ꝑ
Kontingentirung und Subrepartition auf die Gemeinden oder im Wege der Individualrepartition aufbringen solle. Es ist damals das Prinzip der Individualrepartition hauptsächlich aus dem Grunde an⸗ genommen worden, weil in den Ostprovinzen es an gesetzlichen Be⸗ stimmungen über die Aufbringung von Gemeindeabgaben in den Landgemeinden, weil es an einer Landgemeindeordnung fehlte. Es ist demnächst diese Bestimmung ohne jede Diskussion gleich⸗ mäßig übertragen worden auf die Provinz Hannover und, ebenfalls ohne jede Diskussion, auf die Provinz Hessen⸗Nassau. Als man die Kreisordnung für Westfalen berieth, ist eine eingehende Erörterung über diese Frage von Neuem in Folge der Frage der Besteuerung der verstaatlichten Eisenbahnen erfolgt. Man versuchte erst eine Spezial⸗ bestimmung in die Kreisordnung hineinzubringen, um die verstaat⸗ lichten Eisenbahnen zur Besteuerung heranziehen zu können. Weil aber die Königliche Staatsregierung hiergegen Widerspruch erhob, wurde demnächst eine Bestimmung aufgenommen, daß nicht bloß den Städten, sondern auch den Landgemeinden die Art der Anfbringung der Kreissteuer überlassen werden sollte; es sollte ihrer Beschlußfassung vorbehalten bleiben, die Kreissteuer in gleicher Weise wie alle übrigen Kommunalabgaben aufzubringen.
Diese Bestimmung der Kreisordnung von Westfalen ist demnächst aufgenommen worden in die Kreisordnungen für die Rheinprovinz und für Schleswig⸗Holstein. Bei der Kreisordnung für Schleswig⸗ Holstein kam diese Frage nochmals zur Erörterung, weil in Schleswig⸗ Holstein auch eine Landgemeindeordnung fehlte; die Vorschrift der westfälischen Kreisordnung wurde aber schließlich auch hier aufge⸗ genommen und jetzt haben wir zwei verschiedene Fassungen. Drei Kreisordnungen setzen die Individualrepartition der Kreisabsaben für die Landgemeinden fest, drei Kreisordnungen geben sämmtlichen Gemeinden, auch den Landgemeinden, die Befugniß, sie als Gemeindeabgaben und mit den letzteren aufzubringen oder anders zu vertheilen.
Nun ist es allerdings ein Bedürfniß, hier eine Gleichmäßigkeit u schaffen, aber nicht allein für die Provinz Hessen⸗Nassau, sondern ür sämmtliche Provinzen, und diese Vorschriften auch so zu fassen, wie sie in den drei Kreisordnungen für die Rheinprovinz, Westfalen und Schleswig⸗Holstein gefaßt sind. Meine Herren, in der Form, wie dieser Antrag hier gefaßt worden, ist er meines Erachtens unan⸗ ehmbar. Ich halte es aber auch für unzweckmäßig, die Frage, die leichmäßig geregelt werden muß für alle Provinzen, allein für Hessen⸗Nassau zu regeln; sie kann aber für die östlichen Provinzen nur eregelt werden erst nach dem Zustandekommen der Landgemeinde⸗ rdnung.
Ich kann mich also zwar mit der Tendenz des Antrages ein⸗ verstanden erklären, den Antrag selbst aber bitte ich abzulehnen. Ich würde nicht in der Lage sein, die Annahme des Antrages in der Form, wie er gestellt ist, Allerhöchsten Ortes zu befürworten.
Der Antragsteller zieht nach dieser Erklärung seinen
Antrag zurück. Schluß 3 %4 nhe
Parlamentarische Nachrichten.
Dem Hause der Abgeordneten ist der Entwurf eines Gesetzes, betreffend die Erweiterung, Ver⸗ vollständigung und bessere Ausrüstung des Staats⸗ eisenbahnnetzes, zugegangen, welcher bestimmt:
§. 1. Die Staatsregierung wird ermächtigt:
I. Zur Herstellung von Eisenbahnen und der durch dieselbe bedingten Vermehrung des Fuhrparks der Staats⸗ bahnen, und zwar:
a. zum Bau einer Eisenbahn:
1) von Fordon nach Schönsee 12 347 000 ℳ,
2) von Lissa i. P. nach Wollstein 3 240 000 ℳ, 1
3) von Meseritz nach Landsberg a. W. oder einem in der Nähe belegenen Punkte der Bahnlinie Küstrin— Kreuz 4 300 000 ℳ,
4) von Sorau nach Christianstadt 1 640 000 ℳ,
5) von Lauban nach Marklissa 920 000 ℳ,
6) von Walsrode nach Soltau 2 400 000 ℳ,
7) von Kassel oder einem in der Nähe belegenen Punkte der Linie Kassel — Warburg nach Volkmarsen 5 920 000 ℳ
b. zur Beschaffung von Betriebsmitteln:
die Summe von 5 241 000 ℳ, zusammen 36 008 000 ℳ
II. Zur Anlage des zweiten bezw. dritten Geleises auf den nachstehend bezeichneten Strecken und zu den dadurch bedingten Ergänzungen und Geleisveränderungen auf den Bahnhöfen: 1
1) Beuthen O.⸗S. bezw. Laband — Peiskretscham —Groschowitz 4 000 000 ℳ,
2) Jarotschin — Ostrowo und Kempen— Kreuzburg 3 800 000 ℳ,
3) Lissa — Posen 1 148 000 ℳ,
4) Ruhnow — Neustettin — Konitz 1 534 000 ℳ,
5) Neunkirchen — Schleifmühle — Saardamm 1 340 000 ℳ,
6) Königszelt — Liegnitz 2 600 000 ℳ, 1 8 7) Königswusterhausen — Kottbus nebst Erhöhung der Leistungs⸗ fähigkeit der Strecke Kottbus —Görlitz durch Erweiterung mehrerer Stationen 3 600 000 ℳ, 8 8) Berlin —Zossen 1 300 000 ℳ,
9) Baalberge — Bernburg — Waldau 608 000 ℳ,
10) Neudietendorf —Gräfenroda 2 260 000 ℳ,
11) Friedberg — Heldenbergen —Windecken 930 000 ℳ,
12) Rheine —Salzbergen 296 500 ℳ,
13) Hagen (B. M.) — Hagen (Rh.) 290 000 ℳ,
14) Lennep — Born 164 000 ℳ,
15) Lennep —Remscheid 225 000 ℳ,
16) Langendreer (Rh.) — Wattenscheid (Rh.) 550 000 ℳ,
17) Bochum (B. M.) —Wanne 750 000 ℳ,
18) Steele (B. M.) — Dahlbhausen 520 000 ℳ, 1
19) Dahlhausen — Hattingen 390 000 ℳ, zusammen 26 305 500 ℳ
III. Zu nachstehenden Bauausführungen: 1
1) für die Erweiterung des Bahnhofs Hohethor in Danzig 5 000 000 ℳ, “ —
2) zur Deckung der Mehrkosten für den Bau der Eisenbahn von Ottmachau bis zur Landesgrenze in der Richtung auf Lindewiese, sowie der Kosten für die in Folge der Bahnanlage erforderliche Regulirung der Neisse und des Krebsbaches bei Ottmachau 800 000 ℳ,
3) für die Vermehrung der Freiladegeleise auf dem Stettiner Bahnhof in Berlin 1 160 000 ℳ,
4) zur Deckung der Mehrkosten für den Bau der Eisenbahn von Könnern nach Kalbe a. S. 550 000 ℳ, b
5) für die selbständige Einführung der Strecke Quedlinburg — Ballenstedt in den Bahnhof Quedlinburg 256 000 ℳ,
6) zur Deckung der Mehrkosten für den Bau der Eisenbahn von Hildesheim nach Braunschweig 85 000 ℳ, .
