abgabe festsetzt, wird bis zur Beendigung der Berathung über die technischen Vorschriften des Entwurfs und über die Kontrole ausgesetzt. §§. 3 (Zahlungspflicht), 4 (Verjährung), 5 und 6 (Befreiung von der Zuckersteuer) werden ohne Debatte ge⸗ nehmigt, desgleichen der zweite Abschnitt „Steuerkontrole“ 8§. 7 bis 63 en bloc auf Antrag des Abg. Dr. von Bennigsen.
Darauf wird die Berathung abgebrochen.
Schluß gegen 5 Uhr. Nächste Sitzung Mittwoch 11 Uhr. (Fortsetzung der Berathung.)
Entscheidungen des Reichsgerichts.
1 Ein schiedsrichterliches Verfahren, in welches sich die Parteien eingelassen haben, ohne die Unzulässigkeit des schiedsrichter⸗ lichen Verfahrens geltend zu machen, kann, nach einem Urtheil des Reichsgericht, I. Civilsenats, vom 17. Januar 1891, sodann nicht im Klagewege wegen Unzulässigkeit des schiedsrichterlichen Ver⸗ fahrens angefochten werden. Ist beispielsweise unter den Berliner Schlußscheinbedingungen ein Börsengeschäft abgeschlossen worden, welches vor dem Schiedsgericht vom Beklagten zu seiner materi ellen Rechtfertigung als ein reines Differenzgeschäft bezeichnet wird, ohne deshalb die Zulässigkeit des schiedsrichterlichen Verfahrens über⸗ haupt zu bestreiten — obgleich er dazu berechtigt war —, so kann er den für ihn ungünstigen Schiedsspruch nicht mehr wegen Unzulässigkeit des Verfahrens anfechten.
— Wird auf Grund der §§. 352 — 356 Thl. I. Tit. 5 Allg. preuß. Landrechts von dem Getäuschten die Aufhebung des Vertrages verlangt, so hängt in diesem Falle, anders als im Falle der Redhibition wegen Gewährleistung — §§. 325 ff. Thl. I. Tit. 5 Allg. preuß. Landrechts — die Befugniß zur Aufhebung des Vertrages und zur Rückforderung des Geleisteten auf Seiten des Getäuschten nicht davon ab, daß er das Kaufobjekt in wesentlich unverändertem Zustande zurückzugewähren im Stande ist. Auch nach Allg. preuß. Landrecht ist anzunehmen, daß die Befugniß zum Rücktritt fortfällt, wenn der Getäuschte nach erkannter Täuschung über den Vertrags⸗ gegenstand in einer Weise verfügt, welche mit der demnächst verlangten Aufhebung des Vertrages unvereinbar ist, weil daraus eine Aner⸗ kenntniß des Vertrages folgt — §§. 186 ff. Th. I Tit. 5 Allg. preuß. Landrechts. — Urtheil des Reichsgerichts, I. Civilsenats, vom 4. April 1891.
Handel und Gewerbe.
Tägliche Wagengestellung für Kohlen und Koks an der Ruhr und in Oberschlesien. An der Ruhr sind am 27. April gestellt 7736, nicht recht⸗ zeitig gestellt keine Wagen.
Subhastations⸗Resultate. “ Beim Königlichen Amtsgericht I Berlin standen 27. April 1891 die nachverzeichneten Grundstücke zur Versteigerung: Koppenstraße 3, der Frau Malermeister Auguste Holz gehörig; ferner Paulstraße 24, dem Kaufmann H. A. Freise gehörig. Die Versteigerung fand jedoch nicht statt, da das Verfahren wegen derselben aufgehoben wurde. Berlin, 27. April. (Wollbericht d. Ctrbl. f. d. Textil⸗Ind.) Das Geschäft beschränkt sich jetzt fast ausschließlich auf den Artikel ungewaschene Wolle, in welchem in voriger Woche ca 2000 Ctr. abgesetzt wurden. Der Haupttheil davon wurde von einem rheinischen Kammgarnspinner genommen, während der Rest nach der Lausitz ver⸗ kauft wurde. Preise hielten sich unverändert auf dem bis⸗ herigen Niveau. Die Bestände bleiben in Folge des schlanken Absatzes klein und dürften auch in nächster Zeit keine Vergrößerung er⸗ fahren, da für die neuen Ankünfte bereits Reflektanten vorhanden sind. Im Kontraktgeschäft in Rückenwäsche ist es noch sehr still. Die Thatsache, daß die Kämmer sich vom inländischen Produkt fast während der ganzen Campagne fern gehalten haben, und die Ver⸗ muthung, daß sie auch ferner diese Zurückhaltung bethätigen werden, läßt deutlich erkennen, daß sich die überseeischeu Wollen für diese Abnehmer billiger stellen. Um die Konkurrenzfähigkeit wieder herzu⸗ stellen, müßten unsere Wollen unter den vorjährigen Preisen ver⸗ siaf werden, wozu sich die Besitzer bisher noch nicht entschließen onnten. — Die gestrige Generalversammlung der Aachen⸗Münchener Feuerversicherungsgesellschaft beschloß die Vertheilung einer Dividende von 450 ℳ pro Aktie und die Abschreibung von 514 092 ℳ für gemeinnützige Zwecke und von 164 092 ℳ zur Er⸗ höhung der Dividenden⸗Ergänzungsreserve. Die Aachener Rück⸗ versicherungsgesellschaft vertheilt 120 ℳ pro Aktie. — Die „Köln. Ztg.“ meldet, daß vom Aufsichtsrath der Aktien⸗ gesellschaft für Eisenindustrie und Brückenbau in Duisburg für die bevorrechtigten Aktien 13 % und für die Stamm⸗ aktien 12 % Dividende vorgeschlagen sind. — Die neunzehnte ordentliche Generalversammlung der Zwickauer Bank genehmigte den Geschäftsbericht, die Bilanz, so⸗ wie die Gewinn⸗ und Verlustberechnung, ertheilte die Entlastung und beschloß die Verwendung des Reingewinnes nach dem Vorschlag der Direktion. Die ferner auf der Tagesordnung stehenden Anträge auf Erhöhung des Grundkapitals und Statutenabänderung konnten nicht zur Erledigung gelangen, da die gesetzlich erforderliche Anzahl von Aktien nicht vertreten war; diese Gegenstände werden daher einer außerordentlichen Generalversammlung nochmals zur Beschlußfassung vorgelegt werden. Die Auszahlung der Dividende pro 1890 von 7 % = 21 ℳ pro Aktie erfolgt von heute ab. — In der gestrigen Generalversammlung der Aktionäre der Hessischen Ludwigsbahn wurde die vom Aufsichtsrathe vor⸗ geschlagene Dividende von 4 ½¾ % für das verflossene Geschäftsjahr genehmigt; die aus dem Verwaltungsrathe ausscheidenden Mitglieder wurden wiedergewählt. — Von der Verwaltung der Hessischen Lud⸗ wigsbahn ist mit Bezug auf die Verhandlungen über die Verstaat⸗ lichung der Bahn in der Kammer eine Denkschrift verfaßt worden, welche morgen erscheinen soll. — Das „Gewerbeblatt aus Württemberg“, heraus⸗ gegeben von der Königlichen Centralstelle für Gewerbe und Handel in Stuttgart, hat in Nr. 17 des 43. Jahrgangs vom 26. April cr. folgenden Inhalt: Ueber Gesundheitsschädigungen durch den Verkehr mit ausländischen Rohhäuten. — Die Ueberwindung der Platzfrage bei Jacquard⸗Maschinen mit großer Platinenzahl. — Verschiedene
Mittheilungen. — Entscheidung des Reichsgerichts. — Preisaus⸗ schreiben. — Neues im Landes⸗Gewerbe⸗Museum. — Aus dem Lese⸗ zimmer der K. Centralstelle. — Jahresberichte der Fabrikinspektoren
für das Königreich Württemberg für das Jahr 1890.
