1891 / 95 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 23 Apr 1891 18:00:01 GMT) scan diff

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Die Abreise Seiner Majestät des Kaisers von Dresden nach Eisenach ist auf Abends 7 Uhr festgesetzt. (Vergl. auch „Dresden“. D. Red.)

Heute Nachmittag trat der Bundesrath zu einer Plenarsitzung zusammen. Vorher tagten die vereinigten Aus⸗ schüsse für das Landheer und die Festungen, für das See⸗ wesen und für Rechnungswesen.

Der Königlich sächsische Gesandte am hiesigen Aller⸗ höchsten Hofe Graf von Hohenthal und Bergen ist vom Urlaube nach Berlin zurückgekehrt und hat die Geschäfte der Gesandtschaft wieder übernommen.

Der Bevollmächtigte zum Bundesrath für das Herzogthum Sachsen⸗Coburg und Gotha, Staats⸗Minister Dr. von Bonin, welcher im Auftrage Seiner Hoheit des Herzogs zu Sachsen⸗ Coburg und Gotha den Beisetzungsfeierlichkeiten in St. Peters⸗ burg beigewohnt hat, ist hierher zurückgekehrt.

Der Bevollmächtigte zum Bundesrath, Senator der freien und Hansestadt Hamburg Dr. Burchard ist in Berlin angekommen.

8.

S. M. Kanonenboot „Iltis“, Kommandant Korvetten⸗ Kgapitän Ascher, ist am 20. April in Hankau (China) ein⸗ ggetroffen. 8 18 Kreuzer⸗Geschwader, bestehend aus S. M. Schiffen „Leipzig“ (Flaggschiff), „Sophie“ und „Alexan⸗ drine“, Geschwader⸗Chef Contre⸗Admiral Valois, beabsichtigt am 3. Mai von Yokohama nach San Francisco in See zu ehen. S. M. Fahrzeug „Loreley“, Kommandant Kaäpitän⸗ Lieutenant Graf von Moltke I., ist am 20. April von Konstantinopel nach Salonichi in See gegangen.

1 1 8 Danzig, 23. April. Der Ober⸗Präsident der Provinz West⸗Preußen, Wirkliche Geheime Rath von Leipziger ist, wie „W. T. B.“ meldet, gestern Nachmittag gestorben.

Sachsen.

Dresden, 23. April. Anläßlich des heutigen Geburts⸗ tages Seiner Majestät des Königs haben laut Meldung des „W. T. B.“ die öffentlichen Gebäude wie auch viele Privat⸗

häuser Flaggenschmuck angelegt. Die Kapellen der Leib⸗ Regimenter brachten dem König in Villa Strehlen ein Ständchen, woselbst bereits Prinz Georg mit Familie sich zur Gratulation eingefunden hatte. Vormittags fand auf dem Alaunplatz eine Parade der Garnison statt. Am Nachmittag waren offizielle Festmahle. Abends werden, wie auch gestern, die öffentlichen

2;

Plätze illuminirt. 8

Braunschweig.

b Braunschweig, 21. April. Seine Königliche Hoheit der Regent des Herzogthums Braunschweig, Prinz Albrecht von Preußen, über dessen Befinden fortgesetzt gute Nach⸗ richten eingelaufen sind, beabsichtigt dem „W. T. B.“ zufolge am nächsten Sonnabend nach beendeter Kur von Baden⸗Baden abzureisen und sich zunächst nach Er bach zu begeben. 3

Sachsen⸗Altenburg.

Altenburg, 21. April. Unter zahlreicher Betheiligung aller Kreise der Bevölkerung erfolgte, wie die „Schwzb.⸗Rud. Lds.⸗Ztg.“ berichtet, heute Vormittag 11 Uhr die Enthüllung des Denkmals Kaiser Wilhelm's I. in Gegenwart Seiner Hoheit des Herzogs und Ihrer Königlichen Hoheit der Prinzessin Albrecht von Preußen, welche von lauten Hurrahrufen begrüßt wurden. Nach dem Vortrage einiger Gesangs⸗ stücke erbat der Reichstags⸗Abg. Oberst⸗Lieutenant Zwan Baum⸗ bach von Seiner Hoheit dem Herzog die Erlaubniß, das Denkmal enthüllen zu lassen. Die Hülle fiel und die eherne, lebensvolle Gestalt des hochseligen Kaisers, zu dessen Füßen die Germania sitzt und ihm einen Lorbeerzweig reicht, wurde sichtbar, begrüßt von Kanonenschlägen und den Klängen der Nationalhymne. 8 Unter tiefem Schweigen aller Anwesenden erhob sich Seine Hoheit der Herzog und sprach mit weithin vernehmbarer Stimme folgende Worte: „Nachdem wir durch die Enthüllung dieses Standbildes unserem geliebten unvergeßlichen Kaiser, dem Neubegründer des Deutschen Reichs glorreichen Andenkens den Tribut unserer tiefsten Dankbarkeit zu Füßen gelegt haben, richtet sich mein Blick auf dessen erhabenen Ehnkel und Erben, Seine Majestät unseren jetzigen Kaiser, den Gott segnen, schützen und zum Heil des gesammten Vaterlandes lange er⸗ alten wöge mit dem Rufe: Seine Majestät Kaiser Wilhelm II. heute und immerdar hurrah hoch!“ 1 Begeistert stimmte die nach Tausenden zählende Festver⸗ sammlung in das vom Landesherrn dem Kaiser ausgebrachte Hurrah ein. Hierauf betrat Konsistorial⸗Rath Schollmeyer die auf dem Festplatz errichtete Rednertribüne und hielt eine Weiherede, in welcher er von dem hochseligen Kaiser Wilhelm, dessen Andenken unvergeßlich bleiben wird, so lange es eine Geschichte giebt, ein Bild als Fürst und Mensch entwarf. Oberst⸗Lieutenant Baumbach übergab darauf dem Vertreter der Stadt, Ober⸗Bürgermeister Oßwald, das Denkmal Namens des Comités. Elsaß⸗Lothringen.