7) zur Deckung der Mehrkosten für die erweiterte Umgestaltung der Bahnhofsanlagen in Harburg 1 500 000 ℳ,
8 8) für die Erbauung eines Dienstgebäudes für die Königliche
(Forbach)
Eisenbahn⸗Direktion zu Altona 1 500 000 ℳ
9) zur Deckung der Mehrkosten für den Bau der Eisenbahn von Fulda nach Tann 400 000 ℳ,
⁵ hofs C. hnen. 97 000 ℳ, 8
11) für die Herstellung einer Verbindungsbahn zwischen den Stationen Vohwinkel und Sonnborn (Rh.) 1 500 600 ℳ,
12) zur Deckung der Mehrkosten für den Umbau und die Er⸗ weiterung des Bahnhofs Deutzerfeld 250 000 ℳ.
13) für den Umbau und die Erweiterung der Bahnhofsanlagen in Neuß 1 000 000 ℳ,
14) für den Ausbau verschiedener Strecken zur Erhöhung der Leistungsfähigkeit derselben 326 000 ℳ, 1
15) für die Vermehrung, Erweiterung und bessere Ausrüstung der Werkstätten, Lokomotiv⸗ und Wagenschuppen 15 000 000 ℳ, zu⸗ sammen 29 424 000 ℳ —
IV. Zur Beschaffung von Betriebsmitteln für die bereits bestehenden Staatsbahnen: die Summe von 53 800 000 ℳ, insgesammt 145 537 500 ℳ zu verwenden.
Mit der Ausführung der vorstehend unter Nr. 1 Litt. a 2 bis 7 aufgeführten Bahnen ist erst dann vorzugehen, wenn nachstehende Be⸗ dingungen erfüllt sind:
A. Der gesammte zum Bau der Bahnen und deren Nebenanlagen anch Maßgabe der von dem Minister der öffentlichen Arbeiten oder im Enteignungsverfahren festzustellenden Entwürfe erforderliche Grund und Boden ist der Staatsregierung in dem Umfange, in welchem der⸗ selbe nach den gesetzlichen Bestimmungen der Enteignung unterworfen ist, unentgeltlich und lastenfrei — der dauernd erforderliche zum Eigenthum, der vorübergehend erforderliche zur Benutzung für die Zeit des Bedürfnisses — zu überweisen, oder die Erstattung der sämmtlichen staatsseitig für dessen Beschaffung im Wege der freien Vereinbarung oder Enteignung aufzuwendenden Kosten, einschließlich aller Nebenentschädigungen für Wirthschaftserschwernisse und sonstige Nachtheile, in rechtsgültiger Form zu übernehmen und sicher zu stellen.
Vorstehende Verpflichtung erstreckt sich insbesondere auch auf die unentgeltliche und lastenfreie Hergabe des für die Ausführung der⸗ jenigen Anlagen erforderlichen Grund und Bodens, deren Herstellung dem Eisenbahnunternehmer im öffentlichen Interesse oder im Interesse des benachbarten Grundeigenthums auf Grund gesetzlicher Bestim⸗ mungen obliegt oder auferlegt wird.
B. Die Mitbenutzung der Chausseen und öffentlichen Wege ist, soweit dies die Aufsichtsbehörde für zulässig erachtet, Seitens der daran betheiligten Interessenten unentgeltlich und ohne besondere Ent⸗ schädigung für die Dauer des Bestehens und Betriebes der Bahnen zu gestatten.
888 2. Die Staatsregierung wird ermächtigt:
1) zur Deckung der zu den im §. 1 unter Nr. I bis IV vor⸗ gesehenen Bauausführungen und Beschaffungen erforderlichen Mittel von 145 537 500 ℳ den Restbestand des Baufonds der ehemaligen Unterelbeschen Eisenbahn⸗Gesellschaft im Betrage von 45 998 ℳ 23 ₰ zu verwenden,
2) zur Deckung des alsdann noch verbleibenden Restbetrages von höchstens 145 491 501 ℳ 77 ₰ Staatsschuldverschrei⸗ bungen auszugeben. 8
§. 3. Wann, durch welche Stelle und in welchen Beträgen, zu welchem Ziasfuße, zu welchen Bedingungen der Kündigung und zu welchen Coursen die Schuldverschreibungen verausgabt werden sollen (§. 2), bestimmt der Finanz⸗Minister.
Im Uebrigen kommen wegen Verwaltung und Tilgung der An⸗ leihe und wegen Verjährung der Zinsen die Vorschriften des Gesetzes vom 19. Dezember 1869 (Gesetz⸗Samml. S. 1197) zur Anwendung.
§. 4. Jede Verfügung der Staatsregierung über die im §. 1 unter Nr. I, II und III bezeichneten Eisenbahnen beziehungsweise Eisenbahntheile durch Veräußerung bedarf zu ihrer Rechsgültigkeit der Zustimmung beider Häuser des Landtages.