Leipzig, 27. April. (W. T. B.) Kammzug⸗Termin⸗ handel. La Plata. Grundmuster B. pr. April — ℳ, pr. Mai 4,37 ½ ℳ, pr. Juni 4,40 ℳ, pr. Juli 4,42 ½ ℳ, pr. E“ Leen ½ ℳ, pr. Oktober 4,47 ½ ℳ, pr. November 4, „pr. 4,47 ½ ℳ, pr. 147 ½ Fag-1009 Lg. Kaobr ezember 4,47 ½ ℳ, pr. Januar 4,47 ½ ℳ 27. April. (W. T. B.) Wollauktion. Wolle 8 Glasgow, 27. April. (W. T. B.) Die Verschiffungen von Roheisen betrugen in der vorigen Woche 7440 Tons gegen 8370 Torns in derselben Woche des vorigen Jahres.
Bradford, 27. April. (W. T., B.) Wolle fest, Garne
ruhig, stetig, Geschäft in Stoffen mäßig. b 3 New⸗York, 27. April. (W. T. B.) Heute sind 500 000 8 Dollars Gold zur Ausfuhr nach Europa bestellt worden. 8 Das heute zur Ausfuhr nach Europa bestellte Gold im 9 Betrage egn * 5 . Paris bestimmt. i e Supply an Weizen 22 34 Is, do. q Z 3 1“
Mannigfaltiges.
Heute, am Tage der feierlichen Ueberführung der irdischen Hülle des Feldmarschalls Grafen Moltke nach dem Lehrter Bahnhof, ist die als ein Ruhmesdenkmal des Dahingeschiedenen erbaute Moltke⸗Brücke am Köhnigsplatz in ihrem reichen künstlerischen Schmuck enthüllt worden. Noch gestern waren viele Arbeiter ge⸗ schäftig, um die letzte Hand an die Skulpturen, die mächtigen Kan⸗ delaber und Balustraden zu legen. Noch bis kurz vor seinem Tode hat Graf Moltke bei mehreren Besuchen den Fortgang der Arbeiten an dem ihm gewidmeten Werke besichtigt und namentlich an den Büsten und Statuen der Brücke sein lebhaftes Interesse bekundet. Bei der Schwierigkeit, alle Einzelheiten genau zu sehen, scheute der greise Herr, wie die „Nat.⸗Ztg.“ mittheilt, nicht die Mühe, auf den Ge⸗ rüsten und schmalen Balken entlang zu klettern, selbst an Stellen, wo mancher Jüngere einen Fehltritt gefürchtet hätte. Jede Unterstützung des Architekten, der ihn bei der Besichtigung führte, lehnte der Graf lächelnd aber entschieden ab. Als ihm das Kolossalrelief gezeigt wurde, in welchem Professor Begas das Porträt des Feldmarschalls in Stein gemeißelt hat, sagte Graf Moltke scherzend: „Na, so böse, wie mich Hr. Begas da gemacht hat, sehe ich doch wohl nicht aus. Für den Tag der Ueberführung hatte der Architekt der Brücke, Otto Stahn, eine besondere Trauerdekoration ausgeführt. Das Porträt Moltke's ist von einem Immortellenkranz umgeben, an der Außen⸗ seite der Brücke sind umflorte Tannenguirlanden angebracht, und die .“ welche den ganzen Tag über brennen werden, sind umflort.
Am 24. d. M. fand der „N. Pr. Z.“ zufolge die diesjährige Generalversammlung des Preußischen Frauen⸗ und Jung⸗ frauen⸗Vereins in dem festlich dazu geschmückten Offizier⸗Kasino des Königlichen Invalidenhauses statt. Die hohe Protektorin des Vereins, Ihre Koͤnigliche Hoheit die Prinzessin Friedrich Carl, wohnte der sehr zahlreich besuchten Versammlung bei, in welcher zunächst von dem Schriftführer ein kurzer Bericht über die Thätigkeit des Vereins abgestattet wurde. Darin wurde besonders die eifrige Arbeit der Damen des Vorstandes und die mit vielen Mühen und Sorgen verknüpfte Thätigkeit derjenigen Damen hervorgehoben, welche die Recherchen übernommen haben. Der Vermögensbestand des Vereirs ist gegen den Abschluß des vorigen Jahres fast unverändert geblieben, ebenso die Einnahme, aber die Ansprüche an den Verein, welcher sich die Unterstützung von Invaliden aus den Feldzügen, deren Arbeitsunfähigkeit sich nach Feststellung ihrer Pension vergrößert hat oder erst nach Ablauf der für die Pensionsansprüche gesetzlich normirten Zeit hervorgetreten ist, sowie von deren Angehörigen zur Aufgabe gemacht hat, sind immer mehr im Wachsen begriffen, sodaß zur gedeihlichen Fortentwickelung die Zunahme der Beiträge dringend wünschenswerth erscheint. Aus dem Jahresbericht ist ferner zu ent⸗ nehmen, daß im Jahre 1890 750 einmalige Unterstützungen in Höhe von 5413 05 ℳ und an etwa 20 Nothleidende fortlaufende Unter⸗ stützungen im Ganzen 1878,40 ℳ gezahlt sind. Um in dem Wesen des Vereins auch den frischen, schaffensfreudigen Geist zum Ausdruck zu bringen, hatte man eine musikalische Unterhaltung und ein ge⸗ selliges Zusammensein veranstaltet. Die Versammlung fand durch eine kurze Ansprache des Pfarrers Dürselen von der evangelischen Invalidenhaus⸗Kirche, welcher das erhebende Gefühl der stillen, segens⸗ reichen Thätigkeit der Damen des Vereins zum Ausdruck brachte, einen würdigen Abschluß.
