriedigt, daß er ausdrücklich erklärt hat, er stelle sich mit denselben nicht in Wider⸗ spruch gegen die Ausführung des Hrn. Abg. Peters, der, wie ich annehme, den Gesinnungen des ganzen Hauses wohlthuenden Ausdruck gegeben hat in dem Dank, den er Sr. Majestät für die Vereini⸗ gung Helgolands mit dem Deutschen Reich und mit Preußen aus⸗ gesprochen hat. (Bravo!)

Meine Herren, es ist allerdings für uns eine hohe Freude, daß Se. Majestät im Frieden und zur neuen Stärkung des Friedens ein Mehrer des Reiches geworden ist. Der Hohenzollern⸗Aar, der seinen Flug genommen vom Fels zum Meerr, schwebt nun auch über jenem Felsen im Meer, dem Stücke deutschen Bodens, das Seine Weisheit wieder mit dem Deutschen Reich geeint hat. (Bravo!)

Abg. Rickert verzichtet nach diesen Worten des Ministers darauf, dem Abg. Arendt zu antworten; ebenso der Abg. Dr. Seelig.

Damit schließt die Generaldiskussion. .

In der zweiten Lesung befürwortet Abg. Dr. Ritter die Errichtung eines eigenen Amtsgerichts auf der Insel, welches namentlich zur Zeit der Badesaison unentbehrlich sein würde. Nach einem Uebergang von etwa zehn Jahren, wenn die Richter sich in das jütische Recht eingearbeitet haben würden, könne ja die Stelle wieder eingezogen werden. Man möge doch der Insel einen Amts⸗ richter gönnen, auch wenn er nicht genügend zu thun habe.

Nach kurzer Debatte wird der Antrag Ritter abgelehnt und die Vorlage im Einzelnen unverändert angenommen.

Bei der ersten Lesung des Gesetzentwurfs, betreffend die Heranziehung der Fabriken u.s. w. mit Voraus⸗ leistungen für den Wegebau in der Provinz Bran⸗ denburg, wünscht 8

Abg Dr. Seelig die Vorlegung eines ähnlichen Gesetzes für Schleswig⸗Holstein, wie es der Provinziallandtag schon vor zwei Jahren einstimmig beschlossen habe.

„Der Regierungskommissar Geheime Ober⸗ Regierungs⸗Rath Hübner erwidert, daß die Vorlegung eines entsprechenden Gesetzes

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voraussichtlich noch in dieser Session erfolgen werde.

Abg. Sack beantragt Namens der Konservativen die Absetzung der zweiten Lesung und kommissarische Berathung, da die neuere Rechtsprechung des Ober⸗Verwaltungsgerichts und die Vertheilung der Ueweiskaf durch dasselbe die Anwendbarkeit dieser Provinzial⸗ gesetze fast illusorisch gemacht habe. Das Gericht verlange die zahlenmäßige Feststellung der erfolgenden Abnützung für die Zukunft; eine solche Feststellung sei ungemein schwer, wenn überhaupt möglich. Süst für die Vergangenheit sei die Forderung nicht so leicht zu erfüllen.

Regierungskommissar Geheimer Ober⸗Regierungs⸗Rath Gamp: Die Vorlage weiche ganz wesentlich ab von dem ursprünglichen Ent⸗ wurf; die Regierung habe sich über die Aenderungen des Herrenhauses noch nicht schlüssig gemacht. Das Ressort der Handels⸗ und Gewerbe⸗ verwaltung habe gegen dieselben die schwerwiegendsten Bedenken, die in der Kommission zum näheren Vortrag kommen würden.

Abg. Melbeck beklagt sich darüber, daß der Entwurf für die Rheinprovinz seit zwei Jahren fertig, aber immer noch nicht publizirt worden sei.

Regierungskommissar Geheimer Ober⸗Regierungs⸗Raͤth Gamp: Der Entwurf bezüglich der Rheinprovinz sei deshalb nicht publizirt, beil im Widerspruch mit der Staatsregierung vom Herrenhause das Recht der Erhebung von Präzipualbeiträgen auch der Provinz beigelegt worden sei. Gegen diese Erweiterungen habe die Handels⸗ und Ge⸗ werbeverwaltung schon damals Bedenken geltend gemacht; nach den von der Regierung eingezogenen Informationen entspreche die Vorlage in dieser Gestalt auch nicht den Wünschen der Provinz selbst. Na⸗ mentlich hätten sämmtliche Industrielle energischen Einspruch erhoben. Diese Erfahrungen legten den Wunsch nahe, es möge mit dem vor⸗ liegenden Entwurf für Brandenburg nicht ebenso gehen, der Landtag veg in seinen weitergehenden Wünschen die gebotene Reserve auferlegen.

Die Abgg. Biesenbach, Mooren und Melbeck dringen demgegenüber nochmals auf endliche Publizirung des Gesetzes für die Rheinprovinz.

Die Vorlage geht an die Gemeindekommission. 1

Der Bericht über die Verwendung des Erlöses für verkaufte Berliner Stadtbahnparzellen wird ohne Debatte für erledigt erklärt.

Schluß 2 ¼⁴4 Uhr. Nächste Sitzung Dienstag 11 Uhr. Auf der Tagesordnung stehen: 1) Dritte Berathung des Ge⸗ setzentwurfs, betreffend die Ausdehnung einiger Bestimmungen des Gesetzes vom 31. März 1882 wegen Abänderung des Pensionsgesetzes vom 27. März 1872 auf mittelbare Staats⸗ beamte. (In zweiter Berathung am 29. d. M. unverändert angenommen.) 2) Dritte Berathung des Gesetzentwurfs, betreffend die Erhöhung des Höchstbetrages der Hundesteuer in den älteren Landestheilen der Monarchie. (In zweiter Be⸗ rathung am 29. d. M. unverändert angenommen.) 3) Dritte Berathung des Gesetzentwurfs, betreffend die Abänderung und Ergänzung einiger Bestimmungen wegen der Wahl der Stadtverordneten. (In zweiter Berathung am 29. d. M. unverändert angenommen.) 4) Dritte Berathung des Gesetzentwurfs, betreffend die Ver⸗ einigung der Insel Helgoland mit der preußischen Monarchie. (In zweiter Berathung am 29. d. M. unverändert ange⸗ nommen.) 5) Fortsetzung der zweiten Berathung des Ent⸗ wurfs des Staatshaushalts⸗Etats für 1891/92 und zwar: a. Finanz⸗Ministerium, b. Allgemeine Finanzverwaltung, c. Direkte Steuern, d. Indirekte Steuern.

