1891 / 101 p. 6 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 30 Apr 1891 18:00:01 GMT) scan diff

Weiter mußte der Regierung fraglich werden, ob, wenn eine Aenderung im Verfahren eintritt, eine räumliche Begrenzung für die Theile des Welfenfonds, die nicht mehr direkt gegen die Abwehr von Angriffen des Königs Georg erforderlich sind, durchführbar ist, ob also mit anderen Worten es räthlich ist, die Revenüen des Welfen⸗ fonds, über die die Regierung verfügen kann, bloß für die Provinz Hannover auszugeben, oder ob sie auch an anderen Stellen Verwen⸗ dung finden sollen.

Es kam endlich zur Sprache und dies ist eine der technisch schwierigsten Fragen bei der ganzen Sache —: Wie soll dem Bedürfniß des Reichs abgeholfen werden, welches zum Theil aus dem Welfen⸗ fonds befriedigt worden ist, dem Bedürfniß nach einem größeren Fonds zu geheimen Ausgaben? Auf dem Etat des Auswärtigen Amts des Deutschen Reichs stehen jährlich 48 000 für geheime Ausgaben. Der Fonds hat sich, so viel ich weiß, durch lange Jahre in seiner Höhe nicht geändert und brauchte sich nicht zu ändern, weil er aus dem Welfenfonds aufgefüllt wurde. Daß aber ein großes Reich mit einer solchen Summe seine ge⸗ heimen auswärtigen Ausgaben nicht bestreiten kann, ist zweifellos man würde diese Summe nahezu verzehnfachen können, wenn man denjenigen Betrag aufbringen wollte, der unumgänglich erforderlich ist, einen Betrag, wie ihn alle anderen Staaten ausgeben. Ich kann versichern: Wir sind in dieser Beziehung sparsame und un⸗ bemittelte Leute dem gegenüber, was andere Staaten für die geheimen Zwecke ihrer auswärtigen Politik aufwenden.

Nun war dieses Geld aus dem Welfenfonds dem preußischen Minister des Auswärtigen zugefallen; dadurch, daß dieses Amt sich in der Personalunion mit dem Reichskanzler befindet und befand, wurde es nahe gelegt, nicht zu unterscheiden: Was ist hier preußische Ausgabe? und was ist Reichsausgabe? Wenn man einmal die Deduktion von der mittelbaren Abwehr der Zwecke des Königs Georg angenommen hatte, so hatte Preußen ein sehr lebhaftes Interesse daran, daß das Reich erstarkte; denn gegen das Reich richteten sich diese Angriffe auch; Preußen hatte also das Interesse, das Reich zu unter⸗ stützen und von den Geldern, die ihm aus dem Welfenfonds zuflossen, auch dem Reich einen Theil zu geben, und das um so mehr, als der preußische Minister des Auswärtigen, der ja im Wesentlichen auf den Verkehr mit den anderen deutschen Staaten und mit dem Vatikan beschränkt ist, keinen Anlaß hatte, solche Summen auszugeben.

Nun sehe ich als feststehend an, daß ein ungleich höherer Fonds für geheime Ausgaben dem Reichskanzler und dem Staatssekretär des Auswärtigen Amts zur Verfügung gestellt werden muß, als die 48 000 ℳ, über die sie bisher verfügten, ehe auf den Welfenfonds und dessen Verwendung zu diesem Zweck verzichtet werden kann. Wir werden einen Theil unserer Politik zum Stillstand bringen und Folgen herbei⸗ führen, für die wir die Verantwortung nicht übernehmen könnten, wenn wir nicht, ehe wir das Geld, das der Welfenfonds bisher gab, aus der Hand geben, in den Besitz eines anderen Fonds gesetzt sind. Das ist eine Schwierigkeit, von der wir glauben, daß sie überwindbar sein wird; aber sie ist technisch nicht unbedeutend, fordert jedenfalls zu viel Zeit, um für jetzt Reichstag und Landtag mit diesen Dingen zu be⸗ fassen.

Die Staatsregierung stand also im Frühjahr davon ab, einen definitiven Beschluß zu fassen; sie behielt aber im Auge, daß diese Dinge geändert werden sollen, und hat sich jetzt nun so weit schlüssig gemacht, daß sie des festen Willens ist, in der nächsten Session ein Gesetz vorzulegen, das auf Aenderung der Verwendung des Welfen⸗ fonds abzielt. Davon wird abzusehen sein, daß der Welfenfonds in den nächsten Jahren dem Hause Hannover herauszuzahlen ist; auch davon wird abzusehen sein, daß er zur Staatskasse zu ver⸗ einnahmen ist. Ich glaube, Sie werden es verstehen, wenn ich mich über diese beiden Fragen hier nicht näher äußere, und sich mit meiner Versicherung begnügen, daß die Staatsregierung nicht in der Lage sein würde, jetzt, und soweit sich das übersehen läßt, auch im nächsten Jahre eine Veränderung in Bezug auf die bestehende Gesetz⸗ gebung einzuleiten, die in diesen beiden Richtungen läge. Ebenso wird festzuhalten sein, was die zwanzig Jahre hindurch festgehalten ist: daß eine Sparkasse aus dem Welfenfonds nicht werden darf. Es wird sich also das, was die Regierung plant, darauf beschränken müssen, die Zweckbestimmung, also die bisher gesetzlich feststehende Zweckbestimmung: Abwehr der Angriffe und Unternehmungen des Königs Georg und seiner Agenten, zu ändern und zu erweitern, die Verwaltung durchsichtiger zu machen und auch dem Lande einen Einblick und eine Kontrole über das zu geben, was mit dem Welfenfonds gemacht worden ist. In⸗ dessen auch jetzt liegen nach dieser Richtung noch Schwierigkeiten vor, die sich nicht so schnell überwinden lassen, daß wir, vollends in der vorgeschrittenen Session, im Stande wären, Ihnen einen Gesetz⸗ entwurf vorzulegen.

Ich kann mich also hier darauf beschränken, daß wie es schon im „Staats⸗Anzeiger“ ausgesprochen worden war die Regierung beabsichtigt, einen Gesetzentwurf Ihrer Beschlußfassung vorzulegen, welcher für die Dauer der Beschlagnahme die erforderlichen näheren Bestimmungen über die Verwendung der Revenüen dieses Vermögens und deren Kontrole zu treffen bestimmt ist. Indem ich diese Ver⸗ sicherung gebe, glaube ich gethan zu haben, was die Regierung thun kann, um der über diese Sache in der öffentlichen Meinung ent⸗ standenen Agitation und Beunruhigung entgegenzutreten. (Bravo!)

