SDesterreich⸗Ungarn. “ ö 88. 1
Zu dem gegenwärtigen Stand der Verhandlungen über den Handelsvertrag mit Deutschland schreibt das
Wiener „Fremdenblatt“: Die Verhandlungen, welche zu Be⸗ ginn dieses Monats von Neuem aufgenommen wurden, werden seither unausgesetzt fortgeführt und gehen nunmehr ihrem gedeihlichen Ende entgegen, wiewohl noch immer einzelne differirende Punkte, wenn auch von minderer Be⸗ deutung, der Austragung harren. Man hofft spätestens Ende der nächsten Woche mit den Berathungen zu Ende zu kommen und den Vertrag dann vorbehaltlich der Genehmigung der Parlamente zur Unterzeichnung zu bringen. Aus den bekannten Gründen wird das Geheimniß über die getroffenen handelspolitischen Vereinbarungen auch nach Abschluß derselben nicht gelüftet werden; es wird dies erst dann geschehen, wenn die Vorlage selbst den gesetzgebenden Körperschaften vorgelegt werden wird, ein Zeitpunkt, der bis zur Herbstsession unseres Parlaments hinausgeschoben werden wird. 1 1
Wien, 10. April. Seine Majestät der Kaiser begiebt sich, wie „W. T. B.“ meldet, am 11. April zu zweitägigem Besuch des Prinzen Leopold und der Prinzessin Gisela nach München. . 1“ “ ö
Ihre Kaiserliche und Königliche Hoheit die Kronprinzessin⸗ Wittwe Erzherzogin Stephanie ist, nach der „Wien. Ztg.“, am 6. d. M. von Genua nach San⸗Remo weiter⸗ gereist. Von dort begiebt sich Ihre Kaiserliche und Königliche Hoheit nach Cannes, wo gegenwärtig Höchstihre Schwester, Ihre Königliche Hobeit die Prinzessin Louise von Sachsen⸗ Coburg weilt. 8 ““
Der österreichisch⸗ungarische Konsul in Breslau von Csech ist nach Rustschuck versetzt worden. Der General⸗ Konsul in Amsterdam von Kwiatkowsli ist zur Leitung des Konsulates in Jerusalem und der Konsul in Jerusalem, von Strantz unter Verleihung des Titels und Charakters eines General⸗Konsuls, zur Leitung des Konsulates in Breslau berufen worden.
Bei einer gestern in Budweis stattgehabten Ersatzwahl wurde der Baron von Leonhardy (kons.) zum Reichstags⸗ abgeordneten des Großgrundbesitzes gewählt.
Diejenigen Gruppen der Rechten, deren Vereinigung unter der Führung Hohenwarts bereits im Prinzip be⸗ schlossen war, nahmen heute die Bezeichnung „Klub der Kon⸗ servativen“ an. Die Konstituirung des neuen Klubs erfolgt am Montag. Der liberale Centrumskluh hat sich unter Aufrechthaltung seiner alten Grundsätze aufs Neue konstituirt. Zum Obmann wurde Coronini wiedergewählt. Der Polen⸗ klub beschloß vorerst den Standpunkt der freien Hand einzu⸗ nehmen und drückte die Bereitwilligkeit aus, in einzelnen Fällen mit den übrigen Parteien eine Verständigung zu suchen.
Großbritannien und Irland.
Der Londoner Gemeinderath hat in einer gestern im Mansion House abgehaltenen Sitzung beschlossen, dem Deutschen Kaiser, falls Allerhöchstderselbe England besucht, eine Begrüßungsadresse in goldenem Kästchen zu überreichen. Der Lordmayor kündigte in der Sitzung an, er werde eine Denk⸗ schrift nach Berlin senden, um Seine Majestät den Kaiser Wilhelm zu ersuchen, die Adresse in London entgegen zu nehmen. Das Mitglied des Gemeinderaths Williamsen, welcher den Beschluß beantragt hatte, hob dabei die fortwährenden Bestrebungen Seiner Majestät zur Erhaltung des Friedens in Europa und zur Pflege herzlicher Beziehungen zwischen Deutschland und England hervor.
Im Unterhause erklärte gestern der Unter⸗Staats⸗ sekretär Fergusson: die von der Krone ernannten Kom⸗ missare für West⸗Afrika, Ost⸗Afrika und das nördliche Zambesigebiet seien unabhängige Beamte, welche Instruk⸗ tionen von der englischen Negierung erhielten. Der Kommissar der Westküste habe einen anderen als den von der Nigercompagnie verwalteten Distrikt. Es werde dafür Sorge getragen, daß die Jurisdiktion der Kommissare nicht in Konflikt komme mit der Jurisdiktion derjenigen Gesellschaften, die Freibriefe ätten.
Das Ministerium hat nunmehr die Liste der Mit⸗ glieder der Arbeitskommission festgestellt und sie der Königin zur Genehmigung zugesandt. Die Kommission wird aus 25 Herren bestehen. Die Regierung ist durch Sir M. Hicks⸗Beach und Sir J. Gorst vertreten, die Opposition durch Mundella und Fopler, die liberale unionistische Fraktion durch den Marquis von Hartington und Courtney, der Arbeiterstand u. A. durch Austin, Sekretär des trischen nationalen Bundes der Arbeiter, Mawdsley, Sekretär der Textilarbeiter von Lancashire, und Tait, Sekretär des Vereins der schottischen Eisenbahnangestellten. Den Vorsitz über die Kommission wird, wie schon mitgetheilt, der Marquis von Hartington übernehmen.
Wie der „Birmingham Post“ aus London gemeldet wird, beabsichtigt die Admiralität hinfort, die Maschinen für die britischen Kriegsschiffe von den Staatswerk⸗ stätten herstellen zu lassen. Bisher wurden die Kontrakte für den Maschinenbau fast ausnahmslos Privatfirmen übergeben. Erst als die in Ports⸗ mouth gebauten Maschinen des „Rupert“ sich so gut bewährt hatten, begann die Admiralität zu erwägen, ob es nicht besser wäre, auch die Maschinen in den großen mit den Schiffsbauhöfen verbundenen Werkstätten herstellen zu lassen.
