lassen, hätten ja erst die Vorkommnisse der letzten Zeit Anlaß geboten! (Beifall.) — Abg. Grillenberger: Der Abg. Dr. von Frege habe behauptet, er (Redner) hätte über die Herbeiführung einer gewalt⸗ samen Revolution früher andere Ansichten geäußert, als gestern; das sei eine Unwahrheit, und weder aus seinen Reden hier, noch außerhalb des Parlaments, noch aus der Presse werde er die Richtig⸗ keit seiner Behauptung erweisen können. Seine Partei sage nur, daß ie Entwickelung des Kapitalismus zu einer anderen Gesellschaftsordnung hindränge; außerdem wolle sie die Lage der ärmeren Bevölkerung auch schon bei der jetzigen Gesellschafts⸗ ordnung verbessern, worin die Mehrheit sie leider niemals unterstütze, die, wie auch die Berathung der Gewerbe⸗ ordnungsnovelle zeiäe, nie auch nur das geringste Opfer bringen wolle. Der Abz. Dr. Windthorst meine, mit den Elementen, mit denen man eventuell einen Straßenkampf auszufechten haben würde, seien nicht die Sozialdemokraten, sondern die Anarchisten gemeint. Nun, mit den Anarchisten würden die Sozialdemokraten schon fertig werden, und es sei ihr Stolz, daß sie sich auch in den Zeiten, wo das Sozialistengesetz am schlimmsten auf sie gedrückt habe, vor dem Hinneigen zum Anartchismus bewahrt hätten. Der Reichskanzler selbst habe, indem er betont habe, wenn kein Entgegenkommen nütze, so sei doch schließlich der Straßenkampf gegen Staats⸗ und Gesell⸗ schaftsordnung angreifende Elemente unvermeidlich, diese Gesellschafts⸗ ordnung für bankerott erklärt. Der Abg. Dr. Windthorst habe sich auf eine Aeußerung des Abg. Heine in der Droschken⸗ kutscherversammlung bezogen. Doch in keinem liberalen Blatte habe er eine Andeutung gefunden, als ob der Abg. Heine den gegen⸗ wärtigen Umsturz empfohlen hätte; nur die „Germania“ habe einen aus dem Zusammenhang gerissenen Satz gebracht, worin davon die Rede gewesen sei, daß französische Revolutionäre zur Gewalt schreiten könnten. Die deutschen Sozialisten hätten stets eine andere Taktik befolgt. Der Abg. Dr. Windthorst verwechsele über⸗ haupt mehrfach den Hinweis auf die wirthschaftliche Revolution, in der man sich befinde, mit einer gewaltsamen Revolution. Die wirthschaftlich schlechte Lage des Adels rühre nicht von dem in den Schlachten vergossenen Blute, sondern von ihrem unwirthschaft⸗ lichen Verhalten her. Die wirthschaftliche Lage des Volks sei in letzter Zeit nur für Diejenigen besser geworden, deren Vertreter auf der anderen Seite des Hauses säßen. Wenn man die ungünstigen sozialen Verhältnisse nur darauf schiebe, daß die Arbeiter pom Lande in die Stadt zögen, so könne man dem entgegenwirken ich Ein⸗ führung des Zonentarifs, welcher den Leuten die Rückkehr nach dem Lande erleichtern werde. Der Abg. Dr. von Bennigsen habe den Sozialdemokraten zum Vorwurf gemacht, daß der größte Vertreter der Wissenschaft in ihren Reihen, Marx, ausgeführt habe, im Pro⸗ gramm der Sozialdemokratie stände, für die Uebergangszeit sei eine gewaltsame Revolution der Proletarier nöthig; ja, Marx sage das, aber eben weil die Sozialdemokraten sich ihm darin nicht angeschlossen hätten, hätten sie seinen Zorn erregt; das könne ihnen doch hier nicht zum Tadel gereichen! Es werde gesagt, daß man die Soldaten und Unteroffiziere üͤber ihre Bezüge urtheilen lassen solle. Warum billige man das gleiche Recht nicht auch den Arbeitern zu? Nun werde noch gesagt, im eigenen Interesse des Volks liege es, diese Forderung zu bewilligen, weil die Besserung der Gehälter der Unteroffiziere in den Familien, aus denen diese Unteroffiziere stammten, sehr populär sei. Aber seine Partei kümmere sich nicht um die Popularität einer Maßregel; sondern weil sie ihren Wählern versprochen habe, gegen jede Erhöhung des Militäretats zu stimmen, sei sie gegen diese Position.
Abg. Dr. Windthorst: Wenn nachgewiesen werde, daß zur Erhaltung der Tüchtigkeit der Armee, zu deren wesentlichen Faktoren ein gutes Unteroffiziercorps gehöre, Dienstprämien nöthig seien, so müsse der Reichstag dieselben bewilligen. Er könne dem Abg. Grillen⸗ berger wiederholentlich versichern, daß diese Forderurg in weiten Kreisen der Bevölkerung sehr populär sei. Zu seiner (des Redners) auf⸗ richtigen Freude habe der Abg. Grillenberger den Satz aufgestellt: Wir wollen keine Gewalt, wir wollen Alles im Wege der Ordnung erreichen. Frühere Reden seiner Fraktionsgenossen hätten anders geklungen, haten die Pariser Kommune und Alles, was damit zusammengehangen habe, verherrlicht. Gestern habe es der Abg. Grillen⸗ berger geradezu für Wahnsinn erklärt, auf den Weg der Gewalt überzutreten, weil die Entwickelung der Armee und der Waffen es unmöglich mache, Widerstand zu leisten. Wenn nun diese Waffen nicht wären, was dann? (Sehr gut!) Jedenfalls sei das ein Grund, diese Waffen zu behalten. Hätte man sie nicht, so würden die Sozial⸗ demokraten vielleicht anarchistischer sein als die Anarchisten selbst. Die gestrigen Worte des Reichskanzlers seien auch nur gegen Die gerichtet, die Gewalt anwenden wollten, und er könne sicher sein, daß er die große Mehrheit hinter sich habe. Der Abg. Grillenberger habe ferner erklärt, daß er die Aeußerungen von Marx ablehne. Das beweise ihm (dem Redner), daß es unter den Sozialdemokraten keine Einig⸗ keit mehr gebe. Die Zersetzung werde jetzt noch rascher vor sich gehen, nachdem der Druck des Sozialistengesetzes fortgenommen sei. Es sei aber für jetzt ungeheuer wichtig, daß man das Feld, auf dem man sich bekämpfe, genau abstecke.
