1891 / 56 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 05 Mar 1891 18:00:01 GMT) scan diff

Leuthold, Mehlhausen, Opi

Hand leisteten. Um 5 Uhr wurde es in den Garderoben von Neuem lebendig. 13 Züge hatten inzwischen aus allen Himmels⸗ richtungen die 600 aktiven Mitglieder der Genossenschaft, die an der Generalprüfung theilnahmen, herbeigeführt. Um 5 ½ Uhr marschirten die einzelnen Abtheilungen, insgesammt 39, unter Führung ihrer Aerzte in den Saal, und nach dem Weggang der Kaiserin be⸗ gann die Prüfung unter Oberleitung des General⸗Stabsarztes der Armee Dr. von Coler und unter Inspektion der Ge⸗ neral⸗Aerzte Bardeleben, von Bergmann, Grasnick, Großheim, und Wenzel. Jeder Abtheilung war ein bestimmtes Kapitel der Krankenpflege zur Behandlung gegeben, unächst wurden theoretische Fragen gestellt, alsdann ging es zu prak⸗ ischen Uebungen über. Insgesammt wurde 1 ½ Stunden geprüft. Nach der Prüfung trat eine kurze Pause ein, während der die Tische ür den Kommers aufgestellt wurden. Die Ehrengäste nahmen an den drei Mitteltischen Platz, im Uebrigen ordneten sich die Theilnehmer nach den Städten. Der Verlauf des Kommerses, der durch Reden und festlichen Gesang gewürzt wurde, war ein recht gelungener.

Der in der Luisenstraße nach den Entwürfen des Geheimen Ober⸗Regierungs⸗Raths Busse ausgeführte Bau des Reichs⸗Patentamts ist nunmehr so weit vollendet, daß er zum April seiner Bestimmung übergeben werden kann. Das Gebäude erhebt sich drei Stockwerke hoch, welche große Rundbogenfenster ent⸗ halten und durch kräftige Gesimse getrennt werden. Der mittlere Haupteingang wird von vier Säulen gebildet; über diesem befinden sich zwei allegorische Gruppen, welche die „Erfindung“ veran⸗ schaulichen und von Professor Otto Lessing modellirt sind; in der bärtigen, mit Schurzfell und Hammer ausgerüsteten Ge⸗ stalt des Arbeiters links vom Eingangsthor erkennt man deutlich die Beziehung zur Metallindustrie, während der Arbeiter zur Rechten, welcher dem bei ihm sitzenden Knaben ein Gewebe zeigt, die Erfindung in der Weberei verfinnbildlicht Ueber dem Fenster wischen beiden Gruppen ist ein ornamentales Löwenfell ausgebreitet; m Dachgesims erscheint auf einer Kartusche der Reichsadler. Die ses elbst wird sowohl von den Pfeilern des weit heraustretenden Ein⸗ angsbaues als auch den Pfeilern der ebenso an den beiden Ecken hervor⸗ pringenden Nebeneingangsbauten getragen. Je ein mit einem Reichs⸗ dler versehener Schild ziert die nach dem Mittelbau gehenden Kanten erselben, indessen ein reicher Schmuck von Masken an den Ge⸗ imsen angebracht ist. Der in weißgrauem Sandstein aus⸗ eführte Bau zeigt den Charakter des ins Barock gehenden

enaissancestils, jedoch in völlig freier Behandlung. In seinem ersten Stock befindet sich ein größerer, gewölbter Saal, welcher zur öffent⸗ ichen Ausstellung der Patentzeichnungen bestimmt ist und deshalb an en Wänden Spinden und Fächer enthält, die in Kiefernholz geschmack⸗ oll ausgeführt sind und im Aufbau wie ornamentalen Schmuck dem rchitektonischen Gesammtcharakter entsprechen. In technischer Bezie⸗ ung sei noch hervorgehoben, daß die Decken des Gebäudes massiv

gereicht worden. Die Ausführung sei als Eisenkonstruktion geplant.

Die Linie würde vom Schlesischen Bahnhof aus die Skalitzer Straße schneiden, hierauf am Südufer des Schiffahrtskanals entlang über die Anhalter und Potsdamer Bahn führen und in der Hardenbergstraße am Zoologischen Garten endigen. b

Die Kommission des Aeltesten⸗Kollegiums der Berliner Kaufmannschaft für gewerbliche Angelegenheiten hat über die Stellungnahme zu der 1893 (zur Feier der Entdeckung Amerikas) in Chicago zu veranstaltenden Welt⸗Ausstellung berathen und war durchweg der Ansicht, daß sich die Betheiligung empfehle. Das Plenum der Aeltesten hat sich, wie die „Voss Ztg.“ berichtet, diese Auffassung angeeignet und wird dem Handels⸗Minister davon Mit⸗ theilung machen, zugleich mit der Bitte, auf Ernennung eines Reichs⸗ kommissars und Gewährung aller möglichen Erleichterungen bezüglich der Frachten u. s. w. hinwirken zu wollen.

Aus dem Riesengebirge. Overhalb der „alten schlesischen Baude“, am Nordabhange der Veilchenkoppe, stürzte, wie man der „Köln. Ztg.“ meldet, in der Nacht zum 27. Januar aus 1200 m Seehöhe eine mächtige Schneewand in einen Kessel, dessen sumpfigem Grunde die obere Kochel entspringt. Mitte Januar hatte sich an den Abhängen des Kammes Glatteis gebildet, auf welchem der später gefallene trockene Schnee keinen Halt fand. Man schätzt die niedergegangenen Schneemassen auf 50 100 000 chm Noch jetzt erfüllen, wie bei einem Bergsturze, mächtige Felsblöcke, vom Schnee durcheinander geworfen und ge⸗ borsten, den engen Schlund. In der Nähe ist später noch eine zweite, kleinere Lawine abgestürzt, doch läßt sich der Zeitpunkt hierfür nicht ermitteln. Während der letzten dreißig Jahre ist in dieser Gegend nur einmal eine Lawine beobachtet worden und zwar am 8. März 1888.

Quedlinburg, 2. März. Im Bodethal wird, wie die „Madb. Ztg“ mittheilt, auf Veranlassung der Königlichen Eisenbahn⸗ Direktion zu Magdeburg, vielfachen Wünschen des Publikums ent⸗ sprechend, am Fußwege von Thale nach Treseburg eine Schutz⸗ hütte errichtet werden. Von allen Besuchern des herrlichen Bode⸗ thales dürfte diese Einrichtung mit Freuden begrüßt werden, da bei der stundenweiten Entfernung beider Orte bei hereinbrechendem Un⸗ wetter nirgends ein schützendes Obdach zu finden war. Der von einer Berliner Firma projektirte Bau einer Drahtseilbahn nach dem Hexentanzplatz, zu dem bereits vor einigen Jahren mit den Vorarbeiten begonnen wurde, ist jetzt, wie verlautet, aufgegeben.