Am 7. d. M. fand in Dublin die halbmonatliche Ver⸗ sammlung der Nationalliga statt. Der Vorsitzende Clancy
edachte der Wahl in Sligo und führte aus, daß weder Karnell, noch Justin Mac Carthy dieselbe gewonnen hätten; der Sieg gehöre vielmehr der Geistlichkeit von Sligo und bedeute ein Unglück für die irische Sache. Die Zeichnungen zu dem Parteifonds sind anscheinend schwach, da seit der letzten Ver⸗ sammlung nur 61 Pfd. Sterl. eingegangen waren.
Aus Simla von gestern meldet „R. B.“: Die Manipuris richteten gegen die Position Grant'’s bei Thobal einen Angriff. Nach dreistündigem Kampfe wurden sie mit großem Verlust zurück⸗ geschlagen. Der Anführer der Aufständigen und zwei andere Führer sind gefallen. Kapitän Presgrave unterstützte Grant. Die Bewohner von Manipur erklärten sich bereit, die englische Oberherrschaft Manipur einziehen.
Paris, 10. April. Der Minister des Innern Constans dürfte dem „W. T. B.“ zufolge in einer der nächsten Kammer⸗ sitzungen Behufs Repatriirung der in Argentinien lebenden von der dortigen Krise heimgesuchten Franzosen einen Supplementarkredit verlangen.
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Die „Liberté“ verzeichnet Gerüchte betreffs eines gegen Frankreich gerichteten Zollvereins. Das Blatt warnt die Regierung und das Parlament nochmals sehr dringend vor den Gefahren des Protektionismus, welcher Frankreich ökonomisch isolire und hinsichtlich der äußeren Politik die schwierigste Situation bereite.
Gegenüber auswärts verbreiteten Nachrichten wird von zuständiger Seite versichert, die für die Rio⸗Muni⸗Frage eingesetzte französisch⸗spanische Kommission habe ihre Arbeiten fortgesetzt und bisher keineswegs beschlossen, die An⸗ gelegenheit einem Schiedsgericht vorzulegen, ebensowenig sei bisher irgendwelche für einen der verhandelnden Staaten günstige Konzession gemacht worden.
Italien.
Die Königliche Kommission zur Untersuchung der Angelegenheiten in Afrika hat sich gestern Abend nach Neapel begeben, um von dort die Fahrt nach Massovah anzutreten.
Die „Riforma“ meldet: nach Briefen aus Schoah vom
13. Februar habe König Menelik nach der Abreise des Grafen Antonelli in Entoto den italienischen Reisenden Capucci mit größter Herzlichkeit aufgenommen und ihn seiner
rt, die besten Beziehungen mit Italien
festen Absicht versi zu unterhalten. Spanien.
Nachdem der Minister⸗Prasident Canovas del Ca⸗ stillo in den Cortes eine große Rede über die Arbeiterfrage gehalten, brachte er dem „R. B.“ zufolge am Dienstag im Senat einen Gesetzentwurf über die Sonntags⸗ ruhe ein. Danach ist die Sonntagsarbeit allen Personen unter 16 Jahren in industriellen und Handelsgeschäften untersagt. In allen Staats⸗, Provinzial⸗ und Gemeinde⸗ Etablissements ist die Sonntagsruhe obligatorisch, auch für alle Unternehmungen, die auf Kosten des Staates ausgeführt werden. Die Sonntagsarbeit wird nur in denjenigen Etablissements geduldet, deren Arbeiten keine Unter⸗ brechung ertragen, doch muß hiezu besondere Erlaubniß erwirkt werden, der eine Prüfung der Sache voranzugehen hat. Unter allen Umständen sind die Arbeitgeber gehalten, ihren Arbeitern die nöthige Zeit zur Erfüllung ihrer religiösen Pflichten zu
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Die Zweite Kammer wird sich nach ihrem Wieder⸗ zusammentritt am 14. d M. hauptsächlich mit der auf die Armeereform bezüglichen Regierungsvorlage zu beschäf⸗ tigen haben.
Belgien.
Zur Frage der Verfassungs⸗Revision liegt heute aus Brüssel die Meldung vor, daß die Centralsektion der Kammer gestern einstimmig ein Alter von mindestens 25 Jahren als Grundlage des Wahlrechts angenommen und als die niedrigste zur Wahlfähigkeit erforderliche Steuer anstatt wie bisher 100 Fr. 10 Fr. festgesetzt hat. Die meisten Mitglieder waren über das Er⸗ forderniß einer eigenen Wohnung einig. Eine lange Debatte fand statt über die Frage, ob zu der Festsetzung eines Census von 10 Fr. und der Bedingung einer eigenen Wohnung noch das Erforderniß einer gewissen Kapazität hinzugefügt werden sollte. Die Mitglieder der Rechten sind im Allgemeinen gegen die Bedingung der Kapazität. Die Sektion wird am nächsten Mittwoch wieder zusammentreten.
Serbien.
Belgrad, 9. April. Der für heute erwartete Schluß der gegenwärtigen Session der Skupschtina ist, wie „W. T. B“ meldet, verschoben worden, dürfte jedoch noch im Laufe der Woche erfolgen.
Auf Ansuchen der bulgarischen Regierung fand bei dem bulgarischen Emigranten Rissow eine Haussuchung statt, die jedoch erfolglos blieb. “
Bulgarien. 1 Die „Swoboda“ erfährt aus verläßlicher Quelle, daß die serbische Regierung ihre vollkommene Geneigtheit aus⸗ gesprochen habe, alle diejenigen Individuen zu verfolgen, welche den freien Aufenthalt in Serbien dazu benutzen, um Komplotte gegen Bulgarien vorzubereiten. (Siehe Nr. 83 d. „R. u. St.⸗A.“ vom 8. d. M. unter Serbien.) Außerdem habe die serbische Regierung erklärt, sie werde der bulgarischen ihre Behörden und Polizeiorgane zur Verfügung stellen, um die Mörder Beltschew's dingfest u machen, Falls dieselben in Serbien eine Zuflucht suchen solten. Die „Swoboda“ bemerkt, die serbische Regierung be⸗ kunde durch obige Erklärung ihre friedlichen Gesinnungen.
Schweden und Norwegen.