Abg. Rickert drückt dem Minister⸗Präsidenten seine An⸗ erkennung darüber aus, daß er die Mittheilung spontan gemacht habe, bedauert aber, daß er an gewissen Punkten, welche gegen die bisherige Verwendung des Welfenfonds geltend zu machen seien, zu schnell vorübergegangen sei. Bei der Schaffung des Fonds habe Fürst Bismarck die Regierung gewissermaßen dafür engagirt, daß der Landtag bei der Verwendung des Fonds mitwirken solle; dies Versprechen habe die Regierung trotz mehrfacher Anregungen aus dem Abgeordnetenhause bisher, also leider 23 Jahre lang, nicht er⸗ füllt. Das Abgeordnetenhaus habe eben zu viel Vertrauen gehabt, und namentlich die nationalliberale Partei, auch die freikonservative hätten aus Vertrauen ein Omissum begangen. Die Interpretation, die der frühere Reichskanzler der Verwendung des Fonds gegeben habe, sei entschieden unhaltbar gewesen. Nun handele es sich aber um die Zukunft, von der „Vergangenheit müsse man wohl absehen, aber man werde zusehen müssen, ob die frühere Regierung nicht für die bisherige Verwendung faßbar sei denn das Ministerverantwort⸗ lichkeitsgesetz sei keine Spielerei, namentlich dem Fürsten Bismarck Petnüber, der fortwährend seine Verantwortlichkeit betont habe.

daß die Verwendung vom Ministerium nicht mehr festzustellen sei, sei bisher nicht bekannt gewesen und stehe im Widerspruch mit den Mittheilungen vom Jahre 1874, wonach die Verwendung auf Staats⸗Ministerialbeschluß erfolgt sei. Die Verbrennung der Beläge sei schmerzlich und erscheine zwecklos in dem Preußen, das auf das Bestehen seiner Ober⸗Rechnungskammer stolz sei. Für die spätere Verwendung komme für den Landtag wesentlich nur die konstitutionelle 9 .“ 1 8

8

Frage in Betracht. Sachlich habe der Welfenfonds für die Welfen ehnmal so viel gewirkt, als im Sinne seiner Verwendung; diese Thatsache und die Erfahrungen mit dem Scezialisten⸗ gesetz sprächen dafür, hier reinen Tisch zu machen. Was die Pensionen anlange, die der Minister⸗Präsident erwähnt habe, so werde das Abgeordnetenhaus sich mit der Rechnungs⸗ legung in der Kommission begnügen, die nicht weiter publizirt zu werden brauche. Die Verwendung für geheime Reichsfonds sei nicht aktuell, zumal man annehmen müsse, der Reichstag werde die für geheime Fonds zu verwendenden Summen bewilligen, obwohl er, Redner, persönlich sich natürlich im Augenblick für seine Abstim⸗ mung hierüber nicht vinkuliren könne. Bis zur Regelung im nächsten Jahre möge nur darüber möge der Minister⸗Präsident noch eine Erklärung abgeben der Fonds nicht zu Zwecken verwendet werden, die mit der Bekämpfung der welfischen Bestrebungen nichts zu thun hätten, namentlich, daß für die Presse daraus nichts verwandt werde. Die Beseitigung dieser Wunde, die in weiten Kreisen große Be⸗ unruhigung erregt habe, sei im Interesse der Regierung selbst noth⸗ wendig.

Präsident des Staats⸗Ministeriums, Reichskanzler von Caprivi:

Was die Frage des Hrn. Abg. Rickert dahin angeht, wie die Regierung sich während des Interimistikums verhalten werde, so kann ich ihn beruhigen. Die Regierung wird während des Inter⸗ imistikums nach denjenigen Grundsätzen verfahren, die sie für recht hält und die sie in dem künftigen Gesetz niederzulegen, zum Ausdruck zu bringen für wünschenswerth hält. Daraus folgt nun aber nicht, daß ich in dem brennendsten Punkte der Rede des Hrn. Abg. Rickert, nämlich in dem von dem Verbrennen der Beläge, mit ihm einer Meinung wäre. (Heiterkeit) Der Herr Abgeordnete muß keine Ahnung davon haben, wie geheime Ausgaben ent⸗ stehen, wie sie gezahlt werden, wie sie gebucht werden, wie sie zu handhaben sind, wenn er glaubt, man könnte mit einer großen An⸗ zahl solcher Ausgaben überhaupt anders verfahren. (Sehr richtig!) In meiner Dienstzeit als Soldat bin ich im Kriege in der Lage ge⸗ wesen, auch solche Ausgaben machen zu müssen; ja, man genirt sich sehr oft, sich auch nur eine Quittung geben zu lassen (Heiterkeit), aber die Quittung aufzuheben in solchen Sachen, wäre doch in vielen Fällen geradezu ein sträflicher Leichtsinn. (Sehr richtig!) Es existiren also auch heute noch Ausgaben, bei denen wir, wenn wir überhaupt eine Quittung bekommen, sie nach wie vor verbrennen werden.

Die Ausgaben aus geheimen Fonds unterliegen nur der Kontrole des Ressort⸗Chefs, eben weil das Geheimniß, was Zweck dieses Fonds ist, verletzt werden würde, wenn man noch einen anderen Menschen hineinzöge. Es sind also ein großer Theil dieser geheimen Ausgaben von der Natur, daß wir mögen so entgegenkommend gegen das hohe Haus sein, wie wir wollen Sie niemals auch nur ein Wort darüber erfahren werden. Das Auswärtige Amt ist gar nicht in der Lage, über die Ausgaben, die es macht, irgend eine Andeutung zu machen.

Nun sagt der Abg. Rickert: Ja, Ihr gebt da für Zeitungen viel aus. Wie liegt es damit in der inneren Politik? Ich kann versichern, daß dem Herrn Minister des Innern der Theil des Welfen⸗ fonds, den er bekommen hat, zur Last ist, und daß er mir in diesem Jahre den größten nicht gebundenen Tbeil seines Antheils wieder⸗ gegeben hat. Ich habe mir schon bei einer früheren Gelegenheit erlaubt, mich dahin zu äußern, daß es ein Köhlerglaube ist, wenn man der Meinung ist, daß für die preußische und deutsche Presse aus diesem Welfenfonds große Summen ausgegeben worden seien. Das ist bei Weitem nicht in dem Umfange der Fall, soweit ich es überhaupt rückwärts verfolgen kann, denn ich muß immer wieder mich ver⸗ klausuliren: ich bin nicht in der Lage, das auf die 20 Jahre rück⸗ wärts zu übersehen. Soweit ich es aber verfolgen kann, ist das minimal im Vergleich zu dem, was man im Lande und in der Presse über diese Ausgaben glaubt und annimmt.

