1891 / 87 p. 8 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 13 Apr 1891 18:00:01 GMT) scan diff

werbetreibenden ein erhöhtes Maß von Stimmrecht zu gewähren. Er bitte daher, den konservativen Antrag und den Antrag Huene abzulehnen und den Antrag seiner Partei möglichst einstimmig anzunehmen.

Abg. von Tiedemann (Labischin): Fragen von der Wichtig⸗ keit der Vertheilung des Stimmrechts, die das öffentliche Interesse in so hohem Maße berührten, könne er dem Kreisausschuß zur Regelung nicht überweisen. Diese Materie gesetzgeberisch zu ordnen, sei Niemand anders autorisirt als Seine Majestät und die beiden Häuser des Landtages. Den Bauernstand zu stärken, seien auch seine Freunde bestrebt. Er fürchte aber, daß, wenn man nach dem Antrage Rauchhaupt nicht organisch, sondern mechanisch den Bauernstand ins Ungemessene zu stärken versuche, dies in vielen Fällen den Effekt haben werde, daß die kleinen Häusler sich von dem Bauern⸗ stand abwenden und das Gegentheil von Dem, was der Antrag bezwecke den Sozialdemokraten zufallen würden. 8

Abg. Graf Kanitz: Es sei unmöglich, ein Normalstatut zu machen, das auch nur für einen landrechtlichen Kreis passe. Auch in der Kreisordnung sei die Bestimmung, wonach das Wahlrecht für den Großgrundbesitz allgemein von einem bestimmten Zensus ab⸗ hängig gemacht sei, der schwächste Punkt. Der Hinweis auf Stadt⸗ gemeinden passe vollends nicht. Die niedrigen Sätze des Antrags Huene selbst reichten nicht aus, wenn Härten vermieden werden sollten. Es bleibe nur übrig, jeder einzelnen Ortschaft die ortsstatutarische Regelung zu überlassen. Diejenigen, welche Bedenken hätten, die An⸗ gelegenheit dem Kreisausschuß zu überlassen, seien über die Stellung des Kreisausschusses nicht gehörig informirt. Ihm sei in seiner Praxis noch nicht ein Fall vorgekommen, daß eine Gemeinde mit dem vom Kreisausschuß entworfenen Statut nicht einverstanden gewesen sei. Im Uebrigen stehe ja die Appellation dagegen jederzeit offen. Durch das Ortsstatut solle einmal der Unterdrückung der Schwachen durch die Starken vorgebeugt, andererseits den Stärkeren, ent⸗ sprechend ihrer Mehrleistungen, auch eine stärkere Stellung innerhalb der Gemeinden eingeräumt werden. Der Kreisausschuß habe sich bisher genau innerhalb dieser Grenzen gehalten. Dem Bauernstand mehr Stimmen geben zu wollen als den kleinen Leuten, falle seiner Partei nicht ein. Aber ebenso wenig falle ihr ein, die Bauern in ihrer sozialen und politischen Stellung herabzusetzen. Die Schablone sei der Tod des ländlichen Gemeindelebens. (Beifall rechts.)

Abg. Dr. von Heydebrand und der Lasa: Bei dem An⸗ trag Bachem habe die Sache an sich anders als hier gelegen, und außerdem sei zwischen den Landgemeinden des Westens und denen des Ostens ein großer Unterschied. Der Antrag von Rauchhaupt be⸗ zwecke allein, observanzmäßiges Recht, Gerechtsame, die dem Bauern⸗ stande jetzt zuständen, ihm zu erhalten. Ob er dieses Bestreben vollkommen erreiche, darüber möge sich streiten lassen. Wie man aber sagen könne, daß man damit den Bauernhochmuth befördern wolle, das verstehe er nicht. (Beifall rechts.) In einem Ministerial⸗Reskript aus dem Jahre 1839 heiße es, daß das, was Herkommen sei, gutes Recht sei, Recht wie alles Andere, das sich aus Verträgen und dergl. herleite. Wenn man mit solchem Recht willkürlich verfahre, müsse das Vertrauen zum Recht, das Vertrauen und die Liebe zum Königthum, die Ehrenhaftigkeit des Bauernstandes untergraben werden. Nur wenn dieses Recht geschützt werde, könne sich der Bauernstand halten und dem Lande zum Segen gereichen. Wie er (Redner) das gelesen babe, habe ihm das Herz im Leibe gelacht, und er habe sich gesagt: das müsse ein konservativer Minister gewesen sein! (Lebhafter Beifall rechts.)

Minister des Innern Herrfurth:

Ich beschränke mich auf zwei Bemerkungen zur Berichtigung der Anführungen der beiden Herren Vorredner. Den Hrn. Abg. Grafen Kanitz möchte ich darauf aufmerksam machen, daß er im §. 48 den Absatz 3 unrichtig citirt hat und in Folge dessen zu unrichtigen Folgerungen gekommen ist. In demselben steht nicht: Durch Ortsstatut können die vorstehend angegebenen Sätze verändert werden, sondern es steht darin: sie können erhöht werden, und da sie bereits viel höher gegriffen sind, als in den Kommissionsbeschlüssen, so ist für das, was er mit seinem Antrag erreichen will, in dieser Bestim⸗ mung nicht der geringste Anhalt gegeben.

Gegenüber dem Abg. von Hevydebrand bemerke ich, daß ich in keiner Weise davon gesprochen habe, der Antrag des Abg. von Rauchhaupt sei dazu geeignet, Bauernhochmuth zu fördern. Von Bauernhochmuth habe ich lediglich im Zu⸗ sammenhang der Aeußerung des Abg. von Rauchhaupt gesprochen, der da sagte, es behage den Bauern nicht, mit dem Tagelöhner zu⸗ sammen in der Gemeindeversammlung zu sitzen. (Widerspruch rechts.) Ich wiederhole: das ist nicht Bauernstolz, sondern Bauernhochmuth. (Oho rechts.) Im Uebrigen aber sagt der Hr. von Heydebrand: Auch wir wollen Normativbestimmungen aufstellen. Meine Herren, die Normativbestimmungen stellt die Regierungsvorlage, stellen die Kom⸗ missionsbeschlüsse dar. Ihr Antrag ist aber nur dazu geeignet, das Ideal des Hrn. von Meyer (Arnswalde) zu verwirklichen, nämlich „für jeden Kreis eine besondere Kreisordnung und alleiniger Gesetzgeber der Kreisausschuß.“ (Sehr richtig! links.)