Abg. Rickert: Was heute in Frankreich vor sich gehe, sollte doch hier bei einer rein militärisch⸗technischen Frage nicht mit in Betracht gezogen werden. Man sollte mit einer vornehmen Ruhe darauf blicken, wie es einer großen Macht gezieme. Seine
Partei sehe es gerne, wenn die Herren von der Militärverwaltung mit der ihnen eigenthümlichen Kraft und Energie für ihr Ressort einträten, aber es müßte auch rein militärisch sachlich geschehen. Seine Partei sei der Ansicht, daß die Unteroffizierprämien schädlich seien. Auch er habe Briefe von Unteroffizieren bekommen, die ies Maßregel durchaus für unwirksam fänden. Der Abg. Dr. von Bennigsen wisse auch, daß, wenn es der Ueberzeugung seiner (des Redners) Partei entspreche, sie für eine Forderung stimme selbst auf die Gefahr der Unpopularität. Sie habe auch sehr wohl positive Vorschläge und sei keineswegs auf die Negative beschränkt. In der Kommission habe sie Alterszulagen für Unteroffiziere vorgeschlagen. Man sti aber darauf nicht eingegangen. Er köͤnne sich nur dem anschließen, was der Abg. Richter gesagt habe, daß es sehr bedauerlich sei, wenn der Reichskanzler bei der vorliegenden Frage den früher üblichen Ton angeschlagen und ferner auch die Sozialdemokraten in die Debatte gezogen habe. Bei den Sozialdemokraten handele es sich nur um einen geistigen Kampf, und diesen sei auch seine (des Redners) Partei bereit, auszukämpfen. Er halte es aber nicht für zweckmäßig, daß
die Sozialdemokraten immer daran erinnere, wie mächtig sie
und immer in Aussicht stelle, an die Gewalt appelliren zu Direkte Gefahren seien auch gar nicht vorhanden. Sollte
. die Armee von den sozialdemokratischen Gesinnungen ergriffen werden, dann werde kein Mittel belfen und man sei doch verloren; er glaube aber daran nicht, sondern habe Vertrauen zu der Festigkeit des Staatswesens. Die Rücksichtnahme des Reichskanzlers auf die Sozial⸗ demokratie wünschte er eher bei der bevorstehenden Revision des Zolltarifs. Die Getreidezölle hätten die Reihen der Sozialdemokraten wesentlich ge⸗ stärkt. Der Reichskanzler habe auch heute ebenso wie früher sein
Amtsvorgänger von der Fortschrittspartei gesprochen. Er habe wahr⸗ scheinlich keine Kenntniß davon, daß eine Fortschrittspartei heute
nicht mehr existire. Er (Redner) würde kein Wort über die Sache verloren haben, wenn der Reichskanzler nicht die Gelegenheit benutzt hätte, der Partei ein Sündenregister vorzuhalten. Es sei ungefähr dasselbe gewesen, was in einer nationalliberalen Broschüre stehe. Es dele sich aber dabei wesentlich um die Fortschrittspartei von 1866, während die freisinnige Partei erst seit 1884 bestehe. In der beutigen freisinnigen Partei sitze eine große Zahl von Männern, ie ganze Reformgesetzgebung von 1866 bis 1880 mit⸗ aben. Auch noch in einer anderen Beziehung zeige sich eine Aehnlichkeit des jetzigen Reichskanzlers mit dem Fürsten Bismarck. Bismarck habe Lasker und ihm (dem Redner) gegenüber erklärt, es wäre ihm immer unangenehm, wenn er Anerkennung und Lob von der freisinnigen Seite fände, er wäre dann im Zweifel, ob er auf dem richtigen Wege wäre. Daran habe ihn auch das „unbehagliche
Gefühl“ erinnert, welches der Reichskanzler von Caprivi habe,
wenn die schrittspresse, wie er gemeint habe, ihm genossenschaft anbiete. Er (Redner) lese nicht allzuviel Zeitungen; er könne also nicht sagen, wie weit dies zutreffe. Die ganze Sache habe auf ihn den Eindruck gemacht, es sei wohl nicht die Absicht, aber jedenfalls der Erfolg der Rede des Reichskanzlers gewesen, eine gewisse Besorgniß zu zerstreuen bei jenen Herren und vielleicht in anderen Kreisen, als ob die freisinnige Partei sich herandränge mit ihrer Freundschaft an den Reichskanzler. Der Reichskanzler könne versichert sein, daß sie dieses Herandrängen nicht merke. Er habe nicht nöthig gehabt, eine Ablehnung zu geben, da ein Antrag von seiner (des Redners) Partei nicht gestellt worden sei. Seine Partei habe die feste Hoffnung gehegt, ihr Verhältniß zur gegenwärtigen Regierung würde ein besseres werden, namentlich äußerlich, als unter dem Fürsten Bismarck. Sie habe diese Hoffnung gehegt in der festen Ueberzeugung, daß sie nichts verlange, daß sie keinen Vorzug in Anspruch nehmen wolle, sondern nur das gleiche Recht, welches in einem Verfassungsstaat jede Partei für sich beanspruchen könne. Seine Partei verlange nichts von der Regierung, als das Recht, nach ihrer Ueberzeugung gewisse Geschäfte hier zu führen, die ihr Kraft der Verfassung ein Votum des Volks in die Hände gelegt habe. Diese Debatte habe ihn an die vergangene Zeit erinnert, an die Debatte über den Dritten Direktor im Auswärtigen Amt. Sehr frappant sei die Aehnlichkeit, eine Photographie, man brauche bloß Unteroffizierprämie an die Stelle des Dritten Direktors zu setzen. Er glaube, das werde man auch im Lande verstehen. Der Reichskanzter verlange, seine Partei möchte zeigen, daß sie zu den staatserhaltenden Parteien gehöre. Ja, sie habe zehn Jahre lang in dem Feuer der Reichs⸗ feindschaft gestanden, sie habe dieses Feuer ausgehalten, und große Kreise des Volkes seien an ihr nicht irre geworden. Sie werde auch durch die gestrige und die heutige Rede des Reichskanzlers nicht irre werden in ihren Anschauungen. Sie werde sich sachlich genau so zu ihm verhalten, wie vorher, ob er ihr zustimme, oder nicht; aber die Versicherung könne er (Redner) ihm geben: sie sei in ihren Bestrebungen und Ueberzeugungen unabhängig genug, um auf ein offizielles Zeugniß verzichten zu können, daß sie zu den staats⸗ erhaltenden Parteien gehbre.
