e das Recht, ein Urtheil darüber abzugeben. Man frage die Arbeiter, ie dabei betheiligt sind, ob sie diese Einrichtung für eine Knechtung für eine Heuchelei halten. Alljährlich gehen bei der Direktion aarbrücken Hunderte von Eingaben ein, in denen dringend darum gebeten rd, daß ihnen dieses Benifizium zum Hausbau zu Theil werde. Es mnen nicht alle Gesuche befriedigt werden, weil dazu die Mittel fehlen. gen Sie die Arbeiter dort, ob sie wirklich damit einverstanden sein en, daß die Bergwerksverwaltung heute diese Einrichtung ohne iteres fallen läßt! Das Urtheil derer, die was von der Sache erstehen, der Arbeiter nämlich, würde anders ausfallen, und deshalb, enn der Hr. Abg. Bebel gesagt hat, er habe öffentlich dargethan, s diese Wohlfahrtseinrichtungen nichts seien als Knechtung der Arbeiter und Heuchelei, so erwidere ich ihm: Behauptet hat er viel, dargethan hat er nichts. (Lebhaftes Bravo! rechts.)
— 8 8
ℛ &
n
2
2
2
G.
₰9, 0212 2₰
8
☛α 8 ṽ
8 A. 8 & &
87 —2 ,8
Interessen der Partei. — 1 der Arbeiter perhorreszire, so beweise das wiederum, was die auch hundert Mal ausdrücklich ausgeführt hätten, daß sie nich Zufriedenheit der Arbeiter herbeiführen, sondern deren Anforderun immer weiter in die Höhe schrauben wollten. Die B es Abg. Bebel, daß die Gebrüder Stumm Arbeiter entlaffe weil sie gewissen Bestrebungen huldigten, habe vor allen Din der Wohnungsfrage nichts zu thun; es sei keinem Arbei wegen die Wohnung gekündigt worden. Er (Redner) balte Grundsatz fest, keinen Arbeiter zu beschäftigen, der sich demokratischen Bewegung anschließe. Glücklicherweise sei er dortige Arbeiterbevölkerung bis jetzt von den Schäden dieser Bestre⸗ bungen so überzeugt, daß es nicht nöthig sei, Arbeiter zu entlassen. Die Maßregel richte sich also nicht gegen die Arbeiter selbst, sondern gegen die Aaitatoren, welche in die Reihen der Arbeiter einz versuchten. Die sozialdemokratische Agitation im Saarrevie ein klägliches Ende genommen. (Beifall rechts.)
Abg. Bebel: Der Handels⸗Minister bezweifele die 8 iner (des Redners) Angaben über das Verhalten der! Bergwerksdirektion in Saarbrücken. Das betreffende er Direktion habe wörtlich in der „Frankfurter Zeitung“ gestan sei von da in Berliner Zeitungen, 3. B. in die „Volks⸗Zeitung
Son
übergegangen und dann durch die ganze sozialistische Presse gegangen.
Diesen Mittheilungen sei nicht widersprochen worden, man müsse sie also für richtig halten. Der Handels⸗Minister bestätige das selbst, indem er sage, wenn das Verhalten der Direktion thatsächlich richtig wäre, müsse er es unterstützen. Inwieweit dabei die Kon⸗ trafktbrüche mitgewirkt hätten, lasse er (Redner) dahin gestellt. Die Königliche Bergwerksverwaltung habe Arbeiter trotz des Kontratt⸗ bruchs wieder angestellt, und damit habe die Regierung und noch ein Höherer anerkannt, daß besondere Verhältnisse vorgelegen hätten, welche die Arbeiter zu ibrem gesetzlich vielleicht nicht gerechtfertigten Vor⸗ gehen veranlaßt hätten. Die Enquetekommission habe ja auch die schweren und großen Misßbräuche in vielen Fällen zugestanden. Rechn man dazu, daß die Arbeiter nur, wenn sie geschlessen vorgingen, etwas erreichten, und daß die Kündigungsfrist ungewöhnlich lang gewesen sei, so verstehe man das Vorgehen der Arbeiter. Was man hier als Wohlthaten für den Arbeiter hinstelle, sei in Wahrheit nur ein Fessel desselben. Alle diese Wohlfahrtseinrichtungen seien das gerade Gegentheil davon. Das sei für die Oeffentlichkeit genügend klar gestellt, wenn eine Behörde erkläre, daß Wohlthaten unter solchen Umständen nicht weiter den Arbeitern erwiesen werden, sondern Strafen an deren Stele treten sollten. Ueber die Lohnregulirung stelle seine Partei jetzt keine Anträge. Sie habe nie gesagt, daß die Arbeiter nicht sparen dürften, sondern daß sie nichts zum Sparen hätten. Führten die Unter⸗ nehmer das Sparen zwangsweise ein, so sei das nur Heuchelei, um sagen zu können: „Seht, wir zahlen einen solchen Lohn, daß der Arbeiter sparen kann“. Wie er dafür darben müsse, werde nicht gesagt. Wäre die „verdammte Bedürfnißlosigkeit“ der Arbeiter, um mit Lassalle zu sprechen, infolge des Drucks der ökonomischen Verhältnisse nicht vorhanden, so würden sich Hunderttausende von Arbeitern nicht mit dem begnügen, was sie hätten. Durch Hassel⸗ mann sei 1879 schon bewiesen worden, daß das Verbot der Gebrüde Stumm an ihre Arbeiter, das „Neunkirchener Tageblatt“, ein freisinniges Blatt, zu halten, in dem Sinne gegeben worden sei, daß der zuwiderhandelnde Arbeiter entlassen werden sollte; und da ein von den Gebrüdern Stumm entlassener Arbeiter anderswo keine Beschäftigung erhielte, so müßten sich die Arbeiter dieser Drohung fügen, sodaß nur zwei oder drei Arbeiter deswegen entlassen worden seien. Das Verbot sei charakteristisch, insofern als es sich um ein freisinniges, nicht ein sozialdemokratisches Blatt gehandelt habe. So weit gehe der Feudalabsolutismus der Großindustriellen. Das beiße nichts Anderes, als das politische Recht des Arbeiters, die Ueberzeugungs⸗ freibeit llständig untergraben. Heute sei an die 8 2 religiösen Unduldsamkeit, die Schäden genug berbeigef die politische Unduldsamkeit getreten, eine traurigere geistig als je dagewesen sei. Ein großer Theil der Unternehmer hab
schon 1878 eingesehen, daß jene Ausschließung von Männern eine
82
al al vo
bestimmten politischen Richtung auf die Dauer nicht durchzuführen sei. Alle ehrlichen Leute, denen daran liege, daß die Meinungsfreiheit statt⸗ habe, würden sich seiner Partei anschließen. Daß leider auch die Staatsgewalt soweit gekommen sei, wie früher von ihren Beamten jetzt sogar von ihren Arbeitern zu verlangen, daß sie sich dieser oder jener Richtung nicht anschlössen, darauf werde seine Partei auch noch zu sprechen kommen. In den Fabrikordnungen heiße es jetzt, Sozialdemokraten würden nicht in die Fabrik aufgenommen. Warum habe man denn das Sozialistengesetz aufgehoben? Dann muüßte die Regierung doch den Sozialdemokraten für vogelfrei erklären und ihm überhaupt das Recht nehmen, sich im Deutschen Reich aufzu⸗ halten. (Beifall bei den Sozialdemokraten.)