(F) Stockholm, 7. April. Die Zweite Kammer hat den Vorschlag ihres betreffenden Ausschusses angenommen, den König in einem Schreiben um den Erlaß von Vor⸗ schriften zu ersuchen, daß in den Gymnasien und Päda⸗ gogien, den Seminaren und den Volksschulen ein dem Auf⸗ fassungsvermögen der Schüler entsprechender Unterricht über Natur und Wirkungen der berauschenden Getränke in Verbindung mit dem Unterricht in der Naturgeschichte ertheilt werde. 8 b
Der Konstitutions Ausschuß des Reichstages hat mit 10 gegen 9 Stimmen beschlossen, alle Anträge auf Erweite⸗ rung des politischen Wahlrechts abzulehnen. Die der Zweiten Kammer angehörenden Mitalieder des Ausschusses werden die Herabsetzung des Census von jetzt 800 Kronen auf 500 Kronen beantragen.
Dänemark.
(F) Kopenhagen, 9. April. Der 73. Geburtstag des Königs Christian wurde gestern festlich begangen. Heute ist die Deputation des 2. Hessischen Husaren⸗ Regiments Nr. 14 wieder abgereist. 1 6
Amerika.
Vereinigte Staaten. Präsident Harrison hat die sich jährlich wiederholende Proklamation über die Behringssee⸗Fischerei veröffentlicht. Sie hat die gleiche Form wie früher. — Am 8. d. M. wurde in Washington ein Kongreß von Erfindern und Fabrikanten von patentirten Waaren eröffnet zur Feier des Beginns des zweiten Jahrhunderts des amerikanischen Patentschutzes. Die
Mitglieder des Kabinets wohnten der Eröffnungsfeier bei.
Präsident Harrison hielt eine kurze Ansprache über die
Wichtigkeit des Patentrechts für die Entwickelung der Kunst und Industrie. 8
Der Handelsvertrag zwischen den Vereinigten Staaten und Brasilien hat nach der „Wes.⸗Ztg.“ folgen⸗ den Wortlaut: 8
Art. Nr. 1. Vom 1 April 1891 ab sind folgende nordamerika⸗ nische Waaren vom Eingangszoll in Brasilien befreit: Weizen, Weizenmehl; Mais und Maiserzeugnisse, einschließlich Maismehl vnd Maizena; Roggen und Roggenmehl; Gerste und Gerstenmehl; Malz; Kartoffeln, Erbsen, Bohnen; Heu und Hafer; gesalzenes Schweine⸗ fleisch und Speck, ausschließlich Schinken; getrocknete und gesalzene Fische; Baumwollkernöl; Steinkohle, Anthracit und Bituminosen; Pech. Theer und Terpentin; Eisenwaaren, Instrumente und Maschinen für Ackerbau, Minen und Fabriken, einschließlich Dampfmaschinen für Fabriken und Industrie, ausgenommen Nähmaschinen; Instrumente und Bücher für Kunst und Wissenschaften; Eisenbahnmaterial.
Art. Nr. 2. Vom 1. April 1891 ab genießen folgende ameri⸗ kanische Waaren eine Zollermäßigung von 25 % auf den bestehenden brasilianischen Einfuhrzolltarif: Schmalz und Schmalzersat; Schinken; Butter und Käse, Fleisch, Fische, Früchte, Gemüse in Dosen und eingemacht; Baumwollwaaren, einschließlich baumwollene Kleidungs⸗ stücke; Eisen⸗ und Stahlwaaren, soweit sie nicht durch Artikel 1 vom Zoll ganz befreit sind; Leder⸗ und Ledererzeugnisse, mit Ausnahme von Schubzeug; Bretter, Holz und Holzwaaren, einschließlich Böttcher⸗ waaren, Möbel aller Art, Karren und Wagen; Gummiwaaren.
Andererseits sind vom 1. April 1891 ab in den Vereinigten Staaten Nord⸗Amcrikas folgende brasilianische Artikel vom Eingangs⸗ zoll befreit: Zucker nicht über Nr. 16 holländischer Klassifikatton; Zuckerrückstände und Melasse, Kaffee, getrocknete und gesalzene Häute, Felle, mit Ausnabme von Schaffellen.
Der laut amerikanischen Zollvorschriften zu führende Nachweis, daß betreffende eingeführte Waaren wirklich brasilianischen Ursprungs sind, soll dem Einführenden keine „ungerechten Schwierigkeiten“ noch Kosten verursachen.
Afrika.
Wie dem „R. B.“ aus Capetown telegraphirt wird, haben die portugiesischen Behörden den Dampfern die Fahrt auf dem Pungwe⸗Flusse so lange untersagt, bis die Britisch⸗Südafrikanische Compagnie Massikessi geräumt habe.
Parlamentarische Nachrichten.
heutigen (95.) Sitzung des Reichstages, Staatssekretär Dr. von Boetticher und Freiherr von Berlepsch bei⸗ wohnten, stand auf der Tagesordnung die Fortsetzung der zweiten Berathung des Gesetzentwurfs, betreffend die Abänderung der Gewerbeordnung, auf Grund des Berichts der VIII. Kommission.
Die Berathung des §. 125 mit den bereits erwähnten vier Abänderungsanträgen der Abgg. Auer, Freiherr von Stumm, Dr. Krause und Payer wurde fortgesetzt.
Dazu lag noch folgender fünfter Antrag von den Abgg. Dr. Hartmann, Letocha, Moeller, Freiherrn von Stumm vor:
Zwischen dem gegenwärtigen Absatz 2 und Absatz 3 des §. 125 folgenden neuen Absatz einzufügen: 1
„In dem im vorstehenden Absatze bezeichneten Umfange ist auch derjenige Arbeitgeber mitverhaftet, welcher einen Gesellen oder Gchülfen, von dem er weis, daß derselbe einem anderen Arbeit⸗ geber zur Arbeit noch verpflichtet ist, während der Dauer dieser Verpflichtung in der Beschäftigung behält, sofern nicht seit der unrechtmärigen Lösung des Arbestsverhälinisses bereits vierzehn Tage verflossen sind.“ 88 1
Abg. Dr. Krause begründete seinen Antrag damit, daß er allzugroße Härten, welche der S. 125 herbeiführen könne, beseitigen werde. Leichtfertiger Kontraktbruch Seitens der Arbeiter komme gar nicht so häufig vor, wie von manchen Seiten angenommen werde. 8
Bei Schluß des Blattes ergriff der Abg. Bebel das Wort.