Die Diskussion wird geschlossen.
Nach einer persönlichen Bemerkung des Abg. Richter wird unter Ablehnung der Regierungsvorlage und des Antrages Hammacher der Antrag Windthorst mit großer Mehrheit angenommen. —
Der Rest des Kapitels, „Geldverpflegung der Truppen“, gelangt ohne Debatte zur Annahme.
Um 5 Uhr wird die weitere Berathung des Militär⸗Etats
auf Montag 1 Uhr vertagt.
Nr. 8 der Veröffentlichungen des Kaiserlichen Ge⸗ sundheitsamts vom 24. Februar 1891 hat folgenden Inhalt: Ge⸗ sundheitsstand. Volkskrankheiten in der Berichtswoche. — Cholera⸗ Nachrichten. — Fleischvergiftung in Löbtau. — Erkrankungen und Sterbefälle in der preußischen Armee ꝛc. 1890, 1. Halbjahr. — Sterbefälle in deutschen Städten mit 40 000 und mehr Einwohnern. — Desgl. in größeren Städten des Auslandes. — Erkrankungen in Berliner Krankenhäusern. — Desgl. in deutschen Stadt⸗ und Land⸗ bezirken. — Verwaltungsbericht des Raths der Stadt Leipzig 1887 und 1888. — Jahresbericht des Gesundheitsamts des Staats New⸗York 1889. — Witterung. — Zeitweilige Maßregeln gegen Volkskrankheiten. — Thierseuchen in Ungarn, 30. September bis 30. Dezember 1890. — Rinderpest in der Türkei. — Veterinär⸗ polizeiliche Maßregeln. — Medizinal⸗Gesetzgebung u. s. w. (Württem⸗ berg.) Arzneibuch für das Deutsche Reich. — Arzneitaxe. — (Baden.) Fleischbeschau — (Reuß ä. L.) Arzneibuch für das Deutsche Reich. — (Italien) Zahnärzte und Empiriker. — Rechtsprechung. Vertrieb von Arzneimitteln ꝛc. außerhalb der Apotheken. (Fortsetzung.) — Ver⸗ handlungen von gesetzgebenden Körperschaften. (Frankreich.) Pharma⸗ zeutische, hygienische und Toilette⸗Spezialitäten. Gesetzentwurf. — Vermischtes. (Preußen. Berlin.) Desinfektion von Wohnungen.
Entscheidungen des Reichsgerichts.
Die Wirksamkeit einer Cession tritt, nach einem Urtheil des Reichsgerichts, IV. Civilsenats, vom 1. Dezember 1890, im Ge⸗ biet des Preuß. Allg. Landrechts schon mit der Erklärung der Cession, nicht erst mit der Mittheilung derselben an den Schuldner ein. Der Schuldner kann demnach dem Cedenten, welcher ihn trotz erfolgter Cession in Anspruch nimmt, den Einwand der fehlenden Aktivlegitimation entgegensetzen, auch wenn ihm die Cession noch nicht bekannt gemacht worden. Die gesetzlich vor⸗ geschriebene (§. 413 flg. I. 11 A. L. R.) Bekanntmachung der Cession an den Schuldner bezweckt nur die Sicherstellung des gutgläubigen Schuldners gegenüber dem Cedenten und dem Cessionar.
— Der Vorstand einer Aktiengesellschaft ist nach einem Urtheil des Reichsgerichts, I. Civilsenats, vom 6. Dezember 1890, befugt, auf Kosten der Aktiengesellschaft Behufs Ab⸗ wehr von Angriffen gegen die Geschäftsleitung und die für die Geschäftsleitung maßgebenden Grundsätze solche Gegenerklärungen durch Druck herstellen und verbreiten zu lassen, welche er im Interesse der Gesellschaft für zweckdienlich hält; eine ausdrückliche Kennzeichnung dieser Gegenerklärungen, daß sie vom Vorstande ausgehen, ist gesetzlich nicht erforderlich.
Statistik und Volkswirthschaft.
Die öffentlichen Gebäude in Preußen insbesondere. Von erheblichem Interesse ist die Art und Weise, in welcher sich die Gebäude zu öffentlichen Zwecken nach ihren einzelnen Arten im Staate, in den Provinzen und Regierungsbezirken vertheilen. Die Zusammenstellung hierunter giebt für den Staat die erforderliche
Auskunft. Von sämmtlichen Gebänden bezeichneter Art waren
überhaupt Prozent
Gebäude für Unterrichtszwecke . . .. 36 274 23,3 Diensthäuser für Geistliche und Schullehrer 19 258 12,4 Gebäude für den Gottesdienst . . . . 22 944 14,8
Armen⸗, Kranken⸗, Siechenhäuser ꝛc.. yII1n 2,0 Gebäude für Verkehrszwecke . . . . . 23 057 Gerichts⸗ ugd Gefängnißgebäude . 2 797 Gebaude ss milltärlsche 1“*“*“ c;;;;;;;11114121n“ sonstige Gebäude für öffentliche Zwecke 10 077 6,5 „Es sind hierbei als Gebäude für Unterrichtszwecke die Uni⸗ versitäten und deren wissenschaftliche u. s. w. Institute, die Gymnasien, Seminare, Präparandenanstalten und sonstigen Schulen, die Akademien, Konfirmandenhäuser und Turnhallen gezählt worden, als Diensthäuser diejenigen für Lehrer und Organisten, sowie für Geistliche (Pfarrer, Kapläne, Vikare) und Käster, als Gebäude für den Gottesdienst die Kirchen, Kapellen, Bethäuser und Synagogen, als Armen⸗, Kranken⸗, Siechen⸗ u. s. w. Häuser auch die Hospitäler, Irrenanstalten, Pfarrerwittwenhäuser, Kleinkinderbewahranstalten, Rettungshäuser, Waisenhäuser, Armenbäder, als Gebäude für Verkehrszwecke die be⸗ treffenden Baulichkeiten der Post, Telegraphie und Eisenbahn, aus⸗ schließlich der Eisenbahnwerkstätten, aber einschließlich der Wärter⸗ häuser, als Gebäude für militärische Zwecke auch die Militärlazarethe und Militärlehranstalten, als Spritzenhäuser auch Leiterschuppen, Küwenhäuser, Wasserwagenschuppen u. s. w., als sonstige Gebäude ür öffentliche Zwecke Regierungsgebäude, Landrathsämter, Kreiskassen⸗, Kreis-, Rath⸗ und Gemeindehäuser, Steuergebäude, Waagehäuser, Stadtbibliotheken, Fährgeld⸗ und Chausseegeld⸗Hebestellen, Strom⸗
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z Deichwachthäuser, Glockenthürme, Glecke stühle, Sakristeien, Bahren⸗, Bein⸗, Leichen⸗ und Knochenhäuser, Badehäuser der jüdischen Gemeinden, Standesamtsgebäude, Zollämter, Lootsenwachthäuser, Markthallen v. s. w., als Wohnhäuser (37 138) sämmtliche Dienstgebände für Beamte, soweit sie nicht schon vor⸗ stehend erwähnt sind, sowie die mit Vier vom Hundert besteuerten Wohnhäuser der fiskalischen u. s. w. Besitzungen, als gewerbliche Gebäude (9911) auch Restaurationen, Tanzsäle, Kegelhäuser v. s. w. bezw. als andere Wirthschaftsgebäude auch Waschhäuser, Backhäuser, wenn sie nicht gewerblichen Zwecken dienten u. s. w.