Abg. Dr. Eberty: Es sei seit einiger Zeit Mode geworden in

unserem öffentlichen Leben, daß überall, wo Gründe fehlten oder nicht gesagt werden sollten, auf die von der Sozialdemokratie drohenden Gefahren hingewiesen werde An der Erhaltung des Bauernstandes liege seinen Freunden ebensoviel wie deren Gegnern, aber mit solchen künst⸗ lichen Mitteln, wie sie vorgeschlagen seien, werde das nicht gelingen. Seine Partei werde natürlich gegen den Antrag von Rauchhaupt stimmen, aber auch gegen die künstlichen Kompromißvorschläge der Abgg. von Huene und Barthold. Sie werde in erster Linie für ihren Antrag, eventuell für die Regierungsvorlage und allenfalls für den Kommissionsantrag stimmen. Abg. Freiherr von Huene: Es sei bemängelt worden, daß in seinem Antrag die ortsstatutarische Regelung vorgesehen sei, und zur Vergleichung auf den Antrag Bachem bei der Einkommensteuer bingewiesen worden. Da habe die Sache ganz anders gelegen, denn da sei für bestimmte Gruppen von Städten das Wahlrecht erheblich eingeschränkt worden, aber hier handele es sich nicht um eine Ein⸗ schränkung des Wahl“ bezw. Stimmrechts, sondern darum, daß in gewissen Fällen das Stimmrecht verstärkt werden könne. Nach seinem Antrage könnten die Leute sofort mit ihrem Stimmrecht, wie es ihnen die Vorlage gewähre, in die Berathung eintreten und be⸗ schließen; bei den übrigen müsse über das S recht erst vorher durch Ortsstatut beschlossen werden.

Ein Schlußantrag wird angenommen.

In der darauf folgenden Abstimmung wird zunächst der Antrag des Grafen Kanitz mit großer Mehrheit abgelehnt, ebenso der Antrag von Rauchhaupt gegen die Stimmen der Konservativen; der Eventualantrag von Zedlitz zum Antrag von Huene wird gegen die Stimmen der Konservativen an⸗ genommen, der dadurch modifizirte Antrag von Huene dagegen gegen die Stimmen des Centrums, der Antrag Barthold gegen die Stimmen der Freikonservativen abgelehnt. Für die Sätze 2 und 3 der Kommissionsfassung, welche einzelnen begüterten Besitzern eine Mehrheit von Stimmen beilegen, stimmen nur die Freikonservativen und Nationalliberalen. Der Antrag Eberty wird gleichfalls abgelehnt, sodaß nur noch Nr. 1 der Kommissionsbeschlüsse übrig bleibt; diese Nr. 1 wird gegen wenige Stimmen der Kon⸗ servativen angenommen.

Der §. 48 erhält somit folgende Fassung:

Der Regel nach steht jedem einzelnen Stimmberechtigten eine

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in der Gemeindeversammlung, jedoch mit folgender Maß⸗ gabe zu:

„Mindestens zwei Drittel sämmtlicher Stimmen müssen auf die mit Grundbesitz angesessenen Mitglieder der Gemeindeversamm⸗ lung entfallen. Uebersteigt die Anzahl der nicht angesessenen Gemeindeglieder den dritten Theil der Gesammtzahl der Stimmen der Mitglieder der Gemeindeversammlung, so haben die Ersteren ihr Stimmrecht durch eine jenem Verhältnisse entsprechende Anzahl von Abgeordneten auszuüben, welche sie aus ihrer Mitte auf die Dauer von sechs Jahren wählen.⸗

Hierauf wird die weitere Berathung vertagt.

Statistik und Volkswirthschaft.

Zur Arbeiterbewegung.

In Bochum fand gestern eine ziemlich zahlreich besuchte Berg⸗ arbeiterversammlung statt, welche sich Betreffs der Vertretung und Abstimmung der deutschen Delegirten auf dem Pariser Bergarbeiter⸗Kongreß und ebenso in Bezug auf die Unter⸗ stützung der belgischen Bergleute bei einem etwaigen Str ike billigend aussprach. Im Falle des Eintritts des Ausstandes in Belgien sollen, wie „W. T. B.“ meldet, sich die deutschen Zechen⸗ verwaltungen verpflichten, keine Kohlen nach Belgien zu liefern, widrigenfalls auch die deutschen Bergleute zum Strike über⸗ gehen würden. Der Führerschaft soll unbedingter Gehorsam geleistet werden. Die Niederlegung eines Kranzes auf dem Grabe der Pariser Kommunisten durch die deutschen Delegirten wurde gutgeheißen. In letzterer Beziehung wird der „Frkf. Ztg.“ aus Essen geschrieben, daß die Blättermeldung, die deutschen Delegirten beim internationalen Bergarbeiter⸗Kongreß hätten das Massengrab der Kommunarden besucht und „Namens der deutschen Bergarbeiter“ einen Kranz auf dasselbe gelegt, unwahr sei. Ein Kongreß⸗ delegirter und Augenzeuge des Vorganges stellt den Vorgang folgendermaßen dar: In einer vertraulichen Besprechung der deutschen Delegirten wurde der Besuch des Kommunarden⸗ Grabes in Vorschlag gebracht, von der großen Mehrheit der Delegirten aber abgelehnt. Darauf haben nur fünf deutsche Kon⸗ greßdelegirte das Vorhaben ausgeführt und einen Kranz mit folgender Widmung auf das Grab gelegt: „Gewidmet von deutschen Delegirten beim internationalen Bergarbeiter⸗Kongreß in Paris 1891.“ Ferner wird als unwahr bezeichnet, daß Schröder⸗Dortmund eine Rede am Grabe gehalten haben soll; weder Schröder noch ein anderer Redner habe das gethan.

Wie aus Dortmund telegraphisch berichtet wird, sprach sich gestern in Bruch eine von etwa 200 Bergarbeitern besuchte Versammlung gegen die Pariser Kongreßbeschlüsse und gegen die sozialdemokratischen Führer und für den Eintritt in den neuen Verband „Glück auf“ aus. Die Versammlung verlief ohne Störung, da die Sozialdemokraten von derselben durch Ausgabe von Eintrittskarten ferngehalten worden waren. Eine vor⸗ gestern Abend in Dorstfeld abgehaltene und von etwa 350 Berg⸗ arbeitern besuchte Versammlung hat sich einer Mittheilung des „Wolff'schen Bureaus“ zufolge ebenfalls gegen die Pariser Kongreßbeschlüsse und für den Eintritt in den Verband „Glück auf“ erklärt. 3 In Mainz faßte am Freitag eine Versammlung der aus⸗ ständigen Schreinergehülfen der Strike dauert nun schon 14 Wochen den Beschluß, eine Genossenschaft zu gründen. Ein aus fünf Personen bestehender Ausschuß soll hierzu die vor⸗ bereitenden Schritte thun. Ein in der Versammlung anwesender Delegirter der Central⸗Strikekommission der Schreiner aus Stuttgart warnte, wie der „Frkf. Ztg.“ geschrieben wird, entschieden vor der Errichtung einer Genossenschafts⸗Schreinerei. Der Delegirte hob indessen hervor, daß der Mainzer Ausstand vortrefflich geleitet sei, und sicherte den Schreinern die volle Unterstützung bis zum Austrage des Kampfes zu.

