dieser sei nach §. 48 ebenfalls strafbar. Der Staats⸗Minister selbst preche davon, daß das Bewußtsein der Rechtswidrigkeit gefehlt habe, daraus ergebe sich doch, daß die Sache auf ihre Rechtsbeständigkeit geprüft werden müsse. Wenn solche Sachen gang und gäbe seien, (Präsident von Levetzow erklärt diese Erörterungen für nicht zur Sache gehörig.) Nehme man den sozialdemokratischen Antrag an, dann gebe man damit dem gleichen Recht für Alle die Ehre.
Bevollmächtigter zum Bundesrath für Hamburg, Senator Dr.
Burchard: Der Abg. Förster sei den Beweis für seine Behaup⸗ tung, daß die Hamburger Polizeibehörde sich als dem Unternehmerthum fügig erwiesen habe, vollständig schuldig geblieben. Wie leicht es die Herren mit ihren Behauptungen nähmen, beweise Folgendes: Der Abg. ietz habe hier behauptet. die Hamburger Polizei habe ein Fach⸗ organ für Schneider verboten, der Redacteur desselben, ein armer Schneider, sei auf der Polizei angebrüllt worden. Das letztere sei zunächst objektiv unwahr. Dann sei der Redacteur nicht ein Schneider, sondern ein früherer Konstabler und dann Wirth ge⸗ wesen. Thatsächlich sei aber nicht der Redacteur ein Schneider ge⸗ wesen, sondern das Blatt habe „Der Schneider“ geheißen und hier suche man das Mitleid des Hauses für einen armen Schneider wach⸗ zurufen! (Heiterkeit) Daß die Hamburger Polizei unter dem Sozialistengesetz Fachvereine verboten habe, die sich politischen Zwecken zugewandt hätten, finde er ganz erklärlich. Einem Taback⸗ arbeiter könne es auch nicht gestattet sein, in einem Fachverein für Maurer Vorträge zu halten oder Referate zu übernehmen. Sollten die gewerkschaftlichen Vereinigungen, wie es wünschenswerth sei, die Kluft zwischen Arbeitgebern und Arbeitern ausfüllen, so müßten sie be⸗ freit werden von der Agitation der Soztaldemokratie. (Zustimmung rechts.) Nach seiner festen Ueberzeugung sei diese Agitation der Sozialdemokratie am Allerwenigsten geeignet, die gewerkschaftlichen Interessen in irgend welcher Weise zu fördern. Durch die sozialdemo⸗ kratische Presse gehe, besonders nach Aufhebung des Sozialistengesetzes, ein Ton, welcher geeignet sei, die Begriffe von Recht und Pflicht, Recht und Rechtswidrigkeit vollständig auf den Kopf zu steleen und die kritiklofen Massen, die zur Zeit noch die große Mehrheit der deutschen Arbeiter bildeten, in eine Rechtsverwirrung hineinzu⸗ bringen, wie man es im vorigen Jahre erlebt habe. Das Ham⸗ burger „Echo“ vom 25. Januar enthalte folgenden Passus: Anders ist es mit dem sogenannten Patriotismus, in welcher Gestalt er immer auftreten mag. Harmlos schleicht sich in das Gemüth der Kinder ein Enthusiasmus für große Männer, der schwerer zu be⸗ seitigen ist, als Phantasiegebilde. Bei der Wahl des Fürsten Bismarck habe dieses Blatt folgende Sätze gebracht: „Es ist eine in Fälschung geschichtlicher Thatsachen gipfelnde Lüge, zu be⸗ haupten, daß Bismarck sich um das Zustandekommen des Reichs irgend welche Verdienste erworben hat oder gar sein Gründer ist.“ Er verdenke es den Herren von der äußersten Linken nicht, daß sie dem Fürsten Bismarck nicht besonders grün seien, aber daß sich im Jahre 1891 überhaupt ein Mensch soweit versteigen könne zu fagen, daß Fürst Bismarck sich keine Verdienste um das Deutsche Reich erworben habe, sei eigentlich mehr als man, wenn man es nicht schwarz auf weiß sähe, glauben sollte. Das sei eine Verwirrung der Begriffe Das seien Dinge, die den Charakter des Volks und seine Begriffe über Rechte und Pflichten vollständig ver⸗ wirrten. (Unterbrechungen links.) Die Sozialdemokraten sprächen immer nur von Rechten, nicht von Pflichten. Was das Verbot von öffentlichen Volksversammlungen betreffe, so mache er darauf aufmerk⸗ sam, daß 1889 66 öffentliche Versammlungen und 1890 367 in Hamburg stattgefunden hätten. Daß die Polizeibehörden sehr wohl Veranlassung gehabt hätten, nicht besonders entgegenkommend in Bezug auf die Versammlungen zu sein, lehre die Erfahrung. Der Abg. Bebel z. B. habe am 6. März d. J. in Hambutrg über seine politische Thätigkeit berichtet. Er habe dabei die Gewerbeordnungsnovelle einer außerordentlich abfälligen Kritik unterzogen. Das sei ja sein Recht gewesen. Er habe sich aber nachher auf das politische Gebiet begeben und nach dem „Echo“ Folgendes gesagt: „Alle Verkündiger neuer Wahrheiten wurden als Unruhestifter verketzert; auch Christus ist als einer der größten Hochverräther angeklagt und gekreuzigt worden. Würde er heute im Deutschen Reich leben, so würde es ihm herzlich schlecht ergehen. Er würde mit dem Sozialistengesez und wohl auch mit dem Strafgesetz⸗ buch in Konflikt kommen. Ich habe neulich erst die Berg⸗ predigt gelesen, und da bin ich auf den Gedanken gekommen, daß er sich unter den heutigen Umständen mindestens ein Jahr Gefängniß gefallen lassen müßte.“ Der Abg. Bebel habe sich erlaubt, diese Dinge zu sagen vor einer kritiklosen Hörerschaft, habe sich erlaubt, das heilige Evangelium, das der großen Mehrzahl dieses Hauses heilig sei, in den Staub der Tagesmeinungen und Tagesdifferenzen zu ziehen. Das sei seines Erachtens in hohem Maße unerlaubt. Der Abg. Bebel würde so etwas hier, vor einer ihn kritisirenden Versammlung, nicht sagen. Dem Abg. Stadthagen bemerke er, daß im vorigen Sommer in einer großen Anzahl von Fällen allerdings strikende Arbeiter, welche sich gegen die in Rede stehenden Paragraphen ver⸗ gangen hätten oder beschuldigt gewesen seien, sich dagegen vergangen zu haben, nachdem sie verhaftet worden, photographirt worden seien. Von 148 Verhafteten seien 61 verurtheilt worden bis zu einer Maximalstrafe von 1 Jahr Gefängniß. Es sei naturgemäß anzu⸗ nehmen, daß Derjenige, welcher sich an einem Tage des Vergehens schuldig gemacht, sich desselben Vergehens auch an einem anderen Tage schuldig machen könnte. Es handele sich ja nicht um das spontane Eingreifen eines einzelnen Strikenden, sondern um systematisch ausgebildeten Posten⸗ und Patrouillendienst. Die Maß⸗ nahme der Behörde habe auch ganz vortreffliche Dienste ge⸗ leistet. Von der Anlegung eines Verbrecheralbums könne nicht die Rede sein. Man habe die Leute nicht deshalb photographirt, weil sie gestrikt hätten, sondern nur solche, welche von Arbeitern be⸗ schuldigt seien, daß sie sie beleidigt und ihnen den Beginn oder die Fortsetzung der Arbeit erschwert hätten. Diese Leute müßten geschützt werden. Ob das Gesetz mit oder ohne die Verschärfung dieses Paragraphen beschlossen werde: jedenfalls werde sich der Reichstag damit wohlverdient machen und einen weiteren Schritt zur Her⸗ stellung des wirthschaftlichen Friedens thun. Allen Denjenigen aber, die sich an sozialistischen Phantasien erbaut und den Schwärmereien von dem sozialistischen Zukunftsstaat ihr Ohr geliehen hätten, rufe er das Wort zu, welches Dante über den Eingang zur Hölle gefetzt habe: Laßt alle Hoffnung draußen, die ihr hier eintretet!