Das Verhältniß der Gebäude für öffentliche Zwecke nach der Art ihrer besonderen Bestimmung weicht in den einzelnen Provinzen und Bezirken recht erheblich von einander ab. Bezüglich der Zahl der Gebäude für Kultuszwecke gehen Rheinland und Westfalen allen Provinzen voran, bleiben aber mit ihren Armen⸗ und Krankenhäusern am Meisten hinter dem Staatsdurchschnitte zurück. Hobe Zahlen bei den Gebäuden für Unterrichtszwecke weisen nach Ostpreußen und West⸗ preußen, hinsicktlich der Diensthäuser für Geistliche und Schullehrer Westfalen und Rheinland, während beide ebengenannten Gebäudeklassen sowie die Gebäude für den Gottesdienst in Berlin, nächstdem die Diensthäuser für Geistliche in Brandenburg, die Gebäude für den Gottesdienst in Schleswig⸗Holstein am Geringsten vertreten sind. Die Armenbäuser u. s. w. nehmen in Hannover, Sachsen und Schleswig⸗Holstein unter den Gebäuden für öffentliche Zwecke einen hervorragenden Platz ein; die für den Verkehr bestimmten erscheinen in Berlin beinahe mit dem doppelten Staatsdurchschnitte und auch in Posen und Westfalen mit hohen Prozentsätzen. Betreffs der Gerichts⸗ und Gefängnißgebäude beansprucht die Reichshauptstadt die zweite, nur von Westpreußen übertroffene Stelle, hinsichtlich der Gebäude für militärische Zwecke sogar die erste; der letzte Platz innerhalb beider Gebäudeklassen kommt dagegen Rheinland bezw. Westfalen zu. Die größten Unterschiede zwischen den einzelnen Provinzen bestehen hinsichtlich der Spritzenhäuser, von 14,0 % in Brandenburg bis 2,2 % in Berlin, bei welcher Stadt aber, ihres centralisirten Löschwesens wegen, nicht wohl vergleichungsfähige Verhält⸗ nisse obwalten, und 2,8 % in Ostpreußen. Außerdem erscheint vielfach mit dem Spritzenhause das Ortsgefängniß verbunden, sodaß ersteres dann bei den Gefängnißgebäuden eingeordnet werden mußte
Vergleicht man auf Grund der Ergebnisse der preußischen Ge⸗ bäudestatistik die öffentlichen Baulichkeiten mit der Bevölkerung, so ergiebt sich, daß im Staate auf 1000 Ortsanwesende 12,6 öffent⸗ liche Gebäude kommen. Auffallend gering ist deren Zahl — abgesehen von Berlin, in welcher Stadt bei der Dichtigkeit der Bevölkerung, ungeachtet der vielen für die staatlichen Centralinstanzen vorhandenen Baulichkeiten, auf 1000 Einwohner nur 2,1 öffentliche Gebäude ent⸗ fielen — im Regierungsbezirk Düsseldorf mit 6,9 und in der Provinz Westfalen mit 7,9, am Höchsten im Regierungsbezirk Stralsund, der beinahe mit dem Dreifachen des Staatsdurchschnitts (33,5) ausgestattet ist, eine Erscheinung, welche bei dem starken Vorwiegen des Groß⸗ grundbesitzes bei geringer Dichtigkeit der Bevölkerung für diesen Landes⸗ theil ihre Erklärung finden dürfte. Von jenen 12,6 öffentlichen Ge⸗ bäuden, welche auf 1000 Einwohner im Staate entfielen, dienten noch nicht ganz die Hälfte, nämlich 5,7, unmittelbar öffentlichen, 2,1 Wohn⸗ und 0,36 gewerblichen Zwecken. Innerhalb der einzelnen Provinzen und Regierungsbezirke walten hierbei zwar Abweichungen ob; sie halten sich jedoch in mäßigen Grenzen.
Kanalprojekt.
Das Projekt der Anlage eines Binnenkanals durch die Oster⸗ stader Marsch, welches durch die von Bremen ausgeführte Korrektion der Unterweser veranlaßt wurde, ist insofern nicht unwesentlich ge⸗ fördert worden, als es gelungen ist, die Interessenten zur Bildung eines Binnenkanal⸗Verbandes zu bewegen und damit eine geeignete Grundlage für die Uebernahme der Kosten der Unterhaltung des dem⸗ nächst zu erbauenden Kanals zu gewinnen.
Der Schiffsverkehr in den Unterweserhäfen ist in den letzten Monaten ein besonders reger gewesen, weil viele der nach Hamburg bestimmten Schiffe in Folge der Eisverhältnisse auf der Elbe die Weserhäfen, welche trotz des starken Frostes ununterbrochen zugänglich waren, aufgesucht haben. Die Ergebnisse der Hochseefischerei waren dementsprechend, soweit Geestemünde in Betracht kommt, zufriedenstellend.