Was die Ausgaben in der Provinz Hannover angeht, so sihd die öffentlich bekannt; jeder Mensch in Hannover weiß, daß in Osnabrück Dieses, in Harburg Jenes, in Hannover das Dritte gebaut, ange⸗ kauft, angelegt ist. Im Augenblick wird in Hannover eine Garnison⸗ kirche gebaut, für die im vorigen Jahre die erste Rate, in diesem Jahre die zweite von mir aus dem Welfenfonds bewilligt worden ist. Es sind das Alles Dinge, die wir nicht geheim gehalten haben; wir haben auch kein Interesse daran, sie geheim zu halten. Es werden aber nach wie vor Ausgaben von der Staatsregierung und von der Reichsregierung gemacht werden müssen, die sich jeder Kontrole ent⸗ ziehen und die Sie ebenso wie Ausgaben aus anderen geheimen Fonds schließlich, wenn sie zu Ihrer Koanition kommen, nur in der Be⸗ ziehung als „Ausgaben aus geheimen Fonds“ wiedersehen werden, auch dem Rechnungshof entzieht sich das.

Ich darf mich hier wiederum auf den Minister Camphausen be⸗ rufen, der in dieser Beziehung gesagt hat:

„Ich bekenne Ihnen das offen, meine Herren, wenn es ein Bekenntniß wäre, denn es liegt ja in der Natur der Sache, daß über die Verwendung der zu geheimen Ausgaben bestimmten Fonds nur die betreffenden Ressort⸗Chefs, die durch unser Vertrauen mit der Verwaltang befaßt sind, zu entscheiden haben.“

So liegt die Sache auch noch heute, und das ist kein Unikum für den Welfenfonds, sondern das ist eine nothwendige Veranstaltung für alle geheimen Fonds. Wenn also der Hr. Abg. Rickert, wie er andentet, die Güte hat, vielleicht später für diesen Fonds zu stimmen den Fonds für geheime Ausgaben, den das Auswärtige Amt braucht —, so wird er immer wieder sich in der Nothwendigkeit be⸗ finden, zu bewilligen für Dinge, von denen er nichts weiß; das bleibt unvermeidlich.

Ich muß mich dann bei meiner früheren Auslassung unklar aus⸗ gedrückt haben, oder ich bin mißverstanden worden. Der Herr Ab⸗ geordnete sagt, das, was ich gesagt habe, stehe im Widerspruch mit dem, was im Jahre 1874 gesagt worden wäre; es wäre damals gesagt worden: „das Staats⸗Ministerium beschließt“. Das ist auch jetzt noch so: das Staats⸗Ministerium beschließt, daß dieser Minister so viel, jener Minister so viel von dem Fonds im laufenden Jahre haben soll; darüber aber, was der einzelne Minister damit macht, hat das Staats⸗Ministerium niemals befunden. Denn, wenn ich auch die Beläge von dem geheimen Fonds nicht mehr habe, so habe ich doch die Protokolle der Staats⸗Ministerialsitzungen, und daraus kann ich feststellen, wie verfahren worden ist. Es ist auch gar nicht möglich, daß eine Korporation wie das Staats⸗Ministerium darüber befinden soll, ob es nothwendig ist, im Auslande dies und das festzustellen, also ich will ein ganz harmloses Beispiel nehmen im Eisenbahnwesen eines fremden Staats, was für unsere militärischen Zwecke von Bedeutung werden

kann, festzustellen 8 ½ der Bahnbof da und da zum Ause-⸗

schiffen von großen Truxpenmassen eingerichtet ist oder nicht. Darüber kann nicht das Staats⸗Ministerium beschließen, nicht einmal über die Summe, die dafür bezahlt werden soll; das kann nur ein einzelner Mensch machen, das verhandelt meist der Ressort⸗Chef mit einem einzelnen Dezernenten. Je weniger Menschen von so etwas wissen, um so sicherer wird das Geheimniß bewahrt; das Geheimniß aber ist und bleibt Vorbedingung der Sache.

In Bezug auf die Benutzung des Welfenfonds im Innern, also gegen welfische Umtriebe, könnte man sich ja der Auffassung des Hrn. Abg. Rickert, daß damit nicht viel gemacht worden wäre, anschließen; und ich möchte annehmen, daß, indem die Regierung erklärt hat, daß sie über die künftige Verwendung mehr Licht geben wird, sie im Ganzen diese Auffassung theilt. Ich betone nochmals: es ist ein Unterschied, ob ich Geld ausgebe in der Provinz Hannover, um gegen Welfen zu agitiren, oder ob ich das Geld den Welfen gebe, damit sie gegen mich agitiren. Das Erstere können wir schon thun. Aber ob wir das Letztere verhindern können, das ist eine andere Frage!

So möchte ich denn den Hrn. Abg. Rickert bitten, an dem wohl⸗ wollenden Ansspruch, den er that, er wollte jetzt an der Sache nicht weiter rühren, festzuhalten und den Verhandlungen, in die wir ja zweifellos im nächsten Jahre eintreten werden, das Weitere vor⸗ zubehalten. (Bravo! rechts.)

Abg. Dr. Brüel führt aus, die Hauptfrage, die ihn wesentlich interessire, sei nicht die, mit der sich der Abg Rickert beschäftigt habe, sondern die, daß von Angriffen des Königs Georg seit dessen Tode nicht mehr die Rede sein könne und daß das Vermögen des Hauses Braunschweig und Cumberland durch die Beschlagnahme desselben nach dem Wortlaut des Gesetzes nicht berührt werden dürfe; die An⸗ sprüche des Herzogs von Cumberland an die Revenüen seien recht⸗ lich zweifellos. Erstaunlich sei, daß man diese Rechtsfrage nicht berühre und nur Interessenfragen hervorkehre, als läge die Verwendung dieses Geldes im Belieben des Ministeriums. Als Hannoveraner könne er (Redner) der Regierung mittheilen, daß die Hannoveraner wohl ihre hannoverschen Gefühle hätten und deshalb Hannoveraner in den Land⸗ und Reichstag sendeten, aber gegen Preußen nicht agitirten; die Wandlung solcher Gefühle eines Landes freilich brauche Zeit aber auch wenn die Nothwendigkeit einer Abwehr feindlicher Agitationen nöthig sei, dürfe man doch vom Rechts⸗ boden nicht abgehen und könne dem Herzog von Cumberland das ihm gehörige Geld nicht vorenthalten. Wenn man das Geld zu anderen Zwecken, z. B. Pensionen verwende, so möge die Deckung dafür der übernehmen, der die Schuld an der Verwendung habe, abgesehen davon, daß der Herzog von Cumberland solche Pensionen weiterzahlen werde. Schmerzlich sei, daß die Regierung das Geld noch immer nicht dem Herzog von Cumberland auszahlen wolle; man müsse hoffen, daß bis zum nächsten Jahre diese Ansicht sich ändern werde, wenn auch nach den heutigen Ausführungen des Minister⸗ Präsidenten diese Hoffnung nicht sehr stark sein könne.]