London, 3. März. Heute wurde in Calais mit den Vor⸗ arbeiten zum Legen des englisch⸗französischen Telephon⸗ kabels begonnen. Das Kabel selbst wird voraussichtlich am nächsten Donnerstag gelegt werden, und bis zum 15. d. M. dürfte die Telephon⸗

eine Familie in England, in welcher nicht wenigstens ein Mitglied ger Liga angehöre.

Brüssel, 3. März. Der belgische Gesandte in Mexiko berichtete nach einer Mittheilung, die der „Voss. Ztg.“ zuging, dem belgischen Auswärtigen Amt, daß in der Herstellung des Papiers eine wesentliche Verbesserung in nicht ferner Zeit zu er⸗ warten stehe. In Mexiko und zwar in dem Staate Tabasko befinde sich ein neuer Robstoff, weicher für Anfertigung besserer Papier⸗ arten wesentliche Vortheile vor den Geweben biete. Das sei die Faser des „Jalocin“, einer im Uebermaße wild wachsenden Pflanze. Die gekrempelte Faser dieser Pflanze sei sehr fein und glänzend und werde der Verwendung der Lumpen mit Erfolg Kon⸗ kurrenz machen.

New⸗York, 2. März. Aus Richmond, im Staate Virginien wird gemeldet, daß ein furchtbarer Orkan am letzten Donnerstag über das Thal des unteren James⸗Flusses dahinzog und viel Unheil anrichtete. 24 Austernfischer, von denen die meisten Neger waren, sind ertrunken

Melbourne. Eine Summe von 150 Pfd. St. ist in Mel⸗ bourne aufgebracht und dem Kapitän Jorgensenüberreicht worden, welcher kürzlich in dem von ihm patentirten Rettungsboot „Storm King“ die Reise von London nach Melbourne zurück⸗ gelegt hat.

Nach Schluß der Redaktion eingegangene Depeschen.

London, 5. März. (W. T. B.) Das ‚„Reuter'sche Bureau“ dementirt die Nachricht des „Sioèͤcle“, daß der diplomatische Agent Rußlands in Kairo sich dem Protest des französischen Vertreters d⸗Aubigny

egen die beabsichtigte Aenderung in dem egyptischen Föstizwesen angeschlossen habe. Staatsrath Kojander habe eine dahin gehende Instruktion nicht erhalten.

Paris, 5. März. (W. T. B.) Nach einer Meldung des „Sieècle“ hat Bartissot, der Gründer der Mozambique⸗ Compagnie, welcher gegen die englische- südafrikanische Gesellschaft einen Entschädigungsprozeß von 25 Millionen Francs angestrengt hat, bei der erangs tscen Regierung gegen die Verletzung französischer Interessen im Manica⸗ lande protestirt. Das Comité zum Schutze des französischen Exports faßte gegen die Ankündigung eines inter⸗ nationalen Eisenbahntarifs eine Protestresolution.

ingewölbt sind, sodaß Holzdielen nicht erforderlich waren.

Zur Feier des 25 jährigen Direktor⸗Jubiläums des Ge⸗ eimen Bergraths Dr. W. Hauchecorne fand der „Voss. Ztg.“ ufolge am Dienstag Abend im Grand Hotel Alexanderplatz ein von en Studirenden der Königlichen Berg⸗Akademie veranstalteter Festkommers statt, dem u. A. der Minister Freiherr eiwohnte. Am 1. März, dem eigentlichen Jubeltage, haben Lehrer und Beamte der Berg⸗Akademie ihrem Direktor durch eine Abordnung

eine Adresse überreichen lassen.

Nach dem „Elektr. Anz.“ ist bei dem Berliner Magistrat, er sich allerdings grundsätzlich gegen die Anlage elektrischer Hoch⸗ ahnen ausgesprochen hat, Seitens der Firma Siemens u. neuerdings der Plan einer elektrischen Bahnanlage zwischen dem Schlesischen Bahnhof und dem Westen der Stadt ein⸗

Wetterbericht vom 5. Morgens 8 Uhr.

Wetter.

Stationen. Wind.

Bar. auf 0 Gr u. d. Meeressp red. in Millim

Mullaghmore

Breslau 756 W „Jle d'Aix.. 776

Nizza 1772 Fres CCTTTV111

767 WSW 6 bedeckt Aberdeen 757 W 4 halb bed. Christiansund 736 WNW Föbedeckt Kopenhagen. 745 W 6 wolkenlos Stockholm 728 W 4 bedeckt ewehfrfge 737 9 2 bedeckt¹) t. Peterbb. 741 SSO 2 wolkig Moskau 753 SW 1Schne.

Cork, Queens⸗ twoin .. 7783 111“ elder . . .. 763 ylt 753 Heebac 1717565 winemünde 751 Neufahrwasser 744 Memel 7737

Peru. 1“ ünster. 762 Karlsruhe.. 770 Wiesbaden. 770 München .. 770 b Chemnitz . 762 4 Regen) Berlin. 756 5 heiter!) Wien N764 W 6 bedeckt 6 Regen WNW 3 bedeckt O 4 wolkenlos still heiter

3 wolkig

3 wolkig

3 wolkenlos 5 halb bed. 5 wolkenl. ²) 7 heiter

9 wolkig) 8 bedech ⁴)

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2 halb bed. 7 bedeckts)

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65²8 888822

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bE O.0

Abends Nordlicht. ²) Nachts stürmisch. 4) Nachts Sturm, Schnee und ⁵) Nachts stürmisch. 6) Nebel. ⁷) Ab ends

8

Uebersicht der Witterung.

Ein tiefes barometrisches Minimum, welches estern nördlich von Schottland lag, ist ostwärts ach dem Bottnischen Busen fortgeschritten und ver⸗ ursacht an der deutschen Küste stürmische westliche Winde, stellenweise vollen Sturm aus West. Auch

im Binnenlande wehen starke westliche und süd⸗

westliche Winde. Das Wetter ist in Deutschland warm und beständig, vielfach ist Regen gefallen. Die Temperatur liegt daselbst 2 bis 6 Grad über em Mittelwerthe. In Haparanda wurde Nordlicht

b tet. Deutsche Seewarte. Theater⸗Anzeigen. Königliche Schauspiele. Freitag: Opern⸗ haus. 57. Vorstellung. Hiarne. Große Oper in

verbindung zwischen Paris gestellt sein.

