1891 / 101 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 30 Apr 1891 18:00:01 GMT) scan diff

Läufen öfter über das dreigestrichene C hinaus. Der virtuosen Aus⸗ bildung ihres Gesanges entsprechend war ihr Programm ge⸗ wählt, welches eine Arie aus „Semiramis“ von Rossini, eine Arie aus „Mignon“ von Thomas und eine dritte aus Bellini's „I. Puritani“ enthielt. In zwei Liedern von Schubert und von Glaesz trat außerdem eine gewisse Begabung für tiefer empfindende Ausdrucksweise hervor, welche jedoch bei dem Mangel an Stimm⸗ mitteln nur wenig zur Geltung kam. Unterstützt wurde das Concert durch den hier bereits bekannten Pianisten Hrn. Martin Fuß, welcher mehrere Kompositionen von Schumann, Moszkowski, Nikolaus Rubinstein, Brassin und Paganini⸗Liszt vortrug und in seinem Spiel eine sehr große technische Fertigkeit und feurig belebte Ausdrucksweise erkennen ließ. Das nicht sehr zahlreich erschienene Publikum spendete beiden Vortragenden reichlichen Beifall. Die Klavierbegleitung befand sich wiederum in den geschickten Händen des Hrn. O. Bake. hilharmonie. 8

In dem gestrigen „Abschieds⸗Concert“, in welchem das Orchester außer beliebten Werken von Weber und Wagner die große Sinfonie von Beethoven (Nr. 5) mit gewohnter Meisterschaft ausführte, trug auch der Concertmeister Hr. Bleuer das Mendelssohn'sche Violin⸗ concert unter großem Beifall des zahlreich erschienenen Publikums vor. Ihm sowohl wie Hrn. Kogel wurden die glänzendsten Ova⸗ tionen dargebracht. Nachfolger Kogel’s wird Hr. Kapellmeister Her⸗ furth aus Lausanne.

Margarethe Tondeur, die mit Beginn der neuen Spielzeit in den Verband des Königlichen Schauspielhauses übertritt, verabschiedet sich morgen vom Berliner Theater in der Rolle der Frau von Wildenheim in Moser'’s Lustspiel „Der Veilchenfresser“.

Im Lessing⸗Theater wird Friedrich Haase am Sonn⸗ abend und Sonntag dem Lustspiel „Der Königslieutenant“ auf vielfachen Wunsch noch „Eine Partie Piquet“ folgen lassen.

Im Wallner⸗Theater treten von morgen ab die Sommer⸗ preise in Kraft: Parquet 3 und 2 ℳ, II. Rang 1,50 und 1

Die Sommersaison des Belle⸗Alliance⸗Theaters in dem neu geschmückten und durch 50 000 Flammen glänzend beleuchteten Garten nimmt morgen ihren Anfang. Täglich finden von jetzt ab große Militär⸗Doppel⸗Concerte und das Auftreten von Vokal⸗ und

Instrumental⸗Spezialitäten statt. Der Eintrittspreis für Garten

und Theater beträgt nur 1 ℳ.

Die morgige 75. Aufführung der Revpertoireposse des Adolph Ernst⸗Theaters „Adam und Eva“ findet zum Benefiz für Hrn. Gustav Görß statt.

Mannigfaltiges.

Der unter r s stehende Verein der Berliner Volksküchen, welcher am 9. Juni d. J. sein 25 jähriges Bestehen feiert, hielt gestern Abend im Bürgersaale des Rathhauses seine Jahresversammlung ab. Der Verein kann nach dem Geschäftsbericht auf eine recht erfreuliche Ent⸗ wickelung seiner Anstalten blicken, da im letzten Jahre der bisher höchste Konsum erreicht ist, nämlich 2 187 703 Mittagsportionen, 424 578 Abendportionen und 112 138 Portionen in den Frauenküchen, zusammen also 2 724 419 Portionen. Verbraucht wurden u. A. 540 Ctr. Rindfleisch, 481 Ctr. Pökelfleisch, 340 Ctr. Schweinefleisch, 32 Ctr. ge⸗ hacktes Fleisch und Bratwurst, 74 Ctr. Speck, 65 944 Paar Würstchen, 1112 Pfd. Hammel⸗ und Kalbfleisch, 493 Pfd. Leber, 3400 Pfd. See⸗ fische, 134 Tonnen Heringe, 295 Ctr. Fett, 324 Ctr. Mehl, 3 446 Ctr. Kartoffeln, 735 Ctr. weiße Bohnen, 1588 Ctr. gelbe Erbsen, 554 Ctr. grüne Erbsen, 317 Ctr. Reis, 109 Ctr. Nudeln, 93914 Pfd. gedörrte Gemüse, 477 Ctr. Roth⸗ und Weißkohl, 175 Ctr. Wirsingkohl, 384 Schock Kohlrabi, 320 Ctr. Kohlrüben, 363 Ctr. Mohrruͤben, 590 Ctr. Sauerkohl, 594 Scheffel Spinat und Grünkohl, 142 Ctr. Zwiebeln, 100 Ctr. Backobst, 233 Anker Essig, 310 Sack Salz, 50 Ctr. Zucker und 39 ½ Ctr. Kaffee. Vereinnahmt wurden für die Speisen 62 151 ℳ, außerdem 2240 für Küchenabgänge. Verausgabt wurden für die Zubereitung der Speisen 246 581 ℳ, die Unkosten der 16 Küchen beliefen sich auf 91460 Bauliche Einrichtungen und Abschreibungen beanspruchten 9649 und die Eeneralunkosten des Vereins beliefen sich auf 10 050 Insgesammt balanciren Einnahmen und Ausgaben mit 364 511 und der Gewinn aus dem Betrieb der Küchen belief sich auf 6276 Der Verein verfügt z. Z. über ein Vermögen von 95 280 ℳ; der Pensionsfonds besitzt

em Protektorat Ihrer Majestät der Kaiserin

39 916 ℳ, außerdem sind noch Stiftungen im Betrage von 14 745 vorhanden.