Abg. Dr. Sattler bemerkt, die Wahl der welfischen Abgeordneten bedeute keine übergroße Stärke der Welfen in Hannover, sondern beruhe auf der Wahlpolitik der Freisinnigen und Sozial⸗ demokraten. Die Welfen in Hannover hätten nur die Bedeutung einer Partei, die mit den gegenwärtigen Zuständen unzufrieden sei, nicht die einer Partei, die auf Lostrennung Hannovers von Preußen hinarbeite. Die heutige Erklärung des Minister⸗Präsidenten sei sehr erfreulich und werde namentlich in Hannover freudig begrüßt werden. Ein Widerspruch der heutigen Erklärung mit den Ausführungen des Fürsten Bismarck vom Jahre 1877 sei nicht vorhanden. Klar sei, daß ein so großes Reich wie Deutschland nicht mit so lächerlich gering bemessenen Fonds für geheime Ausgaben auskomme, wie es sie habe, und die Verwendung des Welfenfonds zu diesen Zwecken sei im Sinne des Beschlagnahmegesetzes gerechtfertigt gewesen. Die Ueberführung des Geldes in den allgemeinen Staatsfonds würde in Hannover große Unzufriedenheit erregen, und darum sei es dankbar anzuerkennen, daß der Minister⸗Präsident diese Ueberführung abgelehnt habe. Von dem freudig erwarteten Gesetze möge die Regierung Alles fernhalten, was einer Konfiskation ähnlich sehe. Die Frist bis zum nächsten Jahre möge der Herzog von Cumberland benutzen, seinen bisherigen unfruchtbaren Widerstand aufzugeben, und dazu mitzuwirken, würde von den welfischen Abgeordneten sehr verdienstlich sein.

Abg. Rickert wiederholt, daß die wesentlichste Frage für ihn die konstitutionelle Verwendung sei, die konstitutionelle Kontrole müsse in dem kommenden Gesetz, in Bezug auf das er den Minister⸗ Präsidenten nicht drängen wolle, enthalten sein. Das Verbrennen der Beläge habe er (Redner) darum als unerhört bezeichnet, weil Fürst Bismarck eben eine spätere Rechnungslegung vor dem Landtage zugesagt habe; warum verbrenne man Beläge über Kirchenbauten u. s. w.) Die müsse der Reichskanzler zu seiner eigenen Deckung aufheben. Die Fortschritts⸗ und nationalliberale Partei leugneten nur die Nothwendigkeit der Rechnungslegung vor dem König von Hannover, nicht vor dem Hause, und Fürst Bismarck habe selbst

gesagt, daß er für eine halbe Million geheime Fonds keine Ver-.

wendung habe. Der „Köhlerglaube“ von Verwendung des Welfen⸗ fonds für die Presse werde eben im Lande allgemein getheilt; der Minister Graf Eulenburg habe eine Beeinflussung der Presse durch geheime Fonds selbst anerkannt. Erfreulich sei, daß der Minister des Innern im letzten Jahre einen großen Theil der ihm aus dem Welfen⸗

fonds überwiesenen Gelder zurückgegeben habe, das entspreche dem

Vertrauen, das man der Regierung schenke.

Abg. Dr. Freiherr von 1 nichthannoverschen Fraktionsgenossen, daß dieselben gegen die Schaf⸗ fung des Welfenfonds gestimme hätten. Das Rechtsgefühl müsse

immer obwalten, und das Rechtsgefühl verlange eine Aufhebung des

Welfenfonds, da die Sequestration sich nur auf das Vermögen des Königs Georg von Hannover bezogen habe, und dieser gestorben sei. Die Reglirung möge an den Hannoveranern zwischen treuer Anhäng⸗ lichkeit an ihr Herrscherhaus und angeblicher Agitation gegen Preußen unterscheiden. Im Uebrigen müsse man das Gesetz des nächsten Jahres abwarten, und wenn es mit dem Rechtsgefühl über⸗ einstimme, werde seine Partei dafür stimmen. 8 Abg. Richter: Der Minister⸗Präsident meine, man mache sich zu große Meinungen von der Wirkung des Dispositionsfonds; er be⸗ trage jährlich eine Million, und da nichts davon übrig geblieben sei, seien bisher im Ganzen 20 bis 30 Millionen verwandt, und damit könne man genug Unfug anrichten. Da das gezahlte Geld aus ge⸗ wissen Kassen, nicht vom Minister aus seiner Schublade gehe, müßten doch die Kassen⸗ und andere Beamten die Verwendung kennen, als könne die Verwendung auch nach Verbrennung der Beläge rekonstruirt werden. Unter dem jetzigen Reichskanzler sei eine Einschränkung

dieser Ausgaben eingetreten, aber gesetzmäßig seien seiner Meinung Es würde gut sein, wenn

nach diese Ausgaben immer noch nicht. der Reichskanzler schon jetzt auseinandersetzte, was er für Recht in dieser Beziehung halte. Er halte die Errichtung einer Kirche aus dem Welfenfonds für berechtigt, er (Redner) nicht; der Abg. Lasker habe die Berechtigung der Errichtung einer Kaserne aus dem Welfen⸗ fonds bezweifelt der Regierungskommissar habe es für berechtigt gehalten, wenn die Soldaten sonst in Bürgerquartieren lägen und welfischer Agitation ausgesetzt wären; auf eine Kirche passe diese Motivirung nie, auch das juristische Dr. Miquel im Jahre 1877 lasse solchen Kirchenbau nicht zu. Die Verwendung der Gelder für Wahlzwecke halte er nicht für vereinbar mit der Wahlfreiheit, wenn er auch glaube,

daß diese Gelder gar keine Areg. Bedeutung haben könnten da

müßten die Hannoveraner do schließlich ihre Stimmabgabe von den Strohdächern abhängig machen. Es sei bedauerlich, daß man über den Inhalt des versprochenen Gesetzes nichts erfahre; seine Partei

habe den Antrag auf Aufhebung der Seauestration früher gestellt, er

entstandenen Strike vermehren könne.