Abg. Freiherr von Stumm: Die Sozialdemokraten verständen die Koalitionsfreiheit nur so, daß die freien Arbeiter von den sozialdemokratischen unterjocht würden. Die Gewerkvereine ständen auf derselben Linie wie die Fachvereine. In der Tendenz, die Herrschaft über die Gesammtheit der arbeitenden Klassen zu erhalten, begegneten ie sich. Die Broschüre, die die Sozioldemokraten mit großen Kosten in die Welt geschleudert hätten, habe ihren Zweck verfehlt. Sie habe nur den Terrorismus klargestellt, wie er in Hamburg Seitens der
Sozialdemokraten gegen die Arbeitgeber und noch mehr gegen die freien Arbeiter geübt werde. Gleichberechtigung solle es sein, wenn dem Arbeiter resp. dem Arbeiterverführer erlaubt sei, dem Arbeitgeber zu erklären: ich arbeite nicht mit dem freien Arbeiter; ich lege die
Arbeit nieder, sobald Du nicht ausschließlich solche Arbeiter anstellst,
die den Fachvereinen angehören, also Sozialdemokraten; wir boykottiren sogar Diejenigen, die sich nicht unter unser Joch beugen. Vorgehen sei ganz unerhört. Sei es aber human, einen Ar⸗ beiter deshalb auf die Straße zu setzen oder seßen zu lassen, weil er dem Fachverein nicht angehöre? Das sei eine Tyrannei, welche jedes Vergleiches mit der Tyrannei, die an⸗ geblich Seitens der Arbeitgeber geübt werde, spotte. Die Sozial⸗ demokraten wollten das Koalitionsrecht nur für die Arbeiter, nicht aber für die Arbeitgeber, weil sie wüßten, daß, wenn es von beiden Seiten angewendet werde, es nur zum Schaden der Arbeiter aus⸗ schlagen könne. Wenn Hunderttausende von Arbeitern unter rück⸗ sichtslosen Agitatoren sich vereinigten und den einzelnen Arbeit⸗ gebern gegenüberträten, so würde sich der Arbeitgeber fügen oder sein Geschäft aufgeben müssen. Sobald aber die Unter⸗ nebmer gemeinsame Sache machten, so kehre sich der Spieß um: die Koalition der Arbeitgeber werde stets stärker sein als die der Arbeiter.
Ein solches
So wenig er selbst geneigt sei, solchen Verbänden beizutreten, so sehr wünsche er, daß überall da, wo die Sozialdemokratie eine unberechtigte Macht gewonnen habe, sich die Arbeitgeber vereinigten, um ihr zu begegnen, auch zu dem Zwecke, statt der Wirkung die Ursache des Uebels zu beseitigen, d. h. einfach zu erklären: wir stellen keinen Arbeiter an, der Sozialdemokrat nac unseren An⸗ schauungen ist. Ein solches Vorgehen sei ebensowenig inhuman wie das der Arbeiter, die sagten: wir arbeiten nicht mit solchen Leuten zusammen, die den Fachvereinen nicht angehören. Der Unterschied sei der, daß der Arbeitgeber das nicht thue, um seine Macht zu heben, sondern weil er sich in seinem Ge⸗ wissen dazu verpflichtet fühle. Der Arbeiter werde schließlich selbst dahin drängen, daß das Koalitionsrecht beseitigt oder wenigstens in seinen Auswüchsen beschnitten werde, wenn er sehe, daß er dadurch nur in größere Abhängigkeit von den Agitatoren komme und die Theilnahme der Arbeitgeber dadurch verscherze und in schlechtere materielle Verhältnisse gerathe. Die Regierung dürfe allerdings den Fachvereinen nicht dadurch Vorschub leisten, daß sie ihnen Korporationsrechte gewähre und sie dadurch auf festere Basis stelle. Es würde eine große Gefahr darin liegen, wenn die Regierung diese Schwäche hätte. Man weise auch immer auf die Organisation der englischen Arbeiter hin. Aber bei uns sei man seit langen Jahrzehnten, nicht erst seit dem vorigen Jahre, bestrebt, die erheblichsten Miß⸗ stände zu beseitigen, während die englischen Gewerkvereine das ganze Krankenkassen⸗, Unfallversicherungs⸗ und Invalidenwesen zu ihren Auf⸗ gaben hätten machen müssen, weil die staatliche Fürsorge gefehlt habe. Ebenso liege es auf dem Gebiet des Arbeiterschutzes. Es sei ihm vollkommen unbegreiflich, wie ein großer Theil des Hauses eine solche Opposition gegen diesen Paragraphen machen könne. Die Regierungs⸗ vorlage unterscheide sich von dem bestehenden Zustand in drei Punkten. Ueber ein geringeres Strafmaß wäre ein Kompromiß zu erreichen gewesen. Was die Strafandrohung betreffe, so sei es unfaßbar, die Androhung bei Verabredung zum Strike zu bestrafen, sie aber, wenn der Strike wirklich ausgebrochen sei, unbestraft zu lassen. Gegen den dritten Punkt werde der Einwand gemacht, daß er die Gleich⸗ berechtigung nicht wahre. Dieser Einwand sei aber absolut unhaltbar. Allerdings könnte man sagen, der letzte Absatz sei überflüssig, und von diesem Gesichtepunkte aus tröste er sich, wenn er abgelehnt würde. Aber die Arbeiter müßten wissen, was sie zu thun und zu lassen hätten. So weit gehe er allerdings nicht wie der Abg. von Kardorff, daß er von der Annahme dieses Paragraphen seine Zustimmung zum ganzen Gesetz abhängig mache, und zwar weil er (Redner) die Macht des Arbeitgebers schon für genügend halte, um die schwersten Uebergriffe der Arbeiter abzuwehren. Aber das Strafmaximum dürfe nicht bis zum Lächerlichen herabgesetzt werden, sonst werde es zum wahren Hohn. Dann wäre allerdings das Gesetz auch für ihn unannehmbar. Er hoffe aber, daß die Regierungsvorlage angenommen werde. Wenn das Gesetz nicht genügenden Schutz gegen die Sozial⸗ demokratie biete, werde es zum größten Schaden der Arbeiter aus⸗ denn die Sozialdemokratie sei der größte Feind der Ar⸗ eiter.