Diese Bestimmung bezieht sich nicht auf die beweglichen Bestand⸗ theile und Zubehörungen dieser Eisenbahnen beziehungsweise Eisen⸗ bahntheile und auf die unbeweglichen insoweit nicht, als dieselben nach der Erklärung des Ministers der öffentlichen Arbeiten für den Betrieb der betreffenden Eisenbahn entbehrlich sind. 8
§. 5. Dieses Gesetz tritt am Tage seiner Verkündigung in Kraft.
Statistik und Volkswirthschaft.
Fleischpreise.
Aus Spandau wird der „Frkf. Ztg.“ geschrieben: Ein in⸗ teressanter Konflikt ist zwischen den Schlächtermeistern und der etwa 10 000 Köpfe zählenden Arbeiterbevölkerung hiesiger Stadt wegen der Höhe der Fleischpreise ausgebrochen. Trotz der Erleichterung der Vieheinfuhr sind die Fleischpreise hier die alten geblieben und um 20 % höher als in dem benachbarten Berlin. Eine in dieser Angelegen⸗ heit einberufene Volksversammlung wählte eine Kommission, die mit den Schlächtermeistern in Verbindung treten sollte. Diese lehnten aber jede Unterhandlung mit den Arbeitern und jede Herabsetzung der Fleischpreise ab; in Folge dessen beschlossen die Arbeiter in einer neuen, von 1500 Personen besuchten Versammlung ihren Bedarf theils bei einem von auswärts hergekommenen Schlächtermeister, der an allen Enden der Stadt Verkaufshallen errichten will, theils durch gemeinschaftliche Einkäufe größerer Posten Fleisch in Berlin zu decken. Auch wurde empfohlen, den Fleischkonsum vorderhand möglichst ein⸗ zuschränken
8
Zur Arbeiterbewegung.
Die rauensmänner der fiskalischen Kön iseg bei Zabrze hatten, wie die „Schl. Ztg.“ mittheilt, den Reichs⸗ und Landtagsabgeordneten Letocha ersucht, dem Minister für Handel Wund Gewerbe die Wünsche der oberschlesischen Berg⸗ arbeiter zu unterbreiten. Diese Wünsche richten sich, abgesehen von der achtstündigen Schicht auf folgende Punkte: 1) bessere Re⸗ gelung des Schichtlohns nach der Richtung hin, daß die Arbeiter an sogenannten schwachen Orten und auf harten Flötzen ebensoviel verdienen wie auf guten Nummern und auf weichen Flötzen, und daß darnach für schwache Orte, harte und weiche Flötze, für Pfeilerabbau und Streckenbetrieb dementsprechende besondere Gedingsätze festgestellt werden mögen; 2) Erhöhung des Schichtlohns für Schichten bei dem gefährlichen Rauben und für sogenannte herrschaftliche Schichten beim Verbauen auf mindestens 5 ℳ, 3) Beseitigung der Unbilligkeiten beim Nullen der Förder⸗ wagen und der ungerechten Füllkohlen⸗Abzüge, 4) Repision der Arbeitsordnungen, 5) Ermäßigung der Höhe der Ordnungs⸗ strafen und das Verbot der mißbräuchlichen Festsetzung von Ord⸗ nungsstrafen für Kleinigkeiten und für von den Arbeitern nicht ver⸗ schuldete Umstände.
In Dortmund endete am letzten Sonnabend, wie die „Frkf. Ztg.“ mittheilt, eine Bergarbeiter⸗Versammlung mit poli⸗ eilicher Auflösung. Am vorherigen Sonntag war in einer Ver⸗ fammlung Hr. Bunte als Delegirter für den internationalen Berg⸗ arbeiter⸗Kongreß in Paris gewählt worden, wogegen Protest er⸗ hoben war. Die Protestler waren in der Sonnabend⸗Versammlung in der Minderheit; in Folge dessen kam es zu tumultuarischen Auftritten. Den Führern (Bunte, Schröder und Siegel), die anwesend waren, erwachsen im hiesigen Bezirk Konkurrenten, die aber keine Truppen hinter sich haben, weil die Bergleute in Dortmund selbst äußerst urückhaltend sind. Die Versammlungen sind stets schwach be⸗ sucht. Es ist eigenthümlich, daß die Führer hier so wenig An⸗ hang haben. Es mag wohl zum größten Theile daran liegen, daß sie aus dem ergarbeiterstande ausgeschieden sind. Die Bergleute, welche sich schwer plagen müssen, glauben nun, die Ausgeschiedenen, die Geschäfte haben und für ihre Azitationsreisen auch vom Verbande bezahlt werden, führten auf Kosten ihrer ehe⸗ maligen Kameraden ein gutes Leben. Auch in der Sonnabend⸗Ver⸗ sammlung rieth man den Führern, sich zurückzuziehen, damit man sehe, ob es andere nicht besser machten. Siegel erklärte jedoch Namens seiner Genossen, sie würden das Spiel nicht eher aus der Hand geben, als bis sie durch tüchtigere Leute ersetzt seien. Die Auf⸗
er Mehrkosten für die Erweiterung des Bahn⸗ lösung der Versammlung erfolgte, als sie einen stürmischen Charakter
Hinsicht auf diesen Vorgang schreibt auch die
Bergarheiterbewegung im Kohlengebiet, die wieder zu Abfall der Masse der
annahm. — In Voss. Stg.. 88 rheinisch⸗westfälischen neuem Leben erwacht, ist der Bergarbeiter von den alten Führern Schröder, Bunte und Siegel ein bemerkenswerther Zug. Der kürzlich mit⸗ getheilte Aufruf der Bergarbeiter ist von keinem dieser Drei unter⸗ zeichnet, allerdings ist Bunte in einer Bergarbeiter⸗Versammlung zum Delegirten für den internationalen Bergarbeiter Kongreß in Paris gewählt worden, jedoch wurde gegen diese Wahl Einspruch erhoben. In Magdeburg wurde am Montag in einer von mehreren Hundert Personen besuchten Volksversammlung die Gründung eines sozialdemokratischen Arbeitervereins vorgenommen; nach dem Bericht der „Mgdb. Ztg.