Am 24. d. M. feierte der Königliche Mustkalien⸗Inspektor bei der General⸗Intendantur der Königlichen Schauspiele Hr. H. Friese sein sechzigjähriges Dienst⸗Jubiläum.
Hermsdorf u. K. Wie der „Schles. Ztg.“ gemeldet wird, ist zwischen der reichsgräflich Schaffgotsch'schen Verwaltung und der Firma Sönderop u. Comp. in Berlin der Vertrag über den Bau der Koppenbahn gerichtlich abgeschlossen worden.
Wien, 27. April. Nach einer aus Witkowitz in Mähren an hiesige Blätter gelangten Meldung hat in den dortigen Eisen⸗ werken heute Vormittag eine Explosion giftiger Gase statt⸗ gefunden. Mehrere Arbeiter sollen verwundet oder getödtet sein.
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Rom, 24. April. Ueber die große Pulver⸗Explosion wird der „Nat.⸗Ztg.“ geschrieben: Gestern, Donnerstag, Morgens, einige Minuten nach 7 Uhr, wurde Rom durch einen entsetzlichen Donnerschlag erweckt, dem alsbald überall das Klirren von Fenster⸗ scheiben, das Poltern herabstürzender Läden, in den Häusern das Prasseln niederfallenden Mörtels folgte. Im Nu war Alles auf den Beinen, Frauen weinten, Kinder schrien, alle Fenster dicht besetzt von Menschen in Nachtkleidern, die sonst um diese Zeit noch so stillen Straßen erfüllt von angstvoll fragenden, aufgeregt durcheinander kom⸗ menden Männern. Niemand wußte, was vorgefallen. Die anfäng⸗ liche allgemeine Meinung, es handele sich um ein Erdbeben, mußte natür⸗ lich sogleich aufgegeben werden. Die Straßen boten einen wunderlichen Anblick: an manchen Stellen war das Pflaster buchstäblich unter den Glassplittern und Trümmern verschwunden. Die frühe Stunde ist der Grund, daß nicht mehr Verwundungen durch die herabstürzenden Dinge zu beklagen sind. Die widersprechendsten Ansichten über die Natur des Unglücks schwirrten durch die aufgeregte Menge. In jedem Quartier glaubte man, es handle sich um ein in nächster Nähe statt⸗ gehabtes Unglück. Niemand wußte, daß der Krach die gesammte Stadt erschüttert und in Schrecken versetzt, vom Janiculus bis zum Esquilin, vom Vatikan bis zum Quirinale. Man glaubte an ein politisches Attentat; Stimmen wurden laut, das sei das Vorspiel zum ersten Mai. Viele eilten nach dem Königsschloß: sie sahen 8 “ des Königs, welche in der Richtung nach Ponte Gari⸗ aldi fuhr.
Inzwischen sah man eine ungeheuere Rauchfäule, den glänzenden Frühlingshimmel verdunkelnd, aus der Gegend von San Paolo fuori le mura heranziehen und sich über der Stadt verbreiten. Zugleich brachte ein nach dem Kriegs⸗Ministerium sprengender reitender Artillerist die Kunde: der Pulverthurm von Porta Portese, etwa vier Kilometer vor der Stadt, war in die Luft geflogen.
Nun bekam die wirr durch einander fluthende Bewegung auf den Gassen ein Ziel. In den Straßen, die nach jenem Thore führen, drängte und schob eine unermeßliche Menge, ganz Rom schien auf dem Wege nach der Unglücksstätte. Unabsehbare Reihen von Kutschen mit Damen und Herren konnten sich nur mühsam im Schritt vor⸗ anbewegen. Wo immer man vorüberkam, zeigte sich die gräßliche Verheerung: die schönsten Paläste standen fensterlos, die Läden schief in den Angeln oder herabgestürzt. Viele Kirchen verloren ihre theils sehr werthvollen Fenstergemälde. Im Vatikan z. B. sind sämmtliche Scheiben in den Raffaelischen Loggien zertrümmert; in der Bibliothek stürzten viele unschätzbare Kunstgegenstände, Vasen u. dergl. und gingen in Stücke. Auch in der Peterskirche sind manche Ver⸗ luste zu beklagen. Mehrere päpstliche Diener wurden mehr und weniger schwer verwundet. —
Vor dem Thore zeigten sich die ersten ganz unmittelbar durch die Explosion hervorgebrachten Verwüstungen. Die Gegend vor den Thoren Portense und S. Pancrazio, gegen Monte Verde hin, ist eine der anmuthigsten in der Nähe der Stadt. Das Terrain zieht in mannigfach sich kreuzender welliger Bewegung gegen die Maremmen von Ostia und Maccarese hin. Ueberall schön gepflegte Weingärten, Obstpflanzungen, malerische Campagnahäuser, Villen, Osterien, wo sich Sonntags das Volk ergeht, denn der Wein von Monte Verde ist der beste aller römischen, wie die Pfirsiche, die vor Porta Portese gewachsen, als die allerfeinsten gelten. Diese fröhliche, üppige, heitere Landschaft ist verschwunden. Die Bäume sind zerbrochen und ent⸗ wurzelt, die Weinstöcke geknickt, die Häuser und Schänken dachlose Mauerbierecke von Schutt und Mulm erfüllt, Ruinen, die neuen Einsturz drohen. Es ist ein Glück, daß die Explosion nicht zwei Stunden früher erfolgte: alle die ländlichen Arbeiter, die jetzt schon auf den Feldern waren, wären erschlage worden von den stürzenden Dächern und Fußböden. öö1“
Der König hatte sich, als e säule am Himmel herziehen sab, sogleich in den Wagen gesetzt und nach jener Richtung fahren lassen. Er traf um acht Uhr an der Unglücksstätte ein, noch vor den Behörden. Während der ganzen Fahrt war er Gegenstand begeistertster Huldigungen. Mehrere Male, als Verwundete an ihm vorbeigebracht wurden nach dem Krankenhaus, ließ er halten und stieg aus, um sich bei ihnen nach den näheren Umständen zu erkundigen. Einen verwundeten Hauptmann ließ er in seinem eigenen Wagen nach der Stadt bringen. Der König begab sich nach all den Häusern, die Schaden gelitten; in seinem Beisein, unter seiner Leitung wurden viele Personen aus dem Schutte ausgegraben, denen er in liebevoller Weise Trost zusprach. Auch nach der Vigna Pia begab er sich, einer nahe gelegenen, von Geistlichen geleiteten Ackerbaukolonie für Knaben, einer Stiftung Pius' IX. Ein Theil des Gebäudes war eingestürzt, von den 100 Zöglingen hatten etwa 20 Verwundungen — glücklicher Weise meistens nur leichte — davongetragen. Andere und einige dort befindliche Krankenschwestern hatten vor Schreck das Be⸗ wußtsein verloren. Für Alle hatte der König freundliche theilnehmende Worte. Um ;11 verließ er die Stätte, nachdem er sich so wieder ein neues Anrecht auf die Liebe und Verehrung seines Volkes erworben