London, 3. März.

liga“ statt, in deren Verlauf Kardinal Manning in er der Gesellschaft in samkeit des Gründers der

von Berlepsch

Halske

Bronsart. Text von Hans von Bronsart und Friedrich Bodenstedt. Ballet von E. Graeb. In Scene gesetzt vom Ober⸗Regisseur Tetzlaff. Dirigent: Kapellmeister Sucher. Anfoang 7 Uhr. .“

Schauspielhaus. 63. Vorstellung. Neu einstudirt: Der Störenfried. Lustspiel in 4 Aufzügen von Roderich Benedix. Regie: Hr. Krause. Anfang 7 Uhr.

Sonnabend: Opernhaus. 58. Vorstellung. Der Trompeter von Säkkingen. Oper in 4 Akten nebst einem Vorspiel von Vietor E. Neßler. Text mit autorisirter theilweiser Benutzung der Idee und einiger Original⸗Lieder aus J. Victor von Scheffel's Dichtung von R. Bunge. Ballet von Charles Guillemin. Anfang 7 Uhr.

Schauspielhaus. 64. Vorstellung. Der nueue Herr. Schauspiel in 7 Vorgängen von Ernst von Wildenbruch. Anfang 7 Uhr. 8

8

Deutsches Theater. Freitag: Die Kinder der Excellenz. 8

Sonnabend: Der Pfarrer von Kirchfeld.

Sonntag: Das alte Lied.

Verliner Theater. Freitag: 26. Ab ements⸗ Vorstellung. Die Räuber. Anfang 7 Uhr.

Sonnabend: Zum ersten Male: Arbeit.

Sonntag, Nachm. 2 ½ Uhr: Wehe den Besiegten. Abends 7 ½ Uhr: Arbeit.

Tessing-Theater. Freitag: Der Fall Clé⸗ mencean. Schauspiel in 5 Akten von A. Dumas

und A. d'Artois. Sonnabend und Sonntag: Der Probepfeil.

Lustspiel in 4 Akten von Oscar Blumenthal.

8

Victoria-Theater. Freitag: Zum 97. Male: Die sieben Raben. Romantisches Zaubermärchen in 5 Akten von Emil Pohl. Musik von G. Lehn⸗ hardt. Balletcompositionen des 3. Aktes von C. A. Raida. Ballets von C. Severini. In Scene gesetzt von W. Hock. Anfang 7 ½ Uhr.

Wallner-Theater. Freitag: Zum 28. Male: Miß Helyett. Vaudeville in 3 Akten von Maxime Boucheron. Deutsch von Richard Genée. Musik von E. Audran. Anfang 7 ½ Uhr.

Sonnabend und folg. Tage: Miß Helyett.

8 g . 8

Friedrich -Wilhelmstädtisches Theater. reitag: Mit neuer Ausstattung. Zum 15. Male: er Vogelhändler. Operette in 3 Aufzügen nach

und London vollständig fertig her⸗

Gestern Abend fand Erzbischofs von Westminster eine Sitzung der „Kreuz⸗

Anerkennung der ihrem Kampfe für gänzliche Enthalt⸗ von geistigen Getränken „Kreuzliga“, reicht wurde. Der Kardinal nahm die Büste dankend an und wies in seiner Erwiderung auf die segensreiche Thätigkeit der Liga hin, deren Organisation sich jetzt fast über den ganzen Erdkreis erstrecke. Die Zeit, so führte er aus, in welcher die Gesellschaft ihrer Zwecke wegen angegriffen und verhöhnt wurde, sei vorüber, und es gebe kaum

im Hause des

Mitglieder dem Dienste, welche

Namens der

geleistet, die Büste

Vaters Mathew,

Sozialistencomités, 1 festation gebildet worden sind, beschlossen, vom nächsten Sonn⸗ abend ab zu Gunsten der Manifestation Meetings abzu⸗ halten; der Munizipalrath und die Kammer sollen auf⸗ gefordert werden, benn

den 1. Mai freizugeben.

Bern, 5. März. 0 Oberst Künzli begiebt sich zu der am 8. März stattfindenden über“ Volksabstimmung über die wieder nach dem Tessin.

welche Behufs der Mai⸗Mani⸗

ädtischen resp. Staatsbediensteten (W. T. B.) Der Bundeskommissar Verfassungsrevision

8

(Fortsetzung des Nichtamtlichen in der Ersten und Zweiten

Beilage.)

——————ᷓᷓů——— ——

Hr. Kapellmeister Federmann. Anfang

Dirigent: 7 U

hr. Sonnabend: Dieselbe Vorstellung.

Residenz-Theater. Direktion: Sigmund Lauten⸗ burg. Freitag: Zum 56. Male: Der selige Tou pinel (Feu Tonupinel). Schwank in 3 Akten von Alexandre Bisson. Deutsch von Gustav von Moser. In Scene gesetzt von Sigmund Lautenburg. Vorher: Friquette. Schwank in 1 Akt von Benno Jacobson. In Seene gesetzt von Sigmund Lautenberg. Anfang 7 ½ Uhr. Sonnabend: Der selige Toupinel. Vorher: Friquette. 8

Belle-Alliance-Theater. 2. Gast⸗ spiel von Ernesto Rossi mit seiner Gesellschaft. Re Lear (König Lear). Tragedia in 5 atti di W. Shakespeare. Anfang 7 ½ Uhr.

Sonnabend: 3. Gastspiel von Ernesto Rossi mit

Adolph Ernst-Theater. Freitag: 21. Male: Adam und Eva. Gesangsposse in 4 Akten von Eduard Jacobson und Leopold Ely. Couplets von Jacobson und Gustav Goͤrß. Musik von Adolph Ferron. Anfang 7 ½ Uhr.

Sonnabend: Dieselbe Vorstellung.

Thomas-Theater. Alte Jakobstraße 30. Freitag: Zum 32. Male: Der Registrator auf Reisen. Posse mit Gesang von A. L'Arronge, G. von Moser. Musik von R. Bial und G. Steffens. Die neuen Couplets von A. Bender. Cäsar Wichtig: Emil Thomas. Anfang 7 ½ Uhr.

Sonnabend und folgende Tage: Der Registrator auf Reisen.

Concert⸗Anzeigen.

Concert-Haus. Freitag: Carl Concert. VII. Wagner⸗Abend.

