1891 / 97 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 25 Apr 1891 18:00:01 GMT) scan diff

der Hauptzwecke dieser ganzen Gesetzgebung doch sei, die ungerechte Vertheilung der Steuerlasten zwischen Personalsteuer und Abgabe⸗ steuer auszugleichen, waren nun umsomehr der Meinung, daß es be⸗ rechtigt sei, wenigstens das Gesammtaufkommen der Einkommen⸗ steuer, wie dasselbe sich nach der Vorlage der Staats⸗ regierung gestaltet haben würde, durch die Einführung dieses prozentualen Satzes von 4 % wieder herzustellen. Aber ich glaube, es kann dies doch nicht den Ausschlag geben. Allerdings ist die Degression in den unteren Stufen jetzt sehr bedeutend geworden, und ich betone das namentlich gegenüber der vielfach auftretenden Be⸗ hauptung, namentlich auch in der Presse, als wenn die Mittelklassen hier nicht wesentlich entlastet würden. Meine Herren, gegen die bis⸗ herige Gesetzgebung werden die Einkommen bis zu 9500 um nicht weniger als 6 ½ Millionen Mark in der Steuer entlastet, und dabei habe ich die 600 ℳ, welche bei der Lebensversicherung abgesetzt werden dürfen, was doch auch wesentlich gerade diesen Klassen zu Gute kommt noch nicht einmal berücksichtigt. Das ist eine sehr erhebliche Entlastung; kommt dazu die sehr bedentende Entlastung und theilweise gänzliche Befreiung gerade der gewerbetreibenden Mittelklassen, so kann ich wohl behaupten, daß der preußische Staat für den Grund⸗ satz, die mittleren und niederen Klassen ihrer Leistungsfähigkeit ent⸗ sprechend zu entlasten, in vollem Maße eingetreten ist.

Meine Herren, ich habe schließlich noch eine persönliche Be⸗

merkung zu machen gegenüber dem Herrn Grafen Mirbach, ohne daß ich darauf ein allzu großes Gewicht lege. Ich möchte aber doch nicht ein Mißverständniß bestehen lassen. Ich habe bereits bei der ersten Lesung angedeutet, daß es nicht richtig sei den Staat in seinen Finanzen ausschließlich auf schwankende Einnahmen zu weisen, also auf die indirekten Steuern, und auf die gewerblichen Betriebe, die noch schwankenderer Natur sind, daß eine gewisse Summe der Staatseinnahmen stets gleichmäßig und stabil durch die Jahre sein müsse. Wenn der Staat nun jetzt die Grund⸗ und Gebäudesteuer aus der Hand legen soll, die sicherste und stabilste aller Steuern, so hat er umsomehr Gewicht darauf zu legen, daß ihm ein Einkommen aus einer wirksamen und die Einkommen richtig treffenden Einkommensteuer gesichert werde, daß eine Konsolidation der Staats⸗ finanzen in diesem Sinne eintritt, es wird auch speziell in kritischen Zeiten, namentlich in Zeiten des Krieges von Bedeutung sein. Ich habe nicht entfernt daran gedacht, die Kriegskosten und die Opfer, die im Kriege zu bringen sind, durch die direkten Steuern allein decken zu wollen; aber, meine Herren, wenn die Zölle versagen, wenn die Eisenbahnen nicht viel mehr außbringen, wenn die Kohlenarbeiter unter den Waffen stehen, wenn Holz nicht mehr verkauft werden kann, wenn Anleihen schwer unterzu⸗ bringen sind, so ist jede Million von großer Bedeutung, und daß da die direkten Steuern noch am Wenigsten versagen, darüber kann kein Zweifel bestehen. Deshalb sage ich: allein auf schwankenden Einnahmen können die Stlaatsfinanzen nicht basirt werden. Da wird ein Zurückgreifen auf die direkten Steuern nöthig sein. Es ist ganz richtig, daß in schweren Zeiten auch der Einzelne schwer belastet ist. Aber Noth bricht Eisen. In allen Fällen muß der Staat die festen Einnahmequellen behalten. 1 Her von Helldorff (Bedra): Er würde der Sache anders gegen⸗ überstehen, wenn nicht das Abgeordnetenhaus die 4 % angenommen hätte. Die Mehreinnahme daraus sei als eine Unterstützung bei der Durchführung der weiteren Reform zu betrachten. Aus diesem Gesichts⸗ punkt bitte er die Frage zu beurtheilen und nicht von dem Stand⸗ punkt auszugehen, daß die Mitglieder dieses Hauses die Vertreter und Vertheidiger des Besitzes seien.

Minister des Königlichen Hauses von Wedell: Es handele sich nicht um 4 % und 3 %; im Herrenhause würde Niemand widersprechen, wenn die Regierung 4 % verlangt hätte und wenn nach⸗ gewiesen worden wäre, daß 4 % nothwendig seien. Aber das sei nicht geschehen. (Sehr richtig!) Er habe nichts dagegen, daß man die unteren Stufen entlaste, aber zu sagen, daß die Personen mit höheren Einkommen die Steuern tragen könnten, das sei keine Be⸗ gründung. (Sehr richtig!) Darin liege nur der Anfang einer Pro⸗ gression, und wo das Ende sein werde, sei dabei gar nicht abzusehen. Eine Frage von so großer Bedeutung, daß daran die Vorlage scheitern könnte, liege hier nicht vor; würde das der Fall sein, dann würde er sich für den Beschluß des anderen Hauses entscheiden.

Damit schließt die Diskussion.

In namentlicher Abstimmung wird der Antrag der Kom⸗ mission (3 Proz. als höchster Steuersatz) mit 100 gegen 56 Stimmen angenommen. 8 Schluß 5 Uhr. 5 8

Haus der Abgeordneten. 74. Sitzung vom Freitag, 24. April.

„Der Sitzung wohnen der Vize⸗Präsident des Staats⸗ Ministeriums, Staats⸗Minister Dr. von Boetticher, der Minister der öffentlichen Arbeiten von Maybach, der Minister des Innern Herrfurth und der Minister für Landwirthschaft ꝛc. von Heyden bei.