Darauf wird die Diskussion geschlossen.
Bei der Abstimmung wird der Antrag Auer gegen die Stimmen der Sozialdemokraten und einiger Freisinnigen ab⸗ gelehnt. Die Abstimmung über den ersten Theil des §. 153 der Vorlage:
„Wer es unternimmt, durch Anwendung körperlichen Zwanges, durch Drohungen, durch Ehrverletzungen oder durch Verrufs⸗ erklärungen 1) Arbeiter oder Arbeitgeber zur Theilnahme an Ver⸗ abredungen der im §. 152 bezeichneten Art zu bestimmen oder am Rücktritt von solchen Verabredungen zu hindern; 2) Arbeiter zur Einstellung der Arbeit zu bestimmen oder an der Fortsetzung oder Annahme der Arbeit zu hindern; 3) Arbeitgeber zur Entlassung von Arbeitern zu bestimmen oder an der Annahme von Arbeitern zu hindern, wird mit Gefängniß nicht unter einem Monat bestraft. Ist die Handlung gewohnheitsmäßig begangen, so tritt Gefängniß
nicht unter einem Jahre ein, ist eine namentliche; sie ergiebt die Ablehnung mit 142 gegen 78 Stimmen. 1 1
Der zweite Theil des §. 153 wird darauf ebenfalls ab⸗
gelehnt. Die Debatte wendet sich zu Art. V (Schlußbestimmungen).
Nach §. 154 finden die Bestimmungen des Tit. VII auf Gehülfen und Lehrlinge in Apotheken, wie auf Gehülfen und Lehrlinge in Handelsgeschäften keine Anwendung. Die Be⸗ stimmungen über Kinder⸗, Frauen⸗ und Nachtarbeit finden auf Arbeitgeber und Arbeiter in Hüttenwerken, auf Zimmerplätzen, Werften, in Ziegeleien, Brüchen und Gruben mit größeren, nicht bloß vorübergehendem Betriebe entsprechende Anwendung. Dieselben Bestimmungen sollen auf Werkstätten Anwendung finden, welche elementare Hülfskräfte benutzen, doch mit der Maßgabe, daß der Bundesrath gewisse Dispense ertheilen kann. Auf andere Werkstätten können diese Bestimmungen durch Kaiserliche Verordnung ganz oder theilweise ausgedehnt werden. Die Hausindustrie soll von denselben nicht betroffen werden.
Die Abgg. Auer und Genossen wollen die letztgenannte Bestimmung streichen.
Abg. Molkenbuhr befürwortet diesen Antrag unter ausführ⸗ licher Darstellung der schädlichen Verhältnisse in der Hausinduftrie, welche der Ausbeutung der menschlichen Arbeitskraft am Meisten Vorschub leisten. Desgleichen empfiehlt Redner einen weiteren Antrag, die Befugniß des Bundesraths, Dispense zu gewähren, zu streichen.
Die Abgg. Dr. Gutfleisch und Genossen beantragen, die Aus⸗ dehnung der Schutzvorschriften in Betreff der Nacht⸗, Kinder⸗ und firötsacebat auch auf „Bauten“ Kaiserlicher Verordnung mit Zu⸗
immung des Bundesraths zu überlassen.
§. 154 wird unter Ablehnung der Anträge der Sozialdemokraten mit dem Antrag Gutfleisch angenommen, ebenso werden ohne Debatte §§. 154 a und 155, endlich Artikel 7, welcher für das Ge⸗ setz den 1. Januar 1892 im Allgemeinen als Zeitpunkt des Inkraft⸗ tretens bestimmt, die Ausführung einiger Spezialvorschriften aber bis 1. Januar 1894 aufschiebt, bezw. Kaiserlicher Verordnung über⸗ läßt, unter Ablehnung entgegenstehender Anträge Auer, aber unter Annahme eines Zusatzes Gutfleisch u. Gen., welcher die neue Be⸗ stimmung über die Verpflichtung zum Besuch der Fortbildungsschulen schon am 1. Oktober 1891 in Kraft treten lassen will, angenommen.
Damit ist die zweite Lesung der Gewerbe⸗
ordnungsnovelle beendet. 1 Die eingegangenen Petitionen werden durch die ge⸗
faßten Beschlüsse für erledigt erklärt. Schluß 5 ½ Uhr.
1
KHerrenhaus. “ 12. Sitzung vom Donnerstag, 23. April. Der Sitzung wohnen der Justiz⸗Minister Dr. von
Schelling und der Minister für Landwirthschaft ꝛc. von
Heyden bei. Zur einmaligen Schlußberathung steht der Gesetz⸗
entwurf wegen Abänderung des esetzes, be⸗ treffend die Bildung von “ vom 1. April 1879 für das Gebiet der Wupper und ihrer Nebenflüsse, dessen unveränderte Annahme der Berichterstatter Ober⸗Bürgermeister Lindemann beantragt.