Heereman erklärt Namens seiner

Gutachten des

ei abgelehnt worden, der Provinzial⸗Landtag in Hannover habe schon. früher die Aufhebung des Beschlagnahmegesetzes gefordert, und diese halte auch seine Partei für richtig, da man doch schließlich nicht bloß 1 Ferechiggetr. sondern auch Rechtsgründe gelten lassen müsse. Die Aufhebung des Sequestrationsgesetzes bedeute doch nicht die Ueber⸗ lassung des Kapitals an den Herzog von Cumberland, sondern dazu ei noch ein besonderer Vertrag nöthig. Seine Partei habe den eheimen Fonds im Reich stets zugestimmt; ob der jetzige Fonds verzehnfacht werden müsse, müsse erst nachgewiesen werden, jedenfalls

dürfe man durch die Bewilligung der geheimen Fonds nicht den

ungesetzlich verwalteten Welfenfonds gleichsam ablösen.

8 Abg. von Rauchhaupt: Seine Partei sei erfreut, daß in kurzer

Zeit eine Regelung der Materie eintreten solle. Sie meine, daß ein rivatrechtlicher Anspruch der Nachkommen des Königs von Hannover

auf das Geld bestehe, zu dessen Realisirung aber ein besonderer Ver⸗

trag nöthig sei.

3 Abg. Freiherr von Zedlitz: Auch seine Partei sei über das in

Aussicht gestellte Gesetz sehr erfreut. Sie meine, daß über Verwen⸗

dung geheimer Fonds im Landtage keine Rechnung gelegt werden könne

und daß, im Gegensatz zu den Ausführungen des Abg. Richter, der

Welfenfonds nicht aufgehoben werden könne, wenn die geheimen onds im Reich nicht vermehrt seien.

Abg. Brandenburg: Als geborner Hannoveraner, der bis 866 als hannoverscher, dann mit Erlaubniß seines Königs, wie er laube, als pflichttreuer preußischer Amtsrichter amtirt habe und dann in dieses Haus gewählt worden sei, müsse er sein tiefes Bedauern ber die Ausführungen des Herrn Minister⸗Präsidenten ausdrücken.

. Abg. Dr. Brüel bemerkt dem Abg. Dr. Sattler gegenüber,

der Wortlaut des Sequestrationsgesetzes verlange nicht, daß der

Herzog von Cumberland sich unterwerfe, bevor dieses Sequestrations⸗

gesetz aufgehoben werde. 8 1

8 Nach einer kurzen Erwiderung des Abg. Dr. Sattler gegen diese Bemerkung wird die Debatte geschlossen und der

Etatstitel bewilligt, ebenso ohne erhebliche Debatte der Rest

des Kapitels „gewerbliches Unterrichtswesen“.

8 Es folgt die Berathung über die Einnahmen aus dem

Berg⸗, Hütten⸗ und Salinenwesen.

Referent Abg. Stenzel schlägt im Namen der Budget⸗

kommission die unveränderte Genehmigung vor.

8 Abg. Dr. Freiherr von Heereman: Hier handele es sich

die Verhältnisse der Bergleute und ihrer Familien, welche

den Gegenstand der Berathung des Parlaments, der Regierung und der Wissenschaft bildeten. Seine Partei habe diese Verhältnisse heut hier besprechen wollen, aber da inzwischen eine große Erregung der

Bergleute, ein Strike ausgebrochen sei, halte sie hier jede Besprechung eser Verhältnisse für unthunlich, weil sie, mißverstanden oder ent⸗

stellt, die Erregung und den zum Theil leider unter Kontraktbruch

3 Sie verzichte also auf jede esprechung dieser Dinge und werde das, was sie der Besprechung

für bedürftig halte, in persönlicher Rücksprache mit dem Herrn

Minister erledigen. Sie meine, daß auf diesem Gebiet durch

einzelne oder umfassende Gesetze keine Besserung eintreten könne,

wenn nicht der christliche Gedanke die Unterlage des ganzen Verhaltens bilde. Das Bewußtsein der Vergeltung nach dem Tode müsse seine

Wirkung wiedergewinnen; die christliche Familie, die christliche

Schule, die in ihrer Bewegung nicht gehemmte Kirche, die christliche

Idee von der Arbeit und von den Arbeitern und die christliche Nächsten⸗

liebe müßten hier zusammenwirken.

Abg. Vopelius verzichtet ebenfalls zur Zeit auf eine Erörte⸗

rung der Strikefrage. 8

Abg. Schmieding weist darauf hin, daß die Löhne der Berg⸗ arbeiter in den letzten Jahren um 30 % gestiegen seien. Auch er wolle es vermeiden, auf die Strikefrage näher einzugehen, er dürfe es aber nicht unterlassen, zu betonen, daß in der letzten Zeit der

Strike in frivoler Weise geradezu vom Zaune gebrochen sei. Es

würden ins Blaue hinein ganz unerhörte Forderungen gestellt ohne

Rücksicht auf etwa eintretende schlechte Zeiten des Bergbaues. In

der Forderung des Minimallohnes liege der sozialdemokratische

Pferdefuß; der Minimallohn sei nichts weiter als der

Lohn der Faulen auf Kosten der Fleißigen. Arbeitgeber

und Arbeiter müßten zusammengehen, dann würden alle

Mißhelligkeiten beseitigt werden. Der jetzige Strike sei

weiter nichts als eine Frucht des Pariser Arbeiterkongresses. Den

Sozialdemokraten werde der Strike jetzt schon unbequem. Es gehe

ihnen, wie es ihnen der große Feldherr, der gestern zur letzten

Ruhe bestattet sei, prophezeit habe: die deutschen Sozialdemokraten

können wohl die Leidenschaften der Arbeiter erregen, sie aber nicht

zügeln. Möchte die Regierung wie bisher ihre Schuldigkeit thun.