Der Pulverthurm lag in einer von Hügeln umschlossenen kessel⸗ förmigen Senkung, unterhalb des Forts Bravetta. Wie gesagt, nicht weit davon inmitten wohlgebauter Felder die Anstalt Vigna Pia; die Straße, die von S. Pancrazio nach dem Pulvermagazin führt. reichlich von Hütten, Schänken, Weinberghäuschen, Bauernwohnungen flankirt. In weitem Umkreis zogen sich prächtige Weinberge. Alles dies existirt heute nicht mehr. Vom Magazin, einem viereckigen massiven niedrigen Bau mit Pyramidendach, ist buchstäblich keine Spur mehr zu sehen. Steine, Dachziegel, Balken wurden unglaublich weit geschleudert. Einige Trümmer, die das Dach des linken Seiten⸗ schiffes von S. Pancrazio — mit der künstlerisch interessanten uralten Decke — einschlugen, mögen über 100 Kilogramm wiegen. Ringsum ein Bild grauenhaftester Zerstörung. 1
Sehr schwierig ist es, die Entstehung des Unglücks zu erklären Das Gebäude war derartig tief gelegt, daß es vom Weg aus ga nicht gesehen werden konnte. Die Wache hatte dort ein Piquet vo sieben Soldaten des 12. Bersaglieri⸗Regiments. Am Tage vor dem Unglück betrat kein Mensch das Pulvermagazin. Gestern gegen 8 Uhr sollten einige Arbeiter vom Geniecorps kommen, um innerhalb der Umfassung eine kleine Brücke zu bauen. Diese Arbeiter ließen am Unglücksmorgen nicht sehen. Das Gebäude, in welchem das Pulver lag, war von einer hohen, nur an zwei Punkten offenen Mauer umgeben. Am Haupteingange befand sich ein zweistöckiges Wachhaus. Gegen 7 Uhr batten sich der Hauptmann Spaccamela und der Lieutenant Gabrielli von dem zwei Kilometer entfernten Fort Portese nach dem Magazin hinunter be⸗ geben. Es heißt, auf dem Rundgang um dasselbe, innerhalb der Umfassungsmauer, hätten sie aus dem Keller ein bedenkliches Geräusch vernommen. Dies machte sie auf die Gefahr aufmerksam. Ohne Verzug wiesen sie die Soldaten, die auf Wache waren, an, laufend durch die Campagna zu vertheilen, um sich zu bewahren und vnd 2 verhindern, daß andere Personen der Umfassungsmauer sich näherten.
Der Hauptmann Spaccamela blieb auf dem Posten, bis er sich überzeugt, daß auch der letzte Soldat den Ort verlassen. Dann erst entfernte er sich laufend. Er war etwa hundert Meter entfernt, als er durch die Wucht der Explosion zu Boden geschleudert und durch ein fliegendes Trümmerstück schwer am Kopse verletzt wurde. Von den Soldaten wurden zwei verwundet, einer schwer.
Eine andere Version lautet: um 6 Uhr hätte der Wachposten einen leichten Knall vernommen, ein Zeichen, daß das Pulver sich ent⸗ zündete. Er habe sofort dem das Piquet kommandirenden Lieutenant Gabrielli Meldung gemacht, dieser sofort Befehl gegeben, das Lokal zu verlassen. Einigen Soldaten gelang es, Landleute von der drohenden Gefahr zu verständigen. Im Magazin lagen 250 Kilogr. Pulver. Einige benachbart wohnende Arbeiter konnten bei Zeiten fliehen, da sie, wie sie wenigstens versichern, eine halbe Stunde vor der Explosion schon gewarnt worden. Dies erregte bei Vielen den Verdacht, es handle sich nicht um einen schrecklichen Zufall, sondern um ein Ver⸗ brechen. Wie die Dinge liegen, kann also heute die Frage nach der LE des Unglücks noch nicht mit Bestimmtheit beantwortet werden.
Herzzerreißende Scenen spielten sich ab. Mütter, Frauen eilten herbei, ihre Theuren zu suchen, die sie für Opfer des Unglücks hielten. Von den Sicherheitsorganen zurückgehalten mit der Versicherung, daß ihre Angehörigen gerettet, glaubten sie es nicht und überließen sich ihrem unbändigen Schmerz. Auf Piazza di Ponte Sisto stürzte sich ein Priester, der wohl an ein Erdbeben glauben mochte, vor Schreck aus dem Fenster. Bis heute Morgen nahm man an, daß etwa zehn Personen todt geblieben. Bis jeßt kennt man erst zwei: einen Ingenieur, der sich im Wagen nach dem Fort Monte Verde begab, und eine Bäuerin, die in der Nähe Kräuter pflückte, Beide durch herab⸗ sausende Steine erschlagen. Die Zahl der Verwundeten, die in den Spitälern untergebracht, übersteigt 300. Dabei kennt man noch nicht die Zahl jener, die sich im eigenen Hause verpflegen lassen. Viele sind in Lebensgefahr, darunter der Hauptmann Spaccamela. Für Jene, die durch das Unglück obdachlos geworden, haben die Polizei und das Municipium in ausgedehnter Weise Sorge getragen. Der König besuchte am Nachmittag verschiedene Krankenhäuser, wo er überall aufs Theilnehmendste sich bei den einzelnen Verwundeten erkundigte, Jedem ein Wort des Trostes, eine Hoffnung auf Hülfe zurücklassend. Fr hat dem Ministerium des Königlichen Hauses zu diesem Zwecke große Summen angewiesen. 1
Ungeheuer ist natürlich auch der Schaden, der durch die Ver⸗ heerungen in der Stadt entstand. In einzelnen großen Etablissements foll er sich auf viele tausend Franken belaufen. Wie kolossal die Er⸗ schütterung war, läßt sich daraus entnehmen, daß in einer Schule auf Piazza Termini, gut acht Kilometer vom Explosionsheerde entfernt, alle Zwischenmauern barsten und zum großen Theile einstürzten.