Graf von Frankenberg spricht seine Genugthuung über die Vorlage aus, die einen ersten Schritt auf diesem Wege bedeute, dem hoffentlich recht bald weitere folgen würden. Der Zwang zum
gwifies Voraussetzungen zulasse, wirke heilsam für das ganze Land. uch die Landwirthschaft werde sich einem solchen Zwange nicht wider⸗ setzen, wenn sie demselben in gleicher Weise, wie hier die Industrie, unterworfen werden würde. Das zeige das Beispiel der Wasser⸗ genossenschaften in den Vogesen. Redner dankt schließlich der Regie⸗ rung für Einbringung der Vorlage. Geheimer Regierungs⸗Rath Bredt spricht gleichfalls seine Zustim⸗ mung zur Vorlage aus. Gerade die Wupper sei ein geeignetes Versuchsfeld. Darauf wird die Vorlage unverändert en bloc ange⸗ nommen. In einmaliger Schlußberathung wird der Gesetz⸗ entwurf, betreffend den Rechtszustand vom Herzog⸗ thum Sachsen⸗Meiningen an Preußen abge⸗ tretener Gebietstheile im Kreise Weißenfels, sowie die Abtretung preußischer Gebietstheile an Sachsen⸗Meiningen, auf Antrag des Berichterstatters Professor Dr. Dernburg ohne Debatte angenommen, ebenso auf Antrag der Justizkommission der Gesetzentwurf, be⸗ treffend die Abänderung von Amtsgerichtsbezirken. Ueber eine Petition des Dr. Erkelenz in Köln und Genossen um Festsetzung von Merkmalen für den Begriff der höheren Mädchenschulen und um Regelung der Pensio⸗ nirung und Reliktenversorgung der Lehrer an solchen Schulen beschließt das Haus wegen Kürze der Zwischenzeit seit dem in der vorigen Session über die gleiche Petition gefaßten Beschluß zur Tagesordnung S
Es folgt die einmalige Schlußberathung über den Gesetz⸗ entwurf, betreffend die Heranziehung der Fa⸗ briken u. s. w. mit Vorausleistungen für den Wege⸗ bau in der Provinz Schleswig⸗Holstein mit Aus⸗ nahme des Kreises Herzogthum Lauenburg. Der Berichterstatter Ober⸗Bürgermeister Fuß beantragt die unveränderte Annahme der Vorlage. Geheimer Regierungs⸗Rath Bredt fragt an, ob das gleiche, für die Rheinprovinz schon vor zwei Jahren beschlossene Gesetz bald publizirt oder eine andere Vorlage dafür eingebracht werden werde. Der Regierungskommissar, Geheime Ober⸗Regierungs⸗Rath Gamp erklärt, daß das Gesetz für die Rheinprovinz noch nicht publizirt sei, weil, entgegen dem Vorschlag der Regierung, das Recht zur Heranziehung der Fabriken mit Vorausleistungen für den Wegebau den Gemeinden zu geben, vom Landtage dieses Recht auch auf die Kreise und die Provinz ausgedehnt worden sei. Dadurch würden die Interessen der Industrie in der Rheinprovinz erheblich geschädigt worden sein. Es schwebten jedoch Verhandlungen über eine neue Vorlage, welche, sobald eine Verständigung mit den Betheiligten erzielt sei, werde vorgelegt werden. Graf Brockdorff spricht sich für die Vorlage aus. Herr von Bemberg⸗Flamersheim bittet die Regierung, die Verhandlungen bezüglich des neuen Gesetzes für die Rhein⸗ provinz möglichst zu fördern. Es sei eine Lebensfrage für die Gemeinden der Rheinprovinz, in welcher an allen Ecken und Enden neue industrielle Unternehmungen ins Leben träten, daß die Gemeinden in ihren Wegelasten erleichtert würden. Darauf wird die Vorlage en bloc angenommen.
Schluß gegen 3 Uhr.
88
Haus der Abgeordneten. 73. Sitzung vom Donnerstag, 23. April.
Der Sitzung wohnt der Minister des Innern Herr⸗
furth bei. Die dritte Lesung der Landgemeindeordnung wird
fortgesetzt bei §. 109. Nach dem Beschlusse der zweiten Lesung sollen nur die Sitzungen der Gemeindevertretungen (nicht die der Gemeindeversammlungen) öffentlich sein. Abg. Rickert will für beide Körperschaften die Oeffentlich⸗ keit einführen. 8
Abg. Freiherr von Huene beantragt, daß jeder groß⸗ jährige Gemeindeangehörige der Gemeindeversammlung als
Zuhörer beiwohnen könne. “ b Abg. Bohtz will beschränkte Oeffentlichkeit für Gemeinde⸗
versammlungen und Gemeindevertretungen einführen; in be⸗ sonderen Fällen soll die Oeffentlichkeit ganz ausgeschlossen
werden können. — Abg. Cremer (Teltow) will, daß das Ortsstatut be⸗
stimmen könne, daß die Sitzungen mit Angabe der Tages⸗ ordnung vorher bekannt gemacht würden.
Abg. Freiherr von Huene glaubt, daß die Sache am Besten der Entscheidung des Herrenhauses vorbehalten bleibe.
Minister des Innern Herrfurth:
Die Vorlage der Königlichen Staatsregierung hatte unbe⸗ schränkte Oeffentlichkeit in der Gemeindeversammlung und Gemeindevertretung. In der zweiten Lesung wurde die unb eschränkte Oeffentlichkeit für die Gemeindeversammlung abgelehnt, dagegen die unbeschränkte Oeffentlichkeit für die Gemeindever⸗ tretung angenommen. Der Hr. Abg. Freiherr von Huene hat jetzt für die Gemeindeversammlung eine beschränkte Oeffent⸗ lichkeit, für die Gemeindevertretung die unbeschränkte Oeffentlichkeit beantragt. Hr. Abg. Bohtz hatte nun in dem von ihm zurückgezogenen Antrag gänzlichen Ausschluß der Oeffentlichkeit der Gemeindeversammlung, beschränkte Oeffentlichkeit der Gemeindevertretung gefordert. In seinem heutigen Antrag auf Nr. 295 hat er beschränkte Oeffentlichkeit sowohl für die Ge⸗ meindeversammlung, als auch für die Gemeinde⸗ vertretung beantragt. Meine Herren, ich will zunächst anerkennen, daß die Gründe, welche der Hr. Abg. Neubarth in zweiter Lesung gegen die unbeschränkte Oeffentlichkeit der Gemeindeversamm⸗ lung, namentlich aber auch der Gemeindevertretung angeführt, meinerseits allerdings für sehr erheblich anerkannt werden, und ich würde keine Bedenken tragen, die Regierungsvorlage dahin abzuändern, daß nur eine auf die Interessenten beschränkte Oeffentlichkeit sowohl bei Gemeindeversammlungen als Gemeinde⸗ vertretungen eingeführt würde. Ich würde aber wünschen, daß die beschränkte Oeffentlichkeit sowohl bei Gemeindeversammlungen als bei Gemeindevertretungen angenommen würde. Ich möchte auch nicht auf den Weg treten, den der Abg. Freiherr von Huene angedeutet hat, daß man das dem Herrenhause überlassen möge. Mein Wunsch ist, daß die Landgemeindeordnung eine solche Gestalt finde, daß die unveränderte Annahme derselben im Herrenhause von der Staatsregierung vertreten werden kann; und ich möchte daher nichts auf jene weitere Instanz schieben- Wenn ich also mit dem Prinzip, welches der Abg. Bohtz ausgesprochen hat — wenn ich ihn recht verstehe: beschränkte Oeffentlichkeit für
Gemeindeversammlung und Gemeindevertretung — einverstanden bin, so habe ich doch die gleichen Bedenken, die der Hr. Freiherr von Huene geltend gemacht hat, gegen seine
Eintritt in eine Wassergenossenschaft, welchen die Vorlage unter
Fassung. Man könnte ja vielleicht etwas weiter gehen;
8 als in amtlicher Eigenschaft Gelegenheit gehabt, mehrfach an solchen
Gemeindevertretungen öffentlich berathen sollten.