Fürsorge für Arbeiter.
Als ein schönes Zeichen der Fürsorge für die Lage der Arbeiter verdient nachträglich hervorgehoben zu werden, daß bei Gelegenheit des letzten Weihnachtsfestes die Firma Rickmers zu Geestemünde ihren Arbeitern Sparkassenbücher je nach Länge der Dienstzeit mit Einlagen bis zu 500 ℳ geschenkt hat.
Nach Mittheilung des Statistischen Amts der Stadt Berlin sind bei den hiesigen Standesämtern in der Woche vom 15. Februar bis inkl. 21. Februar cr. zur Anmeldung gekommen: 183 Eheschließungen, 1044 Lebendgeborene, 27 Todtgeborene, 729 Sterbefälle.
Verkehrs⸗Anstalten.
Norddeutscher Lloyd in Bremen. b Letzte Nachrichten über die Bewegungen der Dampfer). New⸗York⸗ und Baltimore⸗Linien:
Bestimmung.
Bremen 27. Febr. in Bremerhaven.
Bremen 21. Febr. von New⸗York.
Bremen 25. Febr. von New⸗YPork. New⸗York 25. Febr. in New⸗York. New⸗York Febr. in New⸗York. New⸗York Febr. von Southampto New⸗York Febr. von Southampton. New York Febr. von Bremerhaven. . Febr. in Bremerhaven. Febr. von Baltimore. Febr. von Baltimore. Febr. Lizard passirt.
Febr. Lizard passirt. Febr. von Bremerhave Linien: .Febr. in Vlissingen. „Debr. St. Vincent passirt. .Febr. von Buenos Aires. 5. Febr. von Buenos Aires. 24. Febr. in Montevideo. 20. Febr. in Bahia. 1 23. Febr. Las Palmas passirt.
von Antwerpen.
00.29U82ö2
„Nürnberg“. „München“. „Stuttgart“. „Hermann
Bremen
„Ohio“ 8 Leipzig“ Lissabon, Antw., 11“ ' Bremen 66“*“ Vigo, Bremen „Frankfurt“. Vigo, Bremen „Berlin“. La Plata „Baltimore“ Brasilien „Oldenburg“ S La Plata 8 Lorun „ Vi a . „Hannover“. Ke⸗ L. Plat 8. Febr. e 2 8 Dn „ „Graf Bismarck“ — Sfabon. 127. Febr. in Antwerpen. Linien nach Ost⸗Asien und Australien: Bremen 26. Febr. in Colombo. Ost⸗Asien 26. Febr. in Shanghai Ost⸗Asien 24. 55 in Suez. 8 Bremen 19. Febr. in Colombo. Bremen 25. Febr. von Sydney. Australien 20. Febr. in Colombo. Australien [ 23. Febr. von Southamptor
Baltimore Baltimore Baltimore Brasil⸗ und La Pl
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„Bayern“ „Neckar“. „Sachsen“ „Hohenzollern“. „Hohenstaufen“ „Kaiser Wilh. II.“ „Braunschweig“
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offizierstand für die Armee zu erhalten. nahmen nach kurzen, Verhandlungen den Antrag des Staats⸗
neuen permanenten Seeforts auf
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s⸗-Anzeiger und Königlich Preußischen
Verlin, Montag, den 2. März
Staats⸗Anzeiger. 1891.
No. 53.
Schweiz.
Zur Frage des Rheindurchstichs wird dem Berner „Bund“ aus Wien geschrieben:
In der verflossenen Woche wurde von Bern nach Wien ge⸗ meldet, daß der schweizerische Bundesrath auf Verlangen der St. Galler Regierung durch die schweizerische Gesandtschaft in Wien der österreichischungarischen Regierung eine Note habe überreichen lassen, in welcher die Dringlichkeit der Rheindurch⸗ stich⸗Angelegenheit dargelegt und betont werde, daß die schwei⸗ zerische Regierung, Falls es abermals zu keinem Resultat
käme, jede Verantwortlichkeit für weitere Unglücksfälle durch das
Austreten des Rheins von sich ablehnen müßte. Diese Nachricht war auch im „Bund“ registrirt worden. Wie nun aber von kom⸗ petenter Seite mitgetheilt wird, wurde die in Rede stehende Note bis jetzt nicht überreicht, indem der Bundesrath von seiner Absicht durch verschiedene inzwischen eingetretene Umstände Umgang ge⸗ nommen hatte. 1 1“
Diese Mittheilung ist, wie der „Bund“ hinzufügt, richtig
und das Blatt ist in der Lage, dieselbe dahin zu ergänzen,
daß das österreichische Ministerium des Aeußern ein Memo⸗ randum an die schweizerische Gesandtschaft in Wien gerichtet hat, in welchem Aufschluß ertheilt wird über die Schritte,
welche Oesterreich in der Angelegenheit gethan hat, mit der Zu⸗
sicherung, daß für dieses Frühjahr schoneine internationale Konferenz in Aussicht genommen sei. Da dieses Memorandum vor der vorerwähnten Note des schweizerischen Bundesraths in die Hände der schweizer Gesandtschaft in Wien gelangte, so wurde von der Ueberreichung der Note an die österreichische Regierung Umgang genommen. Man dürfe also der Hoff⸗ nung Raum geben, daß dem langgeplanten, dringenden Werk des Rheindurchstichs baldigst eine kräftige Förderung zu Theil werde.
Die Tessiner Bewegung dürfte am 8. März zu einem gewissen Abschluß gebracht werden. An diesem Tage wird nämlich die Volksabstimmung über die neue Ver⸗ fassung erfolgen. Ihr Hauptvorzug, der ihr auch in liberalen Kreisen Freunde verschaffen wird, ist der, daß sie den Minoritäten im Kanton und in den Gemeinden in einer Art Rechnung trägt, wie dies wohl in keiner anderen schweizerischen Verfassung der Fall ist. Gleichwohl hat die radikale Führerschaft bereits die Losung zur Verwerfung aus⸗ gegeben.
Belgien.