Der „Messagero“ berechnet den durch das Unglück angerichteten Schaden auf über drei Millionen Lire.
New⸗York. Nach Angabe des Fachblatts „Printers Ink“ hat im Jahre 1890 die Zahl der in den Vereinigten Staaten er⸗ scheinenden Zeitungen und Zeitschriften um 1612 zugenommen und beträgt zur Zeit 18 536. Sie zerfallen nach ihrem Charakter in folgende Unterabtheilungen: Tägliche Zeitungen 1700, dreimal die Woche erscheinende 39, zweimal die Woche 221, Wochenzeitungen 13 420, alle zwei Wochen erscheinende 85, halbmonatlich 318, Monatsschriften 2506, alle zwei Monate erscheinend 75, Vierteljahrsschriften 178. Am stärksten ist die Presse im Staate New⸗York vertreten; dort erscheinen 1958 Zeitungen und Zeitschriften. Dann kommt Illinois mit 1714, Pennsylvanien mit 1357 und Ohio mit 1139 u. s. w. bis Alaska mit 3 Wochenblättern und dem Indianer⸗Territorium, wo keine einzige tägliche Zeitung erscheint. Das benachbarte Canada hat ebenfalls nur 88 Tages⸗ und 527 Wochenblätter aufzuweisen.
New⸗York, 24. April. Barnum hat ein Vermögen von über 5 Millionen Dollars hinterlassen. Das Testament, in welchem er darüber verfügt, ist der „A. C.“ zufolge mit 8 Codicillen 100 Seiten stark, und es dauerte über 2 ½ Stunden, bis der damit betraute Advokat mit dem Verlesen desselben fertig wurde. Der be⸗ rühmte Schaubudenbesitzer hat zahlreiche gemeinnützige Institute mit beträchtlichen Legaten bedacht und u. A. dem Tuft's College in Massachusetts 40 000 Doll., der historisch⸗wissenschaftlichen Gesellschaft seiner Vaterstadt Bridgeport 125 000 Doll. zur Fertigstellung ihres Gebäudes, 15 000 Doll. der Universalistenkirche in Bridgeport und Summen in ähnlicher Höhe der Kinderschutz⸗Gesellschaft in New⸗York, der Gesellschaft zur Verhütung von Thierquälerei, sowie Wittwen⸗ und Waiseninstituten und 9 er vohlthätigen Gesellsch ten binter⸗
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Zweite Beilage
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Ppe rrenhaus. 15. Sitzung vom Montag, 27. April.
Der Sitzung wohnt der Finanz⸗Minister Dr. Miquel bei.
Die Berathung des Einkommensteuergesetzes wird fortgesetzt bei §. 18, zu welchem ein Antrag des Freiherrn von Durant vorliegt, die Steuererleichterung wegen beein⸗ trächtigter Leistungsfähigkeit den Einkommen bis zu 6000 ℳ (statt bis zu 3000) zu gewähren. Der Antrag wird aber mit
kücksicht auf die Abstimmung zu §. 17 (Herabsetzung des höchsten Steuersatzes von 4 auf 3 Proz.) vom Antragsteller urückgezogen.
Bei §. 24 (Steuererklärung) erklärt
Oberbürgermeister Struckmann: Er sei ein Gegner der Steuer⸗ erklärung gewesen und habe auch jetzt noch nicht alle Bedenken überwunden Die Einführung der Deklaration lege aber den Ein⸗
chätzungsbehörden auch größere Pflichten auf. Jetzt könnten die unter 3000 ℳ Einkommen beziehenden Personen zur teuererklärung auf⸗ gefordert werden. Dadurch entstehe ein größerer Unterschied zwischen den über und den unter 3000 ℳ Einkommen beziehenden Personen als bisher zwischen der Klassen und der Einkommensteuer bestanden habe. Es sei deshalb zu wünschen, daß die Aufforderung zur Steuer⸗ erklärung an die Personen unter 3000 ℳ Einkommen möglichst zahlreich ergehen möge, um diese Ungleichheit zu verwischen. Redner spricht dann sein Bedauern darüber aus, daß der Landrath, bezw. Bürgermeister zum Vorsitzenden der Kommission bestimmt sei; es würde besser gewesen sein, wenn ein Beamter zum Vorsitzenden bestellt worden wäre, welcher allein die Interessen des Staates wahr⸗ e; mindestens müße den Kommissionen jetzt ein offizieller Vertreter des Staates zur Wahrnehmung der fiskalischen Interessen beigeordet werden, schon um eine gleichmäßige Einschätzung in den ver⸗ schiedenen Kreisen durchzuführen. Denn diese ruhe vielfach in der Hand der Unterbeamten, und eine Ausgleichung könne nur auf diese Weise herbeigeführt werden. Besonders bedenklich scheine ihm, daß Jemand, der die Steuererklärung nicht abgeben wolle, die Schätzung des Einkom⸗ mens der Kommission überlassen könne, indem er nur die Quellen seines Einkommens angebe. Es sei gesagt worden, daß die Land⸗ wirthe unter diese Klasse fielen; er müsse aber sagen, daß dies durch⸗ aus nicht zutreffe. So allgemein dürfe man die Deklaration nicht beseitigen lassen. Finanz⸗Minister Dr. Miquel:
Meine Herren! Auf die von dem Herrn Vorredner angeregte Frage wegen der Führung des Vorsitzes in der Kommission und wegen der Vertretung der Interessen des Staates in der Kommission, glaube ich, da ein besonderer Antrag dazu nicht gestellt, nicht weiter eingehen zu sollen. Meine Herren, ich kann seine Aeußerungen nur als gute Rathschläge für die Königliche Staatsregierung ansehen. Uebrigens hätte der Herr Vorredner aus den Verhandlungen des Abgeordneten⸗ hauses sich überzeugen können, daß alle diese Fragen sowohl in der Kommission als auch im Plenum so oft und ausführlich erörtert worden sind, daß man darüber kaum etwas Neues sagen kann. Ich betrachte bis auf Weiteres die Bestimmungen über die Konstruktion der Kom⸗ mission und die Qualifikation des Vorsitzenden als eine Definitive, und da Abänderungsanträge nicht gestellt sind, so möchte ich das Haus nicht damit aufbalten, diese Frage nochmals zu diskutiren. Was die Anfrage betrifft in Beziehung auf den §. 27, so hat der Herr Ober⸗Bürgermeister Struckmann hier vorgegriffen. Ich kann meinerseits hier nur ein Gleiches erklären. Denn auch da habe ich in der Kommission des Herrenhauses, im Abgeordnetenhause und bei den verschiedensten Gelegenheiten, mich einfach an den Wortlaut des Paragraphen haltend, mich in dem bestimmten Sinne geäußert, wie es der Herr Ober⸗Bürgermeister zu haben wünscht. Ich habe in der Kommission der Auffassung Ausdruck gegeben, daß, wenn es hier heißt: dem Steuerpflichtigen soll auf seinen Antrag, soweit es sich