Zunächst wird in namentlicher Abstimmung die Landgemeindeordnung für die sieben östlichen Provinzen der Monarchie im Ganzen mit 327 gegen 23 Stimmen an⸗ genommen. Mit Nein stimmen die Abg. Bartels, Graf Bassewitz, von Bodenhausen, Bohtz, von Born⸗Fallois, von Bredow, von Buch, von Bülow⸗Eckernförde, Graf zu Dohna⸗ Schlobitten, von Fölkersamb, Kasch, von Kröcher, Praetorius, von der Reck, Sack, von Wackerbarth, von Werdeck, Wüsten, Dr. Gerlich, Spangenberg, von Schalscha, Graf Zieten, von Meyer (Arnswalde).

Es folgt die erste Berathung des Entwurfs einer Städte⸗ ordnung für den Regierungsbezirk Wiesbaden.

Abg. Wißmann will sich der Mitarbeit an diesem vom Pro⸗ vinziallandtag genehmigten und vom Herrenhause angenommenen Gesetz nicht entziehen in der Hoffnung, daß es zu einem für den Regierungsbezirk Wiesbaden brauchbaren Gesetz werde, und beantragt,

die Vorlage und die dazu eingegangenen Petitionen einer Kommission von 14 Mitgliedern zu überweisen. 8 8

Abg. Grimm erklärt, daß die Mehrzahl der nassauischen Ab⸗ geordneten gegen die Vorlage keine Einwendungen zu erheben habe und dem Minister dankbar sei, daß er alle früher erhobenen Be⸗ denken gegen eine solche Vorlage beseitigt habe. Einer Kommissions⸗ berathung bedürfe es bei der Einfachheit der Materie nicht.

„Der Antrag auf Kommissionsberathung wird abgelehnt, die zweite Berathung wird also im Plennm stattfinden.

Ohne Debatte wird in erster und zweiter Berathung der Gesetzentwurf, betreffend die Veränderung der Grenzen einiger Kreise in den Provinzen Ost⸗ preußen, Brandenburg, Sachsen, Hannover und der Rheinprovinz angenommen.

gänzung des Gesetzes, betreffend die evangelische Kirchenverfassung in den acht älteren Provinzen der Monarchie, vom 3. Juni 1876.

Abg. von Benda bittet um Annahme der Vorlage ohne Kom⸗ missionsberathung und betont die Nothwendigkeit neuer Kirchenbauten in Berlin. Der Kirchenbau in Berlin habe mit der Zunahme der Bevölkerung nicht gleichen Schritt gehalten. Wenn man auf je 5000 Seelen eine Kirche rechne, so fehlten in Berlin noch 129 Kirchen, bei 8000 Seelen noch 64. Die Schwierigkeiten, welche die Aus⸗ führung dieses Gesetzes biete, könnten durch richtiges Zusammenwirken der kirchlichen und staatlichen Behörden überwunden werden. Alle Parteien müßten an der Förderung christlichen Lebens gemeinsam arbeiten. (Beifall rechts.) 1

Abg. Dr. Langerhans erklärt, er wolle das 898 zwar nicht ablehnen, sei aber zweifelhaft, ob es auch bezüglich der Zwangsetati⸗ sirung richtig werde angewendet werden. Es sei schon vorgekommen, daß Anträge von Kreissynoden auf Bewilligung des Anleiherechts abgelehnt worden seien. Er beantrage die Ueberweisung der Vor⸗ lage an eine Kommission von 14 Mitgliedern.

Regierungskommissar, Geheimer Regierungs⸗Rath Hegel er⸗ widert, daß der Vorredner sich bezüglich der Ablehnung solcher Anträge im Irrthum befinde, und nrist darauf hin, daß in diesem Gesetz zum ersten Mal den vereinigten Kreissynoden das Anleihe⸗ 3. werde, daß deshalb auch das Korrelat der Umlagen nöthig sei.

Abg. von Eysnern meint, daß es mit bloßen Kirchenbauten nicht gethan sei; allerdings müßten die Parochieen getheilt werden, aber sehr wesentlich sei, daß den Gemeinden das Recht gegeben werden müsse, die Geistlichen zu wählen. Eine Kommissions⸗ berathung sei nicht erforderlich.

Abg. Dr. Langerhans sieht in der Zwangsetatisirung keine Sicherheit für die Gläubiger.

Abg. Knörcke tritt den Ausführungen des Abg. Langerhans bei, wünscht die Heranziehung der Mittel reicher Kirchengemeinden in Berlin zuggemeinsamen Zwecken und beklagt die geringe Vertretung Berlins auf der Provinzialsynode. Eine Anleiheverpflichtung dürfe das Gesetz nicht aussprechen.

Regierungs⸗Kommissar, Geheimer Regierungs⸗Rath Hegel er⸗ klärt, daß den vereinigten Berliner Kreissynoden durchaus keine Ver⸗ pflichtung zu Anleihen auferlegt, sondern nur das Anleiherecht gegeben werde. Mit dem Reichthum der Berliner Kirchengemeinden sei es nicht so weit her, denn ein Theil ihres Vermögens sei stiftungsgemäß zu bestimmten Zwecken festgelegt.

Abg. Dr. Brüel meint, daß die von den Abgg. Langerhans und Knörcke herangezogenen Fragen nicht vor dieses Haus gehörten. Das Gesetz sei so einfach, daß eine Kommissionsberathung nicht nöthig sei.

Abg. Francke tritt den Ausführungen des Abg. Knörcke be⸗ züglich der Verwendung der Mittel reicher Gemeinden entgegen. Redner hält eine Kommissionsberathung nicht für nöthig.

Auf eine Anfrage des Abg. von Eynern erklärt der Regierungs⸗ kommissar, Geheime Regierungs⸗Rath Hegel, daß die Regierung nicht annehme, daß den vereinigten Kreissynoden das Recht zustehe, Kirchengemeinden zu zwingen, von ihrem Kirchenvermögen etwas herzugeben.

Abg. Graf zu Limburg⸗Stirum erklärt, daß seine Partei eine Kommissionsberathung nicht wünsche. 1

„Abg. Dr. Langerhans zieht seinen Antrag auf Kom⸗ missionsberathung zurück.

In zweiter Berathung wird darauf ohne wefssentliche Debatte der Gesetzentwurf angenommen.

Ohne Debatte wird in erster und zweiter Berathung der Gesetzentwurf, betreffend die Form der schriftlichen Willenserklärungen der Presbyterien der evan⸗ gelischen Gemeinden in der Provinz Westfalen und in der Rheinprovinz, angenommen.

Es folgte die erste Berathung des Rentengüter⸗ gesetzes.