— 8 322.222 — z 9. g K
Staats⸗Minister Freiherr von Berlepsch:
Meine Herren! Der Abg. Bebel hat bemerkt, daß aus der Thatsache, daß die fiskalische Grubenverwaltung Arbeiter wieder an⸗ genommen hat, die sich des Kontraktbruchs schuldig gemacht hatten, das Eingeständniß zu folgern sei, die Mißstände im seien derartige gewesen, daß die Arbeiter zur vei niederlegung mittels Kontraktbruchs genöthigt gewesen seien. Menne Herren, dieser Schluß ist falsch; wenn die fiskalische Berg⸗ verwaltung Arbeiter wieder angenommen hat zur Arbeit, die unter Kontraktbruch die Arbeit niedergelegt hatten, so ist das jedenfalls in der Erwägung geschehen, daß der größere Theil der betreffenden Arbeiter den Kontraktbruch in einer Zwangslage begangen hat, nicht aber in einer Zwangslage, die durch die fiskalische Bergverwaktung herbeigeführt ist, sondern durch die Agitatoren und Treiber zum Strike, (Hört! hört! rechts), die ihre Genossen in jeder Weise ge⸗ nöthigt haben, sich dem Kontraktbruch anzuschließen. Das war der Grund, und deshalb konnte sie meines Erachtens über die Thatsache hinwegsehen, daß sie den Kontraktbruch begangen hatten. Hr. Bebel hat ferner bemerkt, daß es sehr begreiflich oder vielleicht nothwendig gewesen, daß die Arbeiter die Arbeit mittels des Kontraktbruches niedergelegt hätten, weil die Kündigungs⸗ frist in dem Bergrevier eine übermäßig lange sei. Die Kündigungs⸗ frist beträgt 14 Tage. Meines Erachtens hat Hr. Bebel mit dieser Behauptung bewiesen, daß er von den thatsächlichen Verhältnissen außerhalb der Orte, wo er der Agitation wegen sich aufzuhalten ge⸗ nöthigt ist, keine Ahnung hat. (Bravo! rechts.)
“ 1 88 * b1.“
Abg. Leuschner: Wenn der Abg. Bebel mit den Bergleuten bekannt wäre, könnte er nicht dagegen sein, daß die Staatsbehörde in Saarbrücken den Leuten Gelegenheit gebe, sich möglichst billig anzubauen. In anderen Bezirken werde mit der größten Leiden⸗ schaftlichkeit dahin gewirkt, daß die Arbeitgeber Kapital beibrächten, um den Leuten Wohnungen zu bauen. Er (Redner) sei in den Berg⸗ revieren viel genauer bekannt als der Abg. Bebel und wisse, daß die vernünftigen Leute sich durch die Agitatoren nicht beeinflussen ließen und nichts von sozialdemokratischen Prinzipien wissen wollten; denn sie hätten gesunden Menschenverstand genug, um zu wissen, wohin das führen würde. Man könne Bergbau nicht ohne eine gewisse Ordnung treiben, und diese Disziplin untergrabe die sozialdemokratische Partei mit ihren ewigen Bestrebungen, die Unzufriedenheit der Arbeiter zu erregen. Arbeitgeber, die dem entgegenträten, verdienten den Dank des Vaterlandes. Es werde sich Niemand das Fell über die Ohren ehen lassen, bloß weil die Sozialdemokraten es wollten. Die Maß n der Arbeitgeber richteten sich nicht gegen die Arbeiter, sondern ie Agitatoren der Sozialdemokratie. Er bedaure, daß nicht n
gischer dagegen vorgegangen werde. Er hoffe, daß die sozia ischen Irrlehren bald von den Arbeitern als solche erkannt
—
8
—v
3 2.2ö — 8
bg. Roesicke: Ein großer Theil der Wohlfahrtseinrichtung die Arbeiter, wenn auch nicht alle, mache dem deutschen Nar e und sei ein schönes und beredtes Zeugniß für die Hurn Arbeitgeber. Zu den Kosten der Wohlfahrtseinrichtung die Arbeiter vielfach selbst herangezogen werden, um d z ben, darüber mitzusprechen, und um kein Almosen zu er⸗ 7. Mit den Worten „Fesseln, Knechten“ werde ein großer Unfug n. Biete er dem Arbeiter Vort um ihm Interesse einzuflößen, so thue er etwas Gutes und erhalte sie e Dauer gute und brave Arbeiter. Der Abg Bebel führe f ische Unfreiheit der Arbeiter nur einige wenige Beispiele an itische Freiheit der Arbeiter bestehe unbedingt in der großen 1 Betrie Wäre das nicht der Fall, so würden die Lillionen sozialdemokratischer Wähler ja keine Arbeit mehr finden. Abg. Bebel gegen alle Wohlfahrtseinrichtungen sei, so (Redner) ihn: solle etwa dem Arbeitgeber verboten sein, alten, Handarbeitsschulen, Kleinkinderschulen zu errichten, assen zu gründen, welche sogar einen erheblich höheren Zins⸗ als andere Sparkassen? Meine der Abg. Bebel, die könnten nicht sparen, so solle er sich nur in den ein⸗ zelnen Betrieben umsehen, der Durchschnitt der Sparer sei ganz er⸗ heblich. Der Abg. Bebel habe nicht ein einziges Mal gesagt, wie er es mit der Wohnungsfrage machen wolle in Gegenden, wo der Arbeiter sonst keine Wohnung finden könne. Durch Vermehrung der Wohlfahrtseinrichtungen werde der Sozialdemokratie der wirksamste Abbruch geschehen können. Er (Redner) weise ganz entschieden die Denunziation zurück, daß Arbeitgeber die Wohlfahrtseinrich⸗ tungen nur träfen, um die Arb iter zu knechten.
14 —
9
₰ — d
2₰ ;be
2842à* e — 2 ₰ 288 —
2
82 ₰
2 8 8 58
b89u
öC, 1
. — , 2 cnd
—
2 —₰
umm: Gerade weil das Sozialistengesetz en die Arbeitgeber die heilige Pflicht, im das anzustreben, was der Staat bisher er⸗
Nicht um politische Ueberzeugungen handele es sich hier,
rum, ob der Arbeitgeber Leute in seinem Betriebe dulden
mübei jeder Gelegenheit den Hals abschneiden könnten. Bebel möge sich bei seinem Freunde Liebknecht er⸗ 8 Arbeiterfreiheit sei. Gebe es eine größere Knechtung, 2 in der Philharmoniefrage widerfahren sei? Wenn ozialdemokraten in ihrem Antrage die Lohnfrage nicht berührt
obwohl doch ohne die Lohnregulirung durch den Staat ihr ganzes Gebäude zusammenfalle, so sei dieses Einziehen der Krallen auch nichts weiter als Heuchelei.
