1891 / 38 p. 7 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 12 Feb 1891 18:00:01 GMT) scan diff

Baron Wrangel. Während der Monate Juni und Juli wurden

Tiefseelothungen, Temperaturmessungen und Salzgehaltbestimmungen

vorgenommen. („Journ. de St. Pétersbourg“, 8./20. Oktober.)

Statistik und Volkswirthschaft.

Zur Alters⸗ und Invaliditäts⸗Versicherung erläßt der Polizei⸗Präsident von Berlin, Freiherr von Richthofen folgende Bekanntmachung: 8G

„Es ist zur Kenntniß gekommen, daß das Rundschreiben vom 10. Dezember vorigen Jahres, betreffend die Invaliditäts⸗ und Alters⸗ versicherung der Wäscherinnen, Plätterinnen, Näherinnen und Schneiderinnen, zu dem Mißverständniß Anlaß gegeben hat, als ob die bezeichneten Personen, soweit sie in ihrer eigenen Behausung arbeiten, auch dann der Versicherungspflicht nicht unterliegen, wenn sie lediglich Lohnarbeiterinnen eines anderen Gewerbetreibenden sind. Runderlaß will bezeichneten

Ausdruck bringen, versicherungs⸗ pflichtig sind, wenn sie in der eigenen Behausung (sei es allein, sei es mit Hülfe von Lohnarbeitern) für ihre Kunden arbeiten, oder wenn sie als Hausgewerbetreibende in der eigenen Behausung (in eigener Betriebsstätte) aber im Auftrage und für Rechnung anderer Gewerbtreibender, Laden⸗ Selbständige Betriebsunternehmer unterliegen der Versicherungspflicht zur Zeit auch dann nicht, wenn sie Hausgewerbetreibende sind; die Kundenarbeit der Wäscherinnen, Schneiderinnen u. s. w. soll als selbständiger Gewerbebetrieb gelten, soweit diese Kundenarbeit in der eigenen Behausung, nicht im Hause des Kunden, ausgeführt wird.

Solche Schneiderinnen, selbständig, Gewerbtreibender eigenen Hause)

selbständig,

geschäfte u. s. thätig sind.

Wäscherinnen Lohnarbeiterinnen Betriebsstätten

Krankenversicherungs⸗ unterliegen vom 22. Juni umfaßt alle Lohnarbeiter gleichmäßig und macht nicht, wie das Krankenversicherungsgesetz in seiner jetzigen Fassung, einen Unterschied zwischen den Lohnarkeitern der Gewerbetreibenden, je nachdem diese Lohnarbeiter von den Gewerbe⸗ treibenden innerhalb oder außerhalb ihrer Betriebsstätten beschäftigt

Versicherungspflicht. (Reichs⸗Gesetzblatt

Berlin, den 10. Februar 1891. Der Polizei⸗Präsident Freiherr von Richthofen.“ Wie die „Staatsb.»Ztg.“ mittheilt, sind im Kreise Teltow von über 400 Personen Anträge auf Gewährung von Altersrenten beim Für dreißig und einige Personen sind die Renten bereits angewiesen. Letztere erreichen eine Höhe von 106 80 für Frauen und bis 191 für Männer.

Landrathsamt gestellt worden.

Zur Vertheuerung des Fleisches. daß die kleinen Viehzüchter von den

Es ist bekannt, Wie das kommt,

Fleischpreisen so gut wie keine Vortheile haben. hat kürzlich in der „Dtsch. Warte“ ein brandenburger Bauer anschau⸗ Ist es ihm gelungen, ein Stück Rindvieh heranzuziehen, so muß er dasselbe dem sogenannten Ochsenmucker seiner Gegend um den gebotenen Preis geben, da er nicht selbst nach der Stadt kann und in der Regel dringende Verpflichtungen hat Viehmarkt würde er sogar noch geringeren Preis erzielen, da der Ochsen⸗ mucker mit dem Händlerringe unter Einer Decke steckt. Derselbe verdient an dem Stück V’* ) mindestens 20— 25 Der ert magere Zugwaare an die Brennereien und Zuckerfabriken zur Mästung und tauscht Schlachtvieh dagegen aus, wobei er wieder 30 am Auf dem Berliner Central⸗Viehmarkt wird das Stück noch zwei⸗ bis dreimal mit bedeutenden Preissteige⸗ rungen verkauft, ehe es an die Großschlächter gelangt, von welchen es Es ist ein sehr weiter und sehr theurer Weg, welchen das Fleisch vom Erzeuger zum Verbraucher zurücklegen muß, und wesentlich darauf sind die hohen, auch nach Oeffnung der Grenzen nicht verminderten Fleischpreise zurückzuführen.

lich ereählt.

Auf dem nächsten Der Händler liefert die Stück durchschnittlich verdient.

die Kleinschlächter erwerben

Chronik der Arbeiterfürsorge.

In der Holzstoff⸗ und Papierfabrik zu Schlema bei Schneeberg erhalten Arbeiter, welche 10 Jahre lang in der Fabrik ununterbrochen thätig gewesen sind, eine Sparkasseneinlage von 100 und nach je 5 Jahren wiederum dieselbe Einlage. 1 Arbeiter für 20 jährige (zum

Diesmal bekamen die Prämien 3. Male), 9 Arbeiter für 15 jährige (zum 2. Mal) und 1 Arbeiter für 10 jährige Dienstzeit. Aehnlich ist das „Resag'sche Sparsystem“. 2* briken vo F. F. Resag, Berlin und Köpenick Inhaber F. W. Oetting) ist ein nachahmenswerthes

den Cichorienfabriken von

Sparsystem eingeführt,

gutgeschrieben

Prozent verzinst. erhält noch eine Prämie von 30 ℳ, bis zu 1000 aber 140 Die Prämie betrug für das Jahr 1890 über 7000 und es hatte nach den Aeußerungen der Arbeiter zu den wollten die Arbeiter sich die Prämien auszahlen lassen, wodurch der Zweck der Einrichtung verfehlt gewesen Die Erfahrung hatte Hrn. Oetting gelehrt, daß Arbeiter, die etwas Kapital besitzen, auch die ordentlichsten, gutgesinntesten und es darauf ankam, dure system die Arbeiter zu solchen und zu kleinen Kapitalisten zu machen,

8 Hr. Oetting seine Arbe ter um sich und machte sie darauf aufmerksam, wie anders sie als Familienväter dastehen würden, wenn sie ein Kapital von 1000 und darüber das ihrige 8 dann sorgenfrei in die Zukunft blicken würden, während sie sonst meist der Armenpflege anheim fielen. ie wurden nach der warmen Ansprache ihres Chefs bald anderen Sinnes,

zumal ihnen Hr. Oetting darauf ein Sparkassenbuch überreichte, in welches die Prämie eines jeden Arbeiters zur Verzinsung eingetragen war, und ihnen Frist gab, zu überlegen, ob sie das gute Werk durch Sparsamkeit unterstützen wollten oder nicht. Zur thu

Hrn. Oetting konnte er bereits andern Tags konstatiren, daß über drei Viertel der Arbeiter das ganze Kapital stehen ließen, und die, welche bereits vorher über einen Theil des zu erwartenden Geldes verfügt hatten, sich entschuldigten und versprachen, für die Folge auch sparsamer Au leben und die ganze Prämie sparen zu wollen; Feinige baten sogar um vöchentliche Abzüge, um die 100 bald wieder zu erreichen, aandere aber brachten sogar noch ihre Privat⸗Ersparnisse zur Einlage, sodaß Hr. Oetting sich bereit erklärte, diese auch mit 10 % bei 300 zu prämiiren.

und wird dann zu 300 anstehen läßt,

Inspektoren den Anschein, als

brauchbarsten durch das Spar⸗

so versammelte

Zur Genugthuung des

Deutsche Volksbaugesellschaft. ““ Das Beschaffen von Haus und Hof für die Besitzlosen ist eine wichtige Aufgabe in der sozialen Bewegung der 2 freulich zu sehen, wie vielfache Bestrebungen nach dieser Richtung hin Ohne in eine Kritik der bisher auf⸗ getauchten und theilweise in Angriff genommenen Projekte einzugehen, bbeschränken wir uns auf die Mittheilung, daß augenblicklich in Berlin sich eine Deutsche Volksbaugesellschaft konstituirt, welche jenes Ziel verfolgt, deren System sich aber wesentlich von dem bisher

Iin die Oeffentlichkeit getretenen unterscheidet.