Abg. Sombart erklärt sich mit der Betheiligung der General⸗ Kommissionen bei der Durchführung des Gesetzes und der Wieder⸗ zulassung der Rentenbanken bei der Ablösung der Reallasten ein⸗ verstanden. Gegen die Sozialdemokratie gebe es kein besseres Mittel als möglichst viele Landbewohner seßhaft zu machen. Zur Anlage kleiner Rentengüter müsse der Staat Güter ankaufen. Werde das Gesetz dahin modifizirt, so könne es dem Vaterlande zum Heile gereichen. (Beifall.)

Abg. von Tzschoppe erinnert daran, daß selbst die Freunde des vorjährigen Rentengütergesetzes dieses als todten Buchstaben be⸗ zeichnet hätten, wenn nicht daneben noch die Beschaffung von Kredit möglich gemacht werde. Diesen Zweck verfolge nun die Vorlage. Die drei Hauptpunkte der Vorlage, Begründung des Rentengutes, Ge⸗ währung von Darlehen für die erste Einrichtung durch die Rentenbank und Ablösung der Rente durch die Rentenbank, entsprächen den Wünschen seiner Partei und ließen die Rentengüter als lebensfähig erscheinen. Einige Bedenken könnten in einer Kommission erörtert werden, deren Einsetzung er beantrage. (Beifall rechts.)

Abg. Biesenbach tritt dafür ein, daß unter allen Umständen die Ablösbarkeit der Rente möglich sein müsse. Nur so könne der Gesetzentwurf auf allseitige Sympathie rechnen. Ein Mittelglied zwischen Großgrundbesitz und Kleinbesitz sei wünschenswerth, aber die Intervention des Staats, der hier die Vorsehung spielen solle, gefalle ihm am allerwenigsten. 1

Abg. von Holtz erklärt sich für das Gesetz, bemerkt jedoch für seine Person, daß ihm die Bestimmungen des §. 4 über die Ablös⸗ barkeit der Rente unannehmbar seien. Auch bei einer Kolonisation mit völlig ablösbarer Rente müßten die Rentenbanken eintreten, denn solche Güter seien immer noch Rentengüter.

Abg. Rickert ist mit einer Kommissionsberathung einverstanden. Er könne den guten Zweck des Gesetzes, die Seßhaftmachung der Be⸗ völkerung, wohl anerkennen, aber dieses Mittel werde ebenso wenig nützen, wie ähnliche Mittel in der Vergangenheit. Man habe immer eine Parzellirung der Domänen gewünscht, aber davon stehe jetzt nichts in diesem Gesetz. Der 4 breche mit dem Prinzip der ganzen bisherigen agrarischen Gesetzgebung, wenn die Ablösbarkeit der Rente von der Zustimmung beider Theile abhängen solle. Die Staatsschulden be⸗ liefen sich auf Milliarden, und hier wolle der Staat eine neue Verpflichtung übernehmen, die n8 auch auf Milliarden beziehen könne. Eine genügende Sicherheit sei nicht vorhanden, besonders zu Zeiten einer Krisis, die doch auch einmal eine allgemeine europäische Krisis werden könne. Mit demselben Rechte könne man auch in den Städten zu Gunsten der Wohnungsfrage der Arbeiter Staatskredit verlangen. 86

Minister für Landwirthschaft ꝛc. von Heyden:

16

Eine eingehende und ruhige Prüfung der Vorlage in einer Kommission ist selbstverständlich der Staatsregierung nur erwünscht. Ich hoffe, sie wird nicht dahin führen, wie der Hr. Abg. Rickert uns in Aussicht gestellt hat, das ganze Gesetz zu verwerfen, sondern zur Annahme im Wesentlichen unveränderter Form.

Von vornherein will ich bemerken: Der §. 4 hat von allen Seiten Widerspruch gefunden; auch über diesen Paragraphen werden wir uns in der Kommission zu unterhalten haben, an ihm wird die Vorlage nicht scheitern. (Bravo!)

Im Uebrigen werden die Herren mit mir einverstanden sein, daß ich auf die Milliardengespenster, wie sie in der Presse und jetzt hier vor⸗ getragen sind, nicht im Detail eingehe. Ich will wünschen, daß es sich, in einigen Jahren sagen wir, um 100 Millionen Rentenbriefe handelt. Weshalb diese Abneigung gegen die Rentenbanken? Die Staats⸗ regierung hat mit dieser Gesetzesvorlage nur dem in diesem und dem

Es folgt die erste Berathung des

86

Gesetzentwurfs zur Er⸗

8

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anderen Hause dringend ausgesprochenen Wunsch auf baldige Wieder⸗ 1“ 1 1““ AX““ 11“ 8 8*

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und dieselben für Ansiedelungszwecke nutzbar gemacht. Sie verweisen auf die Provinzen; die Provinzialverbände hindert Niemand an einer gleichen Thätigkeit. Es steht nur in Frage, einen neuen Weg zu eröffnen, um auf dem Gebiet, dessen Ausbau von allen Seiten als nothwendig anerkannt ist: in größerem Maße kleinere Grundbesitzer auf dem Lande anzusiedeln, vorwärts zu kom⸗ men. Die Rentengüter als solche sind uns nicht Selbstzweck. Wenn der Hr. Abg. Rickert sagt, der Staat müßte mit seinen Domänen anfangen, so klingt das ja ganz gut, aber so einfach geht es mit dem Zer⸗ schlagen der Domänen doch auch nicht; davon haben wir uns, wenig⸗ stens Diejenigen, die sich eingehend und gewissenhaft mit der Sache beschäftigt haben, doch schon seit längerer Zeit überzeugt. Die Staatsregierung verhält sich dem Ge⸗ danken der Schaffung kleiner bäuerlicher Stellen gegenüber keineswegs ablehnend, sie hat den Gedanken an eine eigene Thätigkeit keineswegs aufgegeben, und dies Gesetz ist gerade auch für diesen Zweck nutzbar gemacht, insofern Baukredite auch in solchen Fällen gegeben werden, in denen der Staat Land zur Ansiedelung ausgiebt. Die Hauptaufgabe aber, die zunächst in Frage stand, war die, Hand in Hand mit den Wünschen, die hier in den Häusern des Landtages zum Ausdruck gekommen waren, den Weg frei und gangbar zu machen für die Privatthätigkeit auf diesem Gebiet. Da hoffe ich allerdings, daß die Prophezeiungen des Hrn. Abg. Rickert i dieser Beziehung nicht in Erfüllung gehen werden, wenn er sagte, da kein Mensch, kein Grundbesitzer sich finden werde, welcher seinerseits mit der Ansiedelung vorginge. Ich, wie gesagt, verzichte darauf, meinerseits zu prophezeien; aber die Staatsregierung hat ihre Schuldigkeit gethan, wenn sie den Weg frei macht.