— In der heutigen (65.) Sitzung des Hauses der Ab⸗
In der wele er der raat der Staats⸗Minister
geordneten, welcher der Minister des Innern Herrfurth⸗
beiwohnte, wurde die zweite Berathung des Entwurfs einer Landgemeindeordnung fortgesetzt, und zwar bei dem von den Abga. von Rauchhaupt und Genossen beantragten §. 14a. Derselbe lautet:
„Bis zum Erlaß eines Kommunalsteuergesetzes können die bisher für Vertheilung der Gemeindeabgaben statutarisch oder observanz⸗ mäßig bestehenden Maßstäbe mit Genehmigung des Kreisausschusses durch Beschluß der Gemeinde aufrecht erhalten werden.“
Hierzu beantragten die Abgg. Dr. Avenarius u. Gen.:
Für den Fall der Annahme des § 142 zu 8 hinter „Kommunal⸗ steuergesetzes“ — „längstens jedoch auf drei Jahre“.
Abg. Hobrecht bekämpfte den Antrag von Rauchhaupt, der ein Mißtrauensvotum für die verfassungsmäßigen Faktoren der Gesetzgebung enthalte. Höchstens dürfe man die Observanzen noch für eine kurze Frist von 3 Jahre gelten lassen.
Abg. Freiherr von Huene trat für den Antrag ein, da man den Gemeinden nicht zumuthen könne, sofort mit dem Inkrafttreten des Gesetzes alle noch bestehenden Observanzen zu beseitigen. Eine Fristbestimmung sei bei der sicheren Aussicht auf ein neues Kommunalsteuergesetz überflüssig.
Der Minister des Janern Herrfurth bat dringend um Ablehnung des §. 14 a. Man dürfe die Landgemeindeordnung nicht abhängig machen vom Zustandekommen des Kommunal⸗ steuergesetzes, für das der Termin der Fertigstellung nicht vorauszusehen sei. Das Umgekehrte sei das Richtige. Die Annahme des §. 14 a würde die Ausführung der Landgemeinde⸗ ordnung ungemein erschweren.
Abg. von Tiedemann (Labischin) trat im Namen der Mehrheit der Freikonservativen ebenfalls dem §. 14a entgegen.
Abg. Dr. von e und der Lasa fand in der Ausführung des Ministers einen Widerspruch mit der früheren Erklärung des Finanz⸗Ministers, daß die Kommunal⸗ steuerreform baldigst erfolgen solle. Komme das Kommunalsteuer⸗ gesetz aber bald, dann werde den Gemeinden unnöthige Arb⸗“ zuge⸗ muthet, wenn sie erst ihre Steuer nach diesem und in wenigen Jahren nach einem anderen Gesetz einrichten müßten.
Der Minister des Innern Herrfurth verwahrte sich da⸗ gegen, im Widerspruch mit dem Finanz⸗Minister zu sein; die Vorlegung und die Fertigstellung eines Gesetzes seien zwei verschiedene Dinge.
Abg. Rickert stellte ebenfalls das baldige Zustande⸗ kommen der Kommunalsteuer als höchst unsicher hin; selbst bei der größten Bereitwilligkeit aller Parteien und bder Re⸗ gierung könnte darüber vielleicht ein Jahrzehnt vergehen. So lange dürften aber die schlechten Observanzen nicht aufrecht⸗ erhalten werden.
Abg. Dr. Krause trat dieser Auffassung bei und be⸗ zweifelte, ob die Antragsteller des §. 14a wirklich nur eine transitorische Maßnahme zu treffen gedächten.
Abg. Dr. Ritter erklärte sich namentlich mit Rücksicht auf die über die Regelung des Gemeindestimmrechts zu fassenden Beschlüsse gegen den §. 14a, während Abg. Gerlich dafür sprach, indem er den Landgemeinden nicht einen unbequemen Steuermaßstab aufdrängen wollte.
Der Minister des Innern Herrfurth bemerkte dem letzteren Redner, daß eine bessere Vertheilung der Steuern als nach dem Maßstabe der Grundsteuer leichter auf Grund des §. 13 sich erreichen lasse.
Die Abgg. Freiherr von Zedlitz und Dr. Enneccerus sprachen gegen §. 14a.
Abg. von Rauchhaupt meinte, der §. 14a würde einen Druck auf die Regierung zur baldigen Einbringung des Kom⸗ munalsteuergesetzes ausüben.
Der Minister des Innern Herrfurth betonte nochmals, daß der Finanz⸗Minister sich gar nicht habe verpflichten können, in zwei oder drei Jahren das Kommunalsteuergesetz zu Stande zu bringen. Das Einkommensteuergesetz spreche ja auch nur von der Verwendung der Ueberschüsse zur Ueberweisung der Grund⸗ und Gebäudesteuer; das Kommunalsteuergesetz umfasse aber noch eine Reihe anderer Punkte.
Der Antrag Hobrecht wurde abgelehnt, §. 14a an⸗ genommen. (Schluß des Blattes)
— Die Kommission des Reichstages zur Vorberathung des internationalen Abkommens über den Eisenbahn⸗ frachtverkehr genehmigte in ihrer gestrigen Sitzung, nach Ab⸗ lehnung einiger Abänderungsanträge, einstimmig die Konvention.
— Der Prinz Gustav Biron von Curland auf Groß⸗Wartenberg (geboren am 17. Oktober 1859) ist als erb⸗ liches Mitglied in das Herrenhaus berufen worden.
— Dem Herrenhause ist der Bericht der Staats⸗ schuldenkommission über die Verwaltung des Staats⸗ schuldenwesens im Rechnungsjahre vom 1. April 1889/90 zu⸗ gegangen.