Die unter dem Protektorat des Staats⸗Ministers Dr. von Goßler stehende „Berliner Spielplatz⸗Gesellschaft“ hielt gestern unter Vorsitz des Prof. Dr. Guttstadt im „Burggrafen“ ihre Generalversammlung ab. Die stets steigende Zahl der Mitglieder beträgt 168. Finanziell arbeitet die Gesellschaft jetzt in der Zeit der Ausgestaltung des Platzes freilich noch mit einem erheblichen Fehlbetrag. Während des Winters ist der Platz als Eisbahn benutzt und allein an Mitglieder sind während der Eislaufsaison 760 Dauerkarten ausgegeben worden. Für diesen Sommer ist eine genaue Platzordnung aufgestellt; ihr zufolge sind die erforderlichen Geräthe und Einrichtungen vorhanden für 25 Lauf⸗ und Fangspiele, 13 Kriech⸗-, Hupf⸗ und Sprungspiele, 9 Kampfspiele, 19 Ballspiele und 8 Kugel⸗, Kegel⸗, Scheiben⸗ und andere Wurfspiele. Für Be⸗ nutzung der Lawn⸗Tennis⸗Plätze, der Krockets sowie der Kegelbahn ist eine kleine Gebühr zu zahlen. Außerdem werden Kinder⸗ gartenspiele und Ordnungsübungen veranstaltet. Während des Sommers will die Gesellschaft auch Spielfeste für Erwachsene veranstalten, und sollen dann unter Umständen auch Schießstände u. dgl. errichtet werden. In der Ferienzeit soll die Errichtung von Ferienkolonien für Bemitteltere nach Möglichkeit gefördert werden. Vom Staats⸗Minister Dr. von Goßler lag ein Brief vor, in dem er dem Ausschuß den Dank für die bisher entfaltete Thätigkeit aussprach und interessante Anregungen zur Wiedereinführung alter Spiele gab, die durch Zeichnungen erläutert waren.

Die Zeichnung Anton von Werner's: „Graf Moltke auf dem Todtenbette“ ist jetzt, durch Druck und Photographie ver⸗ vielfältigt, im Verlage von Paul Bette in Berlin erschienen. Der verewigte Feldmarschall hat die Hände über der Brust gefaltet, sein Kopf ruht erhöht auf dem Kopfkissen, ein stiller friedlicher Ausdruck liegt auf den von dem Künstler gut getroffenen Gesichtszügen. Die Zeichnung wird Vielen ein werthes Andenken sein.

Bei den jetzt stattfindenden Baumpflanzungen in der Potsdamer Straße sucht man nach der „Voss. Z.“ durch besondere Vorrichtungen die jungen Bäume vor dem schlimmen Einfluß des den Erdboden durchziehenden Leuchtgases zu schützen. Es wird eine Grube hergestellt von 1,90 m Breite und 1,20 m Tiefe. Die Sohle der Grube wird mit einer 0,20 m hohen Lehmschicht bedeckt; auf diese kommt ein unten und oben offener Kasten, dessen Wände aus Faschinen von dichtem Flechtwerk bestehen und ringsum durch starke Lehmlagen von dem übrigen Erdreich getrennt werden. Der innere Raum wird durch guten Boden ausgefüllt, der die in Kübeln stehenden jungen Bäumchen aufnimmt. Allerdings soll die Anpflanzung jedes einzelnen Baumes nahe an 40 kosten, aber Mühe und Kosten werden sich lohnen, wie die Erfahrung an anderen Orten gelehrt hat.

Das Aachener Zeitungs⸗Museum hatte, schon gelegent⸗ lichder Feier des 91. Geburtstages des Grafen Moltke einen Aufruf erlassen, in welchem um Uebersendung der Zeitungen und Zeitschriften mit Artikeln über den Tag gebeten wurde. In Folge dessen waren über 600 Nummern in doppelten Exemplaren eingegangen. Auf die Anfrage des Museums, ob Graf Moltke ein Exemplar der Sammlung annehmen wolle, ging damals ein Schreiben ein, worin der Feldmarschall für die freundliche Ab⸗ sicht verbindlichst dankte und zusicherte, er werde die Sammlung, die für seine Familie von Interesse sei, gern entgegennehmen. Leider hat Graf Moltke die auf seinen ausdrücklichen Wunsch nach Kreisau ge⸗ sandte Sammlung nicht mehr gesehen. eute, wo die deutschen Lande von Trauer über den Heimgang Moltke's erfüllt sind, ergeht von Neuem die Bitte des Zeitungs⸗Museums an alle Zeitungen und Zeit⸗ schriften, ihm sämmtliche Nummern, die sich in Wort und Bild mit dem großen Todten beschäftigen, zugehen zu lassen, dantit zukünftige Forscher auch im Museum die beredten und untrüglichen Zeugnisse finden, wie sehr das deutsche Volk und die Armee den in seinen Thaten unsterblichen Helden betrauern. 8

Lübeck. Wie der „H. C.“ vernimmt, ist in Lübeck ein Comité ür die Sammlung eines Fonds zu einer Gedenktafel für den verstorbenen Ehrenbürger der Stadt, General⸗Feldmarschall Grafen Moltke in der Bildung begriffen und zwar wird beabsichtigt, diese

Erinnerungstafel an dem Hause der Firma Rethwisch u. Borchert anzubringen, woselbst die Eltern Moltke's im Jahre 1806 wohnten und also der Verstorbene einige seiner frühesten Lebensjahre zu⸗ gebracht hat.

Bremen, 28. April. Die Buͤrgerschaft hat in ihrer letzten Sitzung eine Senatsvorlage, betreffend die Einführung des elek⸗ trischen Betriebes auf den Bahnstrecken der Bremen⸗Horner Pferdebahngesellschaft, mit erheblicher Mehrheit genehmigt. Bei Einrichtung der neuen Anlage kommt das System Thomson⸗ Housten zur Anwendung.

Wien, 29. April. Der Gemeinderath beschloß in seiner heutigen Sitzung, den im Mai hier stattfindenden Post⸗ und Telegraphen⸗Kongreß im Namen der Stadt festlich zu begrüßen und den hierzu erforderlichen Kredit zu bewilligen.

Bern, 27. April. Am Pilatus (Luzern) rüstet man sich auf den Wiederbeginn der Saison. Seit vierzehn Tagen arbeitet eine Kolonne von vierzig Mann am Schneebruch auf der Bahnlinie; die letzten Tage des März haben auf dem Pilatus gewaltige Schnee⸗ massen gebracht, und mächtige Lawinen, welche von den Hängen des Matthorns niedergingen, haben Alphütten zerstört, die Tunnels zu⸗ gefüllt und Schneebarrikaden bis zu 10 m Höbe über der Bahnlinie aufgeworfen. Man hofft den Betrieb der Pilatusbahn Mitte Mai eröffnen zu können. Die auf dem Jouxsee (Waadt) zur Zeit noch liegende Eisdecke wird auf 450 000 chm geschäͤtzt. Die Wasserfläche wird voraussichtlich vor Mitte Mai nicht eisfrei werden.