Der Hr. Abg. von Holtz hat uns die interessanten und erfreulichen Anstedelungsvorgänge aus seinem Heimathkreise mitgetheilt und vor⸗ geführt, was dort die freie Thätigkeit geschaffen hat. Der Hr. Abg. Rickert sagt: Beantworten wir die Vorlage der Staatsregierung dahin, daß wir uns jetzt einmal zusammenthun und diese großartige Frage der innern Kolonisation durch Privat⸗ mittel zu lösen versuchen! Meine Herren, es wird der Staatsregierung nur sehr erwünscht sein, wenn Sie das thun; dann wird der Zweck auf diesem Wege erreicht werden. Was im Kolberger Kreise sich vollzieht, ist bloß ein Beleg dafür, daß ein Bedürfniß zur Ansiedelung und Erweiterung der grundbesitzenden Kreise in großem Umfange vor⸗ handen ist; aber das Gleiche läßt sich doch nicht überall machen, wenigstens geschieht es nicht. Man vergesse nicht: der Kolberg⸗ Körliner Kreis hat an der Küste vorzüglichen Boden mit kräftigen Bauernschaften, ist auch ein finanziell günstig gestellter; dort sind alle Vorbedingungen für Kolonisation gegeben, und was bei dieser Sache mehr als Gesetz ist, das ist: es haben sich ein paar energische Leute gefunden, welche die Sache in die Hand genommen und praktisch durchgeführt haben; es wird sich aber nicht überall so machen lassen.

Wenn von einer Seite gesagt ist, daß die Thätigkeit der gewerbs⸗ mäßigen privaten Güterzerschlagung allgemein mit dem etwas an⸗ rüchigen Namen „Güterschlächterei“ verunglimpft werde, so bedarf dies einer Einschränkung. Dies ist doch bloß dann geschehen, wenn diejenigen Leute, die sich mit der Zertheilung des Grundbesitzes befaßten, gerade das, was man unter „Güterschlächterei“ verstand, betrieben, d. h. wenn sie Gutsbesitzer oder bäuerliche Besitzer dazu verführten, sich ihres Grundbesitzes in unüberlegter Weise zu entäußern, und zwar durch nicht immer gerade lautere Mittel. Diese Herren werden auch heute noch im schlechten Sinne des Wortes „Güterschlächter“ genannt; sonst hat man wohl kaum einen Menschen einen Vorwurf daraus ge⸗ macht, wenn er in der Vermittelung neuer Ansiedelungen seinen Lebensberuf gesucht und seine Existenz gefunden hat.

Abgesehen von dem prinzipiellen Gegensatze, der von zwei Seiten gegen die Hineinziehung des Staats in die Kolonisationsangelegenheit

verlautbart ist, sind gegen den Inhalt des Gesetzes abgesehen von

dem diskutablen §. 4 nur ganz verschwindende Einwendungen ge⸗ macht. Namentlich hat noch der Hr. Abg. Sombart, der diese Sache lange Jahre praktisch und sehr energisch betrieben hat, seine Bedenken

dagegen erhoben, daß für die Begebung der Rentenbriefe nicht

lediglich eine Spezialtaxe Anwendung finde, sondern auch eine Grundsteuerreinertragstaxe zugelassen sei. Meine Herren, es wird, glaube ich, auch hier gut sein, möglichst viele Formen zuzulassen. Wer im Einzelfalle eine Spezialtaxe haben will, dem ist sie nicht verwehrt. In sehr vielen Fällen wird aber die Taxe nach dem Grundsteuerreinertrage ausreichen und rascher zum Ziel führen. Es ist doch nicht daran gedacht, daß Leute ohne jeden Groschen an diese Sache herantreten, wenigstens etwas Vermögen müssen sie haben, wenn sie sich ansiedeln wollen, und sobald diese Voraussetzung gegeben ist, vielleicht ein Drittel oder ein Viertel, dann genügt die Grundsteuertaxe vollständig. Hr. Sombart hat selbst uns vorgerechnet, daß der Werth nach dem Durchschnitt der Grundsteuerveranlagung pro Morgen 44 Thaler sei. Das giebt pro Morgen 132 ℳ, pro Hektar ungefähr 520 ℳ, die gesammten Ankäufe in Posen, die gemacht sind, betragen im Durchschnitt pro Hektar, wenn ich nicht irre, ungefähr 560 ℳ, also die Differenz ist in keiner Weise eine so große, daß bei der Grundsteuertaxe Schwierigkeiten ent⸗ stehen müssen, wenn überhaupt angenommen wird, daß der Kolonist oder Ansiedler etwas Geld mitbringen muß, da Vorsorge getroffen ist, daß die Baukapitalien durch die Rentenbank hergegeben werden können.

Ich glaube, bei der von allen Seiten gewünschten Berathung in einer Kommission wird sich herausstellen, daß eine Verständigung über diese Vorlage, die Ihnen die Staatsregierung unterbreitet hat, keine Schwierigkeiten machen wird, wenn man nicht a limine, weil die Rentenbanken eröffnet werden und eine 6 bis 10 Milliardengefahr für den Staat vorhanden sein soll, mit der Sache nichts zu thun haben will. Ich hoffe aber, die Zahl derjenigen, die sich auf diesen rein negierenden Standpunkt stelle, wird eine geringe sein, und ohne prophezeien zu wollen, darf ich dem Wunsche Ausdruck geben, daß diese Angelegenheit möglichst rasch zum Ende geführt wer zum Heil unseres Vaterlandes gereichen möge. 1.

Darauf vertagt sich das Haus.

Dananf 3 ½ Uhr. . G

und im Gewichte von Doppelcentnern Netto

zum Deutschen Reichs⸗Anzeiger und Königlich Preußischen Staat

ESttatistik und Volkswirthschaft.