— Im weiteren Verlaufe ihrer gestrigen Sitzung hat die Kommission des Herrenhauses zur Vocberathung des Entwurfs eines Einkommensteuer⸗Gesetzes die erste Lesung beendigt. An den Beschlüssen des Abgeordnetenhauses wurden, der »N. A. Z.“ zufolge, noch folgende Aenderungen vorgenommen: In §. 51 (Geschäftsordnung der Steuereinschätzungs⸗Kommissionen) wurden in dem letzten, folzendermaßen lautenden Satz: „Die Aus⸗ fertigung der Kommissionsbeschlüsse und Entscheidungen sind von dem Vorsitzenden und mindestens zwei Mitgliedern zu vollzieben“, die gesperrt gedruckten Worte gestrichen. In den §§. 57 und 58, wo eine Veränderung der veranlagten Steuer innerhalb des Steuerjahres, sei es in Folge Vermehrung oder Verminderung des Einkommens, vom Beginn des auf den Eintritt der Einkommens⸗ änderung folgenden Vierteljahres vorgeschrieben ist, wurde statt „Vierteljahr“ das Wort „Monat“ gesetzt. §. 77 lautet in der Fassung des Abgeordnetenhauses: „Soweit nach »den bestehenden Be⸗ stimmungen in Stadt⸗ und Landgemeinden das Bürgerrecht bezw. das Stimm⸗ und Wahlrecht in Gemeindeangelegenheiten an die Bedingung eines jährlichen Klassensteuerbetrages von 6 ℳ geknüpft ist, tritt bis zur anderweitigen gesetzlichen Regelung des Gemeindewahlrechts an die Stelle des genannten Satzes der Steuersatz von 4 ℳ bezw. ein Eirkommen von mehr als 660 ℳ bis 900 ℳ In denjenigen Landestheilen, in welchen für die Gemeinde⸗ vertreterwahlen die Wähler nach Maßgabe der von ihnen zu ent⸗ richtenden direkten Steuern in Abtheilungen getheilt werden, tritt an Stelle eines 6 ℳ Einkommensteuer übersteigenden Steuersatzes, an welchen durch Ortsstatut das Wahlrecht geknüpft wird, der Steuersatz von 6 ℳ “ Hier wurde überall statt der Zahl 6 die Zahl 9 und statt 900 die Zahl 1050 gesetzt. §. 82 erhielt folgende Fassung: „Ueber⸗ steigt die Einnahme an Einkommensteuer für das Jahr 1892/93 den Betrag von 80 000 000 ℳ und für die folgenden Jahre einen um je 4 % erhöhten Betrag, so werden die Ueberschüsse nach Maßzgabe eines zu erlassenden besonderen Gesetzes zur Durchführung der Beseitigung der Grund⸗ und Gebäudesteuer als Staatssteuer, beziehungsweise der Ueberweisung von Grund⸗ und Gebäude⸗ steuer an kommunale Verbände verwandt.“ Die gesperrt gedruckten Worte sind von der Kommission des Herrenhauses in die Fassung des Abgeordnetenhauses neu eingefügt. Der Rest des Gesetzes blieb un⸗ verändert nach den Beschlüssen des anderen Hauses.
Heute beendigte die Kommission die zweite Lesung des Ein⸗ kommensteuergesetzes. Alle Beschlüsse der ersten Lesung wurden aufrechterhalten. Zum Berichterstatter ist Graf Udo Stolberg bestellt worden.
— Im 3. Trierer Landtags⸗Wahlkreise (Stadt und Kreis Trier) ist an Stelle des verstorbenen Gutsbesitzers Limbourg der Gymnasialdirektor a. D. Dr. Koesler zu Kevelaer (Centrum) einstimmig mit 284 Stimmen und
im 4. Trierer Landtags⸗Wahlkreise (Saarburg, Merzig, Saarlouis) Ober⸗Landesgerichts⸗Rath Lehmann mit 365 von 366 gültig abgegebenen Stimmen zum Mitgliede des Hauses der Abgeordneten gewählt worden.
Nr. 14 der Veröffentlichungen des Kaiserlichen Ge⸗ sundheitsamts vom 7. April hat folgenden Inhalt: Personal⸗Nachricht. — Gesundheitsstand. Volkskrankheiten in der Berichtswoche. — Volkskrankheiten und Sterbefälle im Februar. — Sterbefälle in deutschen Städten mit 40000 und mehr Einwohnern. — Desgl. in größeren Städten des Auslandes. — Erkrankungen in Berliner Krankenhäusern. — Desgl. in deutschen Stadt⸗ uvnd Land⸗ bezirken. — Cholera⸗Nachrichten. — Pest in Assyr. Gesundheitsstand in Niederländisch⸗Indien, 1890, 4. Vierteljahr. — Sanitätswesen in Oesterreich 1887. — Gesundheitsstand in Norwegen 1888. — Witterung. — Thierseuchen in Dänemark, 1890, 4. Vierteljahr. — Veterinär⸗polizeiliche Maßregeln. — Medizinal⸗Gesetzgebung u. s. w. Fkeußen Charlottenburg.) Desinfektion bei ansteckenden Krank⸗
eiten. — (Bayern.) Koch'sches Heilmittel gegen Tuberkulose. — (Oesterreich.) Körperliche Ausbildung der Schüler. — In den Apotheken vorräthig zu haltende Arzneistoffe. — (Frankreich.) Gegipste Weine. — Rechtsprechung. Aus den Annalen des Königlich säch⸗ sischen Ober⸗Landesgerichts Dresden. (Schluß.) — Verhandlungen von gesetzgebenden Körperschaften. (Deutsches Reich) Regelung der Wein⸗ ftage — Vermischtes. (Preußen. Berlin.) Genuß von rohem Schweine⸗ fleisch. — Sterbefälle in deutschen Orten mit 15 000 und mehr Ein⸗ wohnern, Februar. — Desgl. in größeren Orten des Auslandes.
Entscheidungen des Reichsgerichts.
Wird bei der Errichtung einer Aktiengesellschaft von einem Aktionär auf das Grundkapital eine nicht in Geld bestehende Einlage zu einem festgesetzten Werthe gemacht und werden dem Aktionär für den Werth theilweise Aktien und wegen des nicht durch Aktien gedeckten Theils Baarzahlung oder durch Uebernahme der auf der Einlage lastenden Schulden Vergütung gewährt, so
liegt, nach einem Urtheil des Reichsgerichts, IV. Civilsenats, vom 22. Dezember 1890, im Gebiet des preußischen Rechts in Höhe der
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Baarzahlung oder der Schuldübernahme ein stempelpflichtiger Kaufvertrag vor.