Kunst und Wissenschaft.

8 Die Schulte'sche Kunsthandlung

hat gegenwärtig die erste Serie von Oelgemälden ausgestellt, welche der Antwerpener Künstlerverein „Als ik kan“ hierher gesandt hat und welcher binnen Kurzem eine zweite folgen wird. In Berlin waren die Leistungen dieser belgisch⸗ holländischen Künstlervereinigung dem Publikum so gut wie unbekannt geblieben, in München hatten sich bisher nur Mertens und Luyten gezeigt. Der Erstere allein vermag uns mit seinem „Modell“, einem auf dem Stuhl „stillhalten⸗ den“ graubärtigen Mann, und seinem „Antiquar“, welcher in grellrothem Rock neben einem ebensolchen Stuhl einen alten Silberlöffel auf der Wage emsig prüft, sowie seinem „Bücherwurm“ in Hemdsärmeln noch einiges Interesse abzugewinnen und durch seine intimere Behandlung derselben Freude zu gewähren; auch ist das Innere einer „Formen⸗ gießerei“ von Verbrugge, wo man einen Arbeiter an einem Thonmodell thätig sieht, durch die charakteristische Farben⸗ stimmung, desgleichen die hellgehaltene Landschaft Rul’s und die aufgeweichte Dorfstraße in De Wit's „nach dem Regen“ durch ihre feine Abtönung noch anheimelnd und begehrenswerth. Wer aber mag andem allzuflott behandelten „Herbstmorgen“ von Larockmit Ssseinem Alles verdeckenden Nebel, an dem „Waldinneren“ von Rosa Leigh, an den drei Frauen, welche vor einem Segel⸗ boot am Lande stehen, an der Dorfstraße mit den beiden zwei⸗ rädrigen Karren und dem geradlinigen Mastbaum eines Bootes zur Linken, an der Sandfuhre, neben welcher der Arbeiter mit dem Spaten in der Sonne steht Bildern von Luyten —, oder an dem Stillleben des maulaufreißenden Seefisches von Chappel, an den gelben Blumen in dem kaum plastisch wirkenden Gefäß nebst davorliegender Muschel von Baeseler oder an dem die alten Meister nach⸗ ahmenden Gorge mit seinem „Trinker“ und „Raucher“ noch die Freude haben, die doch jedes Kunstwerk dem Beschauer bereiten soll? Diese Maler zwingen zu der Annahme, als wollten sie mit aller Gewalt den Beschauer nöthigen, die Natur mit den Augen eines Kurzsichtigen zu betrachten, dem alle reizenden Details entgehen, oder als müßten auch ihre Bilder von einem solchen allein in Augenschein genommen werden, um die Wirkung zu erzielen, daß die mit voller Absicht oft zusammenhangslos hingesetzten Farben wie z. B. bei dem sonst schönen Motiv der De Potter'schen Land⸗ schaft, den „Flachstrockner“ von Proost sich harmonisch zusammenschließen! Denn dieselben Künstler „können“ auch anders malen, „wenn sie wollen“; das beweisen der Phlorstrauß im irdenen Kruge und das andere Stillleben mit dem verschiedenen Geflügel von Chappel, sowie die beiden Kinder, welche Luyten mitten auf die Waldwiese gesetzt hat. Diese Bilder stehen zwar immer noch auf dem Boben der „Impressionisten“ ebenso wie die beiden „lustigen Trinka“ Boudry''s, welche in ihren Theerjacken nach gethamer Arbeit sich am offenen Fenster ihres Heimwesens erholen, ie sind dber wie die Liebermann'schen Bilder wenigstens noch zu ertragen.

Wie mohlthuens mirken baßegen die fein durchgeführten Aquarellen aus Sgggten, welche der Venetianer Mainella bald an den Ufern 32, Mnls, bald in der Wüste, bald von den Tempel⸗ und Pilonitresten gefertigt. Sehr eigen⸗ thümlich in der Tihemt ist das größere, mit schwarzer

Tusche ausgeführte Platt, auf welchem man hoch

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über dem steilabstürzenden Flußufer silhouettenhaft 1 Kameele, Schafe und Treiber sich von dem hellen Himmel abheben sieht. Die Oelstudien W. Beckmann's, welche er bei Gelegenheit der Sendung einer deutschen Gesandtschaft an den Sultan von Marokko 1889 angefertigt hat, zeichnen sich durch ihre interessanten Motive, die Porträts Fedor Encke’s durch getreue Wiedergabe der betreffenden Perfönlichkeiten aus

Der von der „Vossischen Zeitung“ unterm 27. d. M. gebrachte Artikel über das Dombauprojekt wirft unserer Be sprechung des Modells für einen neuen Dom in Nr. 19 de „R.⸗ u. St.⸗A.“ vom 21. Januar „unzutreffende Mittheilungen“ hinsichtlich der beiden Raschdorff'schen Entwürfe vor. Diest Auffassung ist eine irrige; denn wir haben ausdrücklich hervorgehoben, daß die Ausführung des ausgestellten Modells „wegen des auf einige zwanzig Millionen Mar veranschlagten Kostenaufwandes unterbleiben muß“ und daß die „neuen“ Projekte (d. h. also zukünftigen) „bei einem Kostenanschlage von noch unter der Hälfte des erstgedachten (d. h. also des ausgestellten Modells) zu entwerfen sein würden“ (d. h. also erst in futuro zu machen sein würden!) Gerade um hierüber keinen Zweifel aufkommen zu lassen, ist ein näheres Eingehen auf die von der „Vossischen Zeitung“ herangezogene Unterscheidung der verschiedenen vorherigen Um⸗ arbeitungen der Raschdorff'schen Entwürfe diesseits unterlassen worden. G. L— Z.