m nur durch Schätzung zu ermittelndes Einkommen handelt, gestattet werder — die erforderlichen Unterlagen der Kommission nach deren Verlangen zu geben, damit keineswegs in die Willkür des Steuerpflichtigen gestellt ist, sich durch Nachlässigkeit und Unklarheit in seinen Verhältnissen, absichtlich oder unabsichtlich in die Lage zu bringen, daß er keine ziffermäßigen Angaben über sein Einkommen zu machen im Stande ist, sondern es muß sich um einen Fall handeln, wo die Natur der Beträge, um welche es sich handelt, von der Beschaffenheit ist, daß sie nur durch Schätzung zu ermitteln ist und irgend eine Buchführung dabei nicht würde helfen können. Aber, daß ein Handwerker, der absichtlich keine Bücher führt, um klare bestimmte Zahlen sich selbst zu verdunkeln, nicht unter. diesen Paragraphen fällt, ist vollkommen selbstverständlich.
Ich habe weiter darauf hingewiesen, daß die Entscheidung der Frage, ob es sich wirklich um einen solchen Fall handelt, das betreffende Einkommen nur durch Schätzung zu ermitteln ist, der Kommission zusteht. Es kann nicht jeder
hat darüber die definitive Entscheidung. 1 Meine Herren, wenn man anerkennt, daß eine solche Bestimmung unentbehrlich ist, so glaube ich, konnte der Paragraph gar nicht klarer und vorsichtiger gefaßt werden, wie er gefaßt ist. 1 Meine Herren, was endlich die Wünsche des Herrn Ober⸗Bürger⸗ meisters Struckmann zu §. 24 betrifft, wo er es für dringend noth⸗ endig hält, daß die Staatsregierung namentlich bei der ersten Ver⸗ anlagung in ausgiebiger Weise von dem Rechte, auch die bisher mit einem Betrage unter 3000 ℳ veranlagten Steuerpflichtigen zur Deklaration aufzufordern, Gebrauch machen möge, so habe ich darüber ebenfalls in der Kommisfion des Abgeordnetenhauses, im Plenum des Abgeordnetenhauses und hier in der Kommission mich in demselben Sinne bereits ausgesprochen, den Herr Ober⸗Bürgermeister Struckmann wünscht. Wir haben die ganz bestimmte Absicht, weil wir sehr wohl wissen, daß sich unter den Censiten unter 3000 Mark eine erhebliche Anzahl Steuerpflichtiger befinden werden, die wahrscheinlich, wenn sie deklariren müßten, mehr Einkommen haben, als zu welchem sie bisher veranlagt worden sind, gerade bei der ersten Veranlagung einen aus⸗ gedehnten Gebrauch von unseren Befugnissen zu machen. Das ist auch in dem Bericht der Herrenhauskommission ganz klar ausgedrückt. .24 wird angenommen.
n §. 30 hat das Abgeordnetenhaus einen Zusatz zur
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Berlin, Dienstag den 28. April
Regierungsvorlage beschlossen, wonach für die verweigerte Deklaration ein Zuschlag von 25 Proz. zur Steuer erhoben werden kann.
Ober⸗Bürgermeister Baumbach will diesen Zusatz beseitigen, weil derselbe aus der Deklarationspflicht einen Deklarationszwang mache, was die Regierung selbst nicht beabsichtige. Er kenne die Veranlagung mit der Steuererklärung aus seiner früheren Heimath, aus einem Lande, in welchem die progressive Einkommensteuer bis 4 % eingeführt sei. Wenn also Jemand den hohen Steuern in Preußen ausweichen wolle, dann möge er nicht nach Sachsen⸗ Meiningen gehen, sonst komme er vom Regen in die Traufe. (Heiterkeit.) Daß Jemand, der nicht deklarire, von der Kommission nach bestem Gewissen eingeschätzt werde, sei begreiflich; aber daß die Kommission über das, was sie nach ihrem Wissen und Gewissen für richtig halte, noch 25 % höher veranschlagen könne, das werde nicht zur Schärfung des Pflichtbewußtseins im Volke dienen. 13
Finanz⸗Minister Dr. Miquel:
Meine Herren! Ich bin in der eigenthümlichen Lage, hier das Ab⸗ geordnetenhaus mit seinen Beschlüssen gegen die ursprüngliche Regierungs⸗ vorlage auf das Allerbestimmteste vertreten zu müssen. Ich erblicke in dem Beschlusse des Abgeordnetenhauses zu dem hier fraglichen Para⸗ graphen nicht eine grundstürzende Aenderung der Prinzipien der Regierungsvorlage, sondern lediglich eine Verschärfung und Verstärkung und erhebliche Verbesserung gegenüber der ur⸗ sprünglichen Regierungsvorlage. Der Herr Vorredner macht eine sehr künstliche Unterscheidung zwischen Deklarationspflicht und Deklarationszwang. Dies verstehe ich überhaupt nicht. In der Regierungsvorlage war enthalten: Jeder Steuerpflichtige ist zu dekla⸗ riren verpflichtet, sodann war der Anfang eines Zwanges insofern in der Regierungsvorlage vorhanden, als der Nachtheil der Unterlassung der Erfüllung dieser allgemeinen bürgerlichen Pflicht in dem in vielen Fällen sehr schweren Verluste der Rechtsmittel bestand. Wenn nun das Abgeordnetenhaus diesen Nachtheil, der an die Nichterfüllung einer allgemeinen bürgerlichen Pflicht in der Regierungsvorlage geknüpft war, noch verschärfte, so handelte es ganz im Sinne der Staats⸗ regierung, aber in keiner Weise stellte es ein neues Prinzip auf. Es kann sich also nur sragen: ist das, was das Abgeordnetenhaus vorgeschlagen hat, zweckmäßig, ist es vielleicht zu sehr bedrückend für die Steuerpflichtigen, liegt es auf dem Wege der allgemeinen Ziele, die das Gesetz verfolgt?
