1 1
berein, welcher den kirchlichen aiexs ger
Regiments, des 2. Garde⸗Ulanen⸗Regiments und des 1. Garde⸗ Feld⸗Artillerie⸗Regiments, die vom Musikdirektor Freese geleitet wurden, ihren Platz angewiesen erhalten. Unter Be⸗ gleitung sämmtlicher Musikcorps wurde mit dem Gesange des ersten Verses des Chorals „Lobe den Herren, den mächtigen König der Ehren“ die Feier begonnen. Danach hielt der Oberpfarrer von Charlottenburg Müller folgende Fest⸗ ansprache: „Gelobet sei, der da kommt; lobe den Herren, meine Seele. Amen. Heute ist des großen heimgegangenen Kaisers Wilhelm 1
Geburtstag, das ist der rechte auserlesene Tag für die Grundstein⸗ legung eines Gotteshauses, in dem kein anderer Name gevpredigt werden soll, als der Name Jesu Christi, der als der schönste Schmuck m Königsdiadem des frommen Kaisers so herrlich leuchtete. Nicht öher können wir diesen Tag ehren, nicht würdiger ihn feiern, als durch as heilige Werk; und der Fürstliche Enkel, der, den schwererkämpften Siegeskranz seiner Väter unverwelkt und unentweiht um die Stirn gend, sich dessen freut, daß gerade an dem heutigen bvaterländischen er Grundstein gelegt wird zur Kaiser Wilbelm⸗Gedächtniß⸗ bekennt dadurch, daß ein Fürst mit seinem Volke steht und stehen muß unter dem Einen, der Himmel und Erde gebaut und aus essen ollmächtiger Hand hervorgeht Beides, Leben und Tod. den gewaltigen einst das ganze Preußenland, ja Alldeutschland Meer festlich sammelte und mit glühender B bewegte, mögen denn die drei Hammerschläge, die keine todten Stein gelten, klingen und dringen hinauf bis zum Thron des Umächtigen Vaters, in die Herzen bienieden, und ihr Schall unter der Losung des Palmensonntags verkündige „Siehe, Dein Kenig
kommt zu Dir“. Er kommt, der himmlische König, und verleiht dem euen jungen Gemeindeleben hier eine feste Gestalt, damit es sich icht mehr ruhelos bald an diese, bald an jene Gemeinde anlehne. Er
verwandelt diese Stätte zu einem Heiligthum, daß alle, die in Zu⸗ kunft sich hierber fluͤchten aus den Mühen des Lebens, den Kämpfen der Welt und den Aengsten des Gewissens, Ruhe, Kraft und Erquickung finden — bier eine Hütte Gottes bei den Menschen, ein Vorgeschmack der künftigen Herrlichkeit! Siehe, Dein König kommt zu Dir, des Gotteshauses Bauberr und Baumeister zugleich, denn hinter Allen, die diesen Bau auf den Herzen tragen und ihn in Glauben und Liebe fördern, steht er, der die Menschenherzen lenkt wie Wasserbäche und sie willig und tüchtig mackt, ihres Haushalteramts demüthig und hochherzig zu warten. as ist der Tag, den der Herr macht, laßt uns uns freuen und fröhlich darin sein! Im Namen des himmlischen Königs herzlichen, ehrfurchtsvollen Dank vor Allem Ihren Majestäten, dem erhabenen Kaiserpaar, das in rastloser Fürsorge und Licbe so freudig und glaubensstark arbeitet an der Abhülfe der Kichennoth die von Jahr zu Ja schwerer auf dem Gewissen liegt. Der Herr wird's vergelten tausend⸗ fältig in Zeit und Ewigkeit! Dank insonderheit Ihren Königlichen Hoheiten dem Großherzog und der Großherzogin von Baden, die durch ihr huldvolles Erscheinen diese Feststunde uns verschönert haben. Dank, innigen Dank Allen, die mit Rath und That in der Nähe oder Ferne, hoch oder niedrig, ihren Antzeil an diesem schönen Gotteswerk haben. Gott segne es Allen Gott helfe weiter! — Und nun, wie sollen wir den himmlischen, König empfangen? Unter den Glocken unserer Charlottenburger Luisenkirche, die uns den Palmsonntag und diese Feier festlich ein⸗ geläutet haben, trägt eine das Bildniß des großen Kaisers, des ehr⸗ würdigen Patriarchen, mit dem zur Inschrift empfohlenen Wahl⸗ spruch seines inhaltreichen Lebens „Im Glauben ist die Liebe und die Hoffnung“. Dieser köstliche Dreiklang, für unser hohes Kaiser⸗ paar besonders bedeutungsreich, da er vom Traualtar her als Grundton einer reichgesegneten zehnjährigen Ehe, Sendung und Wendung heiligend und weihend widerklingt, sei unser Gegen⸗ gruß auf die Freudenbotschaft „Siehe, Dein König kommt zu Dir“, sei zugleich unsere Huldigung gegen den ruhmreichen Kaiser, der in verklärter Gestalt nach Geisterweise in unserer Mitte weilt und mit uns preist und feiert. Hohe Festversammlung, ihm nach, dem unver⸗ geßlichen Kaiser, dem Helden des Glaubens, dem Fürsten der Liebe, dem Herold der Hoffnung! Wie dieser Grund⸗ stein tief und fest hineingelegt wird in den heiligen Grund des zukünftigen Gotteshaufes, so wollen wir Jesum, den Grund⸗ und Eckstein der großen christlichen Kirche, recht tief und fest hineinlegen in unsere Herzen, daß sie gewärtig werden zum starken Glauben an ihn und zum fröhlichen Bekennen seines hochheiligen Namens. Wie die Bausteine aufeinander gelegt und ineinander gefügt werden, daß sie sich gegenseitig tragen und dienen zum Halt und zur Stütze, so wollen wir alle die lebendigen Steine uns aufbauen zu einem Tempel des Herrn, da Einer dem Andern diene in Liebe und Frieden. Wir Alle, die von einem Stamme, stehen auch für einen Der Grundstein wird gelegt, der Bau beginnt. Hoffnungsvoll sehen wir seiner Vollendung entzegen. Zum Himmel empor wird einst des Gotteshauses Thurm weisen, immelwärts richte sich auch Sinn und Herz, himmelan gehe unser Denken! So werde denn unsere Losung und Wahlspruch, dieser Grundstein, jetzt geweiht zu einem Eben⸗Ezer, zu einem Fels festen Glaubens, starker Liebe, froher Hoffnung. Ueber ihm erhebe sich die Kaiser Wilhelm⸗Gedächtniß⸗Kirche, die einst, weithin sichtbar, uns und alle zukünftigen Geschlechter erinnere an die unvergleichliche Größe und den unermeßlichen Segen des ersten deutschen Kaisers zur Ehre Gottes und des Heilandes. Hostanna in der Höhe. Amen.“ Nachdem dann noch ein zweiter Vers des Liedes „Lobe den Herren“ gesungen war, verlas mit Genehmigung Seiner Majestät des Kaisers der Minister des Königlichen Hauses von Wedell die Stiftungsurkunde in nachstehendem Wortlaut: Im Namen Gottes, des Vaters, des Sohnes und des 8 Heiligen Geistes! An dem diesjäbrigen Palmsonntage, am 22. März, dem einst
umjubelten Geburtstage eines unvergeßlichen Heldenkaisers, legen Wir den Grundstein zu einem Gotteshause, welches durch seinen Namen das Gedächtniß des großen Monarchen bewahren und weihen soll.
An der Stelle, welche der verewigte Kaiser ursprünglich zur Er⸗ richtung einer Dankeskirche bestimmt hatte, wie sie jetzt den Wedding⸗ Platz schmückt, hat die städtische Verwaltung von Charlottenburg am 22. Oktober v. J. den Bauplatz geschenkt, welcher von Mir durch das dankenswerthe Entgegenkommen des Vorstandes des Zoologischen Gartens erweitert werden konnte. Ebenso hat sich die Luisen⸗ Gemeinde Charlottenburgs, als des Ortes, auf dessen Gebiet der Kaiser seine letzte Ruhestätte gefunden hat, durch Gewährung von Geldmitteln und durch Schenkung eines Kirchhofes ver⸗ dient gemacht. Aus der Mitte der Königlichen Familie und deren hohen Anverwandten, namentlich auch von Seiten Unserer vielgeliebten Tante, der erlauchten Tochter des heimgegangenen Kaisers, der Frau Großherzogin von Baden, sind Gaben pietätsvoller Liebe gespendet. Berlin sowie Charlottenburg haben sich in hervor⸗ ragender Weise betheiligt. Der Verein zur Errichtung eines Obelisken auf dem Potsdamer Platz hat unter Aufgabe seines Planes seine Mittel jetzt für den gegenwärtigen Kirchbau bestimmt. Aus ganz Preußen und Deutschland und über die Grenzen des Vaterlandes hinaus aus weitester Ferne, von überall, wo der Name des großen Kaisers deutsche Herzen höher schlagen macht, gehen zahlreiche Bei⸗ träge ein.
In besonderer Weise ist es dem Evangelisch⸗Kirchlichen Hülfs⸗ rräftig begegnet
hr uns immer
und im vorigen Jahr neben seiner eigentlichen Aufgabe noch die Gründung von drei Kirchen eingeleitet hat, zu danken, daß auf seine Veranlassung ein Evangelischer Kirchenbau⸗Verein ins Leben getreten ist. Dieser hat bereits in den Massengemeinden unserer Hauptstadt durch seine Arbeit der Liebe und Versöhnung die verschiedensten Kreise zu gemeinsamem kirchlichen Interesse neu belebt und vereint. Sein erstes Werk foll die Errichtung der Kaiser Wilbelm⸗Gedächtnißkirche sein. Den Vorstand desselben, unter der Leitung des Ministers Unseres Königlichen Hauses von Wedell⸗Piesdorf und des Kaufmanns Richard von Hardt, haben Wir zum Bauherrn bestimmt, mit der Ausführung des Baues den Königlichen Baurath Schwechten be⸗ auftragt. Das Gebäude soll im romanischen Stile aus Tuffstein ausgeführt werden, 1800 Sitzplätze enthalten und ein monumentales Gesammtgepräge tragen.
Die Gemeinde, welche sich in dieser Kirche auf dem Einigen Grunde, welcher gelegt ist, sammeln und aufbauen möge, wird aus Theilen der Luisen⸗Gemeinde von Charlottenburg, der St. Matthäus⸗ und Zwölf⸗Apostel⸗Gemeinde von Berlin bestehen.
Während im Invalidenpark, mit dem Namen der Kaiserin Augusta verbunden, die Gnaden⸗Kirche sich erheben wird, soll hier, wo die beiden Residenzen Berlin und Charlottenburg zusammentreffen, ein Gotteshaus erstehen, dessen Name an den Fürsten mahnt, welcher seine glorreiche Krone und sein wunderbar bewegtes Geschick aus Gottes Hand nahm, welcher es feierlich aussprach, daß unserem Volke die Religion erhalten bleiben müsse, welcher in guten und in bösen Tagen, in Zeiten des Kampfes und des Friedens bis an sein frommes Ende sich zu dem Eingeborenen Sohne des lebendigen Gottes, Unserem Herrn und Heilande Jesu Christo bekannt hat.
Das Gedächtniß des Gerechten bleibt im Segen — und der, will's Gott, von Geschlecht zu Geschlecht forterbende Segen des Kaiserlichen Paares, Unserer theuren Großeltern, faßt sich in das Bekenntniß zusammen: Jesus Christus gestern und heute und derselbe auch in Ewigkeit. Amen.
zu Berlin⸗Charlottenburg am Palmsonntage, den Auguste Viktoria, aiser und König Deutsche Kaiserin und Königin von Preußen. von Preußen.
Die Stiftungsurkunde auf Pergament in der deutschen Schrift des 15. Jahrhunderts von dem Maler Schoppmeyer ausgeführt, mit Initialen in Goldrelief und reichem Ornament geschmückt, wurde demnächst in den kupfernen Kasten gelegt und dieser vom Kupferschmiedemeister Otto verlöthet. Dann setzte Steinmetzmeister Schilling den Schlußstein ein, welchen die Maurermeister Deutsch und Peters vermauerten. Seine Majestät stieg alsdann die Stufen herab und verschloß Aller⸗ höchsteigenhändig den vermauerten Grundstein mit dem dar⸗ gereichten Mörtel. Die Truppen präsentirten und die Musik spielte die Nationalhymne. Seine Majestät nahm darauf das Wort zu einer Ansprache, in welcher Allerhöchstderselbe auf die unsterblichen Verdienste Seines großen Vorfahren und auf die unvergängliche Liebe und Anhänglichkeit des Volks hinwies und das Wort des Hochseligen Kaisers: „Meinem Volke soll die Religion erhalten werden!“ mahnend ins Gedächtniß rief.
Darauf thaten Seine Majestät die drei Hammerschläge mit den Worten: „Im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes”. Es folgten dann die drei Hammer⸗ schlüäge Ihrer Majestät der Kaiserin, Ihrer Königlichen Hoheiten des Großherzogs und der Großherzogin von Baden, der Prinzen und Prinzessinnen des Königlichen Hauses und der übrigen anwesenden Prinzen und Prinzessinnen, des Reichskanzlers, Generals der Infanterie von Caprivi, der General⸗Feldmarschälle Grafen von Moltke und Grafen von Blumenthal, des General Obersten von Pape, der Staats⸗ Minister Dr. von Boetticher, von Maybach, Grafen von Zedlitz⸗ Trützschler, des Präsidenten des Ober⸗Kirchenraths Dr. Bark⸗ hausen, der kommandirenden Generale Freiherrn von Meerscheidt⸗ Hüllessem und von Versen, des Ober⸗Präsidenten Dr. von Achenbach, der General⸗Adjutanten des Hochseligen Kaisers Wil⸗ helm I., der Commandeure der Leib⸗Regimenter des Hochseligen Kaisers, des Präsidenten des Konsistoriums D. Hegel, des General⸗Superintendenten Dr. D. Brückner, des Polizei⸗ Präsidenten Freiherrn von Richthofen, des Regierungs⸗Präsi⸗ denten Grafen Hue de Grais, des Polizei⸗Direktors von Saldern⸗Damerow, der Ober⸗Bürgermeister Dr. von Forcken⸗ beck und Fritsche, der Stadtverordneten⸗Vorsteher Dr. Stryck und Munckel, der Superintendenten Lange und Steinbach, der Kirchenältesten und des Gemeindevertreters der Luisen⸗ kirche Amtmanns Preuße und Oberlehrers Dr. Hülsen, des Oberpfarrers Müller, des Ministers des Königlichen Hauses von Wedell, des Kaufmanns von Hardt und des Bauraths Schwechten. Während der Vollziehung der Hammerschläge spielte die Musik und die Artillerie gab 101 Kanonenschüsse ab. Darauf folgten ein Schlußgebet und Segen durch Propst Dr. D. Brückner und als Schlußgesang der Gemeinde der erste und letzte Vers des Chorals „Nun danket Alle Gott.“ Mit einem Parademarsch der Truppen auf dem Kurfürstendamm vor Seiner Majestät dem Kaiser und König, voran die sämmtlichen Fahnen, dann die Leib⸗Compagnie des 1. Garde⸗Regiments, die zusammengesetzten Truppentheile der Infanterie, Kavallerie und Artillerie, alle zu Fuß, endlich die bespannte Batterie, welche Salut geschossen hatte, mit aufgesessenen Bedienungs⸗ mannschaften, endigte gegen 4 Uhr die erhebende Feier.
Der dienstthuende Kammerherr Ihrer Majestät der Kaiserin und Königin von dem Knesebeck hat einen ÜUrlaub bis 4. April angetreten.
„Der Bervollmächtigte zum Bundesrath, Königlich baye⸗ rische Ober⸗Regierungs⸗Rath Geiger ist von hier abgereist.
„Der Grohßherzoglich badische Gesandte am hiesigen Aller⸗ höchsten Hofe, Geheime Legations⸗Rath von Brauer hat einen kurzen Urlaub angetreten.
Der General⸗Lieutenant von Blume, Commandeur der 8. Division, ist mit kurzem Urlaub hier angekommen.
8
S. M. Schiffsjungen⸗Schulschiff „Nixe“, Kommandant Korvetten⸗Kapitän Freiherr von Maltzahn, ist am 20. März in Port au Prince eingetroffen und beabsichtigt, am 28. nach Kingston (Jamaica) in See zu gehen.
S. M. Kanonenboot „Iltis“, Kommandant Korvetten⸗ Kapitän Ascher, ist am 22. März in Foochow eingetroffen.
S. M. Aviso „Pfeil“, Kommandant Korvetten⸗Kapitän Lavaud, ist am 22. März in Port Mahon (Insel Minorca)
eingetroffen und beabsichtigt, am 24. die Reise nach Gibraltar
fortzusetzen.
nburg, 21. März. Fürst Bismarck wurde, wie
.T. B.“ meldet, heute zum Abgeordneten des Lauenburg⸗ schen Kreistages gewählt.
P. Hannover, 20. März. In der Sitzung des Be⸗ zirks⸗Eisenbahnraths Hannover am 18. d. M. wurden die folgenden Anträge angenommen:
I. Antrag des Ausschusses. Eine Verschmelzung der IV. mit der III. Wagenklasse sei unter der Voraussetzung unbedenklich und zweckmäßig, daß die bisherige Lage der IV. Klasse⸗Reisenden hin⸗ sichtlich der Kosten und der Beförderung ihrer Lasten ꝛc. nicht ver⸗ schlechtert werde.
II. Anträge des Syndikus Puls: 1) Der Bezirks⸗Eisen⸗ bahnrath befürwortet die Ordnung der Personentarife nach einem ein⸗ fachen und einheitlichen System unter der Maßgabe, daß in keinem Falle eine Erhöhung der heutigen Tarifsätze eintrete. 2) Der Bezirks⸗ Eisenbahnrath befürwortet die Aufhebung des Freigepäcks und die Ermäßigung des jetzigen Gepäcksatzes von 0,50 auf 0,25 ₰ pro 10 kg und Kilometer. 3) Der Bezirks⸗Eisenbahnrath spricht sich für eine durchgreifende Ermäßigung der Personentarife auf Grund des ihm zur Begutachtung überwiesenen Planes mit der Maßgabe aus, daß der Zuschlag zu den Schnellzügen in Wegfall kommt. 4) Der Bezirks⸗ Eisenbahnrath billigt die Beseitigung der bisherigen Sonder⸗ begünstigungen für Rückfahrt⸗, Rundreise⸗, Sommerkarten und der⸗ gleichen unter der Voraussetzung, daß die bisherigen Vergünstigungen im Naheverkehr bestehen bleiben
Sachsen.
Dresden, 23. März. Prinz Marx ist aus Anlaß der Universitätsferien am Sonn⸗ abend von Leipzig hier eingetroffen und im Prinzlichen Palais abgetreten.
Der Kriegs⸗Minister Graf von Fabrice ist, wie „W. T. B.“ meldet, in Folge eines Abscesses im Halse er⸗ krankt. Nach dem heute ausgegebenen ärztlichen Bulletin ist der Kräftezustand bei künstlicher Ernährung befriedigend und das Fieber mäßig.
—
— Oesterreich⸗Ungarn.
Wien, 22. März. Der Kaiser hat, wie das „Armee⸗ verordnungsblatt“ mittheilt, den Großfürsten Paul Alexandrowitsch von Rußland zum Oberst⸗Inhaber des 63. Infanterie⸗Regiments und den General⸗ Genie⸗ Inspektor Feldzeugmeister Freiherrn von Salis⸗Soglio zum Oberst⸗Inhaber des 76. Infanterie⸗Regiments ernannt.
Dem gestern stattgehabten Leichenbegängniß des Generals Clam⸗Gallas wohnten der Kaiser, die Erz⸗ herzöge Karl Ludwig, Albrecht und Wilhelm sowie das diplomatische Corps, darunter der deutsche Botschafter Prinz Reuß mit dem Personal der Botschaft, bei.
Bei der am Sonnabend stattgehabten Reichsrathswahl der Höchstbesteuerten Dalmatiens wurde Graf Bonda, der Kompromißkandidat der autonomistischen und der Serben⸗ partei, neugewählt. Die Reichsrathswahlen sind hiermit voll⸗ ständig beendet.
In einer am 21. d. M. abgehaltenen dreistündigen Vor⸗ besprechung zwischen konservativen Abgeordneten und den Mitgliedern des bisherigen Liechtenstein⸗ und des Hohenwartklubs soll eine vollständige Uebereinstimmung der Anschauungen erzielt worden sein, sodaß ein gemeinsames Vorgehen der bezeichneten Abgeordneten im Reichsrath mit Zuversicht zu erwarten sei.
Der „Presse“ zufolge sollen die deutsch⸗österreichischen Vertragsverhandlungen am Montag wieder aufge⸗ nommen werden.
In dem Verwaltungsausschuß für die Komitats⸗ Reform erklärte der Minister⸗Präsident, einem Tele⸗ gramm des „W. T. B.“ aus Pest zufolge, daß er, wenn die gegenwärtige Vorlage von der Schaffung von Verwaltungs⸗ gerichten abhängig gemacht werden sollte, dagegen keinen Einspruch erheben werde, noch andere Bedingungen aber nicht zu stellen bitte. Gegen die Entsendung eines Subcomités zur Regelung der Frage der Kompetenz⸗ kreise habe er nichts einzuwenden, sei auch damit einverstanden, daß im Verwaltungsausschuß das Verhältniß der gewählten Mitglieder zu den ernannten Mitgliedern günstiger gestellt werde. Graf Apponyi erklärte: er sehe nach den Erklärungen des Minister⸗Präsidenten der Einzelberathung mit größ Hoffnung entgegen, als bei Beginn der Berathung.
Frankreich. ““
Paris, 23. März. In der vorgestrigen Sitzung des
Ministerraths unterzeichnete der Präsident Carnot die
Gesetzvorlage bezüglich der Zustimmung Frankreichs zu der
Brüsseler Konvention vom 5. Juli 1890, sowie zu der
Vorlage, betreffend die Gründung einer internationalen Vereinigung über die Veröffentlichung der Zolltarife.
Es verlautet nach dem „W. T. B.“ in Paris, der Kaiser von Rußland habe eine Verfügung, betreffend die Ver⸗ leihung des Großkordons des Andreas⸗Ordens an den Präsidenten Carnot unterzeichnet. 3
Der „Temps“ und andere Blätter sprechen die Ueber⸗ zeugung aus, der englische Premier Marquis von Salis⸗ bury werde trotz des Widerstandes der Neufundländer dem englisch⸗französischen Abkommen Geltung, ver⸗ schaffen. Die „Liberté“ meint, wenn England die Neufund⸗ länder durch Gewalt zur Anerkennung des Abkommens bringe, sei zu befürchten, daß sie sich an die Vereinigten Staaten an⸗ schließen würden, wodurch bei Canada die gleichen Wünsche wieder rege gemacht werden könnten.
An dem vorgestrigen Bankett im Elysée⸗Mont⸗ martre nahmen gegen 360 Personen Theil, darunter zahl⸗ reiche Senatoren und Deputirte. Die Ankunft Jules Ferry's, gegen den die Patriotenliga, wie es hieß, eine feindselige Demonstration beabsichtigte, blieb unbeobachtet. In seiner Rede führte Ferry aus: er glaube die Hoffnung auf die Beständigkeit des Ministeriums aus⸗ sprechen zu können, welche das Land wünsche und wodurch sich die früheren Parteien auflösen würden. Es würde dann eine Verschmelzung der verschiedenen republikanischen Parteien stattfinden; er richte deshalb eine Aufforderung an die republi⸗ kanische Jugend, welche durchdrungen sei von den Ideen poli⸗
tischen und sozialen Fortschritts. Dieser Fortschritt sei untrennbar von der Ordnung. Die Jugend begreife, daß die Republik für Frankreich nothwendig sei, um ihm de Achtung in der Welt und damit die Werthschätzung und Freundschaft zu sichern. Dazu sei eine freie Republik und der freie Wille zur Er⸗
Seine Königliche Hoheit der
ung der 1 nothwendig. (Beifall.) Ferry schloß nn bes Aeußerung: die dem Vaterlande geleisteten Dienste würden oft durch das Volk verkannt, aber was liege daran, wenn man nur Frankreich damit an einigen Punkten mehr Größe, mehr Licht und mehr Macht verleihe. Die Rede wurde mit großem Beifall aufgenommen. Bei dem Banket ereignete sich kein Zwischenfall. Die Freunde Ferry's jubelten ihm zu, als er den Wagen bestieg, was durch vereinzeltes Zischen beantwortet wurde. Vor dem Ausgange war eine große Anzahl Neugieriger versammelt. Fünf Personen, welche sich der Aufforderung zum Weitergehen widersetzten oder die Polizei⸗Agenten beleidigten, wurden verhaftet, jedoch nur drei davon in Haft gehalten. Um 11 Uhr hatte die ganze Gegend wieder ihr gewohntes Aussehen. Die Patriotenliga hatte sich vollständig ferngehalten.
Das „Echo de Paris“ erfährt, General Jamont habe
im Auftrage des Kriegs⸗Ministers die festen Plätze an der Ostgrenze eingehend besichtigt und in Luneville und Nancy Mobilisirungsversuche vorgenommen, welche ergeben hätten, daß das 6. Corps vollständig kriegsbereit sei. Die Forts von Frouard, Castines und Malleton würden im Stande sein, in wenigen Stunden jeden feindlichen Angriff zu erwidern. In der Deputirtenkammer brachte Labrousse vorgestern den Antrag ein: die Kammer möge die Regierung auffordern, den Zustand auf den Rennbahnen zeitweilig wiederherzu⸗ stellen, wie derselbe vor dem 28. Februar bestanden habe. Die Kammer beschloß jedoch mit 312 gegen 199 Stimmen, die Diskussion über den Antrag Labrousse einstweilen auszusetzen, und vertagte sich hierauf bis zum 27. April.
In der Budgetkommission sprachen am Sonnabend die Minister de Freycinet, Rouvier, Jules Roche und Barbey sowie der Unter⸗Staatssekretär Etienne betreffs der Ergän⸗ zungskredite. Freycinet äußerte sich über die Kredite für Dahomey und erklärte, die Kreditforderung habe erst nach den militärischen Operationen eingebracht werden können, denn man habe dort die Landsleute schützen und Verstär⸗ kungen entsenden müssen. Mehrere Mitglieder beklagten sich darüber, daß die Kammern sich nicht mit den Kreditforde⸗
rungen befaßt hätten zu der Zeit, als die Operationen ein⸗
geleitet wurden. Die Kommission überwies schließlich die Er⸗ gänzungskredite an die Regierung zur neuerlichen Prüfung, weil gewisse Ausgaben ohne die Eröffnung des Kredits über⸗ nommen wären und andere Kredite bei Festsetzung des Budgets hätten vorhergesehen werden müssen. 8 General Boulanger nimmt seinen ständigen Wohnsitz 8 und soll bereits ein Privathotel daselbst gemiethet haben. b 1
Die Deputirtenkammer setzte am Sonnabend die Debatte über den abgeänderten Etat fort. Der Schatz⸗ Minister erklärte in längerer Rede: Das Defizit des laufen⸗
den Finanzjahres würde sich auf ungefähr 70 Millionen Lire belaufen, das Defizit der Kategorie, Bewegung der Kapitalien,
auf acht Millionen, die Schuld des Staatsschatzes auf 430 Millionen. In der Erbauung von Eisenbahnen auf Kredit sehe er eine Gefahr für die Finanzen des Königreichs, durch die bereits eingebrachten Anträge jedoch werde das Defizit nicht nur verschwinden, sondern es werde noch ein kleiner Ueberschuß verbleiben, welcher die finanzielle Gebah⸗ rung der Regierung erleichtern werde. Der Schatz⸗Minister besprach sodann ausführlich die Frage der Emissionsbanken, wobei er jedoch die Nützlichkeit der Berathung, ob es eine oder mehrere derselben geben solle, ausschloß. Er halte die Beschränkung der Notenzirkulation der Banken und die genaue Bezeichnung der Befugnisse jeder einzelnen Bank für noth⸗ wendig. Die Regierung sei darauf bedacht, für das Budget des nächsten Jahres noch andere Ersparnisse vorzuschlagen, um
moöglichen weiteren Ausfällen in den vorgeschätzten Einkünften
zu begegnen; die letzteren dürften übrigens in Folge verschiedener ökonomischen Reformen, welche die Regierung in Verbindung mit den organischen Reformentwürfen vorschlagen werde, sich wieder heben. Der Minister kündigte sodann an, er werde den Provinzialdienst für die Staatsschuld⸗ verwaltung den Banken anvertrauen, wodurch er eine Ersparniß von 1 500 000 Lire zu erzielen hoffe. Die Central⸗
kasse der Staatsschuldverwaltung werde jedoch in den Händen des Staates verbleiben. Der Minister schloß: Die Kammer möge durch ihr zustimmendes Votum ihre Absicht, das Gleich⸗ gewicht im Staatshaushalt wiederherzustellen, bethätigen; den Vortheil würde der Kredit des Landes davon haben. Crispi erklärte in persönlicher Bemerkung die vorgeschlagenen Er⸗ sparungen anzunehmen, indem er dem Kabinet die Verant⸗ wortlichkeit für deren Anwendung überlasse. Er empfehle nur dem Minister⸗Präsidenten Rudini, die italienischen Schulen im Auslande aufrecht zu halten; eine Verminderung derselben würde einen Triumph des Vatikans bilden. Dem Kriegs⸗ Minister empfehle er keine Umänderung der Gewehre im Heere vorzunehmen, denn das würde eine sehr große Vermehrung der Ausgaben und eine ernstliche Umwälzung herbeiführen; man müsse ja daran denken, daß ein Krieg bald hereinbrechen könne. Es würde daher ein ernst⸗ licher Schaden sein, wenn eine Umänderung der Gewehre unternommen würde. Crispi vertheidigte alsdann seine An⸗ sichten über die Finanzfrage der Banken, sowie seine Politik in Afrika und sein Verhalten gegen den Vatikan und schloß damit, daß er gegen das Kabinet stimmen werde. In Er⸗ widerung auf den Vorwurf Crispi’'s, daß das Ministerium den Radikalen schmeichle oder mit ihnen übereinstimme, erklärte der Minister⸗Präsident di Rudini: Er habe niemals Je⸗ mandem geschmeichelt und verstehe es auch nicht; aber er habe nicht das Recht die Stimmen der Deputirten, auf welcher Seite ste auch sitzen mögen, zurückzuweisen. Den Verleumdern der Kirchenpolitik des Kabinets erwidere er, das Kabinet bleibe getreu dem Programm der Freiheit, wie es in den Gesetzen des Staates abgegrenzt sei, welche er ernstlich und gewissenhaft u respektiren verstehe: keine Konzessionen, keine Heraus⸗ orderung, keine Verletzungen der bürgerlichen Gewalt. Der Minister⸗Präsident erklärte formell, daß die Maß⸗ nahmen Betreffs der italienischen Schulen im Auslande keine Zugeständnisse für den Vatikan seien, vertheidigte alsdann die Erfahrungen bei den Ausgaben in Afrika, die sich künftig auf sechs oder sieben Millionen belaufen würden, und sagte, man dürfe nicht Muthmaßungen über die Zukunft in Afrika anstellen, sondern sich so wenig wie möglich dort binden. Er sowohl wie der Kriegs⸗Minister sei der Ansicht, daß man mit der angesetzten Summe das Dreieck Massovah⸗ Keren Asmara 1e könne; sollte es unmöglich sein, so würde er zur Kammer kommen, und diese sollte entscheiden;
aber niemals würde er bei der Lage des Budgets und der
internationalen Politik die Verantwortlichkeit auf sich nehmen,
das Land zu einer Ausgabe von 18 oder 20 Millionen zur
Erhaltung der Erythräischen Kolonie zu verpflichten. (Beifall.)
Alsdann wies der Redner nach, daß man mit 45 Millionen
Ersparnissen das Gleichgewicht des Budgets für 1891/92
herbeiführen könne; alsbald würden auch wirksame Maß⸗
nahmen zur Regelung des Defizits der Eisenbahnen vor⸗
geschlagen werden. Die Regierung könne nur nach der gegen⸗
wärtigen Debatte ein klares Vertrauensvotum verlangen. Wenn
die Führung des Kabinets die Billigung der Kammer zu ver⸗
dienen scheine, so werde es bleiben, wenn nicht, so werde es
seine Pflicht zu erfüllen wissen. (Beifall.) Zanardelli
erklärte hierauf: Er werde gegen das Kabinet stimmen.
— Im weiteren Verlauf der Debatte sprachen noch mehrere
Redner theils gegen, theils für das Ministerium und ver⸗
anlaßten den Minister der öffentlichen Arbeiten, den
Kriegs⸗Minister sowie die Minister des Schatzes, der
Marine und der Justiz Erklärungen abzugeben.
Vachelli beschuldigte den Kultus⸗Minister, daß seine
kirchliche Politik dem Vatikan gegenüber eine will⸗
fährige sei. Der Kultus⸗Minister vertheidigt seine Politik und
erklärte: Er habe die feste Absicht, die Staatsgesetze nicht ver⸗ letzen zu lassen. Bonghi sprach für das Ministerium und behauplete, die Opposition habe die kirchliche Frage in die Debatte hineingezogen, um aus derselben eine Waffe gegen das Ministerium zu schmieden. Die Rede Bonghi's wurde zum Schluß von heftigem Lärm Seitens der Linken unterbrochen. Der frühere Schatz⸗Minister Giolitti vertheidigte seine Verwaltung. Er behauptete, die finanzielle Lage habe sich seit drei Jahren ständig gebessert, das Defizit sich von 170 Mil⸗ lionen auf weniger als 70 Millionen herabgemindert, und nicht eine neue Ausgabe sei während der drei letzten Jahre in den Etat aufgenommen worden. Der Redner erklärte, er und seine Freunde würden sich der Abstimmung enthalten, indem sie einer⸗ seits auf bloße Versprechungen dafür zu stimmen nicht gesonnen seien, andererseits aber an einem Programm auch nicht rütteln wollten, das so viele Hoffnungen erwecke. (Beifall.) Auf vielfache Schlußrufe bestimmte hierauf die Kammer den Schluß der Debatte. — Von den Abgg. Maggiorino und Ferraris war folgende Tagesordnung eingebracht worden, zu welcher das Kabinet die Vertrauensfrage gestellt hatte: „Die Kammer spricht, nach Kenntnißnahme der Erklärungen der Regierung, dem Ministerium ihr Vertrauen aus und geht zur Tagesordnung über.“ Die Abstimmung durch Namensaufruf ergab die Annahme dieser Tagesordnung mit 256 gegen 96 Stimmen. 46 Abgeordnete enthielten sich der Abstimmung. — In geheimer Abstimmung wurde alsdann mit 192 gegen 32 Stimmen das abgeänderte Budget für 1890/91 genehmigt. Hierauf vertagte sich die Kammer bis zum 14. April.
Die katholischen Zeitungen Roms veröffentlichten am Sonnabend ein Breve des Papstes, welches an die deutschen Centrumsführer Grafen Ballestrem und Preysing gerichtet ist und in dem der Papst dem verstorbenen Dr. Windthorst große Anerkennung zu Theil werden läßt. Der Papst sagt dem „W. T. B.“ zufolge, Windthorst habe bei der Führung der Centrumspartei hohe Tugenden an den Tag gelegt, habe die Kirche und sein Vaterland geliebt und sei jederzeit ein treuer Unterthan seines Herrschers gewesen. Er rühmt seine Beredsamkeit in der Vertheidigung der Religion, erwähnt, daß er beschlossen hatte, ihm das Großkreuz des St. Gregor⸗Ordens zu übersenden und hofft, daß nunmehr ihn Gott belohnt haben werde. Schließlich ermahnt der Papst die Centrumspartei, Windthorst's Bahnen auch ferner zu wandeln, indem sie einig bleibe zum Wohl und Ruhm des Vaterlandes und der Kirche.
Der Bundesrath hat bei der Bundesversamm lung be antragt: sie möge den mit einem Konsortium deutscher und schweizerischer Finanzinstitute abgeschlossenen Vertrag, be⸗ treffend den Ankauf von 50 000 Centralbahnaktien, ge⸗ nehmigen und den Bundesrath ermächtigen, die Centralbahn mit ihrem gesammten beweglichen und unbeweglichen Vermögen um den Preis zu erwerben, welcher der Uebernahme sämmtlicher Aktien zu den Bedingungen des genannten Vertrages entspricht. Ferner hat der Bundesrath beantragt, die gesetzlichen Vor⸗ schriften, nach welchen kein Aktionär an der General⸗ versammlung mehr als den fünften Theil der vertretenen Stimmrechte in sich vereinigen darf, dahin abzuändern, daß diese Beschränkung des Stimmrechts auf Eisenbahn⸗Aktien, welche sich im Besitz des Bundes oder von Kantonen befinden, keine Anwendung finde.
Bei der gestrigen Ersatzwahl zum Nationalrath im Wahlkreise Bern hat kein Kandidat die absolute Mehrheit erhalten. Die sozialdemokratischen Stimmen weisen einen großen Zuwachs auf.
Aus Genf meldet „W. T. B.“: Bei Gelegenheit des Vortrags, den der frühere Hof⸗ und Domprediger Stöcker aus Berlin in einem hiesigen Saale Sonntag Abend über die Berliner Stadtmission halten wollte, wurde derselbe schon bei seinem Erscheinen mit Lärmen empfangen. Nach dem Gebet und Gesang, der dem Vortrage voraufging, erfolgte erneut weiteres Lärmen, welches Stöcker am Reden hinderte. Als darauf die Polizei einschreiten wollte, kam es im Saale zu einer heftigen Schlägerei. Eine Anzahl der Lärmmacher wurde mit Gewalt aus dem Saale entfernt. Um Mitternacht wurden drei der Rädelsführer, und zwar zwei aus Württem⸗ berg, einer aus Preußen, nachdem sie polizeilich verhört waren, ins Gefängniß abgeführt. 8
Luxemburg.
Luxemburg, 21. März. Seine Königliche Hoheit der Großherzog reiste heute Mittag zum Besuch der Erbgroß⸗ Fesseen Hilda nach Freiburg in Baden ab. Auf dem Bahn⸗
eig hatte sich eine ansehnliche Volksmenge versammelt, die
den Landesfürsten ehrfurchtsvoll grüßte. Außer dem Eisen⸗ bahnbetriebs⸗Direkter de Bary war der deutsche Minister⸗ Resident Graf von Wallwitz zur Begrüßung am Bahnhof er⸗ schienen. Die Herren vom Gefolge des Großherzogs reisen morgen direkt nach Frankfurt. Der Freiburger Aufenthalt des Groß⸗ herzogs wird der „Luxb. Ztg.“ zufolge einige Tage dauern. Von Freiburg reist Seine Königliche Hoheit nach Schloß Königstein, wo auch der Erbgroßherzog, der zur Zeit in Ungarn weilt, nächstens eintreffen wird. Die Großherzogliche Familie wird so vereint die Ostertage in Königstein verbringen. Laufe des Monats April kehrt der Großherzog alsdann
nach der Residenz Luxemburg zurück.
Serbien. — Belgrad, 21. März. Wie nach dem „W. T. B.“ ver⸗ lautet, wird König Milan Serbien nunmehr auf längere Zeit verlassen, um den Agitationen zu begegnen, welche sich an seine Anwesenheit knüpfen. Ferner wird die Uebersiedelun der Königin Natalie auf ihre Güter angekündigt, woselbst sie längeren Aufenthalt zu nehmen gedenke.
Bulgarien.
Dem Londoner „Standard“ wird aus Sofia gemeldet: die serbische Regierung habe die Grenzberichtigungs⸗ Verhandlungen mit Bulgarien kurz vor dem Abschluß derselben abgebrochen unter dem Vorgeben, das neue Kabinet wünsche erst die von dem vorigen Kabinet den Unterhändlern ertheilten Instruktionen zu prüfen.
Schweden und Norwegen.
(F) Stockholm, 20. März. König Oscar und Prinz Eugen wohnten vorgestern Abend einer Vorstellung im Cirkus bei, in welcher nur Personen aus den höchsten Gesellschaftskreisen mitwirkten. Der Ertrag der Vorstellung ist für die Zwecke des Vereins zur Hebung des Ver⸗ theidigungswesens bestimmt. Die „Post⸗ och Inr. Tidn.“ schreibt in dieser Veranlassung:
„Wenn ein Land während längerer Zeit eine friedliche Ruhe genossen hat, dann kann dessen Volk aus ganz natür⸗ lichen Gründen leicht dahin kommen zu vergessen, daß es nicht immer so bleiben kann. Ganz gewiß kann eine Nation sich in Träume wiegen, wenn ihre stolzen Erinnerungen an frühere Großthaten und Feldzüge nach fremden Ländern lebhafter hervortreten, als die Erinnerung an Niederlagen und zerstörte Wohnsitze. Es ist erklärlich und vielleicht zu enischuldigen, wenn eine Nation die Gegenwart wegen der Vergangenheit vergißt; wenn aber Gleichgültigkeit hinzukommt und darauf gepocht wird, daß nur der großen Erinnerungen wegen diese Ruhe nicht gestört werden oder in Gefahr gerathen darf, dann ist es Zeit, daß die Nation er⸗ wacht und, wenn sie es nicht von selbst thut, zum Be⸗ wußtsein erweckt wird, daß eine Gefahr im Anzuge sein kann. Geschieht dieses Erwecken erst, nachdem die Gefahr da ist, erst, nachdem die Heere des Feindes in das Land eingefallen sind, dann dürfte dieses Erwachen ganz sicher zum rathlosen Ent⸗ setzen des Ueberraschten werden. Und dann, wenn auch die entflammte Vaterlandsliebe viel ausrichten kann, vermag sie doch nicht Alles zu thun. Die Nation muß deshalb vor Aus⸗ bruch der Gefahr zu der Einsicht kommen, daß die drohende Gefahr gebannt werden muß und kann. Bei uns haben sich während der langen Friedensperiode, die unserem Lande ver⸗ gönnt war, die Verhältnisse so gestaltet, daß das Land ganz gewiß der kräftigen Ermahnungsworte bedurfte, die in erster Linie von dem Thron und der Regierung, aber auch von dem größten Theil der Zeitungspresse und besonders von dem Schwedischen Frauenverein und dem Allgemeinen Vertheidigungsverein an die Bewohner des Landes gerichtet worden sind. Und daß diese Worte der Ermahnung nicht ungehört verklungen sind, das bezeugt die Strömung, die jetzt sichtlich durch das Land geht; es mag sein, daß diese Strömung noch hauptsächlich in den höheren und wohlhabenderen Gesellschaftsschichten zu Tage tritt, es ist aber doch zu hoffen, daß die Zeichen nicht trügen werden, die darauf hindeuten, daß sie bald immer tiefer herunter zur ganzen Nation dringen wird. ...“
In der Voraussetzung der Annahme des von der Regie⸗ rung dem Reichstage vorgelegten Dienstpflichtgesetzes, durch welches eine längere Uebungszeit für alle Waffengattungen eingeführt werden soll, hat der Kriegs⸗Minister beantragt, alle Ausgaben für die „Bewehrung“ (Landwehr) im Jahre 1892 wie folgt zu erhöhen: Marine⸗Regiment, Gothlands National⸗ bewehrung, Hallands und Westernorrlands Bewehrung 344 427 Kronen (33 838 Kronen mehr, als im Budget berechnet), für die Waffenübungen der Bewehrung 2 193 000 Kronen (721 000 Kronen mehr), für das Departement der Armeeverwaltung im Allgemeinen 2 734 000 Kronen (330 000 Kronen mehr) für die Kommando⸗Uebungen der ein⸗ getheilten Armee 4 308 812 Kronen (100 000 Kronen mehr), außerordentlich noch für Westernorrlandsbewehrung 38057 Kronen, ferner für die Artillerie 66 000 Kronen, für Jämtlands reitendes Jäger⸗Corps 130 000 Krosnen, für den Train 150 000 Kronen u. s. w. Den Mehrbedarf von 3 812000 Kronen im nächsten Jahre schlägt die Regierung vor, auf folgende Weise zu decken: von dem Ueberschusse der Staats⸗ einnahmen im Jahre 1890 werden 2 652 300 Kronen über⸗ wiesen, Erhöhung der Bewilligung auf landwirthschaftliche Gebäude 660 000 Kronen und Erhöhung des berechneten Er⸗ trages der Rübenzuckersteuer um 500 000 Kronen (statt 800 000 Kronen sind 1 300 000 Kronen in Ansatz zu bringen). Die Militärvorlagen u. s. w. sind von beiden Kammern sogleich den ständigen Ausschüssen überwiesen worden.
In Veranlassung des Gutachtens des Konstitutions⸗ ausschusses über den Antrag, betreffend die Verleihung des Rechts an die Kammern, ihre Präüsidenten selbst zu wählen, beschloß die Erste Kammer, nur um die Er⸗ nennung von zwei (statt jetzt einem) Vize⸗Präsidenten zu er⸗ suchen, das Ernennungsrecht des Königs aber bestehen zu lassen; die Zweite Kammer entschied sich nach längerer Ver⸗ handlung mit 94 gegen 86 Stimmen dafür, dem König den Wunsch auszusprechen, künftig ihre Präsidenten selbst wählen zu dürfen.
Dänemark.
(F) Kopenhagen, 21. März. Im Landsthing fand gestern die erste Lesung des Gesetzentwurfs, betreffend die Herabsetzung des Zolles und der inländischen Steuer auf Rübenzucker, statt. Der Finanz⸗Minister empfahl die Annahme des Gesetzentwurfs mit den von ihm beantragten Aenderungen; seine Bedingungen waren aber, daß die Bestimmung des §. 3, der von der Verwendung von Steuererträgen für die Altersversorgung Unbemittelter handelt, fortfällt, daß der Zoll auf Reis nicht auf⸗ gehoben und daß der Gesetzentwurf, betreffend die Einführung einer Biersteuer, noch in dieser Session vom Reichstage angenommen wird. Das Zucker⸗ und das Biersteuergesetz müßten gleichzeitig dem König zur Sanktion vorgelegt werden. Nach einiger Debatte wurde der Gesetz⸗ entwurf zur zweiten Lesung verwiesen; ein Antrag auf Ueber⸗ weisung an einen Ausschuß wurde mit 42 gegen 9 Stimmen abgelehnt. Alsdann wurde der Gesetzentwurf, betreffend die Einführung einer Biersteuer, mit den von dem Finanz⸗ Minister gestellten Aenderungsanträgen in dritter Lesung mit 45 gegen 8 Stimmen angenommen. Der Gesetzentwurf geht nunmehr zum Folkething. Beide Thinge werden wegen der
Wichtigkeit der Fertigstellung der hier in Frage stehenden Ge⸗