Die Königliche Akademie der Wiffenschaften feierte gestern den Geburtstag Sr. Majestät des Kaisers und zu⸗ gleich den Gedenktag Friedrich's des Großen durch eine Festsitzung in dem im reichen Lichterglanz erstrahlenden rothen Saale des Akademiegebäudes. Die Akademiker hatten sich in großer Zahl versammelt, auch der Zuspruch Seitens des Publikums war ein außer⸗ gewöhnlich starker. Im Auftrage Ihrer Majestät erschien der Kabinets Rath von der Reck Vom Kultus⸗Ministerium waren der Staats⸗ Minister Dr. von Goßler und der Geheime Ober⸗Regierungs⸗Rath Dr. Althoff erschienen. Die Festrede hielt der vorsitzende Sekretar Professor Dr. Mommsen über die wirthschaftlich Politik Friedrich's des Großen. Er wies einleitend auf die doppelte Bedeutung des Tages hin und gedachte der beiden Fürsten, deren Geburtstage Jahrhunderte weit auseinander liegen. Die Akademie werde dessen stets eingedenk bleiben, daß der Königs⸗ schutz ihr angeerbt sei, daß sie seit länger als einem Jahrhundert au Königlichem Boden walte, daß alle ihre stolzen Erinnerungen an dieser Stätte Königlicher Verleihung haften, alle ihre Mitglieder in dem Hohenzollernhause gern gesehene Gäste gewefen seien.

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Der Redner ging sodarn auf sein Thema ein und berüerte dami

eine Seite Fridericianischer Thätigkeit, die in neuerer Zeit imme mehr Beachtung gefunden hat. Im Allgemeinen sei die Wirthschafts politik Friedrich's des Großen die Weiterführung der Gedanken seines Vaters g⸗wesen, sowohl in Bezug auf den Handel, noch mehr aber bezüglich der Landwirthschaft und der Industrie. Die Stein⸗Harden berg'schen Reformen seien im Wesentlichen aufgebaut worden auf dem, was der Große Friedrich eingeleitet. Der Land wirthschaft sei durch Ansiedelung von Kolonisten, der Industrie durch Schutz und Privilegien aufgeholfen, dabei habe sich diese Thäͤtigkeit in Zeiten vieljähriger Kriege, oder doch wenig gesicherter Friedensruhe vollzogen. Das Beispiel des Königs, seine Pflichttreue, strenge Zucht und Sparsamkeit wirkten vorbildlich für alle Verhält nisse. Das Gehenlassen in der Zeit nach dem Großen Friedrich, da Verlassen der Fridericianischen Grundsätze sei in erster Reihe die Ver anlassung jener traurigen Katastrophe gewesen, welche zu Beginn des Jahrhunderts über unser Vaterland hereingebrochen. Der Redner schloß mit dem Wunsche, daß das, was wir von unseren Herrschern und unseren Vätern gewöhnt sind und was wir selbst an⸗ strebten, treu die Pflicht zu erfüllen, auch unseren Kindern zu eigen werden möge. Darauf folgten die Berichte über die Arbeiten de Akademie, die erfreulichen Fortgang genommen haben.

Der Reichsgerichts⸗Präsident a. D., Wirkliche Geheime Rat Dr. von Simson hat, wie wir hören, vor seiner Uebersiedlung vo Leipzig nach Berlin den größten Theil seiner reichhaltigen und werth⸗ vollen juristischen wie schönwissenschaftlichen Bibliothek dem Auktions⸗ institut von F. A. Brockhaus, Antiquarium, in Leipzig übergeben Dasselbe hat Appellationsgerichts⸗Präsident a. D. Dr. von Rönn in Berlin gethan. Beide Bibliotheken werden Ende April ede Anfang Mai d. J. zur öffentlichen Versteigerung gelangen. 8

Professor Koch hat an den Vorstand des Kongreffes der freien Hülfskassen, welcher im Dezember v. J. hier tagte und ihm eine Dankadresse votirt hatte, nach der „Nat. Ztg.“ folgendes Schreiben gerichtet: „Herrn Otto Köppen, Neue Grünstr. 39 Berlin C. Hochgeehrter Herr! Die vom Hülfskassen⸗Kongreß mi gewidmete und von den Herren Beauftragten des Kongresses über⸗ gebene Adresse hat mich hoch erfreut. Eine Anerkennung aus der Kreisen Derer, welche am Meisten unter den Verwüstungen der an⸗ steckenden Krankheiten zu leiden haben, und die, wie ich zuversichtlich hoffe, auch den größten Nutzen von den gegen diese Geißeln der Menschhei gerichteten Bestrebungen der medizinischen Wissenschaft haben werden, ist für mich besonders werthvoll, und ich darf Sie wohl bitten, de beiden anderen Herren Beauftragten des Kongresses sowie diesem letzteren selbst meinen herzlichsten Dank zu übermitteln. Mit größter Hochachtung ergebenst R. Koch.“ 8

Die Diskussion über das Koch'sche Heilverfahren wurd in der letzten Sitzung der Berliner Medizinischen Gesell schaft zum vierten Male fortgesetzt und förderte, ohne auch diesmal zu einem Abschluß zu gelangen, mancherlei neue Momente zu Tage. Aus der Diskussion heben wir nach der „Nat. Ztg.“ hervor, daß