Deutschen Volksbaugesellschaft ist in seinen Grundzügen folgendes: Volksbaugesellschaft wird 1 Anforderungen

und Hof bauen und übergeben, Deeine Anzahlung

Alter als schuldenfreies Besitzthum oder er hinterläßt es bei seinem etwa früher eintretenden Tode seinen Erben

Neuzeit; es ist er⸗

sich neuerdings geltend machen.

Das Programm der

Erwerber

Amortisation zu leisten

schuldenfrei.

Deutsche Volksbaugesellschaft dehnt ihre Thäͤtigkeit auf alle Stände aus, gleichviel, ob sie Beamte, Kaufleute, Arbeiter oder Landleute sind, gleichviel ob sie in der Stadt oder auf dem platten Lande wohnen. Sie läßt ihr Betriebskapital nicht von Einzelnen aufbringen, sondern tritt an den allge⸗ meinen Geldmarkt heran mit der Ausgabe von verzins⸗ lichen Grundschuldbriefen und Antheilscheinen, für welche ausreichende Garantien geschaffen sind. Die Ziele der Gesell⸗ schaft sind groß und weit gesteckt. Das Interesse an der Sache wächst; Personen, die den verschiedensten politischen Rich⸗ tungen angehören, haben ihre Betheiligung zugesagt. Diejenigen, welche sich für die Sache interessiren, können einschlägige Druckfachen in dem Bureau der Deutschen Volksbaugesellschaft, Berlin W., Leipzigerstraße 104 II. links erhalten.

Zur Arbeiterbewegung

Das von dem Vorstande des Rechtsschutzvereins der Bergleute im Saarrevier am 4. d. M. an Se. Majestät den Kaiser gerichtete Telegramm (vgl. Nr. 34 d. Bl.) hatte, nach der „Saarbr. Ztg.“, folgenden Wortlaut: Die Ew. Majestät treu bis in den Tod ergebenen Bergleute des Saarreviers gedenken bei ihrer Festfeier der von Ew. Majestät heute vor einem Jahre gesprochenen Worte: „Die Saargruben sollen Musteranstalten werdenl!!“ Für die in diesen Worten von Allerhöchstdenselben bekundete gütige Gesinnung gegen uns wagen wir es vertrauensvoll, unserem Kaiser Wilheim II., dem Schützer und Beschirmer seines Volkes unseren tiefgefühlten Dank auszusprechen und Ew. Majestät ehrerbietigst ein tausend⸗ stimmiges „Glück auf!“ zuzurufen.

Ueber den Arbeiterausstand auf der Zeche „ver. Trappe“ wird der „Rh.⸗Westf. Ztg.“ geschrieben: Von der Belegschaft sind am Montag eingefahren 23 Mann und haben über Tage ge⸗ arbeitet 91 Mann. Die Arbeit verweigerten unter Tage 291 und über Tage 9 Mann. Ende Januar waren auf der Zeche überhaupt beschäftigt 13 Beamte, 265 Hauer, 60 Schlepper, Bremser und Pferdejungen, sowie 105 Tagearbeiter, zusammen 443 Personen.

In einer Versammlung der Zahlstelle des Rheinisch⸗ Westfälischen Bergarbeiter⸗Verbandes in Marten wurde, wie die „Dortm. Ztg.“ mittheilt, am 8. d. M. beschlossen, dem Deutschen Bergarbeiter⸗Verbande beizutreten.

Aus Arnstadt wird der „Ger. Ztg.“ unter dem 10. d. M. mit⸗ getheilt: Nachdem zwischen den hiesigen Handschuhfabrikanten und vielen in den Fabriken derselben beschäftigten Handschuh⸗ machern, sowie einer Anzahl von Arbeitern in den Gerbereien jener Fabriken eine Verständigung in der Lohnfrage nicht erzielt worden ist, haben viele Arbeiter nach Ablauf der vierzehntägigen Kündigungsfrist die Arbeit eingestellt und suchen nun in anderen Städten ihr Durchkommen Erfreulicherweise sind die Arbeitseinstel⸗ lungen völlig ruhig vorübergegangen und das größere Publikum hat davon fast nichts gemerkt. Leider ist der Ausstand aber nicht ohne größere Tragweite; denn wegen der vielen vakanten Stellen der Zuschneider in den Handschuhfabriken mußten zuch die meisten Fabrikmädchen bis auf Weiteres entlassen werden; außerdem wird die Tagesarbeit jetzt eingeschränkt. Die meisten ver⸗ heiratheten Arbeiter der Handschuhfabriken sind aber unter den bis⸗ herigen keineswegs ungünstigen Lohnverhältnissen in ihren Stellungen verblieben und scheiden lieber aus dem Handschuhmacherverbande, als mit Frau und Kind in der Ferne sich neue Erwerbsquellen zu suchen.

Aus Hamburg wird dem Vorwärts“ unter dem 10. d. M. geschrieben, daß die Lage der Ausgesperrten und Strikenden im Ganzen und Großen wenig verändert sei. Für das strikende Heizpersonal der großen überseeischen Dampferlinien sei insofern eine kleine Erleichterung eingetreten, als, dem Bei⸗ spiel der großen „Hamburg⸗Amerikanischen Packetfahrt⸗Aktien⸗ gesellschaft’ folgend, auch die Rhederei der Petroleum⸗ Tankdampfer sich mit ihren Heizern und Trimmern zum alten Monatslohn geeinigt habe. Wenn hierauf hin jedoch von einem Theil der Presse in verschiedenen Hafenstädten bekannt gemacht wurde, daß damit der Strike der Heizer und Trimmer in Hamburg beendet sei, so müsse der Verbreitung dieser Unwahrheit entgegen getreten werden Auch die Notiz, welche verschiedene, auch Arbeiterblätter brachten, daß eine gemeinschaftliche Sitzung einer Kommission der Rheder und der Lohnkommission der Heizermannschaften stattgefunden habe, hat sich leider nicht bewahrheitet. Von einem Entgegenkommen Seitens der Schiffseigner oder ihrer Vertreter gegenüber den Arbeitern ist bis zur Stunde, außer bei den genannten zwei Linien, nichts zu verspüren. Die Aussperrung der Cigarrenmacher und ⸗Sortirer befindet sich, abgesehen von einigen wenigen Abtrünnigen, noch im selben Stadium. Bis jetzt zeigen die Fabrikanten keine Neigung zum Ein⸗ lenken. Da jedoch für die Arbeiter die schwerste Winterzeit über⸗ standen ist und die Beschäftigungs⸗ und Erwerbslosigkeit für weite Kreise endet, so werden sich mit Hülfe der Gewerke ganz Deutschlands wohl die Mittel finden, die Hamburg⸗Altonaer Tabackarbeiter in ihrem Kampfe auch fernerhin zu unterstützen. Im Gegensatz zu letzterer Mit⸗ theilung berichtet ein Wolff'sches Telegramm vom gestrigen Tage, daß in einer Versammlung der Cigarrenarbeiter nach längerer Debatte über die Frage der Fortführung des Ausstandes be⸗ schlossen wurde, es solle einem Jedem anheimgestellt bleiben, den Revers des Vereins der Cigarrenfabrikanten vom Jahre 1890 zu unterschreiben. Gleichzeitig wurde beschlossen, die seit Längerem ge⸗ plante Produktiv⸗Genossenschaft der Cigarrenarbeiter und Sortirer sofort ins Leben treten zu lassen.