Sttraßburg, 22. April. Ueber die Meldepflicht der Ausländer bemerkt die „Straßb. Corr.“:

Nachdem die Verordnung vom 5 Februar d. J., betreffend die

Einführung der Meldekarten mit dem 1 April in Kraft getreten ist, haben sich fast überall hier im Lande lebende Ausländer bei den Kreis⸗ bezw. Polizei⸗Direktionen angemeldet und die Ausfertigung einer Aufenthaltskarte erbeten. Durch Bereitstellung geeigneter Formulare sind den Gesuchstellern die Eingaben und die Erlangung der Aufenthaltskarten wesentlich er⸗ leichtert worden. Die Verausgabung der Aufenthaltskarten hat schon vielfach stattgefunden und wird täglich fortgesetzt. Bei der Polizei⸗ Direktion zu Straßburg konnten von ca. 1200 Anmeldungen schon 300 durch Aushändigung der Aufenthaltskarte erledigt werden. Bei Aushändigung der Karten werden die Empfänger auf die Bestimmungen der Verordnung vom 5. Februar d. J., welche auf den Karten ab⸗ gedruckt sind, aufmerksam gemacht, insonderheit darauf hingewiesen, daß die Aufenthaltskarte dem Inhaber den Ausweis in die Hand giebt, daß sein Aufenthalt im Lande der Regierung bekannt ist. Die Gesuchsteller werden ferner davon verständigt, daß der Besitz dieser

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Aufenthaltskarte ihnen an der Grenze bei der Paßkontrole als Ausweis dafür dient, daß sie sich dauernd in dem Reichslande aufhalten und daß sie daber ebenso wie deutsche Reichs⸗ angehörige zum Wiedereintritt über die paßpflichtige Grenze eines visirten Passes nicht bedürfen: die Vorzeigung der Aufenthalts⸗ karte an der Grenze ersetzt den Paß. Es liegt daher im eigensten Interesse jedes hier dauernd, oder doch länger als acht Wochen, sich aufhaltenden Ausländers, so schnell als möglich bei der Kreis⸗ resp. Polizei⸗Direktion seines Aufenthaltsortes die Er⸗ theilung der Aufenthaltskarte nachzusuchen, was sich um so mehr empfehlen dürfte, als nach dem Ablaufe der sub VII. der Verordnung mit dem 31. Mai d. J. festgesetzten Meldefrist eine genaue Nach⸗ forschung statthaben wird, ob alle im Lande lebenden Ausländer sich im Besitze der Aufenthaltskarte befinden. Diejenigen Ausländer aber, welche die ihnen obliegende Pflicht der Anmeldung unterlassen, haben es sich nach Ablauf der Meldepflicht selbst zuzuschreiben, wenn sie durch die Polizeibehörden und deren Organe zur Erfüllung jener Pflicht angebalten oder, Falls sie derselben nicht nachkommen, ver⸗ anlaßt werden, das Reichsland zu verlassen. .

Der Landesausschuß überwies in seiner vorgestrigen Sitzung die neu eingegangenen Vo rlagen, betreffend ärzt⸗ liche Hausapotheken und die Feststellung eines Nach⸗ trags zum Landeshaushalts⸗Etat an Kommissionen und nahm die Wasserrechtsvorlage in zweiter Lesung nach den Beschlüssen der Kommission an. Heute genehmigte der Landesausschuß in dritter Lesung das Grundbuchgesetz, sowie das Gesetz, betreffend die Kosten der Grund⸗ buchsachen, und das Fischereigesetz.

Oesterreich⸗Ungarn. 8

Wien, 22. April. Ihre Majestät die Kaiserin und Königin ist von ihrer Reise nach Neapel und Sizilien gestern wieder in Korfu eingetroffen.

Im Anschluß an seine Erklärungen im Adreß⸗ ausschusse über den deutsch⸗österreichischen Handels⸗ vertrag (siehe Nr. 94 d. Bl. vom 21. d. M. unter den nach Schluß der Redaktion eingetroffenen Depeschen) äußerte der Handels⸗Minister sich noch dahin, die Regierung werde nach erfolgtem Abschlusse mit Deutschland sofort auf Grundlage des Vertrages mit Deutschland mit anderen Staaten, zunächst mit der Schweiz, sodann mit Italien und Serbien in Verhandlung treten. Die Regierung hoffe noch vor dem Schlusse des Jahres zu einem Abschluß mit den genannten Ländern zu gelangen und dem Hause das Vertragsmaterial vorlegen zu können. Die Regierung habe die feste Absicht, die Verträge auf längere Zeit abzuschließen, vorerst mit Deutschland, sodann, aber auch nur erst nach voraufgegangenem Abschluß mit Deutschland, mit den genannten, und wenn es sein könne noch mit anderen Staaten Vereinbarungen zu treffen. Im weiteren Verlaufe der Sitzung erklärte der Handels⸗Minister auf eine Anfrage des Abg. Ruß, die Regierung könne kein Programm ihres Vor⸗ gehens bei der Verstaatlichung der Eisenbahnenentwerfen. Trotz der vorsichtigen Fassung habe der bezügliche Passus der Thronrede an der Börse eine Hausse gewisser Eisenbahn⸗ effekten hervorgerufen. Durch derartige Coursbewegungen werde die Verstaatlichung der Eisenbahnen keineswegs er⸗ leichtert; den Lokalbahnen werde die Regierung ein reges Interesse entgegenbringen, allein der Aufstellung einer einheit⸗ lichen Subventionsformel ständen Budgetrücksichten, die Ver⸗ schiedenheit der wirthschaftlichen Entwickelung in den einzelnen Ländern, sowie ungünstige Erfahrungen im Wege, welche anderwärts mit der schablonenhaften Anwendung der staatlichen Unterstützung gemacht seien. Der Finanz⸗Minister Steinbach betonte, in der Thronrede sei von der Valuta⸗ regulirung nicht gesprochen worden, weil dies eine delikate, schwierige Frage sei; er habe jedoch Nichts einzu⸗ wenden, wenn der Ausschuß die Aufnahme eines Passus über die Valutafrage in die Adresse wünsche. Auf eine Frage des Abg. Herbst wegen der Regulirung des Wienflusses und wegen der Wiener Stadtbahn erklärte der Handels⸗ Minister zugleich im Namen des Minister⸗Präsidenten, das Programm bezüglich der in Wien vorzunehmenden Bauten sei in der Ausarbeitung begriffen; dasselbe umfasse beide Fragen. Der Minister⸗Präsident Graf Saif führte aus, die Thronrede sei nicht in dem Sinne aufzufassen, daß die einzelnen Parteien für immer auf ihre Wünsche und Be⸗ strebungen Verzicht leisten sollten, weil das unmöglich sei, sondern daß die Parteien ihre Wünsche zuerst zurückstellen sollten, Behufs eifriger Mitwirkung zur Erledigung der im Interesse aller Parteien und des Staats im Ganzen gelegenen Vorlage. Der Minister⸗Präsident kon⸗ statirte, daß die erfreuliche Uebereinstimmung aller Redner hervorgetreten sei, dem bezüglichen Wunsche der Thronrede zu entsprechen. Bei der Wahl des Referenten des Adreß⸗ Ausschusses wurden 16 Stimmen für Bilinski, 15 Stimmen für Plener abgegeben. Es war in Folge dessen ein zweiter Wahlgang nothwendig, bei welchem Bilinski mit 19 von 34 Stimmen gewählt wurde.