Aus Hanau schreibt man der „Köln. Ztg.“, daß ein Ausstand sämmtlicher Schuhmachergesellen der Stadt für den 20. d. M. angekündigt ist. Die Schuhmacher fordern die Einführung eines neuen Lohntarifs, der eine sehr bedeutende Erhöhung der Schuh⸗ waarenpreise herbeiführen würde. In einer Sitzung der Lohn⸗ kommission der Arbeitgeber und Arbeitnehmer am Donnerstag konnte ein Ausgleich nicht erzielt werden, da Letztere auf unbedingter Erfüllung ihrer Forderungen bestehen.

Die „Wiener Abendpost“ schreibt: Die von einem Theil der Arbeiterschaft auch in diesem Jahre geplante demonstrative Feier des 1. Mai hat die Regierung in Uebereinstimmung mit dem schon im vorigen Jahre eingenommenen prinzipiellen Standpunkt veranlaßt, den Vorständen der in stlaatlicher Verwaltung stehenden Betriebe zu eröffnen, daß die Regierung keinen Anlaß habe, in den Staatsbetrieben an diesem Tage, der weder ein Sonntag, noch ein Feiertag sei, die Arbeit einstellen zu lassen. Die Vorstände, beziehungsweise Betriebsleiter wurden an⸗ gewiesen, den ihnen unterstehenden Arbeitern bekannt zu geben, daß es nach den bestehenden Dienst⸗Instruktionen nicht zulässig sei, eine sei es gänzliche, sei es theilweise Unterbrechung der Arbeit am 1. Mai zuzu⸗ gestehen. Gleichzeitig wurden die Betriebsvorstände bezw. Betriebsleiter beauftragt, die Arbeiter in wohlmeinender Weise, aber mit Bestimmtheit darauf aufmerksam zu machen, daß dieselben für eine etwa vorkom⸗ mende eigenmächtige Arbeitseinstellung selbst die Verantwortung zu tragen haben würden. Die Gewerbe⸗Inspektoren, die Handels⸗ und Gewerbekammern und die Privat⸗Bahnunternehmungen wurden von dieser Verfügung verständigt. Was die unter den Arbeitern der Privatbetriebe bestehende Agitation für die Feier des 1. Mai an⸗ belangt, so wurden die Landeschefs aufgefordert, für eine strenge Handhabung der Gesetze über das Vereins⸗ und Versammlungsrecht Sorge zu tragen, demonstrative öffentliche Aufzüge nicht zu gestatten und nach Umständen die Arbeiter auch in einer be⸗ sonderen Kundmachung vor jeder eigenmächtigen Arbeitseinstellung, wie überhaupt vor jedem gesetzwidrigen Beginnen zu warnen.

Aus Brüssel wird der „Köln. Ztg.“ berichtet: Der Ausstand der etwa 1200 Walzwerkarbeiter zu Baume und Lacroydre im Mittelbecken dauert nun schon vier Wochen. Die Sozialisten sammeln im Mittelbecken und anderwärts für die Ausstehenden. Der Ausstand der Bergarbeiter zu Ressaix ist beendet.

Aus Rom wurde der „Voss. Ztg.“ unter dem 11. d. M. tele⸗ graphirt: In Folge des Verbots öffentlicher Umzüge findet die morgige Arbeiterversammlung in Mailand im Canobbiana⸗ Theater statt. Der Aufruf des Comités verlangt u. A. An⸗ erkennung des allgemeinen Rechts auf Arbeit, Beseitigung der Ueber⸗ produktion und des Kreditmißbrauchs, ferner die Freiheit der Ver⸗ einigung und die Organisirung des Kampfes gegen das Kapital, welches den Arbeitern zustehe, endlich die Achtstundenarbeit, die Gewähr⸗ leistung eines Lohnminimums, Versicherung gegen Unfall, Regelung der Frauenarbeit und Kinderarbeit, wirklichen allgemeinen Unterricht, internationale Arbeitsregelung und ein be⸗ sonderes Ministerium für Arbeiterinteressen. Vom gestrigen Tage liegt nun folgendes „Wolff'sches“ Telegramm aus Mailand vor: Der internationale Arbeiterkongreß trat im Theater Canobbiana zusammen. Zu demselben hatten gegen 40 Vereine Vertreter entsandt. Bei Eröffnung der Sitzung trug ein Musikcorps die Marseillaise vor; hierauf wurde Antonio Fratti zum Präsi⸗ denten gewählt. Nach einer kurzen Ansprache an die Versammlung er⸗ theilte Fratti dem Franzosen Rouanet das Wort, der der italienischen Demokratie die Grüße der französischen überbrachte und eine Sympathie⸗ und Zustimmungs⸗Erklärung von etwa 20 Mitgliedern des Pariser Munizipalraths verlas. Als Vertreter der deutschen Sozialisten sprach Jacobs, ein von Liebknecht an den Kongreß gerichtetes Schreiben wurde von dem Advokaten Turati verlesen. Nächstdem nahmen auch Fernandez

Barcelona) sowie der Anarchist Galleani, der Deputirte Maffei und mehrere andere vüt Fereeen. das Wort. Eine von Taroni vorgeschlagene agesordnung, welche die

Sozialisirung der Reichthümer mit internationalem nothwendig erklärt, wurde angenommen.

Handel und Gewerbe.

Tägliche Wagengestellung für Kohlen und Koks an der Ruhr und in Oberschlesien. . An der Ruhr sind am 11. April gestellt 10 715, nicht rechtzeitig gestellt keine Wagen. In Oberschlesien sind am 10. d. M. gestellt 4309, nicht recht⸗ zeitig gestellt keine Wagen; am 11. d. M. sind gestellt 4262, nicht rechtzeitig gestellt keine Wagen.

Nach der „Köln. Ztg.“ beschloß der Aufsichtsrath des Schaafhausen'schen Bankvereins der auf den 12. Mai ein⸗ berufenen Hauptversammlung die Erhöhung des Kapitals von 36 auf 48 Millionen zum Zweck der Errichtung einer Zweignieder⸗ lassung in Berlin vorzuschlagen. Das Zuschlagskapital soll für die zweite Hälfte des Jahres 1891 auf die Dividende Anspruch erhalten. Die Uebernahme der neuen Stücke durch eine Gruppe erster Banken unter Vorbehalt der Genehmigung durch die Hauptversamm⸗ lung soll gesichert sein.

Unter dem Namen „Hanseatische Mit⸗ und Rück⸗ versicherungs⸗Gesellsschaft“ hat sich vorgestern in Lübeck eine Aktiengesellschaft mit vorläufig einer Million Mark Kapital für die Versicherung gegen Feuerschaden gebildet. Zum Vorsitzenden des Verwaltungsraths wurde, wie „W. T. B.“ meldet, Rechtsanwalt Dr. Brehmer, zum Direktor Bruhn gewählt.

Der „Frankf. Act.“ theilt mit, die Dux⸗Bodenbacher und die Prag⸗Duxer Eisenbahn werden bestimmt am 1. Ja⸗ nuar 1892 in den Besitz der österreichischen Regierung über⸗ gehen.