In Leipzig hielt der Deutsche Buchdruckerverein am 8. d. M. eine außerordentliche Generalversammlung zur Beschluß⸗ fassung über einen von dem Revisionsausschusse im November vorigen Jahres ausgearbeiteten und inzwischen den neun Sektionen des Vereins zur Berathung und Begutachtung unterbreiteten Statuten⸗ entwurf ab. Es waren 22 Delegirte aus allen Theilen des Reichs erschienen. Die Verhandlungen drehten sich nach der „Allg Ztg.“ hauptsächlich um die von der Revisionskommission in das Statut neu aufgenommene Bestimmung der Einführung eines vom Verein gemeinsam mit dem Unterstützungsverein deut⸗ scher Buchdruckergehülfen aufzustellenden Lohntarifes, welcher für die Mitglieder des Vereins verbindlich sein sollte. Die hierauf bezüglichen Punkte der Revisionsvorlage wur⸗ den besonders von den Delegirten der Sektionen Brandenburg und Sachsen, welch' letztere ihrerseits mit einem eigenen abgeänderten Statutenentwurf erschienen war, in lebhafter, zum Theil sehr erregter Debatte bekämpft und einem vermittelnden Antrage des Delegirten Büxenstein⸗Berlin zugestimmt, welcher dem Verein als solchem lediglich eine Einflußnahme auf die Beschlüsse der bisher bestehenden, vom Verein unabhängigen Buchdrucker⸗Lohntarif⸗ Kommission durch Entsendung von fünf Vereinsabgeordneten zu den jeweiligen Verhandlungen der genarnten Kommission zugestanden wissen will. Die Berathungen über die übrigen Punkte des abge⸗ änderten Statuts führten zu dem Ergebniß, daß die Vorlage der Statutenrevisions Kommission mit geringfügigen, theilweise nur redaktionellen Abänderungen angenommen wurde.

Hier in Berlin wurde, wie der „Vorwärts“ berichtet, am Dienstag in einer öffentlichen Versammlung der Zimmerleute be⸗ schlossen, in Anbetracht, daß durch die Konferenz der Bau⸗ hand werker, welche am 15. Februar d. J. in Verlin tagen wird, nur etwas Gutes für die Bauhandwerker geschaffen werden könne, die Konferenz durch zwei Dele⸗ girte zu beschicken; die Versammlun beauftragte die ge⸗ wählten Delegirten, die Interessen der Berliner Zimmerer wahr⸗ zunehmen und über die auf der Konferenz gefaßten Beschlüsse in einer von den gewählten Delegirten einzuberufenden Versammlung, welche nach der Konferenz stattzufinden hat, Bericht zu erstatten; erst dann sollen eventuell bindende Beschlüsse gefaßt werden.

Die „Lpz. Ztg.“ schreibt: Die Arbeiterschaft in Oesterreich hat, wie verlautet, beschlossen, den 1. Mai als Arbeiter⸗ Feiertag beizubehalten, obwohl bekanntlich die sozial⸗ demokratische Reichstags⸗Fraktion in Deutschland sich dahin entschieden hat, nicht den 1. Mai, sondern den ersten

Sonntag im Mai als einen Feiertag

Motive für den Entschluß der Fsterreichischen Arbeiterschaft werden angegeben, die Arbeiterpartei Deutschlands habe sich dem im Vorjahre in England und Amerika eingehaltenen

n sei

angeschlossen, in Oesterreich⸗Ungarn und namentlich in Wie

aber eine Abänderung des vorjährigen Beschlusses, den 1. Mai

festlich zu begehen, um so weniger nothwendig, als in Wien und in ganz Oesterreich der 1. Mai traditionell von der Bevölkerung aller Gesellschaftsschichten ohnedies als Halbfeiertag betrachtet werde

und aus diesem Grunde die Mehrzahl der Arbeitgeber dem im Vor⸗ jahre geäußerten Wunsche der Arbeiterschaft freundlich entgegen⸗

gekommen sei.

Wie aus Paris telegraphisch gemeldet wird, hat der Oberste Rath der Arbeiterpartei einen Aufruf an alle Arbeiter Frankreichs erlassen, wodurch diefelben zu einer öffentlichen Kundgebung am 1. Mai aufgefordert werden. In dem Aufruf heißt es, der gesetzliche Arbeitstag von 8 Stunden, um welchen es sich zunächst bei der Kundgebung handle, sei nur der erste Schritt

zur gänzlichen Befreiung der Arbeit und der Arbeiter.

Die Thätigkeit der Schiedsgerichte für die Unfall⸗ versicherung in Sachsen im Jahre 1890.

Dem „Dresdner Journal“ zufolge haben im Jahre 1890, wie im Vorjahre, in Sachsen 38 Schiedsgerichte für die Zwecke der Unfall⸗ versicherung ihren Sitz gehabt, und zwar 25 in Dresden, 9 in Leipzig, 2 in Chemnitz und je 1 in Zwickau und Bautzen. Nicht in Thätigkeit getreten sind die Schiedsgerichte für Sektion XV. der Berufsgenossenschaft der Schornsteinfegermeister des Deutschen Reichs und für die Regiebauten der Stadt Chemnitz. Bei den übrigen Schiedsgerichten haben im Jahre 1890 insgesammt 1649 (1889: 1205) Berufungen vorgelegen, von denen 152 aus dem Vor⸗ jahre stammten und 228 am Jahresschlusse noch unerledigt waren. Die Erledigung erfolgte in 746 (1889: 522) Fällen durch Ruücknahme, Vergleich, Anerkenntniß oder auf andere Weise, in 675 (1889: 531) Fällen durch Entscheidung, welche indessen nur in 209 Fällen zu einer Abänderung des von der Berufsgenossenschaft beziehentlich der Aus⸗ führungsbehörde ertheilten Bescheids führte. Bei der Entscheidung handelte es sich vornehmlich um folgende Fragen: in 95 Fällen, ob ein Unfall beim Betriebe vorliege in 45 Fällen, ob ein ursächlicher Zusam⸗ menhang zwischen Unfall und Verletzung beziehentlich Tod vorliege, in 437 Fällen um den Grad der Erwerbsunfähigkeit, in 10 Fällen um die Frage der Verjährung des Entschädigungsanspruchs. In 317 Fällen war durch den angefochtenen Bescheid nicht die erstmalige, sondern wegen veränderter Verhältnisse eine anderweite Regelung der Entschädigung erfolgt, und zwar befanden sich hierunter 303 Rentenherabsetzungs⸗ oder Renteneinstellungs⸗- und 14 Rentenerhöhungsbescheide. Die Ge⸗ sammtkosten der in Sachsen bestehenden Schiedsgerichte beliefen sich im Jahre 1890 auf rund etwa 41 500 ℳ, beziehentlich auf rund 24,50 (1889: 31,58 ℳ) im Durchschnitt für den einzelnen Be⸗ rufungsfall, bei den Leipziger Schiedsgerichten auf rund 28 (1889: 33,11 ℳ) bei den Dresdner Schiedsgerichten auf noch nicht ganz 24 (1889: 32,42 ℳ) für den einzelnen Berufungsfall. Literatur.