Chattanooga (ETennessee), 29. April. Heute Vormittag 10 Uhr brach nach einer Meldung des „W T. B.“ ein Feuer auf der Station der Ost⸗Tennessee⸗Virginia⸗ und ⸗Georgia⸗Eisenbahn aus, welches das Stationsgebäude, hundert Güterwagen und etwa fünfzehn in der Nähe gelegene Häuser vollständig zerstörte. Bei Abgang des Telegramms war man des Feuers noch nicht vollständig Herr geworden. Der Schaden wird bis jetzt auf ungefähr 1 Million Dollars veranschlagt.

Nach Schluß der Redaktion eingegangene Depeschen.

Eisenach, 30. April. (W. T. B.) Ihre Majestäten der Kaiser und die Kaiserin sind mit den Groß⸗ herzoglichen und den Erbgroßherzoglichen Herr⸗ schaften kurz vor 11 ½ Uhr hier eingetroffen und von den städtischen Behörden am Bahnhof empfangen worden. Ebendaselbst hatten Ehrendamen Aufstellung genommen, welche Blumensträuße überreichten. In den Straßen bildeten die Schulen, Vereine und Innungen Spalier. Unter Glocken⸗ geläute und jubelnden Zurufen der dichtgedränaten Bevöl⸗ kerung fuhren Ihre Majestäten alsdann nach der Wartburg.

Wien, 30. April. (W. T. B.) Zu Ehren der Dele⸗ girten, welche an den Verhandlungen über den deutsch⸗ österreichischen Handelsvertrag theilgenommen hatten, fand gestern bei dem Minister von Szoegyenyi eine Ab⸗ schiedssoirse statt, zu welcher auch der deutsche Botschafter Prinz Reuß sowie die Gesandten Bayerns, Sachsens und Württembergs und die Minister, welche den Konferenzen bei⸗ wohnten, geladen waren.

Prag, 30. April. (W. T. B.) Das Wahlcomité des konservativen Großgrundbesitzes hat eine Versamm⸗ lung sämmtlicher konservativen Großgrundbesitzer Böhmens zur Besprechung der politischen Lage auf den 19. Mai nach Prag einberufen.

Bukarest, 30. April. (W. T. B.) Die letzten Stich⸗ wahlen zur Kammer im zweiten Wahlkörper ergaben zwölf Regierungsfreundliche und fünf Oppositionelle.

(Fortsetzung des Nichtamtlichen in der Ersten, Zweiten und 2 Dritten Beilage.)

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Wetterbericht vom 30. April, Morgens 8 Uhr.

Temperatur

Wetter.

Stationen.

Bar. auf 0 Gr u. d. Meeressp. red. in Millim in ° Celsius

50 C. = 40 R.

8

3 bedeckt 1 halb bed. 3 heiter 3 Regen 4 heiter 2 Regen 2 Regen 2 wolkenlos

Mullaghmore 749 Aberdeen .. 7747 Christiansund 746 Kopenhagen. 748. Stockholm . 749 Haparanda . 743 St. Petersb. 751 Moskau . .. 761

Cork, Queens⸗ vw 65650 23 17758 3283“ 753 2 -- Hamburg .. 753 Swinemünde 754

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Anfang 7 Uhr.

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3 Regen 5 bedeckt 4 Regen 4 bedeckn¹) 4 Regen 1 4 Regen Neufahrwasser 757 5 bedeckt⸗) Memel ... 756 Z heiter

Feis 281 1 wolkig 111 6 wolkig Karlsruhe . . 762 4 Dunst Wiesbaden . 760 2 heiter München .. 764 SW 3 halb bed. Chemnitz . 760 SSW 2 wolkig Berlin. 757 SSW ARegen IInI“] 2 wolkenlos Breslau . . 761 S 2 bedeckt Ile d'Aix. 763 SW 4 wolkig I1““ 1 Nebel Triesft 764 still bSehhc

Excellenz.

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Vorstellung. 7 ½ Uhr.

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Sonnabend: Haase. ) Nachts Regen. ²) Thau.

BUebersicht der Witterung.

Ein ziemlich tiefes Minimum, von Westen kom⸗ Piquet. mend, liegt über Südjütland, an der westdeutschen Küste auffrischende füdliche bis westliche Winde mit Regenwetter hervorrufend; ein neues Minimum scheint nordwestlich von Schottland heranzunahen. Im deutschen Binnenlande ist bei meist schwacher 3 Akten und füdlicher bis westlicher Luftströmung das Wetter wolkig und fast allenthalben wärmer, sodaß jetzt die Temperatur den Durchschnittswerth vielfach über⸗ schritten hat. Königsberg hatte gestern Gewitter. Bei der gegenwärtigen Wetterlage dürfte für das nördliche Deutschland Fortdauer der trüben Witterung mit Regenfall zu erwarten sein.

Deutsche Seewarte.

Müller.

Loge 1. Reihe

Theater⸗Anzeigen. Königliche Schauspiele.

haus 107. Vorstellung. i 2 Akten und 3 Bildern von Paul Taglioni. Musik von P. Hertel. Zum Schluß: Wiener Walzer. von L. Frappart und F. Gaul. gestellt von Joseph Bayer.

Schauspielhaus. 113. Vorstellung. Der Biblio⸗ thekar. Schwank in 4 Aufzügen von G. von Moser.

Sonnabend: Opernhaus. 108. Vorstellung. Der Widerspänstigen Zähmung. in 4 Akten von Herrmang 6 Shakespeare's gleichnamigem Lustspiele frei bearbeitet von Joseph Victor Widmann.

Schauspielhaus. 108. Vorstellung. Das Käthchen von Heilbronn, oder: Die Feuerprobe. Großes bistorisches Ritterschauspiel Heinrich von Kleist.

Beutsches Theater. Freitag: Die Kinder der

Sonnabend: Das⸗Wintermärchen.

Sonntag: Krieg im Frieden.

Die nächste Aufführung von Fanust I. Theil findet am Montag statt.

Berliner Theater. Freitag: 34. Abonnements⸗ Der Veilchenfresser.

Sonnabend: Uriel Acosta. Sonntag, Nachm. 2 ½ Uhr: Schuldig. Abends 7 ½ Uhr: Der Veilchenfresser.