bitt det Vein 8 ohne mit den Landräthen eine Konferenz abzuhalten. Hier solle die Pforte wfebsit werden für die Sozialdemokraten, und der konser⸗
diejenigen, welche nur 600 bis 900 ℳ Einkommen beziehen, aber von den Steuern freigelassen werden und in Folge dessen kein Stimm⸗ recht haben, haben doch immerhin ein Gemeinderecht, welches nur ruht, und deshalb könnte man die Leute zur Gemeindeversamm⸗ lung zulassen. Aber ich glaube, die Fassung des Antrages des Hrn. Abg. Freiherrn von Huene verdient für eine Reihe anderer Fälle doch den Vorzug. Sie deckt z. B. den Fall, daß Jemand, der 22 oder 23 Jahre alt ist und nach Ablauf eines Jahres Stimmrecht bekommen wird, ein Interesse hat, zu hören, wie sich die Sache in der Gemeindeversammlung gestaltet, und dann auch das Recht, mit zuzuhören. Sie deckt den Fall, daß Jemand, der das größte Bauerngut im Dorf gekauft hat, aber es erst sechs oder neun Monate besitzt und erst in drei oder sechs Monaten stimmberechtigt sein wird, sich vorher in der Gemeindeversammlung bereits darüber informiren möchte, wie die Gemeindeangelegenheiten behandelt werden. Alles das wird nicht gedeckt durch den Antrag des Hrn. Abg. Bohtz. Ich muß sagen, die Fassung des Hrn. Abg. Freiherrn von Huene: Jeder großjährige männliche Gemeindeangehörige kann als Zuhörer theilnehmen gefällt mir viel besser; sie schließt die etwas bedenkliche Theilnahme des Frauen aus, sie gestattet, daß Diejenigen zwischen 21 und 24 Jahren, die noch nicht Stimmrecht erlangt haben, zuhören. Ich möchte deshalb der Fassung des Freiherrn von Huene, die, insofern sie weiter geht, meines Erachtens unbedenklich ist, den Vorzug geben, jedoch aber wünschen, daß sie dann gleichmäßig Anwendung finde für Gemeinde⸗ versammlung und Gemeindevertretung.
„ Abg. Bohtz bemerkt, daß die Gemeindevorsteher vielfach erklärt daß sie bei Oeffentlichkeit der Gemeindeversammlungen und
emeindevertretungen ihr Amt nicht durchführen wollten, weil sie 8 nicht dem Einfluß fremder Personen aussetzen wollten. Für
emeindeversammlungen sollte man nach wie vor die Oeffentlichkeit veeschtieben für Gemeindevertretungen eine beschränkte Oeffentlich⸗ für die Gemeindeglieder zulassen. Redner verweist darauf, daß 8 die Sitzungen der Kirchengemeindevertretungen, der Gemeinde⸗ Fechenekrhe und der Magistrate nicht öffentlich seien, trotzdem es sich beit 1. Entscheidung auch um das Geld der Steuerzahler “ Wie solle denn eine Sitzungspolizei in der Gemeinde⸗ bef S ung aufrecht erhalten werden? Wenn ein Ruhestörer 2 eitigt “ solle, müsse ihn der Schulze selbst beim e 85 en; dadurch entstehe eine Balgerei. Die Vertheidiger der, effentlichkeit könnten von diesen Verhältnissen kaum eine Kenntniß haben. Wenn der Minister selbst einmal Gelegenheit gehabt hätte Ftner Gemeindeversammlung beizuwohnen, hätte er sich wohl nicht a. ie Oeffentlichkeit erklärt. In der Oeffentlichkeit liege eine große ’ efahr; man müsse der Sozialdemokratie die Waffe, welche nur S. die Oeffentlichkeit gegeben werde, aus der Hand nehmen. (Sehr richtig! rechts.) Die Oeffentlichkeit werde die Sozialdemokratie be⸗ nutzen zur Aufhetzung der verschiedenen Bevölkerungsklassen gegen ein⸗ ander. Die Oeffentlichkeit solle die Ausübung der Kontrole erleichtern in Wirklichkeit sei sie aber nur ein Ausdruck des gesetzlich sanktionirten
Behatr enats)er Auftraggeber gegen ihre Beauftragten. (Lebhafter
Minister des Innern Herrfurth: .
Meine Herren! Ich habe den Eindruck, als ob ich mit meiner vor⸗ her abgegebenen Erklärung, daß ich mit dem Prinzip des Antrags des Hrn. Abg. Bohtz nicht die unbeschränkte, sondern nur die beschränkte Oeffentlichkeit sowohl in Gemeindeversammlungen als in Gemeinde⸗ vertretungen einzuführen, einverstanden sei, eigentlich ein klein wenig sein Konzept verschoben habe. Denn ich meine, in seiner sehr schön vorbereiteten Rede paßt das, was gegen mich gerichtet war, nach dieser meiner Er⸗ klärung nicht mehr, denn sie ging aus von der Voraussetzung daß ich die unbeschränkte Oeffentlichkeit für die Gemeinde⸗ versammlungen aufrecht erhalten wollte. Meine Herren, das ist nicht der Fall; ich habe das vorher, ehe der Hr. Abg. Bohtz das Wort hatte, bereits gesagt. Ich habe allerdings sowohl in privater
Gemeindeversammlungen theilzunehmen, ich habe aber daraus be⸗ sondere Bedenken gegen anlassung gehabt.