* Der Krieg von 1806 und 1807. Bearbeitet von Oscar von Lettow⸗Vorbeck, Oberst a. D. Berlin, Verlag von E. S. Mittler und Sohn. Wenn auch dieser für Preußen so verhänaniß⸗ volle Krieg dem Ruhmeskranze der preußischen Armee nur wenig neue Lorbern hinzugefügt hat, so bietet ein eingehendes Studium des⸗ selben doch dem Militär des Interessanten Vieles dar, und es ist das Erscheinen des vsrliegenden Werks um so werthvoller, als das einzige bis jetzt vorhandene Werk über diese Zeit, das 1850 von von Hoepfner herausgegebene, wohl schon längst vergriffen ist. Letzteres schilderte überdies die Ereignisse lediglich von deutscher Seite, wobei die Vorkommnisse bei den Franzosen nur so weit berührt wurden, als dies zum Verständniß unumgänglich nothwendig war, sodaß die Darstellung eine lücken⸗ hafte bleiben mußte. Um diesem Mangel abzubelfen, hat der Ver⸗ fasser des obengenannten Werkes nicht nur die Précis des Evéne- ments militaires von Mathieu Dumas, sondern auch die Corre- spondance de Napoléon I und namentlich die in den Jahren 1880, 1882, 1887 und 1890 erschienenen Veröffentlichungen Foucart's aus den französischen Kriegsarchisen benutzt, welche einen so klaren Ein⸗ blick in die Verhältnisse des damaligen Napoleonischen Heeres gewähren, wie bei keinem anderen Kriege. Auch die in letzter Zeit von deutscher Seite veröffentlichten Schriften, welche auf jene Zeit Bezug haben, wie die Denkwürdigkeiten Hardenberg's, die Publikationen aus den preußischen Staats⸗Archiven von Bailleu, das nach offiziellen Quellen bearbeitete Werk von Montbé's „Die chursächsischen Truppen im Feldzuge von 1806“ und die Erinnerungen aus dem Leben des Feldmarschalls von Boyen, haben dem Verfasser, ebenso wie die Akten des Großen Generalstabes, manches neue und interessante Material geliefert, sodaß jetzt eine möglichst vollständige Uebersicht geboten wird. Der erste Band, welcher mit der Schilderung der Schlacht von Auerstädt abschließt, bringt zunächst die Vorgeschichte von der Thronbesteigung Friedrich Wilhelm's III. bis zum Beginn der beider⸗ seitigen Rüstungen, ferner den Operationsplan und die Ver⸗ sammlung der beiderseitigen Armeen, schildert sodann den Vormarsch der französischen Armee und die Bewegungen der preußisch⸗sächsischen Truppen bis zum 8. Oktober und giebt dem Leser dann ein anschau⸗ liches Bild der Gefechte bei Schleiz und Saalfeld, der Vorgänge am 11., 12. und 13, Oktober und endlich eine genaue Beschreibung der Schlachten bei Jena und Auerstädt. Eine große Anzahl von Skizzen über den Standpunkt der Heereskörper an den verschiedenen Tagen trägt ungemein zum Verständniß des Ganzen bei.⸗

„Mittheilungen des Vereins für Geschichte und Landeskunde von Osnabrück“ („Historischer Verein“*). Fünf⸗ zehnter Band. 1890. Osnabrück, Verlag und Druck von J. G. Kisling. Diese Zeitschrift, welcher das Mitglieder⸗Verzeichniß und die Vereinsstatuten vorgedruckt sind, hbat die Bedeutung als äußeres Organ des Vereins für Geschichte und Landeskunde von Osnabrück, welcher sich zum Zweck gesetzt hat die Forschung im Gebiete der Osnabrück'schen Geschichte, einschließlich der Chronik des Landes, Genealogie adliger Geschlechter, der Verfassung, des Bildungsganges, der äußeren und inneren Beschaffenheit des Erdbodens, naturhistorischer Forschungen. Im Rahmen dieses Zweckgebietes bringt der vorliegende Band; a. eine Abhandlung über „die alten Wallbefestigungen des Regierungsbezirks Osnabrück“ (Fortsetzung) von Dr. H. Hart⸗ mann. b. Stadtrechnungen von Osnabrück aus dem 13. und 14. Jahrhundert“ von Oberlehrer Dr. C. Stüve. c. „Das Kloster Malgarten vom 15. Jahrhundert bis zu seiner Aufhebung“ von Dr. H. Forst. d. „Handschriftliche Aufzeichnungen über einige jetzt verschwundene Uhrwerke der Stadt Osnabrück“. e. „Briefe des osnabrückschen Bürgermeisters G. Schepeler aus Münster i J. 1647“ von Dr. C. Stüve (Titelbild). f. „Zur Geschichte der Osnabrücker Goldschmiedegilde“ von Dr. F. Philippi. g „Die Broncestatuette von Wimmer“ von Dr. H. Harkmann. h. „Ausgrabungen auf der Wittekindsburg bei Rulle“ von Dr. Schuchhardt. i. „Berichtigung und Ergänzung zu Seite 35 ff. des Aufsatzes über die alten Wall⸗ befestigungen von Dr. H. Hartmann. k. „Der Lashorster Münz⸗ fund.“ I. „Bischof Johann IV. von Osnabrück in Unterhandlungen mit der Königin Elisabeth von England 1560.“ m. „Ueber die Bild⸗ nisse an der Vorderseite des Rathhauses.“ n. „Der Dom zu Osna⸗ brück“ von Land⸗Bauinspektor Bergmann. o „Vermischtes“ unter Beigabe von 8 Kartenskizzen bezw. Lichtdruckbildern und Zeichnungen.

Bilder aus der Zeit der Gegenreformation in Oesterreich (1564 1618). Von Dr. Franz Scheichl. Gotha, Friedr. Andr. Perthes (Emil Perthes), 1890. Preis 1 Aus⸗ gehend von der Thatsache, daß mit dem Abschluß der tridentinischen Kirchenversammlung (1564) die planmäßige rückläufige Bewegung, welche unter dem Namen „katholische Gegenreformation“ bekannt ist, be⸗ ginnt, unternimmt es der Verfasser, dieser besonders durch die Unter⸗

begehen. Als

stützung mächtiger katholischer Herrscher, namentlich der Habsburger, so erfolgreichen Bewegung im Einzelnen nachzugehen. Von den Niederlanden abgesehen, wurde gerade Oesterreich durch die Gegenreformation am Schwersten getroffen, und unter den österreichischen Gebieten neben Böhmen am Meisten Ober⸗ österreich, das Heimathland des Verfassers. Sein Blick haftet voll Trauer an dem Traunstein, in dessen Nähe die letzte größere Schlacht zwischen den evangelischen Bauern und den bayerischen und kaiser⸗ lichen Söldnern geschlagen wurde. Ueber Leichenhaufen und rauchen⸗ den Trümmern feierte der römische Katholizismus seine Auferstehung. Kraft dieser Erinnerungen reifte in Scheichl der Entschluß, eine Reihe von Bildern aus der düsteren Zeit gewaltsamer Rück⸗ bekehrungen zu entwerfen. Seine auf Grund fleißiger Quellen⸗ forschungen (veragl. die im Anhang beigefügten Anmerkungen) ausgeführte Arbeit ist um so dankenswerther, als es ihm an entsprechenden b Der leitende Gedanke seiner Bilder soll ihm der sein, den verschiede⸗ nen nachtheiligen Folgen für Land und Leute nachzuspüren und dabei

Vorarbeiten noch vielfach gemangelt hat.