Dr. B. Baginski und Prof. A. Fränkel weitere Beobach-

tungen über die von ihnen früher der Gesellschaft vorgestellten Krankheitsfälle mittheilten, während Dr. Lassar einen ge⸗ heilten Fall von Hauttuberkulose vorführte. Eingehender berichtete Prof. Fürbringer vom Krankenhause Friedrichshain über die Er⸗ fahrungen, die er dort mit -dem Koch'schen Mittel gemacht hat, und die keineswegs ungünstig lauten. Von etwa 100 Schwindsuchts⸗ kranken, die nach Koch'scher Methode behandelt wurden, hat er 44 Fälle, die längere Zeit, 7 bis 10 Wochen, in Behandlung waren, zu einer statistischen Zusammenstellung verwerthet. Danach hat er bei drei Kranken „relative Heilung“ konstatirt er versteht darunter das Verschwinden aller Krankheitszeichen, wobei dauernde Heilung nicht ausgeschlossen ist. In 15 Fällen wurde „ungewöhnliche Besserung“ erzielt, wie er sie früher noch bei keiner anderen Behandlungsmethode gesehen hat. Dabei kamen Zunahmen des Körpergewichts bis zu 20 Pfund vor, und dies bei Schwindsüchtigen, die zum Theil schon im zweiten und dritten Stadium der Erkrankung sich befanden. Zehn Kranke wurden wenig oder gar nicht gebessert, bei neun Kranken trat keine Besserung, eher eine Verschlechterung ein, gestorben sind während der Behandlung sieben. Redner vergleicht die Wirkung des Koch'schen Mittels mit einer Art Krisis, die allerdings für Kachektiker gefährlich werden könne, und räth daher, bei ge⸗ schwächten Patienten eher seltener und weniger zu injiciren. Zum Schluß erwähnte Dr. Paul Guttmann vom Krankenhause Moabit dee Mittheilung von Dr. Liebmann⸗Triest in der „B. klin. Wochenschr.“, welcher bei acht nach Koch behandelten Patienten Tuberkelbacillen im Blute gefunden haben will, während sie bei Kontrolversuchen fehlten. Redner hat gemeinsam mit Prof. Ehrlich die Blutunter⸗ suchungen an 28 Lungenkranken wiederholt und trotz schärfster Kon⸗ trole in keinem einzigen Falle Bacillen im Blute gefunden. Weiter theilte Redner eine neuere Statistik über die im Krankenhause Moabit nach Koch behandelten Patienten mit. Danach sind von 164 für die Statistik verwertheten Fällen, unter denen sich auch vorgeschrittenere Stadien der Erkrankung befinden, 63 = 38 % deutlich gebessert, während von 51 Patienten im ersten Stadium der Krankheit 41 = 76 % deutlich gebessert sind uttma ermahnte nochmals, nur

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folgende heftige Kälte viel zur Vertilgung dieses

Anfangsstadien der Schwindsucht nach Koch'scher Methode zu behan⸗

deln, die ungünstigen Erfahrungen bei vorgeschrittenen Fällen recht⸗ fertigten dies.

Im englischen Unterhause erwiderte dem „W. T. B.“ zufolge auf eine Anfrage über das Verhalten der englischen Re⸗ gierung gegenüber der Entdeckung des. Professors Koch der Erste Lord des Schatzes Smith: die weitverbreitete Anerkennung des Werthes des Heilmittels Seitens der Aerzte aller Welttheile und das Gefühl der Segnungen, die er seinen Mitmenschen verliehen habe, sei eine große Belohnung für Koch. Er glaube nicht, daß irgend ein Schritt der englischen Regierung die Genugthuung erhöhen könne, die Professor Koch über die Aufnahme empfinden müsse, die seine Entdeckung in der civilisirten Welt gefunden habe.