— Bei einer Aftervermiethung hat, nach einem Urtheil des Reichsgerichts, V. Civilsenats, vom 7. Februar 1891, der After⸗ vermiether den Aftermiether zu entschädigen, wenn er in Folge der Entsetzung des Aftermiethers durch den Hauptvermiether — sei es weil die Aftervermiethung ohne dessen Genehmigung erfolgt ist oder weil überhaupt der Vertrag zwischen dem Hauptvermiether und „Miether abgelaufen ist — nicht mehr in der Lage ist, den Vertrag gegenüber dem Aftermiether zu erfüllen; für den Aftermiether bestehr keine Pflicht, vor dem Vertragsabschluß sich davon zu überzeugen, daß der Hauptmiether im Stande sei, das Miethsverhältniß bis zu dem durch den Vertrag bestimmten Zeitpunkt auszuhalten, vielmehr kann er sich darauf verlassen, daß sein Vermiether sich in den Grenzen seiner eigenen Vertragsrechte halten werde.
Submissionen im Auslande
I. Belgien. 8 Société Nationale des chemins de 8 Bau der Vicinalbahn Arlon— Ethe.
Sicherheit: 25 000 Fr. Lastenheft: 1. II. Dänemark.
14 April, 12 ½ Uhr. Königliches Marine⸗Ministerium, Kom⸗ missariatse und Buchhalterei⸗Kontor, Kopenhagen: Oeffentliche mündliche Vergebung der schnellstmöglichen Lieferung von 56 000 Stück Nägeln verschiedener Art für die Königliche Marine⸗Werft.
Näheres in dänischer Sprache beim „Reichs Anzeiger“. Proben an Ort und Stelle. III. Rumänien.
7. Mai. Magistrat zu Jassy: Lieferung gußeiserner und Schrauben für die Wasserleitung.
Kostenvoranschlag: 372 747 Lei.
Näheres an Ort und Sstelle.
22. April. 19, rue de la Loi in Brüssel: Anschlag: 311 908 Fr.
Röhren
Kaution: 20 000 Lei.
18 Verkehrs⸗Anstalten.
Hamburg, 9. April. (W. T. B.) Der Postdampfer „Cheruskia“ der Hamburg⸗Amerikanischen Packet⸗ faort⸗Aktiengesellschaft hat, von New⸗York kommend, gestern Nachmittag Lizard passirt. — Der Postdampfer „California“ der Hamburg⸗Amerikanischen Packetfahrt ⸗Aktien⸗ gesellschaft hat, von New York kommend, eute Nachmittag Lizard passirt.
— 10 April. (W. T. B.) Der Postdampfer „Australia“ der Hamburg⸗Amerikanischen Packetfahrt⸗Aktiengesell⸗ schaft ist, von Hamburg kommend, gestern in St. Thomas ein⸗ getroffen.
Wien, 9. April. (W. T. B.) Die Handelskammer beschloß einstimmig eine Petition an den Handels⸗Minister zu richten, in welcher sich dieselbe gegen die projektirte Uebertragung der öster⸗ reichischen Donau⸗Dampfschiffahrt auf der unteren Donau von Galatz abwärts und auf dem Schwarzen Meer bis Odessa und Batum an die russische Gagarin'sche Dampfschiffahrtsgesellschaft ausspricht und aus kom⸗ merziellen und politischen Gründen verlangt, daß] beide Linien der österreichischen Donau Dampfschiffahrtsgesellschaft, wie bisher, eventuell mit staatlicher Subvention belassen werden.
London, 9. April. (W. T. B) Der Castle⸗Dampfer „Grantully⸗Castle“ hat heute auf der Heimreise Madeira passirt; der Castle⸗Dampfer „Drummond⸗Castle“ ist am Mittwoch auf der Heimreise von Capetown abgegangen.
New⸗York, 9. April. (W. T. B.) Der Dampfer des Norddeutschen Lloyd „Havel“ aus Bremen brachte hente die erste Post nach dem neuen System, wobei die Briefe und sonstigen Poststücke alsbald an Bord des Dampfers sortirt werden. Die Sendung bestand aus 52 500 Stücken, welche sofort bei der “ direkt nach ihrem Bestimmungsort abgesandt werden
Theater und Musik
Ssnmng Lheater. fünf Gastvorstellungen Friedrich Haase’s ist das Repertoire in folgender Weise festgesetzt worden: Der Künstler beginnt sein Gastspiel am Sonnabend, 18. April, in Victorien Sardou'’'s Lustspiel „Die alten Junzgesellen“, das bei diesem Anlaß zum ersten Male im Lessing⸗Theater aufge⸗ führt wird. Am Sonntag, 19. April, und Dienstag, 21. April, finden Wiederholungen dieses Stückes mit Friedrich Haase als Mortimer statt, während am Donnerstag, 23. April, die vier Einakter: „Die Furcht vor der Freude“, „Mariensommer’', „Eine kleine Gefälligkeit“ und „Eine Partie Piquet“, in welchen Friedrich Haase in vier verschiedenen Charakterrollen auftreten wird, zur Darstellung kommen sollen. Am Sonnabend, 25. April, beschließt sodann der Künstler sein kurzes Gastspiel mit einer Wiederholung der „alten Junggesellen“. Der Vorverkauf für alle fünf Vorstellungen beginnt am Montag an der Tageskasse. Die Preise der Plätze bleiben unverändert.
Friedrich⸗Wilhelmstädtisches Theater.
Frl. Anna Lind, die vom Direktor Fritzsche neu verpflichtete Operettensängerin vom Landes⸗Theater in Graz, hat ihre künstlerische Thätigkeit im neuen Wirkungskreise bereits aufgenommen, zunächst in den Proben zu Dellinger's „Saint Cyr“. Der „Vogelhändler“ hat übermorgen seine letzte Sonntagsvorstellung und geht dann nur noch drei Mal in Scene.
8 “ 8 Für die
Residenz⸗Theater.
Mit der morgigen Aufführung des „seligen Toupinel“ beginnen die Vorstellungen wieder um 7 ½ Uhr. In dem Einakter „Ohne Liebe“ von Marie Ebner⸗Eschenbach liegen die Hauptrollen in den Händen der Damen Zipser und Berg und der Hrrn. Brandt und Georg.