Abg. Bebel: Seine Partei habe gar nichts dagegen, wenn der Arbeirgeber auf eigene Kosten Wohlfahrtseinrichtungen einführe. Einrichtungen dagegen, zu deren maäterieller Unterstützung die Ar⸗ beiter gezwungen würden, schmeckten sehr nach Unterdrückung und Aus⸗ nutzung. Wenn die Abgg. Leuschner und Freiherr von Stumm, deren geschmackvolle Redewendungen sich mit mehr Recht auf die Arbeitgeber als auf die Arbeiter anwenden ließen, wirklich die Ueberzeugung hätten, daß ihre Arbeiter den sozialdemokratischen Agitatoren gegen⸗ über so gewappnet seien, warum böten sie denn bei jeder Gelegenheit ihre ganze soziale Macht auf, um die Sozialdemokratie aus den unter ihrem Kommando stebenden Bezirken zu verdrängen? Was einmal der General⸗Sekretär es Centralvereins deutscher Großindustrieller erklärt habe, gelte auch heute: der Arbeiter habe zu stimmen, wie sein Unternehmer es ver⸗ lange. Das sei ein Fabrik⸗ und Industriefeudalismus, wie ihn in anderer Form nur das Mittelalter gekannt habe. Wenn der Handels⸗ Minister erklärt habe, man gehe nur gegen die sozialdemokratischen Agitatoren in den Staatswerkstätten vor, so widersprächen dem eine Königlich baverische Fabrikordnung und die der Kaiserlichen Marine in Kiel, auf die er (Redner) später eingehen werde, nach welchen Jeder, der sich an einem sozialdemokratischen Verein betheilige, oder sogar bei einem solchen Verein oder Fest zu Gaste sei, aus der Arbeit zu entlassen sei, und zwar sofort. Solche Maßregeln seien darauf zugeschnitten, den Arbeiter mundtodt und rechtlos zu machen.
Damit schließt die Diskussion. Der Antrag Auer wird abgelehnt und §. 117 unverändert in der Fassung der Kom⸗ mission angenommen. “
§. 119a bestimmt im ersten Alinea: Lohneinbehaltungen, welche von den Gewerbeunternehmern zur Sicherung des Er⸗ satzes eines ihnen aus der viderrechtlichen Auflösung des Arbeitsverhältnisses erwachsenden Schadens ausbedungen werden, dürfen bei den einzelnen Lohnzahlungen ein Viertel des fälligen Lohnes, im Gesammtbetrage den Betrag eines durchschnittlichen Wochenlohnes nicht übersteigen.
Absatz 2 überläßt statutarischer Regelung einer Ge⸗ meinde oder eines weiteren Kommunalverbandes für alle oder gewisse Gewerbebetriebe 1) die Festsetzung fester Fristen für die Lohn⸗ und Abschlagszahlungen, die Fristen dürfen nicht länger als einen Monat und nicht kürzer als eine Woche sein; 2) die Zahlung des Lohnes der minderjährigen Arbeiter an die Eltern und nur mit deren schriftlicher Zustimmung an die Minderjährigen selbst; 3) die Verpflichtung der Gewerbe⸗ treibenden zur Mittheilung der den Minderjährigen gezahlten Löhne an die Eltern oder Vormünder innerhalb gewisser Fristen.
Die Sozialdemokraten (Abgg. Auer u. Gen.) beantragen die Streichung des §. 119a. Die Abgg. Dr. Gutfleisch u. Gen. wollen die Bestimmung des ersten Absatzes auch auf die Konventionalstrafen ausdehnen, welche für den Fall des Eintritts eines solchen Schadens verabredet werden.
Die Volkspartei (Abgg. Dillinger, Hähnle, Payer, Speiser) wollen die Ziffern 2 und 3 des zweiten Absatzes streichen.
Abg. Dr. Hirsch beantragt lution:
„Den Herrn Reichskanzler zu ersuchen, Behufs Förderung der Wirthschaftlichkeit unter den Arbeitern dahin zu wirken, daß in den Betrieben des Reichs und der Bundesstaaten Abschlagszahlungen des verdienten Lohnes wöchentlich, die Abrechnung desselben, soweit möglich, spätestens vierzehntägig erfolgen.“
Abg. Payer befürwortet den Antrag der Volkspartei. Seine Partei halte die von ihr angefochtenen Bestimmungen für eine ganz ungewöhnliche gesetzgeberische Maßregel, welche weder in der österreichischen, noch der schweizerischen Gesetz⸗ gebung einen Vorgang habe. Ein sonderbares „Wohlwollen“ gegen die minderjährigen Arbeiter! Der junge Arbeiter werde da⸗ durch thatsächlich gezwungen, durch ein Taschengeld seine Bedürfnisse zu befriedigen. Wenn diese Maßregel so verständig sei, warum habe man sie nicht auch für die jungen Kaufleute, ländlichen Ar⸗
endlich folgende Reso⸗
beiter und Dienstbolen eingeführt? Man sollte überhaupt diese Frage nicht mit dem gegenwärtigen Gesetz verquicken. Wolle man für eine bessere Erziehung der Arbeiter sorgen, so bringe man darüber ein besonderes Arbeitererziehungsgesetz, dann könne man darüber weiter reden. Durch eine derartige Bestimmung werde nicht bloß der Minderjäbrige, sondern auch der Unternehmer außerordent⸗ lich getroffen. Es entstünden unnöthige Schreibereien und Be⸗ lästigungen, die einen praktischen Werth nicht hätten. Das schriftliche Einserständniß des Vaters werde verlangt. Häufig wisse aber der minderjährige Arbeiter gar nicht, wo sein Vater sich aufhalte. Und wenn der Vater sage: ich gebe überhaupt nichts Schriftliches von mir? Ausgezahlt müsse doch der Lohn jedenfalls werden. Das sei ein Konflikt, aus dem sich der Arbeiter nicht leicht durch eine Hinterthür retten könne. Eine solche väterliche Zustimmung werde auch beglaubigt sein müssen, damit der Fabrikant sicher sei, daß sie auch recht sei. Die Nothwendigkeit