Leipzig, 11. April. (W. T. B.) Kammzug⸗Termin⸗ handel. La Plata. Grundmuster B. pr. April 4,42 ½ ℳ, pr. Mai 4,42 ½ ℳ, pr. Juni 4,45 ℳ, pr. Juli 4,47 ½ ℳ, pr. August 4,50 ℳ, pr. September 4,50 ℳ, pr. Oktober 4,50 ℳ, pr. November 4,50 ℳ, pr. Dezember 4,50 ℳ, pr. Januar 4,50 Umsatz 130 000 kg. Fest.

Lübeck, 11. April. (W. T. B.) Ferdinand Dahlberg, Chef der Firma Ferd. Dahlberg u. Co., Vorsitzender des Ver⸗ waltungsraths der Commerzbank und der Lübeck⸗Büchener Bahn, ist

estorben. 8 Bremen, 11. April. (W. T. B.) Der Aufsichtsrath der Dampfschiffahrtsgesellschaft Hansa beschloß in seiner

heutigen Sitzung, für die asiatische Linie eine Dividende von 5 ½ % zu vertheilen. 8 1 (W. T. B.) An der Küste 3 Weizen⸗

London, 11. April. ladungen angeboten. 1

Mehrere Morgenblätter besprechen die gestrige Goldentnahme von 200 000 Pfd. Sterl. aus der Bank von England, sowie die weitere für heute bestellte Entnahme eines gleichen Betrages. Betreffs der Bestimmung dieser Summen laufen widersprechende Versionen um, einige nennen Rußland, andere Oesterreich als Empfänger. Allgemein wird behauptet, daß Oesterreich Gold anhäufe zum Zwecke der Einführung der Goldwährung. Die „Times“ sagt, falls diese unerwartete Goldentziehung fortdauere, werde die Bank von England wohl bald den Diskontsatz erhöhen.

Die „Times“ meldet, der Vorsitzende der Buenos⸗Aires⸗ Wasserwerke habe gestern mit Dr. Plaza alle strittigen Punkte geregelt; es seien jetzt nur noch die betreffenden Dokumente zu unter⸗ schreiben, was nunmehr ohne Schwierigkeit erfolgen werde. Der argentinischen Regierung sei an der Regelung dieser Angelegenheiten sehr gelegen, um sich anderen dringenden Fragen widmen zu können. Wie dasselbe Blatt ferner mittheilt, erklärte Lord Eustace Cecil in der gestrigen Versammlung der „Investements Trust Company“, in einigen Tagen werde ein einflußreiches Comité gebildet werden, welches den Vorschlag, daß die auswärtigen Bondsinhaber einen Vertreter nach Argentinien senden, um ihre Interessen zu schützen, berathen soll.

London, 13. April. (W. T. B.) Die Getreidezufuhren be⸗ trugen in der Woche vom 4. April bis 10. April: englischer Weizen 1529, fremder 25 116, englische Gerste 684, fremde 7250, englische Malzgerste 17 329, fremde —, englischer Hafer 215, fremder 27 479 Orts. Englisches Mehl 17 727, fremdes 55 102 Sack.

Glasgow, 13. April. (W. T. B.) Der Eisenmarkt bleibt heute geschlossen. 1

St. Petersburg, 12. April. (W. T. B.) Eine Mit⸗ theilung im „Regierungsboten“ bestätigt die von anderen Blättern ge⸗ brachte Meldung, daß sämmtliche russische Aktien⸗Boden⸗ kredit⸗Banken übereingekommen seien, mit dem 1. Juli d. J. die Ausgabe 6 % Pfandbriefe einzustellen. Ein von den genannten Banken gebildeter Ausschuß hat einen Plan für die fakultative Umwandlung der bereits früher ausgegebenen 6 % Pfandbriefe in 5 % entworfen und mit einer Gruppe von russischen Banken einen Vertrag wegen Unterbringung der 5 % Pfandbriefe abgeschlossen, welche für den gedachten Zweck einstweilen in einem Betrage von 75 Millionen Rubel emittirt werden sollen.

New⸗York, 11. April. (W. T. B.) Der Werth der in der vergangenen Woche eingeführten Waaren betrug 8 838 264 Doll.

gegen 10 188 068 Doll. in der Vorwoche, davon für Stoffe 2 057 745

Doll. gegen 2 317 415 Doll. in der Vorwoche.

Rennen zu Charlottenburg. 1 Sonntag, 12. April.

I. Biesdorfer Flachrennen. Pr. 1500 Dist. 1400 m. (15 Unterschr.) Kapt. Edward's 6j. br. W. „Pizarro“ 1, Hptm. R. Spiekermann’s a. br. H. „Tamberlick“ 2., Prinz F. C., Hoben⸗ lohe's a. F⸗St. „Fairy Ducheß 3. Sicher mit einer Länge ge⸗ wonnen. Werth: 2150 dem Sieger, der für 720 vom Trainer Hrn. Solloway erstanden wurde.

II. Silberner Humpen. Ehrenpreis und 1500 Dist. 3500 m. (22 Unterschr.) Rittm. v. Sydow’s 5 j. F.⸗St. „Marina“ Bes. 1., Hrn. v. d. Lancken’'s a. F.⸗W. „Priory Road“ Lt. v. d. Lühe 2., Hrn. C. G. Schilling's a. F.⸗W. „Aramis“ Hr. Hanson 3. Leicht mit drei Längen gewonnen. Werth: Ehrenpreis und 1900 der Siegerin. 3 1

III. Preis von Rummelsburg. 1500 Dist. 3500 m. (212 Unterschr.) Lt. v. Kummer's a. F.⸗W. „Craig Gowan“ 1., Hrn. B. Kalbe's a. F.⸗H. „Androcles“ 2., Hrn. Oscar’'s a. br. H „Imperial“ 3. Im Kanter mit zehn Längen gewonnen. Werth 2320 dem Sieger, der für 4200 von Lt. v. d. Decken ge⸗ fordert wurde.

IV. Albert⸗Jagd⸗Rennen. Pr. 2000 ℳ. Dist. 3000 m. (32 Unterschr.) Rittm. (v. Heyden⸗Linden’s a. br. W. „Orcadian“ Bes. 1., Lt. Lucke's a. br. W. „Oxford“ Lt. v. Graevenitz 2., Hrn. J. Suhr's 5 j. br. W. „Musketeer“ Hr. v. Dewitz 3. Siegte leicht mit fünfviertel Längen. Werth: 2800 dem Siegern,

V. Giesendorfer Hürden⸗Rennen. Pr. 1500 Dist. 3000 m. (16 Unterschriften.) Rittm. Suermond 8 5j. br. W. „Cosmopolit“ 1., Hrn. Albert's 4j. br. H. „Adam“ 2,, Lt. Bar. Blome’s 4j. br. St. „Meadow Swift“ 3. Loicht mit sechs Längen gewonnen. Werth: 2230 dem Sieger, der für 4100 von Hrn. Albert gefordert wurde.