Thomas⸗Theater. Reinhold Wellhof, dessen Benefiz morgen in der einmaligen Auf⸗ führung von „Drei Paar Schuhe“, in welcher Fr. Betty Damhofer die Schusterfrau spielt, stattfindet, wird als Julius von Nachtfalter zu seinem Tanzcouplet noch einige neue Verse singen. Am Sonntag geht wieder „Der Millionenbauer“ in Scene. Königliche Hof⸗ und Donkirche.
Die geistliche Musikaufführung, welche gestern von dem Musik⸗ corps des 4. Garde⸗Regiments z. F. unter Leitung des Hrn. Bergter im Verein mit dem von Hrn. O. Schmidt dirigirten Gesangchor des Mohr'schen Konservatoriums stattfand, war von einer sehr zahlreichen Zuhörerschaft besucht. Das Militär⸗ Musikcorps eröffnete das Concert mit dem „Hallelujah“ von Händel und einem Chor aus Haydn’s Schöpfung“, deren Ausführung im⸗ ponirend wirkte und zugleich dem Dirigenten Hrn. Bergter wie seinem Corps alle Ehre machte. Hierauf folgte Mendelssobn’s Oratorium „Elias“, das von Hrn. O. Schmidt geleitet wurde. Sowohl der Gesangchor als auch die Militärkapelle leisteten hierin sehr Lobens⸗ werthes. Wir heben den Schlußchor des ersten Theils, in welchem der Chor die Freude über die endliche Erhöhung treffend ausdrückte, und die Kapelle die zum Theil schwierige Begleitung musterhaft aus⸗ führte, ganz besonders hervor. Die Solopartien befanden sich in den besten Händen. Hr. Kammersänger Feßler sang den Elias vortrefflich; die stets gern gehörten Concertsängerinnen xr. Müller⸗Ronneburger (Sopran) und Frl. Adelina
erms (Alt) brachten gleichfalls ihre wohlklingenden Stimmen und ihre eingehende Vortragsweise sehr zur Geltung. Besonders zu loben war auch die Ausführung der Tenorsoli von Seiten des Hrn. Grahl. Die Solo⸗Quartette und Doppel⸗Quartette ließen an Präzision in der Zusammenwirkung nichts zu wünschen.
*— Mitglied des Verbandes kann jeder
Concerthaus.
Morgen findet der letzte Beethoven⸗Abend in dieser Saison statt. Das Programm dieses Abends wird die Ouverturen „Leonore II“, „Leonore III“, den I. Satz aus dem Concert für die Violine (Hr. Concertmeister Kramer), den Türkischen Marsch aus den „Ruinen von Athen“ und die herrliche Pastoral⸗Symphonie enthalten.
hilharmonte.
Am 20. April findet zum Besten des Pensionsfonds des Philbarmonischen Orchesters ein Concert unter Leitung des Hrn. Hans von Bülow statt, in welchem der Dirigent sowohl, als auch Hr. Eugen d'Albert als Solisten mitwirken werden. Es darf wohl die zuverlässige Erwartung ausgesprochen werden, daß die Kunst⸗ freunde Berlins dem angeregten edlen Zwecke ihre Theilnahme widmen werden, zumal auch die dargebotenen Kunstgenüsse ein großes Interesse bieten werden.
- Mannigfaltiges.
Auf Einladung eines Comités, bestehend aus Abg. Graf von Arnim (Muskau), Abg. Graf Douglas (Karlsruhe), Abg. Graf Bebhr (Behrenhof), Professor Dr. Höckel (Jena), Abg. Regierungs⸗Präsident von Pilgrim (Minden), Abg. Professor Dr. Enneccerus (Marburg), Abg. Graf von Mirbach⸗Sorquitten, Abg. von Evnern (Barmen), Dr. Carl Peters (Berlin), dem Bankier Carl von der Heydt (Elber⸗ feld), Abg. von Kardorff (Wadbnitz), Abg. von Below⸗Saleske u. A. fand gestern Abend im großen Saale des Architektenhauses eine sehr zahlreich besuchte Versammlung Behufs Begründung eines „Allgemeinen deutschen Verbandes“ statt. Man bemerkte außer den bereits Erwähnten noch Professor Dr. Hans Delbrück (Berlin), Staats⸗Minister von Hofmann (Berlin), Abg. Freiherrn von Unruhe (Bomst(, Fabrikbesitzer Simons (Elberfeld), Professor Dr. von Liszt (Halle a. S.), Handelskammer⸗Sekretär Dr. Bernhardi (Dort⸗ mund), den General⸗Sekretär des Vereins für die bergbaulichen Inter⸗ essen für den Ober⸗Bergamtsbezirk Dortmund, Dr. Reismann (Essen g. Rh.), den General⸗Sekretär des Vereins zur Förderung der wirth⸗ schaftlichen Interessen von Rheinland und Westfalen, Dr. Strecker (Düsseldorf) und noch viele andere Reichstags⸗ und Landtags⸗Abge⸗ ordnete, Professoren, Industrielle ꝛc. Der bekannte Afrikareisende, Dr. Carl Peters, der die Versammlung leitete, eröffnete sie mit einem dreifachen Hoch auf Seine Majestät den Kaiser und bemerkte alsdann: Das politische und wirthschaftliche Interesse Deutschlands erheische es, daß das nationale Bewußtsein im deutschen Volke mehr als bisher gepflegt werde. Eine Reihe von nationalpolitischen Grundsätzen und Ueberzeugungen müsse Gemeingut werden, um eine die Regierung zugleich unterstützende und treibende Mitarbeit des Volkes an der großen Aufgabe möglich zu machen. Es sei unerläßlich, daß der im Reiche vereinte Haupttheil der Deutschen lerne, sich für die Erhaltung des Deutschthums der im Auslande lebenden Volksgenossen mit verantwortlich zu fühlen. Es sei die Anknüpfung und Pflege von regen Beziehungen zu den im Auslande lebenden Deutschen anzustreben. Eine weitere überseeische Ausdehnung des deutschen Kulturgebiets sei ein unabweisbares Bedürfniß. Die Ab⸗ lenkung der deutschen Auswanderung in solche Gebiete, die eine Er⸗ haltung des Deutschrhums der Auswanderer verheißen, sei eine Auf⸗ gabe, welche unter allen Umständen gelöst werden müsse. In den weitesten Schichten des