Tessing-Theater. Freitag: Ultitw. Vorletztes Gastspiel von Friedrich Der Königslientenant. Partie Piqnet.

Sonntag: Le

tztes Gastspiel von Friedrich Haase. Der Königsli 5 8

entenant. Hierauf: Eine Partie

Wallner-Theater. Freitag: Zum 21. Male: Des Teufels Weib. einem Mortier, bearbeitet von Th. Herzl. Musik von Adolf Anfang 7 ½ Uhr.

Sb der Plätze: Orchester⸗ u. Fremden⸗

6 ℳ, desgleichen 2. und 3. Reihe 5 ℳ, I. Rangloge 4 ℳ, I. Rang⸗Balkon 3 ℳ, I. Parquet 3 ℳ, II. Parquet 2 ℳ, II. Ranabalcon 1. Reihe 1 50 ₰, II. Rangbalcon 2. bis 7. Reihe sowie Loge 1 ℳ, Gallerie 50 ₰. 8

Sonnabend und folgende Tage: Weib.

Opern⸗ Ballet in

Freitag: Militaria.

Musikdirektor Hertel. In 3 Bildern ie Musik zusammen⸗ Anfang 7 ½ Uhr.

irigent: 1 28. Saint Cyr.

Sonnabend: Saint Cyr. Am 2. Mai Täglich: Große Concerte.

Komische Oper Gesangs⸗ und Instrumentalkünstler.

Götz. Text nach

Anfang 7 Uhr. 75 ₰.

piel in 5 Aufzügen von Anfang 7 Uhr. burg. Freitag: Zum 7.

von Carl Lindau.

Schlesinger. Anfang 7 ½ Uhr.

Kroll’s Theater.

Anfang (Donna Anna: Fr. Lilli Lehmann,

als Gäste.) Anfang 7 Uhr.

Belle-Alliance-Theater. 12. Male: Der Giftmischer.

8

Hierauf: Eine Carl Tellheim. Sternheim.

artigstes Sommer⸗Etablissement

hantastisches Singspiel in orspiel von Meilhac und

meisters Herrn Joh. Doebber.

Gasflammen.

Vorstellung 7 ½ Uhr. Sonnabend und folg. Tage:

Abonnements⸗Billets à 10

Friedrich-Wilhelmstädtisches Freitag: Mit neuer Ausstattung, zum 15. Male: Akt: 1e8 inel. Operette in 3 Aufzügen (mit theil⸗ 4. Akt: Der unselige Toupi el. weiser Benutzung eines Stoffes von „A. Du von Oscar Walther. Musik von Rudolsf Dellinger. Fe Ses In Scene gesetzt von Julius Fritzsche.

Hr. Kapellmeister Federmann. Anfang 7 Uhr.

Eröffnung des Concerts⸗Parks. Auftreten belrühmter Entrée ftür Park und Stebplatz im Theater, soweit der Raum reicht, Saison⸗Billets, berechtigend zum Egzntritt in den Park und Theater soweit der Raum r eicht, zu 6 sind an der Kasse zu haben. 1

Residenz-Theater. Direktion: Sigmund Lautlen⸗ Male: Schwank in 3 Akten von Albert Carrs. Regie: Emil Lessing. Wer das Größere nicht ehrt, ist das Kleine tre nicht werth. Schwank in 1 Aufzug von Sigmufid

Sonnabend und folg. Tage: Dieselbe Vorstellunzg.

Freitag: Frl. Marie Lehmann, Don Juan: Sgr. d'Andrabde

Sonnabend: Die Hochzeit des Figaro. 8

Freitag: 8 Schwank in 4 Aktert

nach dem Französischen von Fritz Brentano undd In Scene gesetzt vom Direktomg

Eröffnung der Sommer⸗Saison. Im prachtvollenz, glänzenden Sommergarten (vornehmstes und groß⸗

Großes Doppel⸗Concert, ausgeführt von dem Musik Corps des 3. Garde⸗Regiments z. F. (in Uniform) unter persönlicher Leitung des Königlichen Musik Direktors Herrn Arnold und der Musik⸗Kapelle des Belle⸗Alliance⸗Theaters unter Leitung des Kapell⸗-h Brillante Illumi⸗ nation des ganzen Garten⸗Etablissements durch 50 000 Anfang des Concerts 6 Uhr, der

Der Giftmischer. (Familien⸗Billets e à 7 50 ₰) sind an der Kasse zu haben.

Adolph Ernst-Theater. Freitag: Benefiz für Gustav Görß. Zum 75. Male: Adam und Eva. Gesangsposse in 4 Akten von Eduard Jacobson und Leopold Elv. Couplets von Jacobson und Gustav Görß. Musik von Adolph Ferron Im Parodistische

Des Teufels

Einlage. Anfang 7 ½ Uhr.

Dum ³) Der Sommer⸗Garten ist geöffnet.

Thomas-Theater. Alte Jakobstraße 30. Freitag: Zum 41. Male: Der Millionenbauer. Volksstück in 4 Akten von Max Kretzer. Gesangstexte im 3. Akt von A. Schönfeld. Musik von G. Steffens. Anfang 7 ½ Uhr.

Sonnabend und folgende Tage: Der Millionen⸗ bauer.

Krania, Anstalt für volksthümliche Naturkunde.

z Am Landes⸗Ausstellungs⸗Park (Lehrter Bahnhof). Geöffnet von 12 11 Uhr. Täglich Vorstellung im wissenschaftlichen Theater. Näheres die Anschlag⸗

zettel. Familien⸗Nachrichten. 2, Verlobt: Frl. Eva Lutze mit Hrn. Predigtamts⸗ kandidat Ferdinand Gründler (Rohrlack—- Dram⸗ burg). Frl. Martha Hennige mit Hrn. Prem.⸗ 18 Lieut. Wilhelm von Goerne (Magdeburg). Don Juam. Verehelicht: Hr. Regierungs⸗Assessor a. D. Hugo Donna Elvirch: von Rosenthal⸗Brynnek mit Frl. Sophie von Bockelmann (Schweidnitz). Hr. Regierungs⸗ i Assessor Gerstberger mit Frl. Else Klopsch (Neisse). Geboren: Ein Sohn: Hͤrn. E. U. von Bülow⸗ 1 Trummer (Wamekow). Eine Tochter: Hrn Premier⸗Lieut, von Lieres und Wilkau (Breslau). Hrn. Amtsrichter Dr. Kruttge (Breslau) Gestorben: Hr. Oberst⸗Lieut. a. D. Rudolf von Schmeling⸗Diringshofen (Charlottenburg). Hr. Second⸗Lieut. Constantin von Dziembowski (Berlin) Verw. Frau Clara von Malschitzki, geb. von Schröter (Schwerin i. M.). Hr. Pastor Wilhelm Gercke (Kenz). Verw. nrier Sophie Bierwagen, geb. Ostydlo (Kon adt).