“ zeichneten sich zahlreiche Personen in die Mitgliederlisten ein. 8 8 Aus Erfurt berichtet der „Vorwärts“: Die Erfurter Schuhmacher⸗Aussperrung hat ihr Ende erreicht. Nach mehr⸗ mongatlichem Widerstande waren die Ausgesperrten gezwungen, sich den Bedingungen der Fabrikanten zu fügen Fünfzig Arbeiter sind nicht wieder eingestellt worden. Sie gehen mit dem Plane um, eine Pro⸗ duktivgenossenschaft ins Leben zu rufen. ““ 8 In Glauchau sollte am letzten Sonnabend eine öffentliche Volksversammlung stattfinden; auf der Tagesordnung stand u. A. die Gründung eines sozialdemokratischen Volks⸗ vereins. Die Polizeibehörde verbot, wie das „Chemn. Tgbl.“ mittbeilt, die Versammlung auf Grund des sächsischen Vereinsgesetzes. Zu dem Strike in Thalheim (vgl. Nr. 34 d. Bl.) wird dem „Vorwärts“ geschrieben: Seit dem 2. Februar befanden sich im hiesigen Ort die Wirker, Wirkerinnen und Näherinnen im Strike. Trotz aller Bemühungen der Arbeiter, in Folge der angekündigten Lohnreduktion eine Verständigung mit den Untern ehmern zu erzielen, wenigstens insofern, als daß Ahngesichts der schlechten Geschäftsperiode die Arbeitszeit verkürzt würde, ohne daß eine Lohnreduktion eintreten sollte, sind dieselben erfolglos geblieben. In der Erwägung, daß es Fabrikanten giebt, welche eine Lohnreduktion nicht haben eintreten lassen und ferner, daß bei den erhöhten Lebensmittelpreisen und dem hierorts hohen Mieths⸗ zins eine Lohnreduktion von 15 — 20 % einen Lohnausfall von 5 bis 7 ℳ in 14 Tagen ausmacht, sahen die Arbeiter (410, darunter 180 Familienväter mit 270 Kindern undsünverheirathete 230) sich gezwungen, die Arbeit in elf Betrieben einzustellen. — In einer am Donnerstag, den 5. Februar, abgehaltenen öffent⸗ lichen Arbeiterversammlung, zu welcher auch die Fabrikanten geladen, aber nicht erschienen waren, wurde von den Strikenden folgende Re⸗ solution einstimmig angenommen: Die Arbeiterversammlung beschließt an der Forderung der Verkürzung der Arbeitszeit ohne jede Lohn⸗ reduktion festzuhalten und, da die Unternehmer jede Verständigung zu⸗ rückweisen, den Strike unter allen Umständen fortzuführen. Wie ein Wolff'sches Telegramm aus London meldet, haben in Folge eines Beschlusses der Delegirten⸗Versammlung gestern sämmtliche Frachtstauer der Royal Albert⸗Docks die Arbeit eingestellt. Mehrere Schiffe welche auslaufen sollten, mußten ihre Abfahrt aufschieben. 1 ne G meldet „W. T. B.“, daß ungefähr 1500 Arbeiter der dortigen größten Gasfabriken einen Strike ankündigen, falls ihnen die geforderte Lohnerhöhung nicht binnen 14 Tagen be⸗ willigt werde. G 1 Aus New⸗York wird telegraphisch mitgetheilt, daß der Strike im Distrikt Connelsville (Pensylvania) allgemein geworden ist; alle nd geschlossen; 16 000 Arbeiter feiern
8 8 1““ 11““ ige rgebniß der Volkszählung vom 1. Dezember 1890 im Herzogthum Anhalt. —
Nach den von dem Herzoglich anhaltischen statistischen Bureau veröffentlichten Mittheilungen betrug die ortsanwesende Bevölkerung des Herzogthums am 1. Dezember v. J. 271 759 Personen gegen 248 166 am 1. Dezember 1885. Sie hat also um 23 593 oder 9,51 % zugenommen. Dieser Gesammtzunahme steht eine Gesammizunahme von nur 6,70 % in den Jahren 1880—1885 gegenüber. Ein An⸗ wachsen in der Zunahme der Bevölkerung der einzelnen Kreise ergiebt sich für den Kreis Dessau mit 12,64 % gegen 9,98 % und für den Kreis Bernburg mit 16,68 % gegen 10,05 % in der vorigen Zählungsperiode. Im Kreise Ballen⸗ stedt zeigt sich eine Bevölkerungszunahme von 4,57 % gegen⸗ über einer für die Jahre 1880— 1885 ermittelten Abnahme der Bevölkerung von 1,00 %. Dagegen ist in der letzten Zählperiode die Zunahme im Kreise Zerbst von 6,23 % auf 5,69 % und im Kreise Cöthen sogar von 3,29 % auf 1,41 % zurückgegangen. Auch für das Herzog⸗ thum Anhalt ergiebt sich die bereits vielfach gelegentlich der letzten Volkszählung gemachte Beobachtung, daß in den größeren Städten und vor Allem in den Industrieorten sowie in den Dörfern in deren
unmittelbarer Nähe die Zunahme der Bevölkerung in den letzten
fünf Jahren eine außerordentlich bedeutende war, während diejenigen Ortschaften, die wesentlich auf rein landwirthschaftliche Thätigkeit an⸗ gewiesen sind, keine Erhöhung, ja häufig sogar eine Abnahme in der Einwohnerzahl in dieser Zeit erfahren haben. 1“
Verkehrs⸗Anstalten.
MN-XPorddeutscher Lloyd in Bremen. 8 (Letzte Nachrichten über die Bewegungen der Dampfer) New⸗York⸗ und Baltimore⸗Linien: Bestimmung. Bremen 10. Febr. a. d. Weser angek. Bremen 4. Febr. von New⸗York. New⸗York 8. Febr. in New⸗York. New⸗York 3. Febr. Lizard passirt. New⸗York 6. Febr. von Southampton. New⸗York 10. Febr. Lizard passirt. Bremen 10. Febr. Lizard passirt. Bremen 4. Febr. von Baltimore. Baltimore 9. Febr. in New⸗York. Baltimore 2. Febr. Lizard passirt. Baltimore 7. Febr. Lizard passirt. Brasil⸗ und La Plata⸗Linien: b Bremen 8. Febr. in Antwerpen. Bremen 8. Febr. in Antwerpen.
„Werra“ „Trave“. „Ems“. „Eider“. „Harel. „Fulda“ „Stuttgart“. „Hermann“. „Salier“. „Amerika“ „Nürnberg“. „Darmstadt“. „Graf Bismarck“ Koln
„Weser“ „Ohio“. „Leipzig“. „Gera’- .. „Frankfurt“. „Berlin“.
Vigo, Antwerp., Bremen 25. Jan von Buenos Aires.