Wie die „Neue freie Presse“ erfährt, würde sowohl die Adresse des Abgeordnetenhauses, wie auch diejenige des Herrenhauses, einen Passus über die Valutafrage enthalten.

Der Budgetausschuß des Abgeordnetenhauses nahm einstimmig das Budgetprovisorium an und ernannte den Abg. Bilinski zum General Berichterstatter.

Die in mehreren Zeitungen enthalten gewesene Meldung, daß der Besuch der Waffenfabrik in Steyr durch rus⸗ sische Offiziere mit dem Abschluß eines Waffen⸗ lieferungsvertrages mit Rußland zusammenhänge, wird von unterrichteter Seite, wie „W. T. B.“ meldet, für grundlos erklärt. Der Besuch habe lediglich der Besichti⸗ gung der Waffenfabrik gegolten, von einem Vertragsabschluß sei keine Rede gewesen.

Das ungarische Unterhaus nahm in seiner vor⸗ gestrigen Sitzung mit großer Majorität die Gesetzvorlage be⸗ treffend die richterliche und staatsanwaltschaftliche Organisation als Grundlage für die Spezialdebatte an.

Der Abgeordnete Pazmandy hat eine Interpella⸗ tion an den Minister⸗Präsidenten Grafen Szapary ge⸗ richtet, wie es mit dem zwischen Oesterreich und Ungarn be⸗ stehenden Paritätsprinzip vereinbart werden könne, daß unter den drei ernannten Sektionschefs des Ministeriums des Aeußern kein einziger Ungar sich befinde, und wer denn die Interessen Ungarns im Ministerium des Aeußern vertreten werde. Der Abgeordnete Polonyi fragte, ob es wahr sei, daß an die Obersten der Honved⸗Armee Behufs Uebertritts in die gemeinsame Armee ein ver⸗ traulicher Erlaß gerichtet worden sei; er erblicke darin den Versuch, die Honved⸗Armee ihres nationalen Charakters zu entkleiden. Der Abg. Kaas hat eine Interpellation an

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die Regierung darüber eingebracht, Verfügungen dabin zu treffen, daß in der evange⸗ lischen Kirche Ungarns Augsburgischer Kon⸗ fession den panslavistischen Agitationen ein Ende gemacht werde. 8

Dier serbische Finanz⸗Minister Vuic ist hier eingetroffen.

Großbritannien und Irland.