In einer kleinen Schrift, die als Sonderabdruck aus dem 15. Bande der „Mittheilungen des historischen Vereins zu Osnabrück“ bei J. G. Kisling daselbst im Druck erschien, veröffentlicht und be⸗⸗ spricht Dr. H. Veltmann die handschriftlichen Auf zeichnungen über einige alte, jetzt verschwundene Uhrwerke der Stadt Osnabrück, insbesondere die vormalige astronomische Uhr im dortigen Dome. Letztere ist mit vielen anderen Kunst⸗ werken des ehrwürdigen Gotteshauses spurlos zu Grunde gegangen. Bisher waren nur ein paar mehr oder minder genaue Beschreibungen davon noch erhalten. In einer derselben heißt es: „Im südlichen Kreuzarme, an der Seite der Sakristei, befand sich eine künstliche Uhr, welche die Sonnenbahn, den Lauf der Planeten und andere Erscheinungen des Firmaments anzeigte. Unten an dem Uhrwerk war ein Gerippe in erhabener Arbeit angebracht, welches die inneren Theile des menschlichen Körpers darstellte. Oben waren die Figuren der heiligen drei Könige, welche durch ein Getriebe der Uhr bewegt wurden und vor der Mutter Got’es hergingen. Um 1626 war es noch im Stande und vom Volke bewundert; 1646 stand es bereits still, weil schon damals der Mann, der es allein zu regieren ver⸗ standen hatte, gestorben war. Auch war es gegen 1662 noch nicht wieder in Gang gebracht und wird wohl bald ganz entfernt worden sein.“ Erst neuerdings ist nun im Königlichen Staatsarchiv zu Osnabrück ein altes Manuskript aufgefunden wor⸗ den, welches die von dem Verfertiger der Uhr, dem Vikarius Jost Bodeker (oder Jobst Bödeker) aus Wartberg (War⸗ burg in Westfalen) eigenhändig geschriebene ausführliche Schilderung (Instructio) des Kunstwerks enthält. Diese vom Jahre 1587 datirte Beschreibung theilt Dr. Veltmann wortgetreu nach dem Original mit, weil sie die einzige von dem Erfinder selbst verfaßte ihrer Art ist, dann aber besonders in der Absicht, um an ihrer Hand zu be⸗ weisen, daß die Osnabrücker Domuhr ein epochemachendes Werk ge⸗ wesen und eine mechanische Erfindung enthalten habe, die bisher dem Auslande vindizirt wurde, falls sich Veltmann's An⸗ nahme bewahrheitet, aber Deutschland zuerkannt werden müßte. Alle anderen sogenannten astronomischen Uhrwerke hatten ihm zufolge den gleichen Mechanismus, es waren von Gewichten bewegte Räder⸗ uhren mit Hemmung (Echappement) und „Unruhe“. Nur die Osna⸗ brücker Domuhr habe neben der Unruhe noch eine andere, ihr allein eigenthümliche, damals noch vollständig unbekannte Mechanik gehabt, die das Werk nach Ausschaltung der Unruhe anstatt dieser regulirte, und zwar ein Pendel: das erste seiner Art Die betreffende Stelle in der Handschrift zeigt die den Techniker überraschende Randschrist: „Der gulden stern oben im Cronament; Uhrwerck sonder unrast“. In derselben aber heißt es wörtlich: „Und kan derselbige guldene stern mit seinem schnellen umblauffen tag, zeitt und stunden verwaren und also ebenso wol das gantze Astronomische werck regieren und ein ider stuck nach seiner gelegenheitt und ordnung mit seinem lauffen umbziehen und bewegen nicht mehr oder weniger, gleich wie der unrast (die Unruhe) mit seiner umbher swebung“ Der „guldene Stern“ so erklärt sich Veltmann obige Stelle lief demnach um, d. h. er bewegte sich im Kreise. Um das zu können, mußte der Stern irgend woran be⸗ festigt sein. Denke man sich den goldenen Stern (mag er nun in Gestalt einer Kugel oder einer konvex geformten Scheibe gebildet ge⸗ wesen sein) an einem Drahte, einer Stange oder einer Schnur auf⸗ gehangen und im Kreise umlaufen, so habe man das Centrifugal⸗ pendel vor sich. Eine andere Erklärung sei nicht möglich. Wenn diese Ansicht aber sich als richtig erweisen sollte, so würde das Pendel nicht zuerst von Ealilei zum Messen der Zeit benutzt, auch nicht zuerst von Huyghens mit der Uhr in Verbindung ge⸗ bracht worden sein, sondern von Jost Bodeker aus Warburg und zwar sofort in seiner vollkommensten Gestalt, als Centrifugal⸗ pendel. Daß er eine ganz besondere Erfindung gemacht habe, davon ist Bodeker selbst überzeugt und hat dieser seiner Ueberzeugung auch in beredten Worten Ausdruck verliehen; er schreibt: „Und ist solche Invention und von mir erfunden kunststuck nicht der geringsten eine ... Dan fur meine person ich die tage meines lebens nicht gesehen, noch gehorrt habe, das einiger meister gewesen sey, der ein uhrwerk ohne unrast hab machen konnen.“ Gleichwohl scheint er die eigentliche Trag⸗ weite seiner Erfindung garnicht erkannt zu haben, denn sonst wäre er, wie der Verfasser meint, noch einen Schritt weiter gegangen und hätte die zur Regulirung von Uhrwerken so wenig geeignete Unruhe wenigstens für Standuhren für immer zur Ruhe verwiesen und das Regieren seiner Uhr dem goldenen Stern allein übertragen. Das

hat er aber nicht gethan, denn bei der Vorlage des Modells und der

Zeichnung, welche im Jahre 1578 bereits vor den Domherren im Kapitelssaale erfolgte, überließ er dem Domkapitel, wie er selbst schreibt, die Wahl zwischen beiden Mechanismen. Hatte er in diesem Jahre aber die Erfindung des Pendels bereits ge⸗ macht, so würde ihm allerdings die Priorität gebühren. Denn, wie sich aus den mitgetheilten geschichtlichen Daten ergiebt, hat Galilei sein orologio erst 1633 konstruirt, der Holländer Christian Huyghens aber, der die alte, von Gewichten be⸗ wegte, mit Echappement versehene Räderuhr durch Herausnahme der Unruhe sowie noch einige kleine Aenderungen für das Pendel adaptirte, auch das Centrifugalpendel erfunden haben soll, wurde 1629 geboren. Noch weit später erst traten auf: James Watt, der das Centrifugal⸗ pendel zur Regulirung der Dampfmaschinen benutzte, Pfaffius, der Weseler Uhrmacher, der um 1804 das Centrifugalpendel an der Uhr anbrachte, und Fraunhofer, der es an seinem großen Refraktor praktisch verwandte. Aber trotz aller Gründe, die dafür sprechen, wird die so hoch inter⸗ essante Hypothese dennoch der reiflichen Prüfung durch Fachmänner unterliegen müssen, zumal sie sich einzig nur auf jene Niederschrift stützen kann und das sinnreiche Kunstwerk des westfälischen Vikars leider unwiederbringlich verloren ist. Hoffentlich wird dem Verfasser der Schrift für den Eifer, mit dem er zu Gunsten seiner Ansicht ein⸗

tritt, der Erfolg nicht vereitelt und Deutschland wirklich der Ruhm auch dieser Erfindung gesichert. 6

In Köln starb nach einer Mittheilung der „Mgdb. Ztg.“ vorgestern im Alter von 58 Jahren der Ingenieur Dr. Nikolaus August Otto, dessen Name nicht bloß unter seinen Fachgenossen, sondern auch in der Wissenschaft einen derartig guten Klang hatte, daß ihn die philosophische Fakultät zu Bonn vor einigen Jahren zum Ehrendoktor ernannte. Er hat sich hervorragende Verdienste um die Erfindung, Vervollkommnung und Einführung der Gaskraftmaschinen erworben. 4

Graf Geza Zichy ist zum Intendanten des ungarischen Opernhauses und National⸗Theaters ernannt worden.

Land⸗ und Forstwirthschaft.

„Mäuseplage.