Antwerp., Bremen 31. Jan. von Buenos Aires. Brasilien 20. Jan. in Bahia. La Plata 25. Jan. in Montevideo La Plata 8. 88 in Rio. Rio, La Plata 5.
Antwerp, Bremen 9. Febr. Las Palmas passirt.
zum Deutschen Reichs⸗An
½ 37.
Zweite Beilage tzeiger und Königlich Preußischen
Berlin, Mittwoch, den 11. Februar
Entscheidungen des Reichsgerichts.
Das Inverkehrbringen von aus dem Auslande nach dem Inlande bezogenen Gegenständen, die im Inlande patentirt sind, nach dem Auslande (Transithandel]), ohne die Erlaubniß des Patentinhabers, ist, nach einem Urtheil des Reichsgerichts, III. Straf⸗ senats, vom 25. Oktober 1890), als Patentverletzung aus §. 34 des Patentgesetzes zu bestrafen. Als „Inland“ im Sinne des Patent⸗ gesetzes gelten auch die von der deutschen Zollvereinsgrenze ausge⸗ schlossenen Gebietstheile des Deutschen Reichs.
— Nothwehr, bezw. Ueberschreitung der Nothwe hir im Sinne des §. 53 des Strafgesetzbuchs, welche eine sonst strafbare Handlung straflos macht, ist, nach einem Urtheil des Reichsgerichts, IV. Strafsenats, vom 2. Dezember 1890, nur vorhanden, wenn es sich um Abwehr eines thatsächlich geschehenden Angriffes, nicht um Abwehr eines vermeintlichen Angriffes handelt. Die irrthümliche Abwehr eines vermeintlichen Angriffes schließt allerdings die Vor⸗ sätzlichkeit der abwehrenden Handlung, nicht aber ohne Weiteres die Fahrlässigkeit derselben aus; bildet die einen vermeintlichen
Angriff abwehrende Handlung eine Körperverletzung, so ist die Körper⸗!
verletzung als fahrlässige zu bestrafen, wenn die Untersuchung ergiebt, daß der Irrthum des Thäters kein entschuldbarer gewesen ist.
Statistik und Volkswirthschaft.
Deutsche Eisenwaaren in Bulgarien.
b Im bulgarischen Eisengeschäft stand die deutsche Einfuhr mit 4455 M.⸗Ctr. Eisen und Eisenwaaren während des 4 Fee Ehnhab 1890 obenan. Auf die Einfuhr aus Oesterreich⸗Ungarn, Belgien, England und Frankreich entfielen zusammen nur 3211 M.⸗Ctr. Man bezog deutsches Eisen zu 17 ¼ bis 18 ℳ Grundpreis für den Meter⸗Centner frei Sofia und Drahtstifte zu 17 ½ bis 18 ½ ℳ ab Fabrik. Auch in Baubeschlägen und Grobschmiedewaaren machte die deutsche Industrie durch billige Angebote Fortschritte. Außerdem kamen aus Deutsch⸗ land Gußstahlschaufeln und für die bulgarische Regierung Eisenbahn⸗ wagen und Draisinen. 8
Kunst und Wissenschaft.
8 Es hat sich als nothwendig erwiesen, Vorkehrungenzu treffen,
um in späteren Zeiten mit Sicherheit das Alter von Kunst⸗
gegenständen bestimmen und insbesondere alte Kunstwerke
Per neueren Erzeugnissen und Nachbildungen unterscheiden zu nnen.
Demgemäß sind die Königlichen Konsistorien von dem Kultus⸗Minister veranlaßt worden, dafür Sorge zu tragen, daß künftig an allen in ihrem Bezirke für kirchliche Zwecke neu zu beschaffenden Ausstattungsgegenständen: Altären, Kanzeln, Orgeln, Altargeräthschaften ꝛc. an schicklicher Stelle die Jahreszahl des Erwerbes und, soweit thunlich, auch die Herkunft (Künstler, Fabrikant, Firma ꝛc.) haltbar ver⸗ merkt wird.
Um ferner späteren Zeiten die Möglichkeit offen zu halten, Ergänzungen und Erneuerungen an alten Bau⸗ denkmälern, welche im Stil und Charakter der Entstehungs⸗ zeit des Bauwerks vorgenommen sind, als solche zu erkennen und ihrem Alter nach mit Sicherheit bestimmen zu können, veranlaßt ein Erlaß des Kultus⸗Ministers und des Ministers der öffentlichen Arbeiten die Königlichen Regierungen, künftig bei allen Wiederherstellungen von Baudenkmälern oder ein⸗ zelner Theile derselben in einfacher, angemessener Weise In⸗ schriften anbringen zu lassen, aus denen die Zeit (Jahreszahl) der Ausführung der Arbeiten erhellt
—s In der letzten Sitzung der Physikalischen Gesell⸗ schaft sprach Hr. Professor Börnstein über einen periodischen Wechsel des Barometerstandes unter dem Einflusse des Mondes. Untersuchungen dieser Art sind bereits mehrfach angestellt worden; denn es liegt bei einer ersten Betrachtung nicht fern, so gut wie für den flüssigen, auch für den luftförmigen Mantel der Erde eine Ebbe und Fluth anzunehmen, selbst wenn man nicht mit Hrn. Falb darauf eingehen will, sogar für den festen Erdkörper Wir⸗ kungen der Anziehung des Mondes zu statuiren. Einer der früheren Beobachter, Eisenlohr, verglich zur Beantwortung der Frage Barometerstände täglich um dieselbe Stunde. Der Mond ist dann gegen die vorhergehende Stellung um ein Acht⸗ undzwanzigstel eines vollen Kreises am Himmel zurückgeblieben, und es ist klar, daß sich auf diese Weise der Einfluß der Mondstellung durch ein regelmäßiges Schwanken der an ver⸗ schiedenen Tagen abgelesenen Barometerstände geltend machen müßte. Natürlich muß, um anderweitige Störungen zu elimi⸗ niren, aus den Beobachtungen von vielen Monaten das Mittel genommen werden. Eisenlohr glaubte aus Beobachtungen, welche während 22 Jahren angestellt worden sind, den Schluß ziehen zu dürfen, daß eine mondtäglich zweimal eintretende, also der Ebde und Fluth entsprechende Schwankung des Barometers von 0,46 mm, also einem sehr geringen Betrage, vorhanden sei. Hr. Börn⸗ stein weist darauf hin, daß die theoretisch berechnete Wirkung noch erheblich geringer sei, daß sie nämlich nur 0,07 mm. Quecksilber betrage, wenn man seh annehme, der Mond stehe immer derselben Stelle der Erde gegenüber. Größere Werthe, welche man beobachtet hat, z. B. in Batavia, dürften
„Baltimore“
„Preußen“ „Bayern“ „Neckar“. „Sachsen“ Elh 2 8 „Hohenstaufen“ „Kaiser Wilh. II.“ „Karlsruhe’..
inien nach Ost⸗Asien
Brasilien
Bremen Ost⸗Asien Ost⸗Asien Ost⸗Asien Bremen Bremen Australien Australien
8. Febr. Las Palmas pa
und Australien: 8. Febr. von Port Said.