VI. Preis von Bernau. 1000 Dist. 2000 m. (26 Unterschr.) Hptm. Spiekermann's 6j. br. W. „Xschin⸗Tschin“ Hr. v. Dewitz 1., Hrn. H. Suermondt's 4j. br. St. „Marabou“ Lt. Frhr. v. Reitzenstein 2, Lt. Frbrn. v. Eberstein’'s 61, br. H. „Erx⸗ cavasor“ Lt. v. Schierstädt 3. Nach Gefallen mit drittehalb Längen gewonnen. Werth: 1780 dem Sieger.

VII. Inländer Jungfern⸗Jagd⸗Rennen. Preis 1500 Distanz 3500 m. (12 Unterschr.) Hptm. Spiekermann's 51. F.⸗St. Venus“ 1., Hrn. v. Tepper⸗Laski's 51, br. W. „Strelitze“ 2,, Mr. Bleck's 51. F.⸗H. „Alsdann“ 3. Mit sieben Längen gewonnen. Werth: 1890 der Siegerin.

Berlin, Montag, den 13. April

1891.

Verkehrs⸗Anstalten.

Die Post von dem am 11. März aus Shanghai ab⸗ gegangenen Reichs⸗Postdampfer „Neckar“ ist in Brindisi eingetroffen und gelangt für Berlin voraussichtlich am 14., Vor⸗ mittags, zur Ausgabe. .

Hamburg, 12. April. (W. T. B.) Die Postdampfer „Columbia“ und „Bohemia' der Hamburg⸗Amerikani⸗ schen Packetfahrt⸗Aktiengesellschaft sind, von Hamburg kommend, gestern Nachmittag in New⸗York eingetroffen.

13. April. (W. T. B.) Die Postdampfer „Gellert“ und „Scandia“ der Hamburg⸗Amerikanischen Packet⸗ fahrt⸗Aktiengesellschaft haben, von New⸗York kommend, Ersterer 12 Uhr Mittags, Letzterer 3 Uhr Nachmittags, Secilly passirt. Der Postdampfer „Gottna“ derselben Gesellschaft hat, von New⸗York kommend, gestern Nachmittag 4 Uhr Lizard passirt. Der Postdampfer „Rhaetia“ derselben Gefellschaft ist, von Hamburg kommend, gestern 11 Uhr Morgens in New⸗York eingetroffen. Der Postdampfer „Francia“ derselben Gesellschaft hat, von New⸗York kommend, gestern Nachmittag 4 Uhr Seilly passirt.

Triest, 11. April. (W. T. B.) Der Lloyddampfer „Achille“ ist heute Nachmittag hier eingetroffen.

12. April. (W. T. B.) Der Lloyddampfer „Helios ist heute Nachmittag in Konstantinopel eingetroffen.

London, 11. April. (W. T. B) Der Castle⸗Dampfer „Norham Castle“ ist gestern auf der Ausreise in Durban (Natal), der Castle⸗Dampfer „Doune Castle“ ist gestern auf der Ausreise in Capetown angekommen.

Theater und Musik.

Königliche Theater. 1

Am Sonnabend wird im Königlichen Schlosse die Weih mehrerer Fahnen und im Anschluß daran eine größere Militär⸗ tafel daselbst stattfinden. Aus Anlaß dieser Feierlichkeit ist auf Allerhöchsten Befehl für den Sonnabend im Opernhause Théatre paré angesagt, wobei der zweite Akt der Oper „Ein Feldlager in Schlesien“ und das Ballet „Militaria“ zur Darstellung gelangen. In der Mittwochsvorstellung der Oper „Carmen“ sind die Damen Rothauser, Weitz, Kopka und de Jonge, die Hrrn. Ernst, Krolop, Schmidt, Krasa, Lieban und Ober⸗ hauser beschäftigt. Am Donnerstag geht „Der Wider⸗ spänstigen Zähmung“ neu einstudirt in folgender Besetzung in Scene: Baptista: Hr. Mödlinger; Katharina, Bianka: Fr. Sucher, Frl. Weitz; Hortensio, Lucentio: Hr. Schmidt, Hr. Krauß; Petrucchio: Hr. Bulß; Schneider: Hr. Lieban; Grumio: Hr. Krasa; Hofmeister, Hausbälterin: Hr. Michaels, Frl. de Jonge.

Im Schauspielhause wird auf vielfaches Verlangen am Mittwoch statt „Maria Stuart“ der „Kaufmann von Venedig“ mit Frl. Lindner als Porzia wiederholt. In den nächsten Vorstellungen der „Maria Stuart“ wird Frl. Poppe die Titelrolle zur Darstellung bringen.

Königliches Schauspielhaus.

Gestern Abend gelangte neu einstudirt Heinrich von Kleist’'s großes historisches Ritterschauspiel „Das Käthchen von Heil⸗ bronn“ oder „Die Feuerprobe“ unter lebhaften Beifallsbezeu⸗ gungen von Seiten der Zuschauer zur Aufführung.

Unter den literarischen Erzeugnissen der Gegenwart, welche die Bühnen, vornehm wie gering, überfluthen, nimmt sich Kleist's „Käthchen“ seltsam genug aus. Heute wird von den modernen Pro⸗ pheten, dem Manne wie dem Weibe eine schrankenlose Freiheit des Fühlens und der Selbstbestimmung als Ideal verkündet; das „Ich“ feiert in seiner Selbstvergötterung die höchsten Triumphe. Dem gegenüber taucht nun aus dem Anfange des Jahrhunderts dieses selbstvergessene, nicht Liebe wild begehrende, sondern um der Liebe willen nur demüthig dienende Käthchen auf; sie ist nur Gefühl, nur Sehnsucht, ohne eigenen Willen, ohne Begehren. Heinrich von Kleist verkörperte in dem „Käthchen“ sein Ideal eines deutschen Weibes, wie er es vergeblich gesucht hatte. Sein excentrischer Geist, in welchem das Uebermaß der Gefühle oft bis zur Krankhaftigkeit gesteigert erscheint, tritt auch in dieser weiblichen Ideal⸗ gestalt in die Erscheinung; ganz Sehnsucht, nur somnambule Magd, erduldet Käthchen Alles, Lieblosigkeiten und Rohheiten von ihrem „hohen Herrn“. Man muß die Gegenwart vergessen und die längst vergangene Zeit der Romantik, der Märchen und Ritterschauspiele wieder in sich erstehen lassen, um den Zauber dieser Gestalt zu verstehen. Kleist hat dies Schauspiel mit einer so jugendlichen Innigkeit des Gefühls durchdrungen und mit einer so rührend einfachen, volksthümlichen Sprache ausgestattet, daß es den Eindruck einer Jugendarbeit macht; und doch schrieb er es erst, als er zum Manne gereift war. Freilich hat er alle sonnigen Erinnerungen seiner Kindheit in dieses Liebesdrama hineinverwebt, das Bild des Cherubs mit gespreizter Schwinge, den süß duftenden Hollunder, die alten Giebel und Thürme seiner Vaterstadt. So übt das Werk trotz seiner Hypersentimentalität, trotz des wenig dramatischen Motivs denn Käthchen handelt nur unter dem Bann eines Zaubers und erringt ihren Preis erst, als dem Stolz des Ritters durch die Verkündigung ihrer Kaiserlichen Abstammung Genüge gethan wird mächtig auf den Zuschauer, wie die Vorstellung von gestern Abend bewies.