Auch, meine ich, geht es zu weit, wenn er jedem Mitgliede der Landezvertretung, das nicht eben in Gemeindeversammlungen persönlich thätig gewesen ist, das Recht nehmen will, über diese Fragen mitzureden und mitzustimmen. Wenn er fragt, was ich für geandsätzliche Bedenken gegen den unbedingten Ausschluß jeder Oeffentlichkeit habe, so kann ich ihm allerdings sagen: die Heimlich⸗ keit, d. h. die grundsätzliche Ausschließung jeder Oeffentlichkeit (Widerspruch rechts), verwerfe ich aus denselben Gründen, wie sie bei der Kreisordnung für den Kreistag und für die mündlichen Verhandlungen des Krreisausschusses verworfen worden ist. Auch hier steht diese Vorlage auf dem Boden der Kreisordnung von 1872. Aber ich wiederhole, ich bin mit dem von dem Abg. Bohtz gestellten Antrage, welcher auf die Einführung einer beschränkten Oeffentlichkeit geht, einverstanden so⸗ wohl für die Gemeindeversammlung als auch für die Gemeinde⸗ vertretung. Ich gehe in der Beseitigung der unbeschränkten Oeffent⸗ lichkeit noch weiter wie Hr. von Huene; ich gebe aber in Betreff der Frage, wie der Kreis der zuzulassenden Zuhörer zu normiren sei, der Formulirung des Antrages von Huene den Vorzug, namentlich mit Rücksicht auf die Fälle, die ich Ihnen angeführt habe, daß Jemand noch nicht das 24. Jahr erreicht hat, aber im Laufe des nächsten Monats erreichen wird und sich informiren will, wie es in der Gemeindeversammlung zugeht, daß ferner Jemand, der in der Gemeinde ein Bauerngut er⸗ worben hat, aber erst sechs bis acht Monate dort wohnt, wohlbe⸗ gründeten Anspruch haben kann, in der Gemeindeversammlung als Zuhörer zu fungiren, daß ein Stiefsohn, dessen Stiefvater in Folge testamentarischer Bestimmung die Bewirthschaftung des Gutes hat, wenn er volljährig ist, doch den berechtigten Wunsch haben kann, zu wissen, wie es in der Gemeindeversammlung zugeht ꝛc.
Aus diesen rein praktischen Erwägungen gebe ich, unter Aner⸗ kennung der Richtigkeit des Prinzips der Anträge des Abg. Bohtz, für die Ausgestaltung dieser Anträge dem Antrage des Hrn. Abg. Freiherr von Huene den Vorzug, und ich glaube, gegenüber dieser Erklarung war zu einem besonderen Echauffement seinerseits kein Anlaß. (Sehr richtig! rechts.)
Abg. Freiherr von Huene: Der Abg. Bohtz übertreibe die
Sache ganz übermäßig. (Widerspruch rechts.) Die Sitzungen des Kreistages seien öffentlich; er sehe nicht ein, weshalb bnn t auch
ihre Oeffentlichkeit herzuleiten keine Ver⸗
Abg. Rick Nach der Haltung der Herren von der Rechten e
haupt keinen Paragraphen vorschlagen dürfen,
vative Minister baue selbst diese Pforte. Jetzt erst werde diese Oeffent⸗ lichkeit bedenklich gefunden; 80 pf⸗ der *X. Kommissionsyerhand⸗
vorsteher und Landräthe der Kommission angehört hätten
8 immer so lange, bis diese die Dinge mehehöet, becgen, Henere eit.) Da müßten sie freilich etwas schneller werden, wenn sie die Sozialdemokratie bekämpfen wollten. Die Gemeindevorsteher wollten sich nicht dem Einfluß fremder Personen aus den Nebenstädten aus⸗ setzen! Das werde gesagt von der Seite, welche die geheime Abstim⸗ vinnc ablehne, weil Jeder den Muth seiner Ueberzeugung haben und Fffeautich abstimmen müsse. So würden die Gemeindevorsteher loßgestellt als Männer, die vor jeder fremden Person ins Mauseloch “ “ EE etwas erzielen volle au „ dann könne sie ⸗ lichkeit viel leichter bewerkstelligen. öC1“
vone.ha E schließt sich den Ausführungen des Abg. Bohtz
Abg. Eberty spricht seine Verwunderun ü
8 1 g darüb 8.
