stimmungen des §. 105 b. feststellt. Danach sollen diese Be⸗ stimmungen keine Anwendung finden: 1) auf Arbeiten, welche zur Beseitigung eines Nothstandes, oder zur Abwendung einer Gefahr, oder im öffentlichen Interesse unverzüglich vorgenommen werden müssen; 1 a. für einen Sonntag auf Arbeiten zur Durchführung einer gesetzlich vorgeschriebenen Inventur; 2) a-f die Bewachung der Betriebsanlagen, auf Arbeuen zur Reini⸗ gung und Instandhaltung des Betriebes, sowie auf solche, von denen die Wiederaufnahme des vollen werktägigen Be⸗ triebes abhängig ist; 3) auf Arbeiten, welche zur Verhütung des Verderbens von Rohstoffen oder des Mißlingens von Arbeitserzeugnissen erforderlich sind; 4) auf die Beaufsichtigung des nach Nr. 1 bis 3 an Sonn⸗ und Festtagen stattfindenden Betriebes. Die unter diese Bestimmungen fallenden Gewerbe⸗ treibenden müssen ein Verzeichniß anlegen, in welchem Zahl der Arbeiter, Art und Dauer der Beschäftigung angegeben sein müssen. Das Verzeichniß ist auf Erfordern der Polizeibehörde und jederzeit dem revidirenden Beamten vorzulegen. Wenn die unter 2 und 3 aufgeführten Arbeiten länger als drei Stunden dauern, müssen dem Arbeiter entweder an jedem dritten Sonntag 36 Stunden, oder jedem zweiten die Zeit von 6 Uhr Morgens bis 6 Uhr Abends freigelassen werden. Die sozialdemokratischen Abgg. Auer und Genossen wollen statt der für jeden zweiten Sonntag im letzten Satze getroffenen Bestimmungen von 12 Stunden Ruhezeit 24 setzen; Abg. Freiherr von Münch beantragt, statt 36 Stunden zu setzen 32. Die Volkspartei (Hähnle und Genossen) will den zweiten Theil des §. 105, die Verpflichtung der Gewerbe⸗ treibenden betreffend, gänzlich beseitigen. Die Abgg. Aichbichler, Biehl und Dr. Orterer wollen die im letzten Satze statuirte Ruhepause nicht nur gewähren, wenn die Arbeiten über drei Stunden dauern, sondern auch dann, wenn sie die Arbeiter am Besuch des Gottesdienstes hindern. 1 Abg. Bebel verlangt in einem besonderen Antrage, daß das erwähnte Verzeichniß am Schlusse eines jeden Monats dem Aufsichtsbeamten der Ortspolizeibehörde in Abschrift mit⸗ getheilt werden soll. “ Ferner liegt ein Antrag der Abgg. Dr. Gutfleisch, Dr. Hartmann, Letocha, Möller und Freiherr von Stumm vor, das Wort „werkthätige“ in „werktägige“ umzuwandeln. Dieselben Abgeordneten ohne den Abg. Dr. Gutfleisch beantragen endlich die Hinzufügung des folgenden weiteren Absatzes: Ausnahmen von den Bestimmungen, welche für die unter Ziffer 2 und 3 erwähnten Arbeiten vorgeschlagen sind, darf die untere Verwaltungsbehörde gestatten, wenn die Arbeiter am Besuchen des sonntäglichen Gottesdienstes nicht gehindert werden und ihnen an Stelle des Sonntags eine 24 stündige Ruhezeit an einem Wochentage gewährt wird.
Abg. Payer: Die Vorschrift, ein Verzeichniß über die Arbeiten zu führen, die am Sonntag vorzunehmen erlaubt sei, sei weder in Oesterreich noch in der Schweiz ergangen, und in Deutschland läsen feine besonderen Gründe für eine strengere Bestimmung vor Dieselbe würde nur ein Stück unnöthiges Schreibwerk in das Gesetz hinein⸗ bringen. Die Schreibbelastung und die bureaukratischen Aufgaben, die dem Arbeitgeber durch diese Novelle auferlegt würden, seien ohnehin schon groß genug. Müsse mean dem gegenüber nicht auch einmal an den Schutz des Arbeitgehers denken und ihn vor überflüssigen Belästigungen behüten? Eine solche ent⸗ behrliche Arbeit zu vermeiden, bestrebe der Antrag seiner Partei. Der Handwerker — und dieser noch vielmehr als der Fabrikant — werde genöthigt sein, die Anlage des Verzeichnisses selbst vorzunehmen. Da habe er für den Sonntag Nachmittag eine schöne Unterhaltung, am Montag habe er ja anderes zu thun. Was solle aber der Nutzen der Bestimmung sein? Es klinge ja ganz hübsch, daß dadurch eine wirksame Kontrole darüber erreicht werde, daß die Beschäftigung sich auf Arbeiten beschränke, die allein am Sonntag vorgenommen werden dürften. In der Praxis stelle sich die Sache anders. Die Kommission scheine von der Hoffnung auszugehen, daß der Arbeit⸗ geber, wenn er sich gegen die Sonntagsbestimmungen versündige, das nachher in das Register einschreibe, sonst hätte ja das Register keinen Werth. Für das erste Delikt würde er mit einer Geldstrafe bis zu 100 ℳ belegt werden können, wenn er aber in das Register nicht einschreibe, nur mit einer Strafe bis 30 ℳ So wie er (Redner) die menschliche Natur kenne, werde Derjenige, der schon so frevelhaft sei, daß er sich gegen die Sonntagsruhe überhaupt versündige, es auch mit seinem Gewissen vereinbaren, das nicht in das Register einzutragen. Der Antrag der Sozialdemokratie mwürde vollends die Schreiberei ins Unendliche vermehren. Der Abg. Bebel habe der Volkspartei vorgehalten, daß sie in der Frage des Arbeiterschutzes sich untreu geworden wäre. Er habe nicht das Recht, seiner (des Redners) Partei vorzuwerfen, daß sie von ihrer Haltung abgewichen sei. Seiner Zeit habe es sich nicht bloß um die Sonntagsruhe, sondern auch um Schablonisirung gehandelt; und in dem letzteren Punkte differire seine Partei aller⸗ dings sehr häufig. Die Sozialdemokraten dürften nicht glauben, daß sie allein das Monopol hätten, den richtigen und einzigen Arbeiter⸗ schut zu wollen. (Beifall links.) Man dürfe in der Beschränkung nicht mehr als nothwendig thun. Die Freiheit müsse und solle soweit als irgend möglich gewahrt werden. Er ersuche also, den Absatz 2 ganz zu verwerfen; es werde auch so ganz gut gehen; Jeder erwerbe sich ein Verdienst, der dafür sorge, daß die Schreiberei nicht vermehrt werde. (Beifall links.) 1 Abg. Freiherr von Münch erklärt sich gegen den Antrag Hähnle und zieht den seinigen zu Gunsten des Auer'schen zurück. 3
Regierungs⸗Rath Dr. Wilbelmi: Große Gesetze dieser Art könnten ohne ein gewisses Schreibwerk überhaupt nicht ausgeführt werden. Was das Verzeichniß anlange, so habe man es dabei keineswegs mit einer vollständig neuen Einrichtung zu thun. Dieselbe habe sich im Regierungsbezirk Düsseldorf seit 1882 durchaus bewährt, Klagen seien ihm darüber weder amtlich noch außeramtlich zugesangen. Das englische und das schweizerische Fabrikgesetz verlangen viel mehr Schreibwerk als dieses Gesetz. Die Regierung babe dies Verzeichniß in die Vorlage aufgenommen, weil sie gewünscht habe, den Arbeitern die Durchführung dieses Gesetzes und sich die Kontrole darüber nicht zu erschweren, sondern vielmehr zu erleichtern. Werde diese Bestimmung gestrichen, so werde die polizeiliche oder örtliche Genehmigung in dem hier vorgesehenen Falle eingeholt werden müufsen, und das ware jedenfalls lästiger. Den Antrag Aichbichler, welcher zur Folge haben würde, daß für alle Gewerbebetriebe, welche weniger als 20 Arbeiter beschäftigten, das Verzeichniß erlassen werde, bitte er akzulebnen. Gerade im Handwerk sei die Sonntagsarbeit bis jetzt in einer Weise verbreitet, die man nur als Unfag bezeichnen könne, und die Regierung hoffe, daß gerade durch die Führung des Ver⸗ zeichnisses eine erhebliche Besserung nach dieser Richtung berbeigeführt werde. Dagegen könne er den Kompromißantrag Hartmann als eine Verbesserung des Kommissionsbeschlusses nur zur Annahme empfehlen.