der schriftlichen Zustimmung biete auch die Verlockung zu Fälschungen. Die Kommission habe sich mit einer gewissen Vorsicht um ihren eigenen Vorschlag herumgedrückt, sie habe davon abgesehen, selbst solche Bestimmungen zu treffen; der Bundesrath, an den man sich sehr häufig in solcher Verlegenheit ge⸗ wendet habe, ebenfalls; man habe die Bestimmung der Gemeinde und dem größeren Kommunalverbande überlassen. Glaube man, daß irgend eine Gemeinde oder: ein größerer Kommunalverband die Be⸗ stimmung ins Leben rufen werde? Was die Kommission, der Reichstag und der Bundesrath nicht verantworten wollten, würden auch die Ge⸗ meinden nicht vertreten wollen. Er habe den Eindruck: man treibe bei diesen Bestimmungen eine liebenswürdige Koketterie mit der Stärkung der väterlichen Autorität; in der Praxis werde Alles beim Alte bleiben. Dann sollte man sich mit einer Resolution begnügen. Sei ine solche Bestimmung im Gesetze aber enthalten, so habe man nicht die Garantie, daß nicht doch eine Gemeinde davon einmal einen gefährlichen Gebrauch mache. Wolle man die Resolution nicht, so streiche man die Bestimmungen ganz. Die Zustimmung der Arbeiter⸗ kreise zur Arbeiterschutz⸗Gesetzgebung werde man durch solche Be stimmungen nicht erzielen; die Klassengegensätze würden dadurch eher verschärft. (Beifall links.) Abg. Molkenbuhr: Die Lohnabzüge seien heutzutage nicht allgemein, sondern Ausnahmen. Werde dieser Paragraph Gesetz, so erde der größte Theil der Arbeitgeber zu Lohnabzügen greifen. Das einen solchen Lohnabzug zu machen und bei sich zurück⸗ alten, heiße nichts Anderes, als durch Gesetz dem Arbeitgeber s Recht einräumen, eine Zwangsanleihe von 60 Millionen Mark den Arbeitern zu machen, ohne Verpflichtung für den Arbeit⸗ geber, das Geld sicher zu stellen oder dafür Zins zu zahlen. Was würde gesagt werden, wenn seine Partei verlangte, daß die Arbeit⸗ geber verpflichtet sein sollten, dem Arbeiter einen Wochenlohn als Vorschuß zu geben? Diese Anleihe solle doch nur den Zweck haben, den Arbeitgeber für den Fall des Kontraktbruchs des Arbeiters schadlos zu halten. Die Bestimmung werde motivirt mit der bekannten Strikestatistik. Aus derselben gehe aber lediglich hervor, wie viel Arbeiter gestrikt hätten und kontraktbrüchig geworden seien, nicht aber, welches die Ursache gewesen sei. In dem Augenblicke, wo die Arbeiter zum Strike griffen, seien sie meist derart erregt, daß sie sich durch derartig kleinliche Bestimmungen nicht würden be⸗ schränken lassen. Der Erfolg werde keine Strikeverminderung, son⸗ dern lediglich der sein, daß die Arbeitgeber die Zwangsanleihe als Eigenthum in ihre Tasche steckten. Ob diese Bestimmung dazu an⸗ zethan sei, die Zufriedenheit der Arbeiter zu fördern, lasse er dahin⸗ gestellt. Wie so ein Strike zu Stande komme, zeige der Ausstand der Tabackarbeiter in Hamburg, der bereits 13 Wochen dauere. Seit den siebziger Jahren sei der Lohn von 27,60 ℳ pro 1000 Cigarren derselben Sorte bei demselben Fabrikanten auf 20 ℳ, also um ein Drittel, heruntergegangen; dabei seien aber die Lebensmittelpreise be⸗ deutend gestiegen. Die Arbeiter hätten nun von einem Fabrikanten, der durch seine niedrigen Löhne besonders berüchtigt sei, eine Lohn⸗ erhöhung von 15 % verlangt. Der Fabrikant habe 10 % geboten, die Arbeiter hätten sich darauf eingelassen und seien zur Arbeit gegangen. Sie hätten geglaubt, an Stelle von einer Mark in Zukunft 1,10 ℳ zu erhalten. Der Fabrikant babe sich aber eine Liste von 58 Sorten Cigarren angelegt gehabt. Bei gangbaren Sorten habe er eine Lohn⸗ zulage von 3— 4 %, bei anderen Sorten, die gar nicht geraucht würden, eine solche von 15 — 20 % gemacht, sodaß bei den 58 Sorten zu⸗ sammen 580 % oder durchschnittlich 10 % berausgekommen seien. Nach Berechnung der Arbeiter habe thatsächlich die Erhöhung des Lohnes 3 — 4 %, nach Berechnung des Fabrikanten allerdings 73,10 % betragen. Zu gleicher Zeit habe sich der Cigarrenfabrikantenverband gebildet und den Ausschluß aller Mitglieder des Deutschen Taback⸗ und Cigarrenarbeitervereins und des Freundschaftsklubs der Taback⸗ sortirer von der Arbeit beschlossen; und obgleich die Verhandlungen mit den Arbeitern in Hamburg inzwischen fortgeführt worden seien, seien plötzlich am 24. November die Arbeiter, welche Mitglieder jener Vereine gewesen seien, entlassen. Dieser Ausschluß, zumal kurz r Weihnachten, im harten Winter, habe die Arbeiter erregen und allgemeinen Arbeitsniederlegung führen müssen. Was würde es in
ur olchen Fällen den Arbeiter kümmern, wenn er einen Wochenlohn verlöre? Man nehme dabei immer an, daß der Arbeitgeber regel⸗ mäßig zahlungsfähig sei. Ein großer Theil der Erkenntnisse der Gewerbegerichte in Hamburg habe nur durch Zwangsvollstreckung, ein
werden können. Ein Ar⸗ beitgeber, der so schwach bei Finanzen sei, könne leicht dazu greifen, den Arbeitnehmer zu chikaniren, um ihn zu veranlassen, davonzugehen; er behielte dann den Wochenlohn und stecke ihn in die Tasche, obwohl er der moralisch Schuldige sei.