Meyder⸗

Sing-Akademie. Freitag, Abends 7 ½ Uhr: III. Abonnements⸗Concert. E Sauret H. Grün⸗ feld, unter gütiger Mitwirkung der Kammersängerin Fr. Pauline Metzler, sowie der Hrrn. Th. Krelle, Bram Eldering und F. Espenhahn.

Urania, Anstalt für volksthümliche Naturkunde. Am Landes⸗Ausstellungs⸗Park (Lehrter Bahnhof). Geöffnet von 12— 11 Uhr. Täglich Vorstellung im EEWöö“ Theater. Näheres die Anschlag⸗

einer Idee des Bisville von Held und West. Musik

4 Akten und einem Vorspiel von Ingeborg von

von C. Zeller. In Scene gesetzt von Julius Fritzsche.

Familien⸗Nachrichten.

Verlobt: Frl. Else Meißner mit Hrn. Wil⸗ helm Brünjes (Berlin). Frl. Anna Michel mit Hrn. Landbauinspektor Alfred Wanckel (Leipzig⸗ Konnewitz). Frl. Marie von Bülow mit Hrn. Sec⸗Lieutenant Wilhelm von Schwerin⸗Janow (Stremlow bei Tribseesz) Frl. Melanie von Schimonsky mit Hrn. Rittmeister Frhrn. von dem Knesebeck (Steblau⸗Leobschütz). Frl. Anna Kögel mit Hrn. Rittergutsbesitzer Oskar Mehl⸗ hausen (Lüdersdorf—Eichwerder bei Wriezen). Frl. Martha Weidner mit Hrn. Fabrikanten Otto Max Schmidt (Magdeburg Magdeburg⸗ Buckau). Frl. Hedwig Beyer mit Hrn. Kaufmann Albert Röhricht (Breslau). Frl. Martha Süs mit Hrn Prem.⸗Lieutenant Hoimar von Ditfurth (Minden) Frl. Klara Urff mit Hrn. Forstassessor Georg Petersohn (Neuhaus bei Berlinichen). Frl. Martha Seiffert mit Hrn. Bernhard Tietz (Berlin).

Verehelicht: Hr. Dr. Robert Henriques mit Frl. Anna Stuttgardter (Berlin). Hr. Apo⸗ theker Victor Döring mit Frl. Bertha Haupt (Brieg).

Geboren: Ein Sohn: Hrn. Landrath Gescher (Wesel). Hrn. Regierungs⸗Baumeister Elten (Bromberg). Hrn. Bank⸗Direktor Arioni (Barmen). Hrn. Landrath Ernst von Jagow (Berlin). Hrn. Dr. Siebers (Lugau). Hrn. Gustav Enders (Berlin). Hrn. Otto Mahlo (Glogau). Hrn. B. Heyland (Gröditzberg). Eine Tochter: Hrn. Reg.⸗Assessor Hoff mann (Wiesbaden). Hrn. Dr. Unckell (ürs a d. M). Hrn. Prediger Walsdorff (Nordenburg) Hrn Rechtsanwalt Karl Wilke (Berlin) Hrn. Prem.⸗ Lieut, von Tschirschky und Bögendorff (Breslau). Hrn. Paul Sturm (Sellerhausen) Hrn. Fri Markgraf (Bexlin). Hrn. Dr. W. Skrzecze (Orzesche).

Gestorben: Hr. Sec.⸗Lieutenant a. D. Karl Lux (Wellenhof bei Neisse). Hr. Kgl. Ober⸗ amtmann Clemens Sarrazin (Altenhof). Frau Pauline Auguste von Geißler, geb. Keller e. Hr. Königl. Ober⸗Landesgerichts⸗Rath a. D. Wilhelm Franzki (Breslau). Hr. Geh. Kanzlei⸗ Rath a. D. Waldemar Horkel (Berlin). Hr. Pastor Karl Emil Kläber (Markau bei Nauen). Hr. Rentier Gottfr. Andr. Tuchnitz (Berlin.) Hr. Kgl. Bau⸗Rath a. D. Karl Schulz (Berlin) Frau Agnes Tourte, geb. Brügge⸗ mann (Berlin). Hrn Major Hugo von Spaloing Sohn Ludolf (Brandenburg a. H.).

Redacteur: Dr. H. Klee, Direktor. Berlin: Verlag der Expedition (Scholz).

Druck der Norddeutschen Buchdruckerei und Verlags⸗ Anstalt, Berlin SW., Wilhelmstraße Nr. 32.

Sieben Beilagen (einschließlich Börsen⸗Beilage).

Berlin, Donnerstag, den 5. März

Anzeiger.

1891.

Deutscher Reichstag. 80. Sitzung vom Mittwoch, 4. März, 12 Uhr.

Am Tische des Bundesraths: Staatssekretär des Innern, Staats⸗Minister Dr. von Boetticher, Präsident des Reichs⸗ Eisenbahnamts Dr. Schulz. 1

Die Berathung des Reichshaushalts⸗Etats für 1891/92 vir⸗ fortgesetzt bei der Verwaltung der Reichs⸗Eisen⸗

ahnen.

Die Einnahmen sind auf 54 962 000 veranschlagt, die Ausgaben für die Centralverwaltung auf 82 500 ℳ, die für die Betriebsverwaltung auf 34 581 000 ℳ, der Ueberschuß auf 20 298 500 1

Referent Abg. Hammacher: Die Kommission schlage die Genehmigung aller geforderten Ausgaben vor. Entsprechend den vom Reichstage für alle Verwaltungszweige empfohlenen Grundsätzen, sei auch bei der Reichs⸗Eisenbahnverwaltung das System der Alterszulagen bei Beamtenbesoldungen weiter durchgeführt worden, wodurch allerdings gerade bei dieser Verwaltung Härten und Unzuträglichkeiten insofern entständen, als die hier angestellten Beamten sämmtlich ein relativ niedriges Dienstalter hätten; stamme doch die ganze Reichs⸗Eisenbahn⸗ verwaltung erst aus den Jahren 1871/72. Die in Folge dessen in Petitionen ausgedrückten Klagen könnten aber das sonst so günstig wirkende Prinzip der Alterszulagen nicht diskreditiren, sondern man habe sich mit der Zusicherung der Regierung begnügt, hervortretende Härten in jedem Einzelfalle nach Kräften zu beseitigen. Ferner sei das Mißverhältniß der Zahl der diätarisch zu den etatsmäßig an⸗ gestellten Beamten (letztere ³) zur Sprache gebracht worden; die Re⸗ gierung habe zugegeben, daß es der Direktive des Reichstages nicht entspreche, daß dies aber die Folge eines bisher nicht zu überwin⸗ denden, in den Dienstverhältnissen begründeten Zwanges gewesen sei, und sie habe thunlichste Abhülfe zugesagt. Schließlich sei bemerkt worden, daß bei der Vertheilung der Theuerungszulagen große Un⸗ gleichheiten beständen, welche die Regierung durch die in den verschie⸗ denen Theilen des Reichslandes verschiedenen Preise motivirt habe. Aber nach Ansicht der Kommission seien diese Differenzen nicht so groß, um so starke Unterschiede in den Zulagen zu rechtfertigen. 1 habe das anerkannt und gleichmäßige Vertheilung zu⸗ gesagt.

Abg. Broemel: An dieser Stelle sei die wichtige Frage der Reform der Personentarife nicht zu umgehen, die auch schon in der Kommission zur Besprechung gekommen sei. Dort sei man aus⸗ gegangen von der ungenügenden Ausnutzung der Personen⸗ und Gepäck⸗ wagen, welche für die Reichslande nur 22,55 % betrage, also unter den auch schon niedrigen Satz der Ausnutzung in Deutschland, der 24,48 % ausmache, noch erheblich herabsinke. Dazu komme die aus⸗ gedehnte Anwendung von Rückfahrt⸗, Rundreise⸗ und Abonnements⸗ karten, mit welchen 55 % aller in den Reichslanden gefahrenen Personenkilometer zurückgelegt worden seien und welche 48 % aller aus dem Personenverkehr entstandenen Einnahmen geliefert hätten. Die preußische Staats⸗Eisenbahnverwaltung sei mit den übrigen deutschen Verwaltungen in Berathung getreten und habe die Grund⸗ sätze der beabsichtigten Reform dahin normirt, daß für jeden Kilo⸗ meter in der dritten Wagenklasse 2 ₰, in der zweiten 4 und in der ersten 6 gezahlt, aber nirgends Freigepäck gewährt werden solle. Mit diesen Vorschlägen habe sich die Kommission nicht beschäftigt, weil sie zur Zeit ihrer Berathungen noch nicht bekannt gewesen seien. Im Reichslande, wie überhaupt im ganzen Süden Deutsch⸗ lands bestehe auch bisher kein Freigepäck, die Fahrpreise seien aber so normirt, daß für die einfache Fahrt die vorgeschlagenen Sätze eine wesentliche Ermäßigung bedeuteten, für Rück⸗ kehr⸗, und Rundreisebillets aber die Ermäßigung für die dritte Klasse eine ganz minime werde; sie betrage ½ ₰, für die zweite und erste Klasse dagegen trete gar keine Ermäßigung, ja sogar Vertheuerung ein. Glaube die Regierung etwa, mit einer größeren Preisermäßigung eine Verringerung der Einnahmen herbei⸗ zuführen? Die Erfahrung beweise das Gegentheil. Mit Preisherab⸗ setzungen sei stets eine solche Vermehrung des Verkehrs verbunden, daß häufig sogar noch eine Vermehrung der Einnahmen eintrete, während bei einer Erhöhung der Preise das Gegentheil der Fall sei. Eine wesentliche Reform werde noch bei den Gepäckpreisen im Reichslande eintreten müssen; jetzt koste die Beförderung von 25 kg auf 100 km 1 10 ₰; in Folge davon sei die Gepäckwagen⸗ ausnutzung im Elsaß eine außerordentlich geringe: sie betrage 1 ¾ %, während sie in ganz Deutschland durchschnittlich 3,6 % ausmache; im Elsaß kämen auf die Achse durchschnittlich nur 80 Pfund Last. Zu erwägen sei noch, ob die Tarifreform im Reichslande nur gemein⸗ schaftlich mit der im übrigen Deutschland vorgenommen werden solle oder unabhängig von ihr. So groß der Vortheil eines gemein⸗ samen Vorgehens auch sei, so dürfe mit Rücksicht darauf eine Hintanhaltung der Resorm doch nicht eintreten. Angesichts der ge⸗ ringen Wagen⸗ und Materialausnutzung müßten die Reichslande, wenn das gesammte Deutschland mit der Reform zögere, die Ini⸗ tiative in die Hand nehmen, und das um so eher, als es sich bei den Reichslanden um einen in sich abgeschlossenen, verhältnißmäßig nicht großen Komplex handele. Eine wichtige Frage sei auch, ob bei der Tarifreform Rechnungseinheit der Kilometer gelten solle? Früher habe man die Berechnung nach Meilen gehabt, also einen viel größeren Maßstab. Die vorgeschla⸗ genen Sätze würden die Folge haben, daß, weil die Fahrpreise immer auf durch 10 theilbare Zahlen abgerundet werden sollten, thatsächlich ein Zonentarif mit der Zonenbreite von 5 km eintrete; wäre es da nicht richtiger, gleich von vorn herein einen thatsächlichen Zonen⸗ tarif mit breiteren Gürteln einzuführen? Man habe auch verschie⸗ dene dahin gehende Vorschläge gemacht: Einige wollten eine Zone mit der Breite von 10 km einführen, Andere das ganze Tarifsystem von Hause aus umgestalten. Nun knüpfe sich an den Zonentarif die ungerechtfertigte Vorstellung, als wäre er in jedem Falle ein Wunder von Einfachheit und Billigkeit; das sei auch bei dem viel⸗ gerühmten ungarischen nicht der Fall, er leide an Ungerechtigkeiten in der Festsetzung der Zonen; trotzdem habe er große Anerkennung gefunden, weil er die Tarife vereinfache und große Ermäßigungen für weite Entfernungen herbeiführe. Das sollte auch die deutschen Ver⸗ waltungen zur Nacheiferung veranlassen. Gerade im Elsaß könnte man ein Experiment machen. Er (Redner) frage also die Reichs⸗ Eisenbahnverwaltung: ob sie die in Aussicht genommene Reform in den Reichslanden auf Grund der bisher bekannt gewordenen Vor⸗ schläge vorzunehmen gedenke, und ob sie nicht die Absicht habe, über diesen Rahmen hinaus mit einer durchgreifenden Ermäßigung der Tarifsätze wie Vereinfachung der Tarifformen vorzugehen.

Referent Abg. Hammacher: In der Kommission habe der Regie⸗ rungsvertreter erklärt, daß im Elsaß im Prinzip die Einführung der für Preußen in Aussicht genommenen Sätze geplant sei, daß jedoch politische Erwägungen, wie auch die Rücksicht auf die benachbarten badischen und württembergischen Bahnen, denen man keinen Schaden zufügen dürfe, Modifikationen dieses Tarifs erheischten.

Bundesraths⸗Kommissar, Geheimer Regierungs⸗Rath Wacker⸗ zapp: Des e be Ausnutzung der Personen⸗ und Gepäckwagen auf den Reichseisenbahnen habe ihren Grund wesentlich darin, daß die Eisenbahnen in Elsaß⸗Lothringen in höherem Maße als andere Verwaltungen zahlreiche Nebenlinien mit nur geringem Verkehr hätten.

8 Zu dem Gepäckverkehr komme, daß die Schnellzüge auf den Reichs⸗

eisenbahnen zahlreich seien, daß diese Schnellzüge an die verschiedensten Bahnen Anschlüsse hätten, und daß in Folge dessen für verschiedene Linien die Mitführung von besonderen Gepäckwagen erforderlich sei. Ueber die Lage der Verhandlungen der Tarifänderungen im Personen⸗ und Gepäckverkehr könne er (Redner) weitere Mittheilungen, als in der Kommission bereits gemacht worden, nicht geben. Die Frage sei eben noch in der Schwebe, und es würde ihm nicht zustehen, jetzt Mit⸗ theilungen zu machen, wo er nicht wisse, welchen Verlauf die weiteren Verhandlungen nehmen würden.

Abg. Krause: Der Fiskus selbst würde den mwessentlichsten Vortheil von einer Verbilligung der Tarife haben. Es gebe in Mittel⸗Europa kein Land, das an Bewegungsfähigkeit, an Erwerbs⸗ thätigkeit der Bevölkerung Deutschland nachstände. Industriebezirke, wie Rheinland⸗Westfalen, Thüringen, Sachsen erforderten besondere Berücksichtigung. Sobald die Tarife herabgesetzt würden, würde also auch der ausgedehnteste Gebrauch von der Verbilligung gemacht werden. Die Eisenbahnverstaatlichung halte er (Redner) nach wie vor für ein schweres Leid, das über Deutschland gekommen sei: sowohl die Entwickelung der Bahnen, als auch die Anlegung neuer Geleise, die technisch⸗kaufmännische Ausnutzung des Betriebes leide. Das Be⸗ amtenthum sei schon durch die Ressortverhältnisse gezwungen, mit Neuerungen nur sehr langsam vorzugehen. Die Bevölkerung aber habe ein wesentliches Recht auf eine Verbilligung des Verkehrs, und der Staat selbst sei als Besitzer und Unternehmer der Bahnen dabei interessirt, daß der größtmögliche finanzielle Gewinn aus den Bahnen gezogen werde. In dem Mabße, als es der Eisenbahnverwal⸗ tung gelinge, die Einnahmen zu steigern, könnten sich auch die An⸗ sprüche an die Steuerzahler vermindern. Es sei auch für Elsaß⸗ Lothringen ausgeschlossen, daß bei einer Verbilligung der Tarife irgend ein Ausfall an Einnahmen entstehe, denn auch rein theoretisch sei die heutige Anpassung der Tarife eine unrichtige. Es müßten größere Einbeiten an die Stelle der bisherigen kleinen gesetzt wer⸗ den; die Kosten stiegen nicht mit der Entfernung und der Zahl der durchfahrenden Wagen, und man könnte auch bei uns, wie in Ungarn, einen Einheitssatz von 25 km anlegen. Von kleinen Er⸗ mäßigungen sollte man ganz absehen und zu einer energischen Reform schreiten, die mindestens eine doppelt große Benutzung der Bahnen garantire. Es sei nichts unwürdiger, als wenn jetzt die preußische Regierung auf weite Entfernungen selbst eine Erhöhung in Vor⸗ schlag bringe. Die Erhöhungen in der ersten und zweiten Klasse würden eben hauptsächlich Reisende für weite Strecken treffen. Die Verwaltung habe aber das größte Interesse, daß gerade auf weite Strecken die Plätze gefüllt seien. Die Großindustriellen Westfalens seien nun in Schrecken darüber gerathen, daß irgend ein Ueberschuß der Eisenbahnverwaltung nicht dazu benützt werden könnte, die Frachtsätze zu ermäßigen, sondern daß dem Reisepublikum Erleichte⸗ rungen geschaffen werden könnten. Man müsse der Selbstsucht dieser Ringe auch in diesem Punkte entgegentreten. Selbstverständlich wolle er und seine Partei auch die Gütertarife so niedrig wissen, wie es nur die Selbstkosten gestatten, aber den Anspruch, die Frachten herabzusetzen, ohne dem Reisepublikum eine Tarifermäßigung zu Theil werden zu lassen, weise er entschieden zurück. Es gebe wenige Fragen, die die Bevölkerung so interessirten, wie die Herab⸗ setzung der Personentarife. Damit trete eine erhebliche Verbilligung des Lebens überhaupt ein, denn schon jetzt bildeten die Ausgaben für Eisenbahnreisen einen bedeutenden Theil der Haushaltungskosten.

Inzwischen ist folgender Antrag des Abg. Broemel eingegangen:

„Den Reichskanzler zu ersuchen, dahin zu wirken, daß bei der in Aussicht genommenen Reform der Personen⸗ und Gepäcktarife auf den Eisenbahnen in Elsaß⸗Lothringen eine durchgreifende Er⸗ mäßigung der Tarifsätze und Vereinfachung des Tarifsystems unter Ausschluß jeder Erhöhung der bestehenden Sätze herbeigeführt wird.“

Abg. Hug: Gewiß sei es heute gerechtfertigt, an eine Herab⸗ setzung der Tarifsätze zu denken, aber eine solche habe auch ihre Grenzen, speziell da, wo man es mit einer hohen Eisenbahnschuld zu thun habe, wie in Süddeutschland. In Baden sei diese so groß, daß sie nicht aus den Erträgnissen der Bahn verzinst werden könne. Die Zinsen beliefen sich im Jahresbudget auf 1 ¾ Millionen, was bei einer Gesammtbudgetziffer von 50 Millionen doch sehr viel bedeute. Es müßten bei einer Tarifreform nicht ausschließlich volkswirthschaft⸗ liche, sondern auch finanzielle Rücksichten in Betracht kommen. Er (Redner) bitte also die Regierungen, bei einer Reform auch auf die Interessen der Einzelstaaten zu sehen.

Abg. Frhr. von Stauffenberg: Dem Wunsche des Vor⸗ redners könne er sich nur anschließen. Das Reich befinde sich aber in einer etwas schwierigen Lage, weil es nur vertragsmäßig mit den Einzelstaaten vorgehen könne. Nach dem ganz zweifellosen Resultat des ungarischen Zonentarifs er verkenne nicht, daß die ungarischen Verhältnisse nicht ganz mit den unsrigen zu vergleichen seien sei zu erwägen, ob nicht diese oder eine ähnliche Form auch bei uns an⸗ gebracht wäre. Die an die Oeffentlichkeit gedrungenen Tarifvorschläge hätten mit Recht nicht befriedigt, weil sie zum Theil auf eine Erhöhung der Sätze hinausliefen. Auf eine Herabsetzung der Tarife lediglich im Interesse des reisenden Publikums, ohne Rücksicht auf die Einnahmen der Bahnen, würden die Verwaltungen wohl nicht eingehen. Unsere Regierung würde ebenso wie die ungarische eine Tarifherabsetzung durch eine Steigerung ides Personenverkehrs ausgleichen wollen. Man dürfe die ganze Frage nicht frisch, frei, fröhlich, fromm entscheiden, sondern müsse auf eine große Reihe von Momenten Rücksicht nehmen. Die ganze Bewegung sei nicht durch die Höhe der Tarife, die ja vielleicht auch drückend sein mögen, sondern in der Erwägung entstanden, daß unser Fahrmaterial in höchstem Maße ungenügend ausgenutzt werde. Ein großer Theil der Wagen müsse heute leer befördert werden. Bei den bayerischen Bahnen ergebe sich die außerordentlich geringe Ausnutzung von 23,82 %, während sie sich bis auf 50 % erhöhen könnte. Man vergesse aber oft bei dem Ausnutzungsprozentsatz zu unterscheiden zwischen der eigentlichen Reisezeit und den stilleren Monaten. Eingehende Erwägungen in Bayern hätten ergeben, daß im Winter die Aus⸗ nutzung der Personenwagen eine außerordentlich viel geringere sei, als im Durchschnitt, während im Sommer die Benutzung eine so starke sei, daß man mit dem vorhandenen Fahrmaterial und den Bahneinrichtungen kaum auskommen könne. Man müsse nicht nur die schlechten Verkehrszeiten und die schlechten Strecken in Betracht ziehen, sondern auch die, welche schon jetzt einen außer⸗ ordentlich starken Personenverkehr haben. Es werde absolut noth⸗ wendig sein, wenn eine starke Erhöhung des Personentarifs stattfinde, das Eisenhahnpersonal ziemlich beträchtlich zu vermehren, was sich durchaus nicht ganz leicht bewerkstelligen lasse. Es werde auch eine starke Vermehrung der Betriebsmittel stattfinden müssen, was eine erhebliche Anzahl von Millionen erfordern würde. Es werde zum Theil ein Umbau der bestehenden Eisenbahnlinien nothwendig sein, nicht bloß eine Vermehrung der Geleise, sondern auch ein Umbau von Bahnhöfen, was außerordentlich viel Geld kosten werde. Der weitaus größte Theil der bayerischen Bahnen sei in einer Zeit gebaut worden, wo überhaupt der Verkehr sehr schwach war und wo man ein sehr mäßiges Vertrauen auf die Hebung des Verkehrs hatte. Das habe die Folge gehabt, daß die meisten Bahnen eingeleisig gebaut worden und daß zum Theil nicht einmal ein zweites Geleise vorgesehen sei. an habe in Bayern 1889 4295 km eingeleisige Bahnen, dagegen an zweigeleisigen 714 km, was ein ganz außerordentliches Mißverhältni darstelle. In Folge des starken Verke habe man einen roßen; Theil der

der

Hauptlinien mit zwei Geleisen versehen müssen. Dieses Hinzulegen eines zweiten Geleises sei auch nicht von heute auf morgen gethan. Auch da seien erhebliche Bauten nothwendig, was bei dem heutigen recht sensiblen Mangel an tüchtigen Ingenieuren sehr ins Gewicht falle. Alles das seien Dinge, die zu großer Vorsicht mahnten. Rechnerisch lasse sich die Frage, wie man bei einer Herabsetzung der Tarife den Verkehr verdoppele, nicht lösen. Mit einer gewissen Wahr⸗ scheinlichkeit könne man aber sagen: Ist die Herabsetzung der Preise eine derartige, daß sie nach menschlichem Ermessen einen starken Anreiz zur Benutzung der Bahnen giebt, so würde die ganze Maßregel verfehlt sein. Eine Erhöhung der Sätze müsse man aber unter allen Umständen vermeiden. Daß man früher für die Schnell⸗ züge höhere Sätze als für die gewöhnlichen Personenzüge habe ein⸗ treten lassen, sei ein Fehler gewesen. Ferner seien heute die Sätze für Reisegepäck von einer ganz außerordentlichen und garnicht zu rechtfertigenden Höhe, namentlich wenn man den Packetportotarif zum Vergleich heranziehe. Wenn er (Redner) von hier aus mit einer Ueberfracht von 10 kg nach seiner Heimath reise, zahle er das Fünf⸗ bis Sechsfache von dem, was er zahlen würde, wenn er die Sachen in zwei Packeten nach Hause schickte. Die Selbstkosten der Eisen⸗ bahnen bei dem Reisegepäck seien aber minimal; die Entfernungs⸗ unterschiede fielen vollkommen fort, sodaß es gleich sei, ob ein Gepäck⸗ stück 5 oder 100 km weit gehe. Hier sei eine fundamentale Reform am Platze. Er (Redner) wünschte, daß die ganze Reform durch gemein⸗ schaftliche Verabredungen der sämmtlichen deutschen Eisenbahnen ge⸗ macht würde, aber auch so, daß man mit der Reform wirklich erreiche, was man erreichen wolle. 8

Abg. Graf Stolberg: Der Reichstag sei den Eisenbahnfragen gegenüber allerdings in schwieriger Lage, weil das Aufsichtsrecht de Reichs über die einzelnen Eisenbahnen nur sehr platonischer Natu sei. Er (Redner) erkläre sich für den Reformplan, wie er jetzt für Preußen vorgeschlagen sei, wenn er auch hinter vielen Wünschen zurückbleibe und die öffentliche Meinung die Einführung eines dem ungarischen ähnlichen Zonentarifs wünsche. Der ungarische Zonentarif habe sich durchaus nicht so glänzend bewährt, denn die Ausgabe seien in Folge desselben viel mehr gestiegen als die Einnahmen. Ei endgültiges Urtheil darüber sei noch nicht möglich. Selbst wen er sich bewährt habe, folge daraus noch nicht, daß er auch bei uns einzuführen sei. Die Verhältnisse seien doch verschieden. Bei einer Tarifreform in Preußen müsse man ein erhebliches Defizit ver⸗ meiden, weil sonst in Folge des großen Einflusses der Eisenbahn einnahmen auf den preußischen Haushalt der ganze Etat erschütter werden könnte. Der preußische Reformvorschlag wolle eine generell Ermäßigung der Tarife unter Fortfall der bisherigen Begünstigunge bei Retour⸗, Rundreise⸗ und Saisonbillets. Man könne über da Maß der Ermäßigung zweifelhaft sein, aber dieser Gedanke sei de einzige für Preußen durchführbare. Ob man noch darüber hinaus gehen könne, müsse man einer späteren Zeit überlassen.

Abg. Schrader: Hier komme das Reich als Besitzer von Eisen⸗ bahnen in Betracht, und da habe der Reichstag dasselbe Recht wie in Preußen das Abgeordnetenhaus. Allerdings werde dem Reichstage dieses Recht von den Vertretern des Reichs⸗Eisenbahnamts noch mehr verkürzt als in Preußen, indem sie erklärten, über die Sache schwebten noch Verhandlungen, sie brauchten daher keine Auskunft zu geben. Bei Verhandlungen mit fremden Staaten möge das gelten, aber bei internen Angelegenheiten sei diese „Geheimnißkrämerei“ nicht am Platze. Sonst sei die Sache fertig, wenn der Reichstag wieder zusammenkomme, und dann könne dieser nur eine nach⸗ trägliche Kritik üben. So werde das Recht des Reichstages als Vertreters des Reichs, des Eigenthümers der Eisenbahnen, völlig vernichtet. Das Reich sei keineswegs so einflußlos und sei es auch früher nicht gewesen. Wäre es nicht angezeigt, diese das ganze deutsche Eisenbahnwesen interessirende Sache auch von Seiten des Reichs⸗Eisenbahnamts in die Hand zu nehmen? Bei der früheren Gütertarifreform habe der Präsident des Reichs⸗Eisenbahnamts di Konferenzen berufen und geleitet. Allerdings könne das Reichs⸗Eisen bahnamt nichts vorschreiben, sondern nur kontrolliren und seine Einfluß geltend machen. Er (Redner) hoffe, daß es nicht mehr s platonisch den Eisenbahnfragen gegenüberstehe wie früher, zuma das Haus jetzt wieder einen Präsidenten des Reichs⸗Eisenbahnamt vor sich sehe. Danach scheine die frühere Auffassung über di Stellung des Reichs⸗Eisenbahnamts aufgegeben zu sein, während Fürft Bismarck gemeint habe, die Stellung eines Präsidenten des Reichs⸗ Eisenbahnamts könne man einem hervorragenden Mann überhaupt nicht anweisen, weil sie zu unbedeutend und machtlos sei. Er (Redner) hoffe daß nun eine andere Reichseisenbahnpolitik befolgt werde. Keir Land habe eine so hülflose Position in Bezug auf die Eisenbahnen wie das Reich, weil es das Eisenbahnwesen den Einzelstaaten über⸗ lassen habe und diese nicht nur allgemeine Verkehrsinteressen, sondern sehr wesentliche fiskalische Interessen berücksichtigten. Um so nöthiger sei eine Instanz, welche die allgemeinen Verkehrsinteressen zu wahren berufen sei, und dazu möchte Redner das Reichs⸗Eisenbahnamt machen. Jetzt wünsche er wenigstens, daß ein moralischer Einfluß durch die Reichsbehörden und den Reichstag in diesen Fragen geübt werde. Gerade hierbei könnte sich das Reichs⸗Eisenbahnamt wieder fest in den Sattel setzen. Es würde die ganze Bevölkerung auf seiner Seite haben, wenn es die Reform nützlich gestaltete. Dem Antrag Broemel könne der Reichskanzler durch direkten Einfluß auf die Reichseisenbahnen und durch Geltendmachung des Einflusses des Reichs auf die Einzelstaaten Folge geben. Redner und seine Partei wünschten mit dem Antrage, daß jede Tariferhöhung unterbleibe und die Reform durchgreifender sei, als beabsichtigt. Mit großen Schritten könne man allerdings nicht vorwärts gehen, wie vielfach außen ge⸗ wünscht werde. Der ungarische Zonentarif sei trotz seines Erfolges nicht ohne Weiteres für uns annehmbar. Man habe mit vielen Linien zu rechnen, welche keinen viel größeren Verkehr bewältigen könnten, namentlich in der für durchgehende Züge in Anspruch genommenen Zeit. Bei den weitgehenden Plänen rechne man immer nur mit Durchschnittszahlen, der Reisende wolle aber zu einer ge⸗ wissen Zeit des Jahres fahren. Auf manchen Linien würde eine Ver⸗ mehrung der durchgehenden Züge sehr schwierig sein. Man könne es also nicht mit einem Schritt machen, sondern müsse mit dem Personen⸗ tarif so vorgehen, wie seinerzeit mit dem Gütertarif. Man brauche aber auch nicht zaghaft zu sein, sondern könne auch einmal einen großen, gewaltigen Schritt thun, wie bei der Einführung des Einpfennigtarifs für Kohlen. Man könne in der Ermäßigung des Personentarifs und der Vereinfachung des Tarifsystems weiter gehen als der Reformplan für Preußen und an die Stelle der Kilometerpreise Einheitssätze für größere Entfernungen setzen. Man müsse insbesondere für den Nahe⸗ verkehr bei großen Städten erheblich mehr thun durch wesentliche Tarifermäßigung, damit das Zusammendrängen der Bevölkerung in die großen Städte vermindert werde. Er (Redner) hoffe, daß die preußische Eisenbahnverwaltung für Berlin und andere große Städte dementsprechend vorgehen werde. Man müsse aber auch für den weitesten Verkehr mehr thun. Die jetzigen Begünstigungen träfen gerade den Verkehr für weite Strecken; fielen dieselben, so müsse man an deren Stelle eine gleitende Skala für Personen⸗ wie Güterverkehr setzen. Das Projekt der preußischen Staatsbahnen werde bei den anderen Staaten nicht das Entgegenkommen finden, das man voraus⸗ setze. Man sollte sich zunächst im Reiche um die Reform der Personentarife kümmern und das Reichs⸗Eisenbahnamt die Sache in die Fand nehmen lassen. Die schwere Frage der fiskalischen Stellung Udüsetsesn sei am Leichtesten durch eine richtige Reform zu lösen