Darauf wird die Gewerbesteuervorlage mit großer Mehr⸗ heit angenommen. Schluß 4 ¾ Uhr. Nächste Sitzung Mittwoch 11 Uhr. Auf
der Tagesordnung steht die erste Berathung der Land⸗ gemeindeordnung.
Haus der Abgeordneten. 76. Sitzung vom Montag, 27. April.
Der Sitzung wohnen der Minister des Innern Herrfurth, der Minister für Landwirthschaft ꝛc. von Heyden und der Minister der geistlichen ꝛc. Angelegenheiten Graf von
edlitz⸗Trützschler bei.
In dritter Berathung werden die Gesetzentwürfe,
etreffend die Veränderung der Grenzen einiger
Kreise in den Provinzen Ostpreußen, Branden⸗ burg, Sachsen, Hannover und der Rheinprovinz; zur Ergänzung des Gesetzes, betreffend die evan⸗ gelische Kirchenverfassung in den acht älteren Provinzen der Monarchie, vom 3. Juni 1876; betreffend die Form der schriftlichen Willenserklärungen der Presbyterien der evangelischen Gemeinden in der Provinz Westfalen und in der Rheinprovinz, ohne Debatte angenommen.
Darauf wird die erste Berathung des Gesetzentwurfs, betreffend die Beförderung der Errichtung von Renten⸗ gütern fortgesetzt.
Abg, von Below⸗Saleske erklärt, daß die Konservativen lebhafte Sympathie für die Vorlage hegten und mit besten Kräften an dem Zustandekommen derselben arbeiten wollten, da für einen solchen Schritt der Gesetzgebung Angesichts der chronischen Ent⸗ völkerung des Ostens und des ländlichen Arbeitermangels die höchste Zeit sei. Durch Privatunternehmungen ließen sich diese großen Schäden nicht beseitigen, sondern nur durch ein markiges Eintreten des Staats in großem Stil.
Abg. Dr. Sattler begrüßte die Vorlage mit Freude als eine Konsequenz des vorjährigen Rentengütergesetzes. Die Rede des Vor⸗ redners beweise, daß jetzt die Ansicht allgemein sei, daß eine andere Vertheilung des Bodenbesitzes nothwendig sei. Die Bedenken in Be⸗ zug auf den Staatskredit seien nicht gerechtfertigt. Die Unablösbarkeit eines Theils der Rente werde nicht zur Abhängigkeit des Renten⸗ gutsbesitzers führen, wohl aber gerade die Schaffung mittleren und kleinen Besitzes ermöglichen. Die Forderungen der Sozialdemokratie, welche der „Vorwärts“ an dieses Gesetz geknüpft habe, könnten Niemand abschrecken. Das Gesetz sei ein bedeutender Schritt auf der Bahn zur Förderung des Wohles der unteren Klassen. (Beifall bei den Nationalliberalen.)
Abg. Brandenburg mißt dem Gesetzentwurf nicht die Trag⸗ weite bei, welche ihm die Presse beigelegt habe; derselbe sei lediglich eine Konseguenz des vorjährigen Gesetzes. Er sei damit einver⸗ standen, daß der Staat hier Kapitalgeber sei und daß die Rente auch unablösbar sein könne, denn er sei kein Freund von der Theilbarkeit der Güter. Er beantrage die Ueberweisung der Vorlage an eine Kommission von 21 Mitgliedern.
Abg. Dr. Gerlich: Der Abg. Rickert habe die Vorlage ein Experiment genannt. Vor wenig Tagen noch habe er ja zu einem anderen Experiment Ja und Amen gesagt. Der Abg Rickert habe ferner von einer Vermehrung des kleineren und mittleren Grund⸗ besitzes gesprochen. Er habe die Zahlen aber vielleicht absichtlich verdeckt, er habe den kleineren und mittleren Grundbesitz zusammengefaßt. Der kleine Besitz habe sich wohl vergrößert, die Bauernhöfe aber hätten sich vermindert. Das müsse der Abg. Rickert auch aus seiner Gegend wissen. Nachdem durch unsere Gesetzgebung der Bauernstand verkümmert worden sei, wolle man ihn nun regeneriren — und das nenne der Abg. Rickert Experiment. Er habe ferner gesagt, die Bauern selbst wollten keine Rentengüter, auch seien die⸗ selben schwer zu verkaufen. Er (Redner) habe in seiner eigenen Praxis ganz andere Erfahrungen gemacht. Weiter habe der Abg. Rickert gemeint, der Staatskredit werde leiden. Die Verpflichtung des Staatskredits werde sich keinesfalls auf Milliarden belaufen, und von einem Risiko des Staats könne überhaupt keine Rede sein, da eine genügende Sicherheit in dem Rentengute selbst liege. Er wünsche namentlich eine Erhöhung der Beleihungsgrenze, da viele Güter bisher zu niedrig einseschätzt seien, und sei mit den Bestimmungen des §. 4 über die Ablösbarkeit der Rente vollkommen einverstanden.
Abg. von Bockelberg hält die Vorlage für einen Schritt auf einem gesunden Wege zur sozialen Reform, der mit Staatshülfe gemacht werden müsse. Wenn man die Rentengutsbildung nur auf fiskalischem Besitz wünsche, so sehe er nicht ein, weshalb der fiskalische Besitz gegenüber dem Privatbesitz eine exzeptionelle Stellung ein⸗ nehmen solle; das würde nur zu einem Schematismus führen, aber nicht dem wahren Bedürfniß entsprechen. Die Unablösbarkeit der Rente könne das Zerfallen der Güter in kleine Parzellen verhindern.
Vize⸗Präsident Dr. Freiherr von Heereman erklärt den von dem Abg. Gerlich gebrauchten Ausdruck, daß der Abg. Rickert in seinen Ausführungen etwas vergessen, vielleicht ab⸗ sichtlich verdeckt habe, für unparlamentarisch und ruft den Redner zur Ordnung. Er habe den Ausdruck nicht sofort ge⸗ rügt, weil er ihn bei der Unruhe des Hauses nicht verstanden, öb denselben erst dem stenographischen Bericht entnommen
abe.
Darauf wird die Diskussion geschlossen und die Vor age an eine Kommission von 21 Mitgliedern überwiesen.
In einmaliger Berathung wird der 42 Bericht der Staatsschulden⸗Kommission über die Verwaltung des Staatsschuldenwesens im Rechnungsjahre vom 1. April 1889,90 durch Kenntnißnahme für erledigt erklärt.
Der Antrag des Abg. Schultz (Lupitz) auf Errichtung einer Versuchsanstalt für Pflanzenschutz wird nach kurzer Besprechung, in welcher der Abg. Schultz (Lupitz) den von ihm vorgeschlagenen Weg gegenüber der Kommission für den besten erklärt, in der von der Kommission beantragten aassung angenommen, wonach der Antrag der Regierung zur
rwägung auch nach der Richtung überwiesen werden soll, ob es nicht angezeigt sei, wenn die Errichtung der beantragten Centralstelle nicht für zweckmäßig befunden werde, dann die bestehenden Einrichtungen zur Bekämpfung der pflanzlichen Schädlinge mit reicheren Mitteln auszustatten.
Es folgt die Berathung des Antrages des Abg. Schul (Lupitz), die Regierung zu ersuchen, dahin zu wirken, bn der Buß⸗ und Bettag im Hinblick auf die dringlichen und in Folge des Arbeitermangels auf dem Lande erschwerten Arbeiten in der Landwirthschaft von derjenigen Zeit, in welcher er seither liegt, in eine andere Zeit, und zwar auf einen Tag in den Wintermonaten Januar bis März verlegt werde. Seer beantragt, den Antrag folgendermaßen zu
Die Regierung zu ersuchen, A dahin zu wirken, ü e deutschen Staaten ein . zesetlich bSen. 8n geschützter Buß⸗ und Bettag eingeführt werde, wenn möglich am Schlusse des Kirchenjahres, also in den letzten Tagen des November; B. für den Fall, daß dem vorstehenden Antrage nicht sollte stattgegeben werden können, den zwischen Ostern und Pfingsten
Buß⸗ und Bettag auf einen der letzten Tage des Novem⸗ 8 ber zu verlegen.
regeln sei. Weshalb die einzelnen Staaten ihre Gewohn⸗
Anträge.
des Ministers seinen Antrag zurück.
kirchliche Interessen hier mitsprächen, weil der Bußtag jetzt vielfach entweiht werde.
Antrag auch zurückzuziehen.
Stellung, welche die Staatsregierung zu dieser Frage nimmt, und der ich habe Ausdruck geben wollen, allerseits vollständig verstanden ist. Auch die Staatsregierung ist der Meinung, daß ein kirchlicher Feier⸗ tag als solcher nur von der Kirchenregierung selbst verlegt werden kann, und daß es sich bei der Mitwirkung des Staates hierbei lediglich um einen gesetzlichen Schutz für den neu einzurichtenden Feier⸗ tag handelt. (Bravo!)
um 2 Uhr geschlossen.
landwirthschaftlichen Arbeiten zu der Zeit, in welcher jetzt der Bußtag liege, eine Verlegung desselben nothwendig machten; in dieser Zeit sei doch keine rechte Muße für eine solche Feier vorbanden. Sein An⸗ trag wolle diese Nothwendigkeit in verstärkter Form den kirchlichen Organen ans Herz legen.
„Abg. Stöcker legt die Geschichte dar, welche die Frage des Bußtages bisher habe. Die preußische Generalsynode habe sich für einen einheitlichen Bußtag in Deutschland ausgesorochen, aber gegen ein einseitiges Vorgehen Preußens auf diesem Gebiet. Die Passions⸗ zeit sei zwar für den Bußtag in Folge ihres Charakters besonders geeignet, dem stünden aber die bürgerlichen Interessen entgegen. Es handle sich hier aber um eine kirchliche Angelegenheit, welche der Staat allein nicht regeln könne. Er sei deshalb für den Antrag Seer unter A, aber gegen den Antrag Schultz.
Abg. Seer macht ebenfalls zur Begründung seines Antrages auf die Erfordernisse der landwirthschaftlichen Arbeiten a⸗fmerksam und schildert die Schwierigkeiten, welche die Verschiedenheit des Bußtags in den Grenzen der einzelnen Staaten Deutschlands mache: von dem einen unbetheiligten Theile an der Grenze werde dieser Feiertag häufig zu Ausschreitungen benutzt.
Minister der geistlichen ꝛc. Angelegenheiten Graf von Zedlitz⸗Trützschler:
Die vielfachen Wünsche, die nach der Verlegung des Bußtages aus landwirthschaftlichen Kreisen und auch von anderer Seite an die Staatsregierung gelangt sind, haben schon vor einer ganzen Reihe von Jahren zu eingehenden Erhebungen und Verhandlungen über die Frage der Möglichkeit dieser Verlegung veranlaßt. Diese Ver⸗ handlungen sind namentlich in den siebziger Jahren geführt worden, und zwar zunächst mit dem Ziel, sich des Einverständnisses der ver⸗ schiedenen Kirchenregierungen zu versichern. Die Staatsregierung war sich bewußt, daß auch dieser kirchliche Feiertag nur unter Zu⸗ stimmung der kirchlichen Organe verlegt werden könne.
Bei diesen Verhandlungen bat, soweit es sich um die evangelische Kirche handelt, die Eisenacher Kirchenkonferenz bereits im Jahre 78. sich dahin ausgesprochen, daß der Bußtag auf einen gemeinsam zu vereinbarenden Tag im Kirchenjahre verlegt werden möge und daß dazu als der geeignetste der Freitag vor dem ersten Advent zu bezeichnen sei. In dieser Beziehung ist also freie
Bahn geschaffen, soweit Norddeutschland in Frage steht. Süddeutschland hat sich allerdings ablehnend verhalten: Bayern, Württemberg, Baden und Hessen, aus dem Grunde, weil in diesen Staaten bisher ein Bußtag an einem der Wochentage überhaupt nicht gefeiert worden ist und sie nicht gewillt sind, einen neuen Festtag in eine der Wochen des Kirchenjahres hineinzulegen. Die Hoffnung, die in dem Antrage a des Hrn. Abg. Seer ausgesprochen ist und welcher der Hr. Abg. Stöcker vorhin mit besonderer Schärfe Ausdruck gegeben hat, daß es erwünscht und möglich sein würde, einen allgemeinen deutschen nationalen Bußtag zu erreichen, würde also schon aus diesem Grunde unerfüllbar sein, wohl aber in einer gewissen Beschränkung möglich für die übrigen Staaten, welche, mit Ausnahme von Lübeck, sich sämmtlich bereit erklärt haben, ihrer⸗ seits die landesgesetzlichen Vorschriften zu erlassen, wenn dies in Preußen erfolge, sofern nicht auch hier noch das Bedenken bestände, daß die bezüglichen Verhandlungen mit den Bischöfen der katholischen Kirche bisher zu keinem vollständig abschließenden und erwünschten Resultat geführt haben.
Trotz dessen erachtet die Staatsregierung es als ihre Pflicht, diese Angelegenheit nicht ruhen zu lassen, und es schweben zur Zeit inner⸗ halb des Staats⸗Ministeriums Erwägungen darüber, ob die Wünsche der überwiegenden evangelischen Bevölkerung Norddeutschlands nach Verlegung des Bußtages Erfüllung finden können, und zugleich den berechtigten Anforderungen der katholischen Kirche auf fortdauernden Schutz bezüglich ihres bisherigen Feiertages Rechnung getragen werden kann.
Ich vermag also nur zu erklären, daß die Staatsregierung den Anträgen, sowohl des Hrn. Abg. Schultz⸗Lupitz, wie des Hrn. Abg. Seer durchaus sympathisch gegenübersteht, und daß sie in Erwägungen begriffen ist, diesen Anträgen Erfüllung zu verschaffen, soweit es unter Berücksichtigung aller dabei in Frage kommenden Verhältnisse möglich ist. (Bravo!)
Abg. Dr. Freiberr von Heereman meint, daß in dieser Frage nur kirchliche, nicht bürgerliche Rücksichten maßgebend sein könnten und daß diese Frage nur von den kirchlichen Behörden zu
heiten nicht behalten sollten, sehe er nicht ein und stimme gegen beide Abg. Seer streicht in seinem Antrage die Worte: „für alle deutschen Staaten“.
Abg. Schultz (Lupitz) zieht mit Rücksicht auf die Erklärung Abg. Stöcker erwidert dem Abg. von Heereman, daß gerade
Abg. Dr. Brüel betont, daß nur kirchliche Organe in dieser Sache eine Entscheidung hätten; er empfehle dem Abg. Seer, seinen
Minister der geistlichen ꝛc. Angelegenheiten Graf von Zedlitz⸗Trützschler:
Aus der Debatte ist mir nicht vollkommen klar geworden, ob die
Abg. Seer zieht den zweiten Theil seines Antrages zurück. Der erste Theil des Antrages Seer wird angenommen. Hiermit ist die Tagesordnung erschöpft, die Sitzung wird
Nächste Sitzung: Mittwoch 11 Uhr.
wie folgt:
Parlamentarische Nachrichten.
Dem Hause der Abgeordneten ist der Entwurf eines Einkommensteuergesetzes in der vom Herrenhause be⸗ schlossenen Fassung zugegangen. Danach lautet der Schluß des §. 17
Bei Einkommen von mehr als 9500 bis einschließlich 10 500 ℳ beträgt die Steuer 300 ℳ und steigt bei höherem Einkommen bis einschließlich 100 500 ℳ in Stufen von je 1000 ℳ um je 30 ℳ, von da ab in Stufen von je 5000 ℳ um je 150 ℳ; während er vom Hause der Abgeordneten in folgender Fassung angenommen war:
Die Einkommensteuer beträgt jährlich bei einem Einkommen von 9500 ℳ bis 10 500 ℳ einschließlich 300 ℳ Sie steigt bei
Bei Einkommen von mehr als 100 000 ℳ bis einschließ 105 000 ℳ beträgt die Steuer 4000 ℳ und steigt bei höheren Einkommen in Stufen von 5000 ℳ um je 200 ℳ §. 51 hat in der vom Herrenhause beschlossenen Fassung folgenden Wortlaut:
Die Vorsitzenden der Kommissionen haben die Letzteren zu⸗ sammenzuberufen, deren Geschäfte vorzubereiten und zu leiten, sowie die nicht von ihnen durch Einlegung von Rechtsmittelr angefochtenen Kommissionsbeschlüsse auszuführen.
„Nach Bedürfniß können zur Erledigung der den Kommissionen obliegenden Geschäfte Unterkommissionen gebildet werden. „Die Kommissionen bezw. Unterkommissionen fassen ihre Be⸗ schlüsse nach Stimmenmehrheit. Dem Vorsitzenden steht volles Stimmrecht zu. Bei Stimmengleichheit entscheidet die Stimme des Vorsitzenden. 8 X Einschätzung oder Berufung Kommissionsmitgliedes sder seiner Verwandten oder Verschwägerten und absteigender Linie der Seitenlinien berathen und abgestimmt wird,
Ergeben sich diese Voraussetzungen hinsichtlich der Person des so hat derselbe die Führung des Vorsitzes Einem der Kommissionsmitglieder zu übertragen. 1 Die Ausfertigung der Kommissionsbeschlüsse und Entscheidungen sind von dem Vorsitzenden zu vollziehen. während er nach den Beschlüssen des Hauses der Abgeordneten wie folgt lautete: Die Vorsitzenden der Kommissionen haben die Letzteren zu⸗ sammenzuberufen, deren Geschäfte vorzubereiten und zu leiten, sowie die nicht von ihnen durch Einlegung von Rechtsmitteln angefochtenen Kommissionsbeschlüsse auszuführen. 8 Nach Bedürfniß können zur Erledigung der den Kommissionen obliegenden Geschäfte Unterkommissionen gebildet werden. Die Kommissionen bezw. Unterkommissionen fassen ihre Be⸗ Dem Vorsitzenden steht volles
zum dritten Grade hat dasselbe
Vorsitzenden,
schlüsse nach Stimmenmehrheit. Stimmrecht zu. Bei Stimmengleichheit entscheidet die Stimme des So lange über die Einschätzung oder Berufung eines Kom⸗ missionsmitgliedes oder seiner Verwandten oder Verschwägerten in auf⸗ und absteigender Linie oder bis zum dritten Grade der Seiten⸗ linien berathen und abgestimmt wird, hat dasselbe abzutreten. Ergeben sich diese Voraussetzungen hinsichtlich der Person des Vorsitzenden, so hat derselbe die Führung des Vorsitzes Einem der Kommissionsmitglieder zu übertragen. 1 Die Ausfertigung der Kommissionsbeschlüsse und Entscheidungen sind von dem Vorsitzenden und mindestens zwei Mitgliedern zu vollziehen. 1 Die §§. 57 und 58 sind vom Herrenhause wie folgt gefaßt
Die Vermehrung des Einkommens während des laufenden Steuerjahres begründet keine Veränderung in der schon erfolgten Veranlagung. Tritt die Vermehrung in Folge eines Erb⸗ anfalls ein, so sind die Erben entsprechend der Vermehrung ihres Einkommens anderweit zu veranlagen und zur Entrichtung der Steuer von dem Beginn des auf den Anfall der Erbschaft folgenden Monats ab verpflichtet.
§. 58. Wird nachgewiesen, daß während des laufenden Steuer⸗ jahres in Folge des Wegfalles einer Einnahmequelle oder in Folge außergewöhnlicher Unglücksfälle pflichtigen um mehr als den vierten Theil vermindert worden ist, oder das wegfallende Einkommen anderweit zur Einkommensteuer herangezogen wird (§. 57), so kann vom Beginne des auf den Ein⸗ tritt der Einkommensverminderung folgenden Monats ab eine dem verbliebenen Einkommen entsprechende Ermäßigung der Einkommen⸗ steuer beansprucht werden.
Nach den Beschlüssen des Hauses der Abgeordneten war die Fassung folgende:
8 Die Vermehrung des Einkommens während des
laufenden Steuerjahres begründet keine Veränderung in der schon
Tritt die Vermehrung in Folge eines
Erbanfalls ein, so sind die Erben entsprechend der Vermehrung
ihres Einkommens anderweit zu veranlagen und zur Entrichtung
der Steuer von dem Beginne des auf den Anfall der Erbschaft folgenden Vierteljahres ab verpflichtet.
§. 58. Wird nachgewiesen, daß während des laufenden Steuer⸗ jahres in Folge des Wegfalls einer Einnahmequelle oder in Folge außergewöhnlicher Unglücksfälle pflichtigen um mehr als den vierten Theil vermindert worden ist, oder das wegfallende Einkommen anderweit zur Einkommensteuer herangezogen wird (§. 57), so kann vom Beginne des auf den Ein⸗ Einkommensverminderung folgenden Vierteljahres ab eine dem verbliebenen Einkommen entsprechende Ermäßigung der Einkommensteuer beansprucht werden.
§. 73 lautet nach den Beschlüssen des Herrenhauses:
Den Gemeinden (Gutsbezirken) werden als Vergütung
für die bei Veranlagung der Steuer ihnen übertragenen Geschäfte
2 % der eingegangenen 1
Hinsichtlich der örtlichen Erhebung der Steuer verbleibt es bis auf Weiteres bei den bestehenden Bestimmungen mit der Maß⸗ gabe, daß die bisher zur örtlichen Erhebung der Klassensteuer per⸗ pflichteten Gemeinden (Gutsbezirke) die Steuer von Einkommen von nicht mehr als 3000 ℳ zu erheben haben. 1
Diejenigen Gemeinden (Gutsbezirke), welchen die Steuer⸗ erhebung übertragen ist, erhalten für dieselbe eine Vergütung von 2 % der Isteinnahme der zu erhebenden Steuern.
Nach den Beschlüssen des Hauses der Abgeordneten lautet
dieser Paragraph: 8 1
Den Gemeinden werden als Vergütung für die bei Veran⸗ lagung der Steuer ihnen übertragenen Geschäfte 2 % der ein- gegangenen Steuer gewährt.
Hinsichtlich der örtlichen Erhebung der Steuer verbleibt es bis auf Weiteres bei den bestehenden Bestimmungen mit der Maß⸗ gabe daß die bisher zur örtlichen Erhebung der Klassensteuer ver⸗ pflichteten Gemeinden die Steuer von Einkommen von nicht mehr als 3000 ℳ zu erheben haben.
Diejenigen Gemeinden, welchen die Steuererhebung übertragen ist, erhalten für dieselbe eine Vergütung von 2 % der Isteinnahme der zu erhebenden Steuern.
§. 82 lautet in der Fassung des Herrenhauses:
Uebersteigt die Einnahme an Einkommensteuer für das Jahr 1892/93 den Betrag von 80 000 000 ℳ und für die folgenden Jahre einen um je 4 % erhöhten Betrag, so werden die Ueberschüsse nach Maßgabe eines zu erlassenden besonderen Gesetzes zur Durch⸗ führung der Beseitigung der Grund⸗ und Gebäudesteuer als Staats- steuer, bezw. der Ueberweisung derselben an kommunale Verbände
Nach den Beschlüssen des Hauses der Abgeordneten hatt dieser Paragraph folgende Fassung:
Uebersteigt die Einnahme an Einkommensteuer für das Jahr 1892/93 den Betrag von 80 000 000 ℳ und für die folgenden Jahre einen um je 4 % erhöhten Betrag, so werden die Ueber⸗ schüsse nach Maßgabe eines zu erlassenden besonderen Gesetzes zur Durchführung der Ueberweisung von Grund⸗ und Gebäude⸗ steuer an kommunale Verbände verwandt.)
Die übrigen Paragraphen sind von dem Herrenhause unver⸗ ändert angenomme
das Einkommen eines Steuer⸗
erfolgten Veranlagung.
das Einkommen eines Steuer⸗
Steuer gewährt.
Abg. Schultz (Lupitz) begründet seinen Antrag damit, daß die
höheren Einkommen
6.
No. 99.
ritte Beilage
zum Deutschen Reichs⸗Anzeiger mü
Berlin, Dienstag, den 28. April
☛—
Statistik und Volkswirthschaft.
8 8 Die Lage der Handweber.
Aus Schweidnitz wird geschrieben: Im Kreise Waldenburg sind in Veranlassung eines Aufrufes des auf Anregung der König⸗ lichen Regierung zu Breslau gebildeten Kreis⸗Comités zur Unter⸗ stützung der in bedrängter Lage befindlichen Handweber im Ganzen 5899 ℳ eingezangen. Von diesem Betrage sind den Lokalcomitées für die Ortschaften der Amtsbezirke Wüste⸗ waltersdorf und Michelsdorf 1275 ℳ, Donnerau 685 ℳ, Dittersbach und Langwaltersdorf 505 ℳ, Kynau 499 ℳ, Hausdorf 250 ℳ, Charlottenbrunn 350 ℳ, Reußendorf 495 ℳ, Dittmansdorf 315 ℳ, Alt⸗Friedland 180 ℳ, Tannhausen 120 ℳ, Adelsbach 86 ℳ und Sorgau 200 ℳ überwiesen worden. Außerdem sind noch 370 ℳ für verschiedene einzelne Ortschaften zur Verwendung gelangt. Von den Unterstützungsgeldern ist noch ein Betrag von 574 ℳ verblieben, der für die caf reservirt bleibt. Die Unterstützungen, welche mit ücksicht auf die Höhe der eingegangenen Spenden allmählich auf den Bereich des ganzen Kreises Waldenburg haben ausgedehrt werden können, sind nur an die von den Lokal⸗ comités ermittelten bedürftigen Handweber und Spuler und, unter Ausschließung von Geldgaben lediglich in Naturalien — zumeist Brot oder Kohle — gewährt worden.
Zur Arbeiterbewegung. .““
Der Beschluß der Bochumer Delegirtenversammlung der Bergarbeiter vom letzten Sonntag hat zwar, wie die in⸗ zwischen eingelaufenen Mittheilungen erkennen lassen, eine weitere Ausdehnung der Ausstandsbewegung zur Folge gehabt, aber der in der Versammlung proklamirte allgemeine Strike ist bisher so wenig zur Ausfübrung gekommen, daß gestern Nachmittag nur etwa der zehnte Theil der Gesammtbelegschaften des Oberbergamts⸗ bezirks Dortmund ausständig war Zur Ergänzung der kurzen telegra⸗ phischen Meldung über die Bochumer Versammlung theilen wir nach der „Köln. Volksztg.“ folgende bemerkenswerthe Einzelheiten mit: Erster Vorsitzender war Bauer (Weitmar), zweiter Warken (Saar⸗ brücken), Schriftführer Siegel (Dorstfeld) Vertreten waren 166 Schächte durch 274 Delegirte. Der Versammlung wohnten etwa 40 Berichterstatter und als erster Chef der städtischen Polizei⸗ bebörde Ober⸗Bürgermeister Bollmann mit mehreren Kom⸗ missaren bei. — Bauer verliest einen Brief der belgischen Ar⸗ beiterführer, nach welchem Belgien mit Deutschland zusammen⸗ stehen werde, wenn letzteres in einen allgemeinen Ausstand eintreten sollte. Siegel mahnt, nicht für oder gegen den Ausstand zu sprechen, die Gedanken seien heute so gut als das gesprochene Wort und unterlägen nicht dem Strafgesetzbuch. Er habe in der ersten Versammlung auf „Eintracht Tiefbau“ versucht, gegen den Ausstand zu sprechen, er thue es heute nicht mehr, um sich „nicht die Knochen entzwei schlagen zu lassen. Die bereits im Ausstande befindlichen Kameraden mit Geld zu unterstützen, sei nicht möglich. Schon hätten sich siebenundzwanzig Zechen dem Ausstande angeschlossen und man könne diese Belegschaften nicht verbluten lassen. Entweder müsse die Gesammt⸗ heit die Arbeit wieder aufnehmen oder Alle für die bereits ausständigen Kameraden eintreten. Selbst in den Braunkohlengruben der Provinz Sachsen, wo die Arbeiter stets gegen den Ausstand ge⸗ wesen, sei man jetzt entschlossen, einmal zu versuchen, die drückende Lage zu verbessern, da man doch nichts zu verlieren habe. Man möge nicht viele Worte verlieren, sondern abstimmen. Die Führer könnten die Bewegung nicht mehr zurückdrängen, welche das Kapital herauf⸗ beschworen habe. Bauer: Ein Zurück giebt es heute nicht mehr. Ueberlegen Sie die Konsequenzen, und danach handeln Sie. Thome (Saarbrücken) theilt mit, das dortige Revier werde Westfalen soweit unterstützen, als das Gesetz es erlaube. Man habe Anfangs die Bewegung für verfrüht gehalten, theile aber jetzt den hier geltenden Standpunkt. Das Solidaritäts⸗ gefühl müsse entscheiden. Lindenberg (Bochum) kann von seiner Be⸗ legschaft erklären, daß ein Drittel für den Ausstand unbedingt, ein Drittel dagegen und der Rest zweifelhaft sei. Er schlage deshalb vor, daß bei der Abstimmung nur eine Zweidrittel⸗Mehrheit entscheiden dürfe. Bauer richtet zunächst an die Delegirten der ausständigen Zechen die Frage, ob sie in den nächsten Tagen die Arbeit wieder zufnehmen wollten. Allgemeiner Ruf: Niemals! Bauer stellte hierauf allgemein die Frage, ob morgen die Arbeit aufgenommen werden solle. Diese Frage wird von sämmtlichen Delegirten mit Ausnahmeeines Einzigen verneint. Bauer fortfahrend: „Halten Sie sich ruhig und so wie es ordentlichen Bergleuten zukommt. Jeder Delegirte sorgt fü. seine Belegschaft. Wir wollen unsere Lage auf gesetzlichem Boden verbessern, wollen auch unsere eigene Polizei sein, dann brauchen wir
uch kein Militär. Wir stützen uns jetzt auf unsere Forderungen und auf iesem Boden kämpfen wir den bevorstehenden Kampf, nicht um der Belegschaft von „Eintracht Tiefbau’“ ein Plaisir zu machen. Brodam beantragt, eine Lohnkommission zu wählen, deren Aufgabe es sein soll, an Stelle der Delegirten mit den Verwaltungen bezw. mit dem Verein für die bergbaulichen Interessen zu nterhandeln und für die ausstehenden Bergleute hiernach Verhaltungsmaßregeln zu geben. Der Antrag wurde ein⸗ stimmig angenommen und die Kommission in folgender Weise zusammengesetzt: Oestlich Dortmund: Gerlach (Unna) Hund Heubel (Aplerbeck). Westlich Dortmund: Schröder. Nördlich: Siegel (Witten), Löwenstein (Annen). Herne⸗Bruch: Stute (Bruch) nd Weber (Herne). Bochum: Mever. Gelsenkirchen: Brodam und Dieckmann. Wattenscheid: Kahn. Linden⸗Dahlhausen: Bauer Weitmar. Nördlich Essen: Markgraf. Essen: Ballmann. Stoppenberg⸗Borbeck: Müller (Borbeck). Mülheim: Engst⸗ feld und Freiburg. Steele: Schröter. Nördlich Essen: Kampmann und Mehlis (Altenessen). Sprockkövel: Rueßberg (Blankenburg). — Bauer giebt den übrigen deutschen Revieren den Rath, sich ähnlich zu organisiren und mit Westfalen in Verbindung n. Als Vorsitzender der Lohnkommission wird Schröder
(Dortmund) gewählt, der das Recht hat, gegebenen Falls einen Stell⸗
vertreter zu ernennen. Unter Absingen des Bergmannsliedes und mit einem Hoch auf die internationale Verbrüderung der Bergleute ging die Versammlung gegen 2 Uhr ruhig auseinander. — Der in der Versammlung verlesene Brief, der die Theilnahme der Belgischen Bergarbeiter ausdrückt, ist von Defuisseau unterzeichnet und hat nach dem „Vorwärts folgenden Wortlaut: „Cyarkeroi, den 24. April. Werthe Kameraden! Aus den Zeitungen haben wir erfahren, daß es bei Euch zu einem partiellen Strike gekommen ist. Wir sind für einen großen Strike, wenn Belgien und Deutschland beisammen sind. Wir bitten um sofortige
Nachricht, was Ihr heute beschließt. Wir haben am 26. d. Mts, in
Charleroi Versammlung. Wenn der Generalstrike ausbrechen sollte,
so werden wir solidarisch auf Eurer Seite stehen und Euch auf jede
denkbare Weise unterstützen. Es lebe die internationale Solidarität.v — Die in dem Brief erwähnte Versammlung der Delegirten der zum belgischen Nationalverbande gehörenden Bergarbeiter voom letzten Sonntag nahm eine Resolution an, in welcher sich die⸗ elben in den Bestrebungen zur Erreichung des achtstündigen Arbeitstages mit den deutschen Bergarbeitern solidarisch erklären und sich verpflichten, sobald in Deutschland der allgemeine Strike eintrete, auch in Belgien denselben durchzuführen. e erklärte die Versammlung, daß der Ausstand auch in ienst er
Bestrebungen zur Herbeiführung des allgemeinen Wahlrechts in Belgien gestellt werden solle.
Ueber die Entwickelung der Ausstandsbewegung im Ruhrgebiet tragen wir Folgendes zur Ergänzung der Thatsachen mit: Die Lage am Sonnabend erhellt aus der folgenden, der „Rhein. Westf. Ztg.“ zur Verfügung gestellten Tabelle aus dem Strikejournal des General⸗ sekretariats des bergbaulichen Vereins:
Morgenschicht vom 25. April 1891
von
ange⸗ ange⸗ fahren fahren
11ö111l“¹“; 63 774 454 Karolinenglück .. 58 189 72 eeöbb“] 239 573 9 188 ö˙˙ 888 73 Maria Anna und Steinbank. 40 515 , 323 Eintracht Tiefbau, Schacht I.. 110 323 183 8 1 qE171 desanae Morgensonne . . 30 753 216 )
von
Lfde. Nr.
◻̃ S 92bo
c8gkööö.. 3 4861 0 107 Friedlicher Nachbar .. 20 220 6 86 Holland, Schacht II. .. 23 350 167
“ 122 Voe 24 307 7 75 Baaker Mulde.. 8 289 E Nä. 99 355
11161“; 55 387 111114*““ 53 316 General u. Erbstollen ... 13 284 Helene Nachtigall, Schacht He⸗ lene. J“ 39 250 Siebenplaneten.. . . 3 7 260 König Wilhelm, Schacht Christian Lewin . . .. Königin Elisabeth, Schacht Wilhelm 1““
113 440
200 Summe 1538 8383] 2: 3142
Zu dieser Tabelle ist zu bemerken, daß auf Zeche „Fröhliche Morgensonne“ die Nachmittags⸗ und Nachtschicht in die Morgenschicht gelegt sind und daß ferner die Angaben in Bezug auf Zeche „Engels⸗ burg“ unsicher sind. — Gestern Morgen ergab sich folgendes Bild der Lage des Ausstandes: Auf den Zechen des Dortmunder Reviers war Alles in Arbeit. Nur auf Zeche„Borussia“ bei Marten waren nicht mehr als 80 Mann angefahren. Im Wittener Revier strikte auf den Zechen „Franziska Tiefbau“ und „Bommerbänker Tiefbau' etwa die Hälften der Belegschaft. Im Stadt⸗ und Lan dkreis Essen wurde auf 8 Zechen von den 32 im Bezirk liegenden Zechen gestrikt, und zwar waren auf Zeche „Friedrich Wilbelm“ bei Kupferdreb Morgens nur 22 Mann unter Tage, auf Schacht „Wolfsbank“ des Essener Bergwerksvereins „König Wilhelm von 365 Mann nur 151 unter Tage angefahren. Auf Schacht „Christian Levin“ desselben Vereins waren 218 Mann unter Tage angefahren. Auf Schacht „Wilhelm“ von Zeche „Königin Elisabeth⸗ bei Essen waren 96 Mann unter Tage, auf Schacht „Joachim derselben Zeche war Alles in Thätigkeit. Auf Zeche „Ver. Hagen . beck“ bei Altendorf sind Morgens 209 Mann von ca. 700 ange⸗ fahren. Auf Zeche „Bonifacius“ bei Kray arbeiteten 207 Mann unter Tage. Im Bochumer und Dahlhauser Revier war die Lage die folgende: Auf Zeche „Hasenwinkel“ strikte die Belegschaft wie am Sonnabend, auf Zeche „Baaker Mulde⸗ arbeiteten 47 unter Tage; auf „Eiberg⸗ sind von 383 Mann 116 unter Tage angefahren, auf „Eintracht Tiefbau“ hat sich die Lage nicht geändert. Auf Zeche „Hannover strikte nun auch die Belegschaft von Schacht I; dort sind gestern Morgen von 540 Mann nur 376 unter Tage, auf Schacht II der⸗ selben Zeche von 355 Mann nur 83 angefahren. Auf Zeche „Ver. Präsident“ der Bochumer Bergwerks⸗Aktiengesellschaft sind nur 60 Mann unter Tage angefahren. Auf den Zechen „Constantin der Große“,„Hannibal' und „Lothringen arbeitete Alles. Auf Zeche „Friedlicher Nachbar“ sind 26 unter und 56 über Tage angefahren. Auf Zeche „Holland“ Schacht I und II sind 233 Mann unter und 107 über Tage angefahren, auf Schacht III derselben Zeche arbeiten 35 Mann unter und 120 über Tage. Auf Zeche „Marianne und Stein⸗ bank“ sind 51 unter und 306 über Tage angefahren. Auf Zeche „Engelsburg“ sind 102 unter und 48 über Tage angefahren. — sleberhaupt wurde gestern Morgen auf folgenden 31 Zechen des Ober⸗ Bergamtsbezirks Dortmund gestrikt: „Holland“ Schacht und III, „Siebenplaneten“, „Bruchstraße“, „Bonifacius“, „Han⸗ nover“ Schacht I und II, „Königin Elisabeth“ Schacht „Wilhelm“, „Carolinenglück“, „Centrum“, „König Wilhelm“, Schacht „Christian Lewin“, „Eintracht⸗Tiefbau“ Schacht] und II, „Vollmond’, „Eiberg“, „Hasenwinkel“, „Helene Nachtigall Schacht Helene, „ver. Marianna und Steinbank“, „Fröhliche Morgensonne“, „Friedlicher Nachbar“, „Baaker Mulde“, „ver. Engelsburg“, „ver. General und Erbstollen“, „Mont Cenis“, „Franziska⸗Tiefbau“, „Borussia“, „Heisinger Tief⸗ bau“ (Anthracit Kohlenwerke), „ver. Hagenbeck“, „ver. Johann Deimels⸗ berg“, „Prinz von Preußen“, „Caroline“ „Wiendahlsbank“, „Mans⸗ feld“ Schacht III, „Dahlbauser Tiefbau“. In der Montag⸗Morgenschicht arbeiteten unter Tage 3249 Mann von 12 207 und über Tage 3255 Mann von 4043. Es strikten also Montag früh 14 450 Mann, das sind noch nicht 10 % der gesammten Zahl der Bergarbeiter im Ober⸗ Bergamtsbezirk Dortmund. — Am Montag Nachmittag zeigte der Strike verschiedentlich einiges Nachlassen. Auf beiden Schachten der Zeche „Hannover“ bei Eickel sind Nachmittags von 430 Mann wieder 304 angefahren. Im Gelsenkirchener Revier war Alles ruhig in Arbeit. Auf Zeche ver. Hagenbeck“ bei Altendorf fuhr die Nachmittagsschicht fast vollzählig wieder an; es fehlten nur 26 Mann. Auf Schacht „Wolfsbank“ des Essener Bergwerksvereins „König Wilhelm“ war ungefähr ein Drittel der Belegschaft wieder angefahren. Zeche „Holland“ bei Wattenscheid Schacht I und II hat vorläufig nur Morgen⸗ bezw. Nachtschicht; auf Schacht III sind 12 Mann unter Tage und 8 über Tage angefahren. Auf Zeche⸗„Centrum“ bei Wattenscheid sollten Montag Nachmittag unter Tage 440 Mann anfahren; es sind indessen angefahren nur 39; über Tage sollten 39 arbeiten, welche sämmtlich in Thätigkeit waren; es strikten Nachmittags somit 401 Mann. Auf Schacht„Wilhelm“ der Zeche „Königin Elif abeth sind von 148 Mann 83 angefahren. Schacht „Joachim derselben Zeche arbeitet. Auf Zeche „Friedlicher Nachbar“ bei Dahl⸗ hausen sind gestern Nachmittag nur 3 angefahren, auf „Hasenwinkel Niemand, auf Zeche „Baaker Mulde“ einige. Im Herner Revier ist Alles in Arbeit. Auf Schacht II von Zeche ⸗„Dannen⸗ baum“ und auf „Friederika“ ist die Belegschaft nur theil⸗ weise angefahren, auf „Prinz⸗Regent“ ist Alles bei der Arbeit; die Belegschaften der Zechen „Vollmond“, Prinz von Preußen“ und „Karoline“ der Harpener Bergbau⸗Aktiengesell⸗ schaft gehörend, striken weiter. Auf der Zeche „Helene Nach⸗
tigall bei Witten ist Nachmittags Niemand und Morgens waren
Name der Zeche Unter Tage Ueber Tage
d Königlich Preußischen Staats⸗Anzeiger.
1891.
nur einige Mann angefahren. Auf Zeche „Bonifazius“ bei Kray waren Nachmittags 60 unter und 56 über Tage bei der Arbeit. Auf Zeche „Königsgrube“ der Magdeburger Bergwerks⸗ Aktien-Gesellschaft bei Eickel ist Nachmittags die Beleg⸗ sbaft auch ausständig geworden; es sollten 513 Mann an⸗ fahren; angefahren sind aber nur 233; es striken somit 280 Mann. Auf Zeche „Präsident“ arbeiteten Nachmittags nur wenige Leute. Auf Zeche „Germania“ Schacht II bei Dortmund strikten Nachmittags 233 Mann, auf Zeche „Prinz von Preußen“ und „Carolinenglück' strikten Nachmittags die Belegschaften vollzählig, auf „Wiendahlsbank arbeiteten 35 Mann. Auf Zeche „Kaiser Friedrich“ bei Barop sind Nachmittags 25 Mann angefahren, auf Zeche „Siebenplaneten“ bei Somborn arbeiteten Vormittags 28 und Nachmittags nur 7. Auf der Zeche „Ver. Marianne u. Stein⸗ bank“ des Bochumer Vereins sind Nachmittags nur 8 Schachthauer an⸗ gefahren; über Tage sind 306 in Arbeit. Auf Zeche Ver. Engels⸗ burg“ desselben Reviers sind Nachmittags 13 Mann unter und 7 über Tage angefahren. Auf Zeche „Hasenwinkel des Bochumer Ver⸗ eins sind 13 Mann unter und 53 über Tage in Arbeit. Die Beleg⸗ schaften der drei letztgenannten Zechen hatten, wie die „Rh.⸗W. Ztg.
berichtet, gestern Nachmittag Versammlungen, in welchen beschlossen wurde, weiter zu striken. Die Direktion des Bochumer Ver⸗ eins wird in Folge dessen in einigen Tagen circa 200 Bergleute von dem Gußstablwerk unter angemessenen Schutz zu ihren Zechen schicken. — Nach dieser Darstellung des in Essen er⸗ scheinenden Blattes wäre die Mittheilung der „Frkf. Ztg““ aus dem rheinisch⸗westfälischen Kohlenrevier, laut welcher, „soweit zu über⸗ blicken”, Sonnabend Abend über 50 Zechen mit 40 — 50000 Arbeitern still lagen, stark übertrieben. 8
Die Firma Fried. Krupp in Essen hat nun auch in Bezug auf die Arbeiter der Zeche „Hannover 1“, welche gestern unter Kontraktbruch die Arbeit eingestellt haben, eine Bekanntmachung er⸗ lassen, in welcher die Arbeiter aufgefordert werden, spätestens heute, Dienstag, den 28. d. M., zur Arbeit zurückzukehren. Diejenigen Arbeiter, welche dieser Aufforderung nicht nachkommen, gelten als aus der Arbeit entlassen und werden aus den Listen der Belegschaft ge⸗ strichen; auch werden die übrigen Folgerungen gezogen, wie in ver Be⸗ kanntmachung für die Arbeiter der Zeche „Hannover II“. 8
Der Vorstand des Vereins für die bergbaulichen Interessen im Ober⸗Bergamtsbezirk Dortmund hat an die Vereinszechen folgendes neue Rundschreiben erlassen:
„Ihr Vorstand kann im vollen Bewußtsein der Verantwortlich⸗ keit nach gewissenhaftester Erwägung nur dabin seine Erklärung ab⸗ geben, daß es für die gegenwärtige unter Bruch des Arbeitsvertrags sich vollz'ehende Ausstandsbewegung der Bergarbeiter an jedem Grunde gebricht. Der gleichen Anschauung ist ein Theil der Bergarbeiter selbst. Denn nur so ist es zu erklären, daß auf einer Reihe von Zechen Gründe für den Ausstand Seitens der Belegschaften überharpt nicht angegeben worden sind, die Mehrzahl derselben vielmehr, ohne überhaupt Wünsche zur Kenntniß der Zechenverwaltungen zu bringen und deren Erklärung abzuwarten, die Arbeit niedergelegt oder von derselben einfach fortgeblieben ist. Wo aber einzelne Wünsche geäußert worden sind, waren dieselben so untergeordneter Art und betrafen zum Theil nur einen Bruchtheil der Belegschaft, daß die Interessen der Gesammtheit der letzteren davon nicht berührt werden konnten Insbesondere wurden auch die bekannten, arf Gewährung eines Mindestlohnes, sowie auf Herabsetzung der Arbeitszeit durch Einrechnung der Ein⸗ und Aus⸗ fahrt in die achtstündige Schicht gerichteten Forderungen nur ver⸗ einzelt bei Beginn des Ausstandes gestellt. Daß Ihr Vorstand sowohl in der Lohnfrage wie in der der Arbeitszeit die bekannten Bochumer Forderungen nicht für berechtigt erachten konnte und grundsätzlich abweisen mußte, ist Ihnen seiner Zeit aus dem Rundschreiben vom 28. Februar d. J. bekannt geworden. Die gegenwärtige Ausstandsbewegung stellt sich in jeder Be⸗ ziehung als eine beispiellos leichtfertige dar, und der Umstand, daß sie unter Bruch des Arbeitsvertrages erfolgt, beweist in höchst bedauerlicher Weise, daß in einem großen Theile der Belegschaften der Sinn für das, was Ordnung, Recht und Gesetz ist, abhanden gekommen ist. Nach dieser unwiderleglichen Ueberzeugung haben sich diejenigen Maßnahmen zu richten, welche Seitens der Vereinszechen zu ergreifen sind. Ihr Vorstand hat ersehen, daß dem im Rundschreiben vom 22. April d. J. an die Vereinszechen gerichteten Ersuchen, den aus⸗ ständigen Bergarbeitern eine kurze Frist zur Wiederaufnahme der Arbeit bei Vermeidung des Ausschlusses aus der Belegschaft zu stellen, Seitens der im Ausstande befindlichen Vereinszechen allent⸗ halben entsprochen worden ist. Diese Maßregel hat aber nur einen theilweisen Erfolg gehabt; ein großer Theil der aus⸗ ständigen Arbeiter ist nach Ablauf der gestellten Frist zur Arbeit nicht zurückgekehrt und somit aus derselben entlassen. Der Bergbau erfordert aber pflichtgetreue und gewissenhafte Arbeiter, und keine Vereinszeche kann sich bei neu von ihr anzu⸗ nehmenden Arbeitern von dem Dasein dieser Eigenschaften überzeugt halten, wenn der um Arbeit nachsuchende Arbeiter auf seiner bisherigen Arbeitsstelle seinen Vertrag und sein Wort gebrochen hat. Im eigensten Interesse der Vereinszechen richtet Ihr Vorstand an dieselben auf Grund heutigen Beschlusses daher das Ersuchen, bis auf Weiteres überhaupt keinen Arbeiter in die Belegschaft aufzunehmen, welcher wegen Bruchs des Arbeitsvertrages aus einer anderen Belegschaft ausgeschieden ist. Jede im Ausstande befindliche Vereinszeche wird für sich zu erwägen haben, ob und unter welchen Bedingungen sie die bei ihr ausständig gewor⸗ denen Arbeiter wieder annehmen will. Eine Annahme von Arbeitern, welche unter Vertragsbruch feiern, auf einer anderen als ihrer bis⸗ herigen Arbeitsstelle sollte nach Ansicht des Vorstandes aber aus⸗ geschlossen sein. 4
Die „Köln. Ztg.“ meldet aus Dahlhausen vom gestrigen Tage, daß der Bergmann Bauer aus Weitmar wegen Auf⸗ reizung zum Ausstand verhaftet worden ist.
Vom heutigen Tage wird telegraphisch aus Bochum berichtet, daß auf den Zechen „Hibernia“ und „Shamrock“ Morgens Alles angefahren ist. “
Der „Köln. Ztg.“ wird aus Berlin geschrieben: Der Central⸗ verband deutscher Bergleute ist in den letzten Tagen unablässig bemüht gewesen, den Bergleuten vom Ausstand ab zurathen; er hat erklären lassen, der Ausstand müsse unbedingt verloren gehen, die Organisation sei schwach, die Konjunktur für die Bergleute ungünstig, Unterstützungsgelder seien nicht zu beschaffen und die Sympathien des Publikums, auf die sehr viel zu geben wäre, nicht auf Seiten der Bergleute. Die Abmahnungen, verbunden mit den indirekten Versuchen der offiziellen sozialdemokratischen Führer, haben, wie bekannt, wenig genützt; die ausständigen Bergleute aber werden bald gezwungen sein, die Arbeit wieder auf⸗ unehmen.
Die Einberufung eines sozialdemokratischen Kongresses aller deutschen Fewerlschatten steht der „Köln. Ztg.“ zufolge fest; derselbe soll in einer Stadt Mitteldeutschlands abgehalten werden. Der Kongreß soll eine vollständige Umwälzung der sozialdemokratischen Ausstandsbewegung bringen. Es soll zunächst die Fachvereinsbewegung mit allen Kräften gefördert werden. des einzelnen Ge⸗ werkes vereinigen sich zunächst zu Centralvereinen (Verbänden); die Centralvereine der verwandten Berufszweige (Bauarbeiter, Holzarbeiter, Metallarbeiter) verbinden sich wieder untereinander
zu sogenannten Unionen. Diese Unionen schaffen sich eine