Dr. Joj o. Deut sch

Vorheir:

der Residenz)

Redacteur: Dr. H. Klee, Direktor. Berlin: Verlag der Expedition (Scholz).

Druck der Norddeutschen Buchdruckerei und Verlags⸗ Anstalt, Berlin SW., Wilhelmstraße Nr. 32. 3

Neun Beilagen (einschließlich Börsen⸗Beilage).

3 8

würden.

rau Bürger⸗-

Deutscher Reichstag. 110. Sitzung vom Mittwoch, 29. April.

Am Bundesrathstische der Staatssekretär Freiherr von Maltzahn.

„Die Berathung der Zuckersteuervorlage wird fortgesetzt mit §. 67, wonach vom 1. August 1892 an auf drei Jahre zur Erleichterung des Ueberganges für die Zuckerindustrie eine Exportprämie von 1 für den Doppel⸗Centner Zucker gewährt werden soll.

Abg. Fürst Hatzfeldt beantragt, eine feste Ausfuhr⸗ prämie von 1,25 ohne zeitliche Begrenzung zu bewilligen; die Abgg. Dr. Orterer und Spahn wollen für fünf Jahre Zuschüsse aus dem Ertrage der Zuckersteuer gewähren und zwar für die ersten drei Jahre 1,25 ℳ, für die darauf folgenden Jahre 1 für den Doppel⸗Centner Zucker. Die Abgg. Graf Udo Stolberg und Hultzsch wollen für acht Jahre Prämien gewähren, und zwar für die ersten vier Jahre 1,50 ℳ, für die nächsten vier Jahre 1 Endlich wollen die Abgg. Dr. Witte, Dr. Barth, Schrader und Dr. Dohrn den ganzen §. 67 streichen, d. h. die Exportprämien sofort abschaffen.

Abg. Graf Stolberg: Die plötzliche Abschaffung der Prämien ohne Uebergangszeit würde die kleinen, ungünstiger gestellten Fabriken zu Grunde richten; nach Ueberwindung der Uebergangszeit würden nur die großen Fabriken bestehen bleiben. Viel konsequenter sei der Standpunkt der Sozialdemokraten; die Beseitigung jeder Zuckersteuer könnte der Industrie nur angenehm sein. Das gehe aber einfach nicht, und auch die Sozialdemokraten würden in Verlegenheit sein, Vorschläge zu machen, wie der Ausfall für die Reichskasse gedeckt werden sollte. Er halte grundsätzlich den Antrag des Fürsten Hatz⸗ feldt für den richtigen; er würde ein Kompensationsobjekt für die Unterhandlungen mit Frankreich darbieten. Aber er habe den großen Nachtheil, daß er die Agitation gegen die offene, im Etat ersichtliche Prämie von Jahr zu Jahr verschärfen wärde. Von den übrig bleibenden Anträgen Orterer und Stolberg scheine ihm der seinige praktischer, da er mehr Zeit gewähre, mit Frankreich auf dem Wege der Verhandlung zum Ziele zu gelangen. Seine Partei würde sehr bedauern, wenn überhaupt nichts zu Stande käme; damit rücke die Gefahr näher, daß einmal eine Zuckersteuer ohne Uebergangsstadium oktroyirt werde. Er werde zunächst für den Antrag Hatzfeldt, dann für den seinigen stimmen.

Abg. Fürst Hatzfeldt: Der Reichskanzler habe vorgestern ganz allgemein davor gewarnt, von Beunruhigung des Landes zu sprechen. Er (Redner) habe mit seinen Ausführungen durchaus nicht beun⸗ ruhigen wollen. Die Erfahrung beweise, daß die überraschende Entwickelung der Zuckerindustrie in Frankreich noch nicht an der Grenze ihrer Fähigkeit angelangt sei. Entweder sei die Zucker⸗ industrie schon heute konkurrenzfähig, dann müßten die Prämien überhaupt abgeschafft werden, oder sie sei es noch nicht, dann müsse man die Prämien bis auf Weiteres beibehalten; nicht aber könne man sagen, wir behalten die Prämien auf fünf oder acht Jahre bei, und dann wird die Industrie auf jeden Fall konkurrenzfähig ge⸗ worden sein, und zwar auch dann, wenn Frankreich seine Prämien beibehält. Die Furcht vor der Agitation könne ihn nicht in seiner Auffassung wankend machen. Stelle man jetzt Prämien auf be⸗ stimmte Zeit fest, so werde Frankreich die seinigen zwei oder drei Jahre länger, nämlich so lange beibehalten, bis Deutschland vom Weltmarkt verdrängt sei. Die Situation sei dieselbe wie 1873 bei der Aufhebung der Eisenzölle; auch der damalige Beschluß des Reichs⸗ tages habe sich als ein verhängnißvoller erwiesen. Die Konkurrenz des Auslandes sei so groß, daß Deutschland ohne die Zölle nicht be⸗ stehen könne. Man mäge also seinen Antrag annehmen! Seine Partei vertraue darauf, daß es den verbündeten Regierungen möglich sein werde, mit dem Auslande ein Abkommen zu treffen, wodurch die ganze Prämienwirthschaft überhaupt beseitigt werde. (Beifall rechts.)