Meine Herren, ein schwerer Druck kann in dem Nachtheil des Zuschlages von 25 % des eingeschätzten Steuerbetrages unmöglich ge⸗ funden werden, aus dem einfachen Grunde, weil jeder Mensch in der Lage ist, diese Pflicht zu erfüllen, und zwar jetzt erst recht in der Lage, weil da, wo er nicht schätzen kann, er genug thut,
wenn er die betreffenden thatsächlichen Voraussetzungen angiebt. Er soll dann seine Pflicht erfüllen, der Kommission das Material für die richtige Einschätzung seiner Steuer selbst zu unterbreiten. Er kann dies thun, entweder dadurch, daß er Selbstschätzung vornimmt und die betreffenden Summen ausdrücklich angiebt, oder dadurch, daß er bereit ist, der Wahrheit entsprechend die thatsächlichen Voraus⸗ setzungen anzugeben. Das Beispiel, welches der Herr Vorredner von Meiningen angeführt hat, paßt deswegen garnicht. Wenn der betreffende Kapital⸗, Grund⸗ und Sägemühlenbesitzer in seiner letzteren Eigen⸗ schaft die Beschaffenheit der Sägemühle, ihren Umsatz, ihre Motoren u. s. w. angegeben hätte, so hätte er nach unserem Gesetz genug ge⸗ than. Er konnte also unter allen Umständen seine bürgerliche Pflicht erfüllen. Wenn er nun dies nicht thut, wenn er Gründe hat, es in seinem Interesse zu unterlassen, kann er sich auch nicht beschweren, daß er zu angemessener Strafe herangezogen wird. Ich habe ganz offen ausgesprochen, daß bei der Neuheit des Vorschlags, in Preußen eine Deklarationspflicht einzuführen und bei der Er⸗ schwerung, die gerade solch ein Vorschlag in Preußen finden müßte in Folge der Thatsache, daß wir bereits eine Einkommensteuer gehabt hatten, die aber mangelhaft veranlagt war und an welche Mangel⸗ haftigkeit die Steuerpflichtigen sich schon gewöhnt hatten, daß die Regierung da Bedenken getragen hat, ihrerseits die Nichterfüllung der Deklarationspflicht mit stärkeren Nachtheilen zu verbinden als in der Regierungsvorlage geschehen ist, daß wir aber mit Freuden es begrüßen, wenn die Landesvertretung dasselbe Ziel verfolgt und in dieser Be⸗ ziehung noch einen Schritt weiter geht.
Meine Herren, es ist richtig, daß wir vielleicht auch ohne den §. 25 mit der Zeit dasselbe Ziel erreichen würden, vorausgesetzt, daß die Kommissionen von dem Grundsatz konstant ausgehen, jeden Menschen, der nicht deklarirt, als verdächtig zu behandeln, mehr zu besitzen als man gewöhnlich annimmt, und ihn daher zu überschätzen, sodaß man den Betreffenden schließlich zwingt zu deklariren. Dieser Weg ist in Sachsen und andern deutschen Staaten eingeschlagen worden, daß er aber weniger wünschenswerth ist als ein Zustand, in dem von vorn herein die Deklaration eine allgemeine ist, kann in keiner Weise bestritten werden. Es ist an und für sich sonderbar, daß eine Kommission, um die Wahrheit herauszubringen, einen Steuerpflichtigen zu hoch schätzen muß, um ihn dadurch zur Deklaration zu bringen. Dann aber werden es sehr viele Kommissionen doch noch nicht in genügender Weise thun, und viele Steuerpflichtigen werden Jahre lang zu wenig bezahlen, weniger als ihre Nachbaren, welche die staatsbürgerliche Pflicht der Deklaration erfüllen. Sie lassen es darauf ankommen, denn sie haben es in der Hand, in dem Augenblick, wo sie überschätzt werden, noch auf Grund einer Deklaration zu reklamiren. Ist dieser Weg der bessere oder derjenige, Maßregeln zu treffen, durch welche die Deklaration von Anfang an möglichst allgemein wird?
Der Herr Vorredner irrt, wenn er meint, es wären die 25 % Zuschlag eine Strafe für unrichtige Veranlagung. Nicht entfernt! Diese 25 % sollen auch dann gezahlt werden, wenn die Kommission ganz richtig eingeschätzt hat. Es soll der Nachtheil sein, der bewirkt, daß jeder Mensch deklarirt, der überhaupt deklariren kann. Es ist ein nicht richtiger Grundsatz, eine staatsbürgerliche Pflicht zu pro⸗ klamiren, zumal wenn die Erfüllung dieser Pflicht häufig den materiellen Interessen des Pflichtigen widerspricht, ohne daran Nach⸗
Wenn wir sogar in unserer Selbstverwaltung die 8 8 8
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1891.
Annahme von Ehrenämtern knüpfen müssen an Nachtheile, die aus der Nichterfüllung dieser bürgerlichen Pflicht folgen, dann sind wir vollkommen berechtigt und es ist auch staatsmännisch richtig, an die Nichterfüllung der hier vorliegenden Deklarationspflicht, die doch in den meisten Fällen auf Grund der Berechnung eines Privat⸗ vortheils dem allgemeinen Staatsinteresse entgegen unterlassen wird, auch erhebliche Nachtheile zu knüpfen. Wenn wir da noch einen Schritt weiter gehen wie andere Staaten in Deutschland, die diesen Nachtheil nicht kennen, so ist das ganz natürlich, weil wir auf der Basis der Erfahrung dieser Staaten stehen. Wir wissen, daß gerade im König⸗ reich Sachsen die allgemeine Durchführung der Deklarationspflicht viele Jahre gebraucht hat, und wir haben nicht nöthig, so lange zu warten, wir stehen mit den Herren im Königreich Sachsen auf dem gleichen Boden, und das thut auch der Herr Vorredner, daß, je allgemeiner dieser staatsbürgerlichen Pflicht genügt wird, je besser es ist für die öffentliche Moralität, für die allgemeinen Staats⸗ interessen. Wir sind daher berechtigt, Maßregeln zu ergreifen, die uns diesem Ziele möglichst schnell nahe führen, und ich wiederhole, diese Maßregel gereicht Niemandem zu Bedruck, weil Jeder sich von dem Nachtheil befreien kann, der ihn möglicherweise treffen kann, indem er einfach seine staatsbürgerliche Pflicht erfüllt.