Wie aus Capetown vom 21. d. M. gemeldet wird, herrscht im Kaplande gegenüber dem Vorfall von Beira wgl. Nr. 94 d. Bl.) eine erregte Stimmung. Das Journal „Argus“ versichert auf Grund authentischer Nach⸗ richten, daß die Regierung sich in dieser Angelegenheit darauf beschränken werde, in Lissabon Vorstellungen zu erheben. Es sei eine Volksversammlung einberufen worden, um gegen die behauptete Unthätigkeit der Regierung Angesichts der Verletzung des modus vivendi und der Beschimpfung der englischen Flagge Protest zu erheben. Portugiesischerseits wird der Zwischenfall in Pariser Blättern, und zwar in einer Mittheilung des dortigen nportugiesischen Gesandten, wie folgt dar⸗ gestelt: Zwei englische Dampfer und zwei englische Boote, die Mannschaften und Waaren an Bord führten, hätten ver⸗ sucht, ohne Genehmigung der Zollbehörden den Pungwe hinauszufahren. In Folge dessen seien dieselben wegen ver⸗ suchten Schmuggelns und wegen Zuwiderhandelns gegen die Zollvorschriften angehalten worden. Die an Bord befindlichen Mannschaften hätten eine gute Behandlung erfahren und seien auf freien Fuß gesetzt worden. Der General⸗Gouverneur von Mozambique habe auf sein Ersuchen sofort die Genehmigung er⸗ halten, die Briespost, Waaren und Reisende sofort passiren zu lassen, sobald sich Massikesse wieder in der Gewalt der portu⸗ giesischen Behörden befinden würde. Die englische Regierung sei bereits vorher verständigt gewesen, daß der Durchgangs⸗ verkehr sofort nach der Wiederbesetzung von Massikesse er⸗ leichtert werden würde. Diese Darstellung haben jedoch die Eigenthümer der beschlagnahmten Schiffe für entschieden un⸗ richtig erklärt. Willoughby und seine Genossen, die in Durban eingetroffen sind, berichten, sie hätten zwei Tage lang sich wiederholt den Portugiesen gegenüber be⸗ reit erklärt, sich allen Bestimmungen des modus vivendi zu fügen. Die portugiesischen Behörden in Beira hätten jedoch die Durchfahrt entschieden verweigert, und der Kommandant des portugiesischen Kononenbootes hätte Willoughby benachrichtigt, daß er schießen lassen würde, wenn die englischen Fahrzeuge an seinem Schiff vorbeifahren würden. Willoughby habe den portugiesischen Kommandanten für alle Folgen verantwortlich gemacht, und die Fahrzeuge seien abgefahren. Das portugiesische Kanonenboot habe darauf sofort blind gefeuert. Willoughby habe be⸗ fürchtet, daß Kugeln folgen könnten, die englischen Fahrzeuge, die von drei portugiesischen Kanonenbooten umgeben gewesen seien, hätten daher angehalten. Darauf hätten die Portugie⸗ sen alle an Bord der englischen Fahrzeuge befindlichen Güter beschlagnahmt. Alle Mitglieder der Expedition mit Ausnahme der Führer mit der Bemannung seien auf freien Fuß gesetzt worden. Willoughby versichert, daß die Ausrüstung seiner Expedition eine unbedeutende gewesen sei. Inzwischen hat Lord Salisbury dem „Reuter'schen Bureau“ zufolge von der portugiesischen Regierung Erklärungen wegen des Zwischenfalls von Beira verlangt; aber er will erst die Antwort abwarten, bevor er in dieser Angelegenheit weitere Schritte thut. Die „Times“ schreibt: Sie habe stets Gründe außerordent⸗ licher Nachsicht gegenüber .“ anerkannt, sie wünsche nicht die Anwendung von Gewalt gegen eine kleine Macht, deren materielle Schwäche offenbar sei, und verspüre keine Neigung, Portugal in Anarchie zu stürzen; die Grenzen der Duldung seien jedoch durch die Forderungen der nationalen Selbstachtung und der Verpflichtungen gegen die Mitbürger bestimmt. Durch ausreichende Darlegung des Sachverhalts

Seitens Portugals müsse Klarheit und vollständige Abhülfe

in diesem Falle geschaffen werden. 8

Frankreich.

Paris, 23. April. Die Abreise der Königin von England von Grasse dürfte nach den bisherigen Dispo⸗ sitionen am 28. April erfolgen. 1

Der Präsident Carnot hat die Ernennung de Lanessans zum General⸗Gouverneur von Indo⸗China unter⸗ zeichnet, ebenso ein Dekret, welches demselben den unbedingten Oberbefehl über die Civilbehörden sowie über die Land⸗ und Seetruppen in Hinter⸗Indien ertheilt. Ohne seine Zu⸗ stimmung dürfen keinerlei Maßnahmen oder Operationen, selbst nicht defensive unternommen werden. Mit Aus⸗ nahme der höchsten Residenten werden sämmtliche Beamte von dem General⸗Gouverneur ernannt. Die „Liberté“ spricht sich über diese Befugnisse scharf mißbilligend aus und meint, durch dasselbe werde die administrative Anarchie vermehrt, der Aufschwung Tongking gelähmt und Cochinchina, welches einst unter der Verwaltung höherer Marineoffiziere prosperirt habe, zu Grunde gerichtet werden.

Der von der Regierung eingebrachte Gesetzentwurf, betreffend die Förderung der Seidenzucht, wurde von der Kommission der Deputirtenkammer dahin abgeän⸗ dert, daß den Züchtern größere Prämien zugesichert werden sollen. Die dadurch entstehenden Kosten dürften sich im ersten Jahre auf 4 Millionen Francs belaufen. In der nächsten Sitzung der Deputirtenkammer wird ein Bericht über die Arbeiterverhältnisse in Italien zur Vertheilung gelangen.

In einer gemeinsamen Sitzung der Handelskammer, des Munizipalrathes und des Weber⸗Syndikats von Elbeuf wurde beschlossen, zur freihändlerischen Bewegung von Marseille und Bordeaux Stellung zu nehmen. Die Statistik beweise, daß die auswärtige Konkurrenz besonders in Geweben herrsche; deshalb beantrage die Versammlung einen geringen Zoll auf Gewebe aber Zollfreiheit für Wolle in Ballen.

Die russische Regierung hat die Panzerung für das 10 000 Tonnen⸗Panzerschiff „Georgy Pobe donoszew“ in den Werkstätten von Creuzot besteltt.

Rußland und Polen.

Das „ZJournal de St. Pétersbourg“ von gestern reprodu⸗ zirt einen Artikel, den der Brüsseler „Nord“ in der vorigen Woche über die Haltung Rußlands in Bezug auf den Ablauf der Machtbefugnisse des Prinzen Ferdinand von Bul⸗ garien als General⸗Gouverneur von Ostrumelien gebracht hat, und bemerkt dazu: Rußland habe weder den Wunsch noch das Bedürfniß, an dem bulgarischen Wespennest zu rühren und eine Frage auf die Tagesordnung zu setzen, welche

ob dieselbe geneigt sei,

n 8 Stein des Anstoßes für den Frieden Europas werden nnte.

Die Regierung hat den Botschafter in Konstantinopel, Nelidow, angewiesen, für die Fregatte „Admiral Korniloff“, auf welcher sich der Großfürst Georg von Ajaccio nach der Krim zu begeben beabsichtigt, die freie Durchfahrt durch die Dardanellen zu erwirken.