Abg. Dr. Witte: Daß seine Partei von einer Abneigung gegen die Zuckerindustrie erfüllt wäre, daß sie gerade den schlechtergestellten im Lande übel wolle, sei ganz unrichtig. Er sei in diesem

ause stets dir entgegenkommendste Freund dieser Industrie, richtig verstanden, ge besen. Er stimme auch darin mit dem Reichskanzler überein, daß, wenn jetzt nichts zu Stande komme, die Vertheidiger der heutigen falschen Position sich in viel ungünstigerer Lage befinden Gerade die Folge der falschen Gesetzgebung sei es, daß sie

zu lange, ungesunde Entwickelung dieser, Industrie hervorgerufen habe. Man mache dem Reichstage mit der Konkurrenz des Aus⸗ landes viel mehr bange als thatsächlich gerechtfertigt sei; die drohende Konkurrenz Amerikas sei eine Fabel. Heute wie früher gebe es in Amerika nur drei Rübenzuckerfabriken. Für die Geringfügigkeit der amerikanischen Konkurrenz lege auch der als zuverlässiger Volkswirth bekannte Professor Paasche Zeugniß ab. Dasselbe gelte von den Rohrzuckerländern; die Verhäaltnisse dort machten es mehr als un⸗ wahrscheinlich, daß wirklich konkurrirende ungeheure Zuckermengen von dort auf den europäischen Markt geworfen werden könnten. Seine Partei wolle das Gesetz schon mit dem 1. August 1891 in Kraft treten und mit demselben Termin die Ex⸗ portprämien fortfallen lassen. Die Regierungsvorlage spreche von schonender Fürsorge für die Uebergangszeit. Was solle aber nachher geschehen, wie solle sich die Industrie für diese Zwischenzeit ein⸗ richten? Solle der Rübenbau eingeschränkt werden, oder was solle sonst geschehen. Er sei der Meinung, daß nach acht, fünf oder drei Jahren die Industrie gerade so beschaffen sein werde, wie sie beute sei. Für die ungünstiger gestellten Fabriken, welche sich mehr als reine Geschäftsunternehmungen charakterisirten, könne man keine Aus⸗ nahmebestimmungen machen; diese Unternehmungen müßten ihr Schick⸗ sal selbst tragen; um sie zu halten, müßte die Prämie noch viel höher sein, als sie sei, oder einstweilen bleiben solle. Die außer⸗ ordentliche Ausdehnung der Zuckerindustrie in Frankreich sei gar nicht in Vergleich zu stellen, denn bis 1886 seien dort Zuckerrübenbau und Zuckerfabrikation sehr herabgegangen; erst durch die Einführung des von Deutschland übernommenen anderweitigen Systems und durch die Zahlung ganz ungebeurer Prämien sei diese Entwickelung in den letzten fünf Jahren erfolgt. Man möge doch die nächsten fünf Jahre ab⸗ warten, die würden ein ganz anderes Bild zeigen! Sobald Deutschland durch den Fortfall der Prämien gezwungen sei, seinen Se in London theurer zu verkaufen, werde der Preis auf dem eltmarkt steigen, und zwar dauernd steigen. Gerade die Uebergangs⸗ zeit bringe ein ungesundes Element in die Eutwickelung der deutschen Zuckerindustrie hinein.

Abg. Dr. Orterer: Seine Partei stehe fast einstimmig zu dem Antrage, den der Abg. Spahn und er eingebracht hätten. Gegenüber dem Abg. Dr. Witte sei er der Meinung, daß eine schonende Ueber⸗ gangszeit der Industrie gewährt werden müsse; auf alle Weise müsse außerdem darauf hingewirkt werden, daß der Reichstag die Vorlage in irgend einer auch der Regierung annehmbaren Weise zu Stande bringe. Der Abg. Dr. Witte frage, was denn die Industrie in der Uebergangszeit beginnen solle. Der Abg. Dr. Witte habe bei der früheren Vertretung seines Standpunkts der reinen Fabrikat⸗ steuer, der jetzt fast durch den ganzen Reichstag als der richtige an⸗ erkannt worden sei, stets zugegeben, daß ein Uebergangsstadium zur Einrichtung auf die neuen Verhältnisse erforderlich sei. Wollten die

8 Berlin, Donnerstag, den 30. April

Herren positive Arbeit machen und ohne Hintergedanken die Reform fördern, dann dürften sie sich darüber nicht unklar sein, daß die grundsätzlich richtige Forderung der sofortigen Aufhebung der Prämien weder heute noch in der nächsten Zeit erreichbar sei. Er wisse auch nicht einmal, ob die Anträge, welche der Abg. Dr. Witte unter⸗ stütze, von der ganzen freisinnigen Partei vertreten würden, wenigstens habe die „Freisinnige Zeitung“ sich mit diesen Anträgen nicht identi⸗ fizirt. Im Jahre 1887 habe der Abg. Dr. Witte selbst eine Prämie mit sinkender Skala für eine Reihe von Jahren für den Fall des Ueberganges zur reinen Konsumsteuer zugestanden. Das Verdikt über die Materialsteuer sei gesprochen. Die Exportprämien hatten gerade für Bayern die Unmöglichkeit geschaffen, Rübenzuckerindustrie zu treiben; gerade durch diese versteckte Prämie aber sei ein Zustand der Ueberproduktion hervorgerufen worden, der die Industrie einer Krisis nahe zu bringen gedroht habe. Die Aufrechterhaltung der Bedeutung der heimischen Zuckerindustrie habe von Jahr zu Jahr mit höheren Opfern erkauft werden müssen. Dagegen zeige die Er⸗ fahrung mit dem Gesetz von 1887, daß die erhebliche Reduktion der Prämie den Export nicht geschädigt habe, und daß der Rüben⸗ bau erheblich zugenommen habe. Die Prophezeiung, die auch damals ausgesprochen worden sei, daß der Untergang der Industrie unaus⸗ bleiblich sei, babe sich nicht bewahrheitet. Es sei nicht ohne Weiteres berechtigt, die Interessen der Zuckerindustrie als identisch zu betrachten mit den Interessen der Landwirthschaft. Letztere solle in allen ihren Theilen geschützt werden, darüber bestehe bei der Mehrheit kein Zweifel. Um so mehr habe er sich gewundert, daß von dem Abg. Fürsten von Hatzfeldt und dem Abg. Dr. von Bennigsen ein so scharfer Ton angeschlagen worden sei, der sich auch gegen das schutzzöllnerischen Tendenzen stets freund⸗ lich gesinnte Centrum gerichtet habe. Freundlicher habe sich allerdings der Abg. Dr. Buhl zu der Vorlage gestellt; mit ihm und den iu ihm stehenden Nationalliberalen würde sich vielleicht eine Verstän⸗ digung und mit einem Theile der konservativen Parteien dann eine Mehrheit erreichen lassen. Zunächst aber brauche man eine Erklärung der verbündeten Regierungen. In einem Punkle nur habe der Reichs⸗ kanzker sich deutlich ausgesprochen, nämlich daß die Aeternität der Prämien von den verbündeten Regierungen kaum bewilligt werden würde. Die Gründe dafür seien auch für das Centrum so aus⸗ schlaggebend, daß es dem Antrage des Fürsten Hatzfeldt auf keinen Fall zustimmen könne. Es müsse auch in dieser Frage die Soli⸗ darität der Interessen zum Austrag kommen, die Gegensätze müßten überbrückt, dem Gesetz müsse ein fester Boden im Hause geschaffen werden. Auf dem Boden seines Antrages werde dies am ehesten möglich sein. Geschehe das nicht, so werde ein Theil seiner Partei auf die Regierungsvorlage zurückgreifen.