Allem die unmittelbaren Schädigungen des Volksvermögens,

zumal durch die zwangsweisen Auswanderungen, nachzuweisen. Wir hätten nun wohl gewünscht, daß der Verfasser seine Aufgabe etwas weiter und tiefer erfaßt und auch der inneren Seite des Gegenstandes, welche doch die wichtigste bleibt, eingehend nachgeforscht hätte, doch müssen wir ihm für das, was er giebt, dankbar sein. Die vor⸗ liegenden Mittheilungen (nur 51 Oktavseiten) bezeichnen sich als erster Theil. Eine Fortsetzung, welche die Zeit von 1564— 1780 umfassen soll, wird am Schluß angekündigt.

Das Rothe Buch von Weimar. Zum ersten Male heraus⸗

gegeben und erläutert von Otto Franke. Thüringisch sächsische

schichtsbibliothek von P. Mitzschke. (Bd. 2.) Gotha, Friedr. dr. Perthes (Emil Perthes), 1891. Preis: 4. Dieser Band von Mitzschke's „Thüringisch⸗sächsischer Geschichts⸗ *“, bearbeitet von Otto Franke, bringt ein Quellenwerk,

welches einen wichtigen Abschnitt in der Geschichte des wettinischen Fürstenhauses bezeichnet und für die Territorialentwickelung von Thüringen sowohl wie für die Finanzwirthschaft, die Adelsgeschichte und die gesammten Kulturzustände im 14. und 15. Jahrhundert von hohem Werth und Bedeutung ist. Die Grafen von Orlamünde, welche in planmäßiger Erwerbungspolitik sich bis zu gewisser Neben⸗ buhlerschaft der thüringischen Landgrafen emporgehoben hatten, waren im „Grafenkriege“ den Wettinern unterlegen, und in Folge dessen fiel nach dem Tode des Grafen Herrmann 1372 der größte Theil des reichen orlamündischen Besitzes, darunter Weimar, an die wettinischen Landgrafen. Ländergewinn sammt allen damit verknüpften Nutzungen in einer deutsch geschriebenen Matrikel aufzeichnen, die nach der Farbe ihres früheren Einbandes und nach Hauptinhalt wie Auf⸗ bewahrungsort „Das Rothe Buch von Weimar“ benannt wird. Außerdem sind in dem „Rothen Buch“ auch die Belehnungen auf⸗ gezeichnet, welche Landgraf Balthasar, der als Erster Weimar zur zeitweiligen wettinischen Residenz erhob, nach der Landestheilung von 1382 mit seinem Bruder und seinen Vettern vorgenommen hat. Der reiche Stoff des „Rothen Buches“ wird den Freunden und Forschern der thüringischen Geschichte hier zum ersten Male in trefflicher Weise zugänglich gemacht, und die darin aufgestavelten Schätze tragen nicht wenig bei zur Vervollständigung und Aufklärung der Kunde heimischer Vorzeit, insbesondere der Stadt Weimar und ihrer Umgebung, sowie zahlreicher thüringischer Adelsgeschlechter. Durch umfängliche und sorgfältige Anmerkungen hat der Bearbeiter das Verständniß erleichtert, Schwierigkeiten gehoben und den Stoff nach allen Seiten beleuchtet, auch durch ein gutes Register für schnelle Uebersicht gesorgt. Allen, welche der Geschichte Thüringens Interesse schenken, wird das „Rothe Buch“ willkommen sein.

Diese ließen bald darauf den erwachsenen

Kunstgeschichte. Leonardo da Vinci, Levbensskizze und Forschungen über sein

Verhältniß zur Florentiner Kunst und zu Rafael von Dr. Paul Müller⸗Walde. München, Georg Hirth. Dieses seit 1889 lieferungsweise erscheinende Werk hat es sich zur Aufgabe gemacht, den bisher dem großen Publikum seinem Leben, seinen Leistungen und Forschungen nach wenig bekannten Florentiner Meister nicht sowohl durch eingehende Schilderung dieser Verhältnisse näher zu bringen, als vielmehr durch Beifügung zahlreicher Abbildungen nach seinen Gemälden, Handzeichnungen und Entwürfen in Verbindung mit Lichtdruckreproduktionen der Werke seiner Zeitgenossen, welche diesen Meister beeirflußten oder von ihm wieder beeinflußt wurden, den augenscheinlichen Beweis dafür zu liefern, daß Leonardo da Vinci so, wie es der Verfasser näher ausführt, sich hat entwickeln und zu dem seltenen Menschen ausbilden müssen, der in dem beneidenswerthen Zeitalter der Medici ebenso bahnbrechend als Künstler wie als Ingenieur, Artillerist und Naturforscher war. In den ersten beiden Lieferungen wird dargelegt, wie der einer alten Advokaten⸗ familie väterlicherseits angehörende Leonardo frühzeitig seine künst⸗ lerische Begabung zeigte und unter den Einflüssen Andrea del Veroc⸗ chio’s, Luca della Robbia's, Desiderio da Settignano's und Sandro Botticelli's sich ausbildete, wie er in der schon mit 18 Jahren (1474) gemalten „Verkündigung Mariä“ einen selbständigen Weg einschlug, dann nach sorgfältigen Studien vor der Natur die gesammte Er⸗ scheinungswelt immer tiefer erfaßte, das Charakteristische an Mensch und Thier derart betonte, daß spätere Nachahmer solche Zeichnungen für „Karikaturen“ auszugeben wagten, und wie er endlich im Alter von etwa 25 Jahren die im Berliner Museum befindliche „Auferstehung Christi“ in großartiger Komposition zu schaffen vermochte. An der Hand der beigefügten Studien macht es ferner

Verfasser unzweifelhaft, daß die in London befindliche

„Madonna in der Grotte“ allein von der Hand Leonardo's herrührt, nicht aber auch das im Louvre zu Paris enthaltene, ähnliche Ma⸗ donnenbild. Diese Ausführungen des äußerst gründlich vorgehenden Autors sind nicht minder überzeugend als die, mit denen er nachzu⸗ weisen sucht, daß das unvollendete, in den Uffizien zu Florenz befind⸗ liche Gemälde: „Die Anbetung der h. drei Könige“ eine der herr⸗ lichsten Schöpfungen des Meisters geworden wäre Indem daran die Besprechung der ersten Entwürfe Leonardo's zu dem großen Abendmahl⸗ bilde angeschlossen wird, wendet sich in der vor Kurzem erschienenen dritten Lieferung (erste Hälfte) der Verfasser zu dem Briefe Leonardo's, welchen derselbe an Lodovico Sforza, den damaligen Be⸗ herrscher Mailands, richtete, um in dessen Dienste zu treten. Da in diesem Schreiben die einzelnen Fähigkeiten des Bittstellers namentlich hinsichtlich seiner Kriegskunst hervorgehoben werden, so nimmt Müller⸗ Walde hieraus Veranlassung, die gesammten, in dieses Gebiet ein⸗ schlagenden Handzeichnungen Leonardo's, soviel er aus dem Codex Atlanticus zu Mailand und den in Paris oder London und Windsor befindlichen Manuskripten zu erreichen vermag, als Beläge dafür bei⸗ zubringen, daß der jugendliche Meister in der Befestigungs⸗, Vertheidigungs⸗ und Brückenbaukunst seiner Zeit um Vieles, in der Artillerie⸗ und Geschützgießkunst aber um Jahr⸗ hunderte voraus war. Bei der Gründlichkeit, mit welcher der Ver⸗ fasser dieses ihm fernliegende Gebiet bearbeitet, steht zu hoffen, daß auch die betreffenden Fachkreise ihr Interesse dem großen Florentiner zuwenden werden.