Prinz Wilhelm von Baden hat am Dienstag Abend St. Petersburg verlassen.

eem „Regierungs⸗Anzeiger“ zufolge ist der Zustand des nervenkranken Großfürsten Nikolai Nikolajewitsch des Aelteren ein bedenklicher. Der Patient, welcher zu Bett liegt, nimmt nach dem heute ausgegebenen Bulletin sehr wenig Nahrung zu sich und leidet an Schlaflofigkeit; Puls 100, Temperatur 37,3.

Italien.

Der italienische Gesandte in Washington Baron de Fa va ist gestern Vormittag in Rom eingetroffen und alsbald von dem Minister⸗Präsidenten Marchese di Rudini zur Konferenz empfangen worden.

Die „Riforma“ meldet aus Massovah vom 22. d. das Gerücht: der französische diplomatische Agent Chefneu habe mit dem König Menelik einen Freundschafts⸗ und Handelsvertrag zu Stande gebracht, welcher durch den am 10. April von Zeila abgegangenen französischen Artillerie⸗ Lieutenant Taillard nach Paris überbracht werde.

zeichnete, der „Frkf. Ztg.“ zufolge, als Unterhändler für die Handelsvertragsunterhand⸗ lungen mit Deutschland und Oesterreich den National⸗ Rath Hammer in Solothurn, gewesenen Bundes⸗Rath und Gesandten in Berlin, ferner den National⸗Rath Cramer in Zürich. Die Verhandlungen, an denen die schweizerischen Ge⸗ sandten Roth⸗Berlin und Aepli⸗Wien theilnehmen, beginnen, dem genannten Blatt zufolge, spätestens Mitte nächsten Monats. Das dem Bundesgericht zugegangene Gesuch um Wiedereröffnung der Untersuchung, betreffend den Sep⸗ tember⸗Putsch im Kanton Tessin, trägt nach der „Köln. tg.“ 42 Unterschriften. Die Unterzeichner erklären, an der ewegung jenes Tages, um das „verfassungsverletzende“ Regiment zu stürzen, in gleicher Weise wie die 21 Angeklagten theilgenommen zu haben. Der Bundesrichter Kopp ist am Dienstag Abend in Luzern gestorben.

Luxemburg.

Luxemburg, 21. April. Die Kammer hat in ihrer heutigen Sitzung mit allen Stimmen gegen eine die (in Nr. 91 d. Bl. erwähnte) Gesetzvorlage, betreffend Groß⸗ herzogliche Vermögen, angenommen.

Rumänien. 8 Buüukarest, 22. April. Bei den Wahlen zur Depu⸗ tirtenkammer wurden, wie „W. T. B.“ meldet, im ersten Distriktswahlkollegium bisher 34 Kandidaten der ver⸗ einigten Liberalen und Konservativen und 13 Kan⸗ didaten der Opposition von allen Schattirungen derselben zu Abgeordneten gewählt. An Stichwahlen sind 17 erforderlich. Die Wahlen verliefen unter großer Betheiligung und in voll

Ferbien. April. Der Deputirte

6 lgro Dragischa Stanojewitsch, welcher gelegentlich des Ministerwechsels

Belgrad, 21.

Ende Februar eine Proklamation revolutionären Charakters veröffentlichte, ist dem „W. T. B.“ zufolge zu 3 Monaten Gefängniß verurtheilt worden.

Schweden und Norwegen.

—(LP) Stockholm, 20. April. Die Königin hat am Sonnabend wieder im Schlosse Ulriksdal Wohnung genommen.

Amerika.

Vereinigte Staaten. Präsident Harrison ist am Dienstag in El Paso (Texas) angekommen und vom Oberst Villanueva im Namen des Präsidenten von Mexiko, Diaz, herzlich begrüßt worden. Präsident Harrison sprach seine aufrichtige persönliche Hochachtung für Diaz aus und gab den Gefühlen der Freundschaft der amerikanischen Regie⸗ rung und des amerikanischen Volkes Ausdruck mit dem Hinzu⸗ fügen: er sehe der Entwickelung der Handelsbeziehungen beider Länder mit Interesse entgegen.

Aus der im telegraphischen Auszuge bereits erwähnten Rede, welche der Präsident Harrison am 19. d. M. in Galveston (Texas) gehalten hat, theilt die „A. C.“ die nachstehenden bemerkenswerthen Stellen mit:

„Wir sind“, so betonte der Präsident, „groß und reich genug, um unseren Sinn auf größere Unternehmungen zu richten, an welche unsere Staatsmänner der Vergangenheit noch nicht gedacht haben. Wenn sie damit zufrieden sind, daß die Nationen Europas den ganzen Handel der südlich von uns gelegenen Republiken absorbiren, so bin ich es doch nicht. Dieser Handel ist von Rechtswegen unser, und zwar sowohl wegen der Nachbarschaft und der bequemen Verbindung, wie auch wegen der Sympathie, welche die Hemisphäre, in der es keine Monarchie giebt, mit einander verbindet. Die Bestimmungen der im letzten Kongreß angenommenen und aerf Förderung der Gegen⸗ seitigkeitsbeziehungen im Handel gerichteten Bill fanden nicht bloß meine amtliche Unterschrift, sondern auch schon vorher meine eifrigst Unterstützung. Bereits früher war ein Gegenseitigkeitsvertrag mit Brasilien abgeschlossen und proklamirt worden. Ohne Staatsgeheim⸗ nisse verrathen zu wollen, glaube ich doch mittheilen zu dürfen, daß der Vertrag mit Brasilien nicht lange mehr der einzige bleiben wird, daß andere folgen und die Produkte der Vereinigten Staaten freien oder doch wenigstens begünstigten Zutritt in die Häfen vieler süd⸗ und centralametrikanischen Staaten finden werden. Um amerikanische Waareag nach diesen Häfen zu bringen, gebrauchen wir amerikanische Dampfer. Der letzte Kongreß bewilligte ein und eine halbe Million Dollars und autorisirte den General⸗Postmeister zu dem Abschluß von Verträgen mit Dampfergesellschaften für Beförderung der Post auf eine Periode von nicht mehr als 10 Jahren. Bisher war der aus⸗ ländische der einzige Postdienst, welcher der Regierung einen Ueber⸗ schuß ergeben hat. Was die Beförderung der Post auf unseren eigenen Schiffen anbetraf, so waren wir bisher zu sparsam und