Geheimer Regierungs⸗Rath Dr. Hoffmann: Er theile die Ansicht nicht, daß die gegenwärtige Bestimmung keine Aenderung des geltenden Rechts bedeute. Die Kommissionsvorlage verbiete dem Arbeitgeber, von einem bestimmten Tage an den Arbeitslohn einzubehalten. Es fehle in dem bestehenden Recht an irgend einer Bestimmung, welche es unzulässig erscheinen lasse, derartige Abrechnungen zu treffen, daß ein Theil des Lohnes erst später ausgezahlt werden solle. Die Baarzahlung, die §. 115 der Gewerbeordnung vorschreibe, könne sehr wohl auch zu einem späteren Termine erfolgen. Ebenso wenig stehe entgegen der § 117 der Gewerbeordnung. Man habe sich auf gerichtliche Ent⸗ scheidungen erster Instanz berufen für die Auffassung, daß heute schon Lohneinbehaltungen unzulässig seien. Ihm seien nur wenige Ent⸗
anderer Theil garnicht vollstreckt
scheidungen bekannt geworden, speziell eine eines Landgerichts, die aber
nach ihrer Begründung hier nicht herpasse. Es handele sich um einen Thatbestand, der ganz spezieller Natur und keineswegs typisch
gewesen. Es haadele sich hier nicht um eine Maßregel des Unter⸗
nehmerschutzes, sondern des Arbeiterschutzes. Er bitte, den Kommissions⸗ antrag anzunehmen. 8 1 Abg. Dr. Gutfleisch: Es sei in der Kommission das lebhafte Bestreben gewesen, eine Form dafür zu gewinnen, wie man die Frage der Lohntermine und Lohnfristen regeln sollte, da die gegenwärtige Gesetzgebung Lücken zeige. Man habe sich aber überzeugen müssen, daß es unmöglich sei, alle besonderen Verhältnisse in den verschiedenen Gewerbebetrieben zu übersehen. Deshalb habe man auf ein Kom⸗ munalstatut zurückgegriffen. Was also gestern die Sozialdemokraten an unrichtiger Stelle und in unrichtiger Form beantragt hätten, überlasse seine Partei hier einem Ortsstatut. Auch sie halte es im Grunde nicht für besonders glücklich, dem Ortsstatut zu übertragen, was ge⸗ setzlich geregelt werden sollte. Aber immerhin sei es besser, etwas zu thun, als gar nichts. Die Bestimmung, daß der von minder⸗ jährigen Arbeitern verdiente Lohn an die Eltern gezahlt werden solle, wolle die elterliche Autorität stärken. Heute sei diese Frage in den verschiedenen Landesgesetzgebungen verschieden geregelt. Es könnte sehr wohl vorkommen, daß in einem Etablissement der Lohn für Minderjährige verschieden bezahlt werden müßte, je nachdem der Arbeiter in diesem oder jenem Rechtsgebiete wohne. Was die Frage der kurzen oder langen Lohnfristen betreffe, so habe er nur die Möglichkeit betont, daß sich auch lange Lohnfristen empföhlen.
Erstaunt sei er, wie die Sozialdemokraten die Wohlthaten dieses
§ 119 a, namentlich im ersten Absatz, den Arbeitern entziehen wollten. Der Abg. Bebel selbst habe in der Kommission Fälle angeführt,
wo die Arbeiter mehrere hundert Mark Lohn als Kaution hätten
einer Form zum Ausdruck zu bringen.
stehen lassen müssen; das sei nun nicht mehr möglich nach der neuen Fassung des §. 119 a. Seine (des Redners) Partei wolle nun auch für eine verabredete Strafe ebenfalls die Lohneinbehaltung den Betrag eines Wochenlohnes nicht übersteigen lassen. Nehme man den §. 119 a nicht an, so bleibe die volle Vertragsfreiheit, und den Arbeitern könnten viele Hunderte Kaution wieder auferlegt werden. Wolle man diesen Zustand weiter dauern lassen? Sei nicht gerade nach dieser Seite ein Schutz erforderlich? 8
Abg. Dr. Hirsch: Die Ziffern 2 und 3 des zweiten Absatzes könne er im Gegensatz zum Vorredner nicht billigen; er werde viel⸗ mehr mit der Volkspartei für deren Beseitigung stimmen. Wenn die Sozialdemokraten aber den Abs. 1 ablehnten, weil sie eine Bevormundung des Arbeiters nicht wollten, so sei das ein Widerspruch in sich selbst. Dieser erste Absatz bewege sich ganz in der Richtung des Arbeiterschutzes und stehe nicht nothwendig im Zu⸗ sammenhange mit den Paragraphen, die von der Buße handelten; während er sich also gegen diese erkläre, werde er für den Absatz 1 des vorliegenden Paragraphen stimmen. Seine gestern zurückgezogene Resolution bringe er hier wieder ein, nur lasse er den Hinweis auf Kommunen und Kommunalverbände weg, weil auf deren Beschlüsse der Reichskanzler im Allgemeinen keinen Einfluß habe. Wissenschaft und Erfahrung lehrten, daß beim Einkauf auf Borg eine Erhöhung der Preise und Verschlechterung der Waare eintrete, und darum müfse gerade beim Arbeiter, der vom kärglichen Lohn sich und seine Familie erhalte, dem Borgsystem entgegengetreten werden; diesen Zweck verfolge seine Resolution, welche um so mehr am Platze sei, als sie sich nur auf öffentliche Betriebe beziehe, bei denen manche pekunjäre Interesse, das bei Privaten vorwiegen müsse, zurücktreten könne, und von denen an höchster Stelle bemerkt worden sei, daß sie den Privatzwecken als Muster vorangehen sollten.
Die Debatte wird geschlossen.
Abg. Singer: Vor der Abstimmung bezweifle er die Beschluß⸗ fähigkeit des Hauses.
Abg. Dr. Windthorst: Er beantrage die Vertagung.
Durch Annahme dieses Antrages wird die Debatte um 5 Uhr auf Mittwoch 1 Uhr vertagt.
Haus der Abgeordneten. 41. Sitzung vom 24. Februar 18951010
Der Sitzung wohnen der Minister der geistlichen ꝛc. Ange⸗ legenheiten Dr. von Goßler, der Minister des Innern Herrfurth und der Finanz⸗Minister Dr. Miquel bei.
Die zweite Berathung des Einkommensteuer⸗ gesetzes wird fortgesetzt, und zwar in der Debatte über die §§. 84 und 85 und die dazu gestellten Anträge, sowie über den Gesetzentwurf, betreffend die Abänderung der lex Huene (Verwendung von 20 Millionen Mark für Volks⸗ schulbauten).
Neu eingegangen ist folgender Antrag der Abgg. Freiherr von Zedlitz und Richter:
§. 1. Von dem gemäß §. 1 des Gesetzes vom 14. Mai 188
(Gesetz⸗Samml. S. 128) den Kommunalverbänden zu überweisende
Betrage von der aus landwirthschaftlichen Zöllen eingehenden Summ
haben die Kommunalverbände, soweit sie nicht von dem Minister
des Innern und dem Unterrichts⸗Minister von dieser Verpflichtung entbunden werden, für das Etatsjahr 1890/31 ein Drittel, für das
Etatsjahr 1891/92 ein Viertel zur Unterstützung von Gemeinden
(Gutsbezirken, Schulverbänden) bei Volkeschulbauten bezw. zur Bil⸗
dung von Schulbaufonds zu verwenden.
§. 2. Die Beschlüsse über die Verwendung des §. 1 bedürfen der Genehmigung der Schulaufsichtsbehörde.