ie Titelrolle spielte Frl. Kramm mit glücklichem Gelingen; die zarte, feine Gestalt entspricht der Vorstellung von dem kindlichen Käthchen; große Energie des Ausdrucks wird nicht verlangt, nur die naive Darstellung zarten Empfindens, und dieses besitzt Frl. Kramm in reichem Maße. Die böse Kunigunde wurde von Frl. Poppe recht ge⸗ schickt dargestellt, doch erschien die schöne stolze Kunigunde glaubhafter als das häßliche, Gift und Galle sprühende Weib; die Dar⸗ stellerin durchdrang völlig den Geist der Rolle, aber die Verkörperung der seltsamen Wandlungen des Körpers bereitete ihr Schwierigkeiten. Eine echte, rechte Märchenfigur lieferte Hr. Grube als der wilde Rheingraf vom Stein in seinen wildkomischen Zornes⸗ ausbrüchen und Racheanschlägen. Mit der Wiedergabe des Grafen von Strahl erntete Hr. Matkowsky reichen Beifall; die ritterliche, rauhe Art erschien etwas gedämpft, die zart aufkeimende Regung für das nur von demüthiger Sehnsucht erfuͤllte Käthchen fand im stummen Spiel schon Ausdruck, als die Rede und die That noch derb und rücksichtslos waren; die Liebesscene unter dem Hollunderbusch und das Werben des wilden Ritters um das sanfte Käthchen bildeten den Höhepunkt der Darstellung. Hr. Arndt zeichnete sich in der Rolle des Kaisers durch Würde des Wesens und Wärme 5— Vortrags aus, und Hr. Nesper ab den alten Waffenschmied tadellos. 8 Die Ausstattung zeugte von künstlerischem Geschmack; sie war harmonisch in der Wirkung, besonders in den Scenen, welche sich im Schloßhof und vor dem Kloster im Walde abspielten. Die Darsteller wurden oft und stürmisch gerufen und mußten, ebenso wie Hr. Ober⸗? egisseur Grube und Hr. Ober⸗Inspektor Brandt Letzterer nach dem glücklich inscenirten Schloßbrand vor dem Publikum erscheinen.

Ihre Majestäten der Kaiser und die Kaiserin wohnten der Vorstellung bis zum Schluß bei.

Berliner Theater.

Hr. Adolf Sonnenthal beschloß am Sonnabend sein Gast⸗ spiel in Berlin mit einer Vorstellung im Dienste der Wohlthätigkeit. Zum Besten des Pensionsfonds des Vereins „Berliner Presse“ spielte der geniale Wiener Künstler den Wallenstein in „Wallenstein’s

Tod“ und zwar im Berliner Theater, welches von dem Leiter des⸗ selben für den guten Zweck zur Verfügung gestellt wurde.

Das vorangegangene Gastspiel im Residenz⸗Theater hatte dem Publikum einen gewandten, warmherzigen Schauspieler gezeigt, welcher in seiner Einzelleistung Ueberraschendes und Erfreuliches bot, aber doch in dem Rahmen der wenig werth⸗ vollen Stücke nicht voll zur Geltung kam. Wer den be⸗ rühmten Tragöden dort zum ersten Mal gesehen hätte, würde eine volle Uebereinstimmung zwischen der Größe seines Ruhmes und seiner Leistungen vermißt haben. Den wirklichen Sonnenthal, den genialen, Herz und Sinn bezwingenden Künstler in voller Größe zu sehen, war erst den Auserwählten beschieden, welche zu der Wallenstein⸗Vor⸗ stellung eine Eintrittskarte erlangt hatten.

Sonnenthal stellte die kriegerische Gestalt des Feldherrn mit der Sicherheit des überlegenen Geistes und der vornehmen Ruhe, welche den Meister der Darstellungskunst kennzeichnet, auf die Bühne; er betonte die einfache, edle Größe des gewaltigen Helden, welcher vor dem Treubruch zurückschreckt, bis ihm keine andere Wahl bleibt; dann aber erwacht die Kraft und im Vertrauen auf sein von Ewigkeit her vorbestimmtes Geschick die schrankenlose Unerschrockenheit des Handelns. Wenn der Künstler den rauhen und weniger scharf betonte, als es so zeichnete er dafür um so markiger die große Seele und das tiefe Empfinden, welche aus dem unbegrenzten Ver⸗ trauen des Feldherrn zu Octavio und aus seiner warmen väterlichen Zuneigung für Max Pic'olomini zu uns sprechen. Mit maiestätischer Einfachheit und Würde offenbart der Künstler die kraftvollen und wechselnden Regungen, welche das Herz Friedland's be⸗ wegen; daher waren die Erzäblungen von der Lützener Schlacht und das letzte Zwiegespräch mit Max, in welchem der Quell väterlicher Liebe in warmherzigen Worten zum Ausdruck gelangt, von überwältigender Wirkung und erweckten mächtige, andauernde Beifallsstürme. Gegenüber der unübertrefflichen Leistung in den er⸗ wähnten Scenen zerstäuben die kleinen Mängel, welche der Dar⸗ stellung in einigen Momenten anhafteten, insofern die Stimme in der höchsten Leidenschaft etwas an Kraft und Wohllaut einbüßte.

Die Mitglieder des Berliner Theaters hielten sich neben dem großen Mimen recht tapfer; die besten Leistungen, die der Hrrn. Nollet (Octavio), Kraußneck (Buttler) und Stahl (Wrangel), sind schon früher lobend hervorgehoben worden; weniger gefiel Hr. Stockhausen als Max; sein Spiel erschien unfrei und der Ausdruck der Empfindungen gekünstelt. Frl. Hruby hätte als Thekla mehr heldenhaft und weniger thränenreich erscheinen sollen.

Der Beifall der Zuschauer galt natürlich in erster Linie Hrn. Sonnenthal, der nicht nur bei offener Scene Beifallsstürme ent⸗ fesselte, sondern auch nach jedem Aktschluß unzählige Male hervorgerufen wurde. Als zum Schluß dem berühmten Gast auch noch zahlreiche Blumenspenden zu Füßen gelegt wurden, hielt er eine kurze Ansprache, in der er seinem Dank dem Publikum und der Presse gegenüber Ausdruck gab; er nehme Abschied zwar mit einem Lebewohl, aber zugleich mit einem aufrichtigen „Auf Wiedersehen!“

Ihre Königliche Hoheit die Erbprinzessin von Sachsen⸗ Meiningen, SeineHoheit der Erbprinz von Meiningen und Seiue Hoheit der Prinz Maximilian von Baden wohnten der Vorstellung bis zum Schluß bei.