An Stelle Mélot's ist dem „W. T. B.“ zufolge de Burlet zum Minister des Innern ernannt worden, er sollte heute dem Könige den Eid leisten.
Der aus fünf Klerikalen und zwei Liberalen bestehende
Kammerausschuß trat am Freitag zusammen, um die
Regierungserklärungen über die Verfassungsrevision und über die Ausdehnung des Stimmrechts entgegenzunehmen. Finanz⸗Minister Beernaert erörterte sein neues, auf einem mäßigen Miethszinse beruhendes Wahlsystem und erklärte, daß
die Regierung nur dann einer Verfassungsrevision zustimme,
wenn beide Parteien vorweg dieses Wahlsystem annähmen.
Froͤre⸗Orban erklärte eine Verfassungsrevision für unver⸗
meidlich, Manifestationen aber nur für schädlich. Die Regierung
habe die Pflicht, mit einer klaren Formel vor die Kammer zu
treten, die nicht einen Sprung ins Ungewisse thun könne.
Eine gestern in Brüssel abgehaltene Volksversamm⸗
lung, an der sich 8000 Personen betheiligten, beschloß, wie die „Mgdb. Ztg.“ meldet, eine Resolution zu Gunsten des
allgemeinen Stimmrechts.
Rumänien. Bukarest, 2. März. Senats⸗Präsident Floresco ist nach einer Meldung des „W. T. B.“ auf Anrathen des bis⸗
herigen Minister⸗Präsidenten Mano mit der Bildung des neuen Kabinets beauftragt worden und steht gegenwärtig zu diesem Zweck mit politischen Gesinnungsgenossen in Unter⸗
handlungen. Vom Finanz⸗Minister ist der Tarif⸗
entwurf in der Kammer eingebracht worden.
Serbien.
8 Belgrad, 28. Februar. Die Skupschtina nahm, wie „W. T. B.“ meldet, in erster Lesung das ganze Budget nach der Regierungsvorlage an; die von dem Finanzausschuß gestrichenen Kredite für die Gesandtschaften in Athen und Bukarest wurden wiederhergestellt.
Bulgarien. Sofia, 28. Februar. Dem Präsidenten der Synode Gregor wurden einer Mittheilung des „W. T. B.“ zufolge
bei Gelegenheit der Geburtstagsfeier des Prinzen Ferdinand
die Insignien des Alexander⸗Ordens erster Klasse in Brillanten verliehen. Die Obersten Mutkurow und Nicolajeff
wurden vom Prinzen zu General⸗Majors ernannt. An
Mutkurow richtete der Prinz auch noch ein Handschreiben, in
welchem er dem Danke für dessen Thätigkeit als Kriegs⸗ Minister warmen Ausdruck gab.
*
G Schweden und Norwegen. (P) Stockholm, 26. Februar.
Kriegs⸗Ministeriums. Die ordentlichen und außerordent⸗ lichen Ausgaben sind zusammen mit 23 047 000 Kronen ver⸗ anschlagt oder 911 800 Kronen höher als für das gegenwärtige
8 Jahr. Der Antrag des Kriegs⸗Ministers, die Löhnung der
ergeanten von 40 Oere auf 1 Krone täglich zu er⸗ höhen, wurde von ihm lebhaft befürwortet unter Hinweis auf die Wichtigkeit, einen intelligenten und zufriedenen Unter⸗ Beide Kammern
ausschusses an, die Löhne auf 80 Oere täglich zu erhöhen, sodaß jeder Sergeant 146 Kronen jährlich mehr erhält. Sehr lebhaft gestalteten sich die Verhandlungen über die vom Kriegs⸗Minister geforderten außerordentlichen Bewilligungen zzn Fortsetzung von Befestigungsanlagen, zur An⸗ chaffung von Festungsgeschützen, zur 5 eines
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3 er. Beide Kammern des Reichstages verhandelten gestern über den Etat des
bei Karlskrona u. s. w. Die erste Kammer be⸗ willigte fast alle Forderungen des Kriegs⸗Ministers, sogar statt der von ihm geforderten 400 000 Kronen zur Ver⸗ minderung des Kalibers der jetzigen Gewehre den doppelten Betrag. In der Zweiten Kammer wurde dagegen der Kriegs⸗ Minister von den Abgg. Bratt und Maukell heftig angegriffen, welche ihn beschuldigten, die Befestigung der Westküste zu vernachlässigen; vor allen anderen Landestheilen sei jene Küste im Falle eines Neutralitätsbruches bedroht, weshalb die Befestigung von Gothenburg dringend nöthig sei. Der Kriegs⸗Minister Palmstierna räumte ein, daß die Be⸗ festigung des Einlaufs zu Gothenburg un⸗ zweifelha, von großer Bedeutung sei; ein Befestigungs⸗ plan sei auch kürzlich vollendet worden, dessen Kosten sich auf 2 250 000 Kronen belaufen würden. Da aber weder Festungs⸗ Artillerietruppen noch Minenmaterial vorhanden seien, so sei es zur Zeit unmöglich, für die Vertheidigung Gothenburgs etwas zu thun; noch weniger könne aber an den Schutz der Häfen von Malmö, Carlshamn, Norrköping, Sundswall und anderer norrländischer Städte mit ihren ungeheuren Holz⸗ lagern gedacht werden. Wer Alles, sogar eine 200 Meilen lange Küste vertheidigen wolle, vertheidige nichts. Mit einer Armee aber, von der mehr als die Hälfte nicht mehr als vierzig Tage Uebungszeit gehabt habe, müsse man sich sorgfältig ein⸗ richten, nur die Theile des Landes zu vertheidigen, wo dessen Selbständigkeit und Einheit bedroht und wo der Frieden diktirt werden könnte; es könne nicht helfen, die übrigen Landestheile müßten sich selbst zu vertheidigen suchen. Die Forderung von 1 100 000 Kronen zur Anschaffungvon Festungsmaterial wurde von vielen Abgeordneten bekämpft; es wurde behauptet, daß König Oscar seiner Zeit in seinem Diktamen versprochen habe, daß die aus den höheren Zöllen stammenden Mehr⸗ einnahmen, zur Verminderung der Steuerlast der ärmeren Volksklassen, zur Altersversorgung der Arbeiter u. s. w. ver⸗ wendet werden sollten, während man jetzt für das Geld andere Verwendung suche. Mit 157 gegen 50 Stimmen beschloß die Kammer, nur 400 000 Kronen zu Festungsmaterial zu be⸗ willigen. Verschiedene andere Forderungen wurden gleichfalls wesentlich herabgesetzt oder ganz abgelehnt. Wegen aller dieser Beschlüsse müssen nun gemeinschaftliche Abstimmungen beider Kammernn stattfinden.