Knaben⸗Handarbeit. Die fünfte Hauptversammlung des Deutschen Vereins für

Knaben⸗Handarbeit wird am 23. und 24. Mai im Gewerbe⸗ haussaale zu Eisenach abgehalten werden. Es werden u. A. ein Vortrag: „Ueber Bedeutung und Ziele des Arbeits⸗Unterrichts“ vom Ober⸗Realschul⸗Direktor Noegerrath⸗Hirschberg i. Schl., sowie Vor⸗ träge über den Arbeits⸗Unterricht für Knaben im Alter von sieben bis zehn Jahren“ gehalten werden. Referent für Arbeiten in Papier und Carton sowie für das Fr. Hertel⸗Zwickau i. S., für Arbeiten in Holz Lehrer und Land⸗ tags⸗Abgeordneter Kalb⸗Gera. Ausstellung von Proben aus den Ergebnissen der Lehrthätigkeit der Handfertigkeitsschulen zu Eisenach, Ruhla, Waltershausen, Salzungen und Gerstungen verbunden sein.

Hamburgs Waaren⸗Einfuhr und Ausfuhr seewärts im

Formen ist der Bürgerschullehrer

Mit der Versammlung wird eine

Jahre 1890. 1 Zu den tabellarischen Aufstellungen des Hamburgischen

handelspolitischen Bureaus, welche soeben erschienen sind, bemerkt die „Hamb. Börsen⸗H.“:

Es kann nur allgemeine Befriedigung gewähren, aus den vor⸗

liegenden Tabellen zu ersehen, daß trotz der unzweifelhaft im Vor⸗ jahre schlechteren Geschäftslage sich der Handel unseres Platzes in der Einfuhr wie in der Ausfuhr gesteigert hat. Es sind seewärts ein⸗ geführt vöte Waaren im Wet von 8 8

1888

1 114 906 790 38 844 224

ℳ8 1 376 928 760 1 745 580 760

50 069 666 46 016 434

und ausgeführt dem Werthe nach

1 260 475 490 1 206 514 930 1 021 581 000

und im Gewichte von Doppel⸗Centnern Netto

25 123 295 23 957 299 21 442 92²⁶ Sowohl dem Werthe als dem Gewichte nach ist somit abermals

eine Steigerung eingetreten, die allerdings bei der Einfuhr mehr in der Menge liegt, da der Preisrückgang im vorigen Jahre eine niedrigere Bewerthung zur Folge hatte; immerhin darf das vorliegende Ergebniß in Anbetracht der Gesammtlage des Handels als ein be⸗ friedigendes gelten. 8

8 8

Zur Arbeiterbewegung. Im Ober⸗Bergamtsbezirk Dortmund hat sich die

Ausstandsbewegung in den letzten beiden Tagen auf mehrere

neue Zechen ausgedehnt, sodaß die Gesammtzahl der Ausständigen

sich gegenwärtig auf 10 000 bis 12 000 Bergleute beziffern dürfte, eine gegenüber der Gesammtzahl von 127 000 Bergarbeitern des Ruhrkobhlenbezirks immerhin nicht sehr ins Gewicht fallende

Ziffer. Es erscheint natürlich, daß die Besitzer und Ver⸗ walter der Zechen der ernsten Lage gegenüber ebenso energische Abwehrmaßregeln ergreifen, welche sich im Sinne des gestern an dieser Stelle mitgetheilten Rundschreibens des Vereins für die bergbaulichen Interessen im Ober⸗Bergamtsbezirk Dortmund bewegen.

Pur Ergänzung der früheren thatsächlichen Mittheilungen geben wir folgende vom Sekretariat des bergbaulichen Vereins aufgestellte Tabelle des Strikejournals, welche den Stand der Ausstandsbewegung am 23. April kennzeichnet!] Morgenschicht.

Unter Tage Ueber Tage

Name der Zeche. angefahren von angefahren von

1) Centrum bei Watktenscheid . . . . 129 774 411 443

2) Carolinenglück bei Bochum . . . . 35 198 72 72

3) Bonifacius bei Kray . . . . . . 523 573 157 157

4) Eiberg bei Steele . . . . . . . 276 398 55 56 5) Maria⸗Anna und Steinbank, Höntrop 18

EEuu8e— 3 515 323 323

6) Eintracht⸗Tiefbau b. Steele, Schacht I. 288 323 183 183

„116] üe 411 171 171 7) 8 Morgensonne b. Watten⸗

scheed 43 753 78 214 8) Hasenwinkel bei Dahlhaufen . . . 3 458 38 82 9) T1“ b EI 24 220 70 * 86 10) Hovand (Schacht III) bei Watten⸗ 11ö1.“.“ 347 76 144 1288 4970 1634 1931 Der Strike konzentrirte sich also in der Mitte des Kohlenreviers, hat sich aber inzwischen nach Osten und Westen weiter ausgedehnt. Gestern sind noch der „Rh. Westf. Ztg.“, wie gestern „nach Schluß der Redaktion“ nach telegraphisch mitgetheilt wurde, zu den Aus⸗ ständigen hinzugekommen die Belegschaft des Schachtes II der der Firma Friedrich Krupp in Essen gehörenden Zeche „Hannover bei Wattenscheid, wo von 355 Bergleuten Morgens nur 110 Mann angefahren sind, ferner die Belegschaft der der Dortmunder Stein⸗ kohlenbergwerkg⸗Gesellschaft „Louise Tiefbau“ gehörenden Zeche „Bruch⸗ straße“ bei Langendreer, wo Morgens von 400 Mann nur 40 an⸗ fuhren, ferner die Zeche „Vollmond⸗ bei Langendreer (südwestlich von Zeche „Bruchstraße“), wo von 307 Mann in der Morgenschicht nur zehn anfuhren, und endlich die Belegschaft von Zeche „ver. Engelsburg“ zwischen Weitmar und Wattenscheid, dem Bochumer Gußstahlverein gehörend, wo von 216 Mann nur 45 angefahren sind. Die Lage auf den übrigen schon früher vom Ausstand heimgesuchten Zechen war die folgende: Auf „Eintracht⸗Tiefbau⸗ ber Stzele sind Morgens auf Schacht I 129, auf Schacht II 58 Bergleute angefahren. Auf Zeche Centrum bei Wattenscheid sind vorgestern Nachmittag von 440 Mann nur 76 unter Tage angefahren. Ueber Tage arbeiteten von 63 nur 48. In der gestrigen Morgenschicht sollten 774 unter Tage anfahren, angefahren sind aber nur 81; über Tage sollten 443 arbeiten, angefahren sind nur 357. Es strikten demnach 119 Mann mehr wie vorgestern. Auf „Bonifacius“ bei Kray sind gestern Morgen von 573 Bergleuten 354 unter Tage angefahren. Ueber Tage arbeitete Alles. Auf Zeche „ver. Marie⸗Anna“ und „Steinbank“, dem Bochumer Gußstahlverein gehörend, bei Höntrop, sind gestern Morgen von 476 Bergleuten 39 unter Tage angefahren. Die 39 bestehen aus 18 Schleppern und Pferdetreibern, 3 Zimmerhauern, 6 Förder⸗ Aufsehern und 12 Hauern. Es strikten ausschließlich der Nach⸗ mittags⸗Schicht 686 unter Tage. Auf Zeche „Eiberg“ bei Steele strikten gestern Morgen 106 Bergleute unter Tage. Anfahren sollten 323, angefahren sind 217 Mann Auf Zeche „Fröhliche Morgensonne“, südlich von Wattenscheid arbeiteten gestern Morgen nur 38 Mann unter Tage und 78 Mann über Tage. Die Gesammt⸗Belegschaft des Schachtes III. der Zeche „Holland“ bei Wattenscheid strikte weiter. Auf Schacht I und II war auch estern morgen Alles angefahren. Auf „Carolinenglück“ bei Riemke, zwischen Bochum und Wattenscheid, sind gestern Morgen unter Tage von 190 Mann nur 36 angefahren, über Tage von 72 nur 46 Mann. Auf „Hasenwinkel“ bei Dahlhausen a. d. R. strikte die gesammte Belegschaft weiter. Auf „Friedlicher Nachbar“ bei Dahlhausen a. d. R. 8987 gestern von 220 Mann nur 14 unter Tage angefahren, über Tage von 86 nur 40 Mann.

