mäßigem Boden befinde. Unter den unbeschränkten Hoheitsrechten des Kaisers, welche der §. 1 des Gesetzes über die Schutzgebiete demselben übertrage, befinde sich auch die Finanzhoheit, d. h. nach Ansicht aller Autoritäten auch die Finanzgesetzgebung. Zu letzterer gehöre auch die Aufnahme von Anleihen. Anträge, welche die Finanzhoheit des Kaisers abschwächen und das Budgetrecht des Reichs⸗ tages einführen wollten, seien damals ausdrücklich abgelehnt worden. Die Regierung trete somit dem Budgetrecht nicht zu nahe, sondern wahre nur eine Prärogative der Krone. Richtig sei, daß die Anleihe zu besseren Bedingungen zu kontrahiren wäre, wenn sie der Reichstag genehmige. Darauf sei jedoch nicht zu rechnen, da die Mehrzahl des Reichstages der Ansicht sei, daß die Kolonien ihre Bedürfnisse aus sich selbst befriedigen müßten. So sei die Regierung ge;wungen, härtere Bedingungen einzugehen. Uebrigens sei der Vertrag noch nicht abgeschlossen, es liege nur ein Entwurf vor, und aus diesem Grund habe auch die Sache nicht zur Kenntniß des Reichstages ge⸗ bracht werden können. Die Regierung stütze sich auf das Gesetz, und wenn dasselbe auch dem Einzelnen nicht gefalle, lex sei lex. Nach einer Erklärung des Staatssekretärs von Maltzahn, daß der Verxtrag nicht geschlossen werden sollte, bis sich der Reichstag ent⸗ schieden habe, wurde die Sitzung vertagt. In der Sitzung am Montag blieb der Abg. Richter mit seiner Behauptung, daß das Verfahren der Regierung ein ungesetzliches sei, gänzlich allein. Ins⸗ besondere wurde er in seinen Ausführungen von dem Staatssekretär von Marschall völlig widerlegt. Derselbe wies nach, daß der Antrag Richter der Sache selbst nicht entspreche, daß es sich hier um ein Hoheitsrecht der Krone handle, dessen Bedeutung schon bei den ersten Verhandlungen des Gesetzes klar erkannt und von den Abgg. Hänel, von Strombeck und Dr. Windthorst in seinem ganzen Umfang als ein unumschränktes gekennzeichnet sei. Auch der Abg. Hartmann erkannte die Rechtmäßigkeit des Vorgehens der Regierung an. Dem Kaiser sei ein Hoheitsrecht übertragen, das er ausüben könne ohne Rücksicht auf die spätere Folge. Für den Reichs⸗ tag trete erst der Moment zur Aktion cin, wenn er einen Zuschuß be⸗ willigen sollte. Der Abg. von Bennigsen erklärte ebenfalls das Verfahren für zulässig, indem er insbesondere darauf hinwies, daß die Regierung bezüglich des Vertrages mit der Ostafrikanischen Gesell⸗ schaft noch viel höhere Verbindlichkeiten derselben Art eingegangen sei, ohne daß der Reichstag Einspruch erhoben hätte. Eine Belastung des Etats der Schrtzgebiete für die Zukunft habe bei Anstellung der Beamten schon früher stattgefunden, und auch hier habe der Reichstag durch Stillschweigen seine Genehmigung ertheilt. Abg. Bamberger gab nach einer thatsächlichen Aufklärung des Geheimen Legations⸗Raths Kavser zu, daß von einer positiven Rechtsverletzung nicht die Rede sein könne; die Sache sei mindestens zweifelhaft und noch nicht entschieden, aber eben deswegen dürfe man kein Präjudiz schaffen. Die Bedingungen der Anleihe seien harte, deshalb solle sich die Regierung an den Reichstag wenden. Freiherr von Huene gab formell den Standpunkt der Regierung als richtig zu, bemängelte aber gleichfalls die Bedingungen der Anleihe und wünschte, daß die Regierung sich an den Reichstag wenden möchte, um dessen Zustimmung zu erlangen. Vor Ostern könne die Sache nicht entschieden werden. Die Versammlung vertagte sich und wird von dem Vorsitzenden zusammenberufen werden.
— Die Branntweinsteuerkommission des Reichstages erledigte gestern das Gesetz in zweiter Lesung. Artikel I wurde, wie wir der „Post“ entnehmen, in der Fassung der ersten Lesung ein⸗ stimmig angenommen und lautet also: „Bei der erstmaligen Neu⸗ bemessung der Jahresmenge Branntwein, welche die einzelnen Brenne⸗ reien zum niedrigeren Satze der Verbrauchsabgabe herstellen dürfen, werden für diejenigen bisher betheiligten landwirthschaftlichen Brenne⸗ reien, welche in den abgelaufenen letzten drei Jahren und an einem Tage durchschnittlich nicht mehr als 1050 1, während des ganzen Jahres jedoch nicht mehr als 267 750 1 Bottichraum bemaischt haben, statt der in den letzten drei Jahren durchschnittlich zum niedrigeren Abgabesatz hergestellten Jahresmengen um ein Viertel der letzteren erhöhte Mengen in Rechnung gestellt.“ Art. II betrifft die steuerliche Kontrole der Brennereien u. s. w. und wurde nach einem Kompromißantrage der Abgg. Buhl, Gröber, Gamp, Graf Mirbach angenommen. Art. III erhielt nach dem Antrage Graf Mirbach einstimmig folgende Fassung: „Der Zoll für aus dem Zollauslande eingehenden Brannt⸗
Wetterbericht vom 17. März,
Morgens 8 Uhr. E. Graeb.
doeeSUOes be e beeeSne50C. = 40R.
7 Uhr.
Stationen. Wind. Wetter.
Bar. auf 0 Gr.
zu. d. Meeressp
red. in Millim. Temperatur in 0 Celsius
Donnerstag:
wolkig halb bed. Schnee halb bed. bedeckt bedeckt. wolkig wolkig heiter Dunst heiter halb bed. ¹) wolkig bedeckt 2 wolkig
3 bedeckt still heiter
4 halb bed.
1 wolkenl. ²)
3 Nebel still wolkenl. ³) 2 wolkenl. 4) 5 halb bed. still wolkig
Christiansund Kopenhagen. Stockholm. aparanda. t. Petersb. Moskau ...
Dtest. Helder... 5“ amburg.. winemünde 759
Neufahrwasser 761 Memel 762
5 III1111“ Münster.. 754 Karlsruhe.. 753 Wiesbaden. 754 München 755 Chemnitz 758 Berlin. 758 DBien 758 Breslau 758 Jle d'Aix 1748 EI1I1“
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Donnerstag:
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Male: 7 Uhr.
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¹) Reif. ²h) Nebel. ³) Budapest gestern Nachm. Gewitter. ⁴) Abends Regen.
Uebersicht der Witterung.
Die Depression, welche gestern bei den Scillys lag, ist füdwärts nach dem Biscayischen Busen fortge⸗ schritten, während die Zunahme des Luftdruckes über Nordwest⸗Europva fortgedauert. In Central⸗ Europa wehen schwache, vorwiegend öͤstliche Winde bei meist wärmerer theils heiterer, theils nebliger
wein beträgt: 1) für Liqueur aller Art 180 ℳ für 100 kg; 2) für allen Branntwein: a in Fässern 125 ℳ, b. in andern Umhüllungen 180 ℳ für 100 kg.“ — Zum Berichterstatter für das Plenum wurde Abg. Gamp bestellt.
— Die nächste Plenarsitzung des Herrenhauses findet Donnerstag, den 19. März, Mittags 12 Uhr, statt; die Tages⸗ ordnung lautet: 8
Berathung und Beschlußfassung über die geschäftliche Behand⸗ lung (Erste Lesung) der Entwürfe: a. eines Einkommensteuer⸗ gesetzes; b. eines Gesetzes, betreffend Abänderung des Erbschafts⸗ steuergesetzes; c. eines Gewerbesteuergesetzes. — Ein⸗ malige Schlußberathung über den Gesetzentwurf, betreffend die Ver⸗ änderung der Grenzen einiger Kreise in den Provinzen Ostpreußen. Brandenburg, Sachsen, Hannover und der Rheinprovinz. — Bericht der⸗ verstärkten VII. Kommission über den Entwurf einer Städte ordnung für den Regierungsbezirk Wiesbaden. — Einmalige Schlußberathung über die Nachrichten von der Verwaltung der preußischen Staats⸗Bergwerke, Hütten und „Salinen während des Etatsjahres 1889/90.
Entscheidungen des Reichsgerichts.
Veräußert der redliche Erwerber gestohlener Inhaber⸗ papiere, welcher nach Art. 306, 307 H.⸗G.⸗B. durch den Erwerb das Eigenthum an den Papieren erlangt hat, dieselben weiter an eine Person, welche bei ihrem Erwerb von dem Diebstahl Kenntniß hat, oder bei Anwendung pflichtgemäßer Sorgfalt haben mußte, so steht, nach einem Urtheil des Reichsgerichts, V. Civilsenats, vom 7. Januar 1891, dem Bestohlenen kein Klagerecht zu auf Heraus⸗ gabe ehemaligen Eigenthums gegen den neuen unredlichen Erwerber.
Oper in 3 Akten von Richard Wagner. Ballet von In Scene gesetzt vom Ober⸗Regisseur 1 Tetzlaff. Dirigent: Kapellmeister Sucher. Anfang Dirigent: Hr. Kapellmeister Federmann Schauspielhaus. 74. Vorstellung. Was ihr wollt. Lustspiel in 4 Aufzügen von Shakespeare, nach “ Schlegel's Uebersetzung. In Scene gesetzt vom Ober⸗Regisseur Max Grube. Anfang 7 Uhr.
Mignon. Oper in 3 Akten von Ambroise Thomas. Tee mhtt 1“ 1 Goethe schen. üern „Wilhelm eister's Lehrjahre“ von Michel Carre Sof In S s. 8 und Jules Barbier, deutsch von Ferdinand Gumbert. Moser. In Scene gesetzt von Sigmund Lautenburg. Ballet von Paul Taglioni. Hr. Philipp vom Stadt⸗Theater in Bremen als Gast.) Anfang 7 U Schauspielhaus. 75. Vorstellung. Herr. Schauspiel in 7 Vorgängen von Ernst von Anfang 7 Uhr.
der Execellenz. Freitag: Die Kinder der Execellenz.
Berliner Theater. König
Donnerstag: Die Inngfrau von Orleans. Freitag: 28. Richard der Zweite.
Tessing-Theater. Drama in 4 Akten von Victorien Sardou. Donnerstag: Thermidor. Freitag: Der Probepfeil.
Vickoria-Theater. Mittwoch: Zum 109. Male: Die sieben Raben. Romantisches Zaubermärchen in 5 Akten von Emil Pohl. Musik von G. Lehn⸗ hardt. Balletcompositionen des 3. Aktes von C.
Handel und Gewerbe.
Heute fand eine Versammlung des Central⸗Ausschusses der Reichsbank statt. Aus dem vorgetragenen Inhalt der Wochenübersicht vom 15. d. M. ergiebt sich, daß seit der letzten Diskontermäßigung vom 13. Februar d. J. (auf 3 Proz.) die Lage der Bank sich noch verbessert hat. Allerdings ist ungewöhnlicher Weise die Anlage gestiegen, in der letzten Woche von 577 auf 589 Millionen. Aber das Metall hat seit dem 7. Februar um 40 Millionen zugenommen und die fremden Gelder haben sich von 390 auf 463 Millionen ver⸗ mehrt, in der letzten Woche um 30 Millionen. Während am 7. Februar die Noten⸗Reserve 244 Millionen betrug, sind nicht nur alle umlaufenden Noten voll mit Metall bedeckt, sondern es ist noch eine Ueberdeckung von 4 882 000 ℳ vorhanden. Im vorigen Jahre war um die gleiche Zeit nur eine Reserve von 260 Millionen angesammelt. Der größeren Geldflüssig⸗ keit entspricht ein Privatdiskont von 21 ½ Proz. an der gestrigen Berliner Börse. An Gold hat, wie der Reichsbank⸗Präsident Dr. Koch bemerkte, die Reichsbank in den letzten Tagen zwar einige Millionen an das Ausland verloren, obwohl die fremden Wechselcourse uns durchweg günstig sind. Indessen hat der Goldvorrath der Reichsbank an sich seit Anfang dieses Jahres um etwa 90 Millionen zugenommen. Eine Diskont⸗ veränderung wurde von keiner Seite angeregt. Sodann wurden die bisherigen Deputirten und deren Stellvertreter wiedergewählt, auch die Wahlen zur Ergänzung der Bezirks⸗ Ausschüsse bei sämmtlichen Reichsbank⸗Hauptstellen vorgenommen. Endlich wurden eine Anzahl von deutschen Hypothekenbanken ausgegebener Pfandbriefe sowie zwei Gattungen von Stadt⸗ obligationen zur Beleihung im Lombardverkehr zugelassen.
7 Uhr.
Opernhaus. 69. 5 a2 Romans; von Alexandre Bisson.
“ en. Vorher: (Wilhelm Meister: von E. Pohl. Anfang 7 ½ Uhr.
11 hr. . — . . ie Schulreiterin. Der nene Die Schulreiter
Das alte Lied. seiner Gesellschaft. Hamlet.
Mittwoch: Zum ersten 33. Richard der Zweite.
Abonnements⸗Vorstellung. König
Thomas-Theater. Alte Mittwoch: Thermidor. B 2. Male:
einer Idee des Bisville von Held und West. Musik von C. Zeller. In Scene gesetzt von Julius Fritzsche.
Donnerstag: Dieselbe Vorstellung.
2 Residenz-Theater. Direktion: Sigmund Lauten⸗ Vorstellung. burg. Mittwoch: Zum 68 Male: Der selige Ton⸗ Verehelicht: Hr. Prof. Dr. Max Rümelin pinel (Fen Toupinel). Schwank in 3 Akten Deutsch von Gustav von
Die Schulreiterin. Lustspiel in 1 Akt
Donnerstag: Der selige Toupinel.
Belle-Alliance-Theater. Mittwoch: 11. Gast⸗ v1“ spiel von Ernesto Rossi mit seiner Gesellschaft.
Deutsches Theater. Mittwoch: Die Kinder Re Lear (König Lear). B 1 Donnerstag: 12. Gastspiel von Ernesto Rossi mit
Adolph Ernst-Theater. Mittwoch: Zum Male: Adam und Eva. Anfang in 4 Akten von Eduard Jacobson und Leopold Ely. Couplets von Jacobson und Gustav Goͤrß. Musik von Adolph Ferron. Anfang 7 ½ Uhr.
Donnerstag: Dieselbe Vorstellung.
Jakobstraße 30
Der Millionen⸗
bauer. Volksstück in 4 Akten von Max Kretzer.
Gesangstexte im 3. Akt von A. Schönfeld. Musik 8 von G. Steffens. Anfang 7 ½ Uhr
— Donnerstag: Zum 3. Male: Der Millionenbauer.
Tägliche Wagengestellung für Kohlen und Koks an der Ruhr und in Oberschlesien. An der Ruhr sind am 16. März gestellt 10 560, nicht rechtzeitig gestellt keine Wagen.
Subhastations⸗Resultate. 8 Beim Königlichen Amtsgericht I Berlin stan im Grundbuche von den Nieder⸗Schönhausener Parzellen Band 14. Nr. 571 auf den Namen des Architekten C. G. Weimar einge⸗ tragene, in der Eberswalderstraße 34 belchene Grundstück zur Versteigerang. Das geringste Gebot wurde auf 225 ℳ festgesetzt. Ersteher wurde der Dampfziegeleibesitzer August Burg zu Hennigs dorf a. H. für das Meistgebor von 58 500 ℳ 8
Berlin, 15. März. (Wollbericht d. Ctrbl. f. d. Textil⸗Ind.) Die Umsätze verkleinern sich im Verhältniß zu den abnehmenden Be ständen. Die Auswahl guter Wolle verringert sich immer mehr, und das nahe Eintreffen größerer Zufuhren ungewaschener Wollen veranlaßt die Fabrikanten, von Einkäufen in Rückenwäschen abzusehen. Im Ganzen dürften in der Vorwoche ca. 4— 500 Ctr. zu bisherigen gedrückten Preisen abgesetzt worden sein. Im Allgemeinen beherrscht die gleiche Lustlosigkeit wie vorher den Martt. Man hat kein rechtes Vertrauen auf eine bessere Gestaltung des Geschäfts und kauft daher nur das Nothwendigste. Auch die Spekulation verhält sich reservirt; sie glaubt zwar nicht an einen erheblichen Rückgang der Preise, indeß I 1 die Geschäftslage auch wenig Chance für eine Belebung des Artikels.
— In der gestrigen Generalversammlung des „Kommerner Bergwerks⸗ und Hütten⸗Aktien⸗Vereins“ zog die Ver waltung den Antrag auf Liquidation zurück. Der Antrag, die Aktionäre aufzufordern, 7 ½ % vom Aktien Nennwerth der Gesell schaft als Darlehen zur Verfügung zu stellen, wurde einstimmig an genommen. Aktien, auf welche dieses Darleben gewährt wird, können bei der Ausgabe von Vorzugs⸗Aktien mit 66 8 % in Zahlung gegeben werden.
Leipzig, 16. März. (W. T. B.) Kammzug ⸗Termin handel. La Plata. Grundmuster B. pr. März 4,27 ½ ℳ, pr. Apri 4,27 ½ ℳ, pr. Mai 4,30 ℳ, pr. Juni 4,32 ½ ℳ, pr. Juli 4,32 ½ ℳ, pr. August 4,37 ½ ℳ, pr. September 4,37 ½ ℳ, pr. Oktober 4,37 ½ ℳ pr. November 4,37 ½ ℳ, pr. Dezember 4,37 ½ ℳ, pr. Januar 4,37 ½ ℳ Umsatz 90 000 kg. Fest.
ie während der bevorstehenden Ostermesse in den Räume der Leipziger Börsenhalle abzuhaltende Garnbörse wird Freitag, den 10. April ihren Anfang nehmen.
Nach Schluß der Redaktion eingegangene Depeschen.
Königsberg i. Pr., 17. März. (W. T. B.) Der Provinzial⸗Landtag bewilligte 150 000 ℳ zur Errichtung eines Kaiser Wilhelm⸗Denkmals in Königsberg. .
Posen, 17. März. (W. T. B.) Provinzial⸗ Landtag. Vor Eintritt in die Tagesordnung verabschiedete sich der Kultus⸗Minister Graf Zedlitz⸗Trützschler in be⸗ wegten Worten von den Provinzialständen, worauf der Land tags⸗Marschall von Unruhe⸗Bomst für die Thätigkeit des Grafen in der Provinz in wärmster Weise dankte.
Rom, 17. März. (W. T. B.) Der Zustand de Prinzen Jérome Napoleon ist sehr ernst, der König weilt seit heute früh 9 ¼ Uhr bei ihm. Um 6 Uhr Morgens hatte ihm Abbé Pujol die Sterbesakramente gespendet. Im Laufe des Vormittags trat Schlafsucht ein.
(Fortsetzung des Nichtamtlichen in der Ersten und Zweiten Beilage.)
Familien⸗Nachrichten.
Anfang Verlobt: Frl. Bertha Rhodius mit Hrn. Fritz 1 Winter (Germsbach). — Frl. Gertrud Weicke mit Hrn. Gutsbesitzer Friedrich Huth (Neufelde bei Seehausen, Altmark — Neuhof b. Seehausen, Altm.). — Frl. Elsa Cahnheim mit Hrn. Prem. Lieut. Christian von Gundlach (Berlin —Rostock).
mit Frl. Mimi Brockhoff (Bonn). — Hr. Wilh. Reschke mit Frl. Alice Paulsen (Berlin). — Hr. Oskar Wagner mit Frl. Emma Pause (Chemnitz). — Hr. Franz Schaeffer mit Frl. Agnes Viehoff (Dortmund). — Hr. Wilh. Becher mit Frl. Klara Hoppe (Falkenau).
Geboren: Ein Sohn: Hrn. Prem. Lieutenant A. H.ye (Berlin). — Hrn. Apotheker A. Rieper (Chemnitz). — Hrn Königl. Oberförster Frhrn. von Tettau (Gr. Linichen). — Hrn. Prof. Dr. Behrend (Hohenheim). — Hrn. Pastor Bitter⸗ mann (Kupferberg). — Hrn. Jos. Heinz (Köln). — Hrn. Gustav Ueberschaer (Breslau). — Eine Tochter: Hrn. Reg.⸗Assessor von dem Busch (Braunschweig). — Hrn. Pastor Zimmermann (Bönen i. Westf.). — Hrn. Grafen von Kanitz (Podangen).
Gesangsposse Gestorben: Hr. Kgl. Oberst⸗Lieutenant a. D. Konstantin Graf von Pfeil (Sagan). — Hr. Wilh. von Knobelsdorff (Ketzwalde). — Frl. Eugenie von Paczensky und Tenczin (Breslau). — Frau Amalie Rodewald, geb. Müller (Hannover). — Hr. Major a. D. Ferdinand Frhr. von Funck (Therwisch⸗Wolla, Kr. Ortelsburg). — Hr. Karl Joseph von Schramm (Breslau). — Hr. Rentier Julius Eckersberg (Brieg). — Hr. Heinrich Middendorff (Münster). — Hrn. Kurt von Lepel Tochter Irmgard (Siegburg). — Hr. Rentier Alexander Deselsky (Berlin). — Frau Luise Ludewig, geb. Neben (Lüneburg). — Frau verw. Rittergutsbesitzer Constance Menz, geb. Nietbe
Vorher:
Concert-Haus.
Witterung. In Deutschland liegt die Temperatur A. Raida. Ballets von C. Severini. In Scene Erk'’schen Gesang⸗Vereins für
fast überall über dem Mittelwerthe, am meisten bis zu 4 ½ Grad. In den östlichen und südlichen Ge⸗ bietstheilen haben stellenweise daselbst Nachtfröste stattgefunden. Bei der gegenwärtigen Wetterlage dürfte Fortdauer der kontinentalen Luftströmung zu
erwarten sein.
Deutsche Seewarte. FRnnᷓn————— Theater⸗Anzeigen.
AKöonigliche Schauspiele. Mittwoch: Opern⸗
haus. 68. Vorstellung. Tannhäuser und der Sängerkrieg auf der Wartburg. Romantische
gesetzt von W. Hock Anfang 7 ½ Uhr Donnerstag: Dieselbe Vorstelling.
Wallner-Theater. Mittwoch: Zum 40. Male: Letzter Kammermusik⸗Abend.
Miß Helyett. Vandeville in 3. Akten von Markees, Ad. Müller, H. Dechert, unter gütiger Maxime Boucheron. Deutsch von Richard Genée. Mitwirkung des Hofopernsängers Hrn. Paul Jensen, Musik von E. Audran. Anfang 7 ½ Uhr. sowie der Hrrn. Robert und Franz von Mendelssohn. Donnerstag und folg. Tage: Miß Helyett.
— Alrania, Anstalt für volksthümliche Naturkunde. 8 Am Landes⸗Ausstellungs⸗Park (Lehrrer Bahnhof). und die Inhaltsangabe zu Nr. 6 des öffent⸗
Theater. Geöffnet von 12 — 11 Uhr. Täglich Vorstellung im
Priedrich-Wilhelmstädtisches Näheres die Anschlag⸗ Aktien und Aktiengesellschaften) für die Woche
Mittwoch: Mit neuer Ausstattung. Zum 26. Male: wissenschaftlichen Theater. ogelhändler. Operette in 3 Aufzüg
Sing-Akademie.
Concert⸗Anzeigen.
Mittwoch: . gemischten Chor. (Dirigent: Königlicher Musikdirektor G. Gaebler.) Mittwoch, Abends 7 ½ Uhr: Joh. Kruse, Carl
(Berlin). — Frau Paula Vetter, geb. Didolff (Duͤren). — Frau Geheimrath Troschel, geb. Blumberg (Bonn).
Concert des
Redacteur: Dr. H. Klee, Direktor. Berlin:
Verlag der Expedition (Scholz).
Druck der Norddeutschen Buchdruckerei und Verlags⸗ Anstalt, Berlin SW., Wilhelmstraße Nr. 32.
Acht Beilagen
en nach] zettel.
einschließlich Börsen⸗Beilage),
lichen Anzeigers (Kommanditgesellschaften anf
vom 9. bis 14. März 1891.
4 8 4
Erste Beilage iger und Königlich Preußischen Staats⸗Anzeiger.
Berlin, Dienstag, den 17. März
1891.
Königreich Preußen.
Frühjahrs⸗Kontrolversammlung 1891. im Landwehr⸗Bezirk I Berlin.
Dieselbe wird mit den in Kontrole obigen Landwehr⸗Bezirks stehenden Dispositions Urlaubern, Reservisten, Landwehrleuten I. Auf⸗
2
gebots, Ersatz⸗Reservisten, Marine⸗Ersaz⸗Reservisten, sowie mit den zur Disposition der Ersatzbehörden entlassenen Mannschaften, wie folgt, abgehalten: “ Reserve und Landwehr I. Aufgebots.
8 I. Garde:
Felewebel⸗Melde⸗Abtheilung 1, 2 und 3. Exerzierplatz am Land⸗ wehr⸗Dienstgebäude, Kaiser EEE““ 11/12.
„Linie:
Feldwebel⸗Melde⸗Abtheilung 6. Provinzial⸗Feld⸗Artillerie,⸗Roß⸗ ärzte,⸗-Unter⸗Roßärzte,⸗Fahnen⸗ und ⸗Beschlagschmiede, ⸗Zahlmeister⸗ Aspiranten und Arbeits⸗Soldaten.
Feldwebel⸗Melde⸗Abtheilung 7. Provinzial⸗Jäger, Pioniere, Eisenbahn⸗Brigade, Luftschiffer und Oekonomie⸗Handwerker.
Feldwebel⸗Melde⸗Abtheilung 9. Provinzial⸗Fuß⸗Artillerie, „Lazarethgehülfen (ausgebildete und halbjährig gediente), ⸗Unter⸗ I „Militär⸗Apotheker, ⸗Krankenwärter, ⸗Geistliche und
farine, im Exerzierhaus nebst Plätzen des 3. Garde⸗Regiments z. F., 1 Wrangelstraße 102 — 104.
Täglich 8 Uhr früh beginnend und zwar:
Jahresklassen 1890, 1889, 1888 am Donnerstag, den 9. April
. çJs., Jahresklasse 1887 am Freitag, den 10. April d. Js., Jahres⸗
1886 am Sonnabend, den 11. April d. Js., Jahresklasse 1885
m Montag, den 13. April d. Js., Jahresklasse 1884 am Dienstag,
en 14 April d. Js, Jahresklasse 1883 am Mittwoch, den 15. April
d. Is., Jahresklasse 1882 am Donnerstag, den 16. April d. Js., Jahresklasse 1881* am Freitag, den 17. April d. Is.
* Ausschließlich derjenigen Kavalleristen, welche in der Zeit vom 1. April bis letzten Scptember 1881 als 4 jährig Freiwillige ein⸗ getreten sind.
Jahresklasse 1880 am Sonxrnabend, den 18. April d. Js., Jahres⸗ klasse 1879** am Montag, den 20. April d. Js.
** Ausschließlich der vom 1. April bis letzten September 1879 eingetretenen Mannschaften.
Jahresklasse 1878*** am Dienstag, den 21. April d. Js.
*** Diejenigen Mannschaften, welche noch nicht zur Landwehr II. Aufgebots übergeführt worden sind.
Feldwebel⸗Melde⸗Abtheilung 5. Provinzial⸗Kavallerie (einschließ⸗ lich der Krankenträger der⸗Kavallerie),⸗Buüchsenmacher und⸗Büchsen⸗ macher⸗Gehülfen.
Feldwebel⸗Melde⸗Abtheilung 8. Provinzial Train, Krankenträger (ausschließlich derjenigen der Kavallerie) und⸗Militär⸗Bäcker,
im Exerzierhaus nebst Plätzen des 3. Garde⸗Regiments z. F.,
8 Wrangelstraße 102 — 104. Jahrgänge und Tage wie oben, jedoch täglich 10 Uhr beginnend.
Welcher Jahresklasse jeder Einzelne zugehört, ist auf dem Deckel des Militärpasses angegeben.
III. Ersatz⸗Reserve und Marine⸗Ersatz⸗Reserve.
Felrwebel⸗Melde⸗Abtheilung 4. Welcher Jahresklasse jeder Einzelne zugehört, ist auf dem Deckel des 3 Ersatz⸗Reserve⸗Passes angegeben.
Ersatz⸗Reserve Jäger sämmtliche Jahresklassen am Donnerstag,
den 9. April, 10 Uhr Vormittags. Ersatz⸗Reserve Feld⸗Artillerie Jahresklassen 1890, 1889, 1888, 1887, 1886 am Freitag, den 10. April, 10 Uhr Vormittags.
Ersatz⸗Reserve Feld⸗Artillerie Jahresklassen 1885, 1884, 1883,
1882, 1881, 1880, 1879 am Sonnabend, den 11. April, 10 Uhr Vorm. Ersatz⸗Reserve Fuß⸗Artillerie Jahresklassen 1890, 1889, 1888, 1887 am Montag, den 13. April, 10 Uhr Vormittags.
Ersatz Reserve Fuß⸗Artillerie Jahreskrassen 1886, 1835 am Dienstag, den 14. April, 10 Uhr Vormittags, desgl. Jahres klassen 1884, 1883, 1882, 1881, 1880, 1879, 1878 am Mittwoch, den 15. April, 10 Uhr Vormittags.
Ersatz⸗Reserve Pioniere Jahresklassen 1890, 1889, 1888, 1887, 1886 am Donnerstag, den 16. April, 10 Uhr Vormittags.
Ersatz⸗Reserve Pioniere Jahresklassen 1885 1884, 1883, 1882, 1881, 1880, 1879 am Freitag, den 17. April, 10 Uhr Vormittags.
Ersatz⸗Reserve Train Jahresklassen 1890, 1889, 1888 am Sonn⸗ abend, den 18. April, 10 Uhr Vormittags.
Ersatz Reserve Train Jahresklasse 1887 am Montag, den
April, 10 Uhr Vormittags.
Ersatz⸗Reserve Train Jahresklasse 1886 am Dienstag, den 21. April, 10 Uhr Vormittags.
Ersatz⸗Reserve Train Jahresklasse 1885 an 23. April, 8 Uhr Vormittags.
EWrrsatz⸗Reserve Train Jahresklassen 1884, 1883, 1882, 1881, 1880, 1879 am Donnerstag, den 23. April, 10 Uhr Vormittags.
Ersatz⸗Reserve Krankenwärter sämmtliche Jahresklassen am Frei⸗ tag, den 74. April, 10 Uhr Vormittags.
Ersatz⸗Reserve Oekonomie⸗Handwerker Schneider Jahresklassen 1890, 1889, 1888, 1887 am Sonnabend, den 25. April, 8 Uhr Vorm.
Ersatz⸗Reserve Oekonomie⸗Handwerker Schneider Jahresklassen 1886, 1885, 1884, 1883, 1882, 1881, 1880, 1879, 1878 am Sonn⸗ abend, den 25. April, 10 Uhr Vormittags.
Ersatz⸗Reserve Oekonomie⸗Handwerker Schuhmacher Jahresklassen 1890, 1889, 1888, 1887 am Montag, den 27. April, 8 Uhr Vor⸗ mitrags, desgleichen Jahresklassen 1886, 1885 am Dienstag, den 28. April, 8 Uhr Vormittags.
Ersatz⸗Reserve Oekonomie⸗Handwerker Schuhmacher Jahresklassen 1884, 1883, 1882, 1881, 1880, 1879 am Mittwoch, den 29. April, 8 Uhr Vormittags.
Ersatz⸗Reserve Ockonomie⸗Handwerker Sattler, Thierärzte und Marine⸗Ersatz⸗Reserve sämmtliche Jahresklassen am Mittwoch, den 29. April, 10 Uhr Vormittags.
Exerzierplatz am “ Kaiser Franz⸗Grenadier⸗ platz 11 — 12. Welcher Jahresklasse jeder Einzelne zugehört, ist auf dem Deckel des Ersatz⸗Reserre⸗Passes angegeben. IV. Mit den nachfolgend aufgeführten Personen:
1) Offizier⸗Aspiranten (Sektion 11) und zwar: a. der Garde, der Eisenbahn⸗Brigade und der Marine am Donnerstag, den 9. April, 10 Uhr Vormittags; b. aller Provinzial⸗Truppen (ausschließlich der Provinzial⸗Infanterie) am Freitag, den 10. April, 10 Uhr Vormittags.
2) Unterärzte und Aerzte der Ersatz⸗Reserve (Sektion III) am Sonnabend, den 11. April, 11 Uhr Vorm. 1
3) Zur Disposition der Ersatz⸗Behörden entlassene Mannschaften (mit den Anfangsbuchstaben A — L) am Montag, den 13. April 10 Uhr Vormittags. 1 Exerzierplatz am Ferdtnehr Hienftfedende, Kaiser Franz⸗Grenadier⸗
pla
1— 12.
Die Mannschaften 1“ den Befehl, sich unter Mit⸗ führung ibrer Militärpaviere pünktlich zu gestellen. Weitere Be⸗ fehle gehen den Mannschaften nicht zu. — Versäumnisse haben die gesetzlichen Strafen zur Folge.
Königliches Kommando des Landwehr⸗Bezirks I Berlin.
Donnerstag, den
Deutscher Reichstag. 90. Sitzung vom Montag, 16. März.
Am Tische des Bundesraths: Die Staatssekretäre Dr. von Boetticher, Freiherr von Maltzahn, Hollmann und Bosse, sowie der Kriegs⸗Minister von Kaltenborn⸗ Stachau.
Die dritte Berathung des Reichshaushalts⸗ Etats für 1891/92 wird mit dem Etat der Reichs⸗ Justizverwaltung fortgesetzt.
Abg. Dr. Gutfleisch: In der zweiten Berathung habe der Abg. Dr. Böckel beklagt, daß nach dem §. 93 der Gebührenordnung für Rechtsanwalte diese durch freie Vereinbarung sich von ihren Klienten höhere Gebühren ausbedingen könnten als das Gesetz vorschreibe. Darin liege die Möglichkeit einer Erpressung Seitens der Rechtsanwälte gegen die Klienten. Als einen solchen Fall von Erpressung habe er angeführt, daß zwei Rechtsanwälte in Hessen die Nothlage eines armen Mannes, welcher wegen Verleum⸗ dung verurtheilt gewesen sei, dessen Freisprechung in zweiter Instanz aber möglich gewesen sei, dadurch ausgebeutet hätten, daß sie sich für die Vertheidigung 50 ℳ ausbedungen hätten, während sie nur 10 ℳ zu verlangen heätten. Ihm (dem Redner) seien die beiden Rechtsanwälte als hochachtbare Männer bekannt, Einem derselben, der Führer in der Wahlagitation gewesen sei, verdanke er wesentlich seinen Wahlsieg über den Abg. Dr. Böckel, welchen er daher nicht als klassischen Zeugen ansehen könne. Es handele sich um einen äußerst schwierigen und zeit⸗ raubenden Fall, der mehrtägige Arbeit erfordert habe. Der Mann habe nach der Aufforderung zur Zahlung von 50 ℳ noch fünf Tage Zeit gehabt, sich eventuell einen anderen Rechtsanwalt zu nehmen, habe aber sofort in die Forderung gewilligt. Der Erfolg der Ver⸗ theidigung sei auch seine Freisprechung gewesen. Alle Kollegen hätten erklärt, daß auch nicht der Schatten eines Vorwurfs auf die beiden Rechtsanwälte falle. Der Mann sei auch kein „armer Mann“ ge⸗ wesen, wie der Abg. Dr. Böckel sage, er habe die Zahlung sofort ge⸗ leistet; als besser situirt kennzeichne ihn schon der Umstand, daß er Bürgermeister⸗Kandidat in seinem Orte gewesen sei. Der Abg. Dr. Böckel hätte vorsichtiger in seiner Anklage sein sollen. Er (Redner) wolle zur Chrenrettung der beiden ehrenwerthen Männer bei⸗ tragen und bedaure, daß solche Anklagen ohne genügende Unterlagen dem Hause zur Last fallen könnten. (Beifall links.)
Abg. Stadthagen: Der Abg. Dr. Böckel hätte sich lieber auf das Gebiet beschränken sollen, auf dem er sachverständig sei, auf das der Alimente, statt sich auf Gebiete zu begeben, von denen er keine Ahnung habe, und im Einzelfall zu zeigen, daß er weder den Wortlaut des Gesetzes, noch den betreffenden Anwalt kenne. Der vorliegende beweise nur, daß die gesetzliche Gebühr von 10 ℳ für eine Revisionsrechtfertigung zu niedrig sjei. Aber seine (des Redners) Absicht sei, hier zu einem an⸗ deren Zweck eine Reihe von Einzelfällen zur Sprache zu bringen, nicht um sofortige Remedur zu bewirken — dazu sei der Staats⸗ sekretär noch nicht lange genug im Amt und seien Informationen nicht sofort zu erlangen —, auch nicht im Sinne des Vorwurfs, als sei hier nicht gesetzlich vorgegangen, sondern als Symptome der Art und Weise der Gesetzgebung, gegen die gesetzgeberische Maßregeln ge⸗ troffen werden müßten. Da nach dem Ausspruch des Reichskanzlers alle mit Rücksicht auf die Sozialdemokratie getroffen werden sollten, so nehme man vielleicht auch auf ihren Wunsch Rücksicht, daß kein Unschuldiger verhaftet werde, und ändere §. 112 und ff. der Straf⸗ prozeßordnung möglichst schnell und noch vor ihrer Revision im Ganzen ab. Der §. 112 schütze nicht davor, daß Unschuldige Wochen, ja Monate lang in Untersuchungshaft blieben, ohne daß es möglich sei, einen der dabei mitwirkenden Beamten zivil⸗ oder strafrechtlich zu belangen. — Der Redner citirt nun den Fall eines verkrüppelten Armen in Rüdersdorf, der sich nach Berlin begab, dort von Mitleidigen, ohne daß er bettelte, eine milde Gabe erhielt, wegen Bettelns verhaftet und schließlich freigesprochen wurde. Der Richter habe er⸗ klärt, daß keine einzige strafbare Handlung vorliege, aber nach der Haft sei der Arme in Tobsucht und Fieber verfallen. In einer Ortschaft bei Landsberg sei ein Tischler zur Zeit der Wahl in ein Lokal gegangen, um dort der Wahl beizuwohnen, wozu er berechtigt gewesen sei. Ein Gendarm, dem er übergeben worden, habe ihm erst Handfesseln anlegen wollen, dann habe er ihm nur ein Seil um den Hals gewunden und ihn so nach Alt⸗Landsberg geführt, ihm aber schon auf dem Transport gesagt, er werde wahrscheinlich bald wieder losgelassen. „Sie haben eigentlich nichts gethan, aber Sie sind wenigstens aus dem Wahllokal heraus.“ Der Mann habe verlangt, den Richter in Alt⸗Landsberg zu sprechen, der sei, was ihm nich übel zu nehmen sei, in der Kneipe gewesen und habe die Verhaftung bestätigt, die nach vier Tagen aufgehoben worden sei. Auch in diesem Fall habe nicht der geringste Grund zur Verhaftung vorgelegen, aber der §. 112 säti so unglücklich und reaktionär gefaßt, daß es gar nicht möglich sei, einen Beamten deswegen verantwortlich zu machen. Es müsse also möglichst schnell eine Sicherung dagegen eingerichtet werden dadurch, daß der Beamte jedesmal wegen des durch die Ver⸗ haftung verschuldeten Unrechts verantwortlich zu machen sei. Der Redner geht nunmehr zu Verhaftungen aus politischen Gründen über, von denen auch Freisinnige getroffen worden seien und zwar bis zu 30 Tagen. In Friedrichs⸗ hagen habe ein Mann sieben Monate lang unschuldig sitzen müssen, im Grunde deshalb, weil er Sozialdemokrat sei. Aus einem einzigen Jahr seiner eigenen Praxis könnte der Redner mehr als 50 Fälle von Verhaftung Unschuldiger vorlegen, er habe aber nur die obigen citirt, weil bei ihnen sofort klar werde, daß das Gesetz, dessen Konsequenzen sie seien, ein erbärmliches sein müsse. Hier beim Landgericht I sei bekannt, daß, wer Soztaldemokrat sei, noch dazu, wenn er wegen Vergeben gegen das Sozialistengesetz — er könne des⸗ wegen noch heute angeklagt werden — angeklagt sei, ohne Weiteres zu verhaften sei, denn er sei der That immer dringend verdächtig und
auch der Flucht verdächtig, weil ihn selbstverständlich eine hohe Strafe!
treffen müsse. In einem Prozeß wegen Geheimbündelei, ein Ver⸗ gehen, das allerdings juristisch konstruirt sei, aber logisch und nach dem gemeinen Menschenverstand niemals als existirend betrachtet werden könne, sei die Abnahme des Entlastungsbeweises als gleichgültig ab⸗ gelehnt worden; die Leute wären einmal verdächtig, sie sollten jeden⸗ falls bestraft werden, verfielen einer sechsmonatigen Untersuchungshaft und seien nicht einmal entlassen worden, als Kaution gestellt worden sei. Der einzige Belastungszeuge sei ein Sp tzel gewesen. Derselbe Vorsitzende des Gerichts habe einmal die Freude gehabt, den Angeklagten F. nicht wegen eines politischen Vergehens, son⸗ dern wegen eines ganz gemeinen Delikts, wegen Revolver⸗ erpressung, zu vernehmen. Seine erste Frage sei nach dem politischen Glaubensbekenntniß gewesen, denn das sei ihm für das Maß der Schuld die Hauptsache. Der Angeklagte habe geantwortet, daß er nationalliberal sei, und sei trotzdem verurtheilt worden. Also auch die Herren dieser Partei hätten alle Ursache, scharf darauf zu sehen, daß derartige Fragen an Angeklagte unterblieben. Der Vor⸗ sitzende selbst habe es scheinbar nicht für möglich gehalten, daß ein Nationalliberaler solche Sachen machen könne, die ein Sozialdemokrat noch nie gethan habe. Die Frage nach dem Glaubensbekenntniß beweise, daß die Antwort auf die Verhängung der Untersuchungshaft
von Einfluß sei. Die Polizeibehörde in Hamburg habe Strikende,
die nichts gethan hätten als allenfalls einen Vertrag gebrochen, nicht nur in Untersuchungshaft genommen, sondern habe sie dort wie Ver⸗ brecher photographiren lassen. Wenn das einem Konservativen passirte, würde der Staatsanwalt darin sofort einen starken Mißbrauch der Staatsgewalt und Freiheitsentziehung erkennen, die Jemand zu der Duldung zwinge, sich photographiren zu lassen. Und gegen die meisten dieser Leute sei die Anklageerhebung nicht einmal versucht worden. Das beweise, daß die der Polizei durch die Strafprozeßordnung ein⸗ geräumte Stellung leider an manchen Stellen dazu mißbraucht worden sei, um im Kampfe der Kapitalistenklasse zu Hülfe zu kommen. Und warum nehme die Hamburger Polizei Photographien von ehrlichen Arbeitern auf, während sie doch nach derselben Gesetzgebung nicht ver⸗ pflichtet sei, sich die Photographien von den dortigen Bordells und
den Bordellinhabern zu beschaffen? Staatssekretär Bosse:
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Meine Herren! Ich glaube auf das Einverständniß des ho „ zus 2 ; — ;
hohen Hauses rechnen zu koͤnnen, wenn ich auf die einzelnen Fälle, die der Herr Antragsteller angeführt hat, nicht näher eingehe. Er hat dadurch, daß er bevorwortet hat, es sei in allen von ihm vor⸗ gebrachten Fällen nach den bestehenden Gesetzen verfahren worden, selbst anerkannt, daß der Staatssekretär des Reichs⸗Justizamts jedenfalls nicht die zuständige Stelle ist, um in diesen Fällen irgend welche Abhülfe gewähren zu können. Es ist ihm auch darauf in der Hauptsache nicht angekommen, sondern im esentlichen geht sein Wunsch dahin, es möge das Reichs⸗Justizamt darauf Bedacht nehmen, daß die Strafprozeßordnung in einigen Punkten abgeändert und verbesser werden möge, namentlich nach der Richtung hin, daß künftig die Verhaftung unschuldiger Personen unmöglich gemacht wird. Ja, meine Herren, ich würde dem Herrn
Vorredner sehr dankbar sein, wenn er uns das Rezept angeben wollte, um unter menschlichen Verhältnissen die Verhaftung unschuldiger Personen unmöglich zu machen. Wenn ich das Rezept kennte, so würde ich mich noch heute hinsetzen, um einen entsprechenden Gesetz⸗ entwurf zu machen, und würde Alles thun, um ihn an die berufenen Instanzen zu bringen, denn nicht nur eine siebenmonatliche Haft, sondern jede Stunde unschuldig verbüßter Haft ist tief beklagenswerth. Das erkenne ich vollständig an; und was die Reichs⸗Justizverwaltung thun kann, um das zu verhindern, das, können Sie glauben, wird sie thun; und die Obhut darüber, daß das vermieden wird, ist sicherlich beim Reichs⸗Justizamt so gut aufgehoben, wie bei dem Herrn Vorredner. Daß mit einem bloßen Zusatz zu §. 112 der Strafprozeßordnung, der die Beamten, die Jemand unschuldig verhaften, strafrechtlich und civilrechtlich für verantwortlich erklärt, die Sache nicht gemacht werden kann, das muß sich doch der Herr Vorredner als Jurist selber sagen. Die Sache will doch geprüft und eingehend erwogen sein, wie derartige Be⸗ stimmungen in das Sostem unserer Gesetzgebung einzureihen sind, die doch unter Zustimmung aller unserer gesetzgebenden Faktoren zu Stande gekommen ist, auch unter Zustimmung des hohen Reichstages. Nun hat aber bereits mein Herr Amtsvorgänger in früheren Jahren und auch kürzlich noch bei der zweiten Berathung des Etats auseinandergesetzt, daß wir allerdings anerkennen, daß sowohl unsere Strafprozeßordnung als unser Strafgesetzbuch reformfähig und reformbedürftig sind, und ich kann versichern, daß im Reichs⸗Justizamt mit allem Ernst die Vorbereitungen für die Reform dieser Angelegenheit betrieben werden. Ich glaube, versprechen zu dürfen, daß unter meiner Leitung das Tempo, in dem diese Vorberathungen getrieben werden, kein lang⸗ sameres werden soll, so weit irgend unsere Kräfte reichen. Das ist aber auch Alles, worauf ich eingehen kann. Es werden dann bei der Erwägung der Frage, wo und wie wir zu reformiren haben, auch die von dem Herrn Vorredner angeführten Fälle gewiß als schätzbares Material mit in Erwägung gezogen werden. Ich glaube, daß das Alles ist, was ich dem Herrn Vorredner auf die von ihm vor⸗
gebrachten Klagen und Beschwerden erwidern kann. (Zustimmung.) Abg. Gröber: Er könne es nicht unwidersprochen ins Land hinausgehen lassen, als ob der Richterstand nach reiner Willkür ohne sachliche Prüfung Untersuchungshaft verhängen würde. Eine Willkür des Gesetzes könne absolut nicht zugegeben werden, denn das Gesetz verlange für die Untersuchungshaft zwei Voraussetzungen: den drin⸗ genden Verdacht für die Begehung einer strafbaren Handlung und zweitens den Verdacht der Flucht oder der Kollusion. In der Praxis könnten hier wie überall Fehler gemacht werden. Der Satz, daß es eine sozialdemokratische Forderung sei, keinen Menschen unschuldig ver⸗ haftet zu seben, sei falsch, denn das sei ein Wunsch jedes anständigen Menschen. Die vom Abg. Stadthagen vorgebrachten Einzelfälle wür⸗ den der Kritik noch sehr zugänglich sein. Wenn §. 112 der Straf⸗ prozeßordnung ihm nicht genüge, möge er doch positive Vorschläge machen. Der Reichstag habe seiner Zeit sehr lange erörtert, wie man ungerechtfertigten Verhaftungen vorbeugen könne. Wenn es wirklich Richter gebe, die ihre Pflicht nicht streng übten, so könne man darum doch das ganze Gesetz und seine Ausübung nicht als eine erbärmliche betrachten. Eine Garantie dafür, daß niemals ein Un⸗ schuldiger verhaftet würde, sei nur zu übernehmen in einem idealen Staat, in dem alle Richter vollkommen seien oder alle Menschen so vollkommen seien, daß man keine Richter mehr brauche — vielleicht werde das im sozialdemokratischen Zukunftsstaate erreicht. „Wenn der Abg. Stadthagen die Richter nach außen hin habe diskreditiren wollen, so hätte er mehr Material dafür beibringen müssen, als die wenigen Fälle, die gegenüber den Tausenden vorkommender Verhaftungen gar nicht ins Gewicht fielen. 1 8 Abg. Stadthagen: Er danke dem Staatssekretär dafür, daß er die von ihm (dem Redner) vorgebrachten Fälle als Material bei der in Autsicht genommenen Aenderung des Gesetzes verwenden wolle. Es sei ein Irrthum, daß er keine Verbesserungsvorschläge gemacht habe. Man würde ein gutes Stück vorwärts kommen, wenn die Polizisten, Staatsanwalte und Richter, welche bei der Verhaftung mitwirkten, nicht bloß moralisch, sondern auch straf⸗ und civilrechtlich für ungerechtfertigte Verhaftungen verantwortlich gemacht würden. Jetzt mache der Richter den Staatsanwalt und um⸗ gekehrt, dieser jenen verantwortlich, und die wirkliche moralische Verantwortlichkeit treffe schließlich keinen. Es gebe ja viele gewissen- hafte Richter, aber das Gesetz solle eben keine Willkür zulassen. Hier aber geschehe das. Gewiß, der Jurist sage, was Gesetz sei, sei keine Willkür; aber in der Praxis lasse sich Beides vereinigen. Was beiße einer That dringend verdächtig? Was heiße, Jemand sei der Flucht verdächtig? Auf die Weise werde ein Sozialdemokrat, bei dem man sine strenge Bestrafung voraussetze, immer flucht⸗ verdächtig sein, und ein sozialdemokratischer Parteiführer, der Ein⸗ fluß auf seine Parteigenossen habe, werde dem Staatsanwalt immer verdächtig der zu erregenden Kollusion sein. Die Bürger seien doch schließlich nicht der Beamten wegen da,