genau und zogen es vor, lieber Einnahmen aus dieser Quelle zu

empfangen, als dieselben auf Hebung unserer eigenen Schiffahrt zu verwenden. Jetzt wollen wir jedoch unsere bisherige Politik ändern und mit ameritanischen Dampfern für Beförderung der amerikanischen Post liberalere Kontrakte abschließen. Der Einwand dürfte sich hier⸗

gegen erheben, daß wir von dieser Politik Abstand nehmen sollten,

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da die Regierung mit derselben eine Subventionspolitik be⸗

ginnen würde. Hat indeß nicht jede andere große Nation in der Welt

das Gleiche gethan und thut sie es nicht noch heute? Ich wünsche sehr, daß die Zeit kommen möge, wo amerikanische in ausländischen äfen in zeitweiligem Exil lebende Bürger ab und zu stolze, moderne riegsschiffe unter der Flagge der Sterne und Streifen erblicken

können, Schiffe, welche die besten Geschütze und eine brave ameri⸗ kanische Bemannung an Deck haben. Ich wünsche ferner, daß man in allen jenen Häfen, in welchen die amerikanische Flagge so lange nicht geseben worden, derselben wieder regelmäßig auf unsern Dampfern und Segelschiffen begegnen möge. Und weiter sollten wir unsere An⸗ strengungen auf baldige Fertigstellung des Nicaragua⸗Canals richten, 127 Weg ums Cap Horn nicht der einzige zum Stillen Ocean eibe.

Der „New⸗York Herald“ veröffentlicht eine Depesche aus Washington, nach welcher der Konsul der Vereinigten Staaten in Samoa der Regierung berichtet hat, daß mög⸗ licherweise Uneinigkeiten unter den Eingeborenen anläßlich der Wahl eines Nachfolgers Malietoa's entstehen könnten, insbesondere zwischen den Anhängern Mataafa's und Ta⸗ masese's. Der Staatssekretär Blaine habe den Wunsch ausgesprochen, daß die Bestimmungen des Vertrages zwischen Deutschland, England und Amerika respektirt würden, nach welchen es den Samoanern freistehe, ihren eigenen König zu erwählen; er erachte deshalb die Anwesenheit eines amerikanischen Kriegsschiffes in Samoa für noth⸗ wendig, besonders da Deutschland und England Kriegsschiffe dort haben. Wie verlautet, dürfte der Kreuzer „Charleston“ sofort von San Francisco nach Apia beordert werden.

Die Finanzkommission des Senats hat, wie „W. T. B.“ aus Washington meldet, eine aus fünf Mit⸗ gliedern bestehende Subkommission eingesetzt Behufs Prüfung der Wirkungen der Mac Kinley⸗Bill. Die Subkommission wird zunächst die vorhandenen statistischen Nachweisungen zusammenstellen und erst später Sachverständige gutachtlich vernehmen.

Argentinien. Der Gouverneur Costa hat, wie „R B.“ aus Buenos Aires berichtet, die vorgeschlagene Reform der Provinzalbank ebenso wie die Liquidation derselben abgelehnt. Costa wird an den Kongreß eine Bot⸗ schaft richten und Unterstützung fordern. Das Gerücht, das den Aufständischen gehörige Schiff „Blanco Encalada“ sei durch ein Torpedoboot in den Grund gebohrt worden, bestätigt sich nichtF.

Afrika. .

Das „Reuter'sche Bureau“ meldet aus Capetown vom 22. April: Der Gouverneur der Cap⸗Kolonie Henry Broug⸗ ham Loch telegraphirte an den Präsidenten der Trans⸗ vaal⸗Republik Krüger: Es sei der Regierung Ihrer

Majestät der Königin das Gerücht zur Kenntniß ge⸗ kommen, daß ein Einwanderer⸗Trek (Zug) von Boers aus dem Transvaal nach dem Mashonalande und die Errichtung einer neuen Republik auf diesem Gebiete beabsichtigt sei. „‚Die Regierung theilte dem Präsidenten mit, daß sie diesen Trek als einen Akt der Feindselig⸗ keit gegen die Königin betrachten würde; sie verlangt die Versicherung einer loyalen Cooperation des Transvaal⸗ landes in Gemäßheit der bestehenden Verträge. Der Präsident Krüger habe darauf geantwortet: er habe den Trek ange⸗ halten und die Führer desselben zu sich berufen. Die Re⸗ gierung des Transvaal sei sich ihrer Verpflichtungen voll⸗ kommen bewußt. Eine in Transvaal erscheinende Zeitung, der „Johannesburg Star“, bringt zu diesem Auswanderungs⸗ Unternehmen folgende erläuternden Mittheilungen:

. Der große „Trek“ der Afrikander nach dem Lande jenseits des Limpopo (Mashonaland) nimmt jetzt eine bestimmte Form an. Einflußreiche Afrikander in der südafrikanischen Republik, im Freistaat, wie in der Capkolonie und in Natal haben seit etwa 4 Jahren im Ge⸗ heimen die Vorbereitungen zu dem „Trek“ getroffen, welchem sich aus der Capkolonie allein 1000 Familien anschließen werden. Die Auswanderer versammeln sich an den Ufern des Limpopo zwischen dem 15. Mai und 1. Juni und überschreiten den Fluß am 2. Juni unter einer Bedeckung von 5000 bewaffneten Männern. Am 5. Juni soll die Proklamation der. Republik des Nordens⸗in ebereinstimmung mit dem „Grondwet’ (Verfassung) der südafrikanischen Republik von 1858 erfolgen. Bei dem „Trek“ werden sich mehrere Aerzte, Geistliche und eine Druckerpresse befinden. Das Unternehmen findet auf Grund gewisser vor 10 Jahren zwischen den Farmern von Zoutpansberg und den Häuptlingen Schabasha, alias Shebe, und Macudi getroffenen Ab⸗ machungen statt. Der „Trek“ erhebt Anspruch auf das Land zwischen der portugiesischen und der Matabele⸗Grenze, sowie auf das Gebiet vom Limpopo bis zum Zambesi, in welchem sich die Zunbabye⸗

Ruinen befinden.“ 8

Parlamentarische Nachrichten.

In der heutigen (106.) Sitzung des Reichstages, welcher der Staatssekretär Dr. von Boetticher und der Staats⸗ Minister Freiherr von Berlepsch beiwohnten, stand auf der Tagesordnung als erster Gegenstand die Fortsetzung der zweiten Berathung des Gesetzentwurfs, betreffend die Ab⸗ änderung der Gewerbeordnung, auf Grund des Be⸗ richts der VIII. Kommission.

Die Berathung wurde fortgesetzt mit dem §. 153, dessen Besprechung am Dienstag abgebrochen war. (Vergl. den Bericht über die Dienstags⸗Sitzung in der Dritten Beilage.)

. Abg. Möller erklärte, daß die nationalliberale Fraktion in ihrer Mehrheit für den Absatz 1 und gegen den Absatz 2 des §. 153 stimmen würde. Redner ging auf die Gewerkschafts⸗ bewegung in England näher ein und sprach die Ueberzeugung aus, daß die Arbeiter von ihren utopistischen Ideen nur durch eine Hungerkur geheilt werden könnten, insofern als die von den sozialistischen Agitatoren inscenirten Strikebewegungen schließlich zum Schaden der Arbeiter ausschlügen, da diese die Arbeit verlören. „Redner wurde bei diesen Ausführungen wiederholt von Mitgliedern der sozialdemokratischen Fraktion unterbrochen, sodaß der Vize⸗Präsident Graf von Ballestrem sich genöthigt sah, den Abg. Bebel zur Ordnung zu rufen.

Abg. Stötzel bekämpfte den 153 der Regierungs⸗ vorlage, weil dieser die Gegensätze zwischen den Arbeitgebern und Arbeitern nur verschärfen würde. Er tadelte das Vorgehen vieler Arbeitgeber gegen ihre Arbeiter und empfahl die Bil⸗ dung von Arbeiterausschüssen, um eine Versöhnung beider Parteien herbeizuführen. Abg. Förster behauptete, daß die Polizeibehörden ge⸗ flissentlich das Vereins⸗ und Versammlungsrecht der Arbeiter beschränkten. Besonders arg triebe es in dieser Beziehung der Chef der Hamburger Polizei. Die Art und Weise, wie man gelegentlich der 1. Mai⸗Feier gegen die Arbeiter vorgegangen sei, habe die größte Erbitterung unter den Arbeitern hervor⸗ gerufen. (Bei Schluß des Blattes sprach Redner fort.)

In der heutigen (12.) Sitzung des Herrenhauses, welcher der Justiz⸗Minister Dr. von Schelling und der Minister für Landwirthschaft ꝛc. von Heyden beiwohnten, machte der

Präsident Mittheilung von dem am 4. April erfolgten Ableben

des Fürsten Georg zu Solms⸗Braunfels, dessen Andenk

das Haus durch Erheben von den Sitzen ehrte, ferner von der Neuberufung des Herrn Leo von Graß als Vertreter des alten und befestigten Grundbesitzes für den Landschaftsbezirk Nord⸗Pomerellen und des Prinzen Biron von Curland.

Darauf folgte die einmalige Schlußberathung über den Gesetzentwurf, betreffkend die Bildung von Wasser⸗ Henesse Haften für das Gebiet der Wupper und ihrer

ebenflüsse.

Der Berichterstatter beantragte, dem vorgenannten Gesetz⸗ entwurfe in Uebereinstimmung mit dem Hause der Abgeord⸗ men unverändert die verfassungsmäßige Zustimmung zu er⸗

eilen.

Graf von Frankenberg begrüßte die Vorlage als heilsam und sprach die Hoffnung aus, daß ähn⸗ liche weitere Schritte folgen würden. Er sei damit einver⸗ standen, daß in erster Linie die Industrie, die den größten Vortheil davon habe, herangezogen werde und daß die Landwirthschaft nicht zwangsweise in die Genossenschaft eingefaßt werden könne. Aber auch bei den Landwirthen werde der Nutzen dieser Anlagen bald hervortreten, und diese würden sich alsdann gern betheiligen, wie dies bei den ähnlichen Wassergenossenschaften in den Vogesen der Fall sei.

Geheimer Regierungs⸗Rath Bredt empfahl gleichfalls die Vorlage und hielt das Wuppergebiet für ein besonders geeignetes Versuchsfeld. (Schluß des Blattes.)

In der heutigen (73.) Sitzung des Hauses der Ab⸗ geordneten, welcher der Minister des Innern Herrfurth beiwohnte, wurde die dritte Berathung der Landgemeinde⸗ ordnung fortgesetzt, und zwar bei §. 109. Derselbe lautet nach den Beschlüssen zweiter Lesung:

Ddie Sitzungen der Gemeindevertretung sind öffentlich. Für einzelne Gegenstände kann durch besonderen Beschluß, welcher in 8.8 Sitzung gefaßt wird, die Oeffentlichkeit ausgeschlossen werden.