Von den im Auftrage der bezüglichen Regierungen durch

Prof. Lehfeldt bearbeiteten „Bau⸗ und Kunstdenkmälern Thüringens“ ist das Heft VII erschienen. Diese Publikationen bergen ebenso wie „die Kunst⸗ und Alterthums⸗Denkmale

Königreich Württemberg“, von denen vor Kurzem die 14.

bis 16. Lieferung der Aufnahmen und die 3. Lieferung der Text⸗ bearbeitung nebst Zeichnungen von Prof. Paulus herausgegeben sind, eine Fülle von geschichte verschiedener Jahrhunderte. Aus dem erstgedachten Werke dürfte von hervorragendem Interesse sein: ein in der Kirche zu Kranich⸗ feld (bei Saalfeld) erhaltener Grabstein der Gräfin von Gleichen, das meiningische Schloß daselbst aus dem

chätzen für Kunst, Kunstgewerbe und Kultur⸗

und 17. Jahrhundert sowie der graziöse Lesepult⸗

träger in der Stadtkirche zu Camburg aus dem 17. Jahr⸗ hlundert: diese lebensgroße weibliche Figur, welche in antiker Bekleidung vor der Brust einen kleinen geflügelten Engelskopf auf⸗

weist, hält in der linken, hocherhobenen Hand den Leuchter, der das auf

ihrem Haupte befindliche Pult erhellen soll. Ferner ist zu erwähnen die um 1715 von Hervè gefertigte, im Amtsgebäude zu Oberneusalza noch völlig intakt vorhandene Uhr nebst Konsole, welche bereits den hereinbrechenden Geschmack des Rococo trotz des vorwiegenden Stils Ludwig's XIV. zeigt und theils in Metall, theils in Emaille und Perlmutter ausgeführt ist. Recht charakteristisch sind ferner die romanischen Säulen der Thurmfenster an der Kirche zu Leislau

Von den württemberger Baudenkmälern muß der von August von Beyer vollendete Hauptthurm des Münsters zu Ulm, die Durch⸗ bildung der romanischen Säulen in der alten Kirche zu Weins⸗ berg und die reich ausgestattete kleine Walderichskapelle zu Murrhardt (romanischen S erwähnt werden. Die noch in der Neckargegend erhaltenen Holzhäuser gewähren durch den zier⸗ lichen Aufbau der Giebel und die symmetrische Anordnung der Balken mit ihren Verkröpfungen und Ornamenten einen Einblick in die im 16. und 17 Jahrhundert so hoch entwickelte Technik der Zimmerleute und Bauhandwerker. Die berühmten Holzfiguren von dem Altar⸗ schreine der Klosterkirche zu Blaubeuren werden durch ein zugleich die ganze Apsis wiedergebendes und ein dieselben allein dar⸗ stellendes Blatt in photographischer Nachbildung gebracht, welche der Verlagshandlung von Paul Neff in Stuttgart zu ganz besonderer Ehre gereicht. G.

Rechts⸗ und Staatswissenschaft.

Die Konfession der Kinder na den Landes⸗ rechten im Deutschen Reich. Von Schmidt, Ober⸗Landesgerichts⸗Rath zu Colmar i. E. Freiburg im Breisgau, Herder'sche Verlagshandlung, 1890. Gr. 8, S. XII. u. 550. (Pr. 6 ℳ) Der Vorschlag in dem bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich §§. 1 1508 u. 1658, nach dem die Landesgesetze darüber entscheiden sollen, in welchem Religionsbekenntnisse ein Kind zu erziehen ist, war die Veranlassung zur vorliegenden Untersuchung über das Recht auf die religiöse Erziehung der Kinder aus gemischten Ehen. Die Hauptaufgabe ging dahin, den geltenden Rechtszustand objektiv darzustellen, also die Landesgesetze zu erläutern, die Rechtsprechung mitzutheilen und die Richtigkeit der ergangenen Entscheidungen auf Grund der bestehenden Landesgesetze zu prüfen. Die Untersuchung be⸗ schränkte sich auf das Gebiet des Deutschen Reichs und auf die Gegenwart, mit Rücksicht auf die Fülle des vorliegenden Stoffes, zur Vermeidung einer allzugroßen Anschwellung der Arbeit. Das außerordentlich umfangreiche Material wird in zwölf Abschnitten niedergelegt; die beiden ersten Abschnitte sind im Wortlaute der bestehenden Landesgesetze dem Gebiete des gemeinen Rechts gewidmet, weil daselbst keine besonderen Gesetze über die religiöse Erziehung erlassen sind. Dann folgt eine genaue Erörterung der für die einzelnen Gebiete des Deutschen Reichs er⸗ gangenen Bestimmungen und endlich eine gründliche Prüfung des Entwurfs eines bürgerlichen Gesetzbuches für das Deutsche Reich. Ein sehr genaues Namensregister erleichtert den Gebrauch des ebenso lehr⸗ als inhaltreichen Buches. Ober⸗Landesgerichts⸗ Rath Schmidt gelangte bereits zu dem verdienten, wissenschaft⸗ lichen Ansehen durch die erschöpfende, vielfach aufklärende, für den Kulturhistoriker recht beachtenswerthe Untersuchung des jus primae noctis (1881). Jetzt hat er durch die vorstehende Monographie in gleich gediegener Weise die Wissenschaft bereichert. Er bewährt sich auch hier wiederum als ein tüchtiger Kenner des Civilrechts wie des kanonischen Rechts. Mit staunenswerthem Fleiße und einsichtsvoller Umsicht hat er das Material herbeigeschleppt, von Gerichten, Ver

waltungsbehörden und einzelnen Rechtsbehörden erfolgreich unterstützt. Das Buch erfüllt gleichzeitig den praktischen Zweck, ein Wegweiser zu sein für alle diejenigen, welche in Streitigkeiten über die konfessionelle Erziehung verwickelt werden, auch für Seelsorger, welche zu den be⸗ treffenden Gesetzen und zu der Rechtsprechung Stellung zu nehmen haben. Schon aus diesem belehrenden Zweck gebührt der verdienst⸗ vollen Untersuchung das Lob der Unentbehrlichkeit. Das von dem Verfasser entworfene Bild der geltenden Landes⸗ gesetze zeigt mannigfache Rechtssätze, welche den Eltern die Be⸗ stimmung über die Konfession ihrer Kinder mehr oder weniger ent⸗ zogen haben. Sie beziehen sich theils ausschließlich auf Kinder aus „gemischten“ Ehen, theils auch auf andere Kinder, z. B. werden bei gemischten Ehen die Kinder in der Religion des Vaters erzogen, die Töchter jedoch in der Religion der Mutter in Bayern (S. 10), in Mecklenburg⸗Schwerin (S. 20), in Sachsen⸗Gotha (S. 23). Aus⸗ nahmen sind gestattet durch Vertrag in Bayern, Sachsen, Württemberg, Großherzogthum Hessen, Mecklenburg⸗Schwerin, Sachsen⸗Weimar, Lippe⸗Detmold, Waldeck und Frankfurt a. M. Bei dem Kammergericht zu Berlin wurde seit 1883 die Rechtsprechung dreimal verändert (S. 37, 115 und 136). Die Unhaltbarkeit eines solchen Rechtszustandes wie das Bedürfniß eines Reichsgesetzes werden (S. 482 ff. und S. 492 ff.) bündig nachgewiesen. Der Ver⸗ fasser empfiehlt deshalb zur einheitlichen Ordnung des Verfahrens bei Streitigkeiten über die religiöse Erziehung von Kindern aus ge⸗ mischten Ehen den Erlaß eines Reichsgesetzes und hebt hervor, daß bei der bestehenden Freizügigkeit für jeden Wechsel des Wohnsitzes die