Christiania, 2. März. Der König hat, dem „W. T. B.“ zufolge den Führer der liberalen Partei Rektor Steen mit der Bildung eines neuen Kabinets beauftragt.
. Amerika. —
Vereinigte Staaten. Zum Landkommissar auf Samoa, welchen nach den Bestimmungen der Samoa⸗ Konferenz die nordamerikanische Regierung zu bestellen hat, ist, wie „W. T. B.“ aus Washington vernimmt, Henry Hatherton ernannt worden.
Chile. Ueber Buenos⸗Aires und Paris eingegangene Meldungen besagen, die Aufständischen hätten sich in vor⸗ trefflichen Stellungen bei Iquique befestigt.
Haus der Abgeordneten. 45. Sitzung vom 28. Februar 1891.
Der Sitzung wohnen der Minister der öffentlichen Arbeiten von Mayhach und der Finanz⸗Minister Dr. Miquel bei.
Zur ersten Berathung steht der Gesetzentwurf, betreffend die Erweiterung, Vervollständigung und bessere Ausrüstung des Staatseisenbahnnetzes (Sekundär⸗ bahnvorlagen).
Abg. Graf (Elberfeld): Durch die neue Linie Vohwinkel — Sonnborn werde der Bahnhof zu Vohwinkel, der schon ohnehin all⸗ zusehr in Anspruch genommen sei, noch mehr belastet werden, weshalb man bei Zeiten, um Unfälle zu verhüten, an ein Erweiterung denken sollte. Gleichzeitig empfehle er dem Minister den von einem be⸗ sonderen Comité bereits in Aussicht genommenen Bau einer Bahn Elberfeld — Mirke — Newiges.
Abg. Dr. Sattler beklagt es, daß bisber die Provinz Hanvpover in Bezug auf Sekundärbahnen schlecht fortgekommen sei.
Abg. Dr. Enneccerus empfiehlt die Herstellung einer direkten Linie Kassel —-Köln. Es könne eine große Strecke von bereits be⸗ stehenden Sekundärbahngeleisen mit benutzt werden, sodaß die Kosten nicht allzu bedeutend sein würden. Auf das strategische Interesse einer solchen Bahn babe schon früher der Reichskanzler Fürst Bismarck hingewiesen. Es sei bedauerlich, wenn das Staatsbahn⸗ system dazu führe, Bahnen nicht zu bauen, die das Privatkapital sehr wohl übernommen haben würde. Wenn der Staat die Linie Kassel — Köln nicht bauen wolle, möge der Minister sich nicht scheuen, die Konzession zu einer Privatbahn zu ertheilen.
Abg. Meister (Thorn) wünscht eine Berücksichtigung der Stadt Kulm, die durch Verlegung des Kadetten⸗Corps viel gelitten habe.
Abg. v. Grabski befürwortet den Bau einer Bahn von Lissa über Ostrowo nach der russischen Grenze.
Abg. Bachem: Ueber dem Bestreben, die ärmeren Landestheile durch neue Bahnen zu begünstigen, vergesse man, bereits bestehende rentable Linien weiter auszubauen. Die Linie Köln — Kassel habe schon längst gebaut werden müssen. Auch die Linie Köln —Gladbach sei schon längst projektirt, aber der Bau sei von einer Erweiterung der Stadt Köln abhängig gemacht worden. Heute, nachdem die Bedingung erfüllt sei, scheine die Angelegenheit ganz in Vergessenheit gerathen zu sein. Zur Entlastung der bestehenden Linie Köln — Sechtem — Bonn werde eine Uferbahn von Köln nach Bonn sehr am Platze sein. Die Einführung einer engeren Ringbahn um Köln liege ganz besonders im Interesse des Arbeiterwohnungswesens. Schließlich werde es erwünscht sein, daß der Minister die Besorgnisse in Be⸗ treff der Leistungsfähigkeit des großen Kölner Bahnhofs zerstreue. Abg. Humann wünscht eine Bahn von Paderborn nach Rietberg.
Minister der öffentlichen Arbeiten von Maybach:
Meine Herren! Gestatten Sie, daß ich der Praxis, die ich in jedem Jahre in diesem Hause bei Verhandlungen über Gegenstände der vorliegenden Art beobachtet habe, auch heute treu bleibe, ich meine der Praxis, daß ich auf zahlreiche hier ausgesprochene Wünsche in Beziehung auf die Ausführung von Eisenbahnprojekten nicht ant⸗ worte. Schließen Sie daraus nicht, daß ich diesen Projekten feind⸗ selig gegenüberstehe, sondern nehmen Sie an — das ist das Richtige —, daß ich nach den mir vorliegenden Materialien nicht in der Lage
bin, mich über diese Projekte schlüssig zu machen und aus⸗
zusprechen, — noch mehr: daß ich mich nicht ermächtigt halten kann, über solche Dinge mich hier auszusprechen. Meine persönliche Ansicht in diesen Sachen wird wenig Werth haben, da mir die nöthigen Materialien fehlen. Ich wiederhole also: schließen Sie daraus nicht, daß ich den Projekten, die mir hier ans Herz gelegt werden, feindselig gegenüber stehe, son⸗ dern ich merke mir Alles, was hier gesagt worden ist, und richte danach das Weitere ein. 3
Es ist gewiß, daß die Vorlage, welche Sie augenblicklich beschäftigt, eine ganze Menge von Enttäuschungen hervorgerufen hat, — sie ist Ihnen zu dürftig. Ja meine Herren, auch mir! Auch ich hätte ge⸗ wünscht, daß sie etwas reichlicher ausgestattet worden wäre; allein, weshalb hat sie nicht reicher ausgestattet werden können? Einmal, weil verschiedene Projekte, die in der Bearbeitung waren, noch nicht reif gemacht werden konnten zur Vorlage an die Landesvertretung; — hoffen wir, daß das in späterer Zeit gelingen wird! Zum Zweiten: weil die Geldanforderungen, die wir für andere Anlagen im Eisenbahnbetriebe und für die Vervollständigung des Eisenbahnapparats machen mußten, einen Umfang erreichen, welcher es der Finanzverwaltung wünschens⸗ werth erscheinen lassen mußte, möglichste