Gestern Nachmittag sind auf Zeche „Bonifacius“ bei Kray von 351 Mann nur 107 und auf „Friedlicher Nachbar“ bei Dahlhausen nur 7 Mann angefahren. Es hätten auf n Zeche Nachmittags 110 Mann anfahren sollen. eche „Fröhliche Morgensonne“ bat jetzt nur Morgenschicht. Auf Zeche „Centrum“ bei Wattenscheid sind Nachmittags von 440 Mann nur 29 unter Tage angefahren. Ueber Tage arbeiteten von 65 nur 27 Mann. Auf Zeche „Hasenwinkel“ fuhr gestern Nachmittag Niemand an. Auf Zeche „Carolinenglück' sind Nachmittags von 150 Mann nur 10 unter Tage angefahren und von 26 über Tage nur 5 Mann. Auf Zeche „ver. Marie⸗Anna“ und „Steinbank“ sind nur 6 (Reparaturhauer) angefahren. Zeche „Eiberg“ hat vorläufig nur Morgenschicht, ebenso auch Zeche „Eintracht Tiefbau“. Auf Zeche „ver. Engelsburg“ sind Nachmittags nur 18 Mann angefahren, auf „Vollmond“ sollten Nachmittags 210 Mann anfahren, es fuhr aber Niemand an. Auf Zeche „Hannover“, Schacht II, sind von 187 Mann nur 24 angefahren. Auf Schacht I arbeitet Alles vollzählig. Auf 6 „Bruchstraße“ sind Freitag Nachmittag 21 unter Tage angefahren. Auf Zeche „Holland“ bei Wattenscheid sind gestern Nachmittag nunmehs alle drei Schächte ausständig geworden. und II sind nur 14, auf Schacht III 27 angefahren. Die Gesammt⸗ belegschaft zählt ca. 1400 Mann.

Gestern Abend fand in Essen eine Versammlung von Berg⸗ arbeiter⸗Delegirten statt, in welcher 27 Zechen des Essener Reviers vertreten waren; man beschloß, die am Sonntag in Bochum zu fassenden Beschlüsse nicht abzuwarten, sondern den Strike heute zu beginnen. Bis jetzt liegen in Bezug hierauf folgende Meldungen des „Wolff'schen Bureaus“ vor: Die Morgenschicht der dem Essener Bergwerkverein „König Wil⸗ helm“ gehörigen Zeche „Lewin“ ist heute nicht angefahren. Laut „Rhein⸗Westf. Ztg.“ ist in Folge des Beschlusses der gestrigen Delegirtenversammlung des Essener Reviers der Strike auch in das Essener Revier übergesprungen. Die Belegschaften der im Stadtkreise Essen belegenen Zechen arbeiten noch weiter. Zur Morgenschicht sind heute angefahren auf „Eintracht Tiefbau Schacht 1“ 110, „Schacht 2* 58. Schacht „Christian Lewin“ von „König Wilhelm“ strikt auch. Dort fuhren von ca. 440 Mann nur 113 unter Tage an. Auf „Eiberg“ von 383 Mann 145. Auf „Hannover 2“ fuhren einige Mann weniger an als gestern Morgen. „Schacht 1“ arbeitet noch ruhig weiter. Auf Zeche „Königin Elisabeth“ sind auf Schacht „Wil⸗ helm“ von 321 nur 200 unter Tage angefahren. Ueber Tage arbeitet dort Alles, Auch auf Schacht „Joachim“, auf „Hol⸗ land 1, 2 und 3“ arbeiten 239 Mann. Anfahren sollten 573 unter Tage. Ueber Tage arbeiten von 188 noch 179 Mann. Auf „Baaker Mulde“ bei Dahlhausen strikt der größte Theil der Belegschaft, auf „Bonifacius“ fuhren 239 von 573 unter Tage an, über Tage arbeiten 179 von 188 Mann. Auf „Vereinigte Engels⸗ burg“ sind unter Tage 53 angefahren, über Tage arbeitet Alles. Auf „Carolinenglück“ arbeiten nur 58 unter und 46 über Tage, auf „Centrum“ fuhren von 774 nur 63 in die Grube. Dort si eh 711 unter Tage und 94 über Tage. Das Herner Revier ist ruhig.