Frage entstehe, ob und in wieweit das Gesetz des früheren oder des neuen Wohnsitzes für die religiöse Erziehung der Kinder maßgebend ist. (S. 493.) Durch den gesammten Inhalt der ebenso erschöpfenden wie objektiven Forschung erachtet der Verfasser am Schlusse (S. 519) den Gesetzesvorschlag für gerechtfertig t: 1) die §§. 1508 und 1658 des Entwurfs eines bürgerlichen Gesetzbuches für das Deutsche Reich zu streichen, 2) hinter Art. 32 des Entwurfs zum Einführungs⸗ gesetze als Art. 52 a. einzuschalten: „Die landesgesetzlichen Borschriften über das religiöse Bekenntniß, worin ein Kind zu erziehen ist, treten außer Kraft.“ Sollte die Verständigung über ein bürgerliches Gesetz⸗ buch für das Deutsche Reich sich verzögern, so würde sich nach An⸗ sicht des Verfassers ein besonderes Reichsgesetz empfehlen, mit einem einzigen Artikel: „Die landesgesetzlichen Vorschriften über das religiöse Bekenntniß, worin ein Kind zu erziehen ist, treten außer Kraft.“ ck. Der Check. Seine wirthschaftliche und juristi e Natur, zugleich ein Beitrag zur Lehre vom Gelde, 8n Kiscch⸗ und der Giro⸗Bank von Ludwig Kuhlenbeck, Dr. jur., Rechts⸗ anwalt bei dem Ober⸗Landesgericht zu Jena. Leipzig, Verlag von C. L. Hirschfeld. Der Verfasser der vorliegenden Studie erläutert aufs Eingebendste, gestützt auf eine durchgreifende Kenntniß der ein⸗ schlägigen in⸗ und ausländischen Literatur, im ersten Theile die wirth⸗ schaftliche Natur des Geldes, im zweiten die juristische Natur des Checks. Im Anhang werden mitgetheilt: die Bestimmungen für den Giroverkehr der Reichsbank, das Abrechnungsabkommen der Reichsbank mit den Berliner Banken, Geschäftsordnung für die Abrechnungsstelle in Berlin, Bedingungen der Osnabrücker Bank im Check⸗Verkehr, englisches Checkrecht, französische Checkgesetze, belgisches Checkgesetz, deutsche Checkgesetzentwürfe und ein Auszug aus den Prozeß⸗Akten der Esch⸗Osnabrücker Bank, welch' praktischer Se dem Verfasser die erste Anregung zu seiner Abhandlung gegeben hat. Dieselbe dürfte bei der hohen Wichtigkeit, welche dem Check für die Erleichterung, Steigerung und Vereinfachung der Geldeirkulation innewohnt, einer eingehenden Beachtung nicht nur Seitens der juristischen, sondern auch Seitens der kaufmännischen Kreise begegnen. ck. Der Warrant. Von Dr. J. A. Levy, Advokat in Amsterdam. In autorisirter Uebersetzung. Sonderabdruck aus dem „Archiv für bürgerliches Recht“. Berlin. Carl Heymann'’s Verlag. Bei dem Interesse, das der Handelsstand an einer etwaigen deutschen Warrantgesetzgebung selbstverständlich nimmt, ist der vor⸗ liegende Sonderabdruck der Abhandlung über den Warrant aus der Feder des niederländischen Juristen, Advokaten Dr. J. A. Levy, welche sich in dem im September v. J. erschienenen Schlußheft von Band 2 des „Archivs für bürgerliches Recht“ von Kohler u. Ring (Berlin, Carl Heymann's Verlag) befindet, als ein sehr zeitgemäßer zu bezeichnen. Der Verfasser, in Deutschland bereits durch die Riesser'sche Bearbeitung seines „Contocorrentvertrags“ vortheilhaft bekannt, erschöpft in eindringender, den Raum von fast 150 Seiten einnehmender Untersuchung die Materie nach allen Richtungen hin. Der gesammte vorhandene Rechtsstoff ist zusammengefaßt; insbesondere berücksichtigt ein Nachtrag auch die

neuesten Erscheinungen auf dem einschlägigen Gebiete.

Teöeöeö Evangelisch⸗soziale Zeitfragen, herausgegeben mit Unterstützung des Evangelisch⸗sozialen Kongresses von Professor Otto Baumgarten in Jena. Erste Reihe, erstes bis sechstes Heft. Leipzig, Verlag von Fr. Wilh. Grunow. Man kann es nur als ein erfreuliches Zeichen der Zeit ansehen, wenn bei der augenblicklich alles erfüllenden sozialen sfrag⸗ auch von Seiten evangelischer Männer, Geistlicher wie Laien aller Richtungen, in die darüber geführten Kämpfe eingegriffen wird. Es unterliegt keinem Zweifel, daß ein großer Theil des der evanzelischen Kirche angehörenden Volkes mit allen seinen Interessen in die gewaltigen Klassenkämpfe der Gegen⸗ wart verflochten ist, und daß die evangelische Kirche, will sie ihrer Aufgabe gerecht werden, den auf den sozialen Frieden gerichteten Bestrebungen nicht theilnahmlos gegenüberstehen darfr. Um aber einem praktischen Vorgehen in dieser Richtung die nöthige Unterlage von thatsächlichen Informationen zu schaffen, durften die Gesetze des wirthschaftlichen Lebens, die unerläßlichen Rücksichten auf die Lebensbedingungen der bestehenden Wirthschaftsordnung, ebenso wie der wahre Charakter der Arbeiterbewegung und deren Forderungen nicht unbeachtet gelassen werden. In den „Evangelisch⸗sozialen Zeit⸗ fragen“, als deren Leserkreis einerseits Geistliche und kirchliche Laien und andererseits für den sozialen Frieden interessirte Arbeitgeber und Arbeiter in Aussicht genommen sind, werden nun Aufsätze in der Form von Vorträgen vor einem gemischten Publikum sowohl von Gei lichen wie von bewährten Fachmännern des wirthschaftlichen Lebens und der nationalökonomischen Wissenschaft veröffent licht, welche Klarheit über die Mittel und Wege, wie die Kirche sozial wirken kann, bringen, dann aber auch zeigen sollen, daß die evangelische Gemeinschaft der Ort sei, wo am Ersprießlichsten für alle Lebensinteressen gewirkt werden kann. Bis jetzt sind folgende Hefte der ersten Reihe erscheinen: „Mehr Herz fürs Volk“ von dem Pfarrer Drews in Dresden; „Unsere gewerbliche Jugend und unsere Pflichten gegen sie“ von dem Regierungs⸗Rath Evert in Berlin; „Der Seelsorger unserer Tage“ von dem Professor der Theologie Baumgarten in Jena; „Christenthum und Arbeiterbewegung“ von Dr. Lotz, Privatdozent in Leipzig; „Sozialdemokratie und Sozialmonarchie“ von dem Hofprediger a. D. Stöcker und „Reformation und soziale Frage“ von dem Prediger D. Freiherrn von Soden in Berlin. Dieselben sind durchweg in dem Geist geschrieben, welcher zu der Herausgabe dieses Sammelwerkes geführt hat, und bieten, wofür schon die Namen der betreffenden Autoren bürgen, des Vor⸗ trefflichen so viel, daß die weiteste Verbreitung und das gewissenhafte Studium dieser Schriften in allen Kreisen der Gesellschaft nur auf das Dringendste gewünscht werden kann. ck. Das Invaliditäts⸗ und Altersversicherungs gesetz in systematischer, gemeinverständlicher Darstellung von Dr. jur. utr. J. Werthauer, Gerichtsreferendar. Berlin, Putt⸗ kammer u. Mühlbrecht, Buchhandlung für Staats⸗ und Rechtswissen⸗ schaften (Preis 1 20 ₰). Zu den bisher erschienenen Schriften, welche bezwecken, das Verständniß des so schwierigen und umfänglichen Gesetzes über die Invaliditäts⸗ und Altersversicherung zu erleichtern, gesellt sich auch die vorliegende, in welcher das gesammte Gesetz ohne die geringste Auslassung, dagegen mit zahlreichen sich aus diesem oder anderen naheliegenden Gesetzen ergebenden Ergänzungen in systematisch geordneter Vertheilung und in einer den Leser allmählich vom Ein⸗ fachen zum Verwickelten fortführenden Form vorgetragen wird. Ins⸗ besondere für den mit dem Gesetz sich beschäftigenden Versicherungs⸗ anstaltsbeamten und für den Richter im Civil⸗ bezw. Strafprozeß dürfte die Schrift manchen zur leichteren Orientirung dienenden Wink