Staatssekretär Freiherr von Maltzahn:

Meine Herren! Bindende Erklärungen über die Stellung der verbündeten Regierungen zu den vorliegenden Abänderungsanträgen werden Sie heute von mir weder erhalten, noch erwarten. Die Stellung der verbündeten Regierungen ist niedergelegt in der von ihnen dem Reichstage gemachten Vorlage. Die verbündeten Regierungen sind den Kommissionsverhandlungen gegenüber, welche mit einem negativen Resultat abschlossen, nicht in der Lage gewesen, bisher über eine Abänderung ihrer Stellung schlüssig zu werden; sie sind selbstver⸗ ständlich ebenso wenig in der Lage, Stellung zu nehmen zu den Abänderungsanträgen einzelner Mitglieder oder einzelner Parteien dieses Hauses, bevor ein Beschluß des Reichstages vorliegt. Erst wenn der Reichstag in zweiter Berathung Beschlüsse gefaßt haben wird, werden die verbündeten Regierungen in der Lage sein, zu prüfen und zu entscheiden, ob und eventuell mit welchen Abände⸗ rungen die Beschlüsse des Reichstages zweiter Lesung ihnen annehmbar erscheinen, oder, wenn diese Beschlüsse in wesentlichen Punkten Lücken aufweisen sollten, ob und auf welcher Grundlage ihnen für die dritte Berathung etwa eine Verständigung möglich scheint. Ich bitte also, dasjenige, was ich in Bezug auf die einzelnen Abänderungsanträge sage, wie es der Natur der Dinge nach nicht anders der Fall sein kann, heute nur als den Ausdruck meiner persönlichen; Meinung auf⸗ zunehmen, meiner Meinung, die sich allerdings darauf gründet, daß die Ansichten der verbündeten Regierungen im Allgemeinen mir bekannt sind, daß ich also mit einem gewissen Grade von Wahr⸗ scheinlichkeit mich darüber aussprechen kann, wie wohl die Entscheidung der verbündeten Regierungen ausfallen dürfte.

Nun verlangen die sämmtlichen zu §. 67 gestellten Anträge eine wesentliche Abänderung der Vorlage. Ich habe aber bereits in der Kommission erklärt, daß ich Grund zu der Annahme habe, daß die verbündeten Regierungen, wenn im Uebrigen der Inhalt des Gesetzes ihnen annehmbar erscheint, aus einer Abänderung der Bestim⸗ mungen des §. 67 einen Grund zur Ablehnung des Gesetzes nicht entnehmen würden. Das Maß der Wahrscheinlichkeit für die An⸗ nahme eines abändernden Beschlusses des Reichstages durch die ver⸗ bündeten Regierungen vermindert sich natürlich mit dem S rade, in welchem sich das Ergebniß dieses Antrages von dem Ergebniß der Vor⸗ lage entfernen würde.

Ich bitte Sie nun, mir zu gestatten, in dieser Hinsicht die ge⸗ stellten Anträge zunächst auf ihre finanzielle Wirkung einer kurzen Prü⸗ fung zu unterziehen. Wir werden uns ja über die finanzielle Bedeu⸗ tung des Gesetzentwurfs, wie ich annehme, bei §. 2 eingehender zu unter⸗ halten haben; beim §. 67 beschränke ich mich zunächst darauf, daran zu erinnern, daß unser Export zur Zeit rund gerechnet 8 Millionen Doppelcentner beträgt und daß, wenn man davon absieht, wie die Zahlen sich verschieben, je nachdem Rohzucker oder Raffinade erster oder solche zweiter Klasse exportirt wird, man ungefähr sagen kann: eine Mark Exportprämie bedeutet jährlich den Verzicht auf 8 Millionen Einnahme; 25 erhöhte Exportbonifikation bedeutet also einen Ver⸗ zicht auf rund 2 Millionen Einnahme für die Reichsfinanzen. Von diesem Standpunkte aus scheint mir nun der Antrag Spahn⸗Orterer sich von der Regierungsvorlage am Wenigsten weit zu entfernen.

Der Antrag Graf Stolberg⸗Hultzsch schlägt vor, für vier Jahre eine Prämie von 1,50 zu geben, für weitere vier Jahre eine Prämie von 1 Ich will beiläufig bemerken, daß bei einer längeren Ausdehnung des Uebergangsstadiums auch mir eine Ver⸗ minderung im Laufe der Zeit angezeigt erscheint. Eine Prämie von 1,50 ℳ, auf vier Jahre gewährt, würde bedeuten den Verzicht auf eine Einnahme von jährlich rund 12 Millionen zusammen 48 Millionen. Eine weitere Gewährung einer Prämie von 1 für vier Jahre würde bedeuten einen weiteren Verzicht auf eine Ein⸗ nahme von 4 8 = 32 Millionen; beides zusammen bedeutet den Verzicht auf eine Einnahme von 80 Millionen.

Der Antrag des Fürsten von Hatzfeldt will nur 1,25 Prämie; das bedeutet jährlich den Verzicht auf eine Einnahme von rund 10 Millionen, aber er will diese Exportbonifikation gewähren „bis auf Weiteres“. „Bis auf Weiteres“ heißt dauernd, wenn es nicht aufgehoben wird; es heißt aber allerdings auf der anderen Seite: auf tägliche Kündigung. Verstehe ich es im letzteren Sinne, so würde ja unter Umständen die Annahme dieses Antrages finanziell für die Reichskasse weniger bedenklich sein, als der Antrag Graf Stol⸗ berg⸗Hultzsch. Aber ein derartiges Stellen der Verhältnisse der Zucker⸗ industrie auf tägliche Kündigung haben die verbündeten Regierungen bei Einbringung ihrer Vorlage nicht für zweckmäßig erachtet; sie haben mit voller Absicht Ihnen die Gewährung einer Uebergangszeit vor⸗ geschlagen und die zeitlich bestimmte Begrenzung dieser Uebergangszeit. Ich sehe mich also genöthigt und ich glaube, darin auch im Sinne des Hrn. Fürsten Hatzfeldt zu urtheilen —, den Antrag so zu verstehen, daß diese Prämie bei gleichen Verhältnissen in unseren Konkurrenzländern selbst über acht Jahre hinaus weiter gewährt werden soll. Dann wird aber der finanzielle Effekt des Hatzfeldt'schen Antrages für die Reichskasse ungünstiger, als der Antrag Graf Stolberg.