Die Firma Friedrich Krupp in Essen hat gestern an die Belegschaften der ihr gehörigen Zeche „Hannover' folgende Bekannt⸗ machung erlassen: Die Arbeiter der Zeche „Hannover II.“, welche heute unter Kontraktbruch die Arbeit eingestellt haben, werden auf⸗ gefordert, dieselbe spätestens am Montag, den 27. d. M., wieder aufzu⸗ nehmen. Diejenigen Arbeiter, welche dieser Aufforderung nicht nach⸗ kommen, gelten als aus der Arbeit entlassen und werden aus den Listen der Belegschaft gestrichen. Denselben werden, soweit sie Woh⸗ nungen in meinen Häusern haben, diese Wohnungen gekündigt werden. Arbeiter, welche am Strike 1889 und 1890 theilgenommen haben und Montag, den 27. April, zur Arbeit nicht zurückkehren, haben auf Wiederaufnahme zur Arbeit unter keinen Umständen zu rechnen. Was die übrigen Arbeiter, welche am 27. d. M. zur Arbeit nicht zurück⸗ kehren, betrifft, so werde ich nach Ablauf von vier Wochen, von heute an gerechnet, Entscheidung treffen, ob und wer zur Arbeit wieder zuzulassen sei. Vor Ablauf dieser vier Wochen wird die Verwaltung meiner Zeche „Hannover II“ Anmeldungen von Arbeitern zur An⸗ nahme oder Wiederannahme überhaupt nicht entgegennehmen.

Aus Bochum liegt eine ähnliche Bekanntmachung der Ver⸗ waltung der Zechen des Bochumer Vereins für Bergbau und Gußstahlfabrikation „ver. Marie⸗ Anna und „Stein⸗ bank“, „Engelsburg“ und „Hasenwinkel“ an ihre strikenden Arbeiter vor: „Allen Arbeitern unserer Zeche, welche ihr Vertragsverhältniß zur Zechenverwaltung ohne Kündigung, also ungesetzlich, gelöst haben, wird hierdurch eine Frist zur Wiederaufnahme der Arbeit bis Montag, den 27. d. M., gewährt. Diejenigen Arbeiter, welche dieser Aufforderung nicht nachkommen, werden nicht mehr als zu unserer Belegschaft ge⸗ hörig betrachtet und können ihren Abkehrschein vom Dienstag, den 28. d. M., ab bei dem Betriebsführer in Empfang nehmen..

Ferner wird der „Rh.⸗Westf. Ztg.“ aus Königssteele berichtet: Den Belegschaften der beiden Schächte der Zeche „Eintracht Tiefbau“ ist durch Anschlag bekannt gegeben, daß diejenigen Arbeiter, welche bis nächsten Dienstag die Arbeit nicht wieder aufgenommen haben, wegen willkürlichen Feierns als entlassen zu betrachten sind. Ebenso soll auch die Zeche „Eiberg“ verfahren haben.

Bemerkenswerth ist folgende Mittheilung über eine Berg⸗ arbeiterversammlung in Linden, welche das Centralblatt der sozialdemokratischen Partei „Vorwärts“ in der heutigen Morgen⸗ nummer enthält: Heute (wahrscheinlich also gestern oder vorgestern) fand hierselbst eine von 1100 Bergarbeitern besuchte Versammlung statt, in welcher Bauer⸗Weitmar über den Pariser Berarbeiter⸗ Kongreß referirte. Eine Resolution wurde angenommen, welche lautete: „Die heutige Versammlung erklärt sich mit den Beschlüssen des internationalen Bergarbeiterkongresses einverstanden. Sie bedauert und verurtheilt ganz entschieden das schädliche Vorgehen einiger Belegschaften, jetzt partielle Strikes zu insceniren, die im Einzelnen sowie auch im Ganzen verderblich werden können. Die Versammlung hält das strikte Festhalten an den Pariser Beschlüssen für unbedingt nothwendig und ist nicht gewillt, davon abzulassen; andernfalls wären ja Organisation und Beschlußfassung vollständig zwecklos.“ 1 3

In Hamburg waren am Dienstag die Speicherarbeiter Hamburgs und der Umgegend etwa 500 an Zahl versammelt. Es wurde, wie die „Hamb Börsen⸗H.“ berichtet, mitgetheilt, daß die Arbeitgeber in den Sgpeichereibetrieben beabsichtigen, den im vorigen Jahr bewilligten Tagelohn von 4 auf 3 60 herunter⸗ zusetzen, was von einer großen Anzahl Redner entschieden gemiß⸗ billigt wurde. Ein Redner bemerkte, daß der Speicherarbeiter im Jahr nur höchstens 40 Wochen auf Verdienst rechnen könne, wodurch bei einem Wochenlohn von 24 nur ein Jahres⸗ einkommen von 960 gleich 2 63 ⁄221 3 per Tag, das Jahr zu 365 Tagen gerechnet, erzielt werde. Im Laufe der ferneren Diskussion wurde der Vorschlag gemacht, daß sich die Speicherarbeiter, Zwecks gütlicher Auseinandersetzung mit der Kaufmannschaft resp. den Quartiersleuten, mit der Hamburger Handelskammer, die die Vermittelung übernehmen könnte, in Verbindung setzen möchten.

Dieser Antrag wurde einstimmig angenommen und eine Kommission

Auf Schacht I

b

1“

Aus Dresden berichtet ein Wolff'sches Telegramm: Der von den Sozialdemokraten für den 3. Mai geplante große Umzug ist von der Polizei⸗Direktion untersagt worden.

Aus Wien wird telegraphisch gemeldet: Die Statthalterei von Nieder⸗Oesterreich macht bekannt, daß eine Einstellung der Arbeit am 1. Mai, einem gewöhnlichen Werktage, un⸗ zulässig sei, da das zwischen Arbeitgebern und Arbeitern be⸗ stehende Vertragsverhältniß dadurch verletzt werde. Die⸗ jenigen, welche an diesem Tage die Arbeit einstellten, wären demnach als kontraktbrüchig zu betrachten und hätten strenge Be⸗ strafung, eventuell Entlassung zu gewärtigen. Das Gleiche gelte für die Staatsbetriebe. Die Arbeiter werden daher vor eigen⸗ mächtiger Arbeitseinstellung, wie vor jeder Ausschreitung, die strenge geahndet werden“ würdeẽ, eindringlich gewarnt. Demonstrative öffentliche Aufzüge seien nicht gestattet; etwaigen Ruhestörungen werde mit allen, den Behörden zur Verfügung stehenden Machtmitteln entgegengetreten werden. Eine von 3000 Bäcker⸗ gehülfen besuchte Versammlung beschloß gestern in einen all⸗ gemeinen Strike einzutreten; es wurde daher für den heutigen Tag eine größere Ausdehnung des Strikes erwartet.