28. Jan. in Shanghai.
9. Febr. in Colombo.
9. Febr. in Antwerpen. ebr. von Genua. ebr. von Adelaide. an. in Colombo.
Bremen
hebr. von Port Said.
ebr. Las Palmas besszr. rt.
ebr. Prawle Point pass.
einer indirekten Einwirkung des Mondes zuzuschreiben sein, nämlich den Luftbewegungen, welche durch die Fluthwelle des Meeres entstehen. Mittels einer Zusammenstellung von Beobachtungen, welche während fünf Jahren in Berlin, Ham⸗ burg und Wien angestellt worden sind, zeigt Hr. Börnstein, daß ein täglich zweimal auftretendes Schwanken des Baro⸗ meters nicht nachweisbar ist. Dagegen zeigt sich eine den Mondumgang begleitende einmalige Schwankung, für welche allerdings die Erklärung fehlt.
P. Dr. Kreichgauer berichtet über Versuche über die Schwere. Die allgemeine Anziehung der Massen ist unter den verschiedenen Naturkräften zwar ihren Gesetzen nach am vollständigsten, ihrem Wesen nach aber am wenigsten er⸗
Sie zeichnet sich u. A. dadurch aus, daß sie nicht
fähig ist, in andere Kräfte überzugehen. Stellen wir z. B. zwischen zwei Körpern eine chemische Verbindung her, so hat dieselbe andere Eigenschaften als die Elemente, etwa hinsichtlich des elektrischen oder thermischen Verhaltens. Die Schwere hingegen ist unverändert geblieben. Natürlich ist wenigstens nach unseren modernen Anschauungen eine solche Thatsache ledig⸗ lich erfahrungsmäßig begründet und nicht auf spekulativem Wege beweisbar, und deshalb ist es nöthig, daß bei der be⸗ deutenden Vervollkommnung unserer Meßmethoden auch solche Sätze wieder einmal der experimentellen Prüfung unterworfen werden. Die Versuche von Hrn. Kreichgauer wurden u. A. mit Quecksilber und Brom angestellt, welche in ein Glasgefäß ein geschmolzen und dann zur Reaktion gebracht wurden. Es zeigte sich, daß bei genauer Berücksichtigung aller Neben⸗ umstände keine Aenderung des Gewichts nachgewiesen werden konnte. — Bei dieser Gelegenheit wurde an einen geistvollen Versuch Mitscherlich's erinnert, durch welchen festgestellt werden sollte, ob die Sonne auf Schwefel und Platin eine verschiedene Anziehungskraft ausübe. Zu dem Zweck war je ein Quantum der beiden Stoffe auf einer Waage um die Mittagszeit ins Gleichgewicht gebracht worden. Da sich das Gleichgewicht auch um Mitternacht, also bei der entgegengesetzten Stellung der Sonne noch zeigte, war die Abwesenheit jedes Unterschiedes in der Anziehung erwiesen.
Hr. Dr. Rubens berichtete über eine Reihe von Ver⸗ suchen, welche er gemeinsam mit Hrn. Dr. Arons über das dielektrische Verhalten von Flüssigkeiten mittels Hertz'scher Schwingungen angestellt hat. Die Versuche stehen im Zusammenhange mit den neueren Forschungen über das Wesen der Elektrizität, in welchen die Isolatoren, die⸗ jenigen Körper, welche nach der gewöhnlichen Auffassung die Elektrizität nicht leiten, zu einer so hohen Bedeutung gelangt sind. Diese Isolatoren allein sind es nämlich, welche für manche elektrische Wirkungen, so für elektrische Wellen durchlässig sind; den dielektrischen Strom vermögen sie freilich nicht fortzuführen. Dieser Umstand rechtfertigt am besten eine Bezeichnung, welche schon von Faraday eingeführt wurde, als er die Isolatoren elektrische Körper nannte. Das Verhalten der verschiedenen Körper in dieser Beziehung steht in einem merkwürdigen Zusammenhange mit dem Verhalten gegen Lichtwirkungen. iese Thatsache ergiebt sich aus theoretischen Betrachtungen vn Maxwell, nach welchen jede Lichtschwingung einen elektrischen Vorgang darstellt, sie ist aber auch, besonders seit den berühmten Versuchen von Hertz, dem Experimente zugänglich geworden. Nach Maxwell soll die sog. Dielektrizitätskonstante, eine Zahl, welche die erwähnte Eigenschaft der Isolatoren mißt, für jede Substanz gleich dem Quadrat des optischen Brechungsexpo⸗ nenten sein. Bei den Versuchen von Rubens wurde die Länge elektrischer Wellen in Drähten gemessen, welche mit ver⸗ schiedenen isolirenden Flüssigkeiten umgeben waren. Es zeigte sich die erwartete Abhängigkeit der Wellenlänge von der Be⸗ schaffenheit des Isolators. Die theoretisch zu erwartende Be⸗ ziehung tritt zahlenmäßig nicht völlig hervor; doch sind die Abweichungen erklärbar. Eine eingehendere Besprechung der Versuche ist im Auszug nicht möglich.
— Se. Majestät der Kaiser hat, wie von „W. T. B.“ aus Paris berichtet wird, anläßlich des Todes Meissonnier's an den französischen Botschafter Herbette in Berlin ein Beileidsschreiben gerichtet, welches dieser dem von Sr. Majestät geäußerten Wunsche gemäß dem Minister Ribot übersandt hat. Hr. Ribot hat das Beileidsschreiben dem Präsidenten der Kunstakademie übermittelt.