enthalten. 8 Philosophie. Ein „Schopenhauer⸗Register“ hat W. L. Hertslet im Verlage von F. A. Brockhaus in Leipzig erscheinen lassen. Der mit erstaunlichem Fleiß zusammengestellte, beinahe 17 Bogen um⸗ fassende Band bietet den Verehrern des großen Philosophen ein will⸗ kommenes, alphabetisch geordnetes Hülfsbuch zur schnellen Auffindung aller Stellen, betreffend Gegenstände, Personen, Begriffe, sowie der Citate, Vergleiche und Unterscheidungen, welche in Arthur Schopen⸗ hauer's Werken, ferner in seinem Nachlaß und in seinen Briefen ent⸗ halten sind. Den Freunden und Anhängern der Schopenhauer'schen Philosophie hat der Verfasser mit dem Register entschieden einen guten Dienst erwiesen, für den sie ihm dankbar sein dürften. An der Hand des Buches läßt sich nicht nur schnell jede wichtige und interessante Stelle aus den Werken des Frankfurter Philosophen ermitteln, es führt auch alle Personen mit auf, welche Schopenhauer besprochen und citirt hat. Das Register bietet sonach eine vortreffliche Ergänzung zu dem „Schopenhauer⸗Lexikon“ von Dr. Julius Frauenstädt, welches in demselben Verlage erschien. Erziehung und Unterricht.

ck. Die Bildung des Landwirths und der höhere landwirthschaftliche Unterricht in Preußen. Kritische Betrachtungen unter Bezugnahme auf die gegenwärtige Lage der Landwirthschaft und mit Vorschlägen zur Reform. Von Dr. Ernst Müller. Berlin. Walther u. Apolant’s Verlagsbuchhandlung. Der Verfasser, dem die heutige Lage der Landwirthschaft als Aus⸗ gangspunkt seiner Betrachtungen dient, tritt, damit seines Erachtens die Wirkungen des höheren landwirthschaftlichen Unterrichts zum Heile der Landwirthschaft in vollstem Sinne sich entfalten können, unter eingehender Begründung mit folgenden Vorschlägen hervor: Erhöhung der Aufnahmebedingungen nach wissenschaftlicher und praktischer Seite, Fixirung und strengere Kontrolirung des Studienganges wie der Studienerfolge von Seiten der Lehranstalten, endlich die Verleihung gewisser Auszeichnungen und Bevorzugungen von Seiten des Staats an diejenigen, welche einen regulären Studiengang durchmachen und das Abgangsexamen gut bestehen.

Sprachwissenschaft.

—½ Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Fortgesetzt von Dr. Moriz Heyne, Dr. Rudolf Hilde⸗ brand, Dr. Matthias Lexer, Dr. Karl Weigand und Dr. Ernst Wülcker. Achten Bandes fünfte Lieferung: „Reiten“ bis „Rind“. Bearbeitet von Dr. M. Heyne. Leipzig, Verlag von S. Hirzel. Die neue Lieferung beginnt mit dem Zeitwort „reiten“, welches in älterer Zeit, in der das Reisen zu Pferde das Gewöhnliche, das Reisen zu Wagen das Seltenere war, in weit reicherer Anwendung erschien als jetzt. Durch eine Reihe von Beispielen wird dargethan, daß in der alten Sprache „reiten“ nicht auf die Fortbewegung vermittelst des Reitthiers beschränkt war, sondern eine allgemeinere Bedeutung, z. B. der Fortbewegung auf Schiff und Wagen hatte. die sich zum Theil bis auf den heutigen Tag erhalten hat. Scherzhaft brauchte man früher und braucht zum Theil noch heute die Redensarten: „auf dem Apostelpferde oder dem Pferde der Zwölf⸗ boten reiten, auf Schustersrappen reiten“ für „zu Fuß gehen“. Im

Mittelhochdeutschen hatte „reiten“ speziell die Bedeutung „zu Felde ziehen, auf ritterliche Abenteuer ausziehen“ angenommen. „Reiter“ ist eine verhältnißmäßig junge Wortbildung und bezeichnete früher im Gegensatz zu dem ‚Ritter“ als Standesbezeichnung den reitenden be⸗ rittenen Knecht. Als schwarz gerüstete Reiter erschienen im Volks⸗ glauben die Gespenster und der Tod; wohl mit Rücksicht auf solche Vorstellungen wählten deutsche Söldner, welche in den französischen Kriegen Reiterdienste nahmen, unheimliche schwarze Tracht und Rüstung, und man zitterte in Frankreich vor dem „reitre noir“. „Spanische Reiter“ hießen große Balken, durch welche spitze, mit Eisen beschlagene Pfähle gesteckt waren, deren je zwei ein schiefes Kreuz mit einander bildeten; die ältere Kriegführung bediente sich ihrer, um den Sturmangriff auf Verschanzungen zu erschweren, besonders auch um der Reiterei den Zugang zu versperren. „Neben dem bisher besprochenen landläufigen Wort lebt jetzt noch in oberdeutschen Mundarten ein auf eine andere Wurzel ‚zurückgehendes gleichlautendes weibliches Wort „die Reiter“, mit dem Sinne „grobes Sieb“, besonders zum Reinigen des Getreides. „Reitherren“ und „Reiträthe“ hießen früher in oberdeutschen Städten die Rathsherren und Räthe, welche mit dem „reiten“, bereiten, berechnen gebildet). Neueren Ursprungs als man

echnungswesen betraut waren (aus

glauben möͤchte, ist das ästhetisch und philosophisch interessante Wort