Da der vorbereitete Einakter⸗Abend die Länge eines Theaterabends ganz ungewöhnlich überschreiten würde, so ist Emil Pohl'’s „Vom landwirthschaftlichen Ball“ ausgeschieden worden; dieses Lustspiel wird jedoch bei der nächsten sich darbietenden Gelegenheit zur Auf⸗ führung kommen. Bei der am Mittwoch stattfindenden Premidre gelangen also Theuriet's „Verschollen“, Hopfen’'s „Es hat so sollen sein“ und Justinus' „Liebesprobe“ zur Darstellung. Aus technischen Gründen hat das Wochen⸗Repertoire insofern eine Aenderung erfahren, als am nächsten Sonnabend „Schuldig“ gegeben wird und „Kean“ am Sonntag Abend in Scene geht.

Lessing⸗Theater.

Die vorgestrige erste Aufführung des Lustspiels „Ultimo Gustav von Moser war vom schönsten Erfolge begleitet, der der verdiente Lohn einer trefflichen Darstellung war.

Moser's Lustspiele haben den gemeinsamen Charakter gemüthvoller Harmlosigkeit als Grundstimmung der Handlung. Mangel an Gedankentiefe und manche Unwahrscheinlichkeit der Vorgänge pflegt der Dichter durch die Warmherzigkeit der handelnd auftretenden Per⸗ sonen und durch ihre gute Laune, zuweilen auch durch eine belustigende Si⸗ tuationskomik zu ersetzen. Auch im, Ultimo“ finden sich lauter einfache und freundliche Menschen zusammen, die zu einander theilweise in recht gesuchten Beziehungen stehen, und der scheinbare Konflikt hat etwas Unwahres, wie der Charakter der im Mittelpunkt der Handlung stehenden Person, des Kommerzien⸗Raths. Aber solche Mängel haben früher nicht gehindert und verhinderten vorgestern nicht, daß sich die Zuschauer schnell mit den Leuten befreundeten, die auf der Bühne vor ihnen erschienen. Neben dem erwähnten praktischen Kommerzien⸗Rath stehen die schwärmerische Frau und die aufblühende jugendliche Tochter, ihm gegenüber der nervös aufgeregte, immer in Geldverlegenheit steckende Professor mit der weichherzigen Frau und der bräutlichen Tochter; und zwischen diesen Ehepaaren der von seiner jugendlichen Ausgelassenheit geheilte, jetzt so verständig und einsichtsvoll gewordene junge Kaufmann, den das Kommerzienraths⸗ toͤchterchen liebt, und der junge Arzt, dem nichts fehlt, als Patienten, und der als schüchterner Liebhaber um die Professorstochter wirbt. Alle diese Personen vereinigt jenes Band harmloser Gemüthlichkeit und milder Seelengüte, welches immer gewinnend auf das Publikum wirkt und, da irgend welche ernsten Lebensfragen nicht in Betracht kommen, zum Widerstreben gar keine Veranlassung bietet.

Die Darstellung, welche dem Lustspiel im Lessing⸗Theater zu Theil ward, glich alle vorhandenen Schwächen nach Möglichkeit aus. Oskar Höcker schuf aus dem Kommerzien⸗Rath Schlegel eine möglichst lebensvolle Figur, die mit ihrem breiten Humor sym⸗ pathisch berührte. Den Professor gab Hr. Otto Vischer in Maske, Geberde und Ton gleichmäßig komisch und eindrucksvoll; Hr. Oskar Blencke, der den jungen tüchtigen Georg Richter darzustellen hatte, verlieh der Ge⸗ stalt die ganze Liebenswürdigkeit und launige Beweglich⸗ keit, durch welche dieser Künstler sich auszuzeichnen pflegt. Den jungen Arzt mit den ungeschickten Bewegungen brachte Hr. Georg Mo⸗ lenar sehr geschickt zur Geltung. Hr. Karl Waldow und Hr. Oskar Sauer wirkten in kleineren Rollen anerkennenswerth. Von den mitwirkenden Damen spielte Luise von Pöllnitz die Kom⸗ merzien⸗Räthin mit gewohnter Lebenswahrheit; Fr. Petri zeigte als Therese Frische des Spiels und natürliche Anmuth; Fr. Stägemann gab die Professorsfrau, Frl. Sauer die Tochter Hedwig tadellos. Es erübrigt nur noch zu sagen, daß alle mitwirkenden Darsteller ihrer Aufgabe durchaus gerecht wurden und so sich ein vortreffliches, kaum einen Moment gestörtes Zusammenspiel ergab, welches den reichen Beifall wohl verdiente, der ihm gespendet wurde.

Wie uns mitgetheilt wird, fand auch die zweite Vorstellung vor vollständig ausverkauftem Hans⸗ statt und bereitete dem Publikum wieder einen vollen und behaglichen Lachabend; dem Lustspiel erscheint somit eine feste Stellung im Repertoire des Lessing⸗Theaters ge⸗

öhine. Die nächsten Wiederholungen finden morgen, Donnerstag und reitag statt.

rücksichtslosen Kriegsmann die Schiller'sche Gestalt gestattet,

V

Wallner⸗Theater Das neueste Repertoirestück „Des Teufels Weib“ erzielte auch am gestrigen Sonntage wieder ein ausverkauftes Haus, das sowohl die Darsteller als den Komponisten Hrn Adolf Müller, der abermals das Orchester persönlich leitete, nach allen Aktschlüssen stürmisch her⸗ vorrief und die meisten Nummern zur Wiederyolung begehrte.

Residenz⸗Theater.