Abg. Biehl: Er begreife nicht, wie man eine Vteischreiberei nicht erspare, die man ersparen könne. Das Originellste bei der Sache sei, daß die Vielschreiberei, die der Abg. Payer soeben aufgezählt habe, den Sozialdemokraten noch gar nicht genüge, denn sie verlangten, daß jeder Gewerbetreibende oder Unternehmer dies Verzeichniß noch einmal abschreibe und an den Fabrikinspektor alle Monate abschicke. Die wirksamste und beste Kontrole in der Beziehung sei immer der Arbeiter selbst. Der kleine Gewerbetreibende, auf den der Regierungsvertreter hingewiesen habe, sei durch alle übrigen sozialen Gesetze ohnehin schon mit allerlei Schreibwerk belastet, und er würde viel lieber die polizeiliche Ge⸗
nehmigung einholen, selbst gegen eine Gehbühr von 3 ℳ, als dieses Verzeichniß anlegen, denn er komme so schneller und bequemer zum Zicl. Er (Redner) bitte also, wenn man schon den Antrag Hähnle ablehnen wolle, wenigstens den Antrag Aichbichler anzunehmen.
Abg. Bebel: Die Verhandlungen bei diesem Paragrapben er⸗ weckten den Anschein, daß es vielen Parteien nicht Ernst damit sei, die Sonntagsarbeit möglichst zu beseitigen. Namentlich des Abg. Payer Rede sei die reine Arbeitgeberschutzrede gewesen. In der That habe das Programm der Volkspartei, soweit er (Redner) es kenne, sich mit dem Programm der sozialdemokratischen Partei in Bezug auf Normalarbeitstag und auf Sonntagsarbeit gedeckt. Der Abg. Payer babe die Scherereien, die sein (des Redners) Antrag machen würde, sehr übertrieben. §. 105c. finde nur auf wenige kleine Gewerbebetriebe Anwendung, auf die von dem Abg Pavyer erwähnten Schuhmacher und Schneider garnicht; es könnten höchstens die Gährungsprozesse in der Gerberei u. dergl. in Frage kommen. Nehme man den Antrag Hähnle an, so werde, selbst abgesehen von dem Fall, daß die Gewerbetreibenden falsche Angaben in ihren Verzeichnissen machten und die Behörden täuschten, doch häufig der Fall ein⸗ treten können, daß unter dem Titel der Reinigung und Reparatur Arbeiten am Sonntag vorgenommen würden, welche humanere Ar⸗ beitgeber an Wochentagen vornehmen ließen. Ueberbaupt sei die untere Verwaltungsbehörde gar nicht im Stande, eine Kontrole aus⸗ nüben, weil die 99 % der Beamten von dieser Sache keine blasse Abnung hätten. Dazu gehörten berufsmäßig unterrichtete Behörden, also Gewerbe⸗Fabrikinspektoren. Dazu sei freilich die Zahl dieser Inspektoren jetzt noch zu gering, selbst wenn sie in Preußen, was man jetzt vorhabe, verdrei⸗ oder vervierfacht sein würden. Die Entwickelung der Gewerbegesetzgebung dränge immer mehr zur Er⸗ richtung von Arbeitsämtern, denen die Funktionen zugewiesen werden müßten, die jetzt den unteren Verwaltungsbehörden zufielen. Diese unteren Verwaltungsbehörden seien viel zu sehr überlastet, als daß man es ihnen überlassen könnte, die Listen von den Gewerbetreibenden einzufordern, die Gewerbetreibenden müßten vielmehr durch Gesetz ge⸗ zwungen sein, diese Listen häufiger einzureichen. Die Arbeit, die ihnen daraus entstehe, werde eine sehr geringe sein. Wenn man den Antrag Payer annehme, dann würden die Verbältnisse noch schlimmer werden als bisher. Denn dann werde der §. 105 b vollständig durchlöchert und zu Ungunsten der Arbeiter durchbrochen werden können. Der Abg. Paver stelle die Sache so dar, als ob durch An⸗ nahme der Kommissionsanträge die Fabrikanten in eine geradezu jammervolle Lage gebracht würden. Die Bestimmung der Kom⸗ mission, wonach die Arbeitgeber den Arbeitern, die bei der Fabriks⸗ reintaung beschäftigt seien, entweder jeden zweiten Sonntag 12 Stunden, oder jeden dritten Sonntag 36 Stunden Ruhe lassen sollten, werde natürlich die Folge haben, daß die erste Eventualität überall eintrete, denn dann hätten sie nur nöthig, jährlich 312 Stunden frei zu lassen, während sie den Arbeitern im andern Falle jährlich 612 Stunden Ruhe gönnen müßten. Die Ausnahme⸗ bestimmungen bezüglich der Sonntagsruhe, um die es sich hier handele, hätten auch für die folgenden Bestimmungen die weitreichendste Be⸗ deutung. Die Zustände des Bäckergewerbes zeigten eine so maßlose Ausbeutung, daß man sich wundere, wie die Polizeibehörden bisber nicht eingegriffen hbätten. Eine Arbeitszeit von 16, 18 und mehr Stunden sei die Regel, und 63 % der Gebülfen hätten selbst des Sonntags eine 14 stündige Arbeitszeit. Die Lehrlingszüchterei über⸗ steige hier alle Grenzen. Wolle man wirklich Abbülfe schaffen, so möge man die Anträge seiner Partei annehmen.