Die Arbeitgeber würden jedenfalls jede unberechtigte Forderung der

Arbeiter unnachsichtlich zurückweisen, selbst wenn es ihnen Schaden

bringen sollte. Eine strengere Handhabung der bestehenden Gesetzes⸗

bestimmungen über den Kontraktbruch sei sehr zu wünschen. Mit

Unrecht habe man die jetzige Zeit verglichen mit der Zeit vor

der fransischen Revolution. Man habe jetzt keine ständische Miß⸗

wirthschasf sondern ein starkes Königthum, welches für den Arbeiter ein Herz habe. Eher könne man unsere Zeit vergleichen mit dem

Reformationszeitalter. Damals wie heute habe die soziale Frage

die Zeit bewegt. Auf der Grundlage der Keaiserlichen Botschaft

werde der Kaiser weiterarbeiten, und Alle, Arbeitgeber und Ar⸗ beiter, wollten ihm darin unentwegt, aber ohne Hast mit offener

Hand und starker Faust, mit offenem Herz und klarem Kopf folgen!

(Beifall.) Minister für Handel und Gewerbe Freiherr von Ber⸗ lepsch:

Meine Herren! Die Redner dieses Hauses, die bisher in der eben besprochenen Frage das Wort genommen haben, haben die Meinung geäußert, daß es gerathen sei, im gegenwärtigen Zeitpunkt sich eines Aufrollens der großen Arbeiterfragen enthalten zu sollen, denen unsere Zeit sich zuwendet; allerdings ist sie nicht durchaus zur Ausführung gelangt. (Sehr richtig!) Ich glaube aber, mich dieser Meinung an⸗ schließen zu sollen und mich heute darauf nicht einlassen zu sollen, den Standpunkt der Königlichen Staatsregierung den Strike⸗ bewegungen überhaupt und der augenblicklichen Strikebewegung ins⸗ besondere gegenüber darzulegen. (Bravo!)

Mich bestimmt dazu namentlich die Erwägung, daß, wie mir scheinen will, wir augenblicklich in einen Zeitpunkt eingetreten sind, wo die begonnene Strikebewegung einen gewissen Halt macht, wo die Hoffnung nicht ganz ausgeschlossen erscheint, daß wir nicht zu einem allgemeinen Ausstand unserer Bergarbeiter kommen werden, sondern daß die Bewegung auf partielle Ausstände beschränkt werden wird. Und wenn das der Fall ist, dann darf ich der andern Hoffnung Ausdruck geben, daß wir in nicht allzu langer Zeit die Strikebewegung wieder verschwinden sehen werden. Wie lang dieser Zeitraum sein wird, das zu bestimmen, ist ja Niemand in der Lage. Indessen glaube ich, wie gesagt, daß es richtig ist, Alles zu vermeiden, was zu einer weiteren Erregung, auch wenn sie nur durch mißverständliche Auffassung herbeigeführt würde, dienen kann. (Sehr richtig!)

Nur eins, meine Herren, möchte ich hervorheben, nämlich das lebbafte Bedauern, was auch die Staatsregierung darüber empfindet, daß auch diesmal wieder die Belegschaften, die in den Strike eingetreten sind, die Kündigungsfrist nicht eingehalten, den Kontrakt gebrochen haben. Dieses Moment ist das beklagenswertheste in der auch sonst so schwierigen Situation, und weil ich dieser Meinung bin, habe ich es für meine Pflicht gehalten, in Verbindung mit dem Herrn

Minister des Innern den Königlichen Beamten eine ver⸗ mittelnde Thätigkeit zu versagen, so lange die Arbeiter kontraktbrüchig sind. Ob dieser Standpunkt dauernd aufrecht zu erhalten ist, steht dahin; er wird dann verlassen werden können, wenn nicht nur die Arbeiter, sondern auch die Arbeitgeber die Vermittelung der Königlichen Behörden anrufen, das wird abzu⸗ zuwarten sein.

Im Uebrigen schließe ich mich den Ausführungen des Hrn. Abg. von Heereman vollständig an, die wesentlich für mich in dem Satz gipfeln: der Arbeitgeber und der Arbeiter gehören zusammen; und so lange ich die Ehre habe, an der Spitze der preußischen Bergverwal⸗ tung zu stehen, wird nach diesem Grundsatz auf den fiskalischen Berg⸗ werken verfahren werden.

Wir haben versucht, nach dieser Richtung hin zu wirken, soweit wir dazu in der Lage sind. Es wird den Herren bekannt sein, daß wir jetzt durchweg auf sämmtlichen fiskalischen Berg⸗ und Hütten⸗ werken die Arbeiterausschüsse eingeführt haben. Es hat diese Maß⸗ nahme manche Anfechtung erfahren; es sind vielfach Zweifel darüber laut geworden, ob man damit einen richtigen Schritt thäte, einen Schritt, der das Ziel, was man im Auge hat, auch wirklich erreichen läßt. Ich kann nicht behaupten, daß zur Zeit die Ein⸗ richtung der Arbeiterausschüsse überall zur Herstellung, ja selbst nur zur Anbahnung des Friedens zwischen Arbeitgebern und Arbeitern gedient hat; dagegen eins kann ich ganz bestimmt behaupten, daß die Hoffnung, daß es dazu kommen wird, in uns keineswegs er⸗ loschen ist, und daß zweitens ein Moment ganz sicher als Vortheil zu registriren ist, nämlich eine viel eingehendere Bekanntschaft der Berg⸗ beamten mit den Bestrebungen und Wünschen der Bergleute. Sie sind heute in einer ganz anderen Weise informirt über das, was in der großen Menge der Belegschaften vor sich geht, sie haben eine bessere Fühlung, als das der Fall war, bevor diese Einrichtung ein⸗ geführt wurde.

Im Uebrigen, meine Herren, ist es Ihnen ja bekannt, daß Sei⸗ tens Seiner Majestät der Bergverwaltung die Aufgabe gestellt wor⸗ den ist, die fiskalischen Werke zu Musteranstalten auszugestalten; ich verstehe darunter nicht nur einen möglichst reichlich bemessenen Lohn, der selbstverständlich den Verhältnissen entsprechend sein muß, und nicht nur eine möglichst kurze Schichtdauer, die selbstverständlich die Nothwendigkeit einer regelmäßigen Produktion berücksichtigen muß; ich verstehe darunter auch nicht nur die Herstellung von allerhand Wohlfahrtseinrichtungen, wie die Badeeinrich⸗ tungen auf den Zechen, die Beschaffung von Miethswohnungen oder eigenen Häusern für die Belegschaften u. s. w., sondern ich verstehe darunter ganz besonders auch eine Erziehung des jugendlichen Bergmanns. Darin sehe ich eine der Hauptaufgaben, nicht nur der fidkalischen Bergverwaltungen, sondern aller Berg⸗ verwaltungen unseres Vaterlandes. Ich freue mich, konstatiren zu können, daß in dieser Beziehung zwischen den Anschauungen wenigstens einiger Privatbergwerksbesitzer und denen der Königlichen Staats⸗ regierung Uebereinstimmung besteht. Ich darf in dieser Beziehung an eine Rede erinnern, die der Hr. Abg. Dr. Ritter in diesem Hause, wenn ich nicht irre, im vorigen Jahre gehalten hat.