Das Residenz⸗Theater schickte am Sonnabend seinem trotz der nunmehr über achtzig Aufführungen nicht todt zu machenden „Seligen Toupinel“ einen neuen Einakter voraus. „Ohne Liebe, dialogisirte Novelle von Marie von Ebner⸗Eschenbach“ lautet der Titel der Novität, welche bereits in einer hiesigen nicht öffentlichen Vorstellung mit Beifall aufgenommen wurde. Die aus unserer periodischen Unterhaltungsliteratur wohlbekannte Roman⸗ schriftstellerin bedurfte für ihren dramatischen Erstlingsversuch der entschuldigenden Nebenbezeichnung, die nur der Kritik die bequeme Waffe aus der Hand zu schlagen bestimmt scheint, eigentlich nicht, denn das kleine Stück spielt sich ganz bühnen⸗ mäßig flott und munter ab. Eher könnte man es ein dramatisirtes Bonmot nennen, denn das Ganze baut sich auf einem winzigen, wenn man auch zugeben mag neuen, und also schon deshalb geistreichen“ Gedanken auf. Diesen hat die Autorin der Hauptperson, dem Grafen Marco Laßwitz in den Mund gelegt: Man singe und sage, meint Dieser, immer nur von den unglücklich Liebenden, niemals aber von den unglücklichen Geliebten. Als einen solchen aber bekennt sich Graf Marco, jetzt Wittwer, der schon von seiner Frau stets durch Ueberschwang von Liebe und Eifersucht ge⸗ qguält und gepeinigt worden und jetzt nach ihrem Tode von allen weiblichen Personen, zu denen er in Berührung komme, mit Liebes⸗ und Heirathsanträgen verfolgt werde. In fortwährender Flucht vor diesen gelangt er mit seinem dreijährigen Kinde wieder in die Heimath zurück und glaubt nun in seiner Cousine und Jugendfreundin, Gräfin Emma Laßwitz, die ibre langjährige tiefe Neigung zu ihm aus Stolz verbirgt und ihm mit erkünstelter Kälte gegenübertritt, gerade das zu finden, was er sucht: eine Frau „ohne Liebe“. Da sie ihm nach ge⸗ gebenen Proben auch für sein sehr verzogenes Töchterchen eine geeignete zweite Mutter zu werden verspricht, so kommt es schließlich zu einem sehr originellen Verlobungs⸗ akt, in welchem zwischen den „aus unüberwindlicher gegenseitiger Sympathie“ Paktirenden eine alte komische Tante in ergötzlicher Weise als Mittelsperson figurirt. Das kleine Stück wurde in den Hauptrollen von Hrn. Theodor Brandt und Frl. Martha Zipser vortrefflich gespielt; Fr. Sophie Berg als Tante und Großmutter und Hr. Richard Georg in der Partie eines gecken⸗ haften zudringlichen Bewerbers vervollständigten das flotte Ensemble. Das Publikum unterhielt sich bei dem launigen dramatischen Einfall sichtlich gut und belohnte die Darsteller am Schluß mit verdienter Anerkennung.

Friedrich⸗Wilhelmstädtisches Theater.

Rudolf Dellinger, der Komponist der neuen Operette „Saint Cvr“, deren erste Vorführung Direktor Fritzsche für Donnerstag an⸗ gesetzt hat, ist aus Hamburg hier eingetroffen. Dellinger, dessen Name durch das „Komm' herab, o Madonna Theresa“ weithin bekannt geworden ist, wird sein neues Werk hier am ersten Abend selbst dirigiren.

Thomas⸗Theater.

Auch in dieser Woche muß die Reihe der Aufführungen des „Millionenbauer“, der gestern wiederum ein vollständig ausverkauftes Haus erzielte, auf einen Tag unterbrochen werden. Am Freitag findet nämlich das Benefiz für Hrn. Georg Kaiser statt, und da dieser im „Millionenbauer“ nicht beschäftigt ist, so wird am Freitag eine ein⸗ malige Aufführung des Moser⸗Girndt'schen Lustspiels „Der Sol⸗ datenfreund“ in Scene gehen, jenes Repertoirestücks, welches in der Mitte der Saison im Thomas⸗Theater so große Erfolge erzielt hat. Der Benefiziant spielt die von ihm geschaffene Rolle des Referendars von Seidler, während Hr. Direktor Thomas, wie früher, die Tite rolle giebt. 8

Saal der Königlichen Hochschule. t

Das Concert, welches zu einem wohlthätigen Zweck von Frau Prof. Schmidt⸗Köhne, ihrem Gatten und den Herren Professore Joachim und Barth veranstaltet wurde, fand am Sonnabend unte ungemein zahlreicher Betheiligung des Publikums statt. Die Hrrn. Barth und Joachim führten gemeinsam die C-moll-Sonate (op. 30) von Beethoven und drei Intermezzi von dem durch zahlreiche gediegene Instru mental⸗Kompositionen wohlbekannten Wiener Komponisten Robert Fuchs aus. Daß der Vortrag dieser Werke in solchen Meisterhänden ein in jeder Beziehung vollendeter war, bedarf kaum der Bestäti den lebhaften Beifall und Hervorruf bewogen, die Vortragenden noch durch die Wiederholung der originellen Intermezzi. Prof. Joachim spielte drei Solopiecen: Eine durch großen Melodienreiz fesselnd Romanze eigener Komposition und zwei im Stile Scalatti's gehaltene Stücke: „Sarabande“ und „Tambourin“ von Jean Maria Leclai (1697), denen er noch einen mit lebhaften Dankbezeugungen aufg nommenen „Ungarischen Tanz“ hinzufügte. Frau Schmidt⸗Köhne (Sopran) führte mit ihrem Gatten (Bariton) Duette von Hände Giovanni Paisiello (1741, Opernkomponist), sowie von Cornelius un Krug aus. Der edle Stimmenklang und die musterhafte Uebereinstimmung, in der feinen Art zu schattiren, setzten die genannten Gesänge ins glänzendste Licht. Sänger und Sängeri brachten ihre so vortrefflich geschulten Stimmen noch in mehrere Solovorträgen zur Geltung, die mit sehr reichen Beifallsbezeugungen aufgenommen wurden. Der vortheilhaft bekannte Pianist Hr. Berger hatte die Klavierbegleitung übernommen. -

Concerthaus. Morgen findet der siebente und letzte Virtuosen⸗Abend in diese

Saison statt. Römischer Hof.

Die Contra⸗Altistin Frl. Luranah Aldridge (Afrikanerin Tochter des durch seine Darstellung des „Othello“ berühmten Schau spielers, gab am Sonnabend ein Concert, in welchem sie mehrere klassische und neuere Gesänge zum Vortrag brachte. Zu den ersteren gehörte die Canzone „Caro mio ben“ von Giordani (1753 Neapel), Gluck's Arie aus dem „Orpheus“ „Che fard“ sowie zwei Arien von Händel und Rossini. Die neueren Komponisten waren vertreten durch Lieder von Brahms, Tschaikowski, Schäffer, Gounod und durch Arie⸗ von Thomas, Bizet und Meyerbeer. Die Concertgeberin, welch durch ihre dramatische Thätigkeit bei der Kroll'schen Oper noch in gutem Andenken steht, hat die klangvolle, tenorähnliche Tiefe ihre Stimme noch unversehrt bewahrt, während die Höhe weniger wohl klingend erscheint. Die klassischen Gesänge ernsteren Inhalts sage der Tonfarbe ihrer Stimme mehr zu, als die Lieder heiteren Charakters. Mit reiner Intonation und vorzüglicher Ton⸗ bildung verbindet die Künstlerin zugleich eine tief empfindend dramatisch belebte Ausdrucksweise, die das leider nicht sehr zahlrei erschienene Publikum oft zu lebhaftem Beifall hinriß. Unterstützt wurde das Concert durch die junge Violinvirtuosin Frl. Morgan welche Händel's A.dur-Sonate, Wieniawsk.'s Legende und Mazurka mit technischer Sicherheit und verständnißvollem Ausdruck spielte un die Violinbegleitung zweier Gesänge von Gounod ausführte. Die

Klavierbegleitung hatte wiederum Hr. O. Bake übernommen.