1891 / 84 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 09 Apr 1891 18:00:01 GMT) scan diff

Sees bis zur Grenze von Uganda antreten, um die Länder zum Zwecke von Anlage peuer Stationen kennen zu lernen.

Msgr. Hirth, der sich auf der Fahrt nach Uganda schon mehrere Tagereisen weit auf dem Nyanza befand, kam kürzlich zurück, auf die Nachricht, daß die große Missionskarawane von der Küste hier in Bukumbi angekommen sei.

Wir sind alle bis an den Hals in den Vorbereitungen für die verschiedenen Expeditionen nach Uganda, nach Unyanvembe, nach Karagwe. Es sind Barken von Uganda hier, um die Missionare ab⸗ zuholen. Wir haben noch diese Möglichkeit, doch wie lange wird der Verkehr zwischen Uganda und hier noch frei sein? England hat nun definitiv Uganda unter sein Protektorat gestellt; ein Vertrag wurde vor drei bis vier Wochen, freilich zunächst nur für zwei Jahre, unter⸗

ichnet. veae Pascha ist noch in Karagwe; er will von dort südlich nach dem Tanganjika marschiren. Sein Nachtrab, Lieutenant Lanaheld, ist vor acht Tagen ihm nachgesegelt im Stokes'schen Boote, nachdem die Wangoni wiederholt geschlagen und nach Uhha verjagt worden.

Hier ist das Land völlig ruhig. Lieutenant Sigl ist heute Morgen von hier nach Tabora abmarschirt, um dort ein Fort zu bauen. Er hat ca. 40 Wanyamwesi⸗Rekruten eingestellt, die sich gegen die Wangoni sehr brav gehalten haben. Msgr. Hirth wird Anfang nächster Woche nach Uganda abfahren.

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Oesterreich⸗Ungarn.

Wien, 9. April. Die Deutsche Nationalpartei (bei der Deutschnationalen Vereinigung) hielt gestern ihre erste Sitzung. Dem ausgegebenen Bericht zufolge trat der Abg. Steinwerder der Nachricht einzelner Blätter entgegen, wonach die Partei mit der Regierung und dem Grafen Hohenwart Fühlung genommen und klerikale Elemente herangezogen hätte. Der Redner erklärte, wenn die Re⸗ gierung in nationaler Beziehung wenigstens neutral bleibe, sei kein Grund vorhanden, die Führung der Staatsgeschäfte zu erschweren. Unter dieser Voraussetzung werde die Partei ohne Vorurtheil zu den Vorlagen und sonstigen Regierungs⸗ handlungen Stellung nehmen und sich hierbei nur durch sachliche Rücksichten leiten lassen. Die Partei stehe vorläufig nicht auf dem Boden grundsätzlicher Opposition, aber eben so wenig könne von dem Bestreben die Rede sein, den Bestand⸗ theil einer neuen Regierung zu bilden. Den deutsch⸗ nationalen Antisemiten solle Raum geboten werden zur ge⸗ meinsamen Arbeit, ohne daß jedoch der Antisemitismus einen Programmpunkt bilde. Der Klub genehmigte eine Re⸗ solution, in der er sich bereit erklärt, in nationalen und anderen wichtigen politischen Fragen ein einheitliches Vorgehen mit der vereinigten Linken anzubahnen. Die konservativen Abgeordneten des böhmischen Großgrundbesitzes versenden eine Mittheilung, in der erklärt wird, daß sie beschlossen hätten, dem neu zu bildenden konservativen Klub (Hohenwart) beizutreten, jedoch als selbstständige Gruppe und mit dem Rechte, in allen Böhmen speziell betreffenden Angelegenheiten frei abzustimmen. Die czechischen Abgeordneten Mährens konstituirten sich gestern als eigener Klub und wählten den Abg. Meznik zum Obmann. Der Klub faßte einstimmig den Beschluß, sich als Theil der Rechten zu betrachten und mit dem Hohenwartklub freundliche Beziehungen zu unterhalten. Der Polenklub hielt gestern eine abermalige Berathung ab, deren Ergebniß in parlamentarischen Kreisen folgendermaßen resumirt wird: der Polenklub, auf seinem alten autonomistischen Programm fußend, habe keine Ursache, die bisherige Selbst⸗ ständigkeit aufzugeben; er spreche dagegen die Geneigtheit aus, mit den Parteien von Fall zu Fall in Verbindung zu treten. Zum Obmann wurde wieder Jaworski gewählt. Der Jungcezechenklub beschloß in seiner gestrigen Versamm⸗ lung, beim Eintritt ins Abgeordnetenhaus eine staatsrechtliche Verwahrung abzugeben.

Bei den gestern stattgehabten Wiener Gemeinde⸗ rathswahlen des zweiten Wahlkörpers waren ins⸗ gesammt 46 Wahlen vorzunehmen. Gewählt wurden 39 Li⸗ berale und 7 Antiliberale. Die Wahlen des ersten Wahl⸗ körpers finden am 13. d. M. statt.

Großbritannien und Irland.

Die Kaiserin Friedrich ist mit der Prinzessin Mar⸗ garethe gestern Nachmittag von London mittels Extrazuges nach Port Victoria abgereist, um sich nach Deutschland zurückzu⸗ begeben. Der deutsche Botschafter Graf von Hatzfeldtmit seiner Tochter und dem gesammten Botschaftspersonal, der griechische Gesandte sowie Oberst Byng als Vertreter der Königin Victoria und Lord Suffield als Vertreter des Prinzen von Wales gaben Ihrer Majestät das Geleit bis zum Bahnhof. General Du Plat begleitete die Kaiserin bis Port Victoria, wo sich Ihre Majestät unter den Salutschüssen der Artillerie an Bord der Königlichen Nacht „Victoria and Albert“ einschiffte.

Der Erbgroßherzog und die Erbgroßherzogin von Oldenburg trafen am 6. d. M. auf dem Norddeutschen Lloyddampfer „Eider“ in Southampton ein und begaben sich sofort nach Portsmouth, um daselbst dem Herzog und der Herzogin von Connaught einen Besuch abzustatten.

Die Regierung hat sich endgültig entschlossen, ihre Vorlage über staatliche Unterstützung des Volks⸗ schulunterrichts im Laufe der jetzigen Tagung nicht mehr einzubringen.

Von den Mitgliedern der vordersten Oppositionsbank haben John Morley und Sir Lyon Playfair den Eintritt in die Arbeitskommission abgelehnt. An ihrer Stelle werden englischen Blättern zufolge Mundella und Fowler ernannt werden. Die Schatzamtsbank wird durch Sir M. Hicks⸗Beach und Sir J. Gorst vertreten sein. Auch der Sekretär des Gewerkvereins der schottischen Eisenbahn⸗ angestellten, Henry Tait ist in die Kommission berufen worden.

Die Wahl eines Führers der liberalen Partei im Hause der Lords, welche der Tod Earl Granville’s nöthig macht, ist noch nicht getroffen worden. Sie schwankt zwischen den Earls Spencer und Rosebery. Gladstone soll dafür sein, Lord Spencer die Leitung der liberalen Interessen im Oberhause zu übertragen.

Nach einer Meldung des „Reuter'schen Bureau“ aus Simla von gestern wäre es jetzt außer Zweifel, daß Quinton und seine Begleiter getödtet worden seien. Ein Brief des aufständischen Bruders des abgesetzten Rajah konstatire dies ausdrücklich. Gerüchtweise verlaute von neuen Kämpfen um Manipur, in denen der englische Kommandant ge⸗ fallen wäre; es könnte dies nur entweder Grant sein, welcher Thobal einnahm, oder Pressgrave, der Kommandant der jenem zur Hülfe gesandten Abtheilung.

Die Delegirten Neufundlands, welche am 6. d. M. die Reise nach Europa antraten, überbringen dem Londoner

Parlament eine energische, von der neufundländischen Legislatur angenommene Vorstellung. In derselben heißt es dem „R. B.“ zufolge: Alle Klassen der Be⸗ völkerung Neufundlands seien von Besorgniß und Entrüstun über die geplante „Zwangsbill“ erfüllt. Die Bill sei will⸗ kürlich und bedrückend, verstoße gegen Freiheit und Gerechtig⸗ keit, verletze die Rechtsbegriffe, schädige den Handel und ver⸗ wunde die Gefühle eines loyalen Volkes. Das Schriftstück protestirt ferner gegen die Einsetzung eines Schiedsgerichts über die Hummerfrage.

Die nach Laing's Neck an der Grenze von Transvaal führende Zweigbahn der Bahn von Natal wurde, laut einem Reuter'schen Telegramm aus Durban am 7. d. M. unter großen Feierlichkeiten eröffnet. Der Gouverneur von Natal Sir Charles Mitchell empfing den Präsidenten Krüger und den General Joubert an der Grenze. 8

Frankreich.

Paris, 9. April. Die Königin Victoria beabsichtigt, wie „W. T. B.“ meldet, ihren Aufenthalt in Grasse bis zum 20. Mai zu verlängern.

Der diesseitige Botschafter in Konstantinopel Graf von Montebello begiebt sich heute auf seinen Posten zurück.

Die Einnahmen aus den indirekten Steuern und Monopolen im Monat März übersteigen den Voranschlag um 92 000 Frcs. und die bezüglichen Einnahmen im Vorjahre um 5 Millionen. b

Der bekannte protestantische Geistliche de Pressensé, welcher auch Mitglied des Senats war, ist gestern gestorben.

Nach einer übersichtlichen Zusammenstellung wurden im Laufe des März auf Grund des Gesetzes über die 88““ 80 Ausländer polizeilich

estraft.

Ueber die testamentarischen Bestimmungen des verstorbenen Prinzen Napoleon erfährt der „Temps“, daß der Prinz darin angeordnet habe, seine Leiche möge, falls die sranzösische Regierung es genehmige, im Invalidendom beigesetzt werden; andernfalls solle sie im Golf von Ajaccio auf dem Felsen „Isles sanguinaires“ beerdigt werden. Die hinterlassenen Papiere politischen In⸗ halts sollen dem Prinzen Louis übergeben werden, der die Freunde des Verstorbenen, Masson und Philis, falls sie beabsichtigten, dessen Memoiren zu schreiben, nach Möglichkeit unterstützen solle. Im Uebrigen bestätigt der „Temps“, daß Prinz Victor Napoleon in dem Testament für einen Abtrünni⸗ gen erklärt und vollständig enterbt werde.

Italien.

Der italienischen Gesandtschaft in Bern sind, dem „W. T. B.“ zufolge, gestern alle auf die Auslieferung Livraghi's bezüglichen Schriftstücke zugegangen. Die⸗ selben sollen der schweizer Regierung sofort übermittelt werden.

Wie der „Agenzia Stefani“ aus Port Said gemeldet wird, wollte der italienische Bevollmächtigte Graf Antonelli gestern an Bord des Dampfers „Bengal“ die Rückreise nach Brindisi antreten. Die „Kölnische Zeitung“ erfährt aus Rom, der dort eingetroffene bisherige Vertreter Italiens in Harrar, Dr. Nerazzini, bestätige, daß Menelik den gethanen Schritt bereue und Makonnen die Treue gegen Italien bewahrt habe. Letzterer habe in einem Briefe an Crispi diesem sein Bedauern über dessen Rücktritt und gleichzeitig seine Befriedigung über die Ernennung des Marchese di Rudini ausgedrückt. Lieutenant di Rudini, ein Sohn des Minister⸗Präsidenten, sei in jüngster Zeit bei Makonnen ge⸗ wesen. Nicotera habe neuerdings in Turin erklärt, die Regierung werde lieber Massovah preisgeben, als große Opfer für die Sicherheit der Karawanenstraßen bringen.

Schweiz.

Die Bundesversammlung hat die Revision der Bundesverfassung in der Richtung beschlossen, daß 50 000 Schweizer Bürger durch einfache Anregung oder Vor⸗ legung eines ausgearbeiteten Entwurfs die Revision einzelner Bestimmungen der Bundesverfassung verlangen können. Legen dieselben einen ausgearbeiteten Entwurf vor, so ist dieser un⸗ verändert der Abstimmung des Volks und der Kantone zu unterbreiten. Der vorstehense Beschluß der Bundesvers lung unterliegt noch der Volksabstimmung.

Belgien.

Die Centralsektion der Kammer war gestern in Brüssel wieder zur Prüfung der Grundlagen der Wahl⸗ reform versammelt, ohne jedoch einen Beschluß zu fassen. Die Sektion verlangte von der Regierung, es solle ihr inner⸗ halb vierzehn Tagen ein Verzeichniß sämmtlicher Häuser in Belgien geliefert werden, um unter Benutzung desselben ein Wahlsystem zu erwägen, welches sich auf den Besitz einer Wohnung oder eines Hauses gründet.

Die belgische Regierung bereitet umfassende Pläne für neue Kanal⸗ und Hafenanlagen vor. Der Arbeits⸗ Minister de Bruyn hat, wie man dem „Hamb. Corr.“ schreibt, das bürgermeisterliche Comité für die Brüsseler mari⸗ timen Anlagen empfangen. Das Comité erbat eine Er⸗ höhung des Staatszuschusses, da die Brüsseler Anlagen an 28 Millionen Francs beanspruchen. Der Minister war hierzu bereit, falls dem Staat ein Antheil an den Einnahmen ge⸗ währt werde. Damit war das Comité einverstanden. Gleichzeitig erklärte der Minister, daß auch die Brügger Hafenanlagen, welche 24 Millionen kosten, ihrer Ausführung sich nähern; er verhandele schon mit einem englischen Syndikate, welches unter Staatsgarantie die Anlagen ausführen, auch in Betrieb nehmen wolle. Da Hamburg Antwerpen eine immer größere Konkurrenz macht, so soll auch Heyst zu einem Hafen ersten Ranges umgestaltet und dieser neue Hafen durch einen tiefen Kanal mit Brügge und Brüssel verbunden werden.

Am 18. d. M. werden sich, wie man der „Köln. Ztg.“ meldet in Antwerpen vier belgische Offiziere und etwa zwöͤlf Unteroffiziere nach dem Congo einschiffen. Sie sind zur Verstärkung der bewaffneten Macht und zur Besetzung des linken Congo⸗Ufers an der Grenze der portugiesischen Besitzungen bestimmt. In Boma und Matadi sollen Forts errichtet werden. Die Eisenbahnarbeiten schreiten rasch voran. Es sind bereits 30 km gebaut, und zwar die schwie⸗ rigsten von den 450 km. Es geht nunmehr meist durch ebenes Gelände. 1

Serbien.

Belgrad, 8. April. Die Regierung hat laut Meldung des „W. T. B.“ den Gesetzentwurf, betreffend die Konversion der Staatsanleihen, zurückgezogen. Die Skupschtina nahm in zweiter Lesung die Vorlage, be⸗ tkessend die Abänderung des Gesetzes über die direkten

Steuern, an und bewilligte einen Nachtragskredit von 5 Millionen. 1 8

Bulgarien. 8

Sofia, 8. April. Der Kawaß des russischen Agenten soll, nach einer Mittheilung der „Köln. Ztg.“, auf Veranlassung Rußlands, noch bevor die bulgarische Regierung seine Entfernung verlangt habe, über die Grenze gebracht worden sein. Der frühere Sekretär der russischen Gesandt⸗ schaft in Bukarest Jacobsohn sei mit Erlaubniß der bulgarischen Regierung in Sofia eingetroffen. Seine Angaben dazu beigetragen zu haben, daß man die Spuren der örder Beltschew's auffinden und verfolgen konnte.

Amerika.

Vereinigte Staaten. Wie die New⸗Yorker Blätter melden, hätte Präsident Harrison es abgelehnt, Ver⸗ handlungen über den Abschluß eines gegenseitigen Handelsvertrages mit Canada einzuleiten, da er der Ansicht sei, daß sie zu keinem Ziele führen würden. Die Delegirten der canadischen Regierung, welche am 6. d. M. in eintrafen, seien an demselben Tage wieder ab⸗ gereist.

Von San Francisco ist am 7. d. M. der Kreuzer „San Francisco“ nach den chilenischen Gewässern in See gegangen.

Afrika.

Ein Telegramm des „Reuter'schen Bureaus“ aus der Kapstadt vom 8. April besagt: Das von Mozambique aus gemeldete Gerücht, daß gegen 250 bewaffnete Eng⸗ länder nach Beira abgegangen seien, um dort einen gewaltsamen Landungs⸗ und Einfallversuch zu unter⸗ nehmen, reduzire sich auf die Thatsache, daß etwa 250 Kolonisten, die sich im Mashonalande ansiedeln wollten, nach Beira abgereist seien, um sich mit dem ersten Dampfer der neuen zwischen Beira und dem Mashona⸗ lande eingerichteten Dampferlinie den Fluß Pungwe hinauf nach Mashonaland zu begeben. Die gedachten Kolonisten seien aber lediglich Reisende resp. Schiffspassagiere und trügen nur solche Waffen, wie sie in unsicheren Gegenden jeder Reisende zu seinem Schutze mit sich führe.

Parlamentarische Nachrichten.

In der heutigen (94.) Sitzung des Reichstages, wele er der Staatssekretär Dr. von Boetticher und der Staats⸗Minister Freiherr von Berlepsch bei⸗ wohnten, stand auf der Tagesordnung die Fortsetzung der zweiten Berathung des Gesetzentwurfs, betreffend die Abänderung der Gewerbeordnung auf Grund des Berichts der VIII. Kommission. Berichterstatter ist der Abg. Hitze. Die Berathung wurde fortgesetzt mit §. 125 (Ver⸗ ragsbruch). Derselbe lautet:

Hat ein Geselle oder Gehülfe rechtswidrig die Arbeit verlassen, so kann der Arbeitgeber als Entschädigung für den Tag des Ver⸗ tragsbruchs und jeden folgenden Tag der vertragsmäßigen oder ge⸗ setzlichen Arbeitszeit, höchstens aber für eine Woche, den Betrag des ortsüblichen Tagelohns (§. 8 des Krankenversicherungsgesetzes vom 15. Juni 1883, Reichs⸗Gesetzbl. S. 73) fordern. Diese Forderung ist an den Nachweis eines Schadens nicht gebunden. Durch ihre Geltend⸗ machung wird der Anspruch auf Erfüllung des Vertrages und auf weiteren Schadensersatz ausgeschlossen. Dasselbe Recht steht dem Gesellen oder Gehülfen gegen den Arbeitgeber zu, wenn er von diesem vor rechtmäßiger Beendigung des Arbeitsverhältnisses entlassen worden ist.

Ein Arbeitgeber, welcher einen Gesellen oder Gehülfen verleitet, vor rechtmäßiger Beendigung des Arbeitsverhältnisses die Arbeit zu verlassen, ist dem früheren Arbeitgeber für den entstandenen Schaden oder den nach Absatz 1 an die Stelle des Schadensersatzes tretenden Betrag als Selbstschuldner mitverhaftet. In gleicher Weise haftet ein Arbeitgeber, welcher einen Gesellen oder Gehülfen annimmt, von dem er weiß, daß derselbe einem anderen Arbeitgeber zur Arbeit noch verpflichtet ist

Hierzu lagen folgende Abänderungsanträge vor:

1) von den Abgg. Auer und Genossen:

Den §. 125 zu streichen.

2) vom Abg. Freiherrn von Stumm:

Im letzten Satze des Absatzes 2 hinter dem Worte „annimmt“ einzuschalten: „oder behält“.

3) vom Abg. Dr. Krause:

Im 1. Absatz die Worte: „Diese Forderung ist an den Nach⸗ weis eines Schadens nicht gebunden“ zu streichen.

4) von den Abgg. Payer und Gen.:

a. den Absatz 1 zu streichen, b. in Absatz 2 die Worte: „oder den nach Absatz 1 an die Stelle des Schadensersatzes tretenden Betrag“ zu streichen.

Abg. Singer vertheidigte den Antrag des Abg. Auer mit dem Hinweis darauf, daß §. 125 lediglich im

nteresse der Unternehmer liege, dagegen die vitalsten Interessen der Arbeiter schädige und alle Verbesse⸗ rungen, die sonst in der Vorlage enthalten seien, illu⸗ sorisch mache. Die vom preußischen Handels⸗Minister auf⸗ gemachte Statistik über Arbeitseinstellungen sei insofern ganz einseitig gehalten, als sie keine Untersuchung über die Behandlung der Arbeiter, die zu Arbeitseinstellungen geführt hätte, enthalte. In dem Augenblick, wo nach Aufhebung des Sozialistengesetzs ein neuer Kurs von den verbündeten Regierungen eingeschlagen zu werden scheine, der zum sozialen Frieden führen könne, machten dieselben verbündeten Regie⸗ rungen mit dieser Vorlage ein neues Ausnahmegesetz zu Ungunsten der Arbeiter. Mit der Annahme dieses Paragraphen verewige der RNeichstag die Ausnahme⸗ stellung, welche man der arbeitenden Bevölkerung zuweisen wolle. Dieser Paragraph bedeute diez einseitigste Vertretung der Klasseninteressen der Unternehmer, da müßten sich die Arbeiter mehr und mehr der Sozialdemokratie zuwenden.

(Schluß des Blattes.)

In der heutigen (64) Sitzung des Hauses der Ab⸗ geordneten, welcher der Vize⸗Präsident des Staats⸗Ministe⸗ riums Dr. svon Bosetticher, der Minister des Innern Herrfurth und der Minister der geistlichen ꝛc. Angelegen⸗ heiten Graf von Zedlitz⸗Trützschler beiwohnten, wurde der Gesetzentwurf, betreffkend Abänderung des Wahl⸗ verfahrens, in zweiter Abstimmung mit der Ab⸗ änderung angenommen, daß auf einen Antrag des Abg. Francke (Tondern) die Bestimmung, wonach das Gesetz sich auf Hohenzollern und Helgoland nicht erstrecken solle, gestrichen wurde.

Darauf trat das Haus in die zweite Berathung des Ent⸗ wurfs einer Landgemeindeordnung für die sieben östlichen Provinzen der Monarchie ein.

. 1 wurde ohne Debatte angenommen. Bei §. 2, welcher die Bedingungen festsetzt, unter welchen Grundstücke mit einer Landgemeinde oder einem Gutsbezirk, so⸗ wie Landgemeinden und Gutsbezirke mit anderen Gemeinden und Gutsbezirken vereinigt werden können, beantragte Abg. Rickert die Wiederherstellung der Regierungs⸗ vorlage. Das Verfahren, das die Kommission vorschlage, sei unzweckmäßig und weitschweifig. Der Ober⸗Präsident werde bei demselben in die Lage gebracht, sich mit den Organen der Selbstverwaltung seiner .sgg. in Widerspruch zu setzen und dadurch in seiner Stellung erschüttert werden. Eventuell würden die Freisinnigen indeß auch für den Kommissions⸗ beschluß stimmen. 8 Abg. von Rauchhaupt vertheidigte den Vorschlag der Kommission. Ihr Kompromiß weise der Selbstverwaltung wie der Regierung die ihnen gebührende Stellung an; die Weitläufigkeit des Verfahrens könne nicht ver⸗ mieden werden, wenn alle Interessen genügend ge⸗ wahrt werden sollten. Die Selbstverwaltungsbehörden müßten ihren Einfluß auf die Entscheidung der Be⸗ dürfnißfrage gegenüber dem wechselnden Staatsinteresse be⸗ alten. Das Staats⸗Ministerium werde seine Anordnungen aur nach Masgabe des Gesetzes, d. h. soweit ein öffentliches Interesse vorliege, treffen können. 8 Abg. Freiherr von Huene erklärte, daß ihn die Be⸗ chlüsse der Kommission zwar nicht vollständig befriedigten, wies aber auf die Thatsache hin, daß sie ein Kompromiß 8— darstellten. Bedenklich sei die Einfügung des Staats⸗ Ministeriums in den Rahmen der Beschlußbehörden; dies dürfte keinesfalls für andere Gebiete des öffent⸗ ichen Verwaltungsrechts präjudizirlich sein. Im Allgemeinen eien die Vorschläge der Kommission als Verbesserung der Regierungsvorlage zu erachten. 1 1 Der Minister des Innern Herrfurth gab seine Zu⸗ stimmung zu den Kommissionsbeschlüssen, wenngleich er die Regierungsvorlage für besser halte, die indessen eine Mehr⸗ heit auf sich zu vereinigen keine Aussicht habe. öAbg. Dr. Krause erklärte, daß die Nationalliberalen trotz nancher Bedenken für die Kommissionsvorschläge stimmen wür⸗ en und von Abänderungsanträgen absähen. Abg. von Meyer (Arnswalde) hält das Bedürfniß einer neuen Landgemeindeordnung für nicht nachgewiesen. Abg. Dr. Ritter dagegen bezeichnete die Landgemeinde⸗ brdneg für eine Nothwendigkeit und empfahl die Kommissions⸗ eschlüsse. Abg. von Schalscha brachte zahlreiche Bedenken gegen das Gesetz vor, war aber schließlich gleichwohl bereit, für das⸗ selbe zu stimmen. (Schluß des Blattes.)

8 Die Kommission des Herrenhauses zur Vorberathung des

Einko mmensteuergesetzes setzte in ihrer gestrigen Sitzung, nach⸗ em vorgestern die ersten neun Paragraphen sowie §. 16 angenommen worden waren, die Berathung des § 10 fort und nahm diesen, sowie

die §§. 11, 12, 13, 14 und 15 unverändert an. Nach längerer De⸗

batte wurde sodann in §. 17 der Tarif für die Stufen von 900 bis 500 in der Fassung des Abgeordnetenhauses, für die Stufen von 500 aufwärts in der Fassung der ursprünglichen Regi erungs⸗ orlage, also auf 3 %, festgestellt. Die §§. 18 bis 27 wurden unver⸗ ndert nach den Beschlüssen des Abgeordnetenbauses genehmigt.

In ihrer heutigen Sitzung nahm die Kommission die §§. 28

bis 34 in der Fassung des Hauses der Abgeordneten an.

Verkehrs⸗Anstalten.

Auf den Linien der Großen Berliner Pferdeeisenbahn⸗

Gesellschaft sind im Monat März 1891 10 583 107 Personen befördert und dafür 1 219 672 oder durchschnittlich auf den Tag 9 344,26 eingenommen. Die Einnahme im Monat März 1890 etrug 1 162 262,70 oder durchschnittlich auf den Tag 37 492,35 Sheba. 8 April. (W. T. B.) Der Postdampfer „Russia“ der Hamburg⸗Amerikanischen Packetfayrt⸗ Aktiengesellschaft ist, von New⸗York kommend, heute Morgen auf der Elbe eingetroffen. London, 8. April. (W. T. B.) Der Union⸗Dampfer „Athenian“ ist heute auf der Ausreise von Madeira abgegangen. Rom, 8 April. (W. T. B) Die Vertreter der italienischen, sterreichisch⸗ungarischen, baverischen und schweizeri⸗ chen Eisenbahnen, welche hierselbst zu einer Konfe renz über en Anschlußverkehr zusammengetreten waren, haben heute ihre Be⸗ athungen beendet. Morgen werden die Vertreter der deutschen und italienischen Eisenbahnen zur Berathung über dienstliche Reklamationen zusammentreten.

Theater und Musik.

1 Königliche Theater.

In der Aufführung der Oper: „Zar und Zimmermann“ am Freitag im Opernhause treten die Damen Herzog und Lammert, die Hrrn. Betz, Krolop, Lieban und Mödlinger auf. Hr. Philipp setzt der Oper sein Gastspiel fort. In der Sonnabend⸗Vorstellung des „Tannhäuser“ sind die Damen Leisinger und Staudigl beschäftigt. Mit der Rückkehr des Hrn Gudebus wird die Nibelungen⸗Trilogie in

den Spielplan des Opernhauses wieder aufgenommen werden. Königliches Schauspielhaus. 8 Gestern Abend verabschiedete sich die Königliche Hofschauspielerin Frl. Clara Mever als Porzia in Shakespeare 's „Kauf⸗ nann von Venedig“ von der Königlichen Bühne. Die Künstlerin sieht auf eine an künstlerischen Erfolgen reiche Thätigkeit von zwei Jahrzehnten an dieser vornehmen Kunststätte zurück und onnte gestern in den unzähligen Beweisen der Liebe, Ver⸗ hrung und Anerkennung, welche ihr vom Publikum, von hren Kunstgenossen und der dem Königlichen Institut vorgesetzten Behörde zu Theil wurden, erkennen, wie hoch sie in der Gunst des kanstliebenden Publikums und der mitstrebenden Berufsgenossen steht. Frl. Clara Meyer ist immer eine Schauspielerin von schesfen. reudiger Eigenart gewesen; ihr ganzes anmuthiges und liebens⸗ würdiges Wesen, Gestalt und Schöne, das sympathische Organ und die ursprüngliche Ausdrucksfähigkeit reiner menschlicher Gefühle und Empfindungen ließen sie als für die ausübende dramatische Künstlerin vorbestimmt erscheinen. Sie hatte immer die wunderbare Gabe, wie schwierig auch die zu lösende Aufgabe sein mochte, sich mit ihrem Publikum in die innigste Seelenverbindung zu setzen, und zwar ohne Aufdringlichkeit oder unkünstlerische Mittel. Darum war die Verkörperung echter Weiblichkeit das Feld, auf dem sie ihre schönsten und edelsten Triumphe feierte. Clara Meyer war keine Künstlerin von genialer Intuition, die die Arbeit des Dichters eigenwillig und selbstbewußt gestaltete, aber nicht weniger als solche Begabung ist das verständnißvolle und sorgfältige Eingehen auf die Absichten des Dichtwerks verdienstlich, und in dieser Hsgene an ihre Aufgabe dürften wenige Darstellerinnen Clara Meyer überlegen gewesen sein. Der Ruhm, inmitten der vornehmen

Künstlergesellschaft, über welche die Königliche Bühne traditionell

v verfügt, immer zu den hervorragendsten und beliebtesten Mitgliedern Feüger zu haben, wird Clara Meyer niemals streitig gemacht werden können. Was die gestrige Vorstellung anbetrifft, so war nur äußerlich durch ie ungewohnten reichen Blumenspenden und die innigen zum Theil

begeisterten Zurufe zu erkennen, daß sie zu einer wehmüthigen Ab⸗ schiedsfeier bestimmt war. Die scheidende Künstlerin konnte als Porzia noch einmal all ihre darstellerische Li⸗benswürdigkeit, ihre anmuthige, edle Weiblichkeit entfalten und damit den stürmischen Beifall und die laute Anerkennung verdienen, die sich gestern aller⸗ dings ins Ungewöhnliche steigerten. Bei ihrem ersten Erscheinen be⸗ reits von Beifall und mit Blumenspenden begrüßt, wuchs die Zahl der Gaben nach jedem Akt, selbst ein wirklicher Blüthenregen ergoß sich über die Künstlerin, welche ungezählte Male hervorgerufen wurde und dankend vor dem Publikum erschien. Am Schluß der Vorstellung, als die Hervorrufe nicht enden wollten, richtete Frl. Clara Meyer noch einige Abschieds⸗ und Dankesworte an das anwesende Publikum. Sie sprach ihren Dank aus für alle Beweise der Liebe und Güte, die ihr entgegengebracht wurden; sie hätte nicht geglaubt, daß die Trennung ihr so schwer sein und nun durch das Wohlwollen des Publikums noch schwerer gemacht werden würde; sie dankte für die Nachsicht mit ihren Leistungen, die doch manchmal gewiß auch mangelhaft gewesen seien, und für die Anerkennung, welche ihrem guten Willen und Streben während der Zeit ihres Wirkens an der Königlichen Bühne von dem Publikum und der Presse zu Theil geworden sei. Ihr Herz bleibe an der Stätte ihres Wirkens zurück und sie hoffe, auch das Publikum werde ihr ein freundliches Angedenken bewahren. Nach dem Schluß der Vorstellung fand noch eine feierliche Verabschiedung von der Verwaltung und den Mitgliedern der Königlichen Bühne statt, bei welcher Gelegenheit der General⸗Intendant Graf Hochberg der hierdurch hochbeglückten Künstlerin die Mittheilung machte, daß Seine Majestät der Kaiser und König sie zum Ehren⸗ mitgliede des Königlichen Schauspielhauses ernannt habe. Friedrich⸗Wilhelmstädtisches Theater.

Die Dellinger'sche Operette „Saint Cyr“, welche wegen der großen Zugkraft des „Vogelhändlers“, der morgen das Jubiläum seiner 50. Aufführung feiert, verschoben werden mußte, geht nunmehr Donnerstag, den 16. April, erstmalig in Scene.

Residenz⸗Theater.

Unter den drei Dramen, welche Adolf Sonnenthal zu seinem hiesigen Gastspieleyklus erwöhlt hat, bot ihm jedenfalls das Dumas sche Lustspiel „Vater und Sohn“ den breitesten Spielraum zur Ent⸗ faltung seiner Künstlerschaft. Das Lustspiel setzt sich aus fünf ziemlich ausgedehnten Akten zusammen, und in jedem Akt behauptet Adolf Sonnenthal in der Rolle des liebenswürdigen, warmherzigen pere prodigue den breitesten und vornehmsten Platz. Als Graf de la Rivonnidère vereinigte der geistvolle Darsteller weltmännischen Anstand, heitere Lebenslust und ein unbesonnenes kindliches Gemüth zu einem anziehenden Bilde, welches sich mit dem grauen Haar des alten Kindes in wohl⸗ thuenden Einklang setzte. Er bezauberte durch seine Liebenswürdigkeit, so lange er auf der Bühne stand; sobald aber Sonnenthal die Bühne verließ, war jedes Mal der Reiz des Lustspiels erloschen, obgleich die übrigen Mitwirkenden ihre Aufgaben mit möglichster Sorgfalt lösten und sich neben dem berühmten Gast recht tapfer behaupteten. Hr. Schön⸗ lank spielte den vernünftigen Sohn, welcher an seinem leichtsinnigen ewig jungherzigen Vater eigentlich Vaterstelle vertritt, natürlich und gewandt und auch nicht ohne warme Empfindung. Die Hrrn. Reusch und Lessing erwarben sich freundliche Anerkennung in kleinen Charakterrollen. Die weibliche Hauptrolle, das Frl. von Brignaec, fand in Frl. Zipsereine anmuthige, durch Einfachheit und Warmherzig⸗ keit des Vortrags ausgezeichnete Darstellerin, deren Spiel jedoch durch eine ruhigere Ausgeglichenheit der Charakterisirung noch gewinnen würde. Die Damen Wasserburger (Marquise von Chavry), Pagay (Madame Gedefroy) und Selken (Fr. von Laborde) thaten ihr Bestes, um ein gutes Zusammenspiel zu Stande zu bringen. Trotzdem wollte sich das Publikum nicht recht für das altmodische Dumas'’sche Lustspiel erwärmen; die langen Betrachtungen und lehrreichen Auseinandersetzungen wirkten ermüdend.

Das Haus war, wie täglich seit dem Gastspiel Sonnenthal's, bis auf den letzten Platz gefüllt; der Beifall erhob sich trotz der vorzüglichen Leistung des Gastes nicht zu stürmischer Höhe, war jedoch immerhin kräftig genug, um den hochgeschätzten Künstler zu veranlassen, nach jedem Akt mehrere Mal dankend vor dem Publikum zu erscheinen.

„Der selige Toupinel“, dessen Aufführungen durch das Gastspiel Adolf Sonnenthal's eine Unterbrechung erfahren mußten, zieht am Sonnabend wieder in das Residenz⸗Theater ein, und zwar diesmal in Verbindung mit dem Einakter „Ohne Liebe“ von Marie von Ebner⸗ Eschenbach, der vor einiger Zeit in einer Aufführung der „Freien Bühne“ großen Beifall bei Publikꝛm und Presse gefunden hat und im Residenz⸗Theater zum ersten Mal aufgeführt wird.

Belle⸗Alliance⸗Theater.

Gegenwärtig finden Proben zu einem neuen vieraktigen Schwank „Der Giftmischer“ von Brentano und Tellheim statt, dessen Erst⸗ aufführung für Sonnabend geplant war. Die andauernde Zugkraft jedoch, welche der lustige französische Schwank „Gavaut, Minard u. Co.“ von Gondinet ausübt, der bei täglich wachsendem Zuspruch des Publikums seiner 25. Jubiläumsaufführung entgegengeht, hat die Direktion veranlaßt, den Zeitpunkt für die Erstaufführung des „Gift⸗ mischers“ hinauszuschieben und „Gavaut, Minard u. Co.“ noch auf dem Repertoire zu belassen.

Abdolph Ernst⸗Theater.

Die Vorstellung des gestrigen Abends trug dem Jubilar Direktor Ernst nach der eigentlichen Feier am Vormittage, über welche gestern bereits berichtet wurde, neue Ovationen ein. Es wurde auf der Bühne in besonders fröhlicher festlicher Stimmung gespielt, Jeder gab sein Bestes, und das Publikum nahm von Herzen Antheil, dem es, abgesehen von den Aus⸗ zeichnungen durch Beifall, die dem Jubilar zu Theil wurden, in geradezu massenhaften Blumenspenden Ausdruck gab. Kränze, Bouquets, Blumenkörbe, Füllhörner und alle möglichen anderen Blumen⸗ arrangements wurden auf die Bühne gereicht und geworfen, sodaß der Direktor Ernst Recht hatte, wenn er sagte, der Bühnenraum wäre zu klein, um alle zu fassen. Nach dem dritten Akt der ebenso glänzenden wie lustigen Posse „Adam und Eva“ ergriff der Jubilar, als der Beifall gar kein Ende nehmen wollte, noch einmal das Wort, um Allen für die dargebrachten Wünsche und Geschenke, sowie für die Anerkennung seines Strebens ziu danken, da er ja nur inmitten seiner mitstrebenden Bühnenmit⸗ glieder seine schönen Erfolge durch die Anregungen, welche er durch die Presse und das Publikum erfuhr, babe erreichen können. Natürlich folgte diesen Worten erneuter Beifall. Was die Vorstellung selbst anbetrifft, so war erkennbar zu diesem Jubiläum manches Neue an Dekorationen und Requisiten beschafft, denn Alles strahlte und glänzte wie am ersten Tage. Im vierten Akt war der ohnehin schon so reichhaltigen und aus allen Bezirken des Humors und der Komik wohl genährten Posse noch eine parodistische Scene einverleibt, welche den französischen Schwank „Der selige Toupinel“ behandelt. In der beifallsfreudigen Stimmung des gestrigen Festabends konnte auch dieser zu der sonstigen harmlosen Stimmung der Posse nicht recht passenden Einlage reicher Beifall umsoweniger fehlen, als die Hrrn. Ernst und Tielscher in Verbindung mit Frl. Bäckers ebenso dezent wie launig ihre Rollen durchführten.

Sing⸗Akademie.

Die Harfenvirtuosin Frl. Paulina F. da Veiga aus Portugal ab gestern ein Concert, in welchem sie zum ersten Mal vor dem hiefigen Publikum erschien. Ihr Spiel zeichnet sich besonders durch eine wunderbare Kraft in der Tonerzeugung auf diesem dem Aus⸗ halten der Töne so ungünstigen Instrumente aus. Hierzu kommt die perlende Klarheit der Passagen, selbst der Terzenläufe schnellsten Tempos, sowie die Sicherheit im Treffen fernliegender Intervalle und die interessante, feinschattirende Ausdrucksweise. Die gewählten Kompositionen bestanden sämmtlich aus recht gefälligen Salonstücken von Felix Godefroid, unter denen wir den Sylphentanz, das „Wiedersehen“ und den Karneval von Venedig als die effektvollsten hervorheben wollen. Der Versuch einer Cello⸗Nachahmung war er⸗ folglos. Im Uebrigen erzeugte der Mangel an modulatorischer Ab⸗ wechslung, wie bei allen Harfenvorträgen, eine gewisse Monotonie.

Reicher und wohlverdienter Beifall folgte allen Vorträgen Künstlerin. Unterstützt wurde das Concert durch den jungen Pianisten Hrn. Bu eegs. einen unter Leitung Sauer’'s ausgebildeten Virtuosen. it unfehlbarer Sicherheit im Technischen verbindet er zugleich einen kräftigen, modulations⸗ reichen Anschlag, nur erscheint sein die schroffen Gegensätze liebender Vortrag häufig zu manierirt, eine Eigenschaft, die besonders die Wir⸗ kung des B-moll-Scherzos von Chopin beeinflußte. Frl. Emma Plüddemann, eine recht stimmbegabte Sopranistin aus Breslau, trug mehrere Lieder von Grieg, Brahms, Rubinstein u. A. vor, denen bei aller Anerkennung der stets reinen Intonation und der Deutlich keit der Aussprache doch eine größere Wärme des Ausdrucks zu wünschen gewesen wäre. Das Publikum war nicht sehr zahlreich erschienen.

Preußische Klassenlotterie. (Ohne Gewähr.) . der gestern fortgesetzten bung der 2. Klasse 184. Königlich preußischer Klassenlotterie fielen in der Nachmittags⸗Ziehung: . 1 Gewinn von 10 000 auf Nr. 66 694. 8 Gewinne von 500 auf Nr. 8793. 58 154. 119 737 181 621. 8 Gewinne von 300 auf Nr. 724. 20 960. 94 318. 110 252. 113 908. 160 879. 182 117. 183 549.

Bei der heute beendigten Ziehung der 2. 184. Königlich preußischer Klassenlotterie fielen: 1 Gewinn von 30 000 auf Nr. 135 333.

1 Gewinn von 3000 auf Nr. 115 860. 1 4 Gewinne von 1500 auf Nr. 1789. 60 647. 92 773. 16 603. 1 Gewinn von 500 auf Nr. 130 843.

57 742. 81 974. 112 193. 123 735. 128 497. 128 896. 135 522. 141 239. 141 698.

Klasse

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Das Ergebniß des Bazars zum Besten der schlesischen Handweber im Kultus⸗Ministerium darf der Voss. Ztg.“ zufolge als sehr erfreulich bezeichnet werden. Es sind Webwaaren im Betrage von 29 000 verkauft worden. Die Zweigvereine, das Buffet ung die Eintrittsgelder ergaben einen Ertrag von 5500 ℳ%ℳ Der Bazar ist im Ganzen von 1200 Personen besucht worden. Ihre Majestä die Kaiserin kaufte sehr schöne farbige Gedecke mit Gebildweberei sowie in der Korbausstellung von Sorquitten ein Tischchen mit zwei Stühlen, außerdem eine ganze Leinenausstattung für ein Hospiz. 8

Der unter dem Protektorat Ihrer Majestät der Kaiserin Friedrich stehende Letteverein hielt gestern Abend unter Vorsitz der Fr. Schepeler⸗Lette im Lettehause seine Generalversammlung ab. Der Verein hat dem Geschäftsbericht zufolge in dem letzten, dem 25. Jahre seines Bestehens, eine recht erfreuliche Fortentwickelung gehabt. Durch den Erwerb des Grundstücks Königgrätzerstraße 89 ist die Möglichkeit einer weiteren räumlichen usdehnun gegeben, alle Vereinsinstitute haben auf reges Leben und beste Erfolge hinzuweisen. Die Zahl der Mitglieder beträgt 1163, 252 immerwährende, 766 hiesige, 145 auswärtige. Das Handels⸗Ministerium gewährte 4000 ℳ, die Stadt Berlin 500 und mehrere Freistellen, die Aeltesten der Kaufmannschaft 300 ℳ. Auch der Centralverein für das Wohl der arbeitenden Klassen und die Kaiser Friedrich⸗Stiftung unterstützten das Werk des Vereins. Ein zu seinem Besten veranstalteter Theeabend brachte 16 500 ℳ, die Weihnachtsmesse erzielte eine Einnahme von 5779 ℳ, ein Concert ergab 1218 und aus den Ein⸗ nahmen der Vorträge flossen 1836 der Vereinskasse zu. Die Lehranstalten des Vereins wurden im letzten Jahre von 1041 Schüle rinnen besucht, welche 1716 Kurse belegen. 183 besuchten die Handels⸗ schule, welche neuerdings zeitgemäß erweitert ist, 133 die Zeichenschule, 51 die neue photographische Schule, deren Einrichtungskosten sich auf 13 115 beliefen. In der Gewerbeschule wurden insgesammt 1349 Kurse belegt. Kunsthandarbeiten erlernten 202, der Umsatz des Kunsthandarbeitsateliers erreichte die Höhe von 10 189 ℳ, Schneidern lernten 216, Putz 123, Handarbeiten 227, Maschinennähen 167 Wäschezuschneiden 51, Frisiren 16, Blumenmachen 4, 52 bildeten sich zu Handarbeitslehrerinnen aus. Die Wasch⸗ und Plättanstalt hatte 117 Schülerinnen, 9900 Einnahme und 9669 Ausgabe. In der Kochschule wurden 174 Schülerinnen unterrichtet, 39 167 vereinnahmt und 39 162 verausgabt. Im Restaurant wur⸗ den 37 476 Mittagsportionen verabreicht. Die Haushaltungsschule in der Elisabethstraße zählte 137 Pensionäre; sie hatte täglich 70 90 Tischgäste, 38 118 Einnahmen und 37 800 Ausgaben. Die Setzerinnenschule beschäftigte 38 Setzerinnen, denen 23 000 an Löhnen ausgezahlt wurden. Im Victoriastift, dessen Einnahmen 26 710 und dessen Ausgaben 26 670 betrugen, wohnten 943 Damen. Von der Registratur wurden 8773 Briefe u. dergl. ausgesandt, durch die Kasse der Registratur gingen insgesammt 135 891 Beim Stellenvermittelungs⸗Bureau meldeten sich 4032 Stellensuchende und 3006 Stellenbietende, 1440 Engagements wurden vermittelt. Die Darlehnskasse gab 24 Darlehen im Betrage von 1930 aus, die Hauptkasse des Ver⸗ eins endlich hatte 75 031 Einnahmen und 68 863 Ausgaben. Die ausscheidenden Vorstandsmitglieder wurden wiedergewählt.

Die Moltkebrücke nähert sich nunmehr ihrer Vollendung. Augenblicklich ist man, wie die „Voss. Ztg.“ schreibt, mit der Auf⸗ stellung der Kandelaber und des dekorativen Schmuckes auf den Brücken⸗Postamenten beschäftigt. Je zwei mächtige, halb aufgerichtete Greifengestalten mit den Wappen des Deutschen Reichs, Preußens der Stadt Berlin und Graf Moltke's werden an beiden Ecken auf den Postamenten Platz finden. Sehr wirkungsvoll nehmen sich die Kandelaber aus. Der untere Theil ihres Schaftes wird von je drei Knaben in stehender Stellung und malerischster Behandlung umgeben. Die schönen Kunstwerke sind in Lauchhammer gearbeitet worden. Je vier von ihnen werden auf jeder Seite der Brücke ihren flammenden Schein herabwerfen. Bezüglich des schon seit längerer Zeit an Ort und Stelle befindlichen plastischen Schmuckes der Pfeiler und Bogenschlußsteine ist im vergangenen Jahre polizeilicherseits die Anordnung erlassen worden, daß Dampfer, wenn sie unter der Brücke passiren, keinen Rauch ablassen und mithin die Skulptaren nicht anschwärzen. Vor diesem Verbot hatte sich der Kohlenstaub der Dampfer⸗Schornsteine auf dem zart getönten Gestein leider schon in höchst unerfreulicher Weise bemerkbar gemacht. 3

Der Stadtverordnete Kalisch und Genossen haben nach einer Mittheilung der „N. A. Z.“ bei der Stadtverordneten⸗Ver⸗ sammlung den Antrag eingebracht, den Magistrat zu ersuchen, mit ihr in gemischter Deputation in Berathung zu treten darüber: 1) Auf welche Weise von der städtischen Verwaltung das Projekt einer Industrie⸗ Ausstellung in Berlin am Besten gefördert werde, 2) ob eine allgemeine deutsche oder eine internationale Industrie⸗Ausstellung zu erstreben sei.

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Die „Germania“ veröffentlicht einen Aufruf zur Errichtung eines Denkmals in Meppen für den Staats⸗Minister a. D., Abg. Dr Ludwig Windthorst. Dasselbe soll „inmitten des Wahlkreises, den der Todte fast ein Vierteljahrhundert Fvertreten hat, dessen Namen mit dem seinigen unzertrennlich verbunden ist, in seiner Wahlstammburg Meppen“ errichtet werden und in einem ehernen Standbild bestehen. Unterzeichnet ist der Aufruf von den Mitgliedern