Einschränkung eintreten zu lassen. Im vorigen Jahre haben wir Ihnen eine Vorlage gemacht, welche eine Summe von über 200 Millionen umfaßte und eine sehr große Zahl von Bahnlinien enthielt. Damals wurde sogar die Be⸗ sorgniß laut, ob man nicht zu weit gegangen sei; indessen ich glaube, wir haben das Richtige getroffen, und wenn wir uns in diesem Jahre eine Beschränkung auferlegt haben, so wird das nicht präjudicirlich sein für die Zukunft. Denn wenigstens ich für meinen Theil halte daran fest, daß eine der Kardinalseiten des Staatseisenbahnsystems die ist, daß wir auch solche Bahnen und in solchen Gegenden bauen, wo nicht eine unmittelbare Rentabilität uns lockt. (Bravo!) Es ist nothwendig dafür zu sorgen, daß die wirthschaftlich schwächeren Landestheile an das große Eisenbahnnetz angeschlossen werden. Es ist auch rentabel, indirekt wenigstens, und nutzbringend, wenn man dafür Sorge trägt, daß diese zurückgebliebenen Landestheile — es ist ja möglich, daß sie auch direkt eine Rente bringen — mit ihrem Verkehr an das große Netz angeschlossen werden. Das große Netz wird da⸗ durch alimentirt und rentirt sich besser. Ich wiederhole, was ich bei verschiedenen Gelegenheiten ausgesprochen habe: es kommt nach meiner Auffassung nicht darauf an, ob das einzelne Unternehmen für sich eine größere oder kleinere Rente bringt, sondern nur darauf, welchen Nutzen das Staatsbahnnetz im Großen und Ganzen gewährt. (Sehr richtig!) Es würde nicht richtig sein, die Rentabilität des Schornsteins einer Fabrik für sich zu berechnen, wenn es sich darum bandelt, das ganze Geschäft nach seiner Ergiebig⸗ keit zu beurtheilen. Wollten wir anders verfahren, dann möchte ich wissen, wo denn der Hundsrück, die Eifel, der Hochwald, der Westerwald, die Lüneburger Haide, die Gegend, die eben von den Vorrednern in Westfalen genannt ist, und wo alle unsere Landestheile in den östlichen Provinzen
leiben würden, die, ohne daß der Staat seine helfende Hand dahin streckt, niemals eine Eisenbahn bekommen würden. Also an diesem Prinzip halte ich fest, und ich würde einem Ausscheiden dieser Seite unserer Eisenbahnpolitik meinerseits die Zustimmung nicht geben.
Die Vorlage enthält verschiedene neue Bahnen, die nach Lage der Sache zum Theil als nothwendig, zum Theil als besonders nützlich bezeichnet werden. Wir wollen hoffen, daß wir das Bouquet, wie ein Redner im vorigen Jahre es genannt hat, noch reicher machen können, ohne dabei zu vergessen — um das dem Hrn. Abg. Bachem zu erwidern —, daß wir auch für die verkehrsreicheren Gegenden noch Pflichten haben. Ich will von Köln nicht speziell sprechen. Köln hat uns so lange aufgehalten mit der Bebauung seiner Umgebung durch den Bahnhof. Sie wissen, daß erst durch die Verstaatlichung — und ich spreche es aus: nur durch die Ver⸗ staatlichung die Möglichkeit gegeben worden ist, dort die verwickelten Bahnhofsverhältnisse endlich zu lösen und zu einem befriedigenden Abschlusse zu bringen, während die drei Eisenbahngesellschaften, die dort früher das Regiment führten, damit nicht zu Stande kommen konnten. Ich kann aus Erfahrung und nach den Akten sprechen: wir würden niemals dahin gekommen sein, wohin wir jetzt gekommen sind. Daß der Bau des Bahnhofes nicht so rasch fortschreitet, wie ich selbst gewünscht hätte, das liegt an lokalen Hindernissen, die zu überwinden bis dahin nicht möglich war. Der Herr Vorredner hat aber schon richtig gesagt, daß jetzt der Bau rasch fortschreitet, und ich hoffe, daß der Bahnhof, welcher übrigens für recht weite Verhältnisse noch ge⸗ eignet ist, sehr bald in Betrieb genommen werden kann. Dann werden wir an die andere Frage kommen, was nun nach Köln hinein⸗ zuführen ist, was in der Umgebung zu geschehen hat, um den Verkehr Kölns in der Umgebung entsprechend zu entwickeln.
Die Anlage von Deppelgeleisen, die Sie in der Vorlage in ziem⸗ licher Menge finden, — die Anlage dritter und vierter Geleise erschöpft noch lange nicht die Wünsche, die wir haben. Es werden noch ver⸗ schiedene Wünsche, auch in der Nähe von Berlin zu er⸗ füllen sein. Aber wir dürfen damit nicht auf einmal zu weit gehen. Nur das möchte ich dem Hrn. Abg. Dr. Sattler, der vorhin — vor meinem Erscheinen hier — gesagt hat, es würden, wenn man diese Anlage schon früher gemacht hätte, die Kalamitäten, die uns der Winter gebracht hat, nicht eingetreten sein — ganz be⸗ stimmt bestreiten. Meine Herren, die Kalamität, die uns erfaßte, ist eine Kalamität, wie sie — und ich weiß ziemlich weit zurückzurechnen — noch niemals unser Eisenbahnwesen ergriffen hat, und sie würde durch die Menge der Doppelgeleise nicht, oder wenigstens nur in ver⸗ schwindendem Maße aufgehalten sein.
Das führt auch auf den dritten Punkt in der Vorlage: die Ver⸗ mehrung der Betriebsmittel. Vor zwei Jahren haben wir Ihnen eine Vorlage gemacht, welche eine angemessene Vermehrung der Be⸗ triebsmittel bezweckte. Diese Vermehrung hat stattgefunden. Gleich⸗ wohl hat der Winter uns eine Kalamität im Verkehr gebracht, wie
wir sie noch nie gehabt haben. Ich bezeichne sie als eine vorüber⸗