Regierungsbezirk Hildesheim haben die jungen Saaten, bowohl Roggen wie Weizen, besonders aber die schon an sich lücken⸗ aft bestandenen Kleefelder, stark durch massenhaft auftretende Mäuse zu leiden gehabt. Wie stark das Auftreten der Mäuse im Herbst ge⸗ Pesen ist, geht daraus hervor, daß in dem zu den mittelgroßen Kreisen 18 Regierungsbezirks gehörenden Kreise Einbeck die Zahl der ge⸗ ödteten Mäuse auf 600 000 Stück geschätzt ist. Es steht zu hoffen, der im Monat November eingetretene Regen und die darauf Ungeziefers bei⸗

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Meliorationsarbeiten. 1 In den weniger begünstigten Gegenden des Regierungsbezirks Wiesbaden. insbesondere im Oberwesterwaldkreise und im Kreise Westerburg, ist man eifrig darauf bedacht, die Wiesenflächen, welche bisher nur einen geringwerthigen Ertrag geliefert haben, aber sonst gut gelegen sind, durch Meliorationen ertragreicher zu machen. Um die Bevölkerung zur Vornahme der hierzu erforderlichen Ar⸗ beiten geschickter zu machen, werden Wiesenbaukurse ein⸗ gerichtet, Wiesenwärter angestellt, welche unter Oberleitung eines Wiesenbaumeisters den Wiesenbau leiten, und durch Veröffentlichung geeigneter, populär geschriebener Schriften, sowie durch Vorträge die interessirten Wiesenbesitzer theoretisch be⸗ lehren. Zur billigeren Beschaffung der erforderlichen Düngemittel hat der Kreis Westerburg größere Mengen angekauft, um dieselben je nach Bedarf an die Wiesenbauer abzugeben. Solchen Interessenten, welche den ihnen gegebenen Anregungen besonders eifrig nachkommen, gewährt dieser Kreis Prämien. Das Bestreben der Kreise wird durch den Verein nassauischer Land⸗ und Forstwirthe dankenswerth unterstützt und Seitens des Kommunalverbandes durch Gewährung billiger Darlehne sehr gefördert. 8 8. II 1“” —— 8 Lse. 11““ Gesundheitswesen, Thierkrankheiten und Absperrungs⸗ Maßregeln.

Portugal.

Durch am 13. bezw. 16. Januar 1891 im „Diario do Governo“ veröffentlichte Verordnungen des Königlich portugiesischen Ministeriums des Innern ist der Hafen von Santos seit dem 12. Dezember 1890 für „rein“ vom Gelbfieber, der Hafen von Rio de Janeiro dagegen als seit dem 13. Dezember 1890 vom Gelbfieber „verseucht“ erklärt worden. (Vergl. „R.⸗A.“ Nr. 110 vom 6. Mai 1890 bezw. Nr. 250 vom 19. Oktober 1889.) 1

Konstantinopel, 29. Januar. (W. T. B.) Die „Agence de Constantinople“ meldet: Für die Provenienzen der Küsten⸗ gebiete zwischen Anamurcay und Alexandrette einschließ⸗ lich ist die bisherige zehntägige Quarantäne auf eine fünftägige herabgesetzt worden, was sich auch auf die bereits unter Quarantäne befindlichen Schiffe bezieht. Für die Prove⸗ nienzen der Küstengebiete von Alexandrette bis Beyrut exkl sive bleibt die zehntägige Quarantäne bestehen

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Handel und Gewerbe. 1

Tägliche Wagengestellung für Kohlen und Kok an der Ruhr und in Oberschlesien. An der Ruhr sind am 29. Januar gestellt 8108, nicht recht⸗ zeitig gestellt 3584 Wagen. In Oberschlesien wurden am 28. d. M. gestellt 3628, nicht rechtzeitig gestellt 1191 Wagen.

Leipzig, 29. Januar. (W. T. B.) Kammzug⸗Termin⸗ handel. La Plata. Erundmuster B. pr. Februar 4,35 ℳ, pr. März 4,37 ½ ℳ, pr. April 4,40 ℳ, pr. Mai 4.40 ℳ, pr. Juni 4,42 ½ ℳ, pr. Juli 4,42 ½ ℳ, pr. August 4.42 ½ ℳ, pr. September 4,42 ½ ℳ, pr. Oktober 4,45 ℳ, pr. November 4,45 ℳ, pr. Dezember 4,45 Umsatz 65 000 kg. Ruhig.

Hamburg, 29. Januar. (W. T. B.) Die Dividende der Hamburger Kommerz⸗ und Diskontobank ist auf 5 % fest⸗ gesetzt worden; im vergangenen Jahre betrug dieselbe 7 ½ %.

London, 29. Januar. (W. T. B.) An der Küste 1 Weizen⸗ ladung angeboten.

30. Januar. (W. T. B.) Wollauktion. Lebhafte Be⸗ theiligung. Eröffnungspreise fest, behauptet.

Bradford, 29. Januar. (W. T. B.) Wolle und Garne

ruhig, Stoffe geschäftslos. Rotterdam, 29. Januar. (W. T. B.) Bei der von der Niederländischen Handelsgesellschaft abgehaltenen Zinn⸗ auktion wurden 28 300 Blöcke Bancazinn zu 54 à 54 ½, durch⸗ schnittlich 54 ¼ verkauft.

(F) Stockholm, 26. Januar. Die Holzausfuhr im ver⸗ gangenen Jahre belief sich auf 1 864 536 cbm gegen 2 021 541 cbm im Jahre 1889.

Holzminden, 30. Januar. Hier ist laut Meldung des „W. T. B.“ die Weser wieder frei von Eis und in 8 Ufer zurückgetreten. Der Fährbetrieb über den Strom konnte wieder aufgenommen werden, auch der Fahrpostverkehr ist wieder regel⸗ mäßig.

8 Lübeck, 29. Januar. Die Aufeisungsarbeiten in Trave⸗ münde und Lübeck, sind, wie das „W. T. B.“ meldet, beendet. Abends traf als erstes Schiff von Travemünde der Eisbrecher ein. Die Schiffahrt in Lübeck und Travemünde ist wieder eröffnet. In der Travemünder Bucht ist noch Eis.

Norddeutscher Lloyd in Bremen. Letzte Nachrichten über die Bewegungen der Dampfer) New⸗York⸗ und Baltimore⸗Linien: Bestimmung. Bremen 29, Jan. von Southampton. Bremen 24. Jan. von New⸗VYork. New⸗York 28. Jan. von New⸗York. New⸗York 20. Jan. von Southampton. New⸗York 24. Jan. von Southampton. 2 New⸗York 28. Jan. von Bremerhaven. „Stuttgart“. Baltimore 26. Jan. in Baltimore. „Hermann“ 15. Jan. von Bremerhaven. Nr a 2 92.5 0 8 SI Baltimort 25. Jan. von Bremerhaven.