für die Oeffentlichkeit der Gemeindevertretungen i uean versammlungen jetzt überhaupt noch sprechen müsse. Zu bedauern sei
es, daß der Minister die Regi gegeben habe. gierungsvorlage ganz ohne Grund auf⸗
Abg. Dr. Langerhans führt aus, daß die Beschränk Oeffentlichkeit große Gefahr ür die ges n der nengkeeaälte ss st beenegfür ie gesunde Entwickelung der Ge⸗
g. Dr. Krause befürwortet di auf beschränkte Oeffentlichkeit. b derne
Abg. Bohtz bemerkt gegen den Mini - den Abg. Rickert, daß es ibun gar m1n; 8 . daß die Verhandlungen der Gemeindeversammlungen heimlich sein sollten. Es sei aber schon aus praktischen Gründen wegen des Mangels an geeigneten Lokalitäten unmöglich die 'unbeschränkte Oeffentlichkeit der Gemeindeversammlungen zuzulassen. Auch würde die Zulassung von Berichterstattern, welche jede drastische Aeußerun der doch nicht parlamentarisch geschulten Gemeindebeamten Ues e teien viele und vielleicht die tüchtigsten Gemeindemitglieder dazu bringen, “ e Fälalhgzene Gerade jetzt, wo eine liege darin eine gige Gefahr. “ 6 Minister des Innern Herrfurth: Meine Herren! Der Hr. Abg. Bohtz hat gegenüber meinen Aeußerungen, daß ich die Bestimmung der Regierungsvorlage grund⸗ sätzlich rechtfertige mit dem Verfahren, welches auf den Kreistagen und Kreisausschüssen stattfände, geltend gemacht, bei dem Kreisausschuß seien die Verhandlungen nur insoweit öffentlich als es sich um Sachen handele die der Kreisausschuß als Verwaltungsgericht im Verwaltungs⸗ streitverfahren zu erledigen habe, daß dagegen eine Oeffent⸗ lichkeit bei den Verhandlungen im Beschlußverfahren — und nur mit einem folchen seien die Beschlüsse der Gemeindeversammlungen in Parallele zu setzen — grundsätzlich nicht stattfinde. Meine Herren, zunächst, wenn ich von einer Heimlichkeit des Ver⸗ fahrens gesprochen habe, so ist dies eben der Gegensatz von der Oeffentlichkeit, heimlich ist in diesem Sinne nur dasjenige wobei die Oeffentlichkeit grundsätzlich ausgeschlossen wird. (Sehr richtig links, Widerspruch rechts.) Nicht aber ist ein Verfahren heimlich in dem Sinne, daß dabei Heimlichkeiten, d. h. — wie er annimmt — Durchstechereien vorkommen. Was das von ihm angezogene Argument anlangt, so gestatte ich mir, ihn auf das maßgebende Gesetz aufmerksam zu machen, das Gesetz von der allgemeinen Landesverwaltung. Da ist zunächst ein Titel, welcher lautet: „Ueber das Verwaltungsstreitverfahren“ und da steht im §. 72: Die mündliche Verhandlung erfolgt in 5 b g erfolg öffentlicher Sitzung (Hört, hört! links; Zuruf rechts: Gericht!) Und dann kommt ein anderer Titel: „Beschlußverfahren“, und da heißt es: In Betreff der mündlichen Verhandlungen finden die Vor⸗ schriften der §§. 68, 71 und 72 sinngemäße Anwendung. (Hört, hört! links und im Centrum.) Sollte der Hr. Abg. Bohtz darüber im Zweifel sein, so braucht er nur das Regulativ für den Kreisausschuß anzusehen, wo ohne Unterscheidung zwischen Ver⸗ waltungsstreitverfahren und Beschlußverfahren für alle mündlichen Verhandlungen im §. 13 gesagt ist, daß die Oeffentlichkeit die Regel und daß nur durch Beschlüsse des Kreisausschusses ein Ausschluß der stattfinden kann. (Sehr richtig! im Centrum und inks. Ich möchte dem Hrn. Abg. Bohtz anheimstellen, daß er vo diesen Vorschriften einen ihm persönlich nahestehenden 1 Mittheiluug zu machen sich veranlaßt finden möchte. (Große Heiter⸗ keit und sehr gut! im Centrum und links.) Abg. Rickert stellt fest, daß die Ko 1 an gegen die Oeffentlichkeit 8n G;- kafang Hauptverhandlung in der Kommission. Auffallend sei es, daß ein Abgeordneter, der selbst Vorsitzender eines Kreisausschusses sei, sich in Unkenntniß der Gesetzesbestimmungen über denselben befinde; es sei doch den Herren Praktikern zu rathen, daß sie sich mit den Besezs. 5* sie hencfübsen, E machten. von Rauchhaupt: Nach dem Gesetz über die allgemeine Landesverwaltung sei Beschlußverfahren saaen e 8 b ace eigs 8 8 5 Minister des Innern Herrfurth: g 8 ö11“ Meine Herren! Wer meinen Worten genau gefolgt ist, wird zu⸗ geben, ich habe ausdrücklich nicht gesagt, daß im Beschluß⸗ verfahren die Oeffentlichkeit die Regel ist, sondern ich habe damit nur die Angabe des Hrn. Abg. Bohtz zurückgewiesen, daß im Beschlußverfahren in keinem Falle die Oeffentlichkeit stattfinde. Darauf habe ich den Gesetzesparagraphen verlesen, wonach es aus⸗ drücklich heißt, daß, wenn im Beschlußverfahren mündliche Ver⸗ handlung stattfindet, dieselbe öffentlich ist. Außerdem bemerke ich dem Hrn. Abg. von Rauchhaupt, daß zu⸗ nächst der Kreisausschuß das Recht hat, in allen Fällen mündliche Verhandlung anzuordnen, daß aber in einer Reihe von Fällen außerdem die mündliche Verhandlung auf Antrag der Bethei⸗ ligten stattfinden muß, wie z. B. bei gewerblichen Anlagen, Schank⸗ konzessionen, Armensachen, und daß diese mündlichen Verhandlungen der Regel nach immer öffentlich sind, sofern nicht durch Beschluß des Kollegiums ausnahmsweise die Oeffentlichkeit ausgeschlossen wird. (Aha! rechts.) Damit schließt die Diskussion. §. 109 wi I es agenaenene 8 8 “ Bei §. 116, welcher bestimmt, daß über die lts⸗ Pensionsverhältnisse besoldeter 1eee ehene ac statut Bestimmung getroffen werden soll, beantragt Abg. Cremer (Teltow), daß fuͤr Gemeinden, in welchen vermöge ihrer Einwohnerzahl und des Umfanges der Geschäfte Ver⸗ hältnisse obwalten, die denen der Städte gleichkommen, in dieser Beziehung die analogen Bestimmungen der Städte⸗ ordnung vom 30. Mai 1853 gelten sollen. Abg. Cremer weist darauf hin, daß man die großen Vororte
lungen habe Niemand etwas davon gemerkt, trotzdem Gemeinde⸗
daß fü i ältni .8 F. befe vielmehr die Verhältnisse in 8 Minister des Innern Herrfurth: 3
Mit der Absicht, welche der Abg. Cremer mit seinem Antrag verfolgt, kann ich mich einverstanden erklären; ich habe aber Bedenken gegen die Fassung seines Antrages und glaube, daß er das, was er mit ihm erreichen will, auch ohne die Annahme desselben erreichen kann. Ein Bedenken gegen die Fassung habe ich deswegen, weil eine genaue Begriffsbestimmung darüber, in welchen Gemeinden ver⸗ möge ihrer Einwohnerzahl und des Geschäftsumfangs Verhältnisse obwalten, welche denen der Städte vorkommen, so allgemein gefaßt ist, daß man nicht in concreto bestimmt sagen kann: auf diese Ge⸗ meinden findet dies Anwendung, auf jene nicht. Wenn man aber eine Bestimmung annimmt, aus welcher einzelne Beamte privat⸗ rechtliche Ansprüche herleiten können, so muß die Bestimmung so klar sein, daß man auch weiß, ob in einem bestimmt vorliegenden Falle er einen Anspruch hat oder nicht.