Abg. Frör. v. Zedlitz: Er ziehe den von freikonservativer Seite gestellten Antrag zurück. Andererseits werde die freikonservative Partei für den Antrag Enneccerus stimmen, insoweit er aufrecht erhalten sei. Er glaube aber nicht, daß nach den Erklärungen hier im Hause in irgend einer Beziehung ein Antrag, 20 Millionen als Fonds für Schulbauten anzusammeln, Aussicht auf Annahme habe. Deshalb habe er mit dem Abg. Richter versucht, anschließend an den Ge⸗ danken, den der Abg. Frhr. v. Huene in einem Antrag zum Ausdruck gebracht habe, einen Theil der aus der lex Huene flüssig werdenden Mittel zur Befriedigung der Volksschulbauzwecke zu verwenden. Finanziell bedeute der Antrag gleichfalls, daß 20 Millionen zu diesem Zwecke verwendet werden sollten. Wenn im laufenden Jahre die Kreise min⸗ destens 40 Millionen erhielten, so werde, selbst wenn jener Betrag zu Volksschulbauzwecken verwendet werde, immerhin noch die Hälfte übrig bleiben. Dem Bedenken, daß man damit denjenigen Kreisen einen Verwendungszweck auferlege, bei denen kein Bedürfniß vorbanden sei, sei dadurch begegnet, daß diejenigen Kreise oder großen Städte, in welchen solche Zwecke in dem Maße nicht vorhanden seien, von dieser Verpflichtung dispensirt würden. Es sollten nur diejenigen Kreise angehalten werden, einen Theil der Zuwendung für Schul⸗ bauzwecke zu verwenden, in denen in der That ein Bedürfniß zur Unterstützung der Gemeinden vorhanden sei. Es werde also der Grundgedanke der lex Huene in keiner Weis alterirt. Der Antrag liege auch keineswegs außerhalb des Rahmens dieses Gesetzes. Es werde der künftigen Steuerreform nicht präjudizirt, sondern ihr im Gegentheil thunlichst positiv in
die Ueberweisung der Grund⸗ und Gebäudesteuer
Indem der Antrag den ärmeren Landes⸗
er meine die östlichen Provinzen, eine Erleichterung kommunalen Verpflichtungen zu Theil werden lasse, fördere rselbe den Gedanken der Ueberweisung der Grund⸗ und Gebäudesteuer. Redner wendet sich nunmehr gegen die übrigen Anträge, speziell auch den konservativen, den er für finanzpolitisch und konstitutionell bedenklich hält. Es sei ganz zutreffend, daß man nicht noch eine weitere Erleichterung der mittleren und kleinen Ein⸗ kommen in Auesicht stelle, weil dieselbe nicht nothwendig und finanziell
8
5 n e
L
nicht realisirbar sei. Wenn man überhaupt Grund⸗ und Gebäude⸗
steuer und auch die Gewerbesteuer beseitigen wolle, so müsse man die Mittel aus den Mehrerträgen dieser Vorlage nehmen. Der Hin⸗ einziehung der Frage der Quotisirung in diese Vorlage könne er nicht zustimmen. Es sei kein „Zweifel, daß, wenn in der Konfliktszeit die Quotisicung bestanden hätte, die Regierung damals ohne Etat nicht die Zwecke hätte erfüllen können, welche nachher die große Mehrheit des Volkes durch Ertheilung der Indemnität an⸗ erkannt habe. Er theile nicht die Ansicht, daß durch die Quotisirung eine wesentliche Verschiebung der Machtverhältnisse in Preußen herbeigeführt werden würde. Er habe aber keine Ver⸗
anlassung, den Gedanken der Quotisirung gerade hier zu verfolgen,
und es sei auch nicht gut, in einer Zeit, wo alle staatserhaltenden
Elemente sich zusammenschaaren müßten und man große Aufgaben vor sich habe, diesen Versuch zu unternehmen. Die Vorlage wolle ja durchaus nicht der Staatskasse selbst weitere Mittel zuführen. Es sei nicht nöthig, das Prinzip der I in dieser Vorlage in irgend 2 as Prinzip der Quotisirung stehe allerdings schon in dem Verwendungsgesetz (Portemonnaiegesetz), das aber bisher ein todter Buchstabe geblieben sei. Was der Abg. Graf Kanitz gegen die Quotisirung sagte, schieße allerdings weit über das Ziel hinaus; denn die Eisenbahntarife ließen sich nicht beliebig herauf⸗ und heruntersetzen, sondern richteten sich nach dem Verkehrs⸗ bedürfnisse. Uebrigens sei der Erlaß von drei Monatsraten im Be⸗ trage von 20 Millionen auch gegenüber unserem großen Etat nicht ganz bedeutungslos. Er sei bereit, bei der definitiven Steuerreform auch die Frage der Quotisirung zu erwägen, werde es aber dankbar begrüßen, wenn die Regierung selbst mit entsprechenden Anträgen käme. Bei einer Beschwerung dieser Vorlage durch die Quotisirung sei im Herrenhause nicht auf Annahme zu rechnen. Man möge also im Interesse des Zustandekommens des Gesetzes die Quotisirung heraus⸗ lassen und lediglich den Kommissionsantrag mit dem von ihm einge⸗ brachten Antrag annehmen.
Finanz⸗Minister Dr. Miquel: 3
Meine Herren! Vor der Abstimmung möchte ich doch die Stellung der Staatsregierung zu den einzelnen Anträgen noch etwas bestimmter bezeichnen, als ich das in meinen ersten einleitenden Be⸗ merkungen gethan habe.
Ich bin den Verhandlungen des Hauses und der Begründung der Anträge durch die verschiedenen Redner sehr aufmerksam gefolgt und kann nur an meiner Ansicht, die ich schon früher ausgesprochen habe, festhalten, daß es richtig ist, sämmtliche Anträge abzulehnen, 1 sie von der Regierungsvorlage abweichen, und nur eventuell, wenn die Regierungsvorlage keine Gnade vor Ihren Augen finden sollte, die Kemmissionsanträge anzunehmen.
Meine Herren, von verschiedenen Seiten, namentlich von dem Hrn. Abg. Richter, ist gestern wiederum hervorgehoben, daß das ganze Reformwerk der Staatsregierung ein nebelhaftes, unklares und dunkles sei. Womit ist diese Behauptung begründet? — nur dadurch, daß nicht schon jetzt alle Modalitäten des zweiten Schrittes der Reform der Ueberweisung von Grund⸗ und Gebändesteuer in Verbindung mit einem Kommunal⸗ steuergesetz und in dem Bestreben, einen zweckmäßigen Unterschied in der Besteuerung des fundirten und nichtfundirten Einkommens zu machen, hier bereits vorliegen. Ich glaube, Sie werden mir zu⸗ stimmen, wenn ich sage: wenn schon diese Vorlage, die, wie ich be⸗ haupte, auch ganz abgesehen von dem zweiten Schritt der Reform in sich ihre volle Berechtigung hat, die einen offenbar mangelhaften Za⸗ stand unserer wichtigsten Steuer, der Veranlagung der Einkommen⸗ steuer, Abhülfe schaffen soll, — so große macht un so viele Gegner fin e cji Gebiet so wäre nach meiner Meinung ein Versuch, den ersten Schritt der Reform mit dem zweiten zu verbinden, gleich dem unbedingten Scheitern der ganzen Reform gewesen. (Sehr richtig! rechts.) Diejenigen also, die die Reform planmäßig bis zum letzten Zug durchführen, können auf solche Rathschläge sich nicht einlassen.