Nach Mittheilung des Statistischen Amts der Stadt Berlin sind bei den hiesigen Standesämtern in der Woche vom 12. April bis inkl. 18. April cr. zur Anmeldung gekommen: 616 Ehe⸗ schließungen, 942 Lebendgeborene, 20 Todtgeborene, 554 Sterbefälle.

Land⸗ und Forstwirthschaft.

In der zweiten Hälfte des Monats Juli d. J. soll in Luxemburg eine allgemeine Acker⸗ und Gartenbau⸗ Ausstellung internationalen Charakters stattfinden.

Die I. Abtheilung, umfassend die Ausstellung von Pferden, Rindvieh, Schweinen, Schafen und Ziegen, bleibt luxembur⸗ gischen Ausstellern vorbehalten.

Die weiteren fünf Abtheilungen sind der internationalen Konkurrenz freigegeben. Dieselben begreifen hauptsächlich: Geflügel, Bienen⸗ und Fischzucht, Geräthe und Maschinen des Feld⸗ und Gartenbaues, Milchwirthschaft, land⸗ und forst⸗ wirthschaftliche Erzeugnisse, Weinbau und Kellerei.

Anmeldungen sind bis spätestens 1. Juni d. J. franko an Herrn K. Siegen, Sekretär des Acker⸗ und Gartenbau⸗ Vereins in Luxemburg, zu richten, mit Ausnahme der An⸗ meldungen für geschnittene Blumen, welche bis zum 1. Juli d. J. entgegengenommen werden.

Im Herbst d. J. findet in Bukarest eine Austellung von landwirthschaftlichen Maschinen statt, und zwar von Dreschmaschinen in der Zeit vom 10./22. bis 15./27. August d. J. und von Säemaschinen in der Zeit vom 10,/22. bis 15./27. September d. J.

Mit diesen Maschinen werden Versuche unter Leitung einer Spezial⸗Prüfungskommission in unmittelbarer Nähe von Bukarest veranstaltet werden. 8

Seitens des Königlich rumänischen Ministeriums für Landwirthschaft, Handel, Industrie und Domänen sind

1) für Dreschmaschinen,

2) für Reihen⸗Säemaschinen,

72 für Breit⸗Säemaschinen je drei in Golo⸗, Silber⸗ und Bronze⸗Medaillen bestehende Preise ausgesetzt. 1

Anmeldungen zur Theilnahme an der Ausstellung sind vor dem 1./13. August d. J. an das genannte Königlich rumänische Ministerium Abtheilung für Landwirthschaft, Handel und Industrie in Bukarest zu richten.

Handel und Gewerbe.

gliche Wagengestellung für Kohlen und Koks an der Ruhr und in Oberschlesien.

An der Ruhr sind am 24. April gestellt 9222, nicht recht⸗ zeitig gestellt keine Wagen. 1

In Oberschlesien sind am 23. d. M. gestellt 4098, nicht rechtzeitig gestellt keine Wagen.

Subhastations⸗Resultate.

Beim Königlichen Amtsgericht I Berlin stand am 24. April 1891 das Grundstück des Kaufmanns Philipp Wolfsohn, in der Lübeckerstraße 31 belegen, zur Versteigerung. Das geringste Gebot wurde auf 557,06 festgesetzt. Ersteher wurde der Kauf⸗ mann Isidor Liebrecht, Karlstraße 22, für das Meistgebot von

205 500

Berlin, 24. April. Amtliche Preisfeststellung für Butter, Käse und Schmalz.) Butter: Hof⸗ und Genossen⸗ schaftsbutter la. 100 102 ℳ, IIa 98 99 ℳ, IIIa. —, do. abfallende 95 —- 97 ℳ, Land⸗, Preußische 86 88 ℳ, Netzbrücher 86 —-88 ℳ, Pommersche 86 88 , Polnische 86.—88 ℳ, Bayer. Sennbutter ℳ, do. Landbutter ℳ, Schlesische 84 87 ℳ, Galizische Margarine 40 70 Käse: Schweizer, Emmenthaler 93 98 ℳ, Bayerischer 75 80 ℳ, do. Ost⸗ und Westpreußischer Ia. 72 78 ℳ, do. IIa 65 70 ℳ, Holländer 85 90 ℳ, Limburger 40 46 ℳ, Quadratmagerkäse Ia. 20 24 ℳ, do IIa. 12 16 Schmalz: Prima Western 17 % Ta. 41,50 ℳ, reines, in Deutschland raffinirt 43,50 45,50 ℳ, Berliner Braten⸗ schmalz 45,50 49,50 Fett, in Amerika raffinirt 38,50 ℳ, in Deutschland raffinirt 40,50 42,50 Tendenz: Butter: Stärkere Einlieferungen bei mangelhaften Qualitäten veranlaßten einen Preis⸗ rückgang Schmalz: Still, aber fest.

Vom oberschlesischen Eisen⸗ und Metallmarkt berichtet die „Schles. Ztg.“: Die Hochofenwerke schränkten auch wäh⸗ rend der letzten Berichtswoche ihre Produktion nach Möglichkeit ein, hauptsächlich die heimischen geringwerthigen Erze verarbeitend. Da diese auch verhältnißmäßig billiger sich stellen, so wird dadurch eine Erhöhung der Produktionskosten vermieden, wie auch eine regelmäßige Fürgerung im oberschlesischen Erzrevier begünstigt. Das Ge⸗ chäft in Walzfabrikaten ist zur Zeit recht rege, da Spezifikationen in genügendem Maße eingehen, sodaß einzelne Werke bereits auf Mo⸗ nate hinaus belegt sind und neue Aufträge nur gegen längere Lieferfristen annehmen. Sowohl für Handels⸗ wie für Profileisen ist der Begehr ein namhafter, und zwar nicht allein für den inländischen Konsum, sondern auch für den Export. Auch die Blechwalzwerke haben vollauf zu thun, da für Fein⸗ wie Grobbleche bedeutende Bestellungen vorliegen. Es ist somit auf fast sämmtlichen Walzwerken der Betrieb wieder voll aufgenommen worden und nach Maßgabe der bereits vorliegenden Aufträge auch für längere Zeit gesichert. Bei den niedrigen Blechpreisen ist jedoch ein Verdienst für die Blech⸗ walzwerke noch nicht zu erzielen, während auch in dieser Hinsicht die Lage der Eisenwalzwerke, Maschinen⸗ und Kesselfabriken sowie der Eisenkonstruktions⸗Werkstätten eine günstigere ist. Die Eisengießereien sind nach wie vor gut beschäftigt und mit