Die Frage der Erziehung der jugendlichen Bergleute, wie der jugendlichen Arbeiter überhaupt, ist eine Kardinalfrage in unsrer ganzen Arbeiterschutzgesetzgebung, und wenn es gelingt, die jungen Leute, die Bergmannskinder, um die es sich nessentlich handelt, alsbald nach ihrer Entlassung aus der Volks⸗ schule auf den Bergwerken in Arbeit zu nehmen, sie zunächst über Tage, und, wenn sie die nöthige Reife erlangt haben, unter Tage so auszubilden, daß sie von dem sog. Jungen zum Schlepper, vom Schlepper zum Lehrhäuer, und vom Lehrhäuer zum Häuer vorrücken, jeder Grad gekennzeichnet durch einen bestimmten Abschluß, bei dem meines Erachtens sehr wohl der Ausschuß mit⸗ herangezogen werden könnte, so würden wir einen geregelten Aus⸗ bildungsgang, der eine ständige sorgfältige Beaufsichtigung des jungen Mannes mit sich bringt, in unsere Verwaltung einführen, der den vielen Klagen über die jugendlichen Arbeiter abhelfen würde. Es ist ja allerdings leicht, solche Gedanken zu haben und auszusprechen, schwieriger aber ist es, sie in der Praxis auszuführen. Wir werden deshalb einer langen Zeit bedürfen, bis wir zur Verwirklichung der⸗ selben kommen können, namentlich auch deshalb, weil zur Zeit der Freiheitsdrang der jugendlichen Arbeiter, man kann sagen, ein ungemessener ist und sie sich nur ungern und widerwillig den Vorschriften, die ich im Auge habe, werden fügen wollen; indessen mit Zeit, mit Geduld und Ueberredung hoffe ich, daß wir diesen Widerstand überwinden werden. Wenn wir überhaupt den Gedanken, daß Arbeitgeber und Arbeit⸗ nehmer zusammengehören, zur Grundlage unserer Bestrebungen für die Arbeiter machen und das soll geschehen —, so hoffe ich, daß wir im Laufe der Jahre diese heftigen Explosionen, wie sie uns jetzt wieder schrecken, mehr und mehr vermeiden können. (Bravo!)

Abg. von Itzenplitz erklärt, er habe dem Hause eine Petition der Stadt Breslau zu übermitteln, welche sich dahin richte, daß dem bisherigen Verkaufsmodus der geförderten Kohlen der Staats⸗ werke ein Ende gemacht werde, weil mit dem jetzigen Verkauf der Kohlen an wenige Großhändler eine Vertheuerung der Kohlen für die Konsumenten herbeigeführt werde. Die Privatgruben hätten einen solchen Verkaufsmodus eingeführt und dann seien die fis⸗ kalischen Werke diesem Verfahren gefolgt und verkauften die große Masse ihrer Förderung an zwei Großhändlerfirmen, wodurch eine Preistreiberei zu Ungunsten der Konsumenten gefördert werde. An⸗ gesichts der vitalen Interessen der Konsumenten dürfe man solche Pri⸗ vilegien für das Großkapital nicht aufrecht erhalten.

G für Handel und Gewerbe Freiherr von Ber⸗ epsch:

Meine Herren! Ich bin zu meinem Bedauern nicht in der Lage gewesen, allen Ausführungen des Herrn Vorredners zu folgen; er sprach außerordentlich leise, und in Folge dessen ist mir nicht alles verständlich geworden. Im Großen und Ganzen habe ich ihn dahin verstanden, daß er der Meinung ist, daß die Königliche Staats⸗ regierung den Interessen des Großkapitals, hier der Groß⸗ kohlenhändler, zu leicht nachgiebt zum Schaden der Kohlen⸗ konsumenten der Provinz Schlesien, und daß sie nicht dafür sorgt, daß die Preise in der richtigen Weise regulirt werden, d. h., daß sie nicht billiger direkt an die Konsumenten verkauft, als sie es thatsächlich thut. Ich muß zunächst hbemerken, daß der Herr Vor⸗ redner richtig informirt ist, wenn er annimmt, daß im Frühjahre des vorigen Jahres sich ein neuer Verkaufsmodus heraus⸗ gebildet habe, nach welchem die oberschlesischen Zechen ihre Kohlen an wenige Großhändler verkaufen, und daß durch den Anschluß der fiskalischen Gruben an dieses Verfahren, wie er

““ 8

sagt, der Ring geschlossen worden sei. Meine Herren, dieser Ver⸗ kaufsmodus ist ein sehr viel älterer; seit Jahren verkaufen die ober⸗ schlesischen Privatgruben fast ihre gesammten Produkte, soweit sie sie nicht selbst gebrauchen, an Großhändler, und zwar wie der Herr Vorredner ganz richtig bemerkt hat weessentlich an zwei Firmen. Auch die fiskalischen Gruben haben einen sehr be⸗ deutenden Theil ihrer Förderung an diese beiden großen Kohlenfirmen abgegeben, sodaß ich gar nicht an der Richtigkeit der Bemerkung zweifeln will, daß zeitweise 75 % der gesammten Produktion der oberschlesischen Kohlengruben nur durch diese beiden großen Firmen an die Konsumenten gelangt sind. Aber das muß ich bestreiten, daß daran sich die Folge geknüpft hat, daß die Kohlenhändler diese günstige, monopolartige Position dazu benutzt haben, um die Preise in einer übermäßigen Weise in die Höhe zu treiben. Als ich die Bergverwaltung im vorigen Jahre über⸗ nommen hatte, tauchten ähnliche Klagen aus der Provinz Schlesien auf. Es wurde den Kohlenhändlern vorgeworfen, daß sie exorbitant hohe Preise von den Konsumenten forderten, und daß sie diese Preise nur fordern konnten auf Grund des thatsächlichen Monopols, das sie hatten. Ich habe daraufhin versucht, dieser Behauptung auf den Grund zu gehen, und mir zunächst von der einen Großhandlung, die Hauptabnehmerin fiskalischer Kohlen ist, die Preise angeben lassen, die sie den Großkonsumenten berechnet hat. Diese Angaben sind durch Rückfragen von den Behörden, den Ober⸗Präsi⸗ denten, Regierungs⸗Präsidenten und Bergbehörden auf ihre Rich⸗ tigkeit geprüft worden, und da hat sich ergeben, daß thatsäch⸗ lich in der Regel die Großhändler von den Konsumenten nicht mehr verlangt haben, als die Tagespreise der Kohlen auf den Gruben betrugen. Sie haben ihre günstige Position nicht zu Unrecht ausgenutzt, die Vorwürfe, die gegen sie gerichtet wurden, nicht verdient.