Brasil⸗ und La Plata⸗Linien: Bremen 29. Jan. in Bremerhaven. (Vigo, Antwerp., .Jan. von Buenos Aires.

58 Tflas.. .ctver 26. Jan. St. Vincent passirt.

„Lahn“

„Fulda“. Je⸗Spree“

„Werra“ V „Trave“.

„Ems“

„Dresden“

„Darmstadt“

„Graf Bismarck B

„Kronpr. Fr. Wilh.“ [Antwerp., Bremen] 26. Jan. Las Palmas passirt.

„Köln“ Antwerp., Bremen 16. Jan. von Buenos Aires.

e Motevideo,

Vigo, Antwerp., 25. Jan. von Buenos Aires. Bremen

La Plata 20. Jan. in Montevideo.

Brasilien 20. Jan. in Bahia.

La Plata 25. Jan. in Montevideo.

La Plata 24. Jan. Las Palmas passirt. Coruna, Vigo, Rio, La Plata .Jan. von Bremerhaven.

Lissabon, Brasiliens 28. Jan. von Bremerhaven. 8 8 Linien nach Ost⸗Asien und Australien:

„Sachsen⸗ . Bremen 29. Jan. in Bremerhaven. „Preußen Bremen 27. Jan. in Colombo. „Bayern Ost⸗Asien 28. Jan. in Shanghai. „Neckar ö“ Ost⸗Asien 28. Jan. in Suez. 8— * Bremen 29. Jan. in Aden. „Hohenzollern“. Bremen 28. Jan. von Sydney. „Hohenstaufen- Australien 25. Jan. in Colombo. „Kaiser Wilh. II. Australien 26. Jan. von Southampton. „Karlsruhe’“. . Bremen 27. Jan. von Port Said.

Hamburg, 29. Januar. Die Eisverhältnisse auf der Elbe haben sich nach einer Meldung des „W. T. B.“ seit gestern

„Weser“ „Ohio“. „Leipzig“. Gerag-. .. „Frankfurt“.

„Berlin“. „Baltimore“

gebessert. Bei Ebbe ist das Fahrwasser ziemlich eisfrei. Auch auf der Unterelbe liegen die ehäcmse gnsüce

London, 29. Januar. (W. T. B.) Der Castle⸗Dampfer „Drummond Castle“ hat heute auf der Ausreise Madeira passirt. Der Castle⸗Dampfer „Dunbar Castle“ ist gestern auf der Ausreise in Durban (Natal) angekommen. Der Castle⸗ Dampfer „Norham Castle“ ist gestern auf der Heimreise von Capetown abgegangen.

Kopenhagen, 29. Januar. (W. T. B.) Die planmäßige Ueberfahrt von Gjedser nach Warnemünde wird morgen wieder aufgenommen. 8

Theater und Musik.

Königliche Theater. „Mach dreijähriger Pause geht am Sonntag Lortzing's „Undine“ im Opernhause von Neuem in Scene; Fr. Herzog singt zum ersten Male in Berlin die Titelpartie. Die übrigen Mitwirkenden sind Frl. Kopka sowie die Hrrn. Betz, Krauß, Krolop, Stammer und Lieban. In der Tanzeinlage tritt Frl. Dell’ Era auf. 8 Deutsches Theater.

Gestern Abend fand die erste Vorstellung von Marco Praga's Schauspiel „Ehrbare Mädchen“ (Le vergini) in der Uebersetzung von Otto Sommerstorff statt und fand Seitens der Zuschauer eine recht beifällige Aufnahme, welche nur am Schluß etwas ab⸗ geschwächt erschien, obgleich gerade der letzte Akt dramatisch keines⸗ wegs der am wenigsten bedeutsame ist. Marco Praga, der uns hier auf der deutschen Bühne zum ersten Mal begegnet, ist ein Dichter, der sich in den Bahnen des französischen Sittendramas bewegt, dabei aber der Gestaltungsweise der modernen naturalistischen Schule Zugeständnisse macht. Man ver⸗ mißt wohl den Esprit, der den besten Arbeiten der zeitgenössischen französischen Dramatiker eigen ist; aber auch in den „Ehrbaren Mädchen“ finden wir fein beobachtete Züge aus dem Gesellschafts⸗ leben unserer Zeit in fesselnder Weise zur Charakteristik der handeln⸗ den typischen Personen verwandt, und der derb realistische Ton des Dialogs entspricht nur der wahren Natur jener Schichten der Gesell⸗ schaft, die der Dichter kennzeichnen will. Die Handlung hat nichts spezifisch Italienisches; unter den Kulturnationen der Gegenwart wird man unter allen Himmelsstrichen solche oder ähnliche Gesell⸗ schaftstypen finden können, wie sie hier als charakteristische Exemplare auf der Bühne erscheinen. Ein Uebriges hat wohl der Uebersetzer gethan, der wenigstens in der Diktion den Vorgängen einen merkbaren Lokalton verliehen hat.