Nun hat der Abg. Cremer meines Erachtens mit vollem Recht gesagt: meine Bestimmung hat schon deswegen keine besonderen Be⸗ denken, weil in jedem einzelnen Falle die Genehmigung der Aufsichts⸗ behörde erforderlich ist. Ich bin der Meinung: es wird sein Antrag bereits gedeckt durch die Bestimmung in §. 115:
die Landgemeinden sind befugt, die Anstellung besoldeter Ge⸗ meindebeamten für einzelne Dienstzweige oder Dienstverrichtungen zu beschließen, — hierzu bedarf es der Genehmigung des Kreisausschusses und die Gemeinde kann dann bei der Anstellung beschließen, wie es demnächst bei der Pensionirung der anzustellenden Beamten gehalten werden soll. Ich glaube, jede Gemeinde, die einen derartigen Beschluß über An⸗ stellung besoldeter Beamten faßt, wird sich nicht bloß schlüssig machen über die Frage: was soll der Beamte bekommen? sondern wird sich auch von vornherein über die etwaigen Pensionsansprüche desselben schlüssig machen. Ich glaube, das Ziel, das der Abg. Cremer er⸗ reichen will, wird auf diesem Wege erreicht, während sein Antrag, meines Erachtens als zu allgemein gefaßt, Anlaß zu Bedenken geben kann.
Abg. Richter macht darauf aufmerks der Le des Abg. Eht da⸗ mfes “ er wohl Annahme finden könne. Vielleicht sei es möglich den von dem Abg. Cremer gewünschten Zusatz bei der Berathung im Herren⸗ hause in geeigneter Form zu machen. Daß den Stellungen der be⸗ “ Sesens e Peemagber ghtigung beigelegt werde, sei
nschen 2 f 8 Tahses 9 nschenepretth. doc önne die Aenderung auf §. 65 der Städte Abg. Cremer zieht seinen Antrag zurück, der Paragraph wird Zunzeründert S zu §. 137, welcher von dem Verbandsau (siehe den Bericht über die 73. Sitzung dischece “ Hauptblatt), beantragen die Abgg. von Dziembowski und Genossen, in Abs. 4 Zeile 1 statt „Landgemeinden“ zu setzen „Gemeinden“. Abg. von Strombeck beantragt, dem vorletzten Absatz Fasgene L „mit der Maßgabe hinsichtli 772 . ausschuß aus seiner Hirte uch den sehee vahnn b b. Wahl von zwei Beisitzern Abstand nehmen kann.
Minister des Innern Herrfurth:
Ich glaube, den Ausführungen des Hrn. Abg. von Strombeck meinerseits beitreten zu können, und erachte den Antrag als eine Ver⸗ besserung, möchte aber bitten, den Antrag des Hrn. Abg. von Dziem⸗ bowski, Nr. 279 der Drucksachen zu 25, abzulehnen. Ich glaube, er beruht auf einem Irrthum. Hier ist bestimmt in dem Absatz 4, wie bei den Landgemeinden die Vertretung stattfindet. Nun soll das Wort „Land“ gestrichen werden, woraus gefolgert werden könnte, daß die Vertretung in den Verbandsausschüssen auch bei den Stadt⸗ gemeinden, wenn diese in Verbänden theilnehmen, nach Maßgabe dieser Bestimmung geregelt werde; das steht aber in ausdrücklichem Wider⸗ spruch mit dem späteren Antrag des Hrn. Abg. von Dziembowski auf Nr. 279 zu 26, wo besondere Bestimmungen darüber getroffen sind, wie die Vertretung von Stadtgemeinden stattfinden soll. Ich glaube daher — da Absatz 4 lediglich Anwendung findet auf die Landgemein⸗ den —, daß der Antrag zu Nr. 25 abgelehnt werden muß. §. 137 wurde mit dem Antrage von Strombeck an⸗
genommen. 145 necm fünften Titel: Aufsicht des Staates (§§. 139 bis Abg. von Meyer (Arnswalde) darauf hin, daß in kei vielen Drucksachen von den Kosten der neuen ee. Ses. die Rede sei. Schulze, Schreiber würden unbedingt angestellt werden müssen, denn die Gemeindevertretungen würden verlangen, daß ihnen die Tagesordnung der Sitzung vorer bekannt gegeben werde. Die Schreiberei werde, namentlich auch bei der Auffscht des Staates ins Unendliche gehen. Es werde mit der Landgemeindeordnung ebenso gehen, wie mit der Selbstverwaltung; sie werde immer bureau⸗ kratischer werden. Als er das früher gesagt habe, sei er von seinen damaligen Fraktionsgenossen verlacht worden, namentlich auch von dem Abg von Rauchhaupt, der sich damals an die Spitze der neu⸗ konservativen Partei gestellt habe, welche sich später 8 höhere An⸗ ordnung wieder mit den Altkonservativen vereinigt habe. (Heiterkeit.) Seit Einführung der Selbstverwaltung habe sich die Zahl der Be⸗ .59e. 182 “ Jeste 5 die Zahl der Beamten rt werden, n oß bei de ⸗ dern gsch beim IFeaene. “ Abg. von Rauchhaupt: icht auf höhere ä sich die Neukonservativen mit den Act anf höͤbere veöe doch auch Etwas davon; eher sei das Gegentheil der Fall gewesen. Der fünfte Titel wird unverändert angenommen. Der sechste und letzte Titel enthält die Uebergangs⸗ und Schlußbestimmungen (§. 146 und 147). Nach §. 146 tritt die Landgemeindeordnung mit dem 1. April 1892 in Kraft. Weiter werden dann aufgezählt die Bestimmmaengen des All⸗ gemeinen Landrechts, welche mit diesem Zeitpunkt außer Kraft treten. Die bestehenden Ortsstatuten und Observanzen sollen noch längstens drei Jahre in Kraft bleiben. Rechte und Pflichten, welche auf besonderen Titeln des öffentlichen Rechts beruhen, sollen in Kraft bleiben insoweit, als sie von den bis⸗ herigen allgemeinen Vorschriften u. s. w. abweichende Be⸗ stimmungen enthalten. Endlich soll für die Bildung von Schulverbänden eine gesetzliche Regelung vorbehalten bleiben. Phe eg vor. welche gewisse Theile dieses ren Fern vulen aragraphen formuliren oder g. Dr. von Gneist empfiehlt die Annahm 1 verlag: h-hvsee deshalb die Bestimmung nbhwe ner Feqiern gs pfl 8 8 che auf besonderen Titeln des öffentlichen Rechts beruhen, g. Schmidt (Warburg) will ausdrü aufnehmen, daß Privatrechte durch dieses vnic dic Belhene
nicht mit den kleinen Landgemeinden auf eine Stufe stellen könne,
werden dürften.