Volkes sei das Verständniß für die über⸗ seeischen Handels⸗ und Kulturaufgaben Deutschlands zu wecken. Das wahre Nationalgefühl dürfe nicht nur in der Bewunderung für einige große Einrichtungen des Landes erblickt werden, sondern auch in dem jederzeitigen kraftvollen Eintreten für den Deutschen, der im Auslande für die deutschen Interessen thätig sei. Die Sicherung der Grundlagen, welche dem deutschen Volke die Ebenbürtigkeit mit den großen Völkern der Zukunft gewährleisten, bilde eine nicht minder wichtige Aufgabe. Wie aber die Gründung des Deutschen Reiches nur möglich war, weil der Gedanke der deutschen Einheit von einer großen Volks⸗ bewegung getragen war, so werde auch die Weltmachtstellung Deutsch⸗ lands nur gewonnen werden können durch eine außerordentliche An⸗ strengung, eine bewußte Zusammenfassung der freien Kräfte des deuischen Volkes ohne Unterschied der Partei. Die politischen und wirthschaftlichen Interessen Deutschlands machen es nothwendig, daß Deutschland in einen Wettkampf mit den anderen Völkern eintrete. Dazu sei es aber vor allen Dingen nöthig, daß das nationale Selbstgefühl in den Herzen aller Deutschen wach erhalten, daß das „Civis Romanus sum“ unter den Deutschen, auch unter denen, die im Auslande leben, zur Allgemeinen Geltung gelange. Alsdann werde es auch gelingen, die immer mehr in den Vordergrund tretende soziale Frage einer gedeihlichen Lösung entgegen zu führen. Deshalb werdendie Begründung des allgemeinen deutschen Verbandes vorgeschlagen, eines Verbandes, der sich über ganz Deutschland er⸗ strecken und alle Schichten des Volks umfassen soll. Dieser Verband habe die Aufgabe, die Pflege des nationalen Selbstgefühls in die richtigen Bahnen zu leiten. Der Verband müsse auf die öffentliche Meinung, die Presse, die gesetzgebenden Körperschaften und die politischen Wahlen Einfluß zu erlangen suchen. Nur ein Volk, in dessen breiten Massen ein empfindliches Nationalgefühl lebendig sei, werde auf die Dauer eine Weltmachtstellung behaupten. Dr. Peters theilte alsdann mit, daß bereits 203 Personen sich als Mitglieder des zu begründen⸗ den Verbandes gemeldet haben, und zwar vertheilen sich diese Mit⸗ glieder auf alle Theile Deutschlands. — Abg. von Kardorff (Wabnitz) wünschte, daß der Deutsche denselben Nationalstolz besitze wie der Franzose. Es habe eine Zeitlang geschienen, als wäre das deutsche Nationalbewußtsein erstorben. Allein unter den Edelsten der Nation sei dies Bewußtsein immer erhalten geblieben. Andernfalls wäre es nicht möglich gewesen, die Erfolge der Jahre 1866 und 1870/71 zu er⸗ zielen. Dies nationale Bewußtsein in alle Kreise des Volks zu tragen, sei wichtiger als alle Kolonialpolitik. (Beifall.) — Abg. Schultz⸗Lupitz beantragte, die Worte des Großen Kurfürsten: „Ge⸗ denke, daß Du ein Deutscher bist“, als Wahrspruch des Verbandes aufzustellen. — Abg Dr. Mehnert (Dresden) theilte mit, daß die Begründung des Verbandes in Sachsen mit großer Sympathie be⸗ grüßt werde. — Cand. jur. Andreae: Die Vereine deutscher Studenten, die ähnliche Bestrebungen wie der zu be⸗ gründende Verband verfolgen, begrüßen den Letzteren als Bundes⸗ genossen. Unter der akademischen Jugend werde das National⸗ efühl in hobem Maße gepflegt. — Pastor Schneider: 3198 Hebung des Nationalgefühls müssen die Kirche, die Schule und die Presse mitwirken. Auch die deutschen Konsulate seien zur Mitarbeit heranzuziehen, damit das Nationalgefühl auch unter den Deutschen im Auslande erhalten bleibe. — Abg. Freiherr von Unruhe (Bomst): Er stehe in der Provinz Posen auf einem sehr exponirten Posten. Er werde aber, gleich allen andern Deutschen in Posen, treu auf diesem Posten ausharren und könne versichern, daß die Begründung des Verbandes in seiner Heimathsprovinz großen Sym⸗ pathien begegne. — Abg. Dr. OttoArendt (Berlin): Es könnte die Frage entstehen: weshalb werde schon wieder ein neuer Verein gegründet, da doch bereits ein Allgemeiner deutscher Schulverein, ein Allgemeiner deutscher Sprachverein u. s. w bestehe. Der zu begründende Verband solle alle diese Interessen in sich vereinigen und den erwähnten Spezial⸗ vereinen als Ruͤckhalt dienen. Der etwaige Vorwurf des Chauvinis⸗ mus genire ihn nicht, in Deutschland mangele es noch etwas an Chauvinismus. — Nach weiteren Erörterungen wurde die Begründung des Verbandes beschlossen, in den sich der weitaus groͤßte Theil der Anwesenden sofort als Mitglieder auf⸗ nehmen ließ. Der Zweck des Verbandes ist laut Statuten: 1) „Be⸗ lebung des vaterländischen Bewußtseins in der Heimath und Be⸗ kämpfung aller der nationalen Entwickelungen entgegengesetzten Rich⸗ tungen; 2) Pflege und Unterstützung deutsch⸗ nationaler Bestrebungen in allen Ländern, wo Angehörige unseres Volkes um die Behauptung ihrer Eigenart zu kämpfen haben und Zusammenfassung aller deutschen Elemente auf der Erde für diese Ziele; 3) Förderung einer thatkräftigen deutschen
Interessenpolitik in Europa und über See. Insbesondere auch Fort⸗ führung der deutschen Kolonialbewegung zu praktischen Ergebnissen eutsche werden. Der jähr