— Die in der Herrscherhalle des Königlichen Zeug⸗ hauses aufgestellte Marmorfigur der Victoria von Professor Schaper hat, wie die „Voss. Z.“ berichtet, vor einiger Zeit eine Veränderung von der Hand des Künstlers erfahren; sie ist getönt worden. Das Weiß des Marmors erschien in der warm⸗dunklen Stimmung, welche den unteren Theil der Halle beherrscht, zu grell und kalt, so daß eine erhebliche Dissonanz hervor⸗ trat. Die Tönung hat dem Marmor ein mildes Gelb ver⸗ liehen, wobei zugleich die störenden Glanzlichter gemildert sind. Die machtvolle Figur der Kranzspenderin fügt sich nunmehr harmonischer in ihre Umgebung ein. Zugleich aber hat auch die Nische, in welcher disefe he steht, statt der früheren Bekleidung von tiefrothem Stucco⸗Marmor eine solche in grünlich⸗ grauer Farbe erhalten. Die ebenfalls von Professor Schaper ge⸗ arbeiteten Marmorgestalten der „Treue“ und der „Begeisterung“, welche zwischen den Gemälden an der nördlichen Wand der beiden Feldherrnhallen in tiefrothen Nischen Platz gefunden haben, sind hin⸗ gegen unverändert in ihrem reinen Weiß geblieben, da sich das Weiß in diesen Räumen weniger störend bemerkbar macht.
— Die Luther⸗Kirche auf dem Dennewitzplatz wird, nach den Mittheilungen ihres Erbauers, des Bauraths Otzen, die von der „N. A. Z.“ wiedergegeben werden, auch hervorragenden künstlerischen Schmuck in Wandgemälden und Bildhauerwerken erhalten. Im Chor sollen durch Wandgemälde biblische Geschichten veranschau⸗ licht, in dem südlichen Vorhallenbau das Reformationswerk angedeutet werden. Für den Bau sind vorläufig in Aussicht genommen: an der Südfront ein Reformationsfries mit zwei Bildern (der Reichstag in Worms und die erste protestantische Abendmahlsspendung an Joachim II. und seine Gemahlin) in Mettlacher Mosaik ausgeführt, und ferner die Standbilder Luther's, Melanchthon's und Joachim's II.
— Mit Genehmigung des Prinzen von Wales ist, wie Londoner Blätter melden, zur Zeit ein internationales Comité in der Bildung begriffen, welches die Aufgabe hat, berühmte konti⸗ nentale Professoren und Gelehrte zur Betheiligung an dem in diesem Jahre in London stattfindenden Hygienischen Kongreß zu ver⸗ anlassen. Das Comits umfaßt bereits Vertreter der Vereinigten Staaten, Frankreichs, Rußlands, Egyptens, Oesterreich⸗Ungarns, Italiens und Deutschlands.
— Der Forschungsreisende Kapitän Trivier hat, wie dem „W. T. B.“ aus Marseille gemeldet wird, gestern Abend seine Reise nach Libreville in Gabon angetreten, um seine Forschungsreisen fortzusetzen und die afrikanischen Küsten bezüglich ihrer natürlichen Produkte zu studiren und neue Absatzgebiete zu suchen.
Land⸗ und Forstwirthschaft.
Washington, 10. Februar. (W. T. B.) Nach dem monat⸗ lichen Bericht des Landwirthschaftlichen Bureaus war das Wachsthum der Baumwollenpflanzen zu Anfang des Herbstes ein so rasches, daß die Ernte nicht bewältigt werden konnte. Hier⸗ durch wurde die Baumwolle der eingetretenen außerordentlich feuchten Witterung ausgesetzt, was eine Verfärbung derselben zur Folge hatte. Der mittlere Ertrag im vergangenen Jahre betrug 106, der Durchschnitt der Sendungen nach den Häfen 87.
Staats⸗Anzeiger. —
Gesundheitswesen, Thierkrankheiten und Absperrungs⸗ Maßregeln.
(F) Kopenhagen, 9. Februar. Die Pocken⸗Epidemie ver⸗ breitet sich immer mehr in der Stadt, trotzdem Revaccinationen in großem Umfange vorgenommen werden; da der Vorrath an Lymphe hier nur gering war, so mußte solche schleunigst aus Berlin, Würz⸗ burg und Stockholm bezogen werden. Im Oeresunds⸗Hospital sind bisher gegen 70 Pockenkranke aufgenommen worden.
Handel und Gewerbe.
Tägliche Wagengestellung für Kohlen an der Ruhr und in Oberschlesien. An der Ruhr sind am 10. Februar gestellt 10 399, nicht recht⸗ zeitig gestellt 158 Wagen. In Oberschlesien sind am 9. d. M. gestellt 4823, nicht rechtzeitig gestellt 23 Wagen.
. Subhastations⸗Resultate.
„Beim Königlichen Amtsgericht I Berlin stand das im Grundbuche von Niederbarnim Band 85 Nr. 3528, in den Straßen 2 u. 6 belegene, auf die Namen der Bauunternehmer Marx Zoche und Bruno Schoenwetter eingetragene Grundstück zur Versteigerung. Das geringste Gebot wurde auf 11 880 ℳ festgesetzt. Es bot der Fabrikant Emil Plack, Große Hamburgerstraße 3, 243 000 ℳ Der Zuschlag wurde ausgesetzt. — Ferner das im Grundbuch wie vorher Band 5 Nr. 297, auf den Namen des Zimmermeisters Chr. Jatzko eingetragene, in der Müller⸗ und Triftstraße (Nr. 1a) belegene Grundstück. Das geringste Gebot wurde auf 58 211,89 ℳ festgesetzt. Meistbietender blieb mit 95 000 ℳ der Bauunternehmer Emil Schmidt zu Berlin. Der Zuschlag erfolgt am 12. Februar c., Nachmittags 12 ½ Uhr.