Die „Ehrbaren Mädchen“ sind drei Töchter einer Wittwe, welcher des Lebens Güter nur kärglich zugemessen sind. Um so eifriger ist der Mutter Bemühen, den Töchtern durch eine möglichst günstige Heirath eine sorglose und genußreiche Zukunft zu sichern; es genügt der thörichten Frau in allen bedenklichen und oft durch ihre Armuth bedingten Lebenstagen der äußeren Form zu genügen, und unter dem Deckmantel derselben werden von ihr und den beiden jüngeren Töchtern unzarte und oft anstößige Dinge begangen. Die Töchter der Wittwe Tossi gehören schließlich zu denjenigen jungen Mädchen, mit welchen man sich amüsirt, aber welche man nicht heirathet, trotzdem ihnen formell Niemand etwas Schlimmes nachsagen kann. Die älteste Tochter Paolina hat sich stets ernst und schwermüthig von dem lauten Treiben der Familie zurückgezogen; ihr neigt sich ein junger Mann, Dario Carocci, in heißer Liebe zu; er wirbt um sie und nach angstvollem Widerstreben, welches anfangs nur in dem be⸗ schämenden Gefühl in Bezug auf ihre Mutter und Schwestern begründet scheint, willigt sie ein, sein Weib zu werden. Es ergiebt sich aber, daß ihre Thränen und ihre Seufzer einen tieferen und qualvolleren Grund hatten; die leichtfertige, thörichte Mutter hatte ihres jungen Kindes Tugend nicht vor der Leidenschaft eines alten Hausfreundes zu hüten verstanden. Paolina rafft sich zum Geständniß ihrer Schuld auf und trennt damit für immer das Band zwischen sich und ihrem Verlobten, welchem sie nur als Gattin oder niemals angehören will. Dario kann sich zur Ehe nicht mehr entschließen und so trennen sich ihre Wege auf ewig. Die beiden jüngeren Schwestern haben sich schon vorher ihr eigenes Leben zugeschnitten und befinden sich auf der Jagd nach des Lebens Genüssen, welche sie ergreifen werden, auch wenn sich ihnen dieselben nicht gerade in gesellschaftlich vornehmer Form dar⸗ bieten sollten.

‚Die Charaktere der einzelnen Personen sind am Seaclicymen da gezeichnet, wo der Verfasser die kleinen Zuge des gesellschaftlichen Lebens mit naturalistischee Treue wiedergeben kann. Die schwache, oberflächliche Mutter, die genußsüchtigen, leichtfertigen jüngeren Töchter, die leichtlebige männliche Jugend treten in ihrer Schwatzhaftigkeit, Verlogenheit und manchmal verblüffenden Ungezwungenheit und Spott⸗ sucht lebendig und in scharfen Umrissen vor das Auge des Hüschauers; auch der sarkastische Allerweltsfreund mit dem wahren Mitleid auf dem Grunde des Herzens, welcher hier so gut seine Rolle spielt, wie im französischen Sittendrama, entbehrt nicht der gefälligen Eipenart. Minder gelungen erscheinen die beiden idealistisch angelegten Naturen des Stückes, Paolina und Dario; im Beginn schwermüthig und ernst, wirft erst die Enthüllung im dritten Akt ein aufhellendes Licht, besonders auf Paolina's vorangegangenes Benehmen.

Dder dramatische Aufbau des Stückes erwies sich geschickt und fest genug, um die Aufmerksamkeit des Publikums dauernd zu fesseln. Der erste Akt erscheint nur als einleitendes Vorspiel, in welchem die verschiedenen handelnden Personen in ihrer Eigenart dem Zuschauer vor⸗ geführt und erklärt werden. Im zweiten Akt wird mit der eigentlichen Schürzung des dramatischen Knotens erst begonnen, das Liebespaar findet sich; der dritte Akt bringt das Geständniß von Paolina's Vergangenheit und im letzten Akt folgt die durch das Bekenntniß natürlich herbei⸗ geführte Trennung. Ein starkes dramatisches Leben pulsirt nur in den beiden letzten Akten; die beiden ersten Aufzüge sind mehr von unterhaltender Kleinmalerei ausgefüllt. Die Darstellung trug viel zu dem Erfolg des Stückes bei. Fr. Geßner als Paolina hatte ihre besten Momente als tragische Liebhaberin in der leidenschaftlichen Wiedergabe der höchsten Freude und des tiefsten Schmerzes; in derselben Lage befand sich Hr. Barthel als Dario; dem leichteren Unterhaltungston vermochten sich beide Darsteller weniger gut einzufügen. Von derber natürlicher Ungenirtheit sprudelte die tolle Nina des Frl. Elsa Lehmann über, und ein ebenso packendes Bild aus der Gesellschaft bot Fr. Carlsen als die leicht⸗ fertige Wittwe Tossi. Den spöttischen Allerweltsfreund Vittorio spielte Hr. Nissen ungezwungen und doch charakteristisch in den lässigen Bewegungen und leicht hingeworfenen Reden. Außerdem bleibt noch der, wenn auch etwas übertriebene, ergötzliche Marquis Zoppi des Hrn. Kühle zu erwähnen und die gleichmüthige Selene des Frl Reisenhofer. Nach jedem Aufzuge erscholl lebhafter Beifall, in welchen sich auch laute Rufe nach dem Dichter mischten; derselbe erschien nach jedem Aktschluß mehrmals vor der Gardine.

Berliner Theater. Gestern Abend wurde das Dramg „Wehe den Besiegten“ von Richard Voß zum ersten Mal aufgeführt und hatte einen äußerlich widerspruchslosen Erfolg, der in lebhaften, lauten Beifalls⸗ bezeugungen zseinen Ausdruck fand und den Direktor Barnay nach vnen zweiten Akt veranlaßte, diesen Erfolg auch noch wörtlich zu be⸗ tätigen. 8-2 he den Besiegten“ ist eine Art historisches Drama, insofern die Gestalt Napoleon Bonaparte's eine wesentliche Rolle in dem Stück spielt und die Geschichte der hundert Tage ein bewegendes Element der Handlung bildet; im Uebrigen dürfte die dichterische Phantasie die Verwickelung und Lösung des tragischen Konflikts selbständig geschaffen haben. Ein ergreifender, tief angelegter Konflikt ist in dem Drama vorhanden und giebt im Verein mit der Charakteristik einer hochsinnigen Frau von heldenhaftem Geiste Zeugniß von Richard Voß' eigenthümlicher dichterischer Begabung. Die Stärke des Dichtwerks liegt in der kräftigen und interessanten Exposition, welche die Zuschauer mit den Hauptpersonen des Dramas, mit ihrer Bedeutung in dem Theater⸗ stück, mit ihrem Wesen und Wirken bekannt macht und wirkliche Theilnahme für das Schicksal dieser Per⸗

sonen erweckt. Der Verlauf des Stückes konnte aber den Er⸗