Wo liegt denn die Unklarheit? Wir wollen erstens bei der Ein⸗ kommensteuer eine große und gleichmäßige Heranziehung des Einkommens bei allen Steuerpflichtigen, wie wir sie bisher thatsächlich — das is allseitig anerkannt, auch von dem Hrn. Abg. Richter — nicht hatten. Wir wollen eine Erleichterung der unteren Steuerstufen, das Gesetz wird das herbeiführen. Wir wollen in der Gewerbesteuer gleichzeitig gerechte Veranlagung nach Maßgabe der Größe der Gewerbe⸗ riebe und eine bedeutende Entlastung der bisher überlasteten kleine⸗
Betriebe. Wir werden dadurch die Mittel erlangen, in Ver⸗ mit den uns nun zur Disposition stehenden Mitteln aus fkommen der landwirthschaftlichen Zölle zu dem zmeiten berzugehen, den ich schon oft bezeichnet habe, zur Beseitigung elbesteuerung, die hier eigentlich Niemand mehr zu vertheidigen (Sehr gut!)
Meine Herren, die Nothwendigkeit, der Ueberlastung des Grund⸗ besitzes und auch der Gewerbebetriebe demnächst eine Ende zu machen, wird gerade durch diese Vorlage aufs Aeußerste verschärft; denn so lange das Einkommen auch aus dem Grundbesitz mangelhaft veranlagt war, so lange nur ein geringer Theil des Reineinkommens in der Form der Einkommensteuer herangezogen war, trat dieser Druck der Besteuerung des Bruttoeinkommens ohne Abzug der Schulden aus dem Grund und Boden, neben der vollen Besteuerung des vollen Reineinkommens in der Schärfe nicht hervor, wie es in der Zukunft der Fall sein wird, und schon aus diesem Grunde muß nach meiner Meinung das Bestreben, dieser Doppel⸗ besteuerung ein Ende zu machen, soweit es die Finanzlage irgendwie gestattet, verschärft werden durch die Vorlage, wie wir sie hier votiren.
eshalb ist es auch nicht richtig, wenn der Hr. Abg. Weber meinte, es sei die Ueberweisung der Grund⸗ und Gebäudesteuer ledig⸗ lich als ein Schlepper dieses Einkommensteuergesetzes betrachtet worden. Nein, sie stehen in unerläßlichem Zusammenhang. Denn wenn man meines Erachtens die Unzertrennlichkeit beider Fragen bisher schon nicht leugnen konnte, muß man zugeben, daß sie in Zu⸗ kunft noch verschärft werden wird.
Meine Herren, nun gehen wir aber noch einen Schritt weiter und sagen: es kann mit der bloßen Reform der Staatssteuern uns auch nicht allein gedient sein, wir müssen aus der vorangegangenen Reform der Staatssteuern die Konsequenzen auf die Reform der Kommunal⸗ steuern zieher, und gerade der Hr. Abg. Richter hat früher mir in seiner Presse immer vorgeworfen, daß mein Streben, die Staats⸗ steuern zu reformiren ja nur die Nebensache träfe, die Hauptsache sei die Reform der Kommunalsteuern. Gut, diese Konsequenz ziehen wir, und die Voraussetzung dieser Reform der Kommunalsteuern ist eben die Ueberweisung der Grund⸗ und Gebäudesteuer.
Aber weiter! Wer wie der Hr. Abg. Broemel hier eine Rede hält, wo er in den allerschärfsten Ausdrücken die schreiende Ungerechtig⸗ keit der gleichmäßigen prozentualen Besteuerung des fundirten und nichtfundirten Einkommens entwickelt, in solchen Ausdrücken, daß man wohl daraus konkludiren muß, daß er, wenn nicht schon jetzt seinen Wünschen entsprochen wird, dann das Gesetz für eine schreiende Un⸗ gerechtigkeit hält, — der kann doch auf die Frage: wie soll denn dieser Frage näher getreten werden, so lange die Gewerbsteuer, so lange wenigstens die Grund⸗ und Gebäudesteuer als Staatssteuer besteht, gar keine Antwort geben. Wir werden auch zu einer richtigen Regelung der verschiedenen Besteuerung der fundirten und nicht⸗ fundirten Einkommen ohne Ueberweisung der Grund⸗ und Gebäude⸗ steuer gar nicht gelangen. Im ganzen Hause — ich habe noch keine entgegengesetzte Stimme gehört — ist aber die Anschauung verbreitet, daß demnächst zur Vollendung der Steuerreform, zur Herstellung einer wirklichen Gleichmäßigkeit der Steuerlast nach Maßgabe der Leistungs⸗ fähigkeit die Lösung dieser Frage gehört.
Meine Herren, das sind doch ganz klare und einfache, unzertrenn⸗ lich zusammenhängende Gedanken, da ist von einer Unklarheit, von einer Nebelhaftigkeit nicht entfernt die Rede. Nun frage ich aber: welches Programm haben die Herren von der freisinnigen Partei diesem Programm der Staatsregierung gegenübergestellt! Meine Herren, ich habe schon in meiner ersten einleitenden Rede gesagt, daß ich wohl hoffen dürfte, daß Diejenigen, welche das Programm, die ganzen Grundlagen der Steuerreform der Staatsregierung ver⸗ werfen, sich gegenüber der doch von allen Seiten im ganzen Lande anerkannten Reformbedürftigkeit der gegenwärtig bestehenden Staatssteuer verpflichtet halten müssen, ein positives Programm dem Regierungsprogramm gegenüberzustellen. Jetzt frage ich einen der Herren aus den übrigen Parteien: Haben Sie irgend eine Idee über
p eh
t
„8 ☛ 90 5äs—
— 2
02
9 ₰
☛ ☛ 8 20 8 S 92
8
r.
2
G * 8 —2
—
&
er wag
288˙3. 2 ☛ 21
Meine Herren, ich will das etwas näher beleuchten. Der Hr.
Abg. Rickert hbat in der Kommission erklärt, er stimme gegen das Gesetz lediglich wegen des Mangels der Quotisirung; er sei ein ent⸗
schied gr7 d der Do ; 2 2 . . 8 schiedener Freund der Deklaration, und im Uebrigen sei er mit dem
Gesetz einverstanden. Der Hr. Abg. Richter hingegen hat uns gestern 1
eine Philippika hier gehalten gegen die Ueberweisung von Grund⸗ und Gebäudesteuer und dieselbe als ein rein agrarisches Programm be⸗ zeichnet. Da habe ich also schon einen b Redner aus dieser Partei, welcher erklärt: auch wenn die Quotisirung von der Staatsregierung angenommen würde, würden wir doch gegen das Gesetz stimmen. Noch heftiger hat er sich gegen das Gesetz in der Richtung gewandt, daß es das Wahl⸗ recht verändere, und man kann daher wohl die Befürchtung hegen, daß, selbst wenn die Staatsregierung die Quotisirung angenommen hätte, dann doch schließlich noch andere Gründe vorhanden gewesen sein würden, das Gesetz nicht anzunehmen. (Heiterkeit. Sehr richtig!) Auf die Aeußerung des Hrn. Abg. Broemel in dieser Be⸗
hervorragenden
ziehung ja auch schon hingewiesen.