— Der auswärtige Handel Großbritanniens stellte sich nach dem handelsamtlichen Ausweise für Januar, verglichen mit dem im entsprechenden Monat des vorhergehenden Jahres, nicht günstig. Die Einfuhr, im Gesammtbetrage von 33 741 082 Pfd. Sterl., hat sich, wie die Londoner „Allg. Corr.“ mittheilt, um 402 768 Pfd. Sterl. und der Export, im Betrage von 19 834 315 Pfd. Sterl., um 1 752 437 Pfd. Sterl. vermindert. Allerdings muß in Betracht gezogen werden, daß im Januar in Folge des unge⸗ wöhnlich scharfen Frostes die Schiffahrt lange unterbrochen war und der Eisenbahnstrike in Schottland dem Export empfind⸗ lichen Abbeuch that. Aber selbst wenn diesen Umständen Rechnung getragen wird, ist die Abnahme des Handelsverkehrs sehr erheblich. An der Abnahme der Einfuhr sind Rohstoffe für Textilfabrikate mit 1 479 792 Pfd. Sterl., zollfreie Lebensmittel mit 925 389 Pfd. Sterl., zollpflichtige mit 327 170 Pfd. Sterl., Metalle mit 369 196 Pfd. Sterl., Fabrikate mit 661 674 Pfd. Sterl. und verschiedene andere Artikel mit 411 615 Pfd. Sterl. betheiligt, während der Import von Chemikalien, Oelen und lebendem Vieh eine mäßige Besserung be⸗ kundet. Die Abnahme in der Ausfuhr fällt auf saͤmmtliche Stapel⸗ artikel, mit Ausnahme von Chemikalien. Die bedeutendste Abnahme zeigen Garne und Textilfabrikate (569 393 Pfd. Sterl.), Metalle und Metallfabrikate (428 554 Pfd. Sterl.), Maschinen 245 897 Pfd. Sterl.), Rohstoffe (109 973 Pfd. Sterl.) und Provisionen (106 033 Pfd. Sterl.)
Posen, 10. Februar. (W. T. B.) Der heutige Saaten⸗ markt war nicht so stark wie sonst besucht. Das Geschäft war durchgehends schleppend. Für alle Sorten Klee waren die For⸗ derungen sehr hoch. Bezahlt wurde Rothklee ordinär mit 40 ℳ, mittel mit 50 ℳ, fein mit 55 ℳ, hochfein mit 60 ℳ, Weißklee mit 50, 60, 68—–78 ℳ, Wundklee mit 45 bis 55 ℳ, schwedischer Klee mit 60 — 85 ℳ, amerkkanischer Klee mit 40 ℳ, Tymothee mit 20 — 30 ℳ, englisch Raigras mit 11 — 18 ℳ, französische Luzerne mit 54 — 70 ℳ, abfallende Sorten mit 40 — 45 ℳ, Saradella mit 5 — 6 ℳ, Saatgetreide war sehr vernachlässigt. In Kartoffeln war ziemlich reges Ge⸗ schäft. Brennereiwaare mit 1,70 — 1,80 ℳ Speisekartoffeln mit 2 ℳ bezahlt. Schluß ruhig.
Leipzig, 10. Februar. (W. T. B.) Kammzug⸗Termin⸗ handel. La Plata. Grundmuster B. pr. Februar 4,25 ℳ, pr. März 4,25 ℳ, pr. April 4,27 ½ ℳ, pr. Mai 4,27 ½ ℳ, pr. Juni 4,27 ½ ℳ, pr. Juli 4,30 ℳ, pr. August 4,32 ½ ℳ, pr. September 4.35 ℳ, pr. Oktober 4,35 ℳ, pr. November 4,35 ℳ, pr. Dezember 4,35 ℳ Umsatz 155 000 kg. Rubhig.
London, 10. Februar. (W. T. B.) Wollauktion. Stetig.
An der Küste 1 Weizenladung angeboten.
Manchester, 10. Februar. (W. T. B.) 12r Water Taylor 6 ¾, 30r Water Taylor 9, 20r Water Leigh 7 ⅞, 30r Water Clayton 8 ¾, 32r Mock Brooke 8 ½, 40r Mayoll 9, 40er Medio Wilkinson 9 ½, 32r Warpcops Lees 8 ⅛, 36r Warpcops Rowland 8 ⅞, 40r Double Weston 9 ½, 60r Double Courante Qualität 12 ⅜, 32“ 116 vards 16 *% 16 grey Printers aus 321/46r 168. Ruhig.
New⸗York, 10. Februar. T. B.) Weizen⸗Ver⸗ schiffungen der letzten Woche von den atlantischen Häfen der Vereinigten Staaten nach Großbritannien 13 000, do. nach Frankreich —, do. nach anderen Häfen des Kontinents 9000, do. von Kalifornien und Oregon nach Großbritannien 44 000, do. nach anderen Häfen des Kontinents — Qrts.
Der Werth der in der vergangenen Woche ausgeführten Produkte betrug 6 433 781 Dollars. 8 —
Verkehrs⸗Anstalten.
Koblenz, 11. Februar. (W. T. B.) Das Cisenbahn⸗Betriebs⸗ amt Koblenz giebt bekannt: Die gestern gemeldete Wiedereröffnung des Trajektbetriebes Bingen — Rüdesheim hat wegen ein⸗ getretenen zu niedrigen Wasserstandes heute Vormittag wieder eingestellt werden müssen. —
Hamburg, 10. Februar. In Folge der eingetretenen Kälte ist, laut Meldung der „D. B. H.“, die Elbschiffahrt neuerdings wiederum erschwert. Zahlreiche Dampfer erlitten Schaden. Thermo⸗ meterstand gegenwärtig drei Grad Kälte.
London, 10. Februar. (W. T. B.) Der Union⸗Dampfer „Tartar“ ist gestern auf der Ausreise von Lissabon abgegangen.
New⸗York, 10. Februar. .T. B.) Wie dem Journal „World“ mitgetheilt wird, sind Vorberathungen im Gange, nach
denen sämmtliche nordwestlichen Eisenbahnen noch vor Schluß dieses Jahres in eine einzige Verwaltung übergehen würden.
In dieselbe sind einbezogen: die Northern⸗Pacific, die Canadian⸗ Pacific, die Chicago⸗Burlington and Quincy, die Chicago⸗Milwaukee ün⸗ St. Paul, die Chicago⸗Northwestern und Greatnorthern Eisen⸗ ahnen.
Mannigfaltiges. 8
8
Für den verstorbenen Geheimen Ober⸗Justiz⸗Rath von Will..— mowski bekundete sich bei der heutigen Trauerfeier die 8 allgemeine Theilnahme aller der Kreise, denen der Verewigte in seinem reichen Wirken und im Leben näher getreten. Der Sarg war im zweiten Stockwerk des Sterbehauses, Derflingerstraße 17, aufgebahrt. Das Justiz⸗Ministerium war durch den Staats⸗Minister Dr. von
Schelling vertreten, der in Begleitung seiner Gemahlin erschi Ferner waren Staats⸗Minister Dr. von Friedberg, der Uniee. Elchien.