Abg. Freiherr von Huene beantragte, zu sagen:

Der Gemeindeversammlung kann jeder großjährige männliche

Gemeinde⸗Angehörige als Zuhörer beiwohnen.

Außerdem lag noch ein Antrag des Abg. Bohtz vor.

Abg. Rickert stellte den Antrag auf Wiederherstellung der Regierungsvorlage, welche lautet:

Die Sitzungen der Gemeindeversammlung (Gemeindever⸗ tretung) sind öffentlich. Für einzelne Gegenstände kann durch besonderen Beschluß, welcher in geheimer Sitzung gefaßt wird, die Oeffentlichkeit ausgeschlossen werden. M

Der Minister des Innern Herrfurth empfahl, sowohl zu den Gemeindeversammlungen als zu den Gemeindever⸗ hgeß nur die großjährigen Gemeindeangehörigen zuzu⸗ assen.

Außer den Antragstellern sprachen die Abgg. Eberty und Langerhans für den Antrag Rickert, der Abg. Dr. Krause für den Antrag von Huene, die Abgg. Lamprecht und von Rauchhaupt für den Antrag Bohtz.

Das Haus lehnte die Anträge Bohtz und Rickert ab, ge nehmigte dagegen den Antrag Huene.

§. 133, welcher lautet:

Verbandsvorsteher können nur solche Personen sein, bei welchen die Voraussetzungen zur Uebernahme des Amtes als Gemeinde⸗ oder Gutsvorsteher vorliegen.

Vertreter von Gemeinden müssen das Gemeinderecht besitzen.

Selbständige Gutsbezirke werden durch den Besitzer des Gutes, im Falle des §. 124 zu 1, 2 und 4 und §. 126 durch den Stell⸗ vertreter desselben vertreten.

wurde mt folgendem, von dem Minister des Innern be⸗

fürworteten Antrage von Strombeck:

Den zweiten Absatz des § 133 folgendermaßen zu fassen:

Vertreter von Gemeinden können nur die zur Uebernahme des Amts als Gemeindeverordneter in denselben befähigte Personen sein.

angenommen. Zu §. 137, welcher lautet:

Kommt ein Statut durch freie Vereinbarung der Betheiligten nicht zu Stande, so ist dasselbe nach Anhörung der Letzteren durch den Kreisausschuß festzusetzen. Hierbei kommen folgende Grundsätze zur Anwendung:

Der Verband wird in seinen Angelegenheiten durch den Ver⸗ bandsausschuß und den Verbandsvorsteher vertreten. Der Letztere ist die ausführende Behörde.

Der Verbandsausschuß, welcher über alle Angelegenheiten des Verbandes zu beschließen hat, besteht aus Vertretern sämmtlicher zu dem Verbande gehörigen Gemeinden und Gutsbezirke. Jede Gemeinde und jeder Gutsbezirk ist wenigstens durch einen Abge⸗ ordneten zu vertreten.

Die Vertretung der Landgemeinden in dem Verbandsausschusse

erfolgt durch den Gemeindevorsteher, die Schöffen und, wenn deren Zabl nicht ausreichen sollte, durch andere von der Gemeinde zu wählende Abgeordnete. Ddie Zahl der von jeder Gemeinde zu entsendenden Vertreter, sowie der jedem Gutsbezirke einzuräumenden Stimmen bemißt sich nach dem Gesammtbetrage der zu dem Zeitpunkt der Feststellung des Statuts in den Gemeindebezirken und von den Gutsbesitzern zu entrichtenden direkten Staatssteuern unter Mitberücksichtigung der nach Maßgabe des Gesetzes vom 27. Juli 1885 fingirt zu ver⸗ anlagenden Steuersätze der in §. 1 a. a. O. bezeichneten Personen⸗ gesammtheiten, juristischen und physischen Personen.

Der Verbandsausschuß wählt aus seiner Mitte einen Verbands⸗ vorsteher und einen Stellvertreter desselben auf die Zeitdauer von sechs Jahren nach den für die Wahl des Gemeindevorstehers gel⸗ tenden Vorschriften (§§. 76 ff.).

Ddie Vertheilung der gemeinsamen Ausgaben erfolgt nach den

im § 23 Absatz 2 für die Vertheilung der Gemeindeabgaben vor⸗ geschriebenen Grundsätzen.

lag folgender Antrag des Abg. von Strombeck vor:

Dem vorletzten Absatz Folgendes zuzufügen:

¹, mit der Maßgabe hinsichtlich des §. 77, daß der Verbands⸗ ausschuß aus seiner Mitte einer Wahlvorsteher wählt und von der Wahl von zwei Beisitzern Abstand nehmen kann.

Der Minister des Innern Herrfurth trat für die An⸗ nahme des Antrages ein und das Haus genehmigte diesen sowie den §. 137 selbst. 8 Beim Titel V „Aufsicht des Staates“ (§§. 139 bis 145) machte Abg. von Meyer (Arnswalde) auf die vielen Schreibereien aufmerksam, welche die Landgemeindeordnung zur Folge haben werde, und meinte, wie die entsprechende Voraussagung, die er an die Einführung der Selbst⸗ verwaltung geknüpft habe, eingetroffen sei, so werde auch die jetzige Voraussagung sich bewahrheiten. Titel V wurde unverändert genehmigt. (Schluß des Blattes.)

Die Kommission des Hauses der Ab eordneten zur Vorberathung des Antrages Korsch, betreffend 8cs Verbot des Privathandels mit Staatslotterieloosen, hat am Dienstag Abend ihre Berathungen aufgenommen und die Frage, ob die Landes⸗ gesetzgebung für die Frage zuständig sei, mit 6 gegen 5 Stimmen bejaht.