Wenn nun der Herr Vorredner schließlich meinte, es sei doch in manchen Fällen recht unangenehm zu deklariren, weil die Diskretion doch wohl nicht in allen Fällen würde gehandhabt werden, so hat das Abgeordnetenhaus die Garantien für die wirkliche Beobachtung der Diskretion noch seinerseits erheblich verschärft, und ich glaube, es werden diese Garantien ausreichen, und es wird die Diskretion über die Verhältnisse des Deklaranten wirklich geübt werden. Aber meine Herren, ich glaube darauf aufmerksam machen zu müssen, daß die hieraus hergeleitete Deduktion nicht gegen den Nachtheil, der hier an die Unterlassung der De⸗ klaration geknüpft ist, spricht, sondern die Deklaration überhaupt trifft. Wenn die Deklaration ein unerträglicher Eingriff in die diskretesten Verhältnisse des Steuerpflichtigen wäre, so müßte man von der Deklaration überhaupt absehen; wenn man aber generell die Deklaration will, muß man diese auch zu einer allgemeinen Pflicht machen, gerade im Sinne des Herrn Ober⸗Bürgermeisters Struckmann und auch des Herrn Vorredners, welche uns mit Recht darlegen, daß eine Pflicht, welche alle erfüllen, viel leichter getragen wird, als eine Pflicht, die der Eine gewissenhaft erfüllt und der Andere klüglicher Weise zu erfüllen unterläßt.
§. 30 wurde unverändert genehmigt.
Zu §. 51 hat Professor Dr. Bierling beantragt, daß die Kommissionen nur bei Anwesenheit von mehr als der Hälfte der Mitglieder beschlußfähig sein und Beschlüsse mit absoluter Mehrheit fassen sollen.
General⸗Steuer⸗Direktor Burghart tritt diesem Antrage entgegen, derselbe wird auch mit großer Mehrheit abgelehnt.
Beim §. 69 bemängelt
Ober⸗Buͤrgermeister Schmieding, daß dem Steuerpflichtigen das Recht gegeben werden solle, den Antrag auf Verfolgung eines Mitgliedes der Kommission zu stellen, welches über den Inhalt der Steuererklärung oder die darüber gepflogenen Verhandlungen Mit⸗ theilung gemacht habe. Dadurch würden alle Mitglieder der Kom⸗ mission der Gefahr ausgesetzt, mit Protesten belästigt zu werden.
Finanz⸗Minister Dr. Miquel:
Meine Herren, es ist ja zuzugeben, wie der Herr Vorredner aus⸗ geführt hat, daß bei §. 69 gegenüber dem korrespondirenden Para⸗ graphen der Gewerbesteuervorlage eine kleine Inkongruenz vorliegt. Die Staatsregierung hatte ursprünglich die Verfolgung nur eintreten lassen wollen auf Antrag der Regierung, um möglicherweise frivole Denunziationen und Verfolgungen der Kommissionsmitglieder dadurch auszuschließen. Im Abgeordnetenhaus hielt man das nicht für ge⸗ nügend, man legte, wie auch von einem der Herren Vorredner hier schon gethan worden ist, darauf ein großes Gewicht, daß dem Steuer⸗ pflichtigen, der seine ganzen Verhältnisse klar legen muß, volle Garantie gegeben werden muß, daß sie nicht auf die Straße getragen werden und in die Oeffentlichkeit kommen. (Sehr richtig.) Man wollte diese Garantie verstärken. Man meinte: ob die Regierung das in jedem Falle so ansieht wie die Steuerpfl ichtigen, das wissen wir nicht, wir müssen das Recht der Verfolgung dem Steuerpflichtigen selbst geben. Wir haben Seitens der Staatsregierung auf diese Rück⸗ sicht erhebliches Gewicht legen zu müssen geglaubt. Je schärfer und je durchgreifender sich die Deklaration gestaltet, je mehr Nachtheile, die wir schon besprochen haben, an die Nichtdeklaration geknüpft werden, um so stärker müssen die Garantien sein, daß eben nur die Kommissionsmitglieder bezw. der Vorsitzende Kenntniß von diesen Dingen erhält, und andererseits liegt doch auch gegen eine chikaneuse Verfolgung der Kommissionsmitglieder insofern eine Garantie vor, als, wenn der betreffende Steuerpflichtige sich an den Staatsanwalt wendet, derselbe doch dieselbe materielle Prüfung des Antrages hat, wie bei allen Antragsvergehen, und daher wohl in der Lage sein wird, ganz unbegründete Anträge zurückzuweisen, jedenfalls es nicht zu einer wirklichen Anklage kommen zu lassen. Das ist ja ganz zutreffend, daß der Entwurf der Gewerbesteuer, wie er aus den Beschlüssen des Abgeordnetenhauses hervorgegangen ist, wieder einen etwas anderen Weg eingeschlagen hat, um zu demselben Ziel zu kommen. Dort soll die Regierung verpflichtet sein, auf Verlangen des Steuerpflichtigen die Anklage zu erheben, den Antrag auf Ver⸗ zu stellen, nur dann nicht, wenn öffentliche Interessen entgegen⸗ tehen. sein. Was kann man sich wohl hier unter öffentlichen Interessen denken? Das ist eine Handhabe, als solche kann sie wohl gebraucht werden, um Anträge, die der Regierung nicht begründet scheinen, zurückzuweisen, aber eine recht klare und glückliche Erledigung dieser ganzen Frage liegt auch, glaube ich, darin nicht. Ich glaube daher, da es überhaupt nicht erwünscht ist, ohne die dringendste Noth Ab⸗ änderungen an diesen Bestimmungen zu treffen, die doch auch sehr viel für sich haben, würde es am Besten sein, es bei der jetzigen Fassung, wie sie aus dem Abgeordnetenhause hervorgegangen ist, zu
Nun, ob das sehr glücklich ist, das lasse ich auch dahingestellt