Nun hat man auch gesagt, die Tagespreise der fiskalischen Zechen wären zu hoch. Das trifft aber dann nicht die Händler, sondern die Zechenverwaltungen. Meine-Herren, die Preise der oberschlesischen Steinkohlen sind allerdings bedeutend in die Höhe gegangen, wie die Preise in den anderen Kohlenrevieren in Rheinland⸗Westfalen und an der Saar, sie sind aber stets niedriger gewesen als hier. Daß der Fiskus auch von dieser Preissteigerung profitirt, ist unvermeidlich und nicht uvn⸗ gerechtfertigt; so lange er selbst Bergbau betreibt, wird er bei dem Absatz seiner Produkte die Marktlage beachten müssen, thut er das bei günstiger Konjunktur nicht, so werden die günstigen Zahlen, die Sie heute im Etat finden, sehr bald verschwinden. Der Staat ist ver⸗ pflichtet, dafür zu sorgen, daß die in gewerblichen Betrieben angelegten großen Kapitalien eine verständige Verzinsung ergeben. Das schließt die Verpflichtung nicht aus, seinerseits nach Möglichkeit dahin zu streben, übermäßigen Preistreibereien, wenn sie vorkommen, entgegenzutreten. Dieser Verpflichtung sind die fiskali⸗ schen Wertsverwaltungen nachgekommen, sie sind dazu ausdrücklich schon von meinem Herrn Amtsvorgänger angewiesen worden.

Die Rücksicht auf die Industrie und die Konsumenten erkenne ich als vollständig richtig an, das kann aber nicht dazu führen, eine günstige Konjunktur unbenutzt zu lassen, denn die schlechte Konjunktur muß auch ertragen werden.

Wenn die fiskalischen zum großen Theil dasselbe System befolgt haben, wie die Privatgruben, das System des Verkaufs an Groß⸗ händler, so haben sie sich die Vortheile desselben sichern wollen, besonders den außerordentlichen Vortheil des ständigen und zuverlässigen Ab⸗ nehmens. Sie sind immer sicher gewesen, ihre Produktion zu einem angemessenen Preise zu verwerthen, und demzufolge in der Lage, ihre Arbeiter angemessen zu löhnen.

Trotz alledem, meine Herren, erkenne ich an, daß in der That⸗ sache, daß von den oberschlesischen Privatgruben fast ihre ganze Produktion an die Großhändler abgegeben wird, eine Thatsache, die noch eine Verstärkung darin findet, daß auch ein Theil der fiskalischen Kohlenproduktion an diese Händler verkauft wurde, eine Gefahr liegt. Es ist nicht zu bestreiten, daß eine unrichtige Ausnutzung dieser monopolartigen Stellung stattfinden kann. Ich habe mir vorhin erlaubt, zu bemerken, daß nach unseren bisherigen Feststellungen eine solche Ausnutzung nicht statt⸗ gefunden hat; aber ich muß zugeben: sie kann stattfinden. Den Privatgruben gegenüber kann die Regierung nichts thun, deren Sache ist es, ihre Produkte so zu verwerthen, wie sie es für angemessen halten, wohl aber können sie mit ihren eigenen Produkten einen andern Weg einschlagen, und diesen andern Weg haben wir beispielsweise in Saarbrücken bereits eingeschlagen. In Saar⸗ brücken besteht ein Kohlenverkaufsbureau, welches den Verschleiß sämmt⸗ licher Kohlen in Händen hat und mit den Konsumenten direkt verhandelt. Allerdings muß man sich das nicht so vorstellen, als ob ein solches Kohlen⸗ verkaufsbureau in der Lage wäre, mit den sämmtlichen Kleinhändlern oder gar mit den kleinen Konsumenten in direkte Beziehung zu treten und scheffelweise seine Kohlen zu verhökern; das ist natürlich unmög⸗ lich. Wenn es sich um einen Verkauf von 3 600 000 t jährlich handelt, wie bei den beiden oberschlesischen fiskalischen Gruben, so kann man nicht im Detail verkaufen. Aber man kann sehr wohl an Gruppen von Konsumenten, wenn diese sich zusammenfinden, große Quanten abgeben, und es haben auch in dieser Beziehung nicht nur in Saarbrücken, sondern auch in Oberschlesien bereits Verhand⸗ lungen stattgefunden. Z. B. sind die oberschlesischen Werksverwal⸗ tungen mit den Zuckerindustriellen in der Gegend von Breslau in Folge einer von dort gegebenen Anregung in Verbindung getreten, in Folge dessen jetzt eine direkte Abgabe von Kohlen an dieses Konsortium statt⸗ findet. Allerdings allen Ansprüchen wird ja eine Verwaltung nie gerecht werden können, namentlich nicht in Beziehung auf die Preis⸗ gestaltung. Als die Aufforderung an mich gelangte, dafür zu sorgen, daß an die vereinigten Zuckerfabrikanten Schlesiens direkt Kohlen ab⸗ gegeben würden, verlangten die Herren gleichzeitig, daß eine Preisherab⸗ setzung für die Kohlen stattfinden solle. Das Erstere ist, wie gesagt, geschehen, aber dem Wunsche auf Herabsetzung der Kohlenpreise zu entsprechen, schien uns keine Veranlassung vorzuliegen. Denn bei näherer Er⸗ kundigung stellte sich heraus, daß die fraglichen Zuckerfabriken in den vergangenen Jahren 16, 17 und mehr Prozent Dividende bezahlt hatten; da mußten wir uns doch sagen: wenn wir Denen die Kohlen billiger abgeben, so vermindern wir die Einnahme der fiskalischen Gruben, um die Dividende der Zuckerfabriken zu erhöhen; dasm sind aber fiskalische Einnahmen nicht da. Ich bin gern bereit, bei der Frage der Preisgestaltung der Kohlen nicht ausschließlich die Marktlage bestimmend sein 7zu lassen ich bin mir der Verpflichtung bewußt, auch die Verhältnisse der

8 6““ 88 8