Nach einer Reihe persönlicher Bemerkungen vertagt das Haus gegen 5 ¼ Uhr die weitere Berathung auf Montag, 1 Uhr.
Haus der Abgeordneten. 33. Sitzung vom 14. Februar 1891.
Der Sitzung wohnt der Finanz⸗Minister Dr. Miquel bei.
Auf der Tagesordnung steht die Fortsetzung der zweiten Berathung des Einkommensteuergesetzes.
§. 9 lautet:
I. Von dem Einkommen (§. 7) sind in Abzug zu bringen:
1) die zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung des Ein⸗ kommens verwendeten Ausgaben;
2) die von den Steuerpflichtigen zu zahlenden Schuldenzinsen und Renten, soweit dieselben nicht auf Einnahmegquellen haften, welche bei der Veranlagung außer Betracht zu lassen sind (§. 6 Nr. 1 und 1 a).
Erstreckt sich die Besteuerung lediglich auf das im §. 2 be⸗ zeichnete Einkommen, so sind nur die Zinsen solcher Schulden ab⸗ zugsfähig, welche auf den inländischen Einkommensquellen haften oder für deren Erwerb aufgenommen sind;
8 3) die auf besonderen Rechtstiteln beruhenden dauernden Lasten;
4) die von dem Grundeigenthume und dem Gewerbebetriebe zu entrichtenden direkten Staats⸗ und Kommunalsteuern, sowie solche indirekte Abgaben, welche zu den Geschäftsunkosten zu rechnen sind;
5) die regelmäßigen jährlichen Absetzungen für Abnutzung von Gebäuden, Maschinen, Betriebsgeräthschaften u. s. w., soweit solche nicht aus den Betriebdseinnahmen beschafft sind;
6) die von den Steuerpflichtigen zu entrichtenden Beiträge zu Kranken⸗, Unfall⸗-, Alters⸗ und Invalidenversicherungs⸗, Wittwen⸗, Waisen⸗ und Pensionskassen.
II. Nicht abzugsfähig sind dagegen insbesondere:
1) Verwendungen zur Verbesserung und Vermehrung des Ver⸗ mögens, zu Geschäftserweiterungen, Kapitalanlagen oder Kapital⸗ ablagerungen, welche nicht lediglich als durch eine gute Wirthschaft gebotene und aus den Betriebseinnahmen zu deckende Ausgaben an⸗ zusehen sind;
2) die zur Bestreitung des Haushalts der Steuerpflichtigen und zum Unterhalte ihrer Angehörigen gemachten Ausgaben, einschließlich des Geldwerthes der zu diesen Zwecken verbrauchter Erzeugnisse und Waaren des eigenen landwirthschaftlichen oder gewerblichen Betriebes. .
Hierzu liegen folgende Anträge vor:
1) vom Abg. Graf Strachwit;:
In I. 4 die Worte:
„von dem Grundeigenthume und dem Gewerbebetriebe zu ent⸗ richtenden“
zu streichen. 1 2) vom Abg. Schmieding:
In Nr. 4 hinter dem Worte „Grundeigenthume“ ei „Bergbau“.
3) vom Abg. von Bismarck:
In Nr. 4 die Worte „und Communal“ zu streichen.
4) vom Abg. von Tiedemann (Bomst):
die Nr. 5 zu fassen: die regelmäßigen jährlichen Abschreibungen, welche einer angemessenen Berücksichtigung der Werthverminderung entsprechen. 5) vom Abg. Richter: der Nr. 6 folgende Fassung zu geben: — — Die von den Steuerpflichtigen gesetz⸗ oder vertragsmäßig zu entrichtenden Beiträge zu Kranken⸗, Unfall⸗, Alters⸗ und Invalid versicherungs⸗, Wittwen⸗, Waisen⸗ und Pensionskassen. 6) vom Abg. Lückhoff und Genossen: folgende neue Ziffer 7 hinzuzufügen: Die an deutsche Versicherungsgesellschaften zu entrichtenden Versicherungsbeiträge für Unfall⸗ und Lebensversicherung in Höhe bis zu 500 ℳ jährlich und sofern dieselben 5 % des Jahres⸗ einkommens nicht übersteigen.
Zu Nr. I, 1 bemerkt
Abg. von Christen: Bisher sei es zweifelhaft gewesen, ob die
Beiträge zur Hagelversicherung von dem Reineinkommen in Abzug ge⸗
bracht werden sollten. Die Einschätzungskommissionen hätten hier⸗ bei eine ganz berschiedene Praxis geübt. Es sei auch durch den Wortlaut des Gesetzes nicht klar gemacht, ob in Zukunft diese Bei träge abgezogen werden sollten oder nicht, und er möchte die Regie⸗ cung hierüber, da er eine Bestimmung im Gesetze selbst nicht für nöthig halte, um eine authentische Interpretation bitten.
Gebeimer Finanz⸗Ratb Wallach: Bisher habe sich die Central⸗ instanz schon dafür entschieden, daß Beiträge für Vieh⸗, Hagel⸗ und dergleichen sachliche Versicherungen vom Reineinkommen bei der Steuer⸗ veranlagung in Abzug gebracht würden. Wo eine Einschätzungs⸗ kommission anderer Ansicht gewesen sei, habe eine einfache Beschwerde genügt, um Abhülfe zu schaffen. In Zukunft solle die Nr. 1 des §. 9 so aufgefaßt werden, daß diese Versicherungsbeiträge von dem steuerlichen Einkommen in Abzug zu brin ien.
Abg. Hansen: Er möchte sich die Anfrage erlauben, ob auch die zu den Deich⸗ und Entwässerungsverbänden zu liefernden Bei⸗ träge als zur Sicherung des Einkommens gehörig bei der Steuer in Abzug zu bringen seien.
Geheimer Finanz⸗Rath Wallach: Die zu den Deichverbänden gezahlten Beiträge seien allemal in Abzug zu bringen. Bei den zu Entwässerungsverbänden gezahlten Beiträgen werde in jedem Spezial⸗ falle die Frage nach den besonderen Umständen beantwortet werden müssen.
Abg. Fegter: In seiner friesis 2 hätten in Folge der speziellen Gesetzgebung die Entwässerungsverbände auch den Zweck zu erfüllen, den anderwärts die Deichve u leisten hätten; damit nun die an diese zu zahl 1— r steuerlichen Ein⸗ kommen immer in Abzug gebracht wür e er zu §. 9, 1, 3 folgenden Zusatz: „wohin auch die Deich⸗n ziellasten, üuberhaupt alle durch Gesetz festgestellte Wasserbaulasten zu zählen sind.“ 8
Geheimer Finanz⸗Rath Wallach: In dem vom Vorredner vor⸗ gebrachten Fall seien die Beiträge zu Entwässerungsverbänden von dem Einkommen in Abzug zu bringen. 1
Abg. Fegter: Nach dieser Erklärung des Regierungskommissars
ziehe er seinen Antrag zurück. 8
Abg. Bohtz: Das Haus sei hier bei einer sehr schwierigen
Materie angekommen; namentlich zeigten sich Schwierigkeiten in den
Fällen, wo es sich um die Ermittelung der Reinerträge aus landwirth⸗
schaftlichem Einkommen handele. Er meine, daß in das Gesetz genaue
und spezielle Bestimmungen darüber aufgenommen werden müßten, was als Abzug vom Bruttoeinkommen zu betrachten sei. Er babe bei der Berechnung seines eigenen Einkommens erfahren, daß man hierbei die größten Schwierigkeiten finde. Man müsse nicht bloß die zur Sicherung des Einkommens nöthigen Ausgaben in Abzug bringen, sondern auch die von der Provinz erhobenen Beiträge ebenso behandeln,
2 2 — 27 — — — 8 8 z. B. die Beiträge für Armenlasten, zur Erhaltung von Schul-
gebäuden, und nicht minder gewisse Kommunallasten. Man könne daher diese Sache im Gesetz nicht bloß allgemein regeln, sondern müfse ganz genau Bestimmungen treffen, was als zur Sicherung des Ein⸗ kommens gehörig und was als zur Vermehrung des Kapitals gehörig angesehen werden solle. Nr. II gebe treffende Beispiele dafür, wie schwierig diese Fragen zu entscheiden seien, 3. B. sei es sehr zweifel⸗ haft, ob das Geld, welches man zur Amortisation seiner Schulden verwende, beim steuerlichen Einkommen in Abzug gebracht werden solle oder nicht; denn der Betreffende habe von diesem Geld doch schließ⸗ lich keinen Genuß; also könne man es auch als Vermehrung des Ka⸗ pitals nicht ansehen. Der Genuß erwachse erst dann, wenn er weniger Geld zur Verringerung der Schuldenlast brauche. Finanz⸗Minister Dr. Miquel:
Meine Herren! Wenn wir hier im Gesetz alle Zweifel, die in den verschiedenartigsten einzelnen Fällen entstehen können, entscheiden wollen, dann müßten wir sofort auf das ganze Gesetz verzichten. Das ist aber nicht bloß bei den Steuergesetzen der Fall, sondern auch bei jedem anderen Gesetz. Dafür hat man diejenige Behörde, die in un⸗ abhängiger Weise die einzelnen Fälle entscheidet und die allgemeinen Prinzipien des Gesetzes unterordnet. Wenn Sie sich einmal die Ent⸗ scheidungen des Ober⸗Verwaltungsgerichts ansehen über die Hunderte
von den zweifelhaften Fällen im öffentlichen Recht, die das Ober⸗-
Verwaltungsgericht entschieden hat, und Sie dächten sich nun, es wäre klüger gewesen, gleich bei Erlaß der verschiedenen Gesetze alle diese Einzelfälle zu entscheiden, so würden Sie sich sofort klar sein, daß das eine absolute Unmöglichkeit ist.
Meine Herren, ich glaube, der Herr Vorredner stellt sich die Sache doch viel zu schwierig vor. Wenn ein Landwirth in Bezug
auf die Abzugsfähigkeit einer bestimmten Ausgabe im Zweifel ist, so
hat er doch weiter nichts zu thun, als diese spezielle Frage in der Deklaration zur Erörterung der Kommission zu bringen, dann wird die Kommission entscheiden. Entscheidet die Kommission nach seiner Meinung unrichtig, so ist die schließliche Entscheidung des Steuer⸗ gerichtsbofes gegeben, der die einheitliche Rechtshandhabung in dieser Beziehung gewährleistet. Es ist aber völlig unthunlich, daß jeder einzelne, der einen speziellen thatsächlichen Zweifel hat, den Wunsch äußert, hier diesen Zweifel im Gesetz anzubringen.
Gewiß ist richtig, und die Staatsregierung hat die Absicht, daß eine Reihe von Fragen, die der Staatsregierung ihrerseits zweifellos sind, noch weiter zu erörtern bleiben in den zu erlassenden Aus⸗ führungsverordnungen, und daß in dieser Beziehung eine Reihe für die Staatsregierung zweifelloser Fragen in der Instruktion zur Ent⸗ scheidung gebracht werden können. Aber auch in dieser Beziehung muß doch mit großer Vorsicht verfahren werden, denn eine Instruktion muß genau dem Gesetz entsprechen, und es darf die Staatsregierung
sich nicht leicht der Lage aussetzen, daß der Inbalt dieser Instruktion
demnächst von dem Steuergerichtshof nicht anerkannt und als mit dem Gesetze in Widerspruch stehend bezeichnet wird.
Nichts desto weniger wird über eine Reihe von Fragen, worüber Zweifel allgemeiner Natur entstehen können, in der Instruktion ent⸗ schieden werden.
Meine Herten, nachdem das Gesetz von Niemand mehr eine Schätzung eines nur durch Schätzung festzustellenden Einkommens fordert, sondern zuläßt, daß in der Deklaration lediglich die that⸗ sächliche Voraussetzung der Schätzung des zu schätzenden Einkommens bezeichnet wird, sind nach meiner Meinung alle Bedenken gegen die Deklaration auch Seitens der Grundbesitzer nicht mehr berechtigt. Gleiche Zweifel in vielen Fällen werden übrigens nicht bloß bei den Grundbesitzern entstehen können, sondern vielleicht noch in viel höherem Grade bei den Gewerbtreibenden, und diese Zweifel müssen sich nach und nach in der Praxis durch eine konstante Handhabung fester Grund⸗ sätze in Folge der Entscheidungen des obersten Gerichtshofes erledigen und zu einem Gemeingut auch der einzelnen Deklaranten werden (Bravo!)
Nr. 1 wird angenommen.
Bei Nr. 2 erklärt Geheimer Finanz⸗Rath Wallach auf eine Anfrage des Grafen Strachwitz, daß der Abzug der Amortisationsquoten ab⸗ hänge von den dafür maßgebenden Statuten, von der ganzen Bedeu⸗ tung, die der Amortisationsfonds habe, und von den Zwecken, für die er verwendet werde, ob derselbe den Grundbesitzern selbst zu Gute komme oder nicht. “
Abg. von Tiedemann (Bomst) weist darauf hin, daß dieser
bzug in den verschiedenen Provinzen und Regierungsbezirken jett ganz verschieden gehandhabt werde.
58 8 Finanz⸗Minister Dr. Miquel:
Meine Herren! Die verschiedene Handhabung und Entscheidung derartiger Fragen, wie sie bisher stattgefunden hat, ecklärt sich sehr natürlich aus dem einfachen Grunde, weil keine Centralinstanz vor⸗ handen mwar. Der Finanz⸗Minister war ja auch inkompetent, der in dieser Beziehung ein gleichmäßiges Recht handhaben wollte. In Zukunft haben wir einen Steuergerichtshof, die Beschwerde an eine einzige höchste Instanz, und dadurch wird die Handhabung dieser Frage eine gleichmäßige werden nach festen, gleichmäßigen Grundsätzen.
Ich kann nur dasjenige bestätigen, was der Herr Regierungs⸗ kommissar gesagt hat. Wenn einzelne Landschaften beispielsweise die Bestimmung haben sollten, daß die Amortisationsbeträge nicht ab⸗ gerechnet werden auf die ursprüngliche Kapitalschuld, daß der Fonds vorläufig ein freier Fonds zur Disposition der Landschaft ist und sein soll und daß die Fraze erst später zur Entscheidung kommt, ob diese Amortisationsbeträge jemals auf die betreffende Schuld des einzelnen Kontribuenten des Grundeigenthümers angerechnet werden, so würde nach meiner Meinung die Frage ganz anders zu entscheiden sein als in den Fällen, wo unmittelbar eine Schuldentilgung eingetreten ist. Das wird von dem Inhalt der einzelnen Statuten der Landschaft abhängen und danach wird diese Frage zu entscheiden sein.
Die Nr. 2 wird angenommen, ebenso Nr. 3.
Bei Nr. 4 bemerkt 8
Abg. Graf Strachwitz: Zu dem Einkommen könne man un⸗ möglich die Steuern rechnen. Diese seien ein Einkommen für den Staat, aber nicht für die Censiten. Die Kommission habe nun zu den abzuziehenden Steuern die Kommunalsteuern aus Grundbesitz und Gewerbebetrieb gerechnet; es blieben aber immer noch abzugsfähig sämmtliche Kommunalsteuern, die sich aus der Einkommensteuer er⸗ gäben, und überhaupt die Einkommensteuer selbst. Bisher sei schon ein großer Theil des Einkommens von der Steuer kefreit gewesen, insofern die Naturalien, welche der Besitzer verzehrt habe, ihm natur⸗ gemäß als besonderes Einkommen abgerechnet worden seien. Jetzt werde das anders, und es müßten verschiedene auch wirklich vorban⸗ dene Ausgaben abgerechnet werden, und dazu gehörten in erster Linie sämmtliche Steuern. Er bitte also, seinen Antrag anzunehmen.
Finanz⸗Minister Dr. Miquel:
Meixre Herren! Ich glaube, es ist zweckmäßig, daß ich schon jetzt die Stellung der Staatsregierung zu den vorliegenden Anträgen bezw. zu dem Kommissionsbeschluß bezeichne.
Ich ersuche Sie dringend, sowohl den Beschluß der Kommission, als den Antrag des Hrn. Grafen Strachwitz abzulehnen. Ich erkenne aber an, daß der Antrag des Hrn. Grafen Strachwitz mehr oder weniger eine Konsequenz des Kommissionsbeschlusses ist. (Sehr richtig!)
Meine Herren, wenn die Staatsregierung hier in ihrem Entwurf den Abzug der von dem Grundeigenthum und Gewerbebetrieb zu ent⸗ richtenden direkten Staatssteuern zugelassen hat, so beruhte das schon auf der bisherigen Gesetzgebang und Praxis; in dieser Beziehung ist nichts Neues vorgesehen. Man konnte wohl darüber auch zweifelhaft sein, ob dieselben wirklich als eine Verminderung des Reineinkommens im Sinne des Gesetzes anzusehen sind. Jedenfalls sind die Staatssteuern überall nach gleichen Grundsätzen und nach gleicher Höhe veranlagt, und ent⸗ steht daher eine Ungleichheit durch den Abzug dieser Steuer nicht. Wie verhält sich die Sache aber bei den Kommunalsteuern? Sehen Sie sich das buntscheckigste aller Systeme unserer Kommunalbesteuerung an, so werden Sie von vornherein mir zugeben, daß durch diese Be⸗ stimmung, von allen anderen Bedenken abgesehen, die allergrößte Un⸗ gleichheit in Beziehung auf die Belastung der einzelnen Censiten im Staat entsteht, und daß die Höhe der Belastung wesentlich von Zu⸗ fälligkeiten abhängt.
Meine Herren, die Einnahmen der Gemeinden entstehen keines⸗ wegs allein durch Steuern die Gemeinden haben eine Reihe großer anderer Einnahmequellen der verschiedensten Art Schon hieraus er⸗ giebt sich, daß eine gleichmäßige Belastung durch Zuschläge zu den Staatssteuern, welche auf Grund und Boden und auf dem Gewerbe⸗ betriebe ruhen, in der Gesammtheit unserer Kommunen von vornherein undankbar ist. Einzelne Gemeinden haben erhebliches Vermögen, andere erhebliche gewinnbringende Betriebe, einzelne Gemeinden er⸗ heben bedeutende Gebühren, z. B. als Wasserzinsen oder Kanal⸗ gebühren und derartige Abgaben, die nicht den Charakter der Kom⸗ munalabgaben haben; einige Gemeinden belasten wesentlich und vor⸗ zugsweise den Grundbesitz, andere überhaupt nicht. Wir haben eine Reihe von großen Kommunen, wo die Belastung des Grundbesitzes und Gewerbebetriebes gänzlich zurücktritt gegen die direkte Belastung durch Zuschläge zur Einkommensteuer und Klassensteuer. Andere haben die Sache wieder anders gemacht; in einzelnen Gemeinden sind es Zaschläge zur Grundsteuer und zur Gebäudesteuer; in anderen Gemeinden wird thatsächlich wesentlich dieselbe Belastung hervorgerufen durch selbständige, nicht in Form von Zuschlägen zur Staats⸗Grund⸗ und Gebäudesteuer erhobene Miethssteuer. Zu welchem System absoluter Ungleichheit gerathen Sie durch den Abzug der Kommunallasten! Meine Herren, wenn ich vorhin sagte, daß es doch eigentlich korrekt und konsequent sei, wenn Hr. Graf Strachwitz nun auch den Abzug der Zuschläge zur Einkommensteuer verlangte, so beruht das auf dem Gesichtspunkt, daß in den einzelnen Kommunen die Steuern, welche vom Grundbesitz und vom Gewerbebetrieb erhoben werden, ja auch lediglich in Form von Zuschlägen zu den Staats⸗ steuern erhoben werden, also in dieser Beziehung genau denselben Charakter haben. Wenn man einmal alle Kommunalzuschläge für bestimmte Staatssteuern in Anrechnung bringen will, so führt die Konsequenz unbedingt weiter: dann muß man alle Zuschläge zu allen Staatssteuern in Abzug bringen.
Der Antrag Strachwitz wäre aber auch aus finanziellen Gründen für die Staatsregierung völlig unannehmbar, denn er würde nach unserem Ueberschlag etwa einen Verlust an Einkommensteuer von 6 Millionen hervorrufen (hört, hört!, und wenn Sie nun einmal die Gemeinden in den östlichen Provinzen vergleichen mit den Ge⸗ meinden in den westlichen Provinzen, wenn dort in einzelnen Gemeinden bis zu 600 % Kommunalsteuer zur Staatseinkommenstener zu⸗ geschlagen wird, in anderen großen Gemeinden aber überhaupt solche Zuschläge nicht vorhanden sind, dann können Sie sich die Konsequenzen denken, die ein solcher Antrag in Beziehung auf die Gleichheit der Belastung der Staatsbürger hervorruft. Ich kann Sie unter diesen Umständen nur bitten, alle Anträge abzulehnen, auch den Antrag der Kommission.
Abg. Schmieding: Sein Antrag sei mehr redaktioneller als materieller Natur; denn der Bergbau sei dem Gewerbebetriebe voll⸗ ständig gleichgestellt. Aber wegen des Fehlens in diesem Para⸗ graphen könnten Zweifel entstehen.
Geheimer Finanz⸗Rath Wallach: Ein Zweifel bestehe bei der
ganzen Konstruktion des Gesetzes nicht, da der Bergbau Gewerbebetrieb gleichgestellt sei.
117 — ;2 228„
Abg. Freiberr von Huene: Dann stebe wohl
itgegen, den Bergbau hier ausdrücklich zu erwähnen.
3 Grafen Strachwitz birte er abzulehnen, weil seine
versehen seien.
Abg. Dr. Enneccerus: Die Kom munallasten seien allerdings verschieden hoch, aber auch die anderen Diage, die Schulden, Zinsen u. s. w. seien verschieden hoch. Wer wenig Schuldenzinsen zahle, könne mehr Staatssteuern zahlen, ebenso liege es bei den Konmunal⸗ abgaben. Die Kommunalsteuern auf dem Grund und Boden s oft sehr boch und belasteten den Grandbesitzer sehr erheblich, wohl gerechtfertigt sei, daß dieser Betrag von dem Eink rechnet werde Die Sache könne so schlimm werden, daß seinem Grundbesitz überhaupt kein Einkommen mehr habe. Re verweist auf das Beispiel eines Rechtsanwalts in Hannover, der üb die große Belastung seines Grundbesitzes in einer anderen Gemein geklagt habe, sodaß er gar keine Einnahme mehr davon habe.
Finanz⸗Minister Dr. Miquel:
Ich möchte an dem eigenen Beispiel, welches der Herr Vorredner aufgestellt hat, einmal zeigen, daß mein Satz: der Antrag des Hrn. Grafen Strachwitz ist eine Konsequenz der Kommissionsvorlage, durchaus zutreffend ist.
Der Herr Vorredner spricht von einem Rechtsa der einen Grundbesitz hat außerhalb, in einer andern Gemeinde, und er theilt uns mit, daß dieser Rechtsanwalt sich sehr darüber beklagt hat, daß er dieser Draußengemeinde so viel Steuern von seinem Grundbesitz zahlen müsse, daß er eigentlich gar kein Einkommen daraus hätte. Nun, meine Herren, in diesem Falle hat zweifellos die Ge⸗ meinde den Forensen, um den es sich handelt, besteuert durch Zuschläge zur Grundsteuer. Jetzt stellen Sie sich mal vor, die Gemeinde hätte es anders gemacht, hätte nicht Zuschläge zur Grund⸗ und Gebäudesteuer, sondern zu dem Einkommen aus der Grund⸗ und Gebäudesteuer Zuschläge ge⸗ macht, — dann wäre derselbe Rechtsanwalt auch für seinen Grund⸗ besitz thatsächlich belastet worden, er könnte aber keinen Abzug machen. Das zeigt eben, daß Sie hier nicht unterscheiden können. Bei der völligen Freiheit unserer Gemeinden — in der Stadt ist sie ja fast unbeschränkt, — die Zuschläge zu den verschiedensten Arten der Staatssteuer zu machen, müssen Sie die Frage des Abzugs der Kom⸗ munallasten überhaupt verneinen oder bejahen. Zu welchen Kon⸗ sequenzen aber die Bejahung überhaupt führt, hat der Herr Vorredner selbst anerkannt. Ich denke also, er wird als Logiker den Rückschluß noch machen mit Hrn. Freiherrn von Huene: das Eine ist nicht möglich, folglich auch das Andere nicht. Meine Herren, ich habe vorher — um nicht so viel Zeit zu gebrauchen — auf die Sache nicht näher ein⸗ gehen wollen; ich muß aber doch einige Worte hier hinzufügen.
Der Hr. Abgeordnete Dr. Enneccerus sagt: verschiedene Lasten müssen überall abgezogen werden und dadurch entsteht eben die Gleich⸗ heit. Privative Lasten können auch verschieden sein; aus der Ver⸗ schiedenheit der Kommunallasten kann also keineswegs hervorgehen, daß diese Abzugsfähigkeit eine Ungleichheit der Behandlung der Censiten hervorriefe. Ja, meine Herren, dabei wird vollständig ver⸗ gessen, in welchem Verhältniß die Kommunallasten zu dem Reinein⸗ kommen des Einzelnen stehen. Eine große Anzahl von Kommunal⸗ lasten sind nichts weiter als Meliorationsausgaben, und es ist rein zufällig, wie sie bezeichnet werden; theilweise werden beispielsweise Kanalisationsausgaben, die doch zweifellos den Grundbesitz melioriren, aus dem Gesammtvermögen der Kommunen bezahlt und in der Form von Steuern wieder erhoben, theilweise in der Form von Zuschlägen zur Grund⸗ und Gebäudesteuer, theilweise als Zuschlag zur Ein⸗ kommensteuer. In anderen Gemeinden erscheinen sie als Gebühren, wo man sogar zweifelhaft sein kann, ob sie nicht direkte Lasten des Grundbesitzes sind. Also von diesen Zufälligkeiten soll die Frage in Bezug auf die Staatssteuer abhängig gemacht werden.
Meine Herren, ich kann nur die dringende Bitte wiederholen, den Beschlüssen der Kommission zuzustimmen. (Bra vo!)
Abg. Höppner spricht sich gegen den Antrag des Grafen Strach⸗ witz aus; man könne nur die Grundsteuer berücksichtigen, welche ohne Rücksicht auf die Schulden erhoben werde, nicht aber die Ein⸗ kommensteuer.
Abg. Freiherr von Zedlitz spricht sich ebenfalls gegen den An⸗ trag des Grafen Strachwitz aus, aber für den Antrag der Kom⸗ mission, welcher nur die Konsequenzen der Regierungsvorlage in Bezug auf die Kommunalbesteuerung ziehe. Hand⸗ und Spanndienste, die in natura geleistet würden, könnten von dem Einkommen nicht abgezogen werden, wie die in Geld erhobenen Kommunallasten, denn sie seien in den Wirthschaftskosten schon enthalten. Derjenige, der sie aber in Geld bezahle, solle diese Ausgaben noch als Einnahmen rechnen. (Sehr richtig! rechts.) In Hessen bestehe die Verpflichtung der Gemeinden zur Raäumung der nichtschiffbaren Flüsse, in anderen Landestheilen liege diese Pflicht den einzelnen Grundbesitzern ob. Diese letzteren könnten die Kosten abziehen, die Gemeindelasten dürften nicht abgezogen werden. Wenn eine Kanalisation von Privatunter⸗ nehmern ausgehe, könnten die Kosten dafür abgezogen werden, aber nicht, wenn sie von Gemeindewegen ausgeführt werde. Die Gemeinde⸗ ausgaben seien zum großen Theile Meliorationsausgaben, der Staat bekomme das Seinige schon dadurch, daß eine Steigerung des Einkommens herbeigeführt werde. Diese Erleichterung komme Den⸗ jenigen zu gute, welche die meisten Lasten der sozialpolitischen Gesetz⸗ gebung zu tragen hätten. (Beifall rechts.)
General⸗Steuerdirektor Burghart: Der Antrag der Kommission werde die größten Ungzerechtigkeiten schaffen und der Antrag des Grafen Strachwitz dieselben noch vergrößern, denn es gebe große Bezirke, wo Zuschläge zur Grundsteuer fast garnicht erhoben würden, wo Alles durch Zuschläge zur Einkommensteuer geoeckt würde. Einzelne Gemeinden schlüͤgen die Ausgaben für die gemeinnützigen Unter⸗ nehmungen auf die Grund⸗ und Gebäudesteuer oder auf die Einkommen⸗ steuer, während andere Gemeinden dafür Gebühren erhöben. Die Anrechnung der Kommunalabgaben dieser Art werde zu den größten Ungerechtigkeiten führen.
Abg. von Eynern: Noch keine Kommission habe eine Re⸗ gierungsvorlage so sehr belastet mit grauer Theorie, wie die Einkom⸗ mensteuer⸗Kommission. Auch die Ausführungen des Abg. Freiherrn von Zedlitz seien graue Theorie, trotzdem sie von seinem (des Redners) Spezial⸗ kollegen, dem Abg. Dr. Enneccerus so beifällig aufgenommen seien, dessen Auseinandersetzungen überhaupt so belehrend für jeden Praktiker gewesen seien. (Heiterkeit.) Wenn man die Kommunalsteuern vom Einkommen abziehen solle, dann müsse man auch die Abgaben für die Schule und Kirche und alle anderen Dinge abziehen. Aber die Schule und Kirche böten doch solche Leistungen, die zum Leben so nöthig seien, wie Essen und Trinken. Schließlich müßte man also auch die Ausgaben für Essen und Trinken abziehen. Die Veranlagungskommissionen würden wobhl ebenso zweifelhaft sein wie das Haus, deshalb müsse man über jeden einzelnen Punkt Auskunft verlangen, um eine Richtschnur für die Kommissionen iu haben. Denn auf die Entscheidungen des Steuergerichtshofes könne man nicht warten. Es werde gut sein, die Vorsitzenden der Ein⸗ schätzungskommissionen zu verpflichten, mit den Steuerzahlern die Streit⸗ und Zweifelsfragen durchzusprechen, damit dieselben im Stande seien, richtig zu deklariren. Er wade gegen den Antrag des Grafen Strachwitz und gegen den Kommissions antrag stimmen.
Abg. Ottens spricht sich für den Antrag der Kommission aus; der Grundbesitz sei schwer belastet durch Kommunalsteuern, so daß es
walt in Hannover,
unrecht sei, diese Kommunalsteuer noch als Einkommen zu betrachten und zu versteuern.
Abg. Graf Strachwitz: Wenn durch seinen Antrag eine gerechtere Einschätzung berbeigeführt werden sfönne, so werde es auf eine kleine Mindereinnahme nicht ankommen. Es würde ihm wirklich leid thun, wenn sein Antrag nicht angenommen würde, weil er die einzige Möglichkeit biete, daß vom Landwirth eine richtige Steuerdeklaration geliefert werde. Abg. Freiherr von der Reck erklärt sich für den Antrag des Grafen Strachwitz.
Abg. Richter: Das Richtige würde auch nach der Antrag des Grafen itz sein. Er würde man gar keine Steuern abjie in der 2 bleiben, sei nicht richtig. Gesetzgebung maßgedend sein, da ein Gesetz gem Wenn der rubige Genuß des Einkommens erst durchd gemacht werde, dann müßten auch di taatssteuern als rung des Einkommens dienend abgezoge en. Aber die Vorlage gehe immer von dem Grundsatz aus: in dubio pro fisco, während das Gegentheil der Fall sein sollte. Das Beispiel des Abg. von Zedlitz sei durchaus zutreffend. Der zufällige Umstand, daß Naturalleistungen erhoben würden, könne doch nicht maßgebend sein für den Abzug.
Daß diese Abrechnung ungleich wirke, sei gerade ein Zeichen, daß die Besteuerung ungerecht sei, sonst müßte man ja zur Brutto besteuerung kommen. Gerade daß im Westen die Kommunalabgab so hoch sei, werde beklagt; der Grund liege darin, daß der Steuersatz für den ganzen Staat gleichmäßig sei, während der Geldwerth ver⸗ schieden sei. In diesem Falle sei er einmal Agrarier und als solcher für den Antrag des Grafen Strachwitz. An dem Antrage hätten die kleinen Besitzer mehr J sse, denn der Großgrundbesitzer, einen eigenen Gutsbezirk e keine Kommunalsteuern. eigenen Gutsbezirke würden schi G die sonst Kommunallasten erschienen, a 8 Von einem Einnahmeausfall für die Staatskasse könne man doch hierbei nicht sprechen, sondern höchstens von einer Verminderung der Mehr⸗ einnahmen. Die Mebhreinnahmen sollten ja überhaupt dem rund⸗ besitz wieder zu Gute kommen, warum solle man nicht gleich für die Landwirthe etwas thun? (Zustimmung.) 1“
Finanz⸗Minister Dr. Miquel:
Meine Herren! Ich glaube, durch die Rede de die Lage der Sache viel klarer geworden. Er sagt, in dubio pro fisco eintreten? Ja, der Antrag Ri deutlich genng zu erkennen gegeben, daß für ihn allerdings Beziehung kein Zweifel ist. Hier tritt er ein für den An Grafen S uns eine neue Degression vor — kostet 10 ½˖ Millionen (Heiterkeit); da ist allerdings gründlich dafür gesorgt, daß keine Ueberschüsse und Mebreinnahmen durch die Heranziehung des mobilen Kapitals ent⸗ stehen, daß von einer Durchführung der Steuerreform, von Ueber⸗ weisung von Grund⸗ und Gebäudesteuer absolut nicht mehr die Rede ist. (Widerspruch links.) Gewiß, die Rechnung ist auf Heller und Pfennig zu machen. Da ist also klar, daß die Herren, welche auf dem Boden des jetzigen Steuerprojektes stehes, sich am Allerwenigsten Herrn Richter zum Führer wählen sollten.
Herr Richter sagt: das ist ja gerade, ebenso wie Herr Professor Enneccerus sagt, ein Vorzug dieser Abrechnung, daß ungleiche Verhältnisse auch ungleich behandelt werden, denn dadurch entsteht Gleichheit. Er sagt, das Beispiel mit den Hand⸗ und Spanndieasten wäre ein durch⸗ aus schlagendes, und er führt nun selbst aus einer städtischen Ge⸗ meinde auch ein Beispiel an. Da will ich einmal auf das letztere Beispiel eingehen und werde zeigen, daß das schlagend ist, aber nach entgegengesetzter Richtung.
Meine Herren! Es ist das Beispiel der Kanalisationskosten. Wir haben Gemeinden — und ich könnte sie namhaft machen — welche die gesammten Kanalisationskosten bezahlen aus der Kommunal⸗ kasse (Zuruf links: Ist etwas Anderes!) und auf den einzelnen
Gebäude⸗ und Grundbesitzer nichts werfen von den Kosten. Ich kenne auch solche Gemeinden, die dies thun, während sie überhaupt gar nichts veranlagen auf die Grund⸗ und Gebäudesteuer, sondern nur eine Ein⸗ kommen⸗ und Miethssteuer haben. Nun stehen daneben wieder andere Gemeinden, die erheben gar keine Zuschläge zu der Staatssteuer auf Grund und Boden für die Kosten der Kanalisation, sondern besondere Kanalisationsgebühren; diese können auch nichts abrechnen. Nun ist endlich eine dritte Gemeinde, sie macht es wie in dem vorigen Falle. Der Vortheil für die Grundeigenthümer ist in allen drei Fällen gleich; die Summen des zu Zahlenden sind in allen Fällen gleich und doch soll nun in dem einen Fall das Gesetz zwingen, ganz anders zu verfahren, wie in anderen Fällen. Das scheint mir ebenso schlagend zu sein. (Sehr richtig!)
Meine Herren! Die Theorie, die der Hr. Abg. Richter ent⸗ wickelt hat über die Natur derjenigen Ausgaben, welche den Grund⸗ besitz in den Kommunen treffen, indem er ausführte, das sind wesent⸗ lich Ausgaben, die Meliorationszwecken dienen, — ist ja in vielen Fällen durchaus zutreffend. Nun, wenn aber diese Voraussetzung zu⸗ treffend ist, wie kann man denn einen Meliorationsbetrag abziehen. (Zuruf links: das ist Unterhaltung!) Wenn ich eine neue Chaussee anlege, so erhöhe ich den Werth des Grund und Bodens, und ob ich das durch das Medium der Kommunalkasse thue oder direkt, — in allen Fällen bleibt es Melioration von Grund und Boden. (Zuruf.) — Und das ist ebenso mit den Deichlasten. In den großen Kom⸗ munen — nehmen Sie eine Stadt wie Elberfeld oder Barmen — woraus besteht da die Kommune? Nehmen Sie an: die Stadt besteht wesentlich aus Arbeitgebern und au Arbeitnehmern. Die Zahl der Rentiers, der Beamten, die steuern, ist gering. Wenn da 600 % Kommunal⸗ steuer erhoben werden, und Sie zergliedern sich die Ausgaben, die da⸗ mit geleistet werden, so werden Sie finden, daß dies zum größten Theil Ausgaben sind, die der einzelne Fabrikherr aus seiner Fabriks⸗ kasse bezahlen müßte, wenn er keine Kommune zur Disposition hätte. Die ganze Kommune ist dann nur die Vermittlerin zwischen denjenigen Ausgaben, die sonst aus der Generalsteuerkasse für die Meliorations⸗ zwecke bezahlt werden. Wenn Sie nun wieder unterscheiden wollen zwischen der Art und Weise, wie diese Kommunallasten aufgebracht werden, indem Sie nur diejenigen abrechnen wollen, die auf der Grund⸗ und Gebäudesteuer lasten, und diejenigen abrechnen lassen wollen, die in anderer Form erhoben werden, so begehen Sie das größte Unrecht.
Deswegen hat der Hr. Abg. Richter ganz recht, wenn er sagt, wir müssen den Antrag des Hrn. Grafen Strachwitz annehmen, aber den Antrag der Kommission ablehnen. Ganz richtig, entweder das eine oder das andere, wenn Sie von den Gesichtspunkten aus⸗ gehen, die den sämmtlichen Anträgen zu Grunde liegen!
Ich hoffe aber nicht, daß der Antrag des Hrn. Grafen Strachwitz hier Boden finden könnte aus allen den Gründen, die da⸗ gegen schon angeführt sind, und ich glaube allerdings, daß damit die großen Ungleichheiten zwar gemindert werden, die in der Abrechnung