Nun, meine Herren, ich kann alf die Herren als Partei ertheilen; die en Redner sind unter⸗ einander im Widerspruch, aber nur in Betreff Negation, ein positires Gegenprogramm habe ich keinesfalls ge (Sehr gut! rechts.) Ich hätte doch gewünscht, daß die Herren — auch der Hr. Abg. Richter hat ja gesagt: gegen die Deklaration bin ich an sich ja nicht, aber es kommt auf die Modalitäaten an; er hat uns aber die Modalitäten nicht namhaft gemacht — uns bestimmt erklärten: wir halten uch die Einkommensteuer, wie sie heute besteht, für unhaltbar, wir halten sie für unbedingt reformbedürftig, wir acceptiren das einzi — denn wir haben auch kein anderes Mittel vorzusch essern: die Deklaration und die zweckmäßige kaltun anlagungsverfahrens; wir wollen die Grund⸗ und Gebäudesteue
isen oder nicht überweisen, — eins von beiden; dar lar sein. (Zuruf links: lex Huene!) — u ex Huene habe ich mich in der bestimmtesten Weise Ich s : diesem Verhalten k
ziehen, höchstens die, daß Regierungsvorlage Wege ist. (Sehr richtig! rechts Heiterkeit.)
Meine Herren, ich komme nun auf diejenigen2 von einigen Seiten dahin gerichtet waren, daß sie rechts als links ist das ausgesprochen, ent Abg. Weber hat auch eine solche die §§. 84 und 85 seien eigentlich gar nicht nöthig. Ja, meine Herren, nöthig für die Reform des Einkommensteuergesetzes an sich sind sie nicht, und ich wäre der Meinung, wir könnten das Einkommensteuergesetz durchführen ohne diese beiden Paragraphen (hört! hört!) und können schließlich doch thun, was in diesen Para⸗ graphen steht. Vollkommen zutreffend! 3 doch immer werthvoll, wenn von vornherein durch den . 84 und durch den §. 85 in einer durch das Gesetz festgelegten Weise di Staatsregierung dahin sich ausspricht, 8 st W“ — die Staatskasse unmittelbar aus der Steuerreform erwartet, so diese Mehrerträge lediglich zur weiteren Durchführung der reform verwenden will,
8 b
EE verschiedene
7
513 00
Das halte ich für werthvoll; nicht minder
meine Herren, es ist.
aber, daß darüber kein Zweifel gelassen wird, daß diese Zweckverwen⸗
dung wesentlich die Ueberweisung von Grund⸗ und Gebäudesteuer ist. X& an 8 ;„ 88 8 6 Ich glaube, es sitzen neben dem Hrn. Abg. Weber eine Reihe von
Abgeordneten, die ich hier vor mir sehe, die schon an und für sich etwas mißtrauisch geworden sind, ob es denn wirklich zur Ueber⸗ weisung der Grund⸗ und Gebäudesteuer kommen wird, die da
wie die Anträge zeigen — schon jetzt einen Schritt weiter gehen möchten Ich habe früher schon dargethan, daß das nicht möglich ist. Ja, was würden diese Herren erst gesagt haben über das Einkommen⸗ steuergesetz, wenn der §. 84 nicht darin gestanden hätte! Sie würden erwidert haben: wir sollen noch mehr Steuern bezahlen, und entlastet dieser ungerechten Doppelbesteuerung sollen wir auch nicht Meine Herren, es war richtig, jede Beruhigung die ernstliche Absicht der Staats⸗ regierung in dieser ung zu geben, die man überhaupt zu geben vermag.
Meine Herren, nun w den §. 84 und wollen den! keiner Weise beitreten.
Meine Herren, wenn wir bis zum Jahre 1895, wie die Regie⸗ rung vorgeschlagen hat, wirklich nicht zu einem weiteren Schritt in der Reform kommen sollten, dann kann das Geld auch nicht auf ewige Zeiten thesaurirt bleiben (sehr richtig!), dann muß doch irgend eine Verwendung der Mittel vorhanden sein, das war der §. 85. Die Herren dort fürchten wahrscheinlich, daß, wenn der §. 85 auf den §. 84 folgt, der §. 84 keine Realisirung möglicherweise finden würde. Ich theile in dieser Beziehung ganz die Ansicht des Hrn. Abg. von Zedlitz. Der §. 85 verstärkt die Sicherheit des Insleben⸗ tretens des §. 84. Wollen doch die Herren sich einmal die Lage der Sache vorstellen im Jahre 1894. Wir haben Mehreinnahmen jedes Jahr gehabt, ich will sagen 15 Millionen, wir haben 30 Millionen aufgehäuft; Sie haben dafür gar keine andere gesetzliche Verwendung als Behufs Durchführung des Steuerreformprogramms, Sie köͤnnen nichts zur Schuldentilgung, nicht einmal nach Ihrem Beschluß zu allgemeinen staatlichen Ausgaben sonstiger Art verwenden. Und jetzt wird einem preußischen Abgeordnetenhause die Frage vorgelegt: sollen diese Gelder und die in Zukunft aufkommenden Nherehr115 das Programm, welches nun die Herren von jener Seite (links) wollen? (Heiterkeit.) zur Beseitigung der bestehenden Doppelbesteuerung, zur Ver⸗ wandlung der Grund⸗ und Gebäudesteuer in eine Kommunal⸗ steuer als Grundlage der weiteren Reform der Kommunal⸗ besteuerung dienen, oder sollen diejenigen Klassen, welche in der Ein⸗ kommensteuer nur ein Reineinkommen zahlen, nur soviel, als sie zu zahlen nach ihren Vermögensverhältnissen wohl im Stande sind, nun wieder entlastet werden durch Reduktion der Sätze in der Einkommensteuer? Ich kann mir nicht denken, daß ein preußisches Abgeordnetenhaus gefunden wird, welches die letztere Frage gegen die erstere bejahen sollte.
Stellen Sie sich den Fall nur sehr scharf und deutlich so in Frage gestellt vor, so ergiebt sich die Antwort von selbst; aber ich wiederhole, wenn man dennoch mit der weiteren Durchführung der Steuerreform nicht zum Ziele kommen könnte, wenn man dann einen ganz anderen Weg einschlagen müßte, wenn man die Grund⸗ und
Auch dem kann ich in
Gebäudesteuer als Staatssteuer behielte, wenn man dann, natürlich
8 8