Der Antrag Dr. Orterer⸗Spahn will für die drei Jahre, welche auch in der Regierungsvorlage als Uebergangszeit vorgeschlagen waren, einen Zuschuß von 1,25 gewähren. Das bedeutet also einen Verzicht auf eine Einnahme von jährlich rund 10 Millionen zusammen also 30 Millionen. Er will für zwei weitere Jahre 1 Ausfuhrbonifikation gewähren, macht 16 Millionen zusammen 46 Millionen, finanziell also unter diesen drei Anträgen die geringste Einbuße für die Reichskasse. Von diesem Gesichtspunkt glaube ich daher, daß im Sinne der verbündeten Regierungen diesem Antrag das geringste Maß von Bedenken entgegenstehen wird.

Ich komme nun zu dem finanziell allerdings günstigsten Antrag des Hrn. Abg. Dr. Witte, der weder überhaupt eine feste Erxportprämie während einer Uebergangszeit gewähren, noch ich darf das hier wohl gleich erwähnen das Gnadenjahr von 1891/92 der deutschen Zucker⸗ industrie zugestehen will. Der Antrag Witte entfernt sich meiner Meinung nach mit am Weitesten von den Grundlagen, von denen die verbündeten Regierungen ausgehen. Diese wollen die neuen Ver⸗ hältnisse nicht ohne Weiteres einführen. Sie halten sich zur Ge⸗ währung eines Uebergangszustandes im Interesse der deutschen Zucker⸗ produktion und der deutschen Landwirthschaft für verpflichtet. Nun fragt der Hr. Abg. Dr. Witte, und er hat diese Frage direkt an mich gerichtet: ja, was soll nun in der Uebergangsperiode eigentlich ge⸗ schehen? Ich scheide in der von der Regierung vorgeschlagenen vierjährigen Uebergangsperiode das erste Jahr, für das wir Ihnen vorgeschlagen haben, es einfach bei den jetzigen Bestimmungen zu be⸗ lassen, von den drei späteren. Während jenes ersten Jahres, also für die Campagne 1891/92, soll die deutsche Zuckerproduktion einfach in den Stand gesetzt werden und in den Stand gesetzt bleiben, die heute schon und auf Grund der bisherigen Zustände abgeschlossenen Verträge zu halten. Der Rübenbau für die nächste Campagne ist in vollem Gange, er beruht entweder auf bereits abgeschlossenen Verträgen oder auf that⸗ sächlichen Verhältnissen, die den Rübenbauer zu der sicheren Er⸗ wartung berechtigen mußten, daß er für die von ihm in diesem Jahre gebauten Rüben unter den bisherigen Bedingungen Absatz finde. Mitten in einer solchen Periode die ganze Grundlage der Industrie zu verändern und das thun Sie doch durch die Entziehung der Exportbonifikation —, das halten wir nicht für verantwortlich. Und auch wohl nicht der Hr. Abg. Witte; wenigstens hat er in der Kom⸗ mission selber sich nicht so scharf ausgesprochen, wie heute in seinem Antrage. Was nun aber die nächsten drei Jahre betrifft, so sagt der Herr Abgeordnete: was soll die Zuckerindustrie in diesen drei Jahren thun, wie soll sie sich auf die Veränderung einrichten? Da frage ich Sie zunächst: Handelt es sich etwa nicht um eine Veränderung, die auf die ganze Einrichtung des Betriebes Einfluß üben muß, ist es wirklich gleichgültig, ob ein Theil der Besteuerung des Zuckers wie bisher erhoben wird von der Fabrikation, oder ob in Zukunft die Fabrikation frei, ohne Steuer und ohne Betriebskontrole arbeiten soll, und ob wie bisher die von dem Material erhobene Steuer bei der Ausfuhr in einem erhöhten Betrage zurückbezahlt wird, oder ob dieses Verfabren in Zukunft fortfällt und der Export ohne Prämie stattfindet? Das bisherige System führte mit Noth⸗ wendigkeit daiu, die Rübe so zuckerreich wie möglich zu ge⸗ stalten, in einem möglichst kleinen Rübenkörper möglichst viel Zucker zu konzentriren und den Betrieb, selbst unter erhöhten Kosten, so einzurichten, daß aus diesem zuckerreichen Körper das größtmögliche Quantum Zucker gewonnen würde. Glauben Sie, daß, wenn das System der Rubenbesteuerung aufgegeben wird, unsere deutsche Zucker⸗ industrie unbedingt an diesem Fabrikationsbetriebe bis in die äußersten Konsequenzen festhalten wird? Ich glaube und das ist der Stand⸗ punkt der verbündeten Regierungen —, daß unsere deutsche Zucker⸗ produktion sehr wohl die Mittel hat, auch auf andere Weise der Kon⸗ kurrenz des Auslandes zu begegnen; aber die Zeit müssen Sie ihr lassen, die dazu nothwendigen Veränderungen ihres Betriebes vor⸗ zunehmen.

Dann, meine Herren, wollen wir die, im Ganzen vierjährige Uebergangszeit auch um deswillen, weil wir der Meinung sind, daß in unseren Konkurrenzstaaten der Schritt, den wir jetzt vorgethan haben, nachgethan werden wird und nachgethan werden muß. Wir wollen eine Zeit lassen dafür, daß unsere Nachbarstaaten uns folgen können, und für diese Zeit wollen wir, wie ich mich in der ersten Lesung ausgedrückt habe, Ball und Stock in der Hand behalten. Wenn Sie einen bestimmten Endtermin für die Prämie in das Gesetz hinein⸗ schreiben, in der Erwartung, daß die Konkurrenzländer uns folgen werden oder unsere inländische Industrie so gestellt sein wird, daß sie ohnedies der ausländischen Konkurrenz voll begegnen kann, und wenn sich nun in der Erfahrung wider Erwarten herausstellen sollte, daß einerseits das Ausland seine Prämien nicht herabsetzt, und daß andererseits die deutsche Zuckerindustrie wirklich nach Ablauf dieser vier Jahre wesentlich in